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Luft 1996

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Freddie M. Soethout<br />

Fön!<br />

Zeichnung zum Objekt<br />

in der KAOS-Galerie, <strong>1996</strong><br />

8<br />

Der Läufer hatte nicht genug <strong>Luft</strong>, die Puste ging ihm auf den<br />

letzten Metern aus. Beim nächsten Lauf hatte die <strong>Luft</strong> ausgereicht,<br />

aber da war er nicht schnell genug. Und dann der <strong>Luft</strong>widerstand,<br />

der Gegenwind, der die Rekordzeit verhindert hat. Die <strong>Luft</strong> ist eine<br />

wesentliche Bedingung in der Anstrengung: die äußere <strong>Luft</strong> und<br />

die <strong>Luft</strong> in den eigenen Lungen.<br />

Oder wenn man zu lange unter Wasser bleibt und plötzlich den<br />

Mund öffnet, weil man das <strong>Luft</strong>anhalten nicht länger aushält.<br />

<strong>Luft</strong>blasen steigen nach oben. Waren es die Kinderspiele in der<br />

Badewanne, als man, den Kopf unter Wasser, die Sekunden gezählt<br />

hat, wie lange es einem gelingt, die <strong>Luft</strong> anzuhalten? Oder<br />

waren es die Tauchversuche im Schwimmbad? Einmal hatte man<br />

Schmetterlinge gefangen und die Schmetterlinge im Glas waren<br />

jämmerlich zugrunde gegangen, weil man keine <strong>Luft</strong>löcher in den<br />

Deckel gestoßen hatte. Hatte man da begriffen, wie elementar die<br />

Bedeutung der <strong>Luft</strong> ist? Jeder Mensch, jedes Tier – alle brauchen<br />

<strong>Luft</strong>, um zu leben.<br />

Ich war noch ein Kind, als ich im Radio von einem großen Grubenunglück<br />

hörte. In einem Kohlenbergwerk war ein Schacht<br />

eingestürzt, und zahlreiche Bergleute waren tief unter der Erde<br />

eingeschlossen. Jeder sprach davon, daß es nur noch eine Frage<br />

der Zeit wäre, bis sie keine <strong>Luft</strong> mehr bekämen und qualvoll ersticken<br />

müßten. Das war eine erschreckende Vorstellung. Ebenso<br />

wie die Vorstellung, allein in einem Kühlschrank zu sitzen, dessen<br />

Tür zugefallen war. Ich hatte als Kind von solchen Fällen in der<br />

Zeitung gelesen. Kinder waren beim Spiel in Kühlschränke geklettert<br />

(die damals noch andere Verschlüsse hatten); Kinder, die<br />

nicht älter waren als ich selbst. Ich sah Filme, in denen Menschen<br />

in Höhlen eingeschlossen waren und sie verharrten in der Dunkelheit,<br />

weil das Anzünden eines Streichholzes zuviel <strong>Luft</strong>, zuviel<br />

Sauerstoff verbraucht hätte. Und dann gab es noch das Spiel bei<br />

dem Kinder sich gegenseitig den Brustkorb abdrückten, um so für<br />

einen kurzen Augenblick aus <strong>Luft</strong>not ohnmächtig zu werden. Ich<br />

selbst habe das nie ausprobiert, wahrscheinlich hatte ich zuviel<br />

Angst davor, nie mehr aufzuwachen und darauf zu vertrauen, daß<br />

das Atmen wieder von selbst in Gang kommt.<br />

Auch beim Aufblasen einer <strong>Luft</strong>matratze konnte man bis zum<br />

Äußersten gehen und plötzlich Schwindelgefühle verspüren, weil<br />

man zu schnell gepustet und die Kapazität der eigenen Lungen<br />

überschätzt hatte. <strong>Luft</strong>matrazen aufblasen hatte immer etwas<br />

anstrengendes, und ich war froh, als mein Vater endlich einen<br />

Blasebalg gekauft hatte und das <strong>Luft</strong>blasen mechanisch zu regeln<br />

war. Der Blasebalg konnte im übrigen auch beim Anzünden des<br />

Grills verwendet werden, während das <strong>Luft</strong>blasen mit dem Mund<br />

immer Kohlepartikel aufwirbelte, die in die Nase krochen, und die<br />

Augen früher oder später vom Rauch brannten, weil man sie nicht

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