Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde - Welt der Arbeit
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„BILD“ ALS MACHTFAKTOR<br />
täglich demokratisch legitimierten Machtfaktor<br />
machen soll, stammt vom Gründungsverleger<br />
Axel Springer (vgl. Voß 1999, 18).<br />
Die Basis des Machtwillens indes ist schmaler<br />
geworden, <strong>„Bild“</strong> verliert seit Jahren an Auflage.<br />
Seit Mitte <strong>der</strong> 1980er Jahre ist es in einem<br />
größer gewordenen Deutschland etwa 2,5 Millionen<br />
Bürgern nicht mehr wert, für <strong>„Bild“</strong><br />
60 Cent am Tag auszugeben; damals lag die<br />
verkaufte Auflage bei bis zu 5,5 Millionen <strong>und</strong><br />
heute bei unter 3 Millionen … Geht die Entwicklung<br />
so weiter, dann hat sich <strong>„Bild“</strong> bis Ende<br />
2011 halbiert. Die Antwort des Verlages <strong>und</strong> des<br />
Chefredakteurs: Die Auflage sei profitabel, <strong>und</strong><br />
eine wirtschaftliche Auflage sei das Kernziel.<br />
Und: Die Reichweite sei mit über 12 Millionen<br />
Lesern unverän<strong>der</strong>t hoch <strong>und</strong> <strong>der</strong> Abstand zu<br />
den an<strong>der</strong>en Medien ebenfalls. Nun weiß je<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Medienbranche, dass die Reichweitenmessung<br />
nur bedingt einer zuverlässigen Währung<br />
gleichkommt. Das Argument, es sei für<br />
<strong>„Bild“</strong> entscheidend, eine profitable <strong>und</strong> nicht<br />
eine möglichst hohe Auflage zu haben, kann<br />
bestenfalls als defensive Argumentation gewertet<br />
werden, denn tatsächlich tut <strong>„Bild“</strong> alles<br />
dafür, die „tägliche Abstimmung am Kiosk“ zu<br />
gewinnen, also eine höchstmögliche Auflage<br />
zu erreichen.<br />
4.2 Mächtige Einbildungen<br />
Anhaltend umstritten ist, ob Massenmedien<br />
starke o<strong>der</strong> schwache Wirkungen haben. Es<br />
wird ihnen zugeschrieben, dass sie vorhandene<br />
Einstellungen verstärkten, dass sie beeinflussten,<br />
mit welchen Themen sich die Menschen<br />
beschäftigen. Meinungsführern <strong>und</strong> Multiplikatoren<br />
wird an<strong>der</strong>erseits nachgesagt, auf<br />
<strong>ihre</strong> jeweilige soziale Umgebung einen stärkeren<br />
Einfluss auszuüben als Medien. Aber woher<br />
haben Meinungsführer <strong>ihre</strong> Positionen?<br />
Aus massenmedialen Informationen? Generell<br />
variiere <strong>der</strong> Einfluss, heißt es in <strong>der</strong> einschlägigen<br />
Literatur, nach <strong>der</strong> geografischen <strong>und</strong> inhaltlichen<br />
‚Nähe‘, die <strong>der</strong> Konsument zu dem<br />
jeweiligen Thema habe. Zudem könnten Massenmedien<br />
in Situationen des Umbruchs <strong>und</strong><br />
<strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung eine stärkere Wirkung haben<br />
als in ruhigen Zeiten. Und: Medien arbeiten<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich an den Nahtstellen zwischen Neu<br />
<strong>und</strong> Alt <strong>–</strong> egal ob es sich um gr<strong>und</strong>sätzliche Tendenzen<br />
o<strong>der</strong> gesellschaftliche Detailfragen<br />
handelt. Je bedeutungsloser das Vertraute <strong>und</strong><br />
je wichtiger das Neue <strong>und</strong> Unbekannte, desto<br />
höher <strong>der</strong> Einfluss <strong>der</strong> Medien. ‚Es kommt darauf<br />
an‘, beginnen deshalb alle klügeren Antworten<br />
(vgl. z. B. Schorr 2000; Raupp/Vogelsang<br />
2009).<br />
Alles, einschließlich <strong>der</strong> heutigen Medienwirkungsforschung,<br />
spricht dafür, dass trivial<br />
konstruierte Wirkungszusammenhänge <strong>der</strong><br />
Vielfalt <strong>der</strong> Wechselwirkungsprozesse kommunikativen<br />
Handelns nicht gerecht werden.<br />
Höchstens dort, wo sich Befehlsstrukturen halten<br />
können, hat die Kommunikationsbeziehung<br />
etwas von einem Zigarettenautomaten, bei dem<br />
<strong>der</strong> richtige Input zum gewünschten Output<br />
führt. Die Legende von <strong>der</strong> unmittelbaren Medienwirkung<br />
auf Meinungs- <strong>und</strong> Entscheidungsbildungsprozesse<br />
hat jedoch zwei unerschöpfliche<br />
Quellen, die an <strong>der</strong> Gültigkeit dieser Legende<br />
unmittelbar interessiert sind: einerseits<br />
erfolgreiche Medienleute, die sich toll finden,<br />
Die Basis des Machtwillens<br />
ist schmaler<br />
geworden<br />
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