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Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde - Welt der Arbeit

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TEIL III: METHODE UND WISSENSCHAFTLICHER HINTERGRUND<br />

Weg von <strong>der</strong> Relevanz,<br />

hin zur Attraktivität<br />

auch im Plural auftritt, können erstens die Kriterien<br />

Relevanz <strong>und</strong> Neuigkeitswert nicht eindeutig<br />

sein; sie werden umstritten bleiben.<br />

Zweitens existiert die öffentliche Meinung<br />

nicht nur außerhalb des Journalismus, son<strong>der</strong>n<br />

auch durch den Journalismus. Das heißt, er<br />

trägt einerseits zu <strong>ihre</strong>r Herausbildung bei, bestimmt<br />

sie mit <strong>und</strong> wird an<strong>der</strong>erseits an ihr gemessen,<br />

von ihr mitbestimmt <strong>–</strong> einfacher sind<br />

die Verhältnisse lei<strong>der</strong> nicht.<br />

Offen ist die Frage, woran sich Relevanz<br />

bemisst. Die Antwort kann hier nicht entwickelt,<br />

son<strong>der</strong>n nur behauptet werden. Das Gewicht<br />

kommt erstens aus <strong>der</strong> Beziehung zu den<br />

für die Gesellschaft „kollektiv verbindlichen<br />

Entscheidungen“, also aus <strong>der</strong> Beziehung zur<br />

Politik. Ohne Zweifel bildet das politische System<br />

eine herausgehobene Entscheidungsinstanz,<br />

aber die einzige ist sie in <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen<br />

Gesellschaft nicht. Auch Organisationen (man<br />

denke nur an Großkonzerne) <strong>und</strong> sogar Individuen<br />

treffen Entscheidungen auf vielen Fel<strong>der</strong>n<br />

<strong>–</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>der</strong> Bildung, <strong>der</strong> Ges<strong>und</strong>heit<br />

etc. Deshalb beschäftigt sich die öffentliche<br />

Meinung zwar primär, aber nicht exklusiv mit<br />

<strong>der</strong> Politik, deshalb hat <strong>der</strong> Journalismus nicht<br />

nur politische, son<strong>der</strong>n auch wirtschaftliche,<br />

schulische, kulturelle, ges<strong>und</strong>heitliche <strong>und</strong><br />

weitere Themen. Dadurch wird die Information<br />

„Amy Winehouse verrutschte in Rio de Janeiro<br />

(Brasilien) das Bikini-Oberteil“ allerdings<br />

nicht zu einer journalistischen Nachricht, son<strong>der</strong>n<br />

bleibt nackte Unterhaltung.<br />

Es ist ein gerne gepflegtes Missverständnis,<br />

Aktualität beweise sich unmittelbar<br />

dadurch, dass Publikumsinteressen befriedigt<br />

werden. Tatsächlich wirkt <strong>der</strong> Bezug zum Publikum<br />

„nur“ indirekt dadurch, dass es durch seine<br />

Rezeption die Themenwahl <strong>und</strong> die Beiträge<br />

des Journalismus anerkennt <strong>–</strong> dessen erste Bezugsgröße<br />

die öffentliche Meinung ist <strong>und</strong><br />

bleibt. Die Differenz zwischen veröffentlichter<br />

<strong>und</strong> demoskopisch ermittelter Bevölkerungsmeinung<br />

bleibt an dieser Stelle unberücksichtigt.<br />

Solange <strong>der</strong> Journalismus dem Bezug zur<br />

öffentlichen Meinung Vorrang einräumt, bleibt<br />

die Sachdimension <strong>der</strong> Themen im Vor<strong>der</strong>gr<strong>und</strong><br />

<strong>–</strong> ob es eigene Kommentare <strong>und</strong> Reportagen<br />

sind o<strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>gaben <strong>der</strong> Meinung gesellschaftlicher<br />

Akteure. Reizwerte <strong>und</strong> Attraktionsmethoden<br />

führen aus journalistischer Perspektive<br />

zu Verfälschungen, weil sie das Kriterium<br />

für Themenauswahl <strong>und</strong> Rezeption von Relevanz<br />

mehr zur Attraktivität hin verlagern.<br />

Allerdings verschiebt die Tatsache, dass<br />

sich inzwischen die meisten journalistischen<br />

Veröffentlichungen ökonomisch rechnen müssen,<br />

automatisch den Bezugspunkt Richtung<br />

Publikum. Ausdruck dieser Neigung sind die<br />

sogenannten Nachrichtenwerte, die einen Spagat<br />

versuchen zwischen <strong>der</strong> Sachdimension<br />

<strong>und</strong> den Reizwerten <strong>der</strong> Themen.<br />

Boulevardjournalismus kann ohne das ökonomische<br />

Interesse des Absen<strong>der</strong>s überhaupt<br />

nicht verstanden werden, weil er die Kaufhandlung<br />

<strong>der</strong> Rezipienten zu jedem Erscheinungstermin<br />

mobilisieren muss. Der Boulevardjournalismus<br />

baut auf <strong>der</strong> gr<strong>und</strong>sätzlichen Unabhängigkeit<br />

journalistischer <strong>Arbeit</strong> auf, nutzt<br />

die Spielräume für die Themenwahl <strong>und</strong> erweitert<br />

sie Richtung Publikumsfixierung. Er betont<br />

die Reizdimension, ohne die Bindung an aktu-<br />

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