Glossen - Welcker-online.de
Glossen - Welcker-online.de
Glossen - Welcker-online.de
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
nem Falle, wo man bei einheitlicher Gesinnung <strong>de</strong>r Pseudonymträger sich getrost<br />
auf das stilistische Unterscheidungsvermögen verlassen darf, die Autorschaft<br />
<strong>de</strong>r folgen<strong>de</strong>n Verse in Abre<strong>de</strong> zu stellen. Man erfahre hier zum erstenmal,<br />
was <strong>de</strong>r Pariser Friedmensch am 20. August 1914 ausgehungerten russischen<br />
Kriegsgefangenen für Gelüste angedichtet hat:<br />
Stallupönen<br />
Mancher Herr und manche Dame<br />
Wagten dich als Nest zu höhnen.<br />
Doch von Kriegsruhm blinkt <strong>de</strong>in Name,<br />
Stallupönen; Stallupönen.<br />
Frecher Fein<strong>de</strong>svorstoß — brausend<br />
Ist er hier kaputtgegangen;<br />
Rü<strong>de</strong> Russen sind dreitausend<br />
Stücker fest von uns gefangen.<br />
Spürten einen Kitzel innen,<br />
Wollten. mal was Leckres haschen,<br />
Und sie tappsten gen Gumbinnen,<br />
Dort zu naschen. Dort zu naschen ...<br />
Hütet nun die struppige Beute.<br />
Wanzenpulver nicht vergessen!<br />
Und »bewahrt das Licht!, ihr Leute,<br />
Weil sie je<strong>de</strong>n Wachsstock fressen.<br />
Gottlieb.<br />
Und nun erdreiste sich <strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>r schon seit jeher <strong>de</strong>n »Krieg <strong>de</strong>r Besten<br />
gegen die Bestien« propagiert haben will — nun erdreiste er sich, die Vermutung,<br />
daß er im Krieg <strong>de</strong>r Bestien in Grausamkeit versiert war, in jener<br />
scheußlich gewitzten Grausamkeit, die das eigene Leibeswohl hinter <strong>de</strong>r<br />
Schanze eines Schreibtisches <strong>de</strong>ckt, für »einfachen Schwin<strong>de</strong>l« zu erklären!<br />
Das schlichte Alibi <strong>de</strong>r Unschuld »ich hab's nie gesehn« wird er hier kaum riskieren,<br />
aber er sollte nieman<strong>de</strong>n für so dumm halten, zu glauben, daß es ihm<br />
im an<strong>de</strong>rn Fall etwas helfen könnte. Er hat mit Herrn Nordhausen in <strong>de</strong>r<br />
Scherl'schen Livree <strong>de</strong>s Kriegsdienstes alterniert; er hat gewußt, daß die nationalen<br />
Kun<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Firma, die beim Frühstück als Ersatz für Bohnenkaffee<br />
blutige Witze haben wollten und dabei sicherlich keine stilistischen Untersuchungen<br />
angestellt haben — daß sie die Einheitsgesinnung, die unter <strong>de</strong>r<br />
Marke »Gottlieb« geführt wur<strong>de</strong>, goutierten und vielleicht gar nicht ahnten,<br />
daß es zwei Brüste waren, in <strong>de</strong>nen die eine Seele gewohnt hat. Er hat sich<br />
gegen die flagrante Möglichkeit, daß auch bessere Kenner, und schon damals,<br />
ihm die Nie<strong>de</strong>rtracht über <strong>de</strong>n masurischen Tod zuschrieben, mit keinem<br />
Sterbenston gewehrt. Und daß er nicht gelesen, nicht nachgesehen hätte, was<br />
an je<strong>de</strong>m zweiten Tag <strong>de</strong>r Kriegskamerad unter <strong>de</strong>m gemeinsamen nom <strong>de</strong><br />
guerre schrieb, wird er einem Zulukaffer einre<strong>de</strong>n können, also einem Angehörigen<br />
<strong>de</strong>r einzigen Nation, mit <strong>de</strong>r Deutschland vielleicht nicht Krieg geführt<br />
und an <strong>de</strong>r er sich infolge<strong>de</strong>ssen nicht mit gereimtem Unflat versündigt<br />
hat. Er mag heute <strong>de</strong>n Gefährten ernster Tage, mit <strong>de</strong>m er Schulter an Schulter<br />
Ge<strong>de</strong>ih und Ver<strong>de</strong>rb teilte, durch <strong>de</strong>n Ta<strong>de</strong>l verleugnen, jener habe nicht<br />
61