Luft 1996
Luft 1996
Luft 1996
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»Ich glaube, man könnte sagen, ich<br />
verbringe meine Zeit mit Atmen . . .<br />
Ich bin ein Respirateur – ein Atmer.<br />
Ich genieße das ungeheuerlich.«<br />
Marcel Duchamp<br />
Wie also hinkommen zu einer qualitativen Betrachtung der <strong>Luft</strong>,<br />
bzw. zu ihrer Rekultivierung? Sicher begänne diese mit einer Erweiterung<br />
des Bewußtseins von <strong>Luft</strong>, einer Ausdehnung unserer<br />
Vorstellungen von ihr. Dies geschähe vielleicht, indem wir eine<br />
andere Distanz zu ihr herstellten, sie uns wieder fremd machten,<br />
wirklich fremd und nicht bloß halbbewußt, wie die störende Zugluft<br />
im Hausflur. Aus der Fremdheit und Auseinanderhaltung von<br />
<strong>Luft</strong> und Leuten könnte ein Widerspiel entstehen, das uns die <strong>Luft</strong><br />
neu schenkte.<br />
Dieses Widerspiel würde beginnen mit dem Staunen über die <strong>Luft</strong>,<br />
so als kennten wir sie gar nicht. Wir hätten die trügerische Gewissheit<br />
aufzugeben, mit welcher die Lüftungstechniker sie handhaben<br />
und glauben, die Formel N + O + ein bißchen Edelgase,<br />
das wäre die ganze <strong>Luft</strong>.<br />
Mit der kultürlichen Übersetzung hat die <strong>Luft</strong> es aber schwer in<br />
Zivilisationen, die visuell bestimmt sind: dünn, durchsichtig und<br />
unfassbar wie sie ist, verweigert sie uns etwas, was das Wasser,<br />
das Glas und das Metall uns gewähren: ein Spiegelbild. Die<br />
Spiegelung aber, die Möglichkeit uns selber in etwas anderem<br />
zu betrachten, dort zu verlieren und wieder zu finden, ist für die<br />
Entwicklung des Geistes und des Denkens die tiefgreifendste<br />
Entdeckung.<br />
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