Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde - Welt der Arbeit
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TEIL I: EINE KRISE, EINE ZEITUNG, EIN ZIRKUS<br />
Ein schwarz-weißer<br />
Ball ist heute schwarz<br />
<strong>und</strong> morgen weiß<br />
Politik- <strong>und</strong> Kommunikationsberaters Michael<br />
Kronacher: „Es ist leichter, in <strong>der</strong> ‚Süddeutschen<br />
Zeitung‘ einen Artikel zu schreiben als in ‚Bild‘.“<br />
Der <strong>„Bild“</strong>-Jargon kann im Publikumsalltag ohne<br />
Hürden aufgegriffen werden. Die meisten Medien<br />
machen dagegen ihr Publikum zu „Begriffszuschauern“<br />
(Röggla 2009, 56). Wie sie formulieren,<br />
orientiert sich an einer Schriftsprache,<br />
die kein Mensch spricht. Um die Informationen<br />
in das eigene Sprechen zu übernehmen, muss<br />
das Publikum erst Übersetzungsarbeit leisten.<br />
Oft muss es sogar beson<strong>der</strong>e Denkanstrengungen<br />
aufbringen, um die Informationen dem Inhalt<br />
<strong>und</strong> <strong>der</strong> Sprache nach überhaupt<br />
einigermaßen zu verstehen. Fernsehnachrichten<br />
über die Finanzmarktkrise sind dafür berüchtigte<br />
Beispiele. Die <strong>„Bild“</strong>-Macher geben<br />
sich dagegen größte Mühe, so zu schreiben,<br />
dass es für die Rezipienten sofort zu verstehen<br />
<strong>und</strong> unmittelbar in den eigenen Sprachgebrauch<br />
zu übernehmen ist. Dabei muss einfach we<strong>der</strong><br />
witzlos noch pointenarm heißen. Der einfache<br />
<strong>und</strong> kurze Satzbau, die unmittelbare Verständlichkeit,<br />
die Nähe zur Alltagssprache schaffen<br />
Vertrautheit <strong>und</strong> verschaffen einem breiten Publikum<br />
das Erlebnis, sich in dieser täglichen<br />
Veröffentlichung sicher <strong>und</strong> ‚wohl zu fühlen‘.<br />
Das ist bei den meisten an<strong>der</strong>en Medien wegen<br />
<strong>der</strong> sprachlichen <strong>und</strong> inhaltlichen Komplexität<br />
<strong>ihre</strong>s Angebots plus <strong>der</strong> damit einhergehenden<br />
Unfähigkeit, Unwilligkeit o<strong>der</strong> Unmöglichkeit,<br />
ausreichende Übersetzungsleistungen zu erbringen,<br />
nicht <strong>der</strong> Fall.<br />
Wo so stark gehobelt wird, müssen Späne<br />
fallen. Zusammenhänge, Differenzierungen,<br />
alternative Blickwinkel fallen weg zugunsten<br />
von Eindeutigkeit <strong>und</strong> anstrengungsloser Verständlichkeit.<br />
Ein schwarz-weißer Ball ist in<br />
<strong>der</strong> <strong>„Bild“</strong>-Zeitung heute schwarz <strong>und</strong> morgen<br />
weiß o<strong>der</strong>, genauer: heute <strong>der</strong> schwärzeste <strong>und</strong><br />
schlechteste Ball, den es je gab, <strong>und</strong> irgendwann<br />
<strong>der</strong> weißeste <strong>und</strong> beste. Es handelt sich<br />
um ein Vorgehen, wie es in <strong>der</strong> <strong>Welt</strong> <strong>der</strong> Werbung<br />
üblich ist: die Sachverhalte, ungeachtet<br />
<strong>ihre</strong>r inhaltlichen Komplexität <strong>und</strong> faktischen<br />
Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeiten, auf schlichte, kontextlose,<br />
eingängige Botschaften vereinfachen,<br />
eine vertraute Sprache wählen <strong>und</strong> die Botschaft<br />
in möglichst gängigen Worten o<strong>der</strong> Wortkombinationen<br />
ausdrücken, ‚auf den Punkt<br />
bringen‘ <strong>und</strong> dann diese Botschaften von Tag zu<br />
Tag, von Text zu Text <strong>und</strong> sogar innerhalb <strong>der</strong><br />
jeweiligen Texte zu wie<strong>der</strong>holen, also kampagnenartig<br />
zu perpetuieren.<br />
3.2.4 Selbstdarstellung <strong>und</strong> Event-<br />
<strong>Marke</strong>ting<br />
<strong>„Bild“</strong> ist nicht nur ein laufend urteilen<strong>der</strong> <strong>und</strong><br />
verurteilen<strong>der</strong> Kommentator <strong>der</strong> Griechenland<strong>und</strong><br />
Eurokrise, das Blatt setzt sich auch in vielen<br />
seiner Ausgaben selbst in Szene. Der Regisseur<br />
<strong>der</strong> Geschichte gibt sich selbst eine<br />
Hauptrolle <strong>und</strong> spielt sich in den Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong>.<br />
<strong>„Bild“</strong> macht sich in <strong>„Bild“</strong> immer wie<strong>der</strong> selbst<br />
zum Thema. Sie erklärt <strong>ihre</strong>m Publikum, was<br />
sie gerade tut. Sie erzählt weiter, was an<strong>der</strong>e<br />
Gutes o<strong>der</strong> Kritisches über sie sagen. Sie räumt<br />
eigenen Aktionen breiten Platz ein. <strong>„Bild“</strong> ist<br />
eine Ware, die sich selbst ins Schaufenster<br />
stellt <strong>und</strong> anpreist; vergleichbar vielleicht mit<br />
einem Busfahrer, <strong>der</strong> sich seinen Fahrgästen in<br />
kurzen Zeitabständen immer wie<strong>der</strong> lautstark<br />
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