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Luft 1996

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fest. Achtzehn Monate nach der Festnahme Crippens wurde im<br />

britischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, kraft dessen alle<br />

Passagierschiffe zum Mitführen von Funkgeräten verpflichtet<br />

wurden.“<br />

Wurde die Telegraphie, auch die verdrahtete, von Anfang an<br />

besonders als Mittel einer schnelleren, also effektiveren Verbrecherjagd<br />

erkannt und genutzt, so geht es McLuhan hier vor<br />

allem um das Aufbrechen von isolierten Informationsstrukturen<br />

durch elektrische Medien: Eine Nachricht könne nicht mehr nach<br />

Zuständigkeiten und Aufgabengebiete unterteilt und kontrolliert<br />

werden, sondern fließt durch alle gesellschaftlichen Organe<br />

vergleichbar eines chemischen Boten-Stoffes. Doch diese Vision<br />

einer ganzheitlichen, offenen Vernetzung ist nicht nur anfällig für<br />

die Manipulation von Informationen, sondern ist immer wieder<br />

konfrontiert mit staatlichen und wirtschaftlichen Eingriffen. So ist<br />

bis heute der <strong>Luft</strong>raum der Frequenzen nicht frei verfügbar, sondern<br />

wird in Deutschland durch Landesmediengesetze, das Telekommuni-kationsgesetz<br />

und das bis vor kurzem noch bestehende<br />

Lizenzmonopol des Bundesministeriums für Post und Telekom<br />

reglementiert – eine gegenüber den immerhin seit Anfang des<br />

Jahrhunderts zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten<br />

und dem offenen Medium <strong>Luft</strong> anachronistische und paradoxe<br />

Situation. Erst nachdem mit dem Amateur-Funk in den 70er und<br />

erst recht mit dem Mobilfunk Anfang der 90er Jahre Frequenzen<br />

des Äthers teilweise privat genutzt werden können, ist es möglich,<br />

über Funkwellen direkt und wechselseitig in Kontakt zu treten,<br />

also nicht wie bei der vermittelten und passiven Einbahnstraße<br />

von Radio- und Fernsehfunk.<br />

Das Aufkommen und die rasante Verbreitung der „Handys“,<br />

der mobilen Telefone, ist ein demonstratives Beispiel für den<br />

Einbruch der privaten Kommunikationssphäre in die öffentliche.<br />

Das Telefon ist nicht mehr in den häuslichen Privatraum verbannt,<br />

sondern beansprucht ebenso den öffentlichen Mithörraum. Die<br />

gesellschaftlichen Kategorien privat – öffentlich sind für elektromagnetische<br />

Wellen in der <strong>Luft</strong> ohne Bedeutung, sie lösen sie<br />

auf. Gerade diese Verwischung von Grenzen sorgt – abgesehen<br />

von der Kritik eines Prestigeobjekts oder einer bloßen Spielerei,<br />

mit der fast jedes neue Medium zuerst hinterfragt wird, bevor<br />

es zum Massenartikel avanciert – am meisten für Irritation. Die<br />

scheinbare Grenzenlosigkeit der Funkwellen provoziert sowohl die<br />

Illusion als auch die Paranoia einer permanenten Erreichbarkeit.<br />

Doch diese modischen Mythen werden von der Natur der Sache<br />

mitunter wieder rückgekoppelt: Mit dem Funkscanner ausgerüstet<br />

wie mit einem Geigerzähler, wachsam den Ausschlag auf dem<br />

Display für die beste Empfangsbereitschaft beobachtend, begibt<br />

sich der Mobilfunker auf die Suche nach „seinen“ Frequenzen, in<br />

der Hoffnung die Spuren in der <strong>Luft</strong> empfangen zu können. <br />

- Hörst du etwas?<br />

Ich nicke.<br />

- Was denn?<br />

Nur ein Rauschen<br />

...<br />

(Jason Dark: Das Horror-Telephon/<br />

Geisterjäger John Sinclair )<br />

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