ZT | September 2013
Ausgabe 18 - 09/13
Ausgabe 18 - 09/13
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überwiegend »kollegiale Angelegenheit« – in<br />
aller Regel bedeutet Mobbing »Bossing«.<br />
Gemobbt wird überall und in allen Branchen; in<br />
Krankenhäusern und bei der Polizei, in Kleinfirmen<br />
ebenso wie in Großunternehmen und in<br />
Staatseinrichtungen. Angestellte sind ebenso<br />
betroffen wie Beamte und Arbeiter. In mindestens<br />
jedem zweiten Fall agiert der Boss oder<br />
Vorgesetzte als Mobber: »Etwa 50 Prozent der<br />
Vorgesetzten sind aktive Mobberlnnen«, dokumentiert<br />
der Ver.di-Mobbingreport von 2006.<br />
Entsprechend des Reports verhalten sich 37,5<br />
Prozent mobbingbegünstigend, nur 12,5 Prozent<br />
gingen verantwortlich mit ihrer Rolle um.<br />
Diese Sicht der Dinge richtet sich nicht gegen<br />
das Kapital oder die Arbeitgeber. Sie entspricht<br />
den realen Verhältnissen. »Zugespitzt formuliert<br />
ist ein typischer Mobber«, bilanzieren die<br />
Autoren der staatlich beauftragten Repräsentativstudie<br />
Mobbing-Report 2002, »ein männlicher<br />
Vorgesetzter zwischen 35 und 54 Jahren,<br />
der bereits langjährig im Betrieb beschäftigt<br />
ist«.<br />
Solche Erkenntnisse scheinen sich im Alltag zu<br />
verflüchtigen. Mobbing sehen viele Menschen<br />
nach wie vor als »Kollegen-Killing«. Auch Mobbingexperten<br />
räumen dem Bossing nur ausnahmsweise<br />
den entsprechenden Stellenwert<br />
ein.<br />
Unter den Arbeitspsychologen spricht unseres<br />
Wissens nach einzig der Frankfurter Mobbingforscher<br />
Dieter Zapf wiederholt davon, dass in<br />
70 Prozent der Mobbingfälle die Chefs die Täter<br />
sind. Er fordert demgemäß eine eigenständige<br />
Bossingforschung. Bisher umsonst: Bis heute<br />
konnten wir nur wenige deutschsprachige<br />
Fachpublikationen, Diplomarbeiten oder Dissertationen<br />
über Bossing recherchieren.<br />
Vieles, was für Mobbing gilt, ist auch für Bossing<br />
nicht verkehrt. Doch es gibt einige bedeutende<br />
Unterschiede.<br />
Die Autoren Fuchs/Huber schrieben bereits<br />
2009 in Ihrem Buch „Bossing“ (Kreuz-Verlag):<br />
„Wir hoffen, dass dieser Ansatz hilfreiche Impulse<br />
für Betroffene und Kollegen liefern kann<br />
ebenso wie für eine weiterführende, arbeitspsychologische<br />
oder sozialwissenschaftliche Mobbing-<br />
und Bossingforschung. Eine umfassende<br />
Erforschung des Phänomens Bossing ist dringend<br />
notwendig. Die Gefahren, die von kommunikativ<br />
wenig kompetenten, fast zwangsläufig<br />
führungsschwachen Führungskräften<br />
ausgehen, die die verschiedenen Anteile ihrer<br />
Persönlichkeit nicht integriert haben, sind für<br />
Leib und Seele der Bossing-Betroffenen eine<br />
untragbare Zumutung.<br />
Bossende Vorgesetzte haben aber auch eine<br />
betriebs- und volkswirtschaftlich desaströse<br />
Gesamtwirkung. Sie verbrennen immense Kapitalwerte<br />
ebenso wie Humankapital. Eine, vielleicht<br />
sogar die wichtigste Zukunftsressource in<br />
diesem noch jungen 21. Jahrhundert.<br />
Leider hat sich aber auch trotz zahlreicher Artikel<br />
und einiger Bücher bis heute nur wenig<br />
geändert.<br />
„Bossing muss schon im Ansatz geblockt werden.<br />
Das wichtigste Rezept lautet: Nicht alleine<br />
agieren, die Systematik der Angriffe sich und<br />
anderen durchschaubar machen. Wer sich in<br />
eine Verteidigungshaltung drängen lässt und<br />
jede einzelne Attacke zu parieren versucht,<br />
jede einzelne Lüge richtigstel len will, jede einzelne<br />
Verleumdung gerade rücken möchte<br />
— zwangsläufig immer im Nachhinein — der<br />
landet schnell im berüchtigten Hamsterrad.<br />
Denn der Sinn des Bossing ist, eine unliebsame<br />
Beschäftigte oder einen unliebsamen Beschäftigten<br />
aus dem Betrieb zu drängen — an allen<br />
Kündigungsschutzrech ten vorbei. Und der Sinn<br />
des Widerstands ist, genau das gemeinsam zu<br />
verhin dern. Und das gelingt auch, wenn Betroffene<br />
von Anfang an das „Kampffeld” des Arbeitgebers<br />
verlassen,“ schreibt Brennpunkt Betrieb<br />
von work-watch.de.<br />
AntiMoBB ev erklärt und empfiehlt:<br />
Beim Bossing muss man davon ausgehen, dass<br />
der Vorgesetzte ein Persönlichkeitsproblem hat.<br />
Ob gar neurotische Störungen von Führungskräften<br />
die Quelle der Problem sind, müsste<br />
44 <strong>ZT</strong> | August <strong>2013</strong>