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Drucksache „Bild“ – Eine Marke und ihre Mägde - Welt der Arbeit

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TEIL I: EINE KRISE, EINE ZEITUNG, EIN ZIRKUS<br />

„Die Kapitalisten“<br />

sind so, „die Frauen“<br />

so <strong>und</strong> „die Griechen“<br />

an<strong>der</strong>s<br />

ter. Es erzeugt ein je<strong>der</strong>zeit abrufbares Bescheidwissen,<br />

das sich von abweichenden Einzelheiten<br />

nicht stören lassen darf, weil es sonst<br />

seine Funktion verlieren würde, nämlich Gewissheiten<br />

zu liefern. „Die Kapitalisten“ sind<br />

so, „die Frauen“ so <strong>und</strong> „die Griechen“ eben<br />

an<strong>der</strong>s. Auch auf diese Art <strong>der</strong> Kommunikation<br />

hat <strong>„Bild“</strong> kein Patent. Stereotype sind ein unverzichtbares<br />

Element <strong>der</strong> Massenkommunikation;<br />

sie können vorsichtiger o<strong>der</strong> forciert eingesetzt<br />

werden, ohne sie funktioniert Massenkommunikation<br />

nicht. Stereotype „finden sich<br />

in allen Medientypen <strong>und</strong> -genres, sowohl in<br />

Informations- als auch in Unterhaltungsangeboten<br />

<strong>und</strong> in beson<strong>der</strong>em Maße in <strong>der</strong> Werbung<br />

<strong>und</strong> in <strong>der</strong> Sportberichterstattung“ (Hans-Bredow-Institut<br />

2006, 330). Typischerweise benutzt<br />

je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> von großen Menschenmengen<br />

Zustimmung bekommen will, Stereotype; entsprechend<br />

kritisiert je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> nicht zustimmt,<br />

sie als schlechte Verallgemeinerungen.<br />

Nicht nur mit dem inhaltlichen Kern, auch<br />

mit <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Darstellung operiert also <strong>„Bild“</strong><br />

auf festem Gr<strong>und</strong>, sozusagen mit Netz <strong>und</strong> doppeltem<br />

Boden. Da sich die <strong>„Bild“</strong>-Geschichte<br />

<strong>der</strong> Griechenland- <strong>und</strong> Eurokrise auf Stereotype<br />

stützt, kann die Darstellung nicht genauer<br />

<strong>und</strong> differenzierter auf Griechenland eingehen.<br />

Zwischen Politik <strong>und</strong> Bevölkerung, zwischen<br />

Regierung <strong>und</strong> Opposition, zwischen Verantwortlichen<br />

<strong>und</strong> Nichtverantwortlichen, zwischen<br />

<strong>Arbeit</strong>nehmern <strong>und</strong> <strong>Arbeit</strong>gebern, zwischen<br />

Krisengewinnlern <strong>und</strong> Krisenverlierern,<br />

zwischen Arm <strong>und</strong> Reich zu differenzieren würde<br />

bedeuten, einen <strong>der</strong> Hauptdarsteller <strong>der</strong><br />

Geschichte, „die Griechen“, zu demontieren<br />

<strong>und</strong> für die vorgesehene Rolle tendenziell unbrauchbar<br />

zu machen. Zwei Möglichkeiten, Unterschiede<br />

einzuführen, gibt es, <strong>und</strong> von ihnen<br />

macht <strong>„Bild“</strong> auch Gebrauch, nämlich die vereinzelte<br />

Negativ- <strong>und</strong> die seltene Positivabweichung.<br />

Beide bestätigen, so eingesetzt, die<br />

Gültigkeit des Typs. Das Stereotyp vom schlimmen<br />

Griechen erlaubt, einzelne beson<strong>der</strong>s<br />

schlimme Griechen zu entdecken. Es lässt auch<br />

zu, einzelne bessere Griechen vorzuzeigen, die<br />

die Defizite des Typs dann umso dunkler hervortreten<br />

lassen.<br />

Die Erzählweise <strong>und</strong> die Einzelepisoden<br />

<strong>der</strong> <strong>„Bild“</strong>-Geschichte <strong>der</strong> Griechenland- <strong>und</strong><br />

Eurokrise machen intensiven <strong>und</strong> exzessiven<br />

Gebrauch von den Attraktionsmethoden öffentlicher<br />

Kommunikation (vgl. Teil III). Unter den<br />

Reizwerten dominiert das Geld. Auf dem Feld<br />

<strong>der</strong> Attraktionsmethoden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Reizwerte<br />

bewegt sich <strong>„Bild“</strong> in den Freiräumen <strong>der</strong> Werbung<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Unterhaltung <strong>und</strong> überschreitet<br />

das, was im Journalismus Nachrichtenwerte<br />

sind, nach Belieben. Das Verhältnis zwischen<br />

Fakten <strong>und</strong> Fiktionen, zwischen Realitäten <strong>und</strong><br />

Phantasiegemälden bleibt vage, so dass das<br />

Publikum nie weiß, wo es sich gerade befindet.<br />

<strong>„Bild“</strong> gönnt sich Spielräume, in welchen solche<br />

Grenzstreitigkeiten belanglos werden. Die<br />

Beispiele finden sich praktisch in je<strong>der</strong> Ausgabe.<br />

Wir verweisen an dieser Stelle auf die ausführlichen<br />

Tagesanalysen im Internet <strong>und</strong> beschränken<br />

uns hier auf wenige Kostproben.<br />

<strong>„Bild“</strong> dramatisiert. Die Gefahren für den<br />

Euro, <strong>der</strong> Kampf <strong>der</strong> ‚Eisernen Kanzlerin‘, das<br />

Versagen <strong>der</strong> Griechen, die Kosten für Deutschland<br />

<strong>–</strong> alles wird in einer Weise übersteigert<br />

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