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Schichten der Bevölkerung ausgeübt. Die Alleinherrschaft der
»Neuen Freien Presse«, die jeder Regierung zu Willen war, wurde
erst nach zwei jahrzehntelangem Kampfe durch Karl Kraus und
die »Arbeiter—Zeitung« gebrochen. Aber noch heute ist die Wiener
liberale Presse ein Hort der Korruption. Gleichzeitig mit dem
Fall des »Abend« hatte die Geschichte der Wiener Journaille einige
»Kleinigkeiten« zu verzeichnen, so eine Erpresseraffäre im Betrieb
des berüchtigten Jakob Lippowitz, dem obendrein von den
Monarchisten gemieteten »Neuen Wiener Journal«, eine ähnliche
Affäre in der Wiener »Allgemeinen Zeitung«, die im Solde Horthys
steht, und zu all dem kommt das immer aktuelle Problem der Bekessypresse.
Die »Stunde« des Bekessy stellt geradezu den Gipfel
bürgerlicher Preßlumperei dar. Sie treibt ihr Erpressergewerbe
bei helllichtem Tage und ohne jede Anwandlung von Scham. Imre
Bekessy ist der Typus des Nachkriegsabenteurers, des Landsknechts,
der sich und seine Gesinnung dem Meistbietenden verkauft.
Im Kriege machte er sich einen Namen als Soldatenschinder
und Schieber mit Wurst, Seife und Ziegeln. Während der Rätediktatur
war er selbstverständlich Kommunist, nach ihrem Sturz
wandte er sich den Weißen zu, und als ihm der Boden in Budapest
zu heiß wurde, verlegte er sein Arbeitsfeld nach Wien. Seine Leumundsnote
weist 16 Delikte innerhalb von neun Jahren, und zwar
Betrug, Diebstahl, Preistreiberei, Beleidigung, Verleumdung und
Erpressung, auf. Über die neue Praxis der Preßkorruption, die Bekessy
begründet hat, gibt das Zeugnis der Wiener Polizeidirektion
die beste Auskunft:
»Bekessy, der als reich gilt, vertritt nach der Äußerung
weiter journalistischer Kreise in Wien in seiner
journalistischen Tätigkeit eine ganz eigenartige Auffassung,
die von der Wiener Journalistik als mit den
Standesinteressen eines Journalisten nicht vereinbar
angesehen wird. Diese Auffassung geht dahin, daß
ebenso wie der Rechtsanwalt oder der Arzt von seinen
Klienten, bzw. Patienten für geleistete Dienste honoriert
werde, auch der Journalist auf Entlohnung von
Seite der Personen Anspruch erheben könne, welchen
er durch Publizieren, aber auch durch Verschweigen
von Mitteilungen Dienste erwiesen habe.«
In dem Prozeß, den Bekessy mit dem Schriftsteller Stolper führte,
erklärte Bekessys Verteidiger, dieser habe von Castiglioni zu wiederholtenmalen
Geld genommen und leugne es nicht im entferntesten.
Die Blätter des Bekessy zeichnen sich durch Sensationsmache
übelster Sorte aus. Ihre besondere Spezialität ist die finanzielle
Auswertung des Privatlebens. Kein Scheidungsprozeß, kein
Selbstmord, kein Sexualvergehen geht vorüber, ohne daß Bekessy
Enthüllungen brächte, die dann plötzlich abbrechen — wenn der
Revolverschuß seine Wirkung getan hat. Karl Kraus hat auch gegen
diese schmutzige Schande Wiens den rücksichtslosesten
Kampf aufgenommen und die Losung ausgegeben: »Hinaus aus
Wien mit dem Schuft!« Gerade die Bekessyschande beginnt nicht
nur um des Kampfes Karl Kraus' willen eine mitteleuropäische Angelegenheit
zu werden, da die »Stunde« ihre Erpressertätigkeit
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