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Luft 1996

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Christine Kriegerowski<br />

Diese „belästigende“ Duftinstallation<br />

besteht aus einer größeren Anzahl<br />

von sogenannten Wunderbäumchen,<br />

die waldartig von der Decke hängen.<br />

Es handelt sich bei dieser Arbeit<br />

um eine Kritik an Verbesserungsmaßnahmen<br />

im Stil von Übertünchung.<br />

Bunker Ehrenfeld,<strong>1996</strong><br />

Ägypten und wurde über Griechenland in das mittelalterliche Europa<br />

überliefert. In Deutschland hatte die Alchimie eine besondere<br />

Blüte in der Renaissance. Auch die Gegenwart erlebt esoterischalchimistische<br />

Belebungen auf der Suche nach der Zauberformel,<br />

dem archimedischen Punkt. Bezüglich der <strong>Luft</strong>verbesserung entspricht<br />

dem Stein der Weisen auf der untersten Veredelungsstufe<br />

der Klostein mit Tannenduft.<br />

Ebenfalls in der Renaissance, als der europäische Mensch sich<br />

auf seine Fähigkeiten besann und nicht mehr in dumpfer Demutshaltung<br />

den Tag verbrachte, begann die Technisierung der <strong>Luft</strong>.<br />

Das war, als LEONARDO über die <strong>Luft</strong>schraube nachdachte und<br />

den Hubschrauber vorwegnahm.<br />

Diese Art von Indienstnahme der <strong>Luft</strong> bedeutete etwas qualitativ<br />

anderes als der Gebrauch von Segeln und Windmühlen: jene<br />

nutzten dankbar und klug das Geschenk der <strong>Luft</strong>bewegung, der<br />

Propeller aber benutzt die <strong>Luft</strong>, bemächtigt sich ihrer.<br />

Welche ungeahnte Macht und Kraft in diesem Gasgemisch stecken,<br />

demonstrierte einige Zeit später GOERICKE in Magdeburg<br />

mit seinen berühmten Halbkugeln. Diese technische Bestimmung<br />

der <strong>Luft</strong>, ihre Beschreibung in Termini objektiver Größen wie<br />

Druck, Temperatur und Bewegung, begann im 17. Jahrhundert<br />

und geschah damit im Zuge einer Zeit, die alles quantifizierte,<br />

d.h. in meßtechnischen Größen und Mengen darstellte.<br />

Für die damaligen Wissenschaftler, wie etwa TORRICELLI, war<br />

das Buch der Natur in Zahlen geschrieben. Mit ihrer Quantifizierung<br />

und Technisierung aber war die <strong>Luft</strong> erst einmal getötet.<br />

Das heißt: sie war entzaubert als Mittel sagenhafter Botschaften,<br />

als Seele, als subtiler Stoff, welcher die Träume und Sehnsüchte<br />

des Menschen himmelwärts trug. Diesen Verlust ahnten die Romantiker,<br />

welche die qualitativen Seiten der Natur, deren Echtheit<br />

und Ursprünglichkeit, ihr Atmosphärisches, zurückersehnten und<br />

besangen in Formulierungen wie „laue <strong>Luft</strong> kommt blau geflossen“.<br />

Mit ihrer rationalen Bewußtmachung war die <strong>Luft</strong> also zunächst<br />

gestorben und verdorben, und es erging ihr dabei wie allem, dem<br />

der Zauber der Ursprünglichkeit genommen wurde auf dem Wege<br />

der Rationalität: Der Raum wurde ebenso getötet durch das Achsenkreuz<br />

des DESCARTES, wie das Licht sein Flirren verlor in der<br />

Camera Obscura und dem Belichtungsmesser. Unsere Unschuld<br />

ist dahin, auch in bezug auf die <strong>Luft</strong>, und wir müssen sehen wie<br />

da durchzukommen ist. Auf rein technischem Wege, z. B. durch<br />

Perfektionierung der Klimaanlagen, wohl nicht und durch okkulte<br />

Zauberei auch nicht.<br />

Solange wir <strong>Luft</strong> als Produkt technischer Aufbereitung beziehen<br />

und als air-design aus Düsen, Röhren, Ventilen und Lamellen<br />

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