Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde - Welt der Arbeit
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„BILD“ ALS MACHTFAKTOR<br />
nommen‘ werden. Macht bleibt deshalb im Kern<br />
stets eine prekäre soziale Konstruktion; die<br />
Riesen, die dabei entstehen, sind immer auch<br />
Scheinriesen.<br />
4.1 Der Wille zur Macht<br />
Politische Menschen wollen sich einmischen;<br />
es kann keine Überraschung sein, dass das<br />
auch für Verleger, Herausgeber <strong>und</strong> Chefredakteure<br />
gilt. Das ordnungspolitische Ansinnen,<br />
sie sollten die Möglichkeiten, die <strong>ihre</strong> Funktion<br />
ihnen eröffnet, nicht nützen, weil diese Funktion<br />
zugleich Unabhängigkeit <strong>und</strong> den Verzicht<br />
auf gezielte Beeinflussung verlange, muss an<br />
einem Medium abprallen, das Grenzüberschreitungen<br />
als <strong>Arbeit</strong>sprinzip pflegt. Der Verein<br />
Bayern München stellt die öffentliche Aufmerksamkeit,<br />
die er mit Fußballspielen erzeugt,<br />
seinem Finanzchef zur Verfügung, um<br />
Werbegel<strong>der</strong> einzufahren. Die <strong>„Bild“</strong>-Zeitung<br />
stellt ihr Millionenpublikum, das sie mit<br />
„Angst, Hass, Titten <strong>und</strong> dem Wetterbericht“<br />
(Punkrockband „Die Ärzte“) erreicht, <strong>ihre</strong>n Entscheidungsträgern<br />
zur Verfügung, um Politik zu<br />
machen. Die Banden-Werbung im Stadion <strong>und</strong><br />
die Polit-PR in <strong>„Bild“</strong> sind beides Nebengeschäfte<br />
einer an<strong>der</strong>weitig erzeugten öffentlichen<br />
Aufmerksamkeit. Die politische Nebentätigkeit<br />
im medialen <strong>„Bild“</strong>-Geschäft hat eine<br />
lange Tradition, die <strong>der</strong> amtierende Chefredakteur<br />
Kai Diekmann selbstbewusst pflegt.<br />
Kai Diekmann sagt, „dass er die Meinung<br />
‚für echten Unsinn‘ halte, PR-Leute dürften Kampagnen<br />
machen, Journalisten aber nicht“ (zit.<br />
n. Boenisch 2007, 161). In verschiedenen Interviews<br />
bekräftigt Diekmann diese Position,<br />
etwa „indem er rhetorisch fragt: ‚Was ist so<br />
schlimm an Kampagnen?‘ <strong>und</strong> konstatiert:<br />
‚Kampagnen sind völlig legitim. Wer bessere<br />
Politik will, <strong>und</strong> das wollen wir, <strong>der</strong> muss leidenschaftlich<br />
dafür kämpfen <strong>und</strong> die Mittel nutzen,<br />
die ihm zur Verfügung stehen <strong>–</strong> so wie alle<br />
das machen‘“ (Boenisch 2007, 161). Hat dieses<br />
politische Engagement eine parteipolitische<br />
Ausrichtung? Experte 2 (vgl. S. 98) sieht, im<br />
Gegensatz zu an<strong>der</strong>en, eine klare Positionierung<br />
von <strong>„Bild“</strong>: „Seit Rot-Grün hat sich das verschärft,<br />
dass ‚Bild‘ politisch zuspitzt <strong>und</strong> Kampagnen<br />
macht. Die versuchen heute im Gegensatz<br />
zu früher, <strong>ihre</strong>n Populismus mit Parteipolitik<br />
zu vereinen, das gelingt ihnen ganz gut.<br />
‚Bild‘ ist klar gegen die Grünen, gegen die<br />
Linkspartei, halbwegs auch gegen die SPD. Es<br />
gibt so gut wie keine Attacken gegen die Union<br />
<strong>und</strong> die FDP, die kommt fast am besten weg.“<br />
Diese Einschätzung unterstützt Experte 3 (vgl.<br />
S. 98): <strong>„Bild“</strong> stehe, „wenn es darauf ankommt,<br />
immer auf <strong>der</strong> konservativ-marktliberalen Seite“.<br />
Diekmann ist Buchautor, mehrfach ausgezeichnet<br />
mit Medienpreisen <strong>und</strong> ein gefragter<br />
Interviewpartner für Qualitätszeitungen wie<br />
„Süddeutsche Zeitung“ <strong>und</strong> „Frankfurter Allgemeine<br />
Zeitung“ sowie Fachmagazine wie „Horizont“,<br />
wenn es um die politische Lage, die Zukunft<br />
<strong>der</strong> Printmedien <strong>und</strong> „anspruchsvollen<br />
Boulevardjournalismus“ (siehe Interview in<br />
„horizont.net“ vom 17. Dezember 2009) geht. In<br />
diesem Interview reklamiert Diekmann nicht<br />
nur, dass <strong>„Bild“</strong> über Konflikte wie die um Opel<br />
<strong>und</strong> den Warenhauskonzern Arcandor „sehr<br />
differenziert berichtet“ habe. Er geht auch<br />
Klar gegen die Grünen,<br />
gegen die Linkspartei,<br />
halbwegs auch gegen<br />
die SPD<br />
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