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näher. »Schwer und dunkel, ein Schatten, <strong>de</strong>r beschützt und bedroht, sieht<br />

die Büste Shaws auf <strong>de</strong>n Schreibtisch seines Übersetzers herab ... « schließt<br />

<strong>de</strong>r Interviewer (nach<strong>de</strong>m er auch noch die Bosheit gehabt hat, an Trebitschs<br />

Bauernfeld—Preis zu erinnern). Macht nichts, <strong>de</strong>nkt Trebitsch, so wer<strong>de</strong>n wir<br />

im Schatten dichten, und daß er ein Dichter ist, noch wenn er zum entgegengesetzten<br />

Pol flüchtet, hat er wohl mit einem Schlag durch das Folgen<strong>de</strong> bewiesen:<br />

An Bernard Shaw.<br />

Zum siebzigsten Geburtstag.<br />

Du lehrtest mich das Lachen<br />

Als Weinen in mit war.<br />

Wie hell war mein Erwachen<br />

In jenem heil'gen Jahr,<br />

Da ich zuerst vor an<strong>de</strong>rn<br />

Den Genius früh erkannt,<br />

Zu <strong>de</strong>m wir heute wan<strong>de</strong>rn<br />

Die Besten, Hand in Hand.<br />

Ich weiß nicht, soll ich danken<br />

Der Stun<strong>de</strong>, die uns band,<br />

Soll ich nur in Gedanken<br />

Bewahren, was ich fand?<br />

Noch größer als <strong>de</strong>n Dichter,<br />

Hab' ich <strong>de</strong>n Freund geseh'n,<br />

Der selbst sein strengster Richter,<br />

Oft im Vorübergeh'n<br />

Auf ihren Platz gestellt<br />

Die Dinge dieser Welt,<br />

Die auch von ihren Großen<br />

Verkannt und umgestoßen<br />

Im Staub <strong>de</strong>r Wege lagen.<br />

Jetzt zeugen sie — und ragen.<br />

Ein ragen<strong>de</strong>rer Gedankenstrich ist mir in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Literatur nicht vorgekommen;<br />

er müßte eigentlich vertikal gesetzt sein. Shaw hat also die Dinge<br />

dieser Welt nicht umgestürzt, son<strong>de</strong>rn auf ihren Platz gestellt, so daß sie wie<br />

seine Büste über <strong>de</strong>m Schreibtisch seines Übersetzers — ragen.<br />

Unter <strong>de</strong>n vielen Gratulanten fand sich unberufen auch Herr Stresemann<br />

ein und die Arbeiter—Zeitung würdigt diesen Schritt mit <strong>de</strong>n Worten:<br />

... die Vorstellung allerdings, daß etwa auch <strong>de</strong>r Außenminister<br />

<strong>de</strong>r österreichischen Republik <strong>de</strong>r größten geistigen Erscheinung<br />

<strong>de</strong>r Gegenwart einen Tribut <strong>de</strong>r Verehrung zollt, vermag freilich<br />

in Ansehung seiner Persönlichkeit — es ist nämlich <strong>de</strong>r Herr Ramek<br />

— nur Heiterkeit zu erwecken.<br />

Aber wie aus <strong>de</strong>m gleich folgen<strong>de</strong>n Dankbrief <strong>de</strong>s Jubilars hervorgeht, war es<br />

eine Ehrung, die auch »einem englischen Außenminister nie einfallen wür<strong>de</strong>«,<br />

aus welchem Grun<strong>de</strong> Herr Shaw <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kultur die possierlichste Anerkennung<br />

spen<strong>de</strong>t. Man weiß, daß er zu <strong>de</strong>ren Besitzstand jenen Trebitsch<br />

zählt, während ihm die englische, eben weil sie Shakespeare hervorgebracht<br />

hat, so ganz und gar nicht zu imponieren vermag. Er fühlt sich stolz als Ange-<br />

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