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Alles Versager? - Deutsches Jugendinstitut e.V.

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weigerung an sich in der DDR insoweit keine oder nur eine geringe Rolle spielte,<br />

als die Sanktionen der Schule bzw. des Staates in erster Linie die Eltern trafen,<br />

wenn ihre Kinder sich abweichend verhielten. Der gesellschaftliche Zwang,<br />

sich konform zu verhalten, war zu DDR-Zeiten wesentlich größer als jetzt.<br />

Wenn ein Schüler die Schule schwänzte, wurde das zum Problem der ganzen<br />

Familie. In der Firma oder im Betrieb wurde Druck auf die Eltern ausgeübt und<br />

diese wiederum übten Druck auf ihre Kinder aus. In der Regel genügte dies, um<br />

die Schülerin oder den Schüler zu disziplinieren. Die Funktion von Schule ist<br />

mit der Wende eine andere geworden. Während zu DDR-Zeiten die Schule in<br />

erster Linie einen Erziehungsauftrag hatte und erst an zweiter Stelle einen Bildungsauftrag,<br />

ist die Situation heute genau umgekehrt.<br />

Viele Eltern in den neuen Bundesländern sind nach Meinung der Experten<br />

unter den heutigen Bedingungen verunsichert im Hinblick auf die Erziehung<br />

ihrer Kinder. Der Grund hierfür sei das Leben in der ehemaligen DDR gewesen,<br />

wo Unselbständigkeit sozusagen vom Staat gefördert wurde. Diese Unselbständigkeit<br />

habe sich zum Teil bis heute erhalten, denn durch den Beitritt zur Bundesrepublik<br />

fand eine generelle Umwälzung von Strukturen, Normen und Werten<br />

statt, die zu einer großen Verunsicherung geführt habe. Mit dem gesellschaftlichen<br />

Umbruch einher ging auch eine negative Entwicklung auf dem<br />

Arbeitsmarkt in Ostdeutschland: Dieser war seit 1990 gekennzeichnet durch<br />

einen dramatischen Abbau von Arbeitsplätzen mit einer steigenden Anzahl von<br />

registrierten Arbeitslosen. Die Erfahrung von Arbeitslosigkeit war für ehemalige<br />

DDR-Bürger ein völlig neues Erlebnis, das ebenfalls große Ängste und Unsicherheiten<br />

auslöste. Nachdem die Arbeitslosigkeit auf relativ hohem Niveau bis<br />

heute anhält, haben sich diese Unsicherheiten im Laufe der Jahre auch nicht<br />

wirklich gelegt. Die Angst vor der Zukunft ist in den neuen Bundesländern<br />

wesentlich präsenter als in Westdeutschland.<br />

Der Schwerpunkt der Bemühungen vieler Erwachsener (Eltern und Lehrkräfte,<br />

hüben wie drüben) liegt, so die Experten, auf der formalen Rückkehr des<br />

Schülers in die Regelschule und nicht oder weniger auf der Lösung der Probleme,<br />

die zu seiner Verweigerungshaltung geführt haben. Ist das Ziel der Eltern<br />

also der bloße Schulbesuch ihrer Kinder, dann reicht entsprechend die physische<br />

Anwesenheit des Schülers in der Schule aus. In der Praxis begegnen die Experten<br />

häufig einer solchen Einstellung. Vordergründig scheint es für die Eltern<br />

manchmal einfacher zu sein, die Tochter oder den Sohn zum Schulbesuch zu<br />

zwingen, als sich mit dem Kind über die Gründe seines Verhaltens auseinanderzusetzen.<br />

Eine solche intellektuelle Auseinandersetzung erfordert aber die<br />

Bereitschaft (und die Fähigkeit), eventuell das zu verändern, was das Kind daran<br />

hindert, in die Schule zu gehen. Die Ursachen von Schulverweigerung zu hinterfragen,<br />

bedeutet demnach auch, möglicherweise das eigene Erwachsenenverhalten<br />

oder das anderer Erwachsener (z.B. das von Lehrkräften) in Frage zu stellen<br />

und in der Folge zu verändern oder auf Veränderung zu drängen. Die meisten<br />

scheuen diesen Konflikt, sie haben Angst davor, (eigene) Unzulänglichkeiten<br />

aufzudecken, weil dies unter Umständen zu Unsicherheiten führt. Stattdessen<br />

versuchen sie, den Schulbesuch ihres Kindes mit Hilfe ihrer Erziehungsge-<br />

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