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wisse geistige Freiheit gewährte, und was die materielle Unabhängigkeit anlangt,<br />
so wußte man allerdings, daß die 'Börse' auch durch die größten Opfer<br />
<strong>de</strong>s Herrn Castiglioni nicht davon abzubringen war, ihn gelegentlich einen gemeinen<br />
Schieber zu nennen, um ihn erst gegen eine Mehrleistung als richtiggehen<strong>de</strong>s<br />
Finanzgenie gelten zu lassen. In diesem Sinne hat Bekessy es ja<br />
wohl gemeint, wenn er öfter, und noch in seinem Manifest aus Bad Wildungen,<br />
gesagt. hat, er sei kein ausgeklügelt Buch, son<strong>de</strong>rn ein Mensch mit seinem<br />
Wi<strong>de</strong>rspruch. Wenn Forda, <strong>de</strong>r die freiheitlichen Allüren seiner Redakteure<br />
kannte, gegenüber rückständigen Inserenten zuweilen die Bemerkung<br />
nicht unterdrücken konnte: »Ich muß doch auf meine Herren schauen!«, so<br />
wußte man <strong>de</strong>nnoch, daß er ihnen kein Hin<strong>de</strong>rnis in <strong>de</strong>n Weg legen wür<strong>de</strong>, sobald<br />
sie darangingen, die Resultate seiner Mission zu verarbeiten. Was man<br />
aber durch die unumwun<strong>de</strong>ne Erklärung <strong>de</strong>r 'Börse' erfährt, muß auch jene<br />
überraschen, die ohnedies schon überzeugt waren, daß es sich im Falle O'Brien<br />
um einen Justizmord han<strong>de</strong>lt und daß die Zeit kommen wird, wo <strong>de</strong>r Unschuldige,<br />
<strong>de</strong>r heute lei<strong>de</strong>r als schlichter »Inseratenmann« verleugnet wer<strong>de</strong>n<br />
muß, wie<strong>de</strong>r zu <strong>de</strong>n Ehren eines Direktors und Prokuristen <strong>de</strong>s Kronos—Verlages<br />
aufsteigt. Wiewohl nun die 'Börse' ausdrücklich darauf verzichtet, sich<br />
»auf das meritorische Gebiet dieses Prozesses« zu begeben — meritorisch<br />
heißt sowohl die Sache wie die Verdienste betreffend —, so will sie doch Stellung<br />
nehmen, in<strong>de</strong>m sie vor allem hervorhebt,<br />
daß Herr Weller O'Brien we<strong>de</strong>r die Möglichkeit besaß, noch jemals<br />
<strong>de</strong>n Versuch machte, eine Zeile im redaktionellen Teil <strong>de</strong>r<br />
Börse, o<strong>de</strong>r eines im Kronos—Verlag erscheinen<strong>de</strong>n Blattes unterzubringen,<br />
noch eine Zeile aus <strong>de</strong>ren redaktionellem Teile zu entfernen.<br />
Herr Harry Wetter O'Brien unterhielt mit <strong>de</strong>r Redaktion<br />
nicht <strong>de</strong>n leisesten Kontakt.<br />
Das ist gewiß außeror<strong>de</strong>ntlich überzeugend, in<strong>de</strong>m ja ein Dienstmann, <strong>de</strong>n ich<br />
beauftrage, einen Geldbetrag unter Androhung von Prügeln irgendwo einzukassieren,<br />
gleichfalls nicht <strong>de</strong>n geringsten Einfluß darauf hat, ob ich die Drohung<br />
ins Werk setzen wer<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r nicht. Er hat nur die Botschaft zu überbringen<br />
und mir hierauf über <strong>de</strong>n Erfolg zu berichten, ohne daß er die Möglichkeit<br />
besitzt o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Versuch machen wür<strong>de</strong>, auf meine Entschließung einzuwirken,<br />
mich anzufeuern o<strong>de</strong>r zu entmutigen; er unterhält mit mir, außerhalb<br />
seiner Mission, nicht <strong>de</strong>n leisesten Kontakt. Trotz<strong>de</strong>m kann er wegen Erpressung<br />
angeklagt wer<strong>de</strong>n und ich <strong>de</strong>sgleichen, <strong>de</strong>r ich natürlich als Anstifter<br />
und Nutznießer die größere Schuld habe, aber schwerer zu fassen bin, wenn<br />
er sich mir zum Opfer bringt, wenn er im Vertrauen auf künftige Wie<strong>de</strong>rverwendung<br />
meinen Auftrag zur Drohung leugnet und als <strong>de</strong>ren Motive bloß beruflichen<br />
Ehrgeiz und die Aussicht auf Prozente geltend macht. Ob <strong>de</strong>r Geldbetrag<br />
durch die Drohung tatsächlich erlangt wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r nicht, ist für <strong>de</strong>n<br />
Tatbestand <strong>de</strong>r Erpressung ebenso belanglos wie die Frage, ob <strong>de</strong>r Bedrohte<br />
wirklich in Furcht versetzt wur<strong>de</strong>. Es genügt einerseits, daß die Drohung »geeignet«<br />
war, dieses Gefühl, auf das sich die Existenz so vieler Zeitungsleute<br />
aufbaut, zu erwecken, wie daß die Absicht <strong>de</strong>r Drohung auf die Erlangung <strong>de</strong>s<br />
Geldbetrags gerichtet war. Schlagend wi<strong>de</strong>rlegt jedoch <strong>de</strong>r Artikel <strong>de</strong>r 'Börse'<br />
nicht nur, was <strong>de</strong>m Prokuristen <strong>de</strong>s Kronos—Verlags vorgeworfen wird, son<strong>de</strong>rn<br />
das Strafgesetz als solches, in<strong>de</strong>m nach einem »Erstens« <strong>de</strong>s weiteren<br />
argumentiert wird:<br />
Zweitens: Herr Harry Weller O'Brien soll angeblich ein Inserat für<br />
die 'Börse' erpreßt haben, das nicht bezahlt wur<strong>de</strong>.<br />
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