Luft 1996
Luft 1996
Luft 1996
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Menschen atmen im Schlaf durch den Mund, weil ihre Nase verstopft<br />
ist. Und die Art wie sie <strong>Luft</strong> holen, wird bei vielen zu einem<br />
lauten Schnarchen.<br />
Nicht genug (frische) <strong>Luft</strong> zu bekommen heißt, nicht den nötigen<br />
„Kraftstoff“ für die (körperliche) Entwicklung zu bekommen.<br />
Die Plumeaus und die Kopfkissen werden zum Lüften ins Fenster<br />
gelegt. Kleider werden gelüftet. Und ein Geheimnis wird gelüftet.<br />
Einmal gelüftet, zerfällt auch manches, was lange in einem luftdicht<br />
abgeschlossenen Gefäß aufbewahrt wurde. In den Museen<br />
zum Beispiel wird nicht nur die Raumtemperatur, sondern auch<br />
die <strong>Luft</strong>feuchtigkeit gemessen und streng reguliert, um den Verfall<br />
der Objekte und Bilder möglichst gering zu halten<br />
<strong>Luft</strong>ballons waren ein beliebtes Spielzeug in der Kindheit. Sie<br />
waren nicht nur mit <strong>Luft</strong> gefüllt, sondern sie ließen sich auch in<br />
der <strong>Luft</strong> halten, wenn man sie immer wieder anstieß. Füllte man<br />
sie mit einem bestimmten Gas, das leichter als <strong>Luft</strong> war, etwa mit<br />
Helium, blieben sie sogar von selbst in der <strong>Luft</strong>; und wenn man<br />
sie nicht festhielt, flogen sie davon. Das Spiel mit dem <strong>Luft</strong>ballon,<br />
den man durch die <strong>Luft</strong> stößt, ist ein Spiel aus Absicht und Zufall.<br />
Der <strong>Luft</strong>ballon läßt sich (anders als ein Ball, den man wirft) nicht<br />
genau berechnen. Er ändert seine „Flugbahn“ abhängig vom<br />
<strong>Luft</strong>widerstand und von der Bewegung der antippenden Hand.<br />
Vor allem kann man mit dem <strong>Luft</strong>ballon üben, etwas in der <strong>Luft</strong><br />
zu halten, wie gute Fußballspieler es auch mit einem Lederball<br />
können, indem sie ihn mit Fuß, Kopf oder Knie immer wieder in<br />
die <strong>Luft</strong> stoßen, ohne daß der Ball den Boden berührt. Den Ball<br />
in der <strong>Luft</strong> halten heißt: ihn in der Bewegung, in der Schwebe zu<br />
halten, indem man selbst das Gleichgewicht hält.<br />
Der Ball war „noch in der <strong>Luft</strong>“ bezeichnet bei vielen Spielen die<br />
Ausnahme. „In der <strong>Luft</strong>“ ist gleichbedeutend mit einem Schwebezustand,<br />
in dem noch nicht zu entscheiden ist, ob der Ball, der<br />
Fuß die Linie nur berührt oder tatsächlich überschritten hat. Solange<br />
es in der <strong>Luft</strong> ist, bleibt es offen. Beim Fußball zeugt es von<br />
besonderen Fähigkeiten, den Ball direkt aus der <strong>Luft</strong> zu nehmen<br />
oder ihn aus der <strong>Luft</strong> zu stoppen.<br />
Bälle und <strong>Luft</strong>ballos zeigen auch noch etwas anderes: Die <strong>Luft</strong><br />
kann verschwinden, aus dem Ball und dem <strong>Luft</strong>ballon herausströmen,<br />
weil das Material nicht dicht oder das Ventil kaputt ist.<br />
Und wenn „die <strong>Luft</strong> raus ist“, geht nichts mehr, liegt nur noch<br />
eine verschrumpelte Hülle auf der Erde, die ihren ganzen Zauber<br />
verloren hat, die weder rollt noch in der <strong>Luft</strong> schwebt. So muß<br />
man sie neu mit <strong>Luft</strong> füllen: den <strong>Luft</strong>ballon mit dem Mund, den<br />
Fußball mit einer <strong>Luft</strong>pumpe. Das gleiche gilt für alle Reifen,<br />
Fahrradreifen, Autoreifen. Ihre Funktion erfüllen sie nur, wenn sie<br />
mit <strong>Luft</strong> gefüllt sind. <br />
Christine Kaupmann<br />
„Private Atmosphäre“<br />
Installation im Bunker Ehrenfeld, <strong>1996</strong><br />
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