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Ein Vermächtnis wird zum Appell<br />
Ernst-August Bremicker
© 2013 by www.bibelkommentare.<strong>de</strong><br />
Diese Datei ist im Internet veröffentlicht unter: http://www.bibelkommentare.<strong>de</strong>/get/cmt.490.pdf<br />
Letzte Aktualisierung <strong>de</strong>r Datei: 30.05.2013<br />
Kontakt: info@bibelkommentare.<strong>de</strong>
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
Einleitung 5<br />
Ein beson<strong>de</strong>rer Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Ein persönlicher Brief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
Verantwortung und Hilfsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
Eine Ansprache für je<strong>de</strong>n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
Glie<strong>de</strong>rung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
Ermunterung zum Dienst 11<br />
Das Apostelamt <strong>de</strong>s Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Die Berufung zum Apostelamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Die Grundlage <strong>de</strong>s Apostelamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
Der Charakter <strong>de</strong>s Apostelamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Ein beson<strong>de</strong>res Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
Von Gott, <strong>de</strong>m Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
Tränen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Freu<strong>de</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Das reine Gewissen <strong>de</strong>s Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Ungeheuchelter Glaube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
Die Familie <strong>de</strong>s Timotheus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
Die Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s Timotheus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
Die Gna<strong>de</strong>ngabe anfachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
Der Geist <strong>de</strong>r Kraft, <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Besonnenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
Schäme dich nicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
Lei<strong>de</strong> Trübsal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
Ein Einschub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
Errettet und berufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
Nicht aus Werken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
Die Erscheinung unseres Heilan<strong>de</strong>s Jesus Christus und ihre Folgen . . . . . . . . . 29<br />
Ans Licht gebracht durch das Evangelium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Ein beson<strong>de</strong>rer Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
Die Glaubenszuversicht <strong>de</strong>s Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
Die Glaubensüberzeugung <strong>de</strong>s Paulus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
An jenem Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
Das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
In Glauben und Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
Ein schönes und anvertrautes Gut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />
Durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist bewahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
Alle, die in Asien sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
Das Haus <strong>de</strong>s Onesiphorus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Barmherzigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37<br />
Das große Haus 39<br />
Erstes Bild: Der Soldat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
Zweites Bild: Der Sportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
Drittes Bild: Der Ackerbauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
Letzte Tage und schwere Zeiten 85<br />
Ein geistliches Vermächtnis 111<br />
Bibelstellenverzeichnis 134<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Einleitung<br />
Einleitung<br />
Ein beson<strong>de</strong>rer Brief<br />
Der zweite Brief <strong>de</strong>s Paulus an sein geistliches Kind Timotheus nimmt unter <strong>de</strong>n Briefen<br />
<strong>de</strong>s Apostels Paulus einen beson<strong>de</strong>ren Platz ein. Zwei Merkmale unterschei<strong>de</strong>n ihn von<br />
seinen übrigen Briefen:<br />
1. Es ist <strong>de</strong>r letzte Brief, <strong>de</strong>n Paulus – vom Heiligen Geist inspiriert – überhaupt geschrieben<br />
hat. Man nimmt an, dass er ca. im Jahr 66, kurz vor <strong>de</strong>r Hinrichtung Paulus in Rom, verfasst<br />
wur<strong>de</strong>. Insofern haben wir mit diesem Brief ein beson<strong>de</strong>res Vermächtnis vor uns. Letzte<br />
Worte großer Männer Gottes waren häufig be<strong>de</strong>utsame Worte. Wir <strong>de</strong>nken etwa an die<br />
letzten Worte Jakobs, Moses, Josuas o<strong>de</strong>r Davids, von <strong>de</strong>nen das Alte Testament berichtet.<br />
Wir <strong>de</strong>nken beson<strong>de</strong>rs an die letzten Worte unseres Herrn in Johannes 13-17, die Er vor<br />
seinem Tod an seine Jünger richtete.<br />
Hier nun wird das Vermächtnis <strong>de</strong>s Paulus zu einem Appell an sein geistliches Kind<br />
Timotheus. Es ist ein beson<strong>de</strong>res Dokument im Blick auf die Empfindungen von Paulus<br />
am En<strong>de</strong> seines Lebens. Er befand sich in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n und litt im Gefängnis in<br />
Rom. Er war seinen Lei<strong>de</strong>n gegenüber sicher nicht gleichgültig. Dennoch lag ihm etwas<br />
an<strong>de</strong>res mehr am Herzen: Er wollte Timotheus ermuntern. Er wollte Timotheus warnen.<br />
Timotheus sollte im Dienst für seinen Herrn nicht nachlassen, trotz – o<strong>de</strong>r gera<strong>de</strong> wegen –<br />
<strong>de</strong>r schwierigen Umstän<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>nen er sich befand.<br />
Dieser Brief wird damit zu einer Herausfor<strong>de</strong>rung für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ihn liest, <strong>de</strong>m Herrn<br />
folgt und Ihm dienen möchte. Die Zeit, in <strong>de</strong>r wir leben, ist eine schwierige Zeit. Die<br />
Warnungen dieses Briefes haben bis heute ihre Gültigkeit nicht verloren. Das gilt ebenso<br />
für die Ermunterungen, die Paulus anspricht. Der Herr möchte je<strong>de</strong>n von uns im Dienst für<br />
Ihn benutzen. Dazu will uns dieser Brief motivieren.<br />
2. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit <strong>de</strong>r einzige Brief, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Apostel Paulus aus seiner<br />
zweiten Gefangenschaft in Rom geschrieben hat. Wir wissen, dass Paulus zweimal in Rom<br />
inhaftiert wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>r ersten Gefangenschaft ging es ihm relativ erträglich. Er hatte –<br />
zumin<strong>de</strong>st eingeschränkt – die Möglichkeit, für seinen Herrn zu arbeiten. Er befand sich<br />
zeitweise in einem eigenen Haus und stand unter Arrest. Dort konnte er Besuch empfangen.<br />
Aus dieser ersten Gefangenschaft sind uns eine Reihe von schriftlichen Dokumenten<br />
erhalten geblieben. Dazu zählen die Briefe an die Epheser, Kolosser und Philipper. Nach<br />
<strong>de</strong>r ersten Gefangenschaft kam Paulus wahrscheinlich frei und konnte seine Reisetätigkeit<br />
erneut aufnehmen.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Einleitung<br />
Bis zu diesem Zeitpunkt galt das Christentum bei <strong>de</strong>n römischen Behör<strong>de</strong>n im Wesentlichen<br />
als eine Absplitterung vom Ju<strong>de</strong>ntum. Man maß ihm keine allzu große Be<strong>de</strong>utung bei. Weil<br />
sich die Vorwürfe <strong>de</strong>r Ju<strong>de</strong>n gegen Paulus als nicht haltbar erwiesen, kam er frei. Später<br />
wur<strong>de</strong>n dann – beson<strong>de</strong>rs unter Kaiser Nero – die Christen allgemein verfolgt. Paulus<br />
wur<strong>de</strong> erneut inhaftiert und befand sich nun wie<strong>de</strong>r in Haft. Diesmal war seine Haft mit<br />
<strong>de</strong>n unangenehmsten Begleitumstän<strong>de</strong>n verbun<strong>de</strong>n: Er saß in einer dunklen To<strong>de</strong>szelle<br />
irgendwo in <strong>de</strong>n Katakomben von Rom. Er hatte <strong>de</strong>n sicheren Tod vor Augen. Als römischer<br />
Staatsbürger musste er zwar nicht damit rechnen, <strong>de</strong>n Löwen zum Fraß vorgeworfen o<strong>de</strong>r<br />
gekreuzigt zu wer<strong>de</strong>n. Die Aussicht, enthauptet zu wer<strong>de</strong>n, war allerdings ebenfalls alles<br />
an<strong>de</strong>re als angenehm.<br />
Vor diesem dunklen Hintergrund müssen wir diesen Brief lesen und verstehen. Es kam<br />
jedoch noch ein Weiteres hinzu: Nicht nur die äußeren Umstän<strong>de</strong> waren von großem<br />
Elend und von Not gekennzeichnet. Paulus erwähnt in Kapitel 1,15 <strong>de</strong>n Umstand, dass die<br />
Gläubigen in Kleinasien sich von ihm abgewandt hatten. Sie distanzierten sich von diesem<br />
Gefangenen in Rom. Die genauen Grün<strong>de</strong> dafür können wir nur erahnen. Paulus empfand<br />
das tief. Es tat ihm sehr weh. Gera<strong>de</strong> da, wo er im großen Segen gearbeitet hatte, wollte man<br />
ihn nicht mehr haben. Es schien so, als wenn die Frucht seiner Arbeit verloren gegangen<br />
wäre.<br />
Paulus war diesen Umstän<strong>de</strong>n gegenüber keineswegs gleichgültig. Der Brief, <strong>de</strong>n er an<br />
Timotheus schreibt, zeugt <strong>de</strong>utlich davon. Seine Zeilen lassen uns einen Blick in die<br />
Empfindungen <strong>de</strong>s Herzens dieses großen Gottesmannes am En<strong>de</strong> seines Lebens tun. Trotz<br />
seiner widrigen Umstän<strong>de</strong> verfällt Paulus nicht in Resignation o<strong>de</strong>r Depression. Er lehnt<br />
sich nicht gegen sein Schicksal auf. Nein, er vertraut seinem Herrn. Er weiß alles das, was er<br />
erarbeitet hat, in <strong>de</strong>r mächtigen Hand seines Herrn (Kapitel 1,12). Dort wird nichts verloren<br />
gehen. Er spricht davon, dass er <strong>de</strong>n guten Kampf gekämpft, <strong>de</strong>n Lauf vollen<strong>de</strong>t und <strong>de</strong>n<br />
Glauben bewahrt hatte. Er spricht von <strong>de</strong>r Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, die für ihn bereitlag<br />
(Kapitel 4,7.8).<br />
Dennoch ist Paulus in diesem Brief weniger mit sich als vielmehr mit seinem Freund und<br />
Bru<strong>de</strong>r Timotheus beschäftigt. Er will ihn erstens vor <strong>de</strong>r Entwicklung warnen, die das<br />
christliche Zeugnis auf dieser Er<strong>de</strong> nehmen wür<strong>de</strong>. Zweitens will er ihm Mut machen, seine<br />
Aufgabe zum Dienst ernst zu nehmen (Kapitel 1,6) und darin konsequent zu sein. Drittens<br />
erinnert er ihn immer wie<strong>de</strong>r an die Hilfsquellen, die ihm zur Verfügung stan<strong>de</strong>n. Der<br />
Herr bleibt unverän<strong>de</strong>rlich <strong>de</strong>rselbe. Ihn sollte Timotheus nicht aus <strong>de</strong>n Augen verlieren.<br />
Daneben wird das Wort Gottes – die unverän<strong>de</strong>rliche Wahrheit – immer wie<strong>de</strong>r erwähnt.<br />
Ein persönlicher Brief<br />
Der Brief an Timotheus ist kein Brief an eine örtliche Versammlung. Er ist an eine<br />
Einzelperson gerichtet. Der Ältere – Paulus – schreibt an <strong>de</strong>n Jüngeren – Timotheus.<br />
Die bei<strong>de</strong>n waren nicht nur freundschaftlich miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn beson<strong>de</strong>rs<br />
im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn. Man zählt diesen Brief zu <strong>de</strong>n so genannten Pastoral- o<strong>de</strong>r<br />
Hirtenbriefen (von Pastor = Hirte abgeleitet). Das sind die Briefe, die Paulus an seine engen<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Einleitung<br />
Mitarbeiter Timotheus und Titus geschrieben hat. Dieser Umstand gibt diesen drei Briefen<br />
einen eigenen Charakter. Timotheus und Titus waren persönliche Mitarbeiter von Paulus,<br />
die eine spezielle Aufgabe zu erfüllen hatten. Es gibt einzelne Aussagen in diesen Briefen,<br />
die wir nur unter diesem Aspekt richtig verstehen können.<br />
Die drei Pastoralbriefe – so unterschiedlich sie in sich sind – haben ein gemeinsames<br />
übergeordnetes Thema: Es geht um das Verhalten im Haus Gottes. Gemeint ist damit nicht<br />
so sehr die innere Ordnung in <strong>de</strong>r örtlichen Versammlung und in <strong>de</strong>n Zusammenkünften.<br />
Diese Belehrungen fin<strong>de</strong>n wir beispielsweise im ersten Korintherbrief. Das Thema hier ist<br />
breiter gefasst. Es geht nicht vor<strong>de</strong>rgründig darum, dass wir das Haus Gottes bil<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />
dass wir daran bauen (was an und für sich natürlich wahr ist). Es geht vielmehr darum,<br />
dass <strong>de</strong>r Christ sich im Haus Gottes befin<strong>de</strong>t und sich <strong>de</strong>shalb entsprechend zu verhalten<br />
hat (1. Tim 3,15). Unser Verhalten, d. h. unsere gesamte Lebensführung, soll erstens zum<br />
Wohlgefallen <strong>de</strong>ssen sein, <strong>de</strong>m das Haus gehört. Das ist Gott. Gott möchte in unserem<br />
Verhalten gesehen und geehrt wer<strong>de</strong>n. Zweitens soll unser Verhalten ein Zeugnis für die<br />
uns umgeben<strong>de</strong> Welt sein. Das Haus Gottes – die Versammlung als seine Wohnstätte – ist<br />
bis heute Pfeiler und Grundfeste <strong>de</strong>r Wahrheit.<br />
In seinem ersten Brief spricht Paulus von diesem Haus Gottes. Es gab Einzelne, die bezüglich<br />
ihres Glaubens Schiffbruch erlitten hatten (Kapitel 1,19). Ein großer Teil <strong>de</strong>r Gläubigen<br />
ging allerdings <strong>de</strong>n Weg mit <strong>de</strong>m Herrn. Dennoch warnt Paulus schon davor, dass falsche<br />
Lehrer kommen wür<strong>de</strong>n, um <strong>de</strong>n Gläubigen zu scha<strong>de</strong>n. Dass es später so kam, zeigt<br />
<strong>de</strong>r zweite Brief dann sehr <strong>de</strong>utlich. Hier haben Verfall und Nie<strong>de</strong>rgang bereits <strong>de</strong>utlich<br />
eingesetzt. Paulus spricht nicht mehr von <strong>de</strong>m Haus Gottes. Er spricht von einem großen<br />
Haus (Kapitel 2,20). Die Masse <strong>de</strong>rer, die sich zu Christus bekennen, ist in Wirklichkeit von<br />
Ihm abgewichen. Es sind nur Einzelne, die <strong>de</strong>m Herrn noch in Treue folgen und Ihm dienen<br />
wollen.<br />
Der Hintergrund <strong>de</strong>s zweiten Briefes an Timotheus ist insofern eher trauriger Natur. Das,<br />
was unter <strong>de</strong>m Segen <strong>de</strong>s Herrn durch die Arbeit von Paulus gewachsen war, befand sich<br />
bereits im Verfall. Wir <strong>de</strong>nken daran, wie Paulus in Ephesus eine offene Tür gefun<strong>de</strong>n hatte.<br />
Sein Brief an die Epheser zeugt davon, dass sich die Gläubigen dort in einem guten Zustand<br />
befun<strong>de</strong>n hatten. Umso bemerkenswerter ist es, dass Paulus seine Briefe an Timotheus<br />
gera<strong>de</strong> an diesen Ort schicken musste, wo er drei Jahre lang im großen Segen gearbeitet hatte.<br />
Die Gläubigen in Asien hatten sich von Paulus abgewandt. Die Herzen waren nicht mehr<br />
brennend für <strong>de</strong>n Herrn (vgl. Off 2,4). Zusätzlich ließ man es zu, dass falsche Lehren und<br />
Praktiken eingeführt wur<strong>de</strong>n. Paulus hatte diese Untreue <strong>de</strong>utlich vor Augen. Gleichzeitig<br />
war es für ihn ein Trost, dass <strong>de</strong>r Herr treu bleiben wür<strong>de</strong> (Kapitel 2,13).<br />
Verantwortung und Hilfsquellen<br />
Obwohl Paulus <strong>de</strong>n Märtyrertod vor Augen hatte, war er trotz<strong>de</strong>m in seinen Gedanken bei<br />
Timotheus. Er wollte ihn auf diese Entwicklung vorbereiten. Sie sollte Timotheus nicht<br />
überraschen. Sie sollte nicht dazu führen, dass er im Dienst nachlassen wür<strong>de</strong>. Er machte<br />
ihm Mut, seinen Dienst in Treue und Hingabe zu tun. Gleichzeitig wies er ihn auf die<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Einleitung<br />
Hilfsquellen hin, die er in seinem Herrn hatte. Das alles spricht uns genauso an. Wir leben<br />
in <strong>de</strong>r Zeit, die Paulus „letzte Tage“ und „schwere Zeiten“ nennt (Kapitel 3,1). Dieser Brief<br />
spricht also direkt in unsere Zeit hinein.<br />
• Die Verantwortung <strong>de</strong>s Dieners wird durch die persönliche Ansprache <strong>de</strong>s Briefes<br />
unterstrichen. Dreimal lesen wir das Wort „du aber“ (3,10; 3,14; 4,5). In Tagen von<br />
Nie<strong>de</strong>rgang und Rückschritt kommt es mehr <strong>de</strong>nn je auf <strong>de</strong>n Einzelnen an. Ein<br />
Schlüsselvers <strong>de</strong>s Briefes ist die Aussage in Kapitel 2,15: „Befleißige dich, dich selbst<br />
Gott als bewährt darzustellen, als einen Arbeiter, <strong>de</strong>r sich nicht zu schämen hat,<br />
<strong>de</strong>r das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit recht teilt.“ Wenn die große Masse von <strong>de</strong>r Wahrheit<br />
abweicht, soll <strong>de</strong>r Einzelne doch treu zu seinem Herrn stehen. Trotz aller persönlichen<br />
Verantwortung bleibt <strong>de</strong>nnoch wahr, dass <strong>de</strong>r Herr uns immer Geschwister zur Seite<br />
stellt, die <strong>de</strong>n Herrn anrufen aus reinem Herzen (Kapitel 2,22).<br />
• Neben <strong>de</strong>r persönlichen Verantwortung zeigt uns dieser Brief beson<strong>de</strong>rs unsere<br />
Hilfsquellen, die wir in unserem Herrn fin<strong>de</strong>n. Siebenmal lesen wir davon, dass<br />
wir etwas „in Christus Jesus“ haben. Die Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s verherrlichten Herrn (Christus),<br />
<strong>de</strong>r einst in Niedrigkeit auf dieser Er<strong>de</strong> lebte (Jesus), ist immer da. Von ihr können wir<br />
je<strong>de</strong>n Tag Gebrauch machen:<br />
1. Kapitel 1,1: Die Quelle und <strong>de</strong>r Sitz <strong>de</strong>s ewigen Lebens sind in Christus Jesus. Das<br />
ewige Leben steht hier als Ziel vor uns, das ganz sicher ist.<br />
2. Kapitel 1,9: Jesus Christus ist <strong>de</strong>r Mittler <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes zum Heil. Diese Gna<strong>de</strong><br />
Gottes ist in <strong>de</strong>r Zeit in <strong>de</strong>r Person seines Sohnes erschienen. Sie ist uns bereits in <strong>de</strong>r<br />
Ewigkeit vor <strong>de</strong>r Zeit gegeben.<br />
3. Kapitel 1,13: Das Fundament <strong>de</strong>s Glaubens und <strong>de</strong>r Liebe ist ebenfalls in Christus Jesus<br />
zu fin<strong>de</strong>n. Nur so sind wir in <strong>de</strong>r Lage, das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte wirklich festzuhalten.<br />
4. Kapitel 2.1: Zum Dienst brauchen wir Kraft. Diese Kraft fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die<br />
in Christus Jesus ist.<br />
5. Kapitel 2,10: Paulus litt, aber er wusste warum. Er wünschte, dass die Auserwählten<br />
ebenso wie er das Heil erlangen wür<strong>de</strong>n, das in Christus Jesus ist. Wenn es einen<br />
Garanten – einen Bürgen – dafür gibt, dann Christus Jesus.<br />
6. Kapitel 3,12: Ein Leben echter Gottseligkeit und wahrer Frömmigkeit – also ein<br />
Leben zur Ehre <strong>de</strong>s Herrn – ist nur in Christus Jesus möglich. Es fin<strong>de</strong>t in Ihm seine<br />
Grundlage.<br />
7. Kapitel 3,15: Erneut geht es um das ewig sichere Heil. Paulus weist auf <strong>de</strong>n Weg hin,<br />
dieses Heil zu erlangen. Es ist <strong>de</strong>r Glaube, <strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rum in Christus Jesus ist.<br />
Schließlich en<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Brief mit <strong>de</strong>m Hinweis darauf, dass <strong>de</strong>r Herr Jesus Christus mit<br />
unserem Geist sein wird.<br />
Eine Ansprache für je<strong>de</strong>n<br />
Der zweite Brief an Timotheus enthält nicht nur eine direkte Ansprache für Timotheus, an<br />
<strong>de</strong>n dieser Brief damals geschrieben wur<strong>de</strong>. Er hat eine aktuelle Botschaft für die Zeit, in<br />
<strong>de</strong>r wir heute leben. Es ist eine Zeit, in <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utliche Verfallserscheinungen innerhalb <strong>de</strong>s<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Einleitung<br />
christlichen Bekenntnisses sichtbar wer<strong>de</strong>n. Die letzten Tage sind gefahrvolle Zeiten. Was<br />
vollkommen aus <strong>de</strong>r Hand Gottes hervorgegangen ist, wur<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>r Verantwortung von<br />
uns Menschen zerstört. Diese bedrohlichen Zeiten erleben wir heute hautnah.<br />
Es ist immer noch wahr, dass die Versammlung die Wohnstätte Gottes im Geist ist. Nach<br />
<strong>de</strong>m Ratschluss Gottes besteht die Versammlung aus lebendigen Steinen. Christus baut diese<br />
Versammlung, und die Pforten <strong>de</strong>s Ha<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n sie nicht überwältigen. Diese Sichtweise<br />
Gottes fin<strong>de</strong>n wir im Neuen Testament mehrfach vorgestellt. Es ist gut, wenn wir diese<br />
Sichtweise unbedingt für uns im Auge behalten. Allerdings ist es ebenso wahr, dass Gott<br />
uns gleichzeitig wie<strong>de</strong>rholt die Seite unserer Verantwortung vor Augen führt. Wir waren<br />
nicht wachsam genug. Wir haben es an Hingabe und Eifer für unseren Herrn fehlen lassen.<br />
Deshalb ist – unter <strong>de</strong>m Blickwinkel <strong>de</strong>r Verantwortung von uns Menschen – vieles in dieses<br />
Haus hineingekommen, was nicht hineingehört. Wir haben – um im Bild von 1. Korinther 3<br />
zu sprechen – nicht nur mit Gold, Silber und kostbaren Steinen gebaut, son<strong>de</strong>rn genauso<br />
mit Holz, Heu und Stroh. Das Haus Gottes ist zu einem großen Haus gewor<strong>de</strong>n. In ihm<br />
gibt es wie<strong>de</strong>rgeborene Menschen, aber lei<strong>de</strong>r ebenso Menschen, die zwar ein Bekenntnis<br />
haben, jedoch kein Leben aus Gott. Das ist <strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>r Christenheit, wie wir ihn heute<br />
vorfin<strong>de</strong>n.<br />
Der Herr Jesus hatte das schon vorausgesagt, als Er seinen Jüngern die Gleichnisse vom<br />
Reich Gottes gab. Durch mangeln<strong>de</strong> Wachsamkeit kam <strong>de</strong>r Feind und säte Unkraut unter<br />
<strong>de</strong>n Weizen (Mt 13,25). Auf die Frage seiner Jünger sagte <strong>de</strong>r Herr ihnen, dass sie das<br />
Unkraut nicht ausreißen sollten. Das Reich Gottes ist heute – unter <strong>de</strong>m Blickwinkel<br />
<strong>de</strong>r menschlichen Verantwortung gesehen – eine gemischte Sache. Es ist nichts an<strong>de</strong>res<br />
als das Christentum. Die Menschen, die sich in diesem (Be-)Reich aufhalten, haben ein<br />
Bekenntnis: Sie nennen sich Christen. Lei<strong>de</strong>r ist dieses Bekenntnis bei vielen nicht echt.<br />
Es sind Menschen, die eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben, <strong>de</strong>ren Kraft jedoch verleugnen<br />
(Kapitel 3,5).<br />
In dieser Situation stellt sich für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r seinem Herrn in Treue folgen möchte, die Frage,<br />
wie er sich persönlich verhalten soll. Was ist <strong>de</strong>r Wille und <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>s Herrn für uns?<br />
Bei <strong>de</strong>r Beantwortung dieser Frage hilft uns dieser Brief und wir lernen, wie wir uns als<br />
Menschen Gottes in dieser schweren Zeit richtig verhalten können. Dazu gehört, dass wir<br />
die Wahrheit kennen, sie schätzen und sie festhalten. Festhalten schließt Praktizieren ein.<br />
Wir müssen die Wahrheit hochhalten und gleichzeitig das Evangelium weiter verbreiten.<br />
Wir erkennen beim Lesen <strong>de</strong>s ganzen Briefes, wie <strong>de</strong>m Apostel Paulus gera<strong>de</strong> diese bei<strong>de</strong>n<br />
Seiten beson<strong>de</strong>rs am Herzen lagen. Wie<strong>de</strong>rholt wird Timotheus dazu aufgefor<strong>de</strong>rt.<br />
Glie<strong>de</strong>rung<br />
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten <strong>de</strong>n Text zu glie<strong>de</strong>rn. Der Kapiteleinteilung folgend,<br />
wollen wir die vier Kapitel nun Vers für Vers unter <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Überschriften ein wenig<br />
näher besehen:<br />
• Kapitel 1: Ermunterung zum Dienst<br />
• Kapitel 2: Das große Haus<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 9
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Einleitung<br />
• Kapitel 3: Letzte Tage und schwere Zeiten<br />
• Kapitel 4: Ein geistliches Vermächtnis.<br />
Hinweis<br />
Beim Schreiben dieses Buches habe ich auf gute Literatur von bibeltreuen Auslegern<br />
zurückgegriffen, die <strong>de</strong>r Herr zum Segen benutzt hat. Erklärungen von Ausdrücken in<br />
<strong>de</strong>r griechischen Sprache basieren im Wesentlichen auf <strong>de</strong>r Erläuterung von V.E. Vine<br />
(Expository Dictionary of New Testament Words), Chr. Briem (NT sprachliche Erklärungen,<br />
Wörterbuch und Grammatik) sowie <strong>de</strong>r Strong’s Exhaustive Concordance of the Bible, ohne<br />
diese jeweils im Einzelnen zu kennzeichnen.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 10
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Ermunterung zum Dienst<br />
Das erste Kapitel bil<strong>de</strong>t eine Einführung in <strong>de</strong>n ganzen Brief. Nach <strong>de</strong>n Grußworten kommt<br />
Paulus unmittelbar auf eines <strong>de</strong>r zentralen Anliegen <strong>de</strong>s Briefes zu sprechen: Er erinnert<br />
Timotheus daran, dass er die von Gott gegebene Gna<strong>de</strong>ngabe anfachen soll. Damit appelliert<br />
er an ihn, seine Aufgabe zum Dienst nicht zu vernachlässigen, son<strong>de</strong>rn im Gegenteil seine<br />
Bemühungen in <strong>de</strong>r Arbeit für <strong>de</strong>n Herrn zu intensivieren. Dabei erinnert er Timotheus<br />
an sein eigenes Beispiel. Paulus hatte im Dienst nicht resigniert, und Timotheus sollte es<br />
genauso wenig tun.<br />
Neben <strong>de</strong>m Appell zum Dienst spricht Paulus von <strong>de</strong>r Wichtigkeit, die von Gott gegebene<br />
Wahrheit nicht aufzugeben, son<strong>de</strong>rn daran festzuhalten. Das Glaubensgut, das Timotheus<br />
bewahren sollte, war ein schönes und anvertrautes Gut. Gera<strong>de</strong> weil es Menschen gab, die<br />
in Gefahr stan<strong>de</strong>n, dieses Glaubensgut aufzugeben, sollte Timotheus seinerseits unter allen<br />
Umstän<strong>de</strong>n daran festhalten.<br />
Das Kapitel lässt sich nicht ganz einfach strukturieren. Folgen<strong>de</strong> Einteilung ist jedoch<br />
möglich:<br />
1. Verse 1–5: Grußworte an Timotheus<br />
Die Grußworte sind sehr persönlich gehalten. Paulus erinnert sich dankbar an Timotheus.<br />
Er spricht von seinen eigenen Eltern sowie von <strong>de</strong>r Mutter und Großmutter <strong>de</strong>s Timotheus.<br />
Es wird klar, wie eng diese bei<strong>de</strong>n Diener <strong>de</strong>s Herrn miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n waren.<br />
2. Verse 6–14: Ein Appell an Timotheus<br />
Paulus for<strong>de</strong>rt Timotheus auf, seine Gna<strong>de</strong>ngabe nicht zu vernachlässigen und sich <strong>de</strong>s<br />
Zeugnisses nicht zu schämen. Er soll an <strong>de</strong>r Wahrheit festhalten und das Glaubensgut nicht<br />
aufgeben. Paulus untermauert seine Appelle mit <strong>de</strong>r Erinnerung an die große Errettung, die<br />
Gott uns geschenkt hat. Gleichzeitig stellt er sein eigenes Beispiel vor. Paulus hatte einen<br />
beson<strong>de</strong>ren Auftrag von Gott bekommen. Er war ein Herold, ein Apostel und ein Lehrer. In<br />
diesem Dienst hatte er bis zum En<strong>de</strong> nicht aufgegeben.<br />
3. Verse 15–18: Leid und Freu<strong>de</strong> für Paulus<br />
Paulus hatte im Dienst manche Enttäuschung erlebt. Alle, die in Asien waren, hatten ihn<br />
verlassen. Das schmerzte ihn. Deshalb gab Gott ihm eine beson<strong>de</strong>re Ermunterung durch<br />
das Verhalten von Onesiphorus.<br />
Die Einzelheiten sind lehrreich und nützlich für uns. Wir lernen sowohl von <strong>de</strong>n Appellen<br />
an Timotheus als auch von <strong>de</strong>m Beispiel <strong>de</strong>s Paulus.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 11
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
„Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, nach Verheißung <strong>de</strong>s Lebens, das in<br />
Christus Jesus ist“ (Vers 1).<br />
Das Apostelamt <strong>de</strong>s Paulus<br />
Der Verfasser <strong>de</strong>s Briefes ist uns gut bekannt. Dennoch stellt er sich hier in einer beson<strong>de</strong>ren<br />
Weise vor, die wir an an<strong>de</strong>ren Stellen so nicht fin<strong>de</strong>n. Paulus macht <strong>de</strong>utlich, wer ihn<br />
zum Apostel berufen hatte, was ihm die Autorität zu seinem Apostelamt gab und welch<br />
einen Charakter sein beson<strong>de</strong>rer Dienst hatte. Er tat das nicht etwa, weil Timotheus daran<br />
irgen<strong>de</strong>inen Zweifel hegte. Die Grün<strong>de</strong> sind vielmehr darin zu sehen, dass er erstens seinem<br />
jüngeren Mitbru<strong>de</strong>r Mut machen wollte, nicht zu verzagen und aufzugeben. Zweitens wird<br />
allen, die diesen ernsten Brief heute lesen, klar dokumentiert, dass er eine verbindliche<br />
Botschaft hat. Es ist eine Botschaft, <strong>de</strong>r wir nicht ohne Folgen ausweichen können.<br />
Die Berufung zum Apostelamt<br />
Der beson<strong>de</strong>re Auftrag und Dienst von Paulus wur<strong>de</strong> dadurch gekennzeichnet, dass er<br />
<strong>de</strong>r einzige Apostel war, <strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n verherrlichten Herrn vom Himmel her berufen<br />
wur<strong>de</strong>. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Begegnung fand vor <strong>de</strong>n Toren von Damaskus statt. Dort bekam<br />
er seinen Auftrag. Damit unterschied sich <strong>de</strong>r Dienst von Paulus von <strong>de</strong>m aller an<strong>de</strong>ren<br />
Apostel. Die übrigen Apostel waren von einem auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> leben<strong>de</strong>n Herrn berufen<br />
wor<strong>de</strong>n und hatten Ihn hier gesehen und erlebt. Paulus hingegen hatte <strong>de</strong>n verherrlichten<br />
Herrn im Himmel gesehen. Deshalb war ihm beson<strong>de</strong>rs das „Evangelium <strong>de</strong>r Herrlichkeit“<br />
(1. Tim 1,11) anvertraut wor<strong>de</strong>n. Der Inhalt dieses Evangelium war bis zu diesem Zeitpunkt<br />
ein Geheimnis. Die Tatsache, dass er so berufen wur<strong>de</strong>, ist <strong>de</strong>r Grund, warum es hier heißt:<br />
„Apostel Christi Jesu“.<br />
Petrus nennt sich in <strong>de</strong>n einleiten<strong>de</strong>n Worten seiner bei<strong>de</strong>n Briefe jeweils „Apostel Jesu<br />
Christi“. Der Unterschied in <strong>de</strong>r Reihenfolge <strong>de</strong>r Namen bei Petrus und Paulus scheint nicht<br />
ganz ohne Be<strong>de</strong>utung zu sein. Paulus wur<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n erhöhten und verherrlichten Sohn<br />
<strong>de</strong>s Menschen berufen. Er hatte einst in Niedrigkeit auf dieser Er<strong>de</strong> gelebt und war jetzt<br />
von Gott zum „Herrn und Christus“ gemacht wor<strong>de</strong>n. Petrus hingegen weist uns in seinem<br />
Dienst beson<strong>de</strong>rs auf <strong>de</strong>n hin, <strong>de</strong>ssen Weg durch Lei<strong>de</strong>n (Jesus) zur Herrlichkeit (Christus)<br />
ging. Deshalb die an<strong>de</strong>re Reihenfolge 1 . Paulus wusste nicht nur, wem er geglaubt hatte,<br />
son<strong>de</strong>rn er wusste ebenso, wer ihn berufen hatte. Es war „Christus Jesus“, <strong>de</strong>r verherrlichte<br />
Herr im Himmel, <strong>de</strong>r ihm auf <strong>de</strong>m Weg nach Damaskus begegnet war.<br />
Die Grundlage <strong>de</strong>s Apostelamtes<br />
Paulus war sich darüber hinaus bewusst, auf welches Fundament sich sein Apostelamt<br />
und sein Dienst abstützten. Er wusste, was ihm die notwendige Autorität gab. Die ersten<br />
Verse <strong>de</strong>s Galaterbriefes machen das sehr <strong>de</strong>utlich. Dort musste Paulus seine Autorität<br />
1 Die Reihenfolge „Jesus Christus“ und „Christus Jesus“ ist in einigen alten Handschriften umgekehrt, wobei<br />
die Elberfel<strong>de</strong>r Übersetzung (Edition CSV) vermutlich die Version <strong>de</strong>r meisten Lesarten wie<strong>de</strong>rspiegelt.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
beson<strong>de</strong>rs betonen, weil die Galater in großer Gefahr stan<strong>de</strong>n und er sie ernstlich<br />
zurechtweisen musste. Der Wille Gottes steht hier im Gegensatz zu <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>r<br />
Menschen. Paulus hatte sein Apostelamt nicht von einem Menschen bekommen, son<strong>de</strong>rn<br />
von Gott selbst. „Durch Gottes Willen“ be<strong>de</strong>utet „aufgrund von Gottes Willen“. Das<br />
gab Paulus einerseits die notwendige Autorität und an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>n Mut, seinen Dienst<br />
auszuüben. Später erinnert er Timotheus daran, dass seine Gna<strong>de</strong>ngabe ebenfalls eine von<br />
Gott gegebene Gabe war. Allerdings bestand <strong>de</strong>r Unterschied zu Paulus darin, dass es im<br />
Fall von Timotheus spezielle Weissagungen über seine Gabe gab (1. Tim 1,18; 4,14). Seine<br />
Gna<strong>de</strong>ngabe – obwohl sie natürlich ebenso ihren Ursprung in Gott hatte – wur<strong>de</strong> durch<br />
Paulus vermittelt, und die Ältesten machten sich durch Auflegen <strong>de</strong>r Hän<strong>de</strong> damit eins. Das<br />
war bei Paulus an<strong>de</strong>rs. Bei ihm war kein an<strong>de</strong>rer Mensch irgendwie daran beteiligt.<br />
Der Charakter <strong>de</strong>s Apostelamtes<br />
Paulus formuliert <strong>de</strong>n Charakter seines Apostelamtes hier so: „ . . . nach Verheißung <strong>de</strong>s<br />
Lebens, das in Christus Jesus ist“. Es han<strong>de</strong>lt sich dabei nicht um eine irdische, son<strong>de</strong>rn um<br />
eine ewige Verheißung. Sie steht mit <strong>de</strong>m Himmel in Verbindung. Es ist eine Verheißung<br />
<strong>de</strong>s Vaters an <strong>de</strong>n Sohn. Gemeint ist das ewige Leben, das „Gott, <strong>de</strong>r nicht lügen kann,<br />
verheißen hat vor ewigen Zeiten“ (Tit 1,2). Dieses ewige Leben ist in niemand an<strong>de</strong>rem<br />
als in Christus Jesus. Damit erfolgt eine Ausrichtung auf das Ziel hin. In Titus 1,2 spricht<br />
Paulus von <strong>de</strong>r „Hoffnung <strong>de</strong>s ewigen Lebens“. Das be<strong>de</strong>utet nicht, dass es im Blick auf das<br />
ewige Leben irgen<strong>de</strong>ine Unsicherheit geben könnte. Ganz im Gegenteil: Die Tatsache, dass<br />
es „in Christus Jesus“ ist, macht die Verheißung völlig sicher. „Und dies ist das Zeugnis:<br />
dass Gott uns ewiges Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (1. Joh 5,11).<br />
Das ewige Leben ist bei Paulus – im Unterschied zu <strong>de</strong>n Schriften von Johannes – in <strong>de</strong>n<br />
meisten Fällen etwas, das noch vor uns liegt. Wir besitzen es grundsätzlich heute schon,<br />
wer<strong>de</strong>n es in seiner ganzen Fülle allerdings erst dann genießen können, wenn wir in <strong>de</strong>r<br />
Heimat dieses ewigen Lebens – das ist das Vaterhaus – sind. Das Wörtchen „nach“ meint<br />
„im Hinblick auf“ und <strong>de</strong>utet eben dieses Ziel an. Paulus hatte <strong>de</strong>n sicheren Tod vor Augen.<br />
Timotheus befand sich in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n. Der Verfall hatte eingesetzt. Da war die<br />
Erinnerung an das Ziel ein echter Trost. Timotheus sollte daran <strong>de</strong>nken, dass <strong>de</strong>r Dienst<br />
von Paulus auf dieses Leben hin orientiert war.<br />
F. B. Hole schreibt dazu: „In <strong>de</strong>r Natur ist das Leben eine ungeheure Kraft, aber das Leben<br />
Christi Jesu ist unbesiegbar. Das natürliche Leben in all seinen Formen, das Leben Adams – also<br />
das menschliche Leben – eingeschlossen, unterliegt letztendlich im Wettkampf und wird vom<br />
Tod besiegt. Das Leben in Christus ist außerhalb <strong>de</strong>r Reichweite <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>nn als Gestorbener<br />
und Auferstan<strong>de</strong>ner wur<strong>de</strong> Er zur Quelle <strong>de</strong>s Lebens für an<strong>de</strong>re. Dieses Leben war vor <strong>de</strong>r<br />
Entstehung <strong>de</strong>r Welt verheißen (Tit 1,2) und ist durch das Evangelium ans Licht gebracht<br />
wor<strong>de</strong>n (V. 10). Seine Frucht wird in zukünftigen Zeiten zu sehen sein. Deshalb wird hier<br />
von <strong>de</strong>m Leben als von einer Verheißung gesprochen.“ 2<br />
2 F.B.Hole: ‚Grundzüge <strong>de</strong>s Neuen Testaments‘(Bd. 4: Galaterbrief – Philemonbrief), CSV-Verlag, Hückeswagen.<br />
siehe auch http://www.bibelkommentare.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.php?page=comment&comment_id=245&series_id=4&part_id=175<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
„Timotheus, meinem geliebten Kind: Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit, Frie<strong>de</strong> von Gott, <strong>de</strong>m Vater,<br />
und Christus Jesus, unserem Herrn!“ (Vers 2)<br />
Ein beson<strong>de</strong>res Verhältnis<br />
Das Verhältnis von Paulus und Timotheus war durch ein beson<strong>de</strong>res Band <strong>de</strong>r Liebe<br />
gekennzeichnet. Er nennt ihn sein „geliebtes“ Kind. Er wusste nicht nur, dass Timotheus<br />
von Gott geliebt war, son<strong>de</strong>rn er selbst hatte Timotheus von Herzen lieb. Ganz sicher hat er<br />
mit großer Freu<strong>de</strong> an ihn gedacht.<br />
Paulus war <strong>de</strong>r Ältere, Timotheus <strong>de</strong>r Jüngere. Gemeinsam hatten sie <strong>de</strong>m Herrn gedient<br />
und kaum jemand hatte so viel von <strong>de</strong>m Apostel Paulus gelernt wie gera<strong>de</strong> Timotheus.<br />
Der Ausdruck „Kind“ lässt uns einerseits an Abstammung und an<strong>de</strong>rerseits an Beziehung<br />
<strong>de</strong>nken. In diesem Sinn spricht Paulus zum Beispiel von seinem Kind Onesimus, <strong>de</strong>n er in<br />
<strong>de</strong>n Fesseln, d. h. im Gefängnis, gezeugt hatte (Phlm 1,10). Die neue Geburt ist natürlich<br />
immer ein Werk Gottes, Paulus war dabei sozusagen „Geburtshelfer“ gewor<strong>de</strong>n.<br />
Bei Timotheus sind uns die Umstän<strong>de</strong>, wie er zum Glauben kam, nicht bekannt. Man kann<br />
allerdings nicht zwingend annehmen, dass Paulus das Werkzeug zu seiner Bekehrung war.<br />
Timotheus wird zum ersten Mal in Apostelgeschichte 16,1 erwähnt, als Paulus nach Derbe<br />
und Lystra kam. Aus <strong>de</strong>m Bericht lässt sich eher schließen, dass Timotheus zu diesem<br />
Zeitpunkt bereits ein Gläubiger war.<br />
Dennoch war Paulus in einem an<strong>de</strong>ren Sinn <strong>de</strong>r geistliche Vater von Timotheus. Er hatte<br />
dazu beigetragen, dass dieser geistlich gewachsen war und gute Fortschritte gemacht hatte.<br />
Paulus nennt ihn an an<strong>de</strong>rer Stelle sein „geliebtes und treues Kind im Herrn“ (1. Kor 4,17).<br />
In Philipper 2,22 spricht er von seiner Bewährung, „dass er, wie ein Kind <strong>de</strong>m Vater, mit mir<br />
gedient hat an <strong>de</strong>m Evangelium“. Für Paulus war das keine leere Re<strong>de</strong>nsart. Der Ausdruck<br />
zeugt von seiner inneren Zuneigung zu diesem jüngeren Bru<strong>de</strong>r. Auf diese Weise konnten<br />
<strong>de</strong>r Zuspruch <strong>de</strong>s Paulus und seine Warnungen auf fruchtbaren Bo<strong>de</strong>n fallen. Davon können<br />
wir in unseren geschwisterlichen Beziehungen – beson<strong>de</strong>rs zwischen Älteren und Jüngeren –<br />
lernen.<br />
Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong><br />
Nun folgen die Grüße, die in <strong>de</strong>r damaligen Zeit nicht am En<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn zu Beginn eines<br />
Briefes formuliert wur<strong>de</strong>n. Wir sind häufig geneigt, diese Grüße zügig zu überlesen. Ihr<br />
Studium ist allerdings <strong>de</strong>r Mühe wert. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n zwischen <strong>de</strong>n einzelnen<br />
Briefen fin<strong>de</strong>n wir interessante Hinweise verborgen.<br />
Hier nennt Paulus – wie an an<strong>de</strong>ren Stellen – Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong>. Die<br />
drei Begriffe gehören eng zusammen. Der Sün<strong>de</strong>r hat sie nötig, um vor Gott bestehen zu<br />
können. Jemand hat es einmal in etwa so formuliert: Gna<strong>de</strong> ist für Wertlose. Barmherzigkeit<br />
ist für Hilflose. Frie<strong>de</strong> ist für Ruhelose. Solche waren wir von Natur aus alle. Deshalb die<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 14
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Notwendigkeit von Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong>n. In<strong>de</strong>s schreibt Paulus hier an<br />
Timotheus und damit an jemand, <strong>de</strong>r längst errettet war; es geht hier also um Gläubige.<br />
Timotheus lebte täglich aus <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, er brauchte Barmherzigkeit und sollte <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n<br />
im Herzen tragen. Kein Christ kann ohne Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong>n glücklich<br />
leben. Auf Gläubige angewandt ist mit Recht gesagt wor<strong>de</strong>n: Gna<strong>de</strong> brauchen wir für <strong>de</strong>n<br />
Dienst. Barmherzigkeit brauchen wir für unser Versagen. Frie<strong>de</strong>n brauchen wir für unsere<br />
Umstän<strong>de</strong>.<br />
• Gna<strong>de</strong> ist unverdiente Zuwendung Gottes an uns. Sie steht zu Recht immer am Anfang.<br />
Gna<strong>de</strong> entspringt <strong>de</strong>m Herzen Gottes. Er ist <strong>de</strong>r „Gott aller Gna<strong>de</strong>“ (1. Pet 5,10). Das<br />
gilt für unsere Vergangenheit, für die Gegenwart und für die Zukunft. Hier geht es<br />
um Gna<strong>de</strong>, die wir an je<strong>de</strong>m Tag unseres Lebens nötig haben. Gna<strong>de</strong> ist nicht eine<br />
Anfangserfahrung junger Christen. Sie ist vielmehr ein beständiger Strom, <strong>de</strong>n wir<br />
im ganzen Leben nicht ausschöpfen können. Römer 5,2 sagt uns, dass wir in <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong> Gottes stehen. Petrus schreibt von <strong>de</strong>r wahren Gna<strong>de</strong> Gottes, in <strong>de</strong>r wir stehen<br />
(1. Pet 5,12). Sie begleitet uns täglich. Sie gibt uns Fundament und Festigkeit für unser<br />
Glaubensleben. Wir brauchen – gera<strong>de</strong> in Zeiten von Rückgang und Nie<strong>de</strong>rgang –<br />
ein <strong>de</strong>utlicheres Empfin<strong>de</strong>n dafür, mit welchen Gedanken Gott an uns <strong>de</strong>nkt – mit<br />
Gedanken <strong>de</strong>r Güte und <strong>de</strong>r Liebe. Gott sieht in Gna<strong>de</strong> auf uns. „Gna<strong>de</strong>“ kann man auch<br />
mit „Gunst“ o<strong>de</strong>r „Wohlgefallen“ übersetzen. Das zeigt, mit welchen Empfindungen<br />
Gott in <strong>de</strong>m Herrn Jesus auf uns blickt. Die Bibel en<strong>de</strong>t nicht ohne Grund mit <strong>de</strong>n<br />
Worten: „Die Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn Jesus Christus sei mit allen Heiligen“ (Off 22,21). Wir<br />
alle haben dieses tiefe Empfin<strong>de</strong>n nötig, dass die Gna<strong>de</strong> Gottes uns je<strong>de</strong>n Tag trägt.<br />
• Barmherzigkeit ist das Mitempfin<strong>de</strong>n Gottes in elen<strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n. Gna<strong>de</strong> und<br />
Barmherzigkeit liegen in ihrer Be<strong>de</strong>utung nahe beieinan<strong>de</strong>r. Bei<strong>de</strong>s ist nur in Gott zu<br />
fin<strong>de</strong>n. Bei<strong>de</strong>s ist völlig unverdient. Barmherzigkeit hat – wie Gna<strong>de</strong> – mit unserer<br />
Vergangenheit, mit <strong>de</strong>r Gegenwart und mit <strong>de</strong>r Zukunft zu tun. Dennoch besteht ein<br />
Unterschied. Barmherzigkeit setzt – im Unterschied zu <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> – unbedingt einen<br />
bemitlei<strong>de</strong>nswerten und elen<strong>de</strong>n Zustand voraus. Barmherzigkeit kann nur geübt<br />
wer<strong>de</strong>n, wenn jemand da ist, <strong>de</strong>r sich in Not befin<strong>de</strong>t. Was die Barmherzigkeit tut, wird<br />
vortrefflich in Lukas 10 in <strong>de</strong>m Gleichnis vom barmherzigen Samariter vorgestellt. Gott<br />
ist <strong>de</strong>r Gott aller Gna<strong>de</strong> – und zwar unabhängig davon, ob die Gna<strong>de</strong> einen Gegenstand<br />
fin<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r nicht. Barmherzigkeit hingegen sucht notwendigerweise einen Gegenstand,<br />
an <strong>de</strong>m sie sich erweisen kann. Deshalb wird Gott nicht <strong>de</strong>r „Gott aller Barmherzigkeit“<br />
genannt. Allerdings lesen wir, dass Er „reich ist an Barmherzigkeit wegen seiner<br />
vielen Liebe“ (Eph 2,4). Dieser Gedanke macht uns glücklich. Der Reichtum seiner<br />
Barmherzigkeit hat uns gerettet. Der Reichtum seiner Barmherzigkeit steht uns jetzt<br />
an je<strong>de</strong>m Tag unseres Lebens zur Verfügung. Unsere Lebensumstän<strong>de</strong> mögen sehr<br />
unterschiedlich sein. Dennoch lebt je<strong>de</strong>r von uns täglich von <strong>de</strong>r Barmherzigkeit<br />
Gottes. Wir <strong>de</strong>nken an die Zeitverhältnisse, in <strong>de</strong>nen wir leben. Wir <strong>de</strong>nken an unser<br />
persönliches und gemeinschaftliches Fehlverhalten im Blick auf das Haus Gottes. Wir<br />
<strong>de</strong>nken an <strong>de</strong>n Verfall um uns herum und in unserer eigenen Mitte. Wo wären wir<br />
ohne die Barmherzigkeit? Der Schreiber <strong>de</strong>s Hebräerbriefs gibt folgen<strong>de</strong> Ermunterung:<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
„Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu <strong>de</strong>m Thron <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, damit wir<br />
Barmherzigkeit empfangen und Gna<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n zur rechtzeitigen Hilfe“ (Heb 4,16).<br />
• Frie<strong>de</strong>n hat mit <strong>de</strong>r Ruhe in Gott und mit <strong>de</strong>r Ruhe in <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n zu tun. Der<br />
Gläubige hat grundsätzlich Frie<strong>de</strong>n mit Gott (Röm 5,1). Was unsere Stellung betrifft,<br />
gibt es nichts, was zwischen uns und einem heiligen Gott steht. Doch Gott will uns<br />
mehr schenken. Philipper 4, 7 spricht von <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n Gottes, <strong>de</strong>r allen Verstand<br />
übersteigt. Dieser Frie<strong>de</strong> Gottes kann durch nichts erschüttert und gestört wer<strong>de</strong>n.<br />
Kolosser 3,15 erwähnt <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Christus, <strong>de</strong>r in unseren Herzen regieren und<br />
entschei<strong>de</strong>n soll. Als <strong>de</strong>r Herr Jesus auf dieser Er<strong>de</strong> war, sagte Er <strong>de</strong>n Jüngern: „Frie<strong>de</strong>n<br />
lasse ich euch, meinen Frie<strong>de</strong>n gebe ich euch“ (Joh 14,27). Dieser Frie<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Er uns gibt,<br />
ist <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Christus. Damit sind wir – selbst in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n – völlig<br />
ruhig. Paulus genoss diesen Frie<strong>de</strong>n selbst im Kerker in Rom. Er wünschte seinem<br />
Kind Timotheus – und damit uns – diesen Frie<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n Gottes zu leben,<br />
ist <strong>de</strong>r beste Schutzwall gegen alle Angriffe <strong>de</strong>s Teufels. Frie<strong>de</strong>n ist im Übrigen das<br />
Ergebnis von Gna<strong>de</strong> und Barmherzigkeit. Deshalb wird Frie<strong>de</strong> immer nach Gna<strong>de</strong> bzw.<br />
nach Barmherzigkeit genannt – nie vorher. Nur wer im tiefen Bewusstsein <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />
und <strong>de</strong>r Barmherzigkeit lebt, kann <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n Gottes wirklich genießen. Wer <strong>de</strong>n<br />
„Gott aller Gna<strong>de</strong>“ nicht kennt, weiß wenig o<strong>de</strong>r nichts von „<strong>de</strong>m Gott <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns“.<br />
Von Gott, <strong>de</strong>m Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn<br />
Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong> spru<strong>de</strong>ln aus einer Quelle hervor. Diese Quelle ist Gott,<br />
<strong>de</strong>r Vater. „Vater“ hat im Neuen Testament min<strong>de</strong>stens eine dreifache Be<strong>de</strong>utung: An einigen<br />
Stellen spricht es von Unterscheidung, an an<strong>de</strong>ren Stellen von Beziehung und wie<strong>de</strong>r an<br />
an<strong>de</strong>ren Stellen von Ursprung. Im Sinn von Unterscheidung fin<strong>de</strong>n wir <strong>de</strong>n Begriff zum<br />
Beispiel in Matthäus 28,19. Dort wer<strong>de</strong>n die Jünger aufgefor<strong>de</strong>rt, im Namen <strong>de</strong>s Vaters,<br />
<strong>de</strong>s Sohnes und <strong>de</strong>s Heiligen Geistes zu taufen. Die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Beziehung fin<strong>de</strong>n wir<br />
zum Beispiel an <strong>de</strong>n Stellen, wo uns gezeigt wird, dass <strong>de</strong>r große Gott in <strong>de</strong>m Herrn Jesus<br />
jetzt unser Vater ist, <strong>de</strong>r uns liebt. Beson<strong>de</strong>rs Johannes stellt uns in seinen Schriften diese<br />
Seite vor. Der Gedanke an Ursprung kommt zum Beispiel in Epheser 1,17 vor. Dort ist die<br />
Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m „Vater <strong>de</strong>r Herrlichkeit“. Damit ist gemeint, dass Gott <strong>de</strong>r Ursprung <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit ist.<br />
Der Gedanke an Beziehung steht in unserem Vers sicherlich im Vor<strong>de</strong>rgrund. Paulus<br />
erinnert Timotheus daran, dass Gott in <strong>de</strong>m Herrn Jesus jetzt unser Vater gewor<strong>de</strong>n ist. Das<br />
ist eine unermessliche Segnung. Die Tatsache, dass hier eigentlich „Gott Vater“ steht, lässt<br />
dabei parallel <strong>de</strong>n Gedanken an Ursprung zu. Gna<strong>de</strong>, Barmherzigkeit und Frie<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n<br />
eben ihre Quelle in Ihm.<br />
„ . . . und Christus Jesus, unserem Herrn“. Es gibt keine Abstufung zwischen Gott, <strong>de</strong>m Vater,<br />
und Christus Jesus, unserem Herrn. Er ist Gott. Bei<strong>de</strong> Personen stehen hier nebeneinan<strong>de</strong>r.<br />
Dennoch wer<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong> unterschie<strong>de</strong>n. Vielleicht können wir sagen, dass <strong>de</strong>r Gedanke<br />
an Christus Jesus, unseren Herrn, uns an <strong>de</strong>n einzigen Weg (o<strong>de</strong>r das „Mittel“) erinnert,<br />
auf <strong>de</strong>m diese Dinge zu bekommen sind. Hätte <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r jetzt zur Rechten Gottes<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 16
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
verherrlicht ist, nicht einst als Mensch in Niedrigkeit auf dieser Er<strong>de</strong> gelebt – wir hätten<br />
nichts von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r Barmherzigkeit und <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n Gottes erfahren.<br />
Paulus war ein Gefangener Roms. Die politischen Autoritäten konnten anscheinend<br />
willkürlich mit ihm verfahren. Sie hatten die Verfügungsgewalt. Dennoch hatte Paulus ein<br />
tiefes Empfin<strong>de</strong>n dafür, dass Christus Jesus <strong>de</strong>r Herr – und damit die höchste Instanz – ist.<br />
Deshalb sah er sich als seinen Gefangenen. Das sollte Timotheus nicht vergessen. Auch wir<br />
brauchen immer das tiefe Empfin<strong>de</strong>n, dass unserem Herrn im Himmel alle Gewalt gegeben<br />
ist. Er ist nicht nur unser Heiland, son<strong>de</strong>rn Er ist <strong>de</strong>r Herr unseres Lebens. Was immer<br />
geschehen mag, Er hat zu allem das letzte Wort zu sagen. Ihm läuft gar nichts aus <strong>de</strong>r Hand.<br />
„Ich danke Gott, <strong>de</strong>m ich von meinen Voreltern her mit reinem Gewissen diene, wie<br />
unablässig ich <strong>de</strong>iner ge<strong>de</strong>nke in meinen Gebeten Nacht und Tag, voll Verlangen, dich<br />
zu sehen, in<strong>de</strong>m ich mich an <strong>de</strong>ine Tränen erinnere, damit ich mit Freu<strong>de</strong> erfüllt sein<br />
möge“ (Verse 3.4).<br />
Gebet<br />
Nach <strong>de</strong>n einleiten<strong>de</strong>n Worten beginnt Paulus nun mit einem Dankgebet. Paulus hatte ein<br />
sehr reichhaltiges Gebetsleben. Es bestand nicht nur aus Bitten, son<strong>de</strong>rn daneben vor allem<br />
aus Danksagung. Dabei geht <strong>de</strong>r Dank häufig <strong>de</strong>r Bitte voraus. Wenn Paulus seinem Gott<br />
dankte, war das keine „Pflichtübung“ o<strong>de</strong>r reine Gewohnheit, son<strong>de</strong>rn ein tief im Herzen<br />
empfun<strong>de</strong>ner Dank. Timotheus wird das gewusst haben. Wir können davon lernen.<br />
Das hier gebrauchte Wort für Dank unterschei<strong>de</strong>t sich von <strong>de</strong>m, was wir zu Beginn an<strong>de</strong>rer<br />
Briefe fin<strong>de</strong>n. Es ist ein zusammengesetztes Wort, das man an<strong>de</strong>rs mit „Gna<strong>de</strong> haben“<br />
übersetzen könnte. In 1. Timotheus 1,12 wird <strong>de</strong>r gleiche Ausdruck benutzt. Paulus empfand<br />
es offenbar als eine beson<strong>de</strong>re Gna<strong>de</strong>, an Timotheus im Gebet zu <strong>de</strong>nken. Das ist ein Beweis<br />
<strong>de</strong>s beson<strong>de</strong>ren Verhältnisses dieser bei<strong>de</strong>n Diener Gottes, das uns als Vorbild dient.<br />
Paulus betete unablässig und unaufhörlich. Das will nicht sagen, dass er nichts an<strong>de</strong>res tat<br />
als zu beten. Es meint vielmehr, dass er es regelmäßig, d. h. immer wie<strong>de</strong>r, tat. Es war ihm<br />
eine – im positiven Sinn <strong>de</strong>s Wortes – gute Gewohnheit, <strong>de</strong>r er immer wie<strong>de</strong>r nachging.<br />
Darin ist Paulus uns bis heute ein Vorbild.<br />
Paulus betete Nacht und Tag. Es ist sicher nicht von ungefähr, dass die Nacht vor <strong>de</strong>m Tag<br />
erwähnt wird. Das <strong>de</strong>utet die Intensität an, mit <strong>de</strong>r Paulus betete. Natürlich hatte er im<br />
Gefängnis mehr Zeit dazu als im aktiven Dienst. Dennoch tat Paulus auch im aktiven Dienst<br />
und in Freiheit gewisse Dinge „Nacht und Tag“:<br />
• In Apostelgeschichte 20,31 lesen wir, dass er die Gläubigen Nacht und Tag mit Tränen<br />
ermahnt hatte.<br />
• Die Thessalonicher erinnerte er zweimal daran, dass er Nacht und Tag gearbeitet<br />
hatte, um niemand auf <strong>de</strong>r Tasche zu liegen (1. Thes 2,9; 2. Thes 3,8).<br />
• In 1. Thessalonicher 3,10 fin<strong>de</strong>n wir ihn – wie hier – ebenfalls im Gebet. Dort flehte er<br />
Nacht und Tag, um an<strong>de</strong>ren geistlich helfen zu können.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Tränen<br />
Paulus erwähnt nun die Tränen <strong>de</strong>s Timotheus. Er hatte sie gut in Erinnerung. Wir fragen<br />
uns, wann Timotheus wohl geweint haben mag. Es wird uns nicht gesagt. Wir können uns<br />
gut vorstellen, dass es vielleicht bei <strong>de</strong>m Abschied von Paulus war. Seine Tränen waren kein<br />
Zeichen von Schwachheit. Sie zeigten vielmehr, dass Timotheus als gereifter Mann tiefe<br />
Empfindungen und geistliche Übungen hatte. Niemand von uns muss sich seiner Tränen<br />
schämen – auch nicht im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn. Der Herr Jesus selbst hat geweint, als Er<br />
auf dieser Er<strong>de</strong> war. Das zeigt, wie vollkommen Er Mensch war. Paulus weinte ebenfalls.<br />
Als er Abschied von <strong>de</strong>n Ältesten von Ephesus nahm, erwähnt er diesen Umstand gleich<br />
zweimal (Apg 20,19 und 31). Wir sollten Tränen nicht als ein Zeichen von Schwäche o<strong>de</strong>r<br />
gar Feigheit werten. Wer keine inneren Empfindungen hat, ist als Diener kaum brauchbar.<br />
Freu<strong>de</strong><br />
Wir haben schon gesehen, dass Paulus sich in äußeren Umstän<strong>de</strong>n befand, die wenig Anlass<br />
zur Freu<strong>de</strong> gaben. Wir fragen uns, wie er als ein Todgeweihter überhaupt von Freu<strong>de</strong><br />
sprechen kann. Er <strong>de</strong>nkt hier nicht an die Freu<strong>de</strong>, einmal bei seinem Herrn zu sein – eine<br />
Freu<strong>de</strong>, die er ohne Zweifel gehabt hat (vgl. Kap 4,6–8). Er <strong>de</strong>nkt nicht direkt an die „Freu<strong>de</strong><br />
im Herrn“ (Phil 4,1), die ebenfalls sein Teil war. Den Grund für die Freu<strong>de</strong> gibt er an: Es<br />
war die Freu<strong>de</strong>, Timotheus noch einmal wie<strong>de</strong>rzusehen. Er war voll Verlangen, ihn zu<br />
sehen. Das Wort „Verlangen“ wird an an<strong>de</strong>ren Stellen mit „Sehnen“ o<strong>de</strong>r „begierig sein“<br />
wie<strong>de</strong>rgegeben. Das zeigt, wie groß <strong>de</strong>r Wunsch von Paulus war, sein Kind im Glauben<br />
noch einmal zu sehen. Wir erkennen, dass Paulus keineswegs abgestumpft war, son<strong>de</strong>rn<br />
seine Einsamkeit tief empfand. Es wür<strong>de</strong> für ihn eine Freu<strong>de</strong> sein, Timotheus noch einmal<br />
bei sich zu haben, bevor er zu seinem Herrn gehen wür<strong>de</strong>.<br />
Als Paulus auf <strong>de</strong>r ersten Reise nach Rom war – ebenfalls als Gefangener –, kamen ihm<br />
Brü<strong>de</strong>r entgegen. Als Paulus sie sah, „dankte er Gott und fasste Mut“ (Apg 28,15). Wir<br />
lernen, welch eine positive Wirkung von <strong>de</strong>r Gegenwart eines Bru<strong>de</strong>rs o<strong>de</strong>r einer Schwester<br />
ausgehen kann, wenn sich jemand in misslichen Umstän<strong>de</strong>n befin<strong>de</strong>t.<br />
Das reine Gewissen <strong>de</strong>s Paulus<br />
Der Zwischensatz in Vers 3 ist nicht ganz einfach zu verstehen. Paulus spricht hier<br />
offensichtlich von <strong>de</strong>r Zeit vor seiner Bekehrung und sagt, dass er Gott von seinen Voreltern<br />
her mit reinem Gewissen gedient hatte. In seiner Verteidigungsre<strong>de</strong> in Jerusalem vor <strong>de</strong>m<br />
Volk hatte Paulus gesagt: „Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Zilizien; aber<br />
auferzogen in dieser Stadt, zu <strong>de</strong>n Füßen Gamaliels, unterwiesen nach <strong>de</strong>r Strenge <strong>de</strong>s<br />
väterlichen Gesetzes, war ich, wie ihr alle heute seid, ein Eiferer für Gott“ (Apg 22,3).<br />
Das wirft ein wenig Licht auf diese Aussage in unserem Vers. Wir könnten es vielleicht<br />
so erklären, dass Paulus hier seine eigene Beurteilung <strong>de</strong>r Sache abgibt – so wie er es<br />
empfun<strong>de</strong>n hatte. Gott sah das, was Paulus tat, natürlich nicht für richtig an. Paulus selbst<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 18
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
verurteilt es an an<strong>de</strong>rer Stelle <strong>de</strong>utlich. Aber was er tat, tat er – aus seiner damaligen<br />
Sicht – mit einem reinen Gewissen. Er war sich keiner Schuld bewusst – was ihn aber nicht<br />
unschuldig machte. Er glaubte aufgrund seiner Ausbildung und Zurüstung tatsächlich, Gott<br />
einen Dienst zu erweisen, in<strong>de</strong>m er die Gläubigen verfolgte.<br />
Gott hat je<strong>de</strong>m Menschen ein Gewissen gegeben. Dafür sollten wir Ihm dankbar sein. Wir<br />
lernen allerdings, dass unser Gewissen allein kein geeigneter Maßstab ist. Es gleicht eine<br />
Waage, die geeicht sein muss, damit man etwas mit ihr anfangen kann. So müssen wir<br />
unser Gewissen am Wort Gottes ausrichten. Das Gewissen kann we<strong>de</strong>r die ein<strong>de</strong>utigen<br />
Aussagen <strong>de</strong>r Bibel noch die Leitung durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist ersetzen. Wir tun gut daran,<br />
<strong>de</strong>m Beispiel von Paulus zu folgen, <strong>de</strong>r sich, nach<strong>de</strong>m er gläubig gewor<strong>de</strong>n war, bemühte,<br />
„ein Gewissen ohne Anstoß zu haben vor Gott und <strong>de</strong>n Menschen“ (Apg 24,16). Das Neue<br />
Testament spricht vom „guten“ und „bösen“ Gewissen, vom „reinen“ und vom „schwachen“<br />
Gewissen. Das Gewissen ist in <strong>de</strong>r Tat das innere Überwachungs- und Steuerungsinstrument<br />
im Menschen, das die Fähigkeit <strong>de</strong>r Unterscheidung hat (Heb 10,2; Röm 2,15; 9,1; 2. Kor 1,12).<br />
Ohne das Wort Gottes und ohne <strong>de</strong>n Heiligen Geist kann es uns trotz<strong>de</strong>m in die Irre führen.<br />
Wir fragen uns, warum Paulus diesen Tatbestand gera<strong>de</strong> an dieser Stelle erwähnt. Eine<br />
mögliche Erklärung ist, dass er Timotheus daran erinnern will, dass dieser ihm etwas voraus<br />
hatte. Timotheus war an<strong>de</strong>rs erzogen wor<strong>de</strong>n als Paulus. Seine eigene Erziehung – selbst<br />
wenn sie von seinen Eltern gut gemeint war – hatte ihn auf einen falschen Weg geführt.<br />
Timotheus hingegen hatte eine Mutter und eine Großmutter, die ihm echten Glauben<br />
vorgelebt hatten. Davon spricht Paulus in Vers 5. Dieser ungeheuchelte Glaube war mehr<br />
wert als das reine Gewissen, das die Eltern von Paulus ihrem Sohn mitgegeben hatten.<br />
„In<strong>de</strong>m ich <strong>de</strong>n ungeheuchelten Glauben in dir in Erinnerung habe, <strong>de</strong>r zuerst in <strong>de</strong>iner<br />
Großmutter Lois und <strong>de</strong>iner Mutter Eunike wohnte, ich bin aber überzeugt, auch in dir“<br />
(Vers 5).<br />
Ungeheuchelter Glaube<br />
Paulus erinnerte sich nicht nur an seine eigenen Voreltern. Er hatte ebenso eine Erinnerung –<br />
und zwar eine gute – an die Mutter und die Großmutter von Timotheus. In drei<br />
Generationen fand er ungeheuchelten Glauben. Dabei ist klar, dass es hier nicht um <strong>de</strong>n<br />
jüdischen, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n christlichen Glauben geht. Timotheus Mutter war zwar Jüdin<br />
(Apg 16,1), aber sie war gläubig gewor<strong>de</strong>n. Sie glaubte also an <strong>de</strong>n Herrn Jesus. Dieser<br />
ungeheuchelte Glaube war nicht einfach da, son<strong>de</strong>rn Paulus war überzeugt, dass er in<br />
diesen drei Personen wohnte, d. h. er hatte dort einen festen Platz, ein „Zuhause“.<br />
Der Glaube verbin<strong>de</strong>t uns mit Gott. Er ist nicht nur die Hand, die das Heil ergreift, das<br />
Gott uns in Christus anbietet. Er ist gleichzeitig die Hand, die uns als Gläubige in ständiger<br />
Verbindung mit <strong>de</strong>m Himmel hält. Nur durch <strong>de</strong>n Glauben sind wir in <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>n Segen<br />
zu genießen, <strong>de</strong>n Gott uns gibt, um als himmlische Menschen auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu leben. Deshalb<br />
soll dieser Glaube wachsen (2. Thes 1,3). Es ist nicht damit getan, einmal geglaubt zu haben.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Durch <strong>de</strong>n Glauben bleiben wir in dieser ständigen Beziehung nach oben. Dieser Glaube<br />
war bei Timotheus, bei seiner Mutter und bei seiner Großmutter vorhan<strong>de</strong>n.<br />
Dann wird <strong>de</strong>r Charakter ihres Glaubens vorgestellt. Er war ungeheuchelt. Das Gegenteil<br />
ist ein geheuchelter Glaube. Das Wort für „heucheln“ wur<strong>de</strong> zum Beispiel für griechische<br />
Schauspieler gebraucht, die auf <strong>de</strong>r Bühne etwas vorspielten, was nicht <strong>de</strong>n Tatsachen<br />
und <strong>de</strong>m eigenen Charakter <strong>de</strong>r Person entsprach. Solche Schauspieler gaben vor, jemand<br />
an<strong>de</strong>res zu sein, als sie in Wirklichkeit waren. Das ist eine Falschheit, die bei Timotheus<br />
und seinen weiblichen Vorfahren nicht gefun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>.<br />
An uns geht ebenfalls die Auffor<strong>de</strong>rung, einen „echten“ und „ungeheuchelten“ Glauben zu<br />
haben. Wir sollen in unserem Denken, Re<strong>de</strong>n und Han<strong>de</strong>ln echt, aufrichtig und transparent<br />
sein. Je<strong>de</strong> geistliche Schauspielerei gehört sich für einen Christen nicht. Wir sollen keine<br />
Maske tragen.<br />
Paulus hatte im ersten Brief an Timotheus von Personen geschrieben, die vom Glauben<br />
abgefallen waren. Er hatte Menschen erwähnt, die in Bezug auf <strong>de</strong>n Glauben Schiffbruch<br />
erlitten hatten. Später spricht er von Menschen, die <strong>de</strong>n Glauben an<strong>de</strong>rer zerstörten. Wie<br />
muss es ihn da gefreut haben, hier echten und ursprünglichen Glauben zu fin<strong>de</strong>n.<br />
Das Neue Testament spricht in 1. Timotheus 1,5 noch einmal vom ungeheuchelten Glauben.<br />
Darüber hinaus lesen wir von <strong>de</strong>r ungeheuchelten Liebe (Röm 12,9; 2. Kor 6,6), von <strong>de</strong>r<br />
ungeheuchelten Bru<strong>de</strong>rliebe (1. Pet 1,22) und von <strong>de</strong>r ungeheuchelten Weisheit (Jak 3,17).<br />
Die Familie <strong>de</strong>s Timotheus<br />
Glaube ist etwas ganz Persönliches. Glaube kann nicht vererbt wer<strong>de</strong>n. Dennoch ist es<br />
<strong>de</strong>r erklärte Wille Gottes, dass <strong>de</strong>r Glaube nicht bei einem Einzelnen bleibt, son<strong>de</strong>rn<br />
in <strong>de</strong>r Familie entwickelt wird. Das nimmt nichts von <strong>de</strong>r persönlichen Verantwortung<br />
weg. Der Gedanke Gottes ist immer „du und <strong>de</strong>in Haus“. In <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s Timotheus –<br />
zumin<strong>de</strong>st bei <strong>de</strong>n Frauen – hatte sich ein gutes geistliches Klima entwickelt. Die Mutter<br />
von Timotheus hatte das Beispiel ihrer eigenen Mutter vor sich, und Timotheus hatte gleich<br />
zwei Vorbil<strong>de</strong>r, von <strong>de</strong>nen er lernen konnte. Der Vater wird bezeichnen<strong>de</strong>rweise nicht<br />
erwähnt. In Apostelgeschichte 16,1 wird lediglich gesagt, dass Timotheus <strong>de</strong>r Sohn einer<br />
jüdischen gläubigen Frau war und dass er einen griechischen Vater hatte. Wir können<br />
daraus eventuell die Schlussfolgerung ziehen, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht errettet<br />
war.<br />
Es ist in <strong>de</strong>r Übertragung auf uns eine Herausfor<strong>de</strong>rung, ein gesun<strong>de</strong>s geistliches Klima in<br />
unseren Familien zu entwickeln. Kin<strong>de</strong>r beobachten ihre Eltern. Sie merken sehr schnell, ob<br />
<strong>de</strong>r Glaube echt o<strong>de</strong>r geheuchelt ist. Es ist wichtig, dass wir von unserem Glauben re<strong>de</strong>n.<br />
Es ist noch wichtiger, unseren Glauben zu leben. Bei<strong>de</strong>s hat seinen Platz. Das „Vorleben“<br />
haben wir hier. Später, in Kapitel 3,5, spricht Paulus von <strong>de</strong>m, was in <strong>de</strong>r Familie <strong>de</strong>s<br />
Timotheus „gere<strong>de</strong>t“ wur<strong>de</strong>. Timotheus kannte von Kind auf die Heiligen Schriften. Wie<br />
war das möglich? In<strong>de</strong>m sie zu Hause gelesen wur<strong>de</strong>n und Timotheus sie hören konnte.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
„Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, die Gna<strong>de</strong>ngabe Gottes anzufachen, die in<br />
dir ist durch das Auflegen meiner Hän<strong>de</strong>“ (Vers 6).<br />
Die Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s Timotheus<br />
Paulus kommt jetzt mit einem ersten Appell zu Timotheus. Er hatte diesen Appell durch<br />
das, was er einleitend gesagt hatte, gut vorbereitet. Deshalb sagt er: „Aus diesem Grund. . . “.<br />
Auch trägt er sein Anliegen in einer sehr mil<strong>de</strong>n Form vor. Es ist eine Erinnerung, die<br />
zwar <strong>de</strong>n Charakter einer Ermahnung trägt, dabei jedoch gleichzeitig eine Ermunterung für<br />
Timotheus war.<br />
Timotheus hatte eine beson<strong>de</strong>re Gna<strong>de</strong>ngabe von Gott empfangen. Dabei han<strong>de</strong>lt es sich<br />
nicht – wie manchmal gesagt wird – um <strong>de</strong>n Heiligen Geist, son<strong>de</strong>rn es war ein ganz<br />
bestimmter Auftrag zum Dienst. Timotheus war wohl in erster Linie Evangelist (Kap 4,5).<br />
Gleichzeitig hatte er einen Dienst als Hirte und Lehrer im Volk Gottes. Diese Gna<strong>de</strong>ngabe<br />
sollte er anfachen.<br />
Von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s Timotheus wer<strong>de</strong>n zwei Dinge gesagt: erstens, dass sie von Gott<br />
kommt; zweitens, dass sie durch das Auflegen <strong>de</strong>r Hän<strong>de</strong> von Paulus vermittelt wur<strong>de</strong>. Die<br />
erste Aussage gilt für je<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong>ngabe. Die zweite Aussage bil<strong>de</strong>t eine Ausnahme. Wir<br />
fin<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Briefen an Timotheus mehrmals einen Hinweis auf seine Gna<strong>de</strong>ngabe.<br />
Nur wenn wir diese Hinweise zusammen betrachten, ergibt sich ein vollständiges und damit<br />
richtiges Bild:<br />
1. Der Ursprung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s Timotheus ist ohne je<strong>de</strong> Frage Gott. Sie wird<br />
in unserem Vers zweifelsfrei „Gna<strong>de</strong>ngabe Gottes“ genannt, was auf <strong>de</strong>n Ursprung<br />
hinweist.<br />
2. 1. Timotheus 1, 18 und 4, 14 machen <strong>de</strong>utlich, dass es spezielle Weissagungen über<br />
seine Gna<strong>de</strong>ngabe gegeben hat. Wem diese Weissagungen gegeben waren und wer<br />
sie ausgesprochen hat, wird nicht gesagt. Timotheus wird es sicher im Nachhinein<br />
gewusst haben.<br />
3. Vermittelt wur<strong>de</strong> die Gna<strong>de</strong>ngabe offensichtlich durch Paulus. Er hatte Timotheus<br />
die Hän<strong>de</strong> aufgelegt, d. h. er hatte sich mit ihm eins gemacht. Paulus war also das<br />
Instrument, durch das die Gna<strong>de</strong>ngabe in Timotheus tatsächlich wirksam wur<strong>de</strong>. Ihr<br />
Ursprung jedoch bleibt selbstverständlich Gott.<br />
4. Die Ältesten seiner Heimatversammlung hatten sich mit ihm einsgemacht. Wir lesen<br />
in 1. Timotheus 4,14: „mit Auflegen <strong>de</strong>r Hän<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ältestenschaft“. Das war ein<br />
Ausdruck <strong>de</strong>r Gemeinschaft. Sie erkannten die Gna<strong>de</strong>ngabe Gottes in Timotheus an<br />
und freuten sich darüber.<br />
Exkurs: Gna<strong>de</strong>ngaben heute<br />
Das Thema <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngaben ist ein aktuelles Thema, das viele Christen beschäftigt. Deshalb<br />
dazu einige Gedanken:<br />
Das griechische Wort für „Gna<strong>de</strong>ngabe“ ist von <strong>de</strong>m Wort für „Gna<strong>de</strong>“ abgeleitet und<br />
be<strong>de</strong>utet so viel wie eine „wohlwollend gespen<strong>de</strong>te Gabe“, ein „Gna<strong>de</strong>ngeschenk“. An<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
<strong>de</strong>n meisten Stellen im Neuen Testament wird damit eine von Gott geschenkte Aufgabe<br />
zum Dienst bezeichnet. Die Bedürfnisse <strong>de</strong>r einzelnen Glie<strong>de</strong>r am Leib Christi sind ganz<br />
unterschiedlich. Deshalb hat Gott verschie<strong>de</strong>ne Gna<strong>de</strong>ngaben gegeben. Eine Gna<strong>de</strong>ngabe<br />
sollten wir nicht mit einer natürlichen Befähigung verwechseln. Natürliche Fähigkeiten<br />
sind durchaus eine Gabe Gottes, jedoch keine Gna<strong>de</strong>ngabe im eigentlichen Sinn. Auch<br />
ungläubige Menschen haben selbstverständlich von ihrem Schöpfer natürliche Fähigkeiten<br />
bekommen.<br />
Eine Hilfestellung dazu gibt uns Matthäus 25,14.15. Dort spricht <strong>de</strong>r Herr Jesus von <strong>de</strong>n<br />
Talenten, die Er seinen Dienern anvertraut hatte. Diese unterschiedlichen Talente könnte<br />
man ebenfalls eine Aufgabe zum Dienst nennen und mit einer Gna<strong>de</strong>ngabe vergleichen.<br />
Diese Talente wer<strong>de</strong>n je nach eigener Fähigkeit gegeben. Die eigene Fähigkeit können wir<br />
mit <strong>de</strong>n natürlichen Befähigungen vergleichen, die Gott als Schöpfer uns gegeben hat (zum<br />
Beispiel die Fähigkeit, mit Kin<strong>de</strong>rn o<strong>de</strong>r alten Leuten umzugehen, Sprach- und Re<strong>de</strong>fähigkeit<br />
usw.). Die natürliche Fähigkeit eines Christen ist sozusagen das Gefäß, in das Gott eine<br />
Gna<strong>de</strong>ngabe hineinlegt. Wer zum Beispiel nicht re<strong>de</strong>n kann, <strong>de</strong>m wird Gott kaum die Gabe<br />
<strong>de</strong>s Lehrens geben. Wer nicht mit Menschen umgehen kann, wird kaum die Gabe eines<br />
Hirten bekommen.<br />
In <strong>de</strong>r Christenheit hat man heute kaum mehr eine biblisch fundierte Kenntnis über die<br />
Gna<strong>de</strong>ngaben. Der Grund dafür liegt u.a. darin, dass in vielen Kirchen und Gemein<strong>de</strong>n<br />
offizielle Amtsträger eingestellt wor<strong>de</strong>n sind, die die unterschiedlichen Dienste übernehmen<br />
sollen. Selbst da, wo man die Freiheit <strong>de</strong>s Geistes im Dienst kennt, hat man oft eine<br />
eingeschränkte Sichtweise <strong>de</strong>r von Gott gegebenen Gna<strong>de</strong>ngaben. Es wäre falsch, hierbei<br />
nur an Hirten, Lehrer und Evangelisten zu <strong>de</strong>nken. Es ist wohl wahr, dass diese drei<br />
Gna<strong>de</strong>ngaben in Epheser 4 genannt wer<strong>de</strong>n. Man muss allerdings erstens be<strong>de</strong>nken, dass<br />
in Epheser 4 für „Gabe“ ein an<strong>de</strong>res Wort als für „Gna<strong>de</strong>ngabe“ benutzt wird. Zweitens<br />
ist es wichtig zu beachten, dass es in Epheser 4 die Personen selbst sind, die <strong>de</strong>r erhöhte<br />
Herr <strong>de</strong>r Versammlung als „Gabe“ gegeben hat. Das Ziel wird dabei wie folgt angegeben:<br />
„zur Vollendung <strong>de</strong>r Heiligen, für das Werk <strong>de</strong>s Dienstes, für die Auferbauung <strong>de</strong>s Leibes<br />
<strong>de</strong>s Christus“, und zwar „bis wir alle hingelangen zu <strong>de</strong>r Einheit <strong>de</strong>s Glaubens und <strong>de</strong>r<br />
Erkenntnis <strong>de</strong>s Sohnes Gottes, zu <strong>de</strong>m erwachsenen Mann“ (Eph 4,12.13).<br />
Wenn wir ein richtiges Bild über die Verschie<strong>de</strong>nheit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngaben haben wollen,<br />
müssen wir Römer 12 und 1. Korinther 12 lesen. Dort sehen wir die Vielfalt <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngaben<br />
in unterschiedlichen Bereichen. An bei<strong>de</strong>n Stellen wird die Versammlung als ein Leib<br />
gesehen, <strong>de</strong>r aus vielen Glie<strong>de</strong>rn besteht. Wie an unserem menschlichen Körper je<strong>de</strong>s Glied<br />
seinen eigenen Platz und seine beson<strong>de</strong>re Funktion hat, so ist es in <strong>de</strong>m (geistlichen) Leib<br />
Christi nicht an<strong>de</strong>rs. Bei<strong>de</strong> Texte nennen eine Vielzahl von verschie<strong>de</strong>nen Gna<strong>de</strong>ngaben,<br />
wobei die Aufstellung immer nur beispielhaft und nicht vollständig ist. In Römer 12<br />
wer<strong>de</strong>n zum Beispiel sieben Gna<strong>de</strong>ngaben ausdrücklich genannt: Weissagung, Dienst,<br />
Lehre, Ermahnung, Geben, Vorstehen, Ausüben von Barmherzigkeit.<br />
Bis heute gibt es von Gott gegebene Gna<strong>de</strong>naufgaben. Sie sind notwendig, damit das<br />
christliche Zeugnis weiter ausgebreitet wird und aufrechterhalten bleiben kann. Wenn wir<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
die verschie<strong>de</strong>nen Abschnitte, in <strong>de</strong>nen von Gna<strong>de</strong>ngaben die Re<strong>de</strong> ist, (beson<strong>de</strong>rs Römer 12<br />
und 1. Korinther 12), im Zusammenhang besehen, dann könnten wir die Belehrung über<br />
dieses Thema kurz wie folgt zusammenfassen:<br />
1. Der Ursprung einer Gna<strong>de</strong>ngabe ist immer Gott. Deshalb ist es keine menschliche<br />
Gna<strong>de</strong>ngabe, son<strong>de</strong>rn eine Gna<strong>de</strong>ngabe Gottes (2. Tim 1,6).<br />
2. Der Geber ist <strong>de</strong>r verherrlichte Herr im Himmel. Er sorgt vom Himmel aus dafür, dass<br />
für je<strong>de</strong> Aufgabe die notwendige Gna<strong>de</strong>ngabe vorhan<strong>de</strong>n ist (Epheser 4,8).<br />
3. Die Kraft zur Ausübung ist <strong>de</strong>r Heilige Geist. Ohne seine Kraft ist es nicht möglich,<br />
eine Gna<strong>de</strong>ngabe richtig auszuüben (Röm 15,19).<br />
4. Die Gna<strong>de</strong>ngaben wer<strong>de</strong>n unter <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>s Heiligen Geistes ausgeübt. Der Heilige<br />
Geist gibt nicht nur die Kraft, eine Gna<strong>de</strong>ngabe zu praktizieren, son<strong>de</strong>rn Er leitet uns<br />
in <strong>de</strong>r tatsächlichen Ausübung (1. Korinther 12,11).<br />
5. Es sind verschie<strong>de</strong>ne Gna<strong>de</strong>ngaben, die <strong>de</strong>r Herr gibt. Niemand könnte von sich<br />
behaupten, alle Gna<strong>de</strong>ngaben in sich zu vereinen. Die Folge ist, dass wir einan<strong>de</strong>r<br />
nötig haben (1. Korinther 12,4.21).<br />
6. Es gibt niemand im Volk Gottes, <strong>de</strong>r nicht eine Gna<strong>de</strong>ngabe empfangen hätte. Daraus<br />
folgt, dass je<strong>de</strong>r an seinem Platz gebraucht wird (1. Petrus 4,10).<br />
7. Der Besitz einer Gna<strong>de</strong>ngabe ist einerseits ein großer Segen. Er zieht an<strong>de</strong>rerseits die<br />
Verantwortung nach sich, sie richtig und angemessen zum Nutzen an<strong>de</strong>rer und zur<br />
Ehre <strong>de</strong>s Herrn auszuüben (1. Petrus 4,10).<br />
Die Gna<strong>de</strong>ngabe anfachen<br />
Timotheus wird nun aufgefor<strong>de</strong>rt, die Gna<strong>de</strong>ngabe anzufachen, die in ihm war. Das Wort<br />
„anfachen“ wird im Neuen Testament nur an dieser Stelle verwen<strong>de</strong>t. Das Bild ist gut<br />
verständlich: Es geht um ein Feuer, das man wie<strong>de</strong>r anfacht, wenn es auszugehen droht.<br />
Die Glut soll wie<strong>de</strong>r entflammt wer<strong>de</strong>n bzw. das Feuer soll brennend erhalten wer<strong>de</strong>n.<br />
Die benutzte Zeitform weist darauf hin, dass es nicht um eine einmalige, son<strong>de</strong>rn um<br />
eine beständige Handlung geht. Deshalb verstehen wir diesen Hinweis von Paulus mehr<br />
vorbeugend als korrigierend. Gaben wer<strong>de</strong>n durch ständige Benutzung aktiviert bzw.<br />
aktiv gehalten. Bei Nichtgebrauch gehen sie zwar nicht verloren, verlieren allerdings ihre<br />
Wirkung.<br />
In 1. Timotheus 4,14 hatte Paulus bereits einen ähnlichen Hinweis gegeben. Dort wird<br />
Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, die Gna<strong>de</strong>ngabe nicht zu vernachlässigen. Eine Gna<strong>de</strong>ngabe wird<br />
dann vernachlässigt, wenn sie nicht aktiv eingesetzt wird. Hier drückt Paulus sich positiv<br />
aus: Er sollte die Gna<strong>de</strong>ngabe anfachen. In <strong>de</strong>r konkreten Situation, in <strong>de</strong>r er sich befand,<br />
hatte Timotheus diesen Hinweis nötig. Zum einen war Timotheus wahrscheinlich durch eine<br />
natürliche Zurückhaltung und Demut geprägt. Diese an und für sich positiven Eigenschaften<br />
konnten ihn daran hin<strong>de</strong>rn, seine Gna<strong>de</strong>ngabe mit Mut und Elan auszuüben. Dazu kamen<br />
die nicht einfachen äußeren Umstän<strong>de</strong>. Unter <strong>de</strong>n Gläubigen war sicher bekannt, dass er<br />
treu zu Paulus stand. Insofern wird man ihn als Freund von Paulus unter Umstän<strong>de</strong>n eher<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
kritisch betrachtet haben. In seiner Arbeit als Evangelist konnte er leicht mutlos wer<strong>de</strong>n, da<br />
es durchaus gefährlich war, sich öffentlich auf die Seite <strong>de</strong>r Christen zu stellen.<br />
„Denn Gott hat uns nicht einen Geist <strong>de</strong>r Furchtsamkeit gegeben, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Kraft und<br />
<strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Besonnenheit“ (Vers 7).<br />
Der Geist <strong>de</strong>r Kraft, <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Besonnenheit<br />
Paulus spricht jetzt nicht länger nur von Timotheus, son<strong>de</strong>rn er schließt sich mit ein.<br />
„Gott hat uns nicht einen Geist <strong>de</strong>r Furchtsamkeit gegeben.“ Das gilt für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r eine<br />
Gna<strong>de</strong>ngabe bekommen hat. Wenn Gott eine Gna<strong>de</strong>ngabe gibt, dann gibt Er ohne Zweifel<br />
gleichzeitig die Befähigung, sie auszuüben.<br />
Es stellt sich die Frage, ob mit „Geist“ <strong>de</strong>r Heilige Geist o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Geist <strong>de</strong>s Menschen gemeint<br />
ist. Das für „Geist“ benutzte griechische Wort wird sowohl für <strong>de</strong>n Heiligen Geist als auch<br />
für <strong>de</strong>n menschlichen Geist gebraucht. Hier steht es ohne Artikel, was ein Hinweis darauf<br />
sein mag, dass es sich nicht um <strong>de</strong>n Heiligen Geist, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n menschlichen Geist<br />
han<strong>de</strong>lt, genauer gesagt um die Geisteshaltung <strong>de</strong>s Christen, die natürlich wie<strong>de</strong>rum nur<br />
durch die Wirksamkeit <strong>de</strong>s Heiligen Geistes hervorgerufen wird. Insofern ist eine Trennung<br />
nicht ganz einfach.<br />
Furchtsamkeit meint Feigheit. Es ist das Gegenteil von Entschlossenheit und Beherztheit.<br />
Timotheus benötigte geistliche Entschie<strong>de</strong>nheit, um in einer schweren Zeit das Evangelium<br />
zu predigen und für die Wahrheit einzustehen. Gleiches gilt für uns heute. Doch die<br />
Hilfsquellen sind da. Gott hat uns einen Geist <strong>de</strong>r Kraft, <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Besonnenheit<br />
gegeben. Das sind keine natürlichen Qualitäten <strong>de</strong>s Menschen, son<strong>de</strong>rn eine innere Haltung,<br />
die Er durch seinen Geist in uns schafft.<br />
• Kraft: Wir sahen, dass Gott nicht nur die Gna<strong>de</strong>ngabe gibt, son<strong>de</strong>rn gleichzeitig die<br />
nötige Kraft, um sie auszuüben. Wir brauchen sowohl moralische als auch vor allem<br />
geistliche Kraft. Diese können wir nur in <strong>de</strong>r Akzeptanz unserer eigenen Schwachheit<br />
bekommen. Paulus hatte das selbst erfahren. Ihm wur<strong>de</strong> gesagt, dass die Kraft <strong>de</strong>s<br />
Herrn in Schwachheit vollbracht wird. Nach<strong>de</strong>m Paulus das gelernt hatte, sagte er<br />
selbst: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2. Kor 12,10). Die Kraft, die wir<br />
haben, ist nicht unsere eigene Kraft. Es ist die Kraft <strong>de</strong>s Heiligen Geistes (vgl. Apg 1,8).<br />
• Liebe: Die Liebe muss das Motiv zur Ausübung je<strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngabe sein. Es ist zuerst<br />
die Liebe zu Gott, <strong>de</strong>m Geber <strong>de</strong>r Gabe. Es ist dann zweitens die Liebe zu unseren<br />
Mitgeschwistern, und darüber hinaus die Liebe zu allen Menschen. Es soll die Liebe <strong>de</strong>s<br />
Christus sein, die uns drängt. Kraft allein kann egoistisch und emotionslos ausgeübt<br />
wer<strong>de</strong>n. Deshalb gehört Liebe unbedingt dazu.<br />
• Besonnenheit: Besonnenheit meint „Selbstbeherrschung“, „Nüchternheit“, „gesun<strong>de</strong>r<br />
Sinn“. Zur Kraft und Liebe kommt diese dritte Eigenschaft hinzu. Kraft und Liebe<br />
allein können <strong>de</strong>n Diener schwärmerisch und unnüchtern machen. Die Besonnenheit<br />
benutzt <strong>de</strong>n Verstand, <strong>de</strong>n Gott uns gegeben hat. Kein Christ wird dazu aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />
<strong>de</strong>n Verstand ausschalten. Wir sollen uns zwar nicht auf unseren Verstand stützen,<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
ihn jedoch sehr wohl einsetzen. Wir sollen am Verstand Erwachsene (Vollkommene)<br />
wer<strong>de</strong>n (1. Kor 14,20). Es ist bemerkenswert, wie häufig im Buch <strong>de</strong>r Sprüche über<br />
<strong>de</strong>n Verstand gesprochen wird. Es ist wie<strong>de</strong>rum die Gna<strong>de</strong>, die uns zur Besonnenheit<br />
unterweist (Tit 2,12).<br />
Man kann von diesem Vers aus eine gewisse Parallele zu 1. Korinther 12 – 14 ziehen. In<br />
diesen drei Kapiteln wird das Thema <strong>de</strong>r geistlichen Gna<strong>de</strong>ngaben ausführlich behan<strong>de</strong>lt.<br />
In Kapitel 12 geht es um <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>r Kraft, d. h. um die Kraft, in <strong>de</strong>r die Gaben ausgeübt<br />
wer<strong>de</strong>n. Kapitel 13 spricht von <strong>de</strong>r Liebe, <strong>de</strong>m wahren Motiv. Kapitel 14 zeigt uns <strong>de</strong>n Geist<br />
<strong>de</strong>r Besonnenheit, <strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Ausübung <strong>de</strong>r Gaben nicht fehlen darf.<br />
„So schäme dich nun nicht <strong>de</strong>s Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, seines Gefangenen,<br />
son<strong>de</strong>rn lei<strong>de</strong> Trübsal mit <strong>de</strong>m Evangelium, nach <strong>de</strong>r Kraft Gottes (Vers 8).<br />
Schäme dich nicht<br />
Timotheus stand aufgrund seines Umfel<strong>de</strong>s in einer gewissen Gefahr, sich zu schämen.<br />
Die benutzte Zeitform macht klar, dass es sich um eine vorbeugen<strong>de</strong> Warnung han<strong>de</strong>lt.<br />
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Timotheus sich bereits geschämt hatte. Er stand<br />
möglicherweise in einer bestimmten Gefahr, <strong>de</strong>r Paulus vorbeugen wollte. Deshalb hatte<br />
er in Vers 7 von <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>r Kraft, <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>r Besonnenheit gesprochen. Die<br />
angesprochene Gefahr gilt für uns ebenso. In Segenszeiten fällt es nicht so schwer, stark<br />
zu sein und sich zu <strong>de</strong>m Herrn zu bekennen. Wenn <strong>de</strong>r Wind uns allerdings entgegenbläst<br />
und wir zum Beispiel in ungläubiger Umgebung auf uns allein gestellt sind, mag es schnell<br />
an<strong>de</strong>rs aussehen.<br />
Als mögliche Ursache für die Scham <strong>de</strong>s Timotheus nennt Paulus zwei Grün<strong>de</strong>: erstens das<br />
Zeugnis <strong>de</strong>s Herrn und zweitens sich selbst, <strong>de</strong>n Gefangenen <strong>de</strong>s Herrn.<br />
Das „Zeugnis <strong>de</strong>s Herrn“ kann man auf zweierlei Weise verstehen: Zum einen kann es sich<br />
um das Zeugnis han<strong>de</strong>ln, das <strong>de</strong>r Herr uns gegeben hat. Dann ist die christliche Lehre, das<br />
Glaubensgut, gemeint, das wir predigen und weitergeben. Da es hier mit <strong>de</strong>m Evangelium<br />
verbun<strong>de</strong>n wird, geht es wohl konkret um die uns anvertraute Botschaft <strong>de</strong>s Heils in<br />
Christus. Zum an<strong>de</strong>ren kann man an das Zeugnis <strong>de</strong>nken, das wir von unserem Herrn und<br />
über Ihn ablegen. Bei<strong>de</strong> Seiten sind eigentlich nicht zu trennen. Sowohl das Evangelium <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong> als auch die christliche Glaubenswahrheit sind untrennbar mit <strong>de</strong>r Person unseres<br />
Herrn verbun<strong>de</strong>n.<br />
Paulus war ein Gefangener Roms. Dennoch bezeichnet er sich hier – wie an an<strong>de</strong>ren<br />
Stellen – nicht so. Er nennt sich ein Gefangener <strong>de</strong>s Herrn. Sich zu diesem Gefangenen zu<br />
bekennen, konnte für Timotheus unangenehme Folgen haben. Einmal hatten alle Gläubigen,<br />
die in Asien waren, sich von Paulus abgewandt, dann aber auch war er ja gera<strong>de</strong> aufgrund<br />
seines Glaubens ein Gefangener in Rom.<br />
Paulus selbst war ein Vorbild für Timotheus. In Römer 1,16 schreibt er, dass er sich <strong>de</strong>s<br />
Evangeliums nicht schämte. In Vers 12 unseres Kapitels wie<strong>de</strong>rholt er diese Aussage.<br />
Onesiphorus war ebenfalls ein positives Beispiel (Kap 1,16), und in Kapitel 2,15 wird<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 25
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Timotheus gesagt, dass er sich befleißigen sollte, sich als ein Arbeiter Gott bewährt<br />
darzustellen, <strong>de</strong>r sich nicht zu schämen brauchte.<br />
Lei<strong>de</strong> Trübsal<br />
Timotheus wird dann aufgefor<strong>de</strong>rt, mit <strong>de</strong>m Evangelium Trübsal zu lei<strong>de</strong>n. Der Kontrast<br />
ist auffällig. Sich nicht zu schämen wird <strong>de</strong>m „Trübsal lei<strong>de</strong>n“ gegenübergestellt. Dreimal<br />
spricht Paulus in diesem Brief davon. In Kapitel 2,3 wird Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, als ein<br />
guter Streiter Christi Jesu an <strong>de</strong>n Trübsalen teilzunehmen. In Kapitel 4,5 wird gesagt: „Lei<strong>de</strong><br />
Trübsal, tu das Werk eines Evangelisten, vollführe <strong>de</strong>inen Dienst.“<br />
Wir alle nehmen gern an <strong>de</strong>m Segen <strong>de</strong>s Evangeliums teil – und das sollen wir auch. Unser<br />
Herr erwartet dabei gleichzeitig, dass wir bereit sind, mit <strong>de</strong>m Evangelium zu lei<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>m<br />
Evangelium zu kämpfen, kann in <strong>de</strong>r Tat Trübsal und Unannehmlichkeiten mit sich bringen.<br />
Es geht im Evangelium ohnehin nicht primär um <strong>de</strong>n äußerlichen Erfolg. Wir können nicht<br />
erwarten, dass die Menschen begeistert sind und uns zustimmen. Wir sind dankbar, wenn<br />
Gott uns Frucht unserer Arbeit sehen lässt; das ist jedoch nicht <strong>de</strong>r Hauptgedanke. Von<br />
außen betrachtet war das Leben von Paulus durchaus nicht von bleiben<strong>de</strong>m Erfolg gekrönt.<br />
Er war im Gefängnis, und diejenigen, die er zum Herrn geführt hatte, wandten sich von ihm<br />
ab. Das Haus Gottes war zu einem großen Haus gewor<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m sich echte und unechte<br />
Bekenner aufhielten. War das ein Beweis für erfolgreiche Arbeit? Oberflächlich betrachtet<br />
nicht.<br />
Wir sehen nicht primär nach <strong>de</strong>n Ergebnissen. Wir wollen das festhalten, was <strong>de</strong>r Herr uns<br />
gegeben hat und die Predigt nicht aufgeben. Die Ergebnisse sehen wir nicht auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>,<br />
son<strong>de</strong>rn im Himmel. Da sehen wir, dass je<strong>de</strong>s Werk Gottes erfolgreich war. Hier auf <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong> kann es sogar sein, dass wir Trübsal lei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
Es ist augenscheinlich, dass wir dazu ebenfalls Kraft nötig haben. Diese Kraft steht<br />
uns tatsächlich zur Verfügung. Wir lei<strong>de</strong>n Trübsal mit <strong>de</strong>m Evangelium (o<strong>de</strong>r für das<br />
Evangelium). Wir tun es „nach <strong>de</strong>r Kraft Gottes“.<br />
„Der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, son<strong>de</strong>rn<br />
nach seinem eigenen Vorsatz und <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten<br />
gegeben . . . ist“ (Vers 9).<br />
Ein Einschub<br />
Bevor Paulus in Vers 12 weiter über das Thema Scham und Trübsal spricht, gibt er in <strong>de</strong>n<br />
Versen 9–11 einen knappen Überblick über herrliche Tatsachen, die mit diesem Evangelium<br />
in Verbindung stehen. Man hat fast <strong>de</strong>n Eindruck, dass er Timotheus daran erinnern will,<br />
dass äußere Trübsal nur eine mögliche Begleiterscheinung dieses Evangeliums ist. Für <strong>de</strong>n<br />
Christen selbst eröffnet sich im Evangelium eine gewaltige Fülle an inneren Schönheiten<br />
und Segnungen, die Paulus hier nur mit knappen Worten an<strong>de</strong>utet.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 26
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Wenn wir einen Beweis für die Kraft Gottes suchen, dann fin<strong>de</strong>n wir ihn im Evangelium.<br />
Nirgends wird die Kraft Gottes so <strong>de</strong>utlich sichtbar wie hier. Das Evangelium ist „Gottes<br />
Kraft zum Heil je<strong>de</strong>m Glauben<strong>de</strong>n“ (Röm 1,16).<br />
Es ist Gott, <strong>de</strong>r uns sowohl berufen als auch errettet hat. Bei<strong>de</strong>s fin<strong>de</strong>n wir im Evangelium<br />
offenbart und vorgestellt. Das große Thema <strong>de</strong>s Evangeliums ist ja gera<strong>de</strong> das Heil (die<br />
Errettung) Gottes. Gott ist ein Heiland-Gott, <strong>de</strong>r alle retten will. Damit beginnt Paulus hier.<br />
Er zieht dann einen Bogen, <strong>de</strong>r über die Ewigkeit vor <strong>de</strong>r Zeit („vor ewigen Zeiten“) in die<br />
Gegenwart („jetzt aber offenbart wor<strong>de</strong>n ist“) hinein reicht und schließlich sogar in die<br />
Zukunft geht („an jenem Tag“ in Vers 12).<br />
Errettet und berufen<br />
Gott hat uns erstens errettet und zweitens berufen. Errettung und Berufung sind zwei<br />
Segnungen, die wir wohl unterschei<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>s nicht voneinan<strong>de</strong>r trennen können.<br />
• Errettung ist mehr als die Vergebung <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>n – so groß und gewaltig das an<br />
sich schon ist. Als das Volk Israel unter <strong>de</strong>m Blut <strong>de</strong>s Passahlamms stand, waren<br />
sie von <strong>de</strong>m Gericht befreit, das die Ägypter traf. Damit waren sie allerdings noch<br />
nicht aus <strong>de</strong>m Machtbereich <strong>de</strong>s Pharaos gerettet. Das war erst <strong>de</strong>r Fall, als sie am<br />
an<strong>de</strong>ren Ufer <strong>de</strong>s Roten Meeres stan<strong>de</strong>n und das Lied <strong>de</strong>r Erlösung anstimmten. Die<br />
Befreiung von Strafe und Gericht ist eine Seite <strong>de</strong>s Evangeliums. Die Rettung aus<br />
<strong>de</strong>m Machtbereich Satans und die Befreiung von <strong>de</strong>m Zwang, sündigen zu müssen, ist<br />
eine an<strong>de</strong>re Seite. Bei<strong>de</strong>s besitzen wir durch das Werk <strong>de</strong>s Herrn Jesus am Kreuz. Das<br />
macht <strong>de</strong>r Römerbrief in seinem lehrmäßigen Teil (Kapitel 1–8) sehr klar.<br />
Wenn von Errettung die Re<strong>de</strong> ist, wird uns häufig gezeigt, wovon wir errettet sind und<br />
woher wir kamen. Wir sind gerettet aus <strong>de</strong>r Gewalt <strong>de</strong>r Finsternis (Kol 1,13). Wir wer<strong>de</strong>n<br />
gerettet von <strong>de</strong>m kommen<strong>de</strong>n Zorn (1. Thes 1,10). Wir sind gerettet aus <strong>de</strong>r Hand unserer<br />
Fein<strong>de</strong> (Lk 1,74). Wir sind gerettet von <strong>de</strong>m bösen und verkehrten Geschlecht (Apg 2,40).<br />
Diesen Blick zurück tun wir mit großer Dankbarkeit, weil wir wissen, in welch einer Gefahr<br />
wir alle stan<strong>de</strong>n.<br />
• Gott hat uns nicht nur gerettet. Er hat uns ebenfalls berufen – und zwar mit heiligem<br />
Ruf. Lässt uns die Errettung eher nach hinten sehen, so richtet sich <strong>de</strong>r Blick im<br />
Gedanken an unsere Berufung eher nach vorn. Wenn von Berufung die Re<strong>de</strong> ist, wird<br />
uns an manchen Stellen gezeigt, wozu wir berufen sind. Wir sind berufen zu seinem<br />
wun<strong>de</strong>rbaren Licht (1. Pet 2,9). Wir sind berufen, Segen zu erben (1. Pet 3,9). Wir<br />
sind zur Freiheit berufen (Gal 5,3). Wir sind zur Herrlichkeit berufen (1. Pet 5,10;<br />
2. Thes 2,14). Wir sind zum ewigen Leben berufen (1. Tim 6,12). Wenn es um das<br />
Ausmaß unserer Berufung geht, dann lernen wir in Epheser 1, dass wir zur Kindschaft<br />
und zur Sohnschaft berufen sind. Das alles ist dazu angetan, <strong>de</strong>n Diener Gottes in<br />
schwerer Zeit zu ermuntern. Es gibt in<strong>de</strong>ssen ebenfalls eine Berufung für diese Zeit.<br />
In Apostelgeschichte 13,2 lesen wir ausdrücklich, dass Barnabas und Paulus von <strong>de</strong>m<br />
Heiligen Geist zu einem beson<strong>de</strong>ren Werk berufen waren. Es ist durchaus möglich,<br />
dass Paulus diesen Gedanken vor Augen hat und die Berufung mit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>ngabe <strong>de</strong>s<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 27
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Timotheus und <strong>de</strong>m Zeugnis unseres Herrn verbin<strong>de</strong>t, wovon er vorher gesprochen<br />
hat.<br />
Dabei wird noch etwas <strong>de</strong>utlich: Paulus erinnert daran, dass wir mit (o<strong>de</strong>r zu) heiligem Ruf<br />
berufen wor<strong>de</strong>n sind. Der Ursprung unserer Berufung ist himmlisch (Heb 3,1). Das Ziel <strong>de</strong>r<br />
Berufung Gottes ist „nach oben“ (Phil 3,14). Der Charakter – und das steht hier vor uns –<br />
ist „heilig“ (vgl. 1. Pet 1,15; 1. Thes 4,7). Wir sind zur Heiligkeit berufen. Heilig be<strong>de</strong>utet<br />
nicht nur, dass wir von <strong>de</strong>r Welt getrennt sind, son<strong>de</strong>rn es be<strong>de</strong>utet, dass Gott uns für sich<br />
haben will. Gott hat von Anfang an Licht und Finsternis geschie<strong>de</strong>n (1. Mo 1,3). Daran wird<br />
Timotheus hier erinnert, weil sich viele seiner Zeitgenossen dieser heiligen Berufung nicht<br />
würdig erwiesen.<br />
Nicht aus Werken<br />
Errettung und Berufung sind nicht aus uns. Wir konnten und können dazu nichts beitragen.<br />
Der Römer-, Galater- und Epheserbrief machen das ganz <strong>de</strong>utlich (vgl. z. B. Röm 3,20;<br />
Gal 2,16; Eph 2,9). Errettung und Berufung sind niemals die Belohnung für eigenes Tun. Sie<br />
haben ihre Quelle ganz allein in Gott. Der ungläubige Mensch kann gar kein gutes Werk<br />
tun. Seine Werke sind tote Werke. Gott kann sie nicht anerkennen.<br />
Dennoch hat Gott in seiner Gna<strong>de</strong> gehan<strong>de</strong>lt. Paulus zeigt nun die Absicht Gottes, das Motiv<br />
Gottes und <strong>de</strong>n Weg Gottes, <strong>de</strong>n Er gegangen ist.<br />
1. Die Absicht Gottes: Wir sind errettet und berufen nach seinem eigenen Vorsatz,<br />
d. h. sein Han<strong>de</strong>ln wur<strong>de</strong> bestimmt von <strong>de</strong>m Plan, <strong>de</strong>n Er in <strong>de</strong>r Ewigkeit vor <strong>de</strong>r<br />
Zeit gefasst hat. Es war <strong>de</strong>r ewige Plan (Vorsatz, Absicht) Gottes, es so zu machen.<br />
Längst vor <strong>de</strong>m Sün<strong>de</strong>nfall hatte Gott es in seinem Herzen, Menschen zu sich zu<br />
bringen. In Bezug auf sein irdisches Volk Israel hatte Gott einen zeitlichen Ratschluss<br />
gefasst. In Bezug auf sein himmlisches Volk lesen wir von einem ewigen Ratschluss<br />
(Eph 3,10.11). Der Vorsatz selbst geht weiter als Errettung und Berufung. Wir wer<strong>de</strong>n –<br />
<strong>de</strong>m Bild seines Sohnes gleichförmig – als Kin<strong>de</strong>r und Söhne Gottes im Vaterhaus<br />
sein (Röm 8,29). Um diesen Ratschluss Wirklichkeit wer<strong>de</strong>n zu lassen, musste Gott<br />
uns erretten und berufen. Der Ausdruck „nach seinem eigenen Vorsatz“ zeigt die<br />
Souveränität Gottes. Niemand konnte Ihn daran hin<strong>de</strong>rn, diesen Ratschluss zu fassen<br />
und ihn dann auszuführen.<br />
2. Das Motiv Gottes: Er hat in Gna<strong>de</strong> mit uns gehan<strong>de</strong>lt. In uns gab es nichts, was Gott<br />
hätte veranlassen können, uns zu retten und zu berufen. Es waren seine Gna<strong>de</strong> und<br />
seine Barmherzigkeit – Ausfluss seiner Liebe. Diese Gna<strong>de</strong> ist uns in Christus Jesus<br />
vor ewigen Zeiten gegeben. Das will sagen, in <strong>de</strong>m ewigen Ratschluss Gottes war diese<br />
Gna<strong>de</strong> bereits in <strong>de</strong>r Ewigkeit vor <strong>de</strong>r Zeit vorhan<strong>de</strong>n. Tatsächlich offenbart wur<strong>de</strong><br />
sie in <strong>de</strong>r Zeit in <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Herrn Jesus. In Ihm ist die Gna<strong>de</strong> Gottes erschienen.<br />
Wir sehen hier, dass Gna<strong>de</strong> viel weiter geht, als nur eine Antwort auf das Problem <strong>de</strong>r<br />
Sün<strong>de</strong> zu geben. Schon vor <strong>de</strong>m Sün<strong>de</strong>nfall gab es Gna<strong>de</strong> – sie war nötig, wenn <strong>de</strong>r<br />
Ratschluss Gottes erfüllt wer<strong>de</strong>n sollte.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 28
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
3. Der Weg Gottes: Es gibt nur einen Weg zum Heil. Dieser Weg ist <strong>de</strong>r Herr Jesus. Das<br />
Heil ist uns „in (o<strong>de</strong>r durch) Christus Jesus“ gegeben. Bereits in <strong>de</strong>r Ewigkeit vor <strong>de</strong>r<br />
Zeit stand fest, dass die Gna<strong>de</strong> uns nur auf diesem Weg erreichen konnte. Dazu war<br />
es nötig, dass Er Mensch wur<strong>de</strong> und das Werk am Kreuz vollbrachte. Deshalb ist Er<br />
auch das Lamm Gottes, das zuvor erkannt ist vor Grundlegung <strong>de</strong>r Welt (1. Pet 1,20),<br />
aber offenbar gewor<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zeiten. Das führt dann direkt zu Vers 10.<br />
„ . . . jetzt aber offenbart wor<strong>de</strong>n ist durch die Erscheinung unseres Heilan<strong>de</strong>s Jesus<br />
Christus, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht<br />
gebracht hat durch das Evangelium“ (Vers 10).<br />
Die Erscheinung unseres Heilan<strong>de</strong>s Jesus Christus und ihre Folgen<br />
„Erscheinung“ nimmt immer Bezug auf etwas, das erkennbar wird, sei es eine Sache o<strong>de</strong>r<br />
eine Person. In Verbindung mit <strong>de</strong>m Herrn Jesus geht es darum, dass Er sichtbar „offenbar“<br />
wird. Mit Ausnahme unserer Stelle nimmt „Erscheinung“ an allen an<strong>de</strong>ren Stellen im Neuen<br />
Testament Bezug auf seine Erscheinung in Macht und Herrlichkeit vor <strong>de</strong>r Aufrichtung <strong>de</strong>s<br />
tausendjährigen Frie<strong>de</strong>nsreiches (1. Tim 6,14; 2. Tim 4,1; 2. Tim 4,8; Tit 2,13; 2. Thes 2,8).<br />
Nur hier ist es an<strong>de</strong>rs. Paulus erinnert daran, dass die Gna<strong>de</strong> Gottes in Christus erschienen<br />
ist. In Ihm ist die Gna<strong>de</strong> Gottes erschienen, „heilbringend für alle Menschen“ (Tit 2,11).<br />
„Jetzt aber. . . “ meint in <strong>de</strong>r Haushaltung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die ihren Anfang nahm, als <strong>de</strong>r Herr<br />
Jesus als Heiland auf dieser Er<strong>de</strong> sichtbar für alle Menschen erschien. Er tritt hier in seinem<br />
Charakter als <strong>de</strong>r „Heiland Jesus Christus“ vor uns. Heiland be<strong>de</strong>utet Retter. Jesus ist <strong>de</strong>r<br />
Name seiner Menschheit. „Du sollst seinen Namen Jesus nennen“ (Mt 1,21). Als Christus ist<br />
Er nach vollbrachtem Werk jetzt zur Rechten Gottes hoch erhoben und Gott hat Ihn zum<br />
„Herrn und zum Christus gemacht“ (Apg 2,36).<br />
Tod und Verwesung sind Folgen <strong>de</strong>s Sün<strong>de</strong>nfalls. Sie sind <strong>de</strong>r Beweis, dass die Sün<strong>de</strong> zu<br />
allen Menschen durchgedrungen ist. Gott hatte das Gericht angekündigt, bevor <strong>de</strong>r Mensch<br />
in Sün<strong>de</strong> fiel. Seit <strong>de</strong>m Sün<strong>de</strong>nfall gibt es auf dieser Er<strong>de</strong> Tod und Verwesung. Das Gesetz<br />
konnte daran nichts än<strong>de</strong>rn, allerdings ließ es die Sün<strong>de</strong> umso <strong>de</strong>utlicher hervortreten. Doch<br />
dann kam <strong>de</strong>r Heiland Jesus Christus auf diese Er<strong>de</strong>. In Ihm war Leben. Er ging freiwillig<br />
in <strong>de</strong>n Tod. Die Tatsache, dass <strong>de</strong>r Tod <strong>de</strong>r Lohn <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> ist, galt nicht für Ihn. Er starb<br />
nicht als Folge eigener Sün<strong>de</strong>. Er tat es für uns. Dadurch hat Er <strong>de</strong>n Tod besiegt. Der Tod<br />
herrscht nicht mehr über uns. Er ist unser „Diener“, nicht mehr unser „Herr“. Der Herr<br />
Jesus hat durch <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>n zunichte gemacht, <strong>de</strong>r die Macht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s hat, das ist <strong>de</strong>n<br />
Teufel (Heb 2,14).<br />
„Zunichte machen“ be<strong>de</strong>utet so viel wie außer Kraft und Wirksamkeit setzen. Der Tod ist<br />
noch nicht abgeschafft. Es gibt ihn immer noch. Für uns ist er jedoch wirkungslos gemacht.<br />
Der Tod wird <strong>de</strong>r „König <strong>de</strong>r Schrecken“ genannt (Hiob 18,14). Für Gotteskin<strong>de</strong>r hat er<br />
seinen Schrecken (seinen Stachel) verloren. Erst im ewigen Zustand wird es <strong>de</strong>n Tod gar<br />
nicht mehr geben (Off 21,4). Gleiches gilt für die Verweslichkeit. Triumphierend schreibt<br />
Paulus an die Korinther: „Wenn aber dieses Verwesliche Unverweslichkeit anziehen und<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 29
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen wird, dann wird das Wort erfüllt wer<strong>de</strong>n, das<br />
geschrieben steht: „Verschlungen ist <strong>de</strong>r Tod in Sieg“ (1. Kor 15,54).<br />
Ans Licht gebracht durch das Evangelium<br />
Von alle<strong>de</strong>m hätten wir nichts gewusst, wenn das Evangelium nicht zu uns gekommen wäre.<br />
Evangelium be<strong>de</strong>utet „gute Botschaft“. Es ist die gute Botschaft Gottes an uns Menschen.<br />
„Ans Licht gebracht“ geht weiter, als nur einfach etwas zu sehen o<strong>de</strong>r zu zeigen. Es meint,<br />
dass durch das Evangelium diese Dinge in ihrem wahren Charakter dargestellt und offenbart<br />
wor<strong>de</strong>n sind. Diese „gute Botschaft“ umfasst viel mehr als „nur“ Vergebung von Sün<strong>de</strong>n –<br />
so unendlich groß und gewaltig das in sich bereits ist. Im Alten Testament war das in dieser<br />
Form nicht bekannt. Israel wusste etwas von einem Erlöser. Die gläubigen Ju<strong>de</strong>n warteten<br />
darauf, dass Er kommen und sie von ihren Fein<strong>de</strong>n retten wür<strong>de</strong>. Das allerdings, was jetzt<br />
im Evangelium offenbar gemacht ist, war ihnen völlig unbekannt.<br />
„Zu <strong>de</strong>m ich bestellt wor<strong>de</strong>n bin als Herold und Apostel und Lehrer <strong>de</strong>r Nationen“<br />
(Vers 11).<br />
Ein beson<strong>de</strong>rer Auftrag<br />
Paulus spricht jetzt von seinem beson<strong>de</strong>ren Auftrag. Ihm war das Evangelium <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit <strong>de</strong>s seligen Gottes anvertraut (1. Tim 1,11). Hier spricht er davon, dass er<br />
dazu bestellt, d. h. bestimmt o<strong>de</strong>r gesetzt wor<strong>de</strong>n war. Paulus hatte sich nicht selbst dazu<br />
gemacht. Er war nicht von an<strong>de</strong>ren dazu „ordiniert“ wor<strong>de</strong>n. Der Gedanke einer Ordination<br />
durch Menschen liegt <strong>de</strong>m Wort Gottes völlig fern. Nein, Paulus war von Gott dazu bestimmt<br />
wor<strong>de</strong>n. Er sollte dieses Evangelium verkün<strong>de</strong>n und verbreiten – und er hat es getan. Er tat<br />
es als Herold, als Apostel und als Lehrer <strong>de</strong>r Nationen.<br />
• Ein Herold ist ein Prediger o<strong>de</strong>r Verkündiger einer Botschaft (vgl. 1. Tim 2,7; 2. Pet 2,5).<br />
Ein kaiserlicher Herold im Römischen Reich war ein Ausrufer öffentlicher Botschaften.<br />
Die Vollmacht <strong>de</strong>s Herolds liegt nicht so sehr in seiner Person, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Botschaft,<br />
die er bringt. Ein guter Herold wür<strong>de</strong> die Botschaft seines Herrn nie verän<strong>de</strong>rt haben.<br />
So verkündigte Paulus die Botschaft genau so, wie sie ihm von seinem Auftraggeber<br />
gegeben wor<strong>de</strong>n war. Er tat nichts hinzu. Er nahm nichts weg. Er verän<strong>de</strong>rte nichts.<br />
• Als Apostel (Gesandter) Christi Jesu durch Gottes Willen brachte er die Botschaft mit<br />
göttlicher Autorität. Sie war ihm offenbart wor<strong>de</strong>n, und er gab sie mit allem Nachdruck<br />
weiter.<br />
• Als Lehrer <strong>de</strong>r Nationen verkündigte Paulus das Evangelium nicht nur mit Autorität,<br />
son<strong>de</strong>rn er erklärte es. Seine Botschaft galt nicht nur <strong>de</strong>n Menschen aus <strong>de</strong>m Volk<br />
Israel, son<strong>de</strong>rn sie richtete sich an alle Menschen. Paulus war <strong>de</strong>r Apostel und Lehrer<br />
<strong>de</strong>r Nationen (vgl. Röm 11,13; Gal 2,7). Bei seiner Berufung war ihm das klar gesagt<br />
wor<strong>de</strong>n (vgl. Apg 9,15). Diesen Auftrag hat er bis zum En<strong>de</strong> seines Lebens nicht<br />
vergessen.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 30
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
„Aus diesem Grund lei<strong>de</strong> ich dies auch; aber ich schäme mich nicht, <strong>de</strong>nn ich weiß, wem<br />
ich geglaubt habe, und bin überzeugt, dass er mächtig ist, das ihm von mir anvertraute<br />
Gut auf jenen Tag zu bewahren“ (Vers 12).<br />
Die Glaubenszuversicht <strong>de</strong>s Paulus<br />
Paulus nimmt an dieser Stelle <strong>de</strong>n Fa<strong>de</strong>n wie<strong>de</strong>r auf, <strong>de</strong>n er in <strong>de</strong>n Versen 9–11 kurz<br />
verlassen hatte. Er stellt sich jetzt selbst als Beispiel vor seinen jüngeren Freund und Bru<strong>de</strong>r.<br />
Paulus war ein Gefangener in Rom. Dennoch litt er nicht als ein Krimineller. Er litt nicht<br />
wegen eigenen Fehlverhaltens. Er litt vielmehr wegen <strong>de</strong>r Verkündigung <strong>de</strong>s Evangeliums,<br />
wie es schon bei seiner ersten Haft in Rom gewesen war. Davon schreibt er mehrfach. In<br />
Epheser 3,1 bringt er seine Haft in Verbindung mit <strong>de</strong>r Verkündigung <strong>de</strong>s Geheimnisses<br />
von Christus und seiner Versammlung. In Epheser 6,19.20 schreibt er, dass er wegen <strong>de</strong>s<br />
Geheimnisses <strong>de</strong>s Evangeliums ein Gesandter in Fesseln war. Von Anfang an war ihm klar<br />
gesagt wor<strong>de</strong>n, dass er für <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn lei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> (Apg 9,16). Diese Lei<strong>de</strong>n<br />
waren schon während seines Lebens sein Teil, aber jetzt war er im Gefängnis und hatte<br />
<strong>de</strong>n Tod vor Augen. Hinzu kam, dass ihn alle in Asien verlassen hatten. Darunter litt<br />
Paulus ebenfalls sehr. Es gab zu<strong>de</strong>m Wi<strong>de</strong>rstand gegen die Wahrheit (Kapitel 2,25) und<br />
Verfolgung durch böse Menschen (Kapitel 3,11–13; 4,14). Dennoch wur<strong>de</strong> Paulus nicht<br />
mutlos. Er schämte sich nicht. Er verfiel nicht in zweifeln<strong>de</strong> Überlegungen und stumpfes<br />
Grübeln. An<strong>de</strong>rerseits lehnte er sich nicht gegen sein Schicksal auf. Wir fin<strong>de</strong>n bei ihm<br />
we<strong>de</strong>r Resignation noch Depression o<strong>de</strong>r gar Opposition.<br />
Wir fragen uns: Wie kann es sein, dass Paulus, obwohl er so unendlich litt, <strong>de</strong>nnoch voll<br />
Zuversicht war? Die Antwort gibt er selbst: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Es geht an<br />
dieser Stelle nicht so sehr darum, was Paulus glaubte, son<strong>de</strong>rn wem er glaubte. Bei<strong>de</strong>s ist<br />
natürlich wichtig. In Kapitel 3,14 wird Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt: „Du aber bleibe in <strong>de</strong>m, was<br />
du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist.“ Hier hingegen geht es nicht zuerst<br />
um die Lehre und die Glaubenswahrheit, son<strong>de</strong>rn um die Person, die das Zentrum dieser<br />
Wahrheit ist. Es geht um <strong>de</strong>n Herrn Jesus selbst. Was Paulus hier ausdrückt, ist tiefes<br />
Vertrauen. Sein Herr hatte ihn nie verlassen, und Er wür<strong>de</strong> es ganz sicher in <strong>de</strong>r Zukunft<br />
nicht tun. Paulus stützte sich nicht auf seinen Auftrag und auf seinen Dienst. Sonst hätte<br />
er vielleicht doch einen Grund gefun<strong>de</strong>n, mutlos zu wer<strong>de</strong>n und sich zu schämen. Nein,<br />
Paulus setzte sein ganzes Vertrauen allein auf <strong>de</strong>n Herrn.<br />
Paulus „wusste“, wem er geglaubt hatte. „Wissen“ und „Kennen“ sind nahe beieinan<strong>de</strong>r,<br />
aber doch nicht i<strong>de</strong>ntisch. „Kennen“ be<strong>de</strong>utet, dass man etwas durch Erfahrung gelernt hat.<br />
„Wissen“ hingegen drückt mehr eine innere Überzeugung aus. Natürlich war Paulus bei<br />
seiner Bekehrung vor Damaskus zum Glauben gekommen. Hier jedoch steht „glauben“ in<br />
einer Zeitform, die auf einen in <strong>de</strong>r Vergangenheit zustan<strong>de</strong> gekommenen Glauben hinweist,<br />
<strong>de</strong>r immer noch andauerte. Paulus sagt mit an<strong>de</strong>ren Worten: Ich habe geglaubt, mit <strong>de</strong>m<br />
Ergebnis, dass mein Glaube bis heute ganz fest ist.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 31
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Die Glaubensüberzeugung <strong>de</strong>s Paulus<br />
Paulus hatte nicht nur ein festes Glaubensvertrauen, son<strong>de</strong>rn er drückt gleichzeitig seine<br />
Glaubensüberzeugung aus. Er war überzeugt, dass sein Herr mächtig war, das Ihm von<br />
Paulus anvertraute Gut zu bewahren. Paulus konnte sich darauf ganz fest verlassen. Der<br />
Herr ist mächtig, d. h. Er ist stark und fähig, das zu bewahren, was Paulus Ihm anvertraut<br />
hatte. In Vers 7 war von <strong>de</strong>r Kraft die Re<strong>de</strong>, die <strong>de</strong>r Geist Gottes vermittelt. In Vers 8<br />
hatte Paulus von <strong>de</strong>r Kraft Gottes selbst gesprochen. Hier nun verweist er auf die Macht<br />
(o<strong>de</strong>r Kraft) <strong>de</strong>s Herrn Jesus, <strong>de</strong>r fähig sein wür<strong>de</strong>, das Ihm anvertraute Gut zu bewahren.<br />
Bewahren be<strong>de</strong>utet so viel wie vor Raub o<strong>de</strong>r vor Verlust schützen. Paulus vertraute <strong>de</strong>r<br />
göttlichen Macht, dass nichts verloren gehen wür<strong>de</strong>.<br />
Was meint Paulus konkret mit diesem anvertrauten Gut? Die Formulierung kommt<br />
in unserem Abschnitt zweimal vor (Vers 12, Vers 14), und dann noch einmal in<br />
1. Timotheus 6,20. Zweimal wird von einem Gut gesprochen, das <strong>de</strong>r Herr uns anvertraut<br />
hat. Einmal – nämlich in unserem Vers – ist es ein Gut, das Paulus <strong>de</strong>m Herrn anvertraut<br />
hatte. Wörtlich übersetzt be<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>r Ausdruck „Nie<strong>de</strong>rgelegtes“. Es ist etwas, das man<br />
einem an<strong>de</strong>ren zur treuen Verwahrung bzw. Verwaltung übergeben hat.<br />
Es ist möglich, dass Paulus an die Errettung <strong>de</strong>nkt, von <strong>de</strong>r er vorher gesprochen hat. Die<br />
vollständige Errettung, die <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s Gläubigen einschließt, liegt noch vor uns, so<br />
dass Paulus die Überzeugung ausdrückt, diese Errettung am En<strong>de</strong> tatsächlich zu erreichen.<br />
Wahrscheinlicher ist, dass wir diesen Ausdruck allgemein auffassen müssen, d. h. Paulus<br />
bringt die Überzeugung zum Ausdruck, dass alles, was ihn betrifft, in <strong>de</strong>r Hand seines<br />
Herrn gut aufgehoben ist und nicht verloren gehen wird. Paulus folgte <strong>de</strong>n Spuren seines<br />
Herrn, <strong>de</strong>r sich in allem <strong>de</strong>m übergab, <strong>de</strong>r gerecht richtet (1. Pet 2,23). Was immer mit<br />
Paulus geschehen wür<strong>de</strong>, wie immer die Umstän<strong>de</strong> sich entwickeln wür<strong>de</strong>n, wenn auch<br />
seine Glaubensgeschwister ihn verlassen mochten – Paulus übergab alles in die Hand seines<br />
Herrn. Selbst wenn es <strong>de</strong>n Anschein hatte, als ob die Ergebnisse seines Dienstes ihm am<br />
En<strong>de</strong> seines Lebens wie Sand durch die Finger zerronnen – er wusste, dass nichts von <strong>de</strong>m,<br />
was er für seinen Herrn getan hatte, verloren sein wür<strong>de</strong>. Am Richterstuhl <strong>de</strong>s Christus<br />
wür<strong>de</strong> es zur Ehre <strong>de</strong>s Herrn wie<strong>de</strong>rgefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Der Herr wür<strong>de</strong> es bewahren. Das<br />
gab Paulus Mut, und das sollte jetzt Timotheus motivieren.<br />
An jenem Tag<br />
„Jener Tag“ ist ohne Zweifel ein Hinweis auf die Erscheinung <strong>de</strong>s Herrn Jesus in Macht und<br />
Herrlichkeit und <strong>de</strong>n damit verbun<strong>de</strong>nen Richterstuhl <strong>de</strong>s Christus. Paulus richtete <strong>de</strong>n Blick<br />
nach vorn. Er spricht hier nicht von <strong>de</strong>m Kommen <strong>de</strong>s Herrn für uns – so sehr Paulus darauf<br />
gewartet haben wird –, son<strong>de</strong>rn von seinem Erscheinen zur Aufrichtung <strong>de</strong>s Reiches Gottes<br />
auf dieser Er<strong>de</strong>. Es ist <strong>de</strong>r Tag, wo das Werk eines je<strong>de</strong>n offenbar wer<strong>de</strong>n wird (1. Kor 3,13).<br />
Es ist <strong>de</strong>r Tag, wo Er verherrlicht wer<strong>de</strong>n wird „in seinen Heiligen und bewun<strong>de</strong>rt in all<br />
<strong>de</strong>nen, die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10). An diesem Tag wird alles in das richtige, nämlich<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 32
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
göttliche Licht gestellt wer<strong>de</strong>n. Dann wird alles zur Ehre und Verherrlichung <strong>de</strong>s Herrn<br />
Jesus sein.<br />
„Halte fest das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte, die du von mir gehört hast, in Glauben und Liebe,<br />
die in Christus Jesus sind“ (Vers 13).<br />
Das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte<br />
Es folgt eine weitere Auffor<strong>de</strong>rung an Timotheus. Er sollte das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte<br />
festhalten. Alternativ kann man übersetzen: „Habe eine Form (ein Muster) gesun<strong>de</strong>r Worte“.<br />
Gesun<strong>de</strong> Worte können wir in Verbindung bringen mit <strong>de</strong>m „Zeugnis unseres Herrn“,<br />
von <strong>de</strong>m Paulus in Vers 8 gesprochen hatte. Dieses Zeugnis ist in sich gesund, und es<br />
führt zu einem gesun<strong>de</strong>n geistlichen Zustand. Timotheus hatte während <strong>de</strong>r gemeinsamen<br />
Reisen viel von Paulus gehört und gelernt. Daran sollte er unbedingt festhalten und es<br />
nicht aufgeben. In Kapitel 3,14 wird Timotheus noch einmal aufgefor<strong>de</strong>rt, in <strong>de</strong>m zu<br />
bleiben, was er gelernt hatte und wovon er völlig überzeugt war. Für uns heute gilt die<br />
Auffor<strong>de</strong>rung, an <strong>de</strong>m ganzen überlieferten Wort Gottes festzuhalten. Wir sollen nichts<br />
davon aufgeben – we<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Lehre noch in <strong>de</strong>r Praxis. In Kolosser 1,25 schreibt Paulus,<br />
dass er – was <strong>de</strong>n Umfang und Inhalt betrifft – das Wort Gottes vollen<strong>de</strong>t hat. Es ist<br />
unsere Verantwortung, dieses vollen<strong>de</strong>te Wort Gottes zu bewahren, d. h. seine Autorität<br />
und Unfehlbarkeit anzuerkennen und im Leben umzusetzen.<br />
Es geht um das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte. Der Ausdruck „Bild“ be<strong>de</strong>utet hier so viel wie<br />
„Skizze“, „Vorbild“ o<strong>de</strong>r „zusammengefasste Darstellung“. J. N. Darby schreibt, dass es<br />
eine Zusammenfassung o<strong>de</strong>r Glie<strong>de</strong>rung ist, um klar und <strong>de</strong>finitiv sagen zu können, was<br />
Timotheus glaubte. Von Menschen aufgestellte Glaubensbekenntnisse mögen an ihrem<br />
Platz durchaus gut und nützlich sein. Doch darum geht es Paulus nicht. Was zählt, ist die<br />
Gesamtheit <strong>de</strong>r göttlich inspirierten Wahrheit. Darauf kommt Paulus im Verlauf seines<br />
Briefes erneut zu sprechen.<br />
Es ist bis heute unbedingt erfor<strong>de</strong>rlich, die göttliche Lehre in <strong>de</strong>r Form zu bewahren, in<br />
<strong>de</strong>r sie uns gegeben wor<strong>de</strong>n ist. Das betrifft nicht nur die göttliche Wahrheit an sich,<br />
son<strong>de</strong>rn ebenso die Form und die Worte, in <strong>de</strong>r sie uns in <strong>de</strong>r Bibel übermittelt wor<strong>de</strong>n<br />
ist. Daraus wird <strong>de</strong>utlich, wie wichtig es ist, eine gute Bibelübersetzung zu benutzen. Freie<br />
Bibelübersetzungen könnten dieses „Bild gesun<strong>de</strong>r Worte“ niemals vermitteln. Sie zeigen<br />
im Gegenteil ein verzerrtes Bild <strong>de</strong>r Wahrheit und führen so leicht in die Irre.<br />
Wir wer<strong>de</strong>n nur dann ein Bild gesun<strong>de</strong>r Worte haben und bewahren, wenn wir <strong>de</strong>n Text<br />
eines Bibelabschnitts in seiner Beziehung zu an<strong>de</strong>ren Texten interpretieren. Wir müssen<br />
erkennen, was Gott uns an einer bestimmten Stelle sagen möchte und was nicht. Nur so<br />
erkennen wir die Zusammenhänge und großen Linien <strong>de</strong>s Wortes Gottes in <strong>de</strong>r richtigen<br />
Art und Weise. Kein Teil <strong>de</strong>r Bibel wi<strong>de</strong>rspricht <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren. Alles ist in einer wun<strong>de</strong>rbaren<br />
Harmonie zueinan<strong>de</strong>r. Beim Studium <strong>de</strong>r Bibel ist es <strong>de</strong>shalb wichtig, das Ganze im Auge<br />
zu behalten. An<strong>de</strong>rnfalls besteht die große Gefahr, dass wir uns ein eigenes „Bild“ machen<br />
und das „Bild gesun<strong>de</strong>r Worte“ dabei verlieren. So ist es zum Beispiel fatal, wenn wir die<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 33
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Unterschie<strong>de</strong> zwischen <strong>de</strong>m Volk Gottes im Alten Testament (Israel) und <strong>de</strong>m Volk Gottes<br />
im Neuen Testament (Versammlung) nicht erkennen, o<strong>de</strong>r wenn wir das Zeitalter <strong>de</strong>s<br />
Gesetzes mit <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> verwechseln o<strong>de</strong>r die Seite <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes nicht von <strong>de</strong>r<br />
Seite unserer persönlichen Verantwortung unterschei<strong>de</strong>n.<br />
Natürlich hat zum Beispiel das Studium <strong>de</strong>r Details seinen Platz. Dennoch müssen wir dabei<br />
aufpassen, die großen Linien nicht zu verlieren. Jemand hat das „Bild gesun<strong>de</strong>r Worte“<br />
einmal mit einem großen Baum verglichen. Der Baum hat einen dicken Stamm, größere<br />
und kleinere Äste und Zweige und schließlich die Blätter. Wenn wir einen solchen Baum<br />
kennenlernen wollen, beschäftigen wir uns zuerst mit <strong>de</strong>m Stamm und <strong>de</strong>n dickeren Ästen.<br />
Dann kommen wir zu <strong>de</strong>n Zweigen und schließlich zu <strong>de</strong>n Blättern. Auf diese Weise<br />
erkennen wir die Wahrheit Gottes. Wir beginnen mit <strong>de</strong>n großen Linien und Strukturen<br />
<strong>de</strong>r Schrift und kommen dann zu <strong>de</strong>n Einzelheiten. Es umgekehrt zu machen und bei <strong>de</strong>n<br />
„Zweigen und Blättern“ zu beginnen, birgt das Risiko, das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte zu verlieren.<br />
In Glauben und Liebe<br />
Nicht ohne Grund fügt Paulus hinzu: „ . . . in Glauben und Liebe, die in Christus Jesus<br />
sind.“ Die Gefahr besteht, dass wir das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte nur in unserem Kopf haben.<br />
Verstand und Gedächtnis sind ohne Frage Gaben Gottes, sie sind jedoch nicht alles. Wir<br />
können das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte nicht nur intellektuell festhalten. Tun wir das, besteht die<br />
Gefahr, in eine tote Orthodoxie zu verfallen. Das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte müssen wir zuerst<br />
mit <strong>de</strong>m Herzen festhalten. Deshalb sind Glauben und Liebe, die in Christus Jesus sind,<br />
dazu unerlässlich. Christus ist nicht nur <strong>de</strong>r Gegenstand von Glauben und Liebe, son<strong>de</strong>rn<br />
Er ist ihre Quelle und ihr Ursprung.<br />
„Bewahre das schöne anvertraute Gut durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist, <strong>de</strong>r in uns wohnt“<br />
(Vers 14).<br />
Ein schönes und anvertrautes Gut<br />
In Vers 12 ist es <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r etwas bewahrt, d. h. vor Scha<strong>de</strong>n und vor Angriffen schützt.<br />
Er bewahrt das, was wir für Ihn erarbeiten. Er enttäuscht dabei nicht. Jetzt wird Timotheus<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt, etwas zu bewahren, nämlich das schöne anvertraute Gut. Dieses Gut ist das<br />
anvertraute Zeugnis, die Glaubenswahrheit, o<strong>de</strong>r das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte.<br />
Es ist erstens ein schönes Gut. Das Wort wir häufig mit ,gut‘o<strong>de</strong>r auch ,ehrbar‘übersetzt. Es<br />
lässt daran <strong>de</strong>nken, dass wir es mit etwas zu tun haben, das wertvoll und nützlich ist. Die<br />
Glaubenswahrheit ist ein kostbarer Schatz, <strong>de</strong>ssen Wert wir nicht gering achten dürfen. Es<br />
ist etwas, das bewahrt wer<strong>de</strong>n will. Natürlich ist es Gott, <strong>de</strong>r über sein Wort wacht. Es wird<br />
immer ausrichten, wozu es gesandt ist. Unter <strong>de</strong>m Gesichtspunkt unserer Verantwortung<br />
sollen wir dieses Wort bewahren wie einen kostbaren Schatz. Wir dürfen nicht zulassen,<br />
dass dieses Wort durch unser Verhalten in <strong>de</strong>n Schmutz gezogen wird.<br />
Es ist zweitens ein anvertrautes Gut. Judas spricht in seinem Brief davon, dass <strong>de</strong>r Glaube<br />
(das Glaubensgut, die Glaubenswahrheit) einmal <strong>de</strong>n Heiligen überliefert wor<strong>de</strong>n ist (Jud 3).<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Der Ursprung <strong>de</strong>s Glaubensgutes ist Gott. Es ist nicht unser Glaubensgut, son<strong>de</strong>rn es ist<br />
seine Wahrheit. Sie ist uns lediglich zur Bewahrung anvertraut. Es ist uns nicht gestattet,<br />
die Wahrheit zu verän<strong>de</strong>rn, ihr etwas hinzuzufügen o<strong>de</strong>r etwas wegzunehmen. Das war<br />
im Alten Testament ausdrücklich untersagt (5. Mo 13,1). Es ist im Neuen Testament<br />
ausdrücklich untersagt (Off 22,18.19). Wir belassen das Glaubensgut so, wie es ist. Der<br />
Querverweis zu <strong>de</strong>m Vers im Judasbrief macht überdies <strong>de</strong>utlich, dass zum Bewahren <strong>de</strong>s<br />
Glaubensgutes gehört, dass wir bereit sind, dafür zu kämpfen.<br />
Durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist bewahren<br />
„Bewahren“ be<strong>de</strong>utet so viel wie einen Wertgegenstand an einem sicheren Ort aufbewahren.<br />
„Anvertrauen“ be<strong>de</strong>utet „<strong>de</strong>ponieren“ o<strong>de</strong>r „hinterlegen“. Das Wort wur<strong>de</strong> dann benutzt,<br />
wenn ein kostbarer Schatz <strong>de</strong>r Fürsorge eines an<strong>de</strong>ren anvertraut wur<strong>de</strong>, um ihn dann<br />
nach einer Zeit auf Verlangen <strong>de</strong>m Eigentümer zurückzugeben. Das Wort wur<strong>de</strong> ebenso<br />
gebraucht, um die Aufgabe eines Wächters zu beschreiben. Ein Wächter darf nicht schläfrig<br />
wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn muss wach bleiben und aufpassen. Bewahren schließt also Wachsamkeit<br />
unbedingt ein. Man kann das eine nicht vom an<strong>de</strong>ren trennen. Bei<strong>de</strong>s gehört zusammen. Es<br />
gibt falsche Lehre und Irrlehre. Davor müssen wir in je<strong>de</strong>r Weise auf <strong>de</strong>r Hut sein. Irrlehren<br />
mögen sich gut und intelligent anhören, so dass wir in je<strong>de</strong>m Fall nahe beim Wort Gottes<br />
bleiben müssen, um <strong>de</strong>n Irrtum erkennen zu können.<br />
Wie können wir nun dieses Gut so bewahren, dass es nicht lediglich ein äußeres Festhalten<br />
an <strong>de</strong>r Wahrheit ist, was zu einer toten Orthodoxie führen wür<strong>de</strong>? Es muss uns klar sein,<br />
dass die Form allein nicht reicht. Eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben viele Menschen, die<br />
sich Christen nennen. Diese allein hält die Wahrheit nicht lebendig. Eine äußere Form mag<br />
zu gut formulierten Glaubensbekenntnissen führen. Das allein hilft uns allerdings nicht<br />
weiter. Nur durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist erhält die Wahrheit die innere Kraft. Er ist die Kraft,<br />
und Er gibt uns die Kraft. Allein können wir das Glaubensgut nicht bewahren. Wir haben<br />
diese göttliche Person nötig, die in uns wohnt und uns mit Kraft erfüllt. Deshalb sagt Paulus<br />
am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Verses: „ . . . durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist, <strong>de</strong>r in uns wohnt.“<br />
Es ist eine <strong>de</strong>r fundamentalen Wahrheiten <strong>de</strong>r christlichen Haushaltung, dass <strong>de</strong>r Heilige<br />
Geist sowohl in <strong>de</strong>r Versammlung als auch in je<strong>de</strong>m einzelnen Gläubigen wohnt. Wenn es<br />
um uns geht, so lernen wir, dass <strong>de</strong>r Heilige Geist<br />
• uns versiegelt hat, was unsere Errettung betrifft (Eph 1,13; 4,30)<br />
• unser Unterpfand (Anzahlung) ist, wenn es um das Erbe geht, das wir mit Christus<br />
antreten wer<strong>de</strong>n (Eph 1,14)<br />
• unsere Salbung ist, wenn es um die Kenntnis <strong>de</strong>r Dinge geht, die von Gott sind<br />
(1. Joh 2,20.27).<br />
Der Heilige Geist ist uns also unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>shalb gegeben, damit wir das Glaubensgut<br />
bewahren. Unser Gut ist bei Gott völlig sicher, weil Er es bewahrt. Sein Gut bei uns ist dann<br />
ebenfalls sicher, wenn wir <strong>de</strong>m Heiligen Geist in uns Raum geben und sein Wirken nicht<br />
behin<strong>de</strong>rn.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
Am Anfang von Kapitel 2 wer<strong>de</strong>n wir fin<strong>de</strong>n, dass wir das Glaubensgut nicht nur bewahren,<br />
son<strong>de</strong>rn an die nächste Generation weitergeben sollen. Dort lesen wir, dass Timotheus<br />
das Glaubensgut treuen Männern anvertrauen sollte, die wie<strong>de</strong>rum fähig sein wür<strong>de</strong>n,<br />
an<strong>de</strong>re zu belehren (2. Tim 2,2). Das dort für „anvertrauen“ benutzte Wort hat <strong>de</strong>n gleichen<br />
Wortstamm wie in unserem Vers. Was uns „anvertraut“ wor<strong>de</strong>n ist, sollen wir wie<strong>de</strong>rum<br />
<strong>de</strong>r nächsten Generation „anvertrauen“.<br />
Bevor Paulus diesen Gedanken jedoch weiter ausführt, wen<strong>de</strong>t er sich in <strong>de</strong>n nächsten<br />
Versen Menschen zu, die in seinem Leben eine Rolle gespielt haben. In Vers 15 spricht er<br />
von <strong>de</strong>nen, die in Asien waren. Diese Erinnerung wird ihn sehr traurig gestimmt haben. In<br />
<strong>de</strong>n Versen 16–18 hat er dann Onesiphorus vor Augen. Die Erinnerung an ihn wird ihm<br />
Mut gemacht haben.<br />
„Du weißt dies, dass alle, die in Asien sind, sich von mir abgewandt haben, unter welchen<br />
Phygelus ist und Hermogenes“ (Vers 15).<br />
Alle, die in Asien sind<br />
Paulus erinnert Timotheus an etwas, das diesem nicht unbekannt war. Alle, die in Asien<br />
waren, hatten sich von Paulus abgewandt. Das damalige Asien ist nicht <strong>de</strong>r Kontinent, <strong>de</strong>n<br />
wir heute so bezeichnen. Asien war damals die römische Provinz im Westen Kleinasiens,<br />
<strong>de</strong>r heutigen Türkei. Biblische Städte wie Ephesus und Kolossä lagen in dieser Provinz. Wir<br />
fin<strong>de</strong>n diese Gegend in Offenbarung 2 und 3 wie<strong>de</strong>r, wo Johannes im Auftrag <strong>de</strong>s Herrn an<br />
sieben Versammlungen schreibt, die in Asien lagen. In Apostelgeschichte 19,10 lesen wir,<br />
dass alle, die in Asien waren, zwei Jahre lang das Wort <strong>de</strong>s Herrn hörten. Wir erkennen<br />
daran (und aus an<strong>de</strong>ren Stellen), wie intensiv Paulus gera<strong>de</strong> in dieser Gegend gearbeitet<br />
hatte. Die Briefe an die Epheser und Kolosser machen uns klar, wie sehr Paulus mit <strong>de</strong>n<br />
Geschwistern dort verbun<strong>de</strong>n war. Sie zeigen weiter, dass die Gläubigen dort in einem<br />
guten geistlichen Zustand waren. Das traf ganz beson<strong>de</strong>rs auf die Epheser zu. Umso mehr<br />
muss es Paulus wehgetan haben, dass die Gläubigen sich gera<strong>de</strong> dort von ihm abgewandt<br />
hatten. Rückschritt und Nie<strong>de</strong>rgang hatten eingesetzt. Die indirekte Warnung am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />
Epheserbriefes, <strong>de</strong>n Herrn Jesus in Unver<strong>de</strong>rblichkeit zu lieben (Eph 6,24), war offensichtlich<br />
in <strong>de</strong>n Wind geschlagen wor<strong>de</strong>n. In Offenbarung 2,4 wird <strong>de</strong>nselben Gläubigen vorgeworfen,<br />
dass sie ihre erste Liebe verlassen hatten.<br />
Die Gläubigen in Asien hatten Paulus verlassen. Das be<strong>de</strong>utet nicht unbedingt, dass sie <strong>de</strong>n<br />
christlichen Glauben o<strong>de</strong>r das Bekenntnis aufgegeben hatten. Es kann zweierlei be<strong>de</strong>uten:<br />
• a) Möglich ist, dass Paulus diesen Gläubigen zu dogmatisch o<strong>de</strong>r zu extrem gewor<strong>de</strong>n<br />
war. Vielleicht suchten sie einen Weg, <strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n natürlichen Menschen angenehmer<br />
war und so auf breitere Zustimmung traf. Insofern hatten sie <strong>de</strong>n Dienst von Paulus<br />
und seine Lehre in <strong>de</strong>r Praxis aufgegeben. Das Sendschreiben an die Versammlung in<br />
Ephesus legt diesen Gedanken nahe. Die Kirchengeschichte zeigt, wie es weiterging.<br />
Die Wahrheit von <strong>de</strong>m einen Leib einerseits und <strong>de</strong>m Kommen <strong>de</strong>s Herrn an<strong>de</strong>rerseits<br />
ist schnell verloren gegangen.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
• b) Möglich ist darüber hinaus, dass die Gläubigen in Asien sich <strong>de</strong>shalb von Paulus<br />
distanzierten, weil es gefährlich gewor<strong>de</strong>n war, sich zu einem Mann zu bekennen,<br />
<strong>de</strong>r ein Gefangener <strong>de</strong>s Kaisers in Rom war und <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Prozess gemacht wur<strong>de</strong>.<br />
Vielleicht gingen sie <strong>de</strong>shalb auf Distanz, um sich selbst zu „schützen“.<br />
Die Aussage macht je<strong>de</strong>nfalls klar, dass die Gläubigen in Asien in keinem guten geistlichen<br />
Zustand waren. Auch wird <strong>de</strong>utlich, wie sehr Paulus darunter gelitten haben muss.<br />
Zwei Namen wer<strong>de</strong>n genannt. Man kann darüber nach<strong>de</strong>nken, warum Paulus sie nennt.<br />
Möglich ist, dass es zwei Männer waren, von <strong>de</strong>nen Timotheus das nicht erwartet hätte. Es<br />
mögen Führer unter <strong>de</strong>n Brü<strong>de</strong>rn gewesen sein. Wie <strong>de</strong>m auch sei, für uns bleibt die Frage,<br />
ob unser Name ebenfalls genannt wor<strong>de</strong>n wäre, wenn wir damals in Asien gelebt hätten.<br />
Es ergibt sich für uns eine zweite praktische Anwendung dieses Verses. Niemand von<br />
uns kann sich heute in <strong>de</strong>r unmittelbaren Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Aussage von Paulus „abwen<strong>de</strong>n“.<br />
Paulus lebt schon lange nicht mehr. Was wir allerdings sehr wohl tun können ist, dass wir<br />
seine spezielle Belehrung aufgeben. Genau das ist in <strong>de</strong>r Christenheit sehr oft geschehen.<br />
Das gilt beson<strong>de</strong>rs für die von Paulus vorgestellte himmlische Berufung <strong>de</strong>r Gläubigen und<br />
für die Wahrheit von <strong>de</strong>m einen Leib. Wir wollen uns fragen, wie wir zu dieser von Paulus<br />
offenbarten Wahrheit stehen. Hat sie wirklich einen Einfluss auf unser Leben?<br />
„Der Herr gebe <strong>de</strong>m Haus <strong>de</strong>s Onesiphorus Barmherzigkeit, <strong>de</strong>nn er hat mich oft erquickt<br />
und sich meiner Kette nicht geschämt, son<strong>de</strong>rn als er in Rom war, suchte er mich fleißig<br />
und fand mich. Der Herr gebe ihm, dass er von Seiten <strong>de</strong>s Herrn Barmherzigkeit fin<strong>de</strong> an<br />
jenem Tag! Und wie viel er in Ephesus diente, weißt du am besten“ (Vers 16–18).<br />
Das Haus <strong>de</strong>s Onesiphorus<br />
Über Onesiphorus wissen wir nicht sehr viel. Offensichtlich war er von einem ganz an<strong>de</strong>ren<br />
Charakter als die in Vers 15 genannten Personen. Er scheint unter <strong>de</strong>n Gläubigen in Asien<br />
eine Ausnahme gewesen zu sein. Er schämte sich nicht. Er hatte sich Mühe gegeben, Paulus<br />
in <strong>de</strong>r Großstadt Rom zu suchen und ihn zu fin<strong>de</strong>n. Das war in einer Stadt wie Rom we<strong>de</strong>r<br />
einfach noch ungefährlich. Dabei hatte Onesiphorus Paulus nicht nur einfach gesucht,<br />
son<strong>de</strong>rn er hatte ihn „fleißig“ gesucht. Sein Fleiß ist richtungweisend für uns.<br />
Sowohl hier als auch später in Kapitel 4,19 erwähnt Paulus sein Haus. Offenbar war er<br />
verheiratet und hatte Kin<strong>de</strong>r. In unserem Vers wird von seinem Dienst gesprochen. Das<br />
<strong>de</strong>utet an, dass er möglicherweise ein Diakon war, <strong>de</strong>r in einem allgemeinen Sinn unter <strong>de</strong>n<br />
Gläubigen gedient hatte. Möglicherweise galt dieser Dienst in <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>r Menschen<br />
nicht sehr viel. Paulus hingegen sah ihn mit <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Herrn. Er erwähnt ausdrücklich,<br />
dass er viel in Ephesus gearbeitet hatte. Timotheus war das nicht unbekannt.<br />
Barmherzigkeit<br />
Paulus wünschte diesem treuen Diener und seinem Haus Barmherzigkeit. Barmherzigkeit<br />
ist Mitempfin<strong>de</strong>n in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n. Schon im Alten Testament war Gott als ein<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 37
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 1<br />
barmherziger Gott bekannt. Wir kennen Ihn als Gott, <strong>de</strong>r reich ist an Barmherzigkeit.<br />
Seine Barmherzigkeit steht uns zur Verfügung. In Matthäus 5,7 verbin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Herr Jesus<br />
die empfangene Barmherzigkeit mit <strong>de</strong>r gegebenen Barmherzigkeit. Sie ist sozusagen<br />
eine Antwort Gottes auf unsere eigene Barmherzigkeit: „Glückselig die Barmherzigen,<br />
<strong>de</strong>nn ihnen wird Barmherzigkeit zuteil wer<strong>de</strong>n.“ Dieses Glück wünscht Paulus hier für<br />
Onesiphorus. Er hatte sich Paulus gegenüber barmherzig gezeigt und sollte nun seinerseits<br />
die Barmherzigkeit Gottes erfahren.<br />
Erneut ist – wie in Vers 12 – die Re<strong>de</strong> von „jenem Tag“. Es ist <strong>de</strong>r Tag <strong>de</strong>s Richterstuhls <strong>de</strong>s<br />
Christus, jener Tag also, an <strong>de</strong>m alles in das göttliche Licht gerückt wird. Barmherzigkeit<br />
(und Gna<strong>de</strong>) benötigen wir nicht nur im Blick auf die Vergangenheit und die gegenwärtige<br />
Zeit, son<strong>de</strong>rn ebenso im Blick auf jenen Tag, <strong>de</strong>r noch in <strong>de</strong>r Zukunft liegt. Petrus spricht<br />
davon, dass wir völlig auf die Gna<strong>de</strong> hoffen sollen, die uns bei <strong>de</strong>r Offenbarung Jesu Christi<br />
gebracht wird (1. Pet 1,13). Judas spricht von <strong>de</strong>r Barmherzigkeit. Er schreibt: „Erhaltet<br />
euch selbst in <strong>de</strong>r Liebe Gottes, in<strong>de</strong>m ihr die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus<br />
erwartet zum ewigen Leben“ (Jud 21).<br />
Für uns gilt, dass am En<strong>de</strong> alles ein Triumph <strong>de</strong>r göttlichen Gna<strong>de</strong> und Barmherzigkeit sein<br />
wird. Wenn wir einmal am Richterstuhl <strong>de</strong>s Christus stehen und Lohn empfangen, dann ist<br />
das nicht unser eigener Verdienst. Es geht hier nicht um die ewige Errettung, die natürlich<br />
ebenfalls ein Ergebnis seiner Gna<strong>de</strong> ist, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n Dienst. Unser Dienst wird einmal<br />
belohnt wer<strong>de</strong>n. Je<strong>de</strong>r bekommt seine Anerkennung, und <strong>de</strong>nnoch wird alles zur Ehre <strong>de</strong>s<br />
Herrn sein.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Das große Haus<br />
Das zweite Kapitel ist das Herzstück <strong>de</strong>s ganzen Briefes. Es zeigt uns einerseits <strong>de</strong>n Verfall<br />
und <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rgang innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses. Die von Paulus aufgezeigte<br />
Entwicklung hatte bereits ihren Anfang genommen, als er noch lebte. Es ist bezeichnend,<br />
dass Timotheus sich zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, als er <strong>de</strong>n Brief bekam, in Ephesus befand. Der Brief<br />
an die Epheser zeigt uns <strong>de</strong>n guten Zustand, in <strong>de</strong>m diese Versammlung sich wenige Jahre<br />
vorher noch befun<strong>de</strong>n hatte. Aber bereits in Apostelgeschichte 20 hatte Paulus die Ältesten<br />
dieser Versammlung vor Gefahren von außen und vor Gefahren von innen gewarnt (Apg<br />
20,29.30). Diese negative Entwicklung hatte nun eingesetzt.<br />
Hatte Paulus in seinem ersten Brief noch von <strong>de</strong>m „Haus Gottes“ und <strong>de</strong>m Verhalten darin<br />
gesprochen (1. Tim 3,15), so spricht er in diesem Kapitel nur noch von einem „großen Haus“.<br />
Damit ist die Christenheit gemeint, in <strong>de</strong>r es echte und unechte Bekenner gibt.<br />
Aber Paulus bleibt dabei nicht stehen. Er zeigt in diesem Kapitel, welchen Weg <strong>de</strong>r echte<br />
Bekenner (<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>rgeborene Christ) in einer Zeit von Rückschritt und Nie<strong>de</strong>rgang gehen<br />
soll. Dieser Weg wird durch zwei Dinge gekennzeichnet: erstens durch das Abstehen und die<br />
Trennung von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit, zweitens durch ein gemeinsames Streben mit Gläubigen,<br />
die <strong>de</strong>n Herrn aus reinem Herzen anrufen. Es gibt keinen Moment und keine Situation im<br />
Leben eines Kin<strong>de</strong>s Gottes, wo es nicht einen Weg gibt, <strong>de</strong>n wir zur Ehre unseres Herrn<br />
gehen können.<br />
Wir können folgen<strong>de</strong> Kapiteleinteilung vornehmen:<br />
1. Verse 1–13: Ermunterung zum Dienst<br />
Paulus stellt Timotheus verschie<strong>de</strong>ne Bil<strong>de</strong>r vor, um ihm klar zu machen, welch eine<br />
Aufgabe er hat und dass er darin nicht nachlassen soll. Gott möchte auch in Tagen <strong>de</strong>s<br />
Verfalls, dass sein Wort weiter läuft und ausrichtet, wozu Er es gegeben hat. Auch wenn es<br />
Wi<strong>de</strong>rstand und Lei<strong>de</strong>n gibt -; <strong>de</strong>r Herr bleibt treu.<br />
2. Verse 14–21: Das große Haus<br />
Paulus zeigt auf, welche ver<strong>de</strong>rblichen Einflüsse sich innerhalb <strong>de</strong>s christlichen<br />
Bekenntnisses breitgemacht haben. Das Christentum wird mit einem großen Haus<br />
verglichen, in <strong>de</strong>m es je nach Beschaffenheit und Brauchbarkeit unterschiedliche Gefäße<br />
gibt. Die Auffor<strong>de</strong>rung ergeht an je<strong>de</strong>n, sich von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre zu reinigen, um<br />
auf diese Weise ein Gefäß zur Ehre zu sein.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
3. Verse 22–26: Der Weg <strong>de</strong>s Gläubigen<br />
Ein Christ, <strong>de</strong>r zur Ehre seines Herrn lebt, wird dadurch gekennzeichnet, dass er gewisse<br />
Dinge unterlässt, aber gleichzeitig an<strong>de</strong>re Dinge aktiv betreibt. Dieser Weg führt nicht in<br />
die Isolation, son<strong>de</strong>rn es ist ein Weg, <strong>de</strong>n wir glücklich mit an<strong>de</strong>ren gehen. Gleichzeitig<br />
haben wir ein Auge auf an<strong>de</strong>re, <strong>de</strong>nen wir vielleicht eine Hilfe sein können, so dass sie <strong>de</strong>n<br />
Weg zu Gott zurück fin<strong>de</strong>n.<br />
„Du nun, mein Kind, sei stark in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die in Christus Jesus ist“ (Vers 1).<br />
Du nun<br />
Paulus spricht nun Timotheus persönlich an. Am En<strong>de</strong> von Kapitel 1 hatte Paulus<br />
verschie<strong>de</strong>ne Personen erwähnt, die sich von ihm abgewandt hatten. Das war für ihn<br />
ein großer Schmerz. Sie hatten sich nicht vom Herrn abgewandt, wohl aber von seinem<br />
Diener Paulus. Sie bewiesen damit einen schwachen geistlichen Zustand.<br />
Demgegenüber hatte Paulus einen Mann namens Onesiphorus erwähnt, <strong>de</strong>r es an<strong>de</strong>rs<br />
gemacht hatte. Er hatte sich <strong>de</strong>r Kette <strong>de</strong>s Paulus nicht geschämt, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Gefangenen<br />
in Rom fleißig aufgesucht. Er hatte einen geistlich guten Zustand bewiesen. Die persönliche<br />
Ansprache von Paulus „du nun“ macht <strong>de</strong>utlich, dass Timotheus es Onesiphorus gleichtun<br />
sollte. Diese persönliche Ansprache fin<strong>de</strong>n wir in diesem Brief wie<strong>de</strong>rholt.<br />
Wir lernen, dass <strong>de</strong>r Herr uns gera<strong>de</strong> in schwerer Zeit ganz persönlich meint. Es geht nicht<br />
um die an<strong>de</strong>ren, son<strong>de</strong>rn um je<strong>de</strong>n Einzelnen persönlich. Bin ich bereit, <strong>de</strong>n Weg zu gehen,<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Herr für mich vorgesehen hat? Es ist schön, wenn <strong>de</strong>r Herr uns an<strong>de</strong>re zur Seite<br />
stellt – und Er wird es ganz sicher tun –, aber die Verantwortung ist und bleibt eine ganz<br />
persönliche. Der Herr sagte zu Petrus: „Folge du mir nach“ (Joh 21,22).<br />
Mein Kind<br />
Paulus spricht Timotheus nicht als seinen Sohn an, son<strong>de</strong>rn als sein Kind. Damit kommt die<br />
persönliche Beziehung dieser bei<strong>de</strong>n Diener Gottes zum Ausdruck. Timotheus war nicht<br />
nur sein Kind“, son<strong>de</strong>rn er war sein „echtes Kind“ (1. Tim 1,1) und sein „geliebtes Kind<br />
(2. Tim 1,1). Der Ausdruck „Kind“ weist auf Beziehung hin. Zwischen Paulus und Timotheus<br />
bestand nicht nur eine geistliche Verwandtschaft, son<strong>de</strong>rn ein ganz enges Verhältnis. Paulus<br />
liebte ihn und umgekehrt. Es hat wohl kaum einen Mitarbeiter gegeben, <strong>de</strong>r Paulus so<br />
nahestand wie Timotheus.<br />
Es ist ein Segen, wenn es im Volk Gottes eine enge und gute Beziehung zwischen älteren<br />
und jüngeren Geschwistern gibt. Es ist ein Segen, wenn es geistliche Väter (und Mütter)<br />
gibt, die sich in Liebe um ihre geistlichen Kin<strong>de</strong>r kümmern. Es ist ein Segen, wenn dieses<br />
Band <strong>de</strong>s Vertrauens und <strong>de</strong>r Liebe da ist, das auch in schweren Tagen nicht reißt.<br />
Stark sein<br />
Timotheus wur<strong>de</strong> aufgefor<strong>de</strong>rt, stark zu sein in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die in Christus Jesus ist.<br />
Von Natur mag er ein eher furchtsamer Mensch gewesen sein. Deshalb hatte er diesen<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Hinweis beson<strong>de</strong>rs nötig. Paulus liebte ihn als sein Kind, aber <strong>de</strong>nnoch fügt er diese klare<br />
Auffor<strong>de</strong>rung an, die in <strong>de</strong>r Form eines Befehls ausgesprochen ist. In Kapitel 1 hatte er ihm<br />
schon gesagt, die Gna<strong>de</strong>ngabe anzufachen, die ihm gegeben wor<strong>de</strong>n war (Kapitel 1,6). Dazu<br />
brauchte er Kraft – und zwar nicht nur einmal, son<strong>de</strong>rn permanent. Er sollte ständig an <strong>de</strong>r<br />
Kraftquelle angeschlossen bleiben. Man könnte auch übersetzen: „Lass dich immer wie<strong>de</strong>r<br />
kräftigen“, o<strong>de</strong>r: „Bleibe in Verbindung mit <strong>de</strong>r Kraft“.<br />
Diese Kraft haben wir alle nötig, und zwar ganz persönlich. Kraft ist das Gegenteil von<br />
Schwachheit. Wir klagen oft darüber, dass wir in Tagen <strong>de</strong>r kleinen Kraft, <strong>de</strong>r Schwachheit,<br />
leben. Das ist wahr. Aber es ist doch keine Entschuldigung dafür, nicht stark zu sein in <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong>, die in Christus Jesus ist. Wenn wir – je<strong>de</strong>r persönlich – in schwerer Zeit einen Weg<br />
zur Ehre <strong>de</strong>s Herrn gehen wollen, dann brauchen wir gera<strong>de</strong> in Tagen <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rgangs<br />
Kraft. Wer gegen <strong>de</strong>n Strom schwimmen will – und genau das sollten wir tun –, kann das<br />
nur in <strong>de</strong>r Kraft von oben.<br />
Wir müssen erkennen, dass uns diese Kraft oft fehlt. Woran liegt das? Die Grün<strong>de</strong> können<br />
vielfältig sein. Es liegt jedoch immer an uns, nie an unserem Herrn. Vielleicht fühlen wir<br />
uns erschöpft, frustriert o<strong>de</strong>r mutlos. Vielleicht stehen Hin<strong>de</strong>rnisse wie unüberwindbare<br />
Berge vor uns. Vielleicht vergeu<strong>de</strong>n wir unsere Energie für an<strong>de</strong>re und nutzlose Dinge. Gott<br />
weiß das. Deshalb fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>r Bibel – im Alten wie im Neuen Testament – immer<br />
wie<strong>de</strong>r die Auffor<strong>de</strong>rung, stark zu sein. An verschie<strong>de</strong>nen Stellen wer<strong>de</strong>n Männer Gottes<br />
dazu aufgerufen. Ein beson<strong>de</strong>res Beispiel ist Daniel, <strong>de</strong>m dies gleich zweimal gesagt wur<strong>de</strong>:<br />
„Fürchte dich nicht, du vielgeliebter Mann! Frie<strong>de</strong> dir! Sei stark, ja, sei stark.“ Das Ergebnis<br />
ließ nicht auf sich warten: „Und als er mit mir re<strong>de</strong>te, fühlte ich mich gestärkt und sprach:<br />
Mein Herr möge re<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn du hast mich gestärkt“ (Dan 10,19).<br />
Die Quelle unserer Kraft<br />
Stark sind wir nicht in uns selbst, in unserem eigenen Können, unserer Intelligenz, unserer<br />
Weisheit o<strong>de</strong>r unserer Erfahrung. Auch die Menge an Personen an unserer Seite o<strong>de</strong>r die<br />
Anwesenheit begabter und erfahrener Brü<strong>de</strong>r gibt uns keine Kraft. Nicht einmal das ewige<br />
Leben in uns und die uns geschenkte neue Natur be<strong>de</strong>uten Kraft in sich. Nein, unsere Kraft<br />
ist die Kraft <strong>de</strong>s Geistes, die wir nur in unserem Herrn fin<strong>de</strong>n. Wenn wir auf uns selbst<br />
vertrauen, wer<strong>de</strong>n wir keine Kraft bekommen. Nur wenn wir uns auf <strong>de</strong>n Herrn stützen,<br />
haben wir Kraft. Sie liegt in <strong>de</strong>r engen persönlichen und praktischen Beziehung zu Ihm.<br />
Paulus spricht von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, die in Christus Jesus ist.<br />
Paulus hatte das selbst erfahren. In einer schweren Stun<strong>de</strong> hörte er die Worte seines Herrn:<br />
„Meine Gna<strong>de</strong> genügt dir, <strong>de</strong>nn meine Kraft wird in Schwachheit vollbracht“ (2. Kor 12,9).<br />
Paulus hatte das gelernt, <strong>de</strong>nn er schreibt weiter: „Denn wenn ich schwach bin, dann bin<br />
ich stark“ (2. Kor 12,10). Das klingt paradox, ist aber wahr und muss gelernt wer<strong>de</strong>n. Die<br />
Gna<strong>de</strong>, von <strong>de</strong>r hier die Re<strong>de</strong> ist, ist nicht die retten<strong>de</strong> Gna<strong>de</strong>. Es ist vielmehr das tägliche<br />
Empfin<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>r Gunst und Zuwendung Gottes zu stehen. Als gerettete Menschen haben<br />
wir Zugang zu <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>r wir stehen (Röm 5,2). Es liegt an je<strong>de</strong>m Einzelnen, für sich<br />
persönlich davon Gebrauch zu machen, aber auch darauf zu achten, dass niemand an <strong>de</strong>r<br />
Gna<strong>de</strong> Mangel lei<strong>de</strong>t (Heb 12,15). Wir haben es alle nötig, durch die Gna<strong>de</strong> zu erstarken,<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
in<strong>de</strong>m wir in <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> bleiben. Es ist das herrliche Wissen, dass Gott auf unserer Seite<br />
steht.<br />
Die Gna<strong>de</strong> ist sozusagen <strong>de</strong>r Weg o<strong>de</strong>r das Mittel, auf <strong>de</strong>m uns diese Kraft zuteil wird.<br />
Die Quelle ist unser Herr selbst, <strong>de</strong>r hier – wie mehrfach in diesem Brief – Christus Jesus<br />
genannt wird. Das wollen wir nicht überlesen. Es ist Christus, <strong>de</strong>r auferstan<strong>de</strong>ne und im<br />
Himmel weilen<strong>de</strong> Christus, <strong>de</strong>r einst in Niedrigkeit auf dieser Er<strong>de</strong> war. In Ihm ist je<strong>de</strong> Kraft<br />
für uns zu fin<strong>de</strong>n. In Philipper 4,13 schreibt Paulus: „Alles vermag ich <strong>de</strong>n <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r mich<br />
kräftigt.“ An dieser Kraftquelle wollen wir angeschlossen bleiben.<br />
„Und was du von mir in Gegenwart vieler Zeugen gehört hast, das vertraue treuen Leuten<br />
an, die tüchtig sein wer<strong>de</strong>n, auch an<strong>de</strong>re zu lehren“ (Vers 2).<br />
Von Paulus gelernt<br />
Von Seiten Gottes ist alles getan: Erstens hat Er uns ein schönes Glaubensgut anvertraut.<br />
Wir besitzen die Wahrheit als ein zusammenhängen<strong>de</strong>s Ganzes (Kapitel 1,13). Zweitens<br />
besitzen wir <strong>de</strong>n Geist Gottes, <strong>de</strong>r in uns wohnt (Kapitel 1,14). Drittens steht uns die Gna<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s auferstan<strong>de</strong>nen Christus, <strong>de</strong>r die Quelle unserer Kraft ist, reichlich zur Verfügung<br />
(Kapitel 2,1). Jetzt wird Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, diese Glaubenswahrheit auch an an<strong>de</strong>re<br />
weiterzugeben – und zwar an treue Leute.<br />
Paulus hatte auf seinem Weg nach Damaskus eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Begegnung mit <strong>de</strong>m<br />
verherrlichten Herrn im Himmel gehabt. Dieser hatte ihm viel anvertraut, beson<strong>de</strong>rs die<br />
Wahrheit von <strong>de</strong>r Versammlung, die aus gebürtigen Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n besteht. Paulus<br />
hatte das, was er empfangen hatte, in Treue weitergegeben. Er hatte <strong>de</strong>n Ungläubigen das<br />
Evangelium gepredigt. Er hatte das Reich Gottes und <strong>de</strong>n Ratschluss Gottes verkündigt<br />
(Apg 20,24–27). Nichts hatte er zurückgehalten. Timotheus war als Reisebegleiter oft dabei<br />
gewesen. Er hatte gehört, was Paulus sagte. Vielleicht hatte niemand mehr von Paulus<br />
gehört und gelernt als gera<strong>de</strong> er. Paulus war sein Lehrmeister gewesen. Daran erinnert er<br />
ihn jetzt. Was Paulus gelehrt hatte, war nichts Verborgenes. Im Gegenteil: Es war öffentlich.<br />
Paulus erwähnt viele Zeugen. Es waren nicht nur zwei o<strong>de</strong>r drei Zeugen gewesen, die gehört<br />
hatten, was er lehrte, son<strong>de</strong>rn „viele Zeugen“. Die Zeugen konnten einerseits bestätigen,<br />
was Paulus gesagt hatte. An<strong>de</strong>rerseits waren sie ein Schutz davor, dass Timotheus eigene<br />
Gedanken und Meinungen hinzufügte.<br />
Das Glaubensgut weitergeben<br />
Timotheus sollte nun das, was er selbst in Gegenwart dieser Zeugen gehört hatte, an<br />
an<strong>de</strong>re weitergeben. Er sollte nicht nur persönlich stark sein, son<strong>de</strong>rn auch an<strong>de</strong>re im Auge<br />
haben. Was ihm anvertraut war, sollte er nicht für sich behalten. Und diejenigen, <strong>de</strong>nen<br />
er es anvertraute, sollten ihrerseits wie<strong>de</strong>rum das Glaubensgut weitergeben. Es sollte von<br />
Generation zu Generation laufen. Deshalb mussten die Leute, <strong>de</strong>nen er es sagte, auch treue<br />
Leute sein. Sie sollten treu und tüchtig sein, an<strong>de</strong>re zu lehren.<br />
Timotheus hatte von Paulus ein geistliches Vermächtnis bekommen. Es war ihm anvertraut<br />
wor<strong>de</strong>n. Nun sollte er es wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>ren anvertrauen. Das Wort meint, dass etwas<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Wertvolles sorgfältig bewahrt wird. Es ist in diesem Sinn nicht unser eigenes Gut, son<strong>de</strong>rn<br />
etwas, was uns zur Bewahrung anvertraut ist. Es ist die Wahrheit Gottes. Damit müssen wir<br />
sorgfältig umgehen. Das gilt bis heute. Das Glaubensgut muss erstens sorgfältig bewahrt<br />
und zweitens sorgfältig gelehrt wer<strong>de</strong>n.<br />
Der Gedanke ist also, dass die Wahrheit Gottes von Generation zu Generation weitergegeben<br />
wer<strong>de</strong>n soll. Wenn wir bei diesem Bild bleiben, fin<strong>de</strong>n wir hier vier „Generationen“<br />
vorgestellt:<br />
1. Die Generation <strong>de</strong>r Apostel: Diese Generation gibt es nicht mehr. Die Apostel haben<br />
die Wahrheit direkt durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist empfangen und sie an die nächste<br />
Generation weitergegeben.<br />
2. Die Generation <strong>de</strong>rer, die <strong>de</strong>n Aposteln folgten und unmittelbar von ihnen gelernt<br />
hatte: Dazu zählen Männer wie zum Beispiel Timotheus und Titus. Sie bekamen <strong>de</strong>n<br />
ausdrücklichen Auftrag, wie<strong>de</strong>rum an<strong>de</strong>re zu lehren. Auch diese Generation gibt es<br />
nicht mehr.<br />
3. Die nachfolgen<strong>de</strong> Generation, die hier treu und tüchtig genannt wird und die<br />
wie<strong>de</strong>rum <strong>de</strong>n Auftrag bekommt, an<strong>de</strong>re zu lehren: Darin können wir uns selbst<br />
sehen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, die Wahrheit an die nachfolgen<strong>de</strong> Generation –<br />
unsere Kin<strong>de</strong>r und jungen Leute – weiterzugeben.<br />
4. Die Generation <strong>de</strong>rer, an die das Glaubensgut heute weitergegeben wird: Sie sollen es<br />
hören und be<strong>de</strong>nken -; und dann später selbst an an<strong>de</strong>re weitergeben.<br />
Wir können diesen Prozess <strong>de</strong>r Weitergabe <strong>de</strong>s anvertrauten Gutes mit einem Staffellauf von<br />
vier Athleten vergleichen. Der erste Läufer erhält <strong>de</strong>n Staffelstab und gibt ihn dann jeweils<br />
an <strong>de</strong>n nächsten weiter. Es ist un<strong>de</strong>nkbar, dass ein Läufer plötzlich <strong>de</strong>n Lauf abbricht und<br />
<strong>de</strong>n Stab fallen lässt. Dennoch gibt es viele Christen, die genau das getan haben. Sie haben<br />
die Wahrheit von <strong>de</strong>r Generation vor ihnen (z. B. von ihren Eltern) gehört und sie nicht an<br />
die nachfolgen<strong>de</strong> Generation weitergegeben. Dieser Vers legt eine große Verantwortung auf<br />
uns alle, sowohl in <strong>de</strong>r örtlichen Versammlung als auch in <strong>de</strong>n Familien, beson<strong>de</strong>rs dann,<br />
wenn wir Kin<strong>de</strong>r haben. Es ist uns Aufgabe, die Glaubenswahrheit zu kennen, uns daran zu<br />
erfreuen und sie dann entsprechend an die nächste Generation zu übermitteln.<br />
Keine apostolische Nachfolge<br />
Dieser Vers erteilt neben dieser praktischen Belehrung <strong>de</strong>m Gedanken einer apostolischen<br />
Nachfolge o<strong>de</strong>r einer Ordination zum Predigen eine klare Absage. We<strong>de</strong>r hier noch etwa in<br />
Apostelgeschichte 20 ist von einer Nachfolge im Sinn neuer Apostel o<strong>de</strong>r fest angestellter<br />
„Geistlicher“ die Re<strong>de</strong>. Als Paulus zu <strong>de</strong>n Ältesten von Ephesus sprach, befahl er sie Gott<br />
und <strong>de</strong>m Wort seiner Gna<strong>de</strong> an (Apg 20,32). Hier ist die Re<strong>de</strong> von Männern, die treu und<br />
fähig sind, das anvertraute Gut von Generation zu Generation weiterzugeben. Es ist unsere<br />
ganz persönliche Aufgabe, uns selbst auf unseren allerheiligsten Glauben aufzuerbauen und<br />
dann die Glaubenswahrheit an an<strong>de</strong>re weiterzugeben. Es ist keine Re<strong>de</strong> davon, apostolische<br />
Autorität o<strong>de</strong>r ein kirchliches Amt weiterzugeben, son<strong>de</strong>rn die Wahrheit. Das ist einer <strong>de</strong>r<br />
Grün<strong>de</strong>, warum wir heute we<strong>de</strong>r „Apostel“ noch fest angestellte „Geistliche“ haben.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Apostolische Nachfolge ist im Übrigen gar nicht erfor<strong>de</strong>rlich, weil das Wort Gottes durch die<br />
Apostel abgeschlossen wur<strong>de</strong>. Es geht nicht um neue Wahrheiten, son<strong>de</strong>rn darum, die durch<br />
die Apostel offenbarten Wahrheiten festzuhalten und weiterzugeben. Das Glaubensgut ist<br />
„ein für alle Mal“ übermittelt (Jud 3). Wir fügen diesem Glaubensgut nichts hinzu. Wir<br />
nehmen nichts weg und verän<strong>de</strong>rn auch nichts. Diese Wahrheit reicht für alle Zeiten aus –<br />
auch für Zeiten von Nie<strong>de</strong>rgang und Rückschritt.<br />
Was wir aber sehr wohl fin<strong>de</strong>n, sind die Voraussetzungen, die diejenigen erfüllen müssen,<br />
die das Glaubensgut weitergeben. Natürlich gibt es die Seite Gottes, <strong>de</strong>r eine Gabe gibt, um<br />
das Wort zu lehren. Aber wenn es um die Seite unserer Verantwortung geht, dann müssen<br />
drei Punkte erfüllt sein:<br />
1. Kenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit: Wir können Gottes Wort nur dann weitergeben, wenn wir es<br />
kennen und lieben. Gera<strong>de</strong> in Tagen <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rgangs brauchen wir diese Kenntnis<br />
<strong>de</strong>r Gedanken Gottes -; aber eben nicht nur Kenntnis in unserem Kopf, son<strong>de</strong>rn im<br />
Herzen (vgl. 5. Mo 6,6–9).<br />
2. Treue in <strong>de</strong>r Nachfolge hinter <strong>de</strong>m Herrn her: Treu be<strong>de</strong>utet vertrauenswürdig und<br />
zuverlässig. Von einem Verwalter erwartet man, dass er gera<strong>de</strong> diese Eigenschaft hat<br />
(vgl. 1. Kor 4,2).<br />
3. Fähigkeit (Tüchtigkeit): Gottes Wort muss in klarer und verständlicher Form gere<strong>de</strong>t<br />
wer<strong>de</strong>n. Diese Fähigkeit ist nicht zuerst eine natürliche Fähigkeit. Sie kommt von Gott<br />
und ist nicht von unserer Intelligenz, son<strong>de</strong>rn von unserer Treue abhängig.<br />
„Nimm teil an <strong>de</strong>n Trübsalen als ein guter Streiter Christi Jesu“ (Vers 3).<br />
In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Versen gebraucht Paulus drei Bil<strong>de</strong>r, um Timotheus zu ermuntern. Es<br />
wer<strong>de</strong>n drei Beschäftigungen genannt, die in <strong>de</strong>r Zeit, als Timotheus lebte, bekannt waren:<br />
das Bild <strong>de</strong>s Soldaten, das Bild <strong>de</strong>s Sportlers und das Bild <strong>de</strong>s Ackerbauern. Alle drei Bil<strong>de</strong>r<br />
lassen uns an Arbeit und Mühe <strong>de</strong>nken, aber alle drei zeigen auch ein entsprechen<strong>de</strong>s<br />
positives Ergebnis.<br />
• Der Soldat hat jetzt Wi<strong>de</strong>rwärtigkeiten, aber er gefällt seinem Herrn<br />
• Der Sportler muss jetzt verzichten, aber er hat die Aussicht auf eine Krone<br />
• Der Ackerbauer muss sich jetzt abmühen, aber er wird einmal die Frucht genießen<br />
Diese drei Bil<strong>de</strong>r sind dazu angetan, uns Mut zu machen, unserem Herrn im Dienst zur<br />
Verfügung zu stehen.<br />
Erstes Bild: Der Soldat<br />
Von <strong>de</strong>m Soldaten lernen wir zwei Dinge: Erstens müssen wir als Streiter Christi, die Ihm<br />
im Fein<strong>de</strong>sland dienen, bereit sein zu lei<strong>de</strong>n. Wir können uns nicht beklagen, wenn wir<br />
im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn Schläge einstecken wer<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Unannehmlichkeiten erlei<strong>de</strong>n.<br />
Zweitens geht es darum, unserem „Kriegsherrn“ völlig zu Verfügung zu stehen, in<strong>de</strong>m wir<br />
uns auf das Wesentliche konzentrieren.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Unser Kampf<br />
Es wird hier nicht erläutert, worin <strong>de</strong>r Kampf besteht. Das wird an an<strong>de</strong>ren Stellen<br />
vorgestellt. Allgemein können wir sagen, dass <strong>de</strong>r Kampf <strong>de</strong>s Christen zwei große Seiten<br />
hat:<br />
• a) Es ist ein Abwehrkampf. Das schließt ein, dass wir bereit sind, für die<br />
Glaubenswahrheit einzustehen. Judas for<strong>de</strong>rt dazu auf, für <strong>de</strong>n einmal <strong>de</strong>n Heiligen<br />
überlieferten Glauben zu kämpfen (Jud 3). Damit ist nicht <strong>de</strong>r retten<strong>de</strong> Glaube gemeint,<br />
son<strong>de</strong>rn die Glaubenswahrheit. Sie wird heute mehr <strong>de</strong>nn je angegriffen. Deshalb ist<br />
<strong>de</strong>r Kampf für die Wahrheit sehr aktuell.<br />
• b) Es ist ein Angriffskampf. Wir sind aufgefor<strong>de</strong>rt, das Evangelium in dieser Welt<br />
zu verbreiten. Das geht nicht ohne Kampf. In Philipper 4,3 spricht Paulus von zwei<br />
Schwestern, die mit ihm im Evangelium gekämpft hatten.<br />
Paulus kannte sowohl <strong>de</strong>n Verteidigungs- wie auch <strong>de</strong>n Angriffskampf. Wie kein Zweiter<br />
hatte er für die Wahrheit gekämpft, aber gleichzeitig konnte er gar nicht an<strong>de</strong>rs, als das<br />
Evangelium zu verkündigen.<br />
Trübsale<br />
Soldat zu sein ist kein Vergnügen, son<strong>de</strong>rn mit Entbehrungen verbun<strong>de</strong>n. Das galt damals<br />
mehr als heute. Der Soldat ging im Wesentlichen an <strong>de</strong>m normalen bürgerlichen Leben<br />
vorbei. Insofern verstehen wir die Auffor<strong>de</strong>rung an Timotheus, als Streiter Christi Jesu<br />
an <strong>de</strong>n Trübsalen teilzunehmen. Wörtlich könnte man diesen Ausdruck übersetzen: „Sei<br />
bereit, Schlechtes zu erlei<strong>de</strong>n.“ Für das Evangelium zu kämpfen be<strong>de</strong>utet Entbehrungen<br />
und Trübsal. In Kapitel 1,8 wird Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, Trübsal mit <strong>de</strong>m Evangelium zu<br />
lei<strong>de</strong>n. Die Wahrheit zu kennen und für sie einzustehen, ist ebenfalls nicht immer einfach.<br />
Davor schrecken wir von Natur aus manchmal zurück. Aber <strong>de</strong>r Herr ist es wert, dass wir<br />
Wi<strong>de</strong>rwärtigkeiten auf uns nehmen, weil Er es ist, <strong>de</strong>r uns angeworben hat. Außer<strong>de</strong>m wird<br />
<strong>de</strong>r Zeitpunkt kommen, wo die Lei<strong>de</strong>n ein En<strong>de</strong> haben und wir mit Ihm herrschen wer<strong>de</strong>n.<br />
Gera<strong>de</strong> die Aussicht auf die kommen<strong>de</strong> Herrlichkeit stärkt uns jetzt und hilft uns, Trübsale<br />
und Schwierigkeiten zu akzeptieren. Das wird uns im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s Kapitels noch<br />
beschäftigen.<br />
Es gibt also im Kampf für <strong>de</strong>n Herrn ganz sicher Schwierigkeiten und Nöte. Paulus hatte das<br />
stark erlebt – er war ja gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>swegen ein Gefangener in Rom. Wir heute erleben es nur<br />
noch wenig. Aber auch wir erfahren zum Beispiel Wi<strong>de</strong>rstand (Kapitel 2,25), Verfolgung<br />
(Kapitel 3,12), Einsamkeit (Kapitel 4,10) und Boshaftigkeit (Kapitel 4,14) – und das sogar<br />
manchmal von Menschen, die sich Christen nennen. Auch die Jünger <strong>de</strong>s Herrn hatten das<br />
in <strong>de</strong>r Nachfolge und im Dienst erfahren, und <strong>de</strong>r Herr weiß es beson<strong>de</strong>rs zu würdigen (vgl.<br />
Lk 22,28).<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Streiter Christi Jesu<br />
Wir stehen im Kampf für <strong>de</strong>n Herrn – aber wir haben einen Anführer, <strong>de</strong>r uns angeworben<br />
hat. Er ist <strong>de</strong>r Anführer unserer Errettung. Er selbst ging durch Lei<strong>de</strong>n zur Herrlichkeit. Er<br />
ist unser Vorbild (1. Pet 2,23).<br />
Beachten wir, dass von Streitern „Christi Jesu“ die Re<strong>de</strong> ist. Auf die Beson<strong>de</strong>rheit <strong>de</strong>r<br />
Reihenfolge hatten wir weiter oben schon hingewiesen. Es ist Christus, <strong>de</strong>r zur Rechten<br />
Gottes erhöhte Mensch, <strong>de</strong>r einst selbst durch tiefe Lei<strong>de</strong>n und Trübsale gegangen ist.<br />
Darüber hinaus sollen wir nicht einfach nur Kämpfer sein, son<strong>de</strong>rn wir sollen „gute“ Streiter<br />
Christi sein. Das Wort meint das, was „e<strong>de</strong>l“ ist. Gute Streiter sind wir dann, wenn man uns<br />
nichts vorwerfen kann.<br />
„Niemand, <strong>de</strong>r Kriegsdienste tut, verwickelt sich in die Beschäftigungen <strong>de</strong>s Lebens, damit<br />
er <strong>de</strong>m gefalle, <strong>de</strong>r ihn angeworben hat“ (Vers 4).<br />
Aktive Soldaten<br />
Jetzt heißt es nicht mehr einfach „Streiter Christi Jesu“, son<strong>de</strong>rn wir lesen von Leuten, die<br />
„Kriegsdienste tun“. Das be<strong>de</strong>utet, dass jemand tatsächlich in <strong>de</strong>n Krieg zieht. Gemeint ist<br />
ein aktiver Dienst für <strong>de</strong>n Herrn. Man kann Soldat sein und doch nicht kämpfen. Es gibt<br />
Soldaten, die in <strong>de</strong>r Kaserne o<strong>de</strong>r zu Hause sind. Aber hier ist ein aktiver Kampf gemeint.<br />
Als Christen befin<strong>de</strong>n wir uns nie im Ruhestand. Unsere Aufgabe, für <strong>de</strong>n Herrn zu arbeiten,<br />
ist eine „Vollzeitaufgabe“.<br />
Konzentration auf das Wesentliche<br />
Der aktive Soldat verwickelt sich nicht in die Beschäftigungen <strong>de</strong>s Lebens. Er weiß, worauf<br />
es ankommt. Darauf konzentriert er sich. „Verwickeln“ meint, in etwas aufzugehen. Das<br />
Wort wird außer an dieser Stelle noch in 2. Petrus 2,20 gebraucht, wo es um das Verwickeln<br />
in die Befleckung <strong>de</strong>r Welt geht. Wörtlich heißt es soviel wie „weben“. Man könnte also<br />
vom einem „Verflechten“ sprechen.<br />
Es geht hier um die Frage, was das Wesentliche in unserem Leben ist und worauf wir uns<br />
konzentrieren. Welchen Stellenwert haben die Dinge <strong>de</strong>s täglichen Lebens, und welchen<br />
Stellenwert haben <strong>de</strong>r Dienst und <strong>de</strong>r Kampf für unseren Herrn? Ein Ausleger hat das<br />
einmal in etwa so ausgedrückt: „Kümmern wir uns um an<strong>de</strong>re Dinge als um <strong>de</strong>n Herrn,<br />
geben wir die Abson<strong>de</strong>rung, die Hingabe und <strong>de</strong>n Gehorsam an Ihn auf.“<br />
Es wird an dieser Stelle nicht gesagt, dass ein Streiter Christi nicht <strong>de</strong>n täglichen<br />
Beschäftigungen <strong>de</strong>s Lebens nachgehen sollte. Das ist nicht gemeint. Die meisten Christen<br />
gehen einer regelmäßigen Berufstätigkeit nach o<strong>de</strong>r kümmern sich um <strong>de</strong>n Haushalt. Das<br />
ist nach <strong>de</strong>n Gedanken Gottes unbedingt richtig. Wir sollen im Berufsleben fleißig sein.<br />
Paulus selbst war auch berufstätig. Gleiches gilt für die jungen Leute in <strong>de</strong>r Schule und in<br />
<strong>de</strong>r Ausbildung o<strong>de</strong>r für die Arbeit zu Hause. In all diesen Dingen sollen wir im Fleiß „nicht<br />
säumig“ sein (Röm 12,11). Der Punkt, auf <strong>de</strong>n wir hier aufmerksam gemacht wer<strong>de</strong>n, ist <strong>de</strong>r,<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
dass wir uns darin nicht verwickeln – o<strong>de</strong>r einwickeln – lassen. Die Beschäftigungen <strong>de</strong>s<br />
Lebens sollen uns nicht „auffressen“. Sie sollen uns nicht so vereinnahmen, dass wir ganz<br />
darin aufgehen. Der Alltag mit seinen Anfor<strong>de</strong>rungen an uns kann uns so sehr die Luft<br />
wegnehmen, dass wir nicht mehr dazu kommen, für unseren Herrn im Kampf dazustehen.<br />
Die Alltagsgeschäfte dürfen nicht zur Hauptsache in unserem Leben wer<strong>de</strong>n. Der Dienst für<br />
Christus muss immer <strong>de</strong>n ersten Platz in unserem Leben haben. Den Korinthern, die wohl<br />
überwiegend berufstätig waren, wird gesagt, dass sie allezeit überströmend sein sollten im<br />
Werk <strong>de</strong>s Herrn (1. Kor 15,58). Das gilt für uns alle. Je<strong>de</strong>r von uns ist gemeint.<br />
Die Gefahr, in die Beschäftigungen <strong>de</strong>s Lebens verwickelt zu wer<strong>de</strong>n, ist für uns alle sehr<br />
groß – ganz beson<strong>de</strong>rs in letzten Tagen und schweren Zeiten. Neben <strong>de</strong>n Erfor<strong>de</strong>rnissen<br />
<strong>de</strong>s Berufslebens bietet Satan uns gera<strong>de</strong> heute eine bunte Palette von Beschäftigungen <strong>de</strong>s<br />
Lebens an, die in sich nicht böse sein müssen. Das Problem ist nur: Sie rauben uns <strong>de</strong>n Blick<br />
für das Wesentliche. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage ist, wem unsere Kraft, unsere Zeit, unsere<br />
Energie gilt.<br />
Dem gefallen, <strong>de</strong>r uns angeworben hat<br />
Ein Streiter Christi Jesu will <strong>de</strong>m gefallen, <strong>de</strong>r ihn angeworben (rekrutiert) hat. Wir gehören<br />
nicht uns selbst, son<strong>de</strong>rn wir gehören unserem Herrn. Er hat uns angeworben – und zwar<br />
um einen hohen Preis. Es wird hier nicht erwähnt, aber wir können es nie vergessen: Der<br />
Herr Jesus ist für uns gestorben. Sein Blut war <strong>de</strong>r Preis (1. Pet 1,19). Deshalb stellt sich jetzt<br />
die Frage für je<strong>de</strong>n: Wollen wir Ihm gefallen? Er hat alles für uns gegeben. Und nicht nur<br />
das. Er tat es aus Liebe. Der Herr Jesus hat uns geliebt und sich selbst für uns hingegeben.<br />
Paulus erinnert die Korinther daran, dass sie um einen Preis erkauft waren und fügt hinzu:<br />
„Verherrlicht nun Gott“ (1. Kor 6,20).<br />
Der Herr Jesus selbst ist darüber hinaus unser Vorbild. Er wollte, als Er als Mensch auf<br />
<strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> war, seinem Gott in allem „gefallen“. Er tat immer und zu je<strong>de</strong>r Zeit das Ihm<br />
„Wohlgefällige“. Es war seine Speise, <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>ssen zu tun, <strong>de</strong>r Ihn gesandt hatte<br />
(Joh 4,34). Paulus ist uns darin ebenfalls ein Ansporn. Es war für ihn keine weltfrem<strong>de</strong><br />
Aussage, als er <strong>de</strong>n Philippern schrieb: „Das Leben ist für mich Christus“ (Phil 1,21). Er<br />
wollte nur für Christus da sein. Die Frage stellt sich für uns: Was macht unser Leben aus?<br />
Für wen o<strong>de</strong>r was leben wir? Ist es <strong>de</strong>r Beruf, die Karriere, <strong>de</strong>r Sport, die Musik, das Hobby –<br />
o<strong>de</strong>r ist es Christus? Wem wollen wir gefallen? Wenn es <strong>de</strong>r ist, <strong>de</strong>r uns angeworben hat,<br />
dann geht es uns im Dienst auch nicht darum, an<strong>de</strong>ren Menschen o<strong>de</strong>r gar uns selbst zu<br />
gefallen.<br />
„Wenn aber auch jemand kämpft, so wird er nicht gekrönt, es sein <strong>de</strong>nn, er habe<br />
gesetzmäßig gekämpft“ (Vers 5).<br />
Zweites Bild: Der Sportler<br />
Als zweites Bild stellt Paulus einen Sportler vor. Der „Kämpfer“ ist hier nicht ein<br />
Soldat, son<strong>de</strong>rn gemeint ist das „Kämpfen im Kampfspiel“. Es geht um einen sportlichen<br />
Wettkämpfer (Athlet = gr. athleo). Sportliche Wettkämpfe waren im alten Griechenland<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
bekannt und beliebt. Denken wir nur an <strong>de</strong>n Ursprung <strong>de</strong>r Olympischen Spiele. Deshalb<br />
spricht Paulus in seinen Briefen öfter darüber und erläutert auf diese Weise geistliche<br />
Wahrheiten.<br />
Wir wollen am Rand bemerken, dass <strong>de</strong>r Sport in <strong>de</strong>r Gesellschaft, in <strong>de</strong>r wir leben, einen<br />
sehr hohen Stellenwert hat. Für viele Kin<strong>de</strong>r Gottes stellt er eine reale Gefahr dar. Paulus<br />
schreibt an Timotheus: „Die leibliche Übung ist zu wenigem nützlich“ (1. Tim 4,8). In Maßen<br />
betrieben ist Sport durchaus für einen Christen akzeptabel und hat einen gesundheitlichen<br />
Wert. Die Gefahr besteht jedoch, dass er schnell einen zu hohen Stellenwert in unserem<br />
Leben einnimmt (aktiv wie passiv) und uns auf diese Weise Zeit für <strong>de</strong>n Herrn wegnimmt.<br />
Voraussetzungen<br />
Im alten Griechenland gab es – soweit wir heute wissen – hauptsächlich drei<br />
Voraussetzungen, um an <strong>de</strong>n großen sportlichen Wettkämpfen teilnehmen zu können:<br />
1. Der Teilnehmer musste ein Zertifikat seiner Abstammung vorweisen können. Es<br />
musste klar sein, woher er kam. Übertragen auf uns Christen könnten wir sagen,<br />
dass ein Knecht <strong>de</strong>s Herrn wie<strong>de</strong>rgeboren sein muss, um im Dienst für Ihn stehen zu<br />
können. Auf die Frage „echt“ o<strong>de</strong>r „unecht“ kommt Paulus im weiteren Verlauf <strong>de</strong>s<br />
Kapitels noch zu sprechen.<br />
2. Der Teilnehmer musste bereit sein, sich einem intensiven Training von mehreren<br />
Monaten zu unterziehen. In dieser Zeit galt es, auf alles an<strong>de</strong>re zu verzichten. Auf<br />
uns übertragen <strong>de</strong>nken wir daran, dass wir uns als Christen zur Gottseligkeit üben<br />
sollen (1. Tim 4,7). Im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn gilt es darüber hinaus, auf manches zu<br />
verzichten, was <strong>de</strong>m Fleisch angenehm erscheint.<br />
3. Der Teilnehmer musste seine Bereitschaft erklären, sich <strong>de</strong>n gelten<strong>de</strong>n Regeln zu<br />
unterwerfen. Tat er das nicht, wur<strong>de</strong> er disqualifiziert o<strong>de</strong>r ihm wur<strong>de</strong> – wenn es<br />
später bekannt wur<strong>de</strong> – <strong>de</strong>r Sieg aberkannt. Als Diener <strong>de</strong>s Herrn müssen wir bereit<br />
sein, uns <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>s Wortes Gottes zu unterwerfen und nicht eigenmächtig zu<br />
han<strong>de</strong>ln.<br />
Die Art und Weise ist wichtig<br />
Genau um diesen dritten Punkt geht es in unserem Text. Der Sportler wird aufgefor<strong>de</strong>rt,<br />
gesetzmäßig zu kämpfen. „Gesetzmäßig“ be<strong>de</strong>utet wörtlich „nach <strong>de</strong>n Gesetzen (Regeln)<br />
<strong>de</strong>s Kampfspiels“. Das Wort wird noch einmal in 1. Timotheus 1,8 in Verbindung mit <strong>de</strong>m<br />
Gesetz vom Sinai gebraucht. Hier ist es allgemein zu verstehen. Wer die gelten<strong>de</strong>n Regeln<br />
nicht einhält, wird nicht gekrönt. Die Krone ist die Belohnung. Davon spricht Paulus an<br />
mehreren Stellen. Es ist die Aussicht auf das, was vor uns liegt.<br />
Im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn und in seiner Nachfolge sollten wir uns verschie<strong>de</strong>ne Fragen immer<br />
wie<strong>de</strong>r stellen. Eine davon lautet: Was soll ich tun? Diese Frage bewegte <strong>de</strong>n Apostel Paulus<br />
während seiner entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n ersten Begegnung mit <strong>de</strong>m verherrlichten Herrn: „Was soll<br />
ich tun, Herr?“ (Apg 22,10). Eine weitere Frage lautet: Wann soll ich es tun? Manchmal tun<br />
wir das Richtige, wir tun es jedoch nicht zum richtigen Zeitpunkt. Aber die Frage, um die es<br />
hier geht, lautet: Wie soll ich es tun? Das ist die Frage nach <strong>de</strong>r Art und Weise.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
In <strong>de</strong>r Welt hört man manchmal die Aussage: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Das will sagen:<br />
Entschei<strong>de</strong>nd ist nicht, wie ich etwas tue, son<strong>de</strong>rn dass ich es überhaupt tue. Das mag sich<br />
auf <strong>de</strong>n ersten Blick gut anhören. Es ist aber mit <strong>de</strong>n Gedanken Gottes nicht vereinbar. Es<br />
ist durchaus wichtig, was wir tun. Es ist auch wichtig, wann wir es tun. Aber es ist ebenso<br />
wichtig, wie wir etwas tun. Die gute Absicht allein reicht nicht aus. Im Sport ist das übrigens<br />
bis heute nicht an<strong>de</strong>rs. Wer sich nicht an die Regeln hält, wird disqualifiziert. Paulus konnte<br />
am En<strong>de</strong> seines Lebens sagen, dass er <strong>de</strong>n guten Kampf gekämpft, <strong>de</strong>n Lauf vollen<strong>de</strong>t und<br />
<strong>de</strong>n Glauben bewahrt hatte. Danach spricht er von <strong>de</strong>r Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, die er<br />
bekommen wür<strong>de</strong> (2. Tim 4,8). Paulus hatte das befolgt, wozu er uns hier aufruft.<br />
Es geht im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn nicht primär darum, dass wir große Dinge tun, son<strong>de</strong>rn<br />
dass wir <strong>de</strong>n Willen unseres Herrn in Treue erfüllen – und zwar so, wie Er es will. Es geht<br />
um Treue und Gehorsam. Menschen glänzen gerne durch große Taten. Wir sollen vielmehr<br />
durch Treue und Gehorsam glänzen. Auch in Tagen von Verfall und Nie<strong>de</strong>rgang halten wir<br />
die „Spielregeln“ ein. Zeiten än<strong>de</strong>rn sich -; die Regeln Gottes nicht.<br />
Das große Vorbild ist auch in diesem Punkt unser Herr selbst. Als Er in Gethsemane<br />
im ringen<strong>de</strong>n Kampf war, betete Er zu seinem Vater. Markus schil<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>n Inhalt dieses<br />
ergreifen<strong>de</strong>n Gebets mit <strong>de</strong>n Worten: „Nicht, was ich will, son<strong>de</strong>rn was du willst“ (Mk 14,36).<br />
Der Herr wollte <strong>de</strong>n Willen seines Vaters tun und nicht seinen eigenen. Matthäus hingegen<br />
berichtet es so: „Nicht wie ich will, son<strong>de</strong>rn wie du willst“ (Mt 26,39). Hier geht es um die Art<br />
und Weise, wie <strong>de</strong>r Herr das Werk vollbringen wollte. Der Unterschied ist beachtenswert.<br />
„Der Ackerbauer muss, um die Früchte zu genießen, zuerst arbeiten“ (Vers 6).<br />
Drittes Bild: Der Ackerbauer<br />
Der Beruf <strong>de</strong>s Ackerbauern war in <strong>de</strong>r damaligen Zeit weit verbreitet. Es war ein Beruf,<br />
<strong>de</strong>r mit harter Arbeit und großer Mühe verbun<strong>de</strong>n war. Dem Soldaten stehen in <strong>de</strong>r Regel<br />
an<strong>de</strong>re zur Seite, die ihn anspornen und unterstützen. Im sportlichen Wettkampf gibt es<br />
Mitsportler und Zuschauer, die <strong>de</strong>n Kämpfer anspornen. Der Ackerbauer hingegen arbeitet<br />
oft ganz allein. Auch das will gelernt sein. Im Alltag sind wir im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn<br />
oft auf uns allein gestellt. Die Arbeit <strong>de</strong>s Bauern ist oft monoton, ermü<strong>de</strong>nd. Sie erscheint<br />
wenig attraktiv. Da brauchen wir vor allem Geduld.<br />
Saat und Ernte<br />
Das Bild von Saat und Ernte wird in <strong>de</strong>r Bibel an mehreren Stellen gebraucht, um geistliche<br />
Wahrheiten zu illustrieren. Hier geht es konkret um die Belehrung, dass Ergebnisse im Werk<br />
<strong>de</strong>s Herrn nicht „von selbst“ kommen, son<strong>de</strong>rn – aus <strong>de</strong>r Sicht unserer Verantwortung – das<br />
Ergebnis von Mühe und Arbeit sind. Auf eine kurze Formel gebracht, lautet die Belehrung:<br />
„Von nichts kommt nichts“, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rs ausgedrückt: „Ohne Fleiß kein Preis“.<br />
Paulus fügt an an<strong>de</strong>rer Stelle einen Gedanken hinzu, <strong>de</strong>n wir ebenfalls beachten wollen.<br />
Er zeigt uns die Seite Gottes. Er schreibt: „Ich habe gepflanzt, Apollos hat begossen, Gott<br />
aber hat das Wachstum gegeben“ (1. Kor 3,6). Das ist die Seite Gottes. Uns fällt es oft<br />
schwer, auf das Wachstum und die Ergebnisse zu warten. Deshalb spricht Jakobus von <strong>de</strong>r<br />
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Geduld (vgl. Jak 5,7.8). So viel an uns liegt, sollen und müssen wir arbeiten. Aber we<strong>de</strong>r die<br />
Wetterbedingungen noch das Wachstum können wir beeinflussen. Dafür sorgt Gott.<br />
Ohne Fleiß kein Preis<br />
Der Gedanke in unserem Vers ist also <strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Fleißes und <strong>de</strong>r Bemühung. Das für „arbeiten“<br />
gebrauchte Wort meint hier „sich abplagen und sich im Schweiß seines Angesichts bis zur<br />
Erschöpfung anstrengen“. Der Beruf <strong>de</strong>s Landwirtes beinhaltete damals ein Höchstmaß<br />
an harter Arbeit. Es war wirkliche körperliche Anstrengung damit verbun<strong>de</strong>n. Diese<br />
Anstrengung und Mühe soll uns im Dienst kennzeichnen. Arbeit im Werk <strong>de</strong>s Herrn<br />
ist kein gemütlicher Spaziergang im Sonnenschein, son<strong>de</strong>rn be<strong>de</strong>utet mitunter echte Mühe<br />
und Einsatz.<br />
Wir lernen, dass „jetzt“ die Zeit <strong>de</strong>s Arbeitens ist. Die Zeit <strong>de</strong>r Ernte und <strong>de</strong>r Ruhe liegt<br />
noch vor uns. Aber sie kommt ganz sicher. Lohn – <strong>de</strong>n Genuss <strong>de</strong>r Früchte – gibt es „an<br />
jenem Tag“. Damit sind <strong>de</strong>r Richterstuhl Christi und das darauf folgen<strong>de</strong> Reich gemeint.<br />
Natürlich lässt <strong>de</strong>r Herr uns oft zur Ermunterung die Ergebnisse unserer Arbeit schon hier<br />
auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sehen. Aber <strong>de</strong>r eigentliche Tag <strong>de</strong>r „Abrechnung“ o<strong>de</strong>r „Vergeltung“ – im<br />
positiven Sinn – liegt noch vor uns.<br />
In Psalm 126,5.6 lesen wir: „Die mit Tränen säen, wer<strong>de</strong>n mit Jubel ernten. Er geht hin<br />
unter Weinen und bringt <strong>de</strong>n Samen zur Aussaat; er kommt heim mit Jubel und trägt<br />
seine Garben.“ Das bezieht sich prophetisch auf <strong>de</strong>n Überrest aus Israel. In <strong>de</strong>r Anwendung<br />
<strong>de</strong>nken wir erstens an unseren Herrn. Auf Golgatha hat Er <strong>de</strong>n Samen zu Aussaat gebracht –<br />
das Weizenkorn ist in die Er<strong>de</strong> gefallen –, um sich dann später von <strong>de</strong>r Frucht <strong>de</strong>r Mühsal<br />
seiner Seele zu sättigen. Aber wir können das ebensogut auf uns anwen<strong>de</strong>n. Wer jetzt mit<br />
Mühe – und manchmal mit Tränen – sät, wird einmal mit Jubel ernten. Das Versprechen<br />
Gottes gilt immer noch: „Wirf <strong>de</strong>in Brot hin auf die Fläche <strong>de</strong>r Wasser, <strong>de</strong>nn nach vielen<br />
Tagen wirst du es fin<strong>de</strong>n“ (Pred 11,1). Wer von uns wollte nicht einmal das Wort <strong>de</strong>s Herrn<br />
hören: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles wer<strong>de</strong><br />
ich dich setzen; geh ein in die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>ines Herrn“ (Mt 25,21)?<br />
Paulus selbst ist uns in <strong>de</strong>r Frage <strong>de</strong>s Fleißes und <strong>de</strong>s Einsatzes ein schönes Vorbild. Paulus<br />
war fleißig und bemühte sich – wie kein an<strong>de</strong>rer – im Werk <strong>de</strong>s Herrn. Er schreibt an die<br />
Korinther: „Aber durch Gottes Gna<strong>de</strong> bin ich, was ich bin; und seine Gna<strong>de</strong> gegen mich<br />
ist nicht vergeblich gewesen, son<strong>de</strong>rn ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber<br />
ich, son<strong>de</strong>rn die Gna<strong>de</strong> Gottes, die mit mir war“ (1. Kor 15,10). Dieser Vers verbin<strong>de</strong>t die<br />
Seite <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes mit unserer Seite <strong>de</strong>r Verantwortung. Paulus beginnt mit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong><br />
und en<strong>de</strong>t mit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>. Er wusste sich völlig abhängig von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>. Aber was seine<br />
Verantwortung betraf, hatte er viel mehr gearbeitet als alle an<strong>de</strong>ren.<br />
„Be<strong>de</strong>nke, was ich sage; <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Herr wird dir Verständnis geben in allen Dingen“<br />
(Vers 7).<br />
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Be<strong>de</strong>nken<br />
Timotheus wird in verschie<strong>de</strong>ner Weise aufgefor<strong>de</strong>rt, richtig umzugehen mit <strong>de</strong>m, was<br />
Paulus ihm sagte. Er sollte das Bild gesun<strong>de</strong>r Worte „festhalten“ (Kapitel 1,13). Er sollte<br />
das schöne anvertraute Gut „bewahren“ (Kapitel 1,14). Er sollte in <strong>de</strong>m „bleiben“, was er<br />
gelernt hatte (Kapitel 3,14). Hier wird ihm gesagt, dass er es „be<strong>de</strong>nken“ sollte. Paulus<br />
konnte Timotheus die Wahrheit vermitteln und erklären. Aber das „Be<strong>de</strong>nken“ musste<br />
er selbst tun. Das kann keiner für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren tun. „Be<strong>de</strong>nken“ be<strong>de</strong>utet so viel wie<br />
„nachsinnen“, „abwägen“, „über<strong>de</strong>nken“. Das Ziel ist, dass das Gehörte kein intellektuelles<br />
Gepäckstück ist, son<strong>de</strong>rn innerlicher Besitz wird. In 3. Mose 11,3 spricht Gott von Tieren,<br />
die Wie<strong>de</strong>rkäuer waren. Das ist <strong>de</strong>r Punkt, um <strong>de</strong>n es hier geht. Wir sollen die göttlichen<br />
Gedanken verinnerlichen, in<strong>de</strong>m wir sie „wie<strong>de</strong>rkäuen“.<br />
Dazu brauchen wir Zeit – und genau die fehlt uns oft in unserer hektischen Zeit.<br />
Das Bild einer Her<strong>de</strong> gibt uns Anschauungsunterricht. Im Alten Testament wer<strong>de</strong>n die<br />
Begriffe „nähren“ (wei<strong>de</strong>n) und „lagern“ oft miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n (z. B. Hes 34,14; Ps 23).<br />
Richtungweisend ist das Beispiel von Maria aus Bethanien. Sie verbrachte Zeit zu <strong>de</strong>n Füßen<br />
<strong>de</strong>s Herrn Jesus. Damit hatte sie das gute Teil erwählt. Je schwieriger die Zeit, umso mehr<br />
brauchen wir die Stille, um in Ruhe das Wort Gottes zu über<strong>de</strong>nken.<br />
Verständnis in allen Dingen<br />
Das genau ist <strong>de</strong>r Weg, um wirkliches Verständnis zu bekommen. Das ist die Zusage,<br />
die Gott hier gibt. Das ist <strong>de</strong>r Weg zu wahrer Einsicht. Er führt nicht über natürliche<br />
Intelligenz, son<strong>de</strong>rn über das ruhige Nach<strong>de</strong>nken über Gottes Wort. Woher hatte Maria<br />
das Verständnis, zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu tun -; und dann noch auf die<br />
richtige Art und Weise? Sie hatte es zu <strong>de</strong>n Füßen <strong>de</strong>s Meisters bekommen. Jakobus schreibt<br />
dazu: „Wer ist weise und verständig unter euch? Er zeige aus <strong>de</strong>m guten Wan<strong>de</strong>l seine<br />
Werke in Sanftmut <strong>de</strong>r Weisheit. Wenn ihr aber bitteren Neid und Streitsucht in eurem<br />
Herzen habt, so rühmt euch nicht und lügt nicht gegen die Wahrheit. Dies ist nicht die<br />
Weisheit, die von oben herabkommt, son<strong>de</strong>rn eine irdische, sinnliche, teuflische. Denn wo<br />
Neid und Streitsucht ist, da ist Zerrüttung und je<strong>de</strong> schlechte Tat. Die Weisheit von oben<br />
aber ist erstens rein, dann friedsam, mil<strong>de</strong>, folgsam, voll Barmherzigkeit und guter Früchte,<br />
unparteiisch, ungeheuchelt“ (Jak 3,13–17).<br />
Es ist unsere Verantwortung, das zu be<strong>de</strong>nken, was wir hören und lesen. Dann han<strong>de</strong>lt <strong>de</strong>r<br />
Herr. Er gibt Verständnis. Wie<strong>de</strong>r wird die Seite unserer Verantwortung mit seiner Seite <strong>de</strong>s<br />
Han<strong>de</strong>lns in Gna<strong>de</strong> verbun<strong>de</strong>n. Es war <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Jüngern am Auferstehungstag die<br />
Schriften öffnete und ihnen dann das Verständnis dafür gab (Lk 24,27.32.45). Wir brauchen<br />
dieses Verständnis in vielen Fragen, wo wir nicht sofort klar sehen. Deshalb ist es ein gutes<br />
Prinzip, erst einmal darüber nachzu<strong>de</strong>nken und zu beten. Oft sehen wir danach klar.<br />
„Halte im Gedächtnis Jesus Christus, auferweckt aus <strong>de</strong>n Toten, aus <strong>de</strong>m Geschlecht<br />
Davids, nach meinem Evangelium“ (Vers 8).<br />
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Im Gedächtnis halten<br />
Es ist ohne Frage wichtig, mit unserem Dienst und unseren Aufgaben beschäftigt zu sein.<br />
Paulus hat das in <strong>de</strong>n drei vorgestellten Bil<strong>de</strong>rn (Soldat, Athlet, Ackerbauer) gezeigt. Jetzt<br />
kommt er zu einem ganz zentralen Thema, nämlich zu <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Herrn Jesus selbst.<br />
Er lenkt <strong>de</strong>n Blick von Timotheus auf Christus hin. So wichtig unser Dienst ist, er ist nie<br />
Selbstzweck. Bei aller Arbeit für <strong>de</strong>n Herrn dürfen wir Jesus Christus nicht vergessen.<br />
Viele Stellen im Neuen Testament beschäftigen uns mit <strong>de</strong>m, was Christus für uns und mit<br />
uns getan hat. An<strong>de</strong>re Stellen zeigen uns, welche Folgen das Werk <strong>de</strong>s Herrn Jesus für uns<br />
hat. Hier geht es jedoch primär um die Person <strong>de</strong>s Herrn Jesus selbst und nicht so sehr um<br />
sein Han<strong>de</strong>ln, auch wenn wir das nie voneinan<strong>de</strong>r trennen können. A. Remmers schreibt:<br />
„Christus ist <strong>de</strong>r Prüfstein und das Wesen aller Wahrheit und zugleich <strong>de</strong>r Gegenstand und<br />
die Erfüllung aller Verheißungen Gottes, aber Er ist noch mehr: Er ist <strong>de</strong>r Zentralpunkt<br />
<strong>de</strong>r Gedanken Gottes und muss es auch für uns sein und bleiben.“ [1] Es geht um Christus<br />
selbst, <strong>de</strong>n wir im Gedächtnis halten sollen.<br />
Im „Gedächtnis halten“ ist kein gut gemeinter und unverbindlicher Ratschlag. Es geht um<br />
eine klare Auffor<strong>de</strong>rung. Timotheus konnte mit dieser Auffor<strong>de</strong>rung nicht tun und lassen,<br />
was er wollte. Jesus Christus im Gedächtnis zu halten ist kein Wunsch, <strong>de</strong>n man ohne<br />
Folgen einfach ignorieren kann. Darüber hinaus ist es nicht etwas Einmaliges, son<strong>de</strong>rn<br />
eine Haltung, die uns ständig prägen sollte. etwas, das immer wie<strong>de</strong>r geschehen sollte. Wir<br />
können und dürfen Ihn einfach nicht vergessen.<br />
Jesus Christus<br />
Paulus weist hier auf das große Vorbild hin. Der Weg <strong>de</strong>s Dieners Gottes geht durch Lei<strong>de</strong>n<br />
zur Herrlichkeit. Das genau war <strong>de</strong>r Weg, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Herr Jesus ging. Petrus schreibt: „Denn<br />
hierzu seid ihr berufen wor<strong>de</strong>n; <strong>de</strong>nn auch Christus hat für euch gelitten, euch ein Beispiel<br />
hinterlassend, damit ihr seinen Fußstapfen nachfolgt“ (1. Pet 2,21). Hier geht es nicht um<br />
die sühnen<strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Herrn. Darin hat Er uns kein Beispiel hinterlassen. Es geht um<br />
die Lei<strong>de</strong>n während seines Lebens. In Hebräer 12,2 lesen wir: „ . . . hinschauend auf Jesus,<br />
<strong>de</strong>n Anfänger und Vollen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Glaubens, <strong>de</strong>r, die Schan<strong>de</strong> nicht achtend, für die vor ihm<br />
liegen<strong>de</strong> Freu<strong>de</strong> das Kreuz erdul<strong>de</strong>te.“ Jesus Christus hat auf dieser Er<strong>de</strong> Gott gedient. Er hat<br />
gelitten. Er hat <strong>de</strong>n Lauf vollen<strong>de</strong>t. Jetzt ist Er in <strong>de</strong>r Herrlichkeit. Einmal kommt <strong>de</strong>r Tag,<br />
wo Er in königlicher Herrlichkeit auf dieser Er<strong>de</strong> erscheinen wird, um das Tausendjährige<br />
Reich zu grün<strong>de</strong>n. Die ständige Erinnerung an Ihn ist für je<strong>de</strong>n wichtig und unerlässlich,<br />
<strong>de</strong>r im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn steht. Beson<strong>de</strong>rs dann, wenn es schwierig wird, gibt uns gera<strong>de</strong><br />
dies Mut und Ausharren.<br />
Drei Dinge wer<strong>de</strong>n in unserem Vers in Erinnerung gerufen. Erstens ist die Re<strong>de</strong> von „Jesus<br />
Christus“. Zweitens wird die Tatsache vorgestellt, dass Er auferweckt wur<strong>de</strong>. Drittens wird<br />
gezeigt, dass Er aus <strong>de</strong>m Geschlecht Davids ist.<br />
1. Es geht um die Person Christi selbst. Er ist „Jesus Christus“. Wir haben schon gesehen,<br />
dass dieser Brief auffallend oft <strong>de</strong>n Titel „Christus Jesus“ gebraucht. Bezeichnen<strong>de</strong>rweise ist<br />
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die Reihenfolge in diesem Vers umgekehrt: „Jesus Christus“. Es ist – so weit ich es sehen<br />
kann – die einzige Stelle in diesem Brief, wo dieser Ausdruck „Jesus Christus“ ohne weiteren<br />
Zusatz in dieser Reihenfolge vorkommt. Während uns die Reihenfolge „Christus Jesus“ auf<br />
<strong>de</strong>n verherrlichten Herrn im Himmel hinweist, <strong>de</strong>r einst in Niedrigkeit auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> war,<br />
lässt uns die Reihenfolge „Jesus Christus“ zunächst an seinen Weg als Mensch hier auf <strong>de</strong>r<br />
Er<strong>de</strong> <strong>de</strong>nken. Es war ein Weg, <strong>de</strong>r durch Lei<strong>de</strong>n gekennzeichnet war und danach in <strong>de</strong>r<br />
Herrlichkeit en<strong>de</strong>te. Das ist an dieser Stelle eine Ermunterung für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Ihm nachfolgen<br />
und dienen möchte. Wie schwer die Zeiten sein mögen, wir <strong>de</strong>nken an <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ssen Weg<br />
durch Lei<strong>de</strong>n zur Herrlichkeit führte. Wir sollten <strong>de</strong>n Lei<strong>de</strong>nsweg <strong>de</strong>s Herrn Jesus Christus<br />
immer vor Augen haben. Das hilft und motiviert uns.<br />
2. Er ist aus <strong>de</strong>n Toten auferweckt. Darin liegt zweierlei:<br />
• Erstens wer<strong>de</strong>n wir daran erinnert, dass Er lebt. Er hat sein Leben in <strong>de</strong>n Tod<br />
gegeben. Er hat durch <strong>de</strong>n Tod <strong>de</strong>n zunichte gemacht, <strong>de</strong>r die Macht <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s<br />
hatte. Er hat Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht (Kapitel 1,10). Der Tod<br />
konnte Ihn jedoch nicht halten. Gott konnte nicht zusehen, dass sein Frommer die<br />
Verwesung sehen wür<strong>de</strong> (Ps 16,10). Er hat Ihn auferweckt. Wir haben es nicht mit<br />
einem gestorbenen, son<strong>de</strong>rn mit einem leben<strong>de</strong>n Christus zu tun. Die Tatsache, dass<br />
Er lebt, zeigt, dass Er <strong>de</strong>r Sieger von Golgatha ist. Wir stehen jetzt auf <strong>de</strong>r Seite<br />
<strong>de</strong>s Siegers – auch wenn unser Dienst mit Lei<strong>de</strong>n und Trübsal verbun<strong>de</strong>n ist. Die<br />
Erinnerung daran gibt uns Mut, in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n auszuhalten und unseren<br />
Dienst zu tun.<br />
• Zweitens zeigt uns die Auferstehung von Christus die Größe und Macht <strong>de</strong>r Kraft<br />
Gottes. Es ist „die Macht seiner Stärke, in <strong>de</strong>r er gewirkt hat in <strong>de</strong>m Christus, in<strong>de</strong>m<br />
er ihn aus <strong>de</strong>n Toten auferweckte“ (Eph 1,19.20). Die überragen<strong>de</strong> Größe seiner<br />
Kraft ist an uns, <strong>de</strong>n Glauben<strong>de</strong>n, wirksam gewor<strong>de</strong>n, als wir mit Christus lebendig<br />
gemacht wur<strong>de</strong>n. Diese Kraft Gottes steht uns jetzt im Dienst und in <strong>de</strong>r Nachfolge<br />
zur Verfügung. Obwohl es äußerlich viel Schwachheit gibt, obwohl das christliche<br />
Zeugnis insgesamt am Bo<strong>de</strong>n liegt – die Kraft Gottes ist immer noch da. Die Tatsache,<br />
dass Christus lebt, ist <strong>de</strong>r Beweis dafür. Auch darin liegt eine große Motivation, nicht<br />
aufzugeben.<br />
3. Er ist aus <strong>de</strong>m Geschlecht Davids. Auch diese Aussage hat zwei Aspekte:<br />
• Erstens ist Er als Nachkomme Davids <strong>de</strong>rjenige, <strong>de</strong>r einen rechtmäßigen Anspruch<br />
auf das Königtum hat. Er wird einmal kommen – als König <strong>de</strong>r Könige und Herr <strong>de</strong>r<br />
Herren –, um über diese Er<strong>de</strong> zu regieren. In Ihm wer<strong>de</strong>n alle Zusagen Gottes aus<br />
<strong>de</strong>m Alten Testament ihre Erfüllung fin<strong>de</strong>n. Das im Alten Testament angekündigte<br />
Königreich wird einmal auf dieser Er<strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n. Der Herr Jesus wird als<br />
Sohn Davids die Regierung antreten. Diese Herrschaft wer<strong>de</strong>n wir, die Seinen, mit<br />
Ihm teilen. Diejenigen, die jetzt in schwerer Zeit treu zu Ihm stehen, wer<strong>de</strong>n dann<br />
vom Himmel aus mit Ihm regieren.<br />
• Zweitens erinnert uns <strong>de</strong>r Ausdruck „aus <strong>de</strong>m Geschlecht Davids“ daran, dass <strong>de</strong>r<br />
Herr Jesus wirklicher Mensch ist. In Offenbarung 22,16 wird Er als die Wurzel und<br />
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das Geschlecht Davids vorgestellt. „Wurzel“ meint „Ursprung“, „Geschlecht“ meint<br />
„Nachkomme“. Nur <strong>de</strong>r Herr Jesus als wahrer Gott und wahrer Mensch kann bei<strong>de</strong>s<br />
sein – Ursprung und Nachkomme. Von niemand an<strong>de</strong>res könnte so etwas gesagt<br />
wer<strong>de</strong>n. Der Hinweis auf seine Menschheit zeigt also nicht nur <strong>de</strong>n Anspruch auf das<br />
Königtum. Er weist uns gleichzeitig darauf hin, dass Er als Mensch gelitten hat und<br />
<strong>de</strong>shalb Verständnis für uns hat, wenn wir in schwierigen Zeiten leben. Er weiß, wie<br />
wir uns im Kampf fühlen. Er weiß, was es be<strong>de</strong>utet, <strong>de</strong>n Wettlauf zu laufen. Er weiß,<br />
was es be<strong>de</strong>utet, in Mühe und Entbehrung für Ihn zu arbeiten.<br />
Nach meinem Evangelium<br />
Die Predigt <strong>de</strong>s Evangeliums nimmt in diesem Brief einen wichtigen Platz ein. Es ist das<br />
„Evangelium Gottes“, weil Gott <strong>de</strong>r Ursprung dieser guten Botschaft an uns Menschen ist.<br />
Dennoch nennt Paulus es hier „mein Evangelium“. Das zeigt uns einerseits, wie sehr er<br />
sich persönlich damit i<strong>de</strong>ntifizierte. An<strong>de</strong>rerseits sehen wir, wie gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Apostel Paulus<br />
die Predigt und Verbreitung dieses Evangeliums als beson<strong>de</strong>rer Dienst anvertraut war. Der<br />
zentrale Mittelpunkt <strong>de</strong>s Evangeliums ist Jesus Christus.<br />
Der Römerbrief gibt uns beson<strong>de</strong>re Belehrungen über das Evangelium. Dieser Brief beginnt<br />
in Kapitel 1,1.3.4 mit <strong>de</strong>m Hinweis auf das „Evangelium Gottes . . . über seinen Sohn (<strong>de</strong>r<br />
aus <strong>de</strong>m Geschlecht Davids gekommen ist <strong>de</strong>m Fleisch nach und erwiesen ist als Sohn<br />
Gottes <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>r Heiligkeit nach durch Toten-Auferstehung)“. Diese bei<strong>de</strong>n Seiten<br />
(Sohn Davids und Totenauferstehung) klingen auch in unserem Vers an. Paulus gibt hier<br />
keine Erklärung über das Evangelium an sich, aber er <strong>de</strong>utet doch mit diesen wenigen<br />
Worten an, wer <strong>de</strong>r zentrale Mittelpunkt dieser guten Botschaft Gottes ist.<br />
„Worin ich Trübsal lei<strong>de</strong> bis zu Fesseln wie ein Übeltäter; aber das Wort Gottes ist nicht<br />
gebun<strong>de</strong>n“ (Vers 9).<br />
Trübsal lei<strong>de</strong>n<br />
Das Evangelium wird hier nicht erklärt. Wir sehen aber die Folgen, die <strong>de</strong>r Apostel Paulus<br />
in Kauf nahm, um das Evangelium zu verbreiten. Er hatte Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, an<br />
<strong>de</strong>n Trübsalen eines Streiters Christi teilzunehmen. Jetzt zeigt er ihm, wie er selbst das<br />
verwirklichte.<br />
Die Zeit <strong>de</strong>s Herrschens war für Paulus noch nicht gekommen. Sie war für Timotheus<br />
noch nicht gekommen. Sie ist für uns noch nicht gekommen. Jetzt ist die Zeit, wo wir für<br />
das Evangelium und mit <strong>de</strong>m Evangelium lei<strong>de</strong>n. Die Welt unter <strong>de</strong>r Führung Satans stellt<br />
sich immer gegen die, die das Evangelium verbreiten. So war es bei Paulus. Er war ein<br />
Gefangener in Rom. Obwohl das so war, nennt er sich trotz<strong>de</strong>m ein Gefangener <strong>de</strong>s Herrn<br />
(Kapitel 1,8). Er litt Trübsal. Wir sahen in Vers 3 – wo das gleiche Wort gebraucht wird –,<br />
dass es „Schlechtes erlei<strong>de</strong>n“ be<strong>de</strong>utet. Dem Apostel Paulus ging es wirklich schlecht. Das<br />
<strong>de</strong>utet schon <strong>de</strong>r Ausdruck „Fesseln“ an.<br />
„Worin“ be<strong>de</strong>utet „aufgrund <strong>de</strong>ssen“. Der Grund für die Trübsale war das Evangelium. Paulus<br />
wur<strong>de</strong> wie ein Übeltäter behan<strong>de</strong>lt, obwohl er keiner war. Das Wort für „Übeltäter“ fin<strong>de</strong>n<br />
wir in Lukas 23,32 wie<strong>de</strong>r, wo zwei Übeltäter mit <strong>de</strong>m Herrn Jesus gekreuzigt wur<strong>de</strong>n. Das<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
zeigt, auf was für eine Stufe man <strong>de</strong>n Apostel Paulus von Seiten <strong>de</strong>r römischen Behör<strong>de</strong>n<br />
stellte. Und doch war er kein Übeltäter. Petrus erinnert uns daran, „dass doch niemand von<br />
euch lei<strong>de</strong> als Dieb o<strong>de</strong>r Übeltäter . . . wenn aber als Christ, so schäme er sich nicht“ (1. Pet<br />
4,15.16). Das traf auf Paulus zu. Aus Sicht <strong>de</strong>r Römer war er ein Übeltäter. Aus Gottes Sicht<br />
litt er als Christ. Es war für ihn ein Teil <strong>de</strong>r Gemeinschaft seiner Lei<strong>de</strong>n (Phil 3,10).<br />
In Kapitel 3,12 schreibt Paulus: „Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus,<br />
wer<strong>de</strong>n verfolgt wer<strong>de</strong>n.“ Niemand von uns wird sich mit Paulus vergleichen wollen. Auch<br />
nicht mit Timotheus. Wir <strong>de</strong>nken an viele Gläubige, die im Lauf <strong>de</strong>r Jahrhun<strong>de</strong>rte ihr Leben<br />
für Christus gegeben haben. Wir <strong>de</strong>nken an Glaubensgeschwister, die bis heute wegen ihres<br />
christlichen Bekenntnisses in Gefängnissen und Lagern sind und große Not lei<strong>de</strong>n. Wenn<br />
uns – <strong>de</strong>n meisten je<strong>de</strong>nfalls – so etwas bis heute erspart geblieben ist, dann wollen wir<br />
unserem Herrn dafür danken. Die Frage aber bleibt, warum wir so wenig von <strong>de</strong>r Schmach<br />
<strong>de</strong>s Christus empfin<strong>de</strong>n und tragen. Liegt es daran, dass unser Lebensstil so lasch gewor<strong>de</strong>n<br />
ist? Je<strong>de</strong>r Leser mag über die Frage selbst nach<strong>de</strong>nken.<br />
Das Wort Gottes ist nicht gebun<strong>de</strong>n<br />
Der Teufel hat immer versucht, die Verbreitung <strong>de</strong>s Wortes zu verhin<strong>de</strong>rn. Seine bei<strong>de</strong>n<br />
großen Taktiken sind erstens Gewalt und zweitens List. Im Fall von Paulus versuchte er<br />
es mit Gewalt. Der große Apostel <strong>de</strong>r Nationen war im Gefängnis. Der sichere Tod stand<br />
ihm bevor. Hatte Satan damit einen Sieg errungen? Mitnichten. Paulus sagt mit großer<br />
Gewissheit: „Das Wort Gottes ist nicht gebun<strong>de</strong>n.“ Heute versucht <strong>de</strong>r Teufel vielfach, die<br />
Verbreitung <strong>de</strong>s Wortes durch List – Verfälschung, Vermischung, Relativierung etc. – zu<br />
verhin<strong>de</strong>rn. Die Bibelkritik ist in vielen christlichen Kreisen „hoffähig“ gewor<strong>de</strong>n. Dennoch<br />
wissen wir: „Das Wort Gottes ist nicht gebun<strong>de</strong>n.“<br />
Es mag Satan gelingen, Prediger und Verkündiger <strong>de</strong>s Wortes zu bin<strong>de</strong>n. Es wird ihm nicht<br />
gelingen, das Wort selbst zu bin<strong>de</strong>n. Es wird laufen und verherrlicht wer<strong>de</strong>n (2. Thes 3,1).<br />
Als Paulus <strong>de</strong>n Philipperbrief schrieb, war er ebenfalls ein Gefangener. Auch dort bringt er<br />
seine Zuversicht zum Ausdruck: „Ich will aber, dass ihr wisst, Brü<strong>de</strong>r, dass meine Umstän<strong>de</strong><br />
vielmehr zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Evangeliums geraten sind“ (Phil 1,12). Seine Fesseln trugen<br />
zur För<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Evangeliums bei. Es gibt zahlreiche Beispiele in <strong>de</strong>r Kirchengeschichte,<br />
die genau das belegen. In Zeiten <strong>de</strong>r schlimmsten Christenverfolgungen schien das Licht<br />
<strong>de</strong>s Evangeliums umso heller, und zahlreiche Menschen kamen zum Glauben. Schon im<br />
Alten Testament ließ Gott ausrichten: „So wird mein Wort sein, das aus meinem Mund<br />
hervorgeht: Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, son<strong>de</strong>rn es wird ausrichten, was mir<br />
gefällt, und durchführen, wozu ich es gesandt habe“ (Jes 55,11). „Das Wort unseres Gottes<br />
besteht in Ewigkeit“ (Jes 30,8).<br />
„Deswegen erdul<strong>de</strong> ich alles um <strong>de</strong>r Auserwählten willen, damit auch sie die Errettung<br />
erlangen, die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit“ (Vers 10).<br />
Ermunterung in Trübsalen<br />
Paulus litt im Gefängnis wegen <strong>de</strong>s Evangeliums, was er auch tief empfand. Dennoch fand<br />
er Trost. Sein Trost bestand erstens in <strong>de</strong>r Tatsache, dass das Wort Gottes nicht gebun<strong>de</strong>n<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 55
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
ist. Den Boten konnte man bin<strong>de</strong>n, das Wort Gottes nicht. Es wür<strong>de</strong> laufen und ausrichten,<br />
wozu Gott es gesandt hatte. Zweitens tröstete Paulus sich mit <strong>de</strong>m Gedanken, dass seine<br />
Lei<strong>de</strong>n im Hinblick auf seine Mitgeschwister nicht vergeblich waren. Was er für Christus<br />
erdul<strong>de</strong>te, war zum Nutzen <strong>de</strong>r Auserwählten. Drittens fand Paulus Trost darin, dass er<br />
um die Grundsätze <strong>de</strong>r Regierung Gottes wusste. Einige dieser Grundsätze zeigt er in <strong>de</strong>n<br />
Versen 11–13 auf.<br />
„Deswegen“ be<strong>de</strong>utet „um dieser Ursache willen“. Vor<strong>de</strong>rgründig litt Paulus, weil man ihn<br />
angeklagt und für schuldig befun<strong>de</strong>n hatte. Doch erstens sah Paulus sich nicht als einen<br />
Gefangenen <strong>de</strong>r Römer, son<strong>de</strong>rn als „Gefangenen <strong>de</strong>s Herrn“ (Kapitel 1,8), was er auch<br />
während seiner ersten Gefangenschaft gewesen war. Zweitens war er ein Gefangener „für<br />
die Gläubigen“. Den Ephesern schreibt er: „Deshalb ich, Paulus, <strong>de</strong>r Gefangene Christi Jesu<br />
für euch, die Nationen . . . “ (Eph 3,1). Es war die Predigt von <strong>de</strong>m Auferstan<strong>de</strong>nen und<br />
seiner Verbindung mit <strong>de</strong>r Versammlung – die aus Ju<strong>de</strong>n und Hei<strong>de</strong>n bestand –, die ihm<br />
die Gefangenschaft eingebracht hatte. Hier <strong>de</strong>nkt Paulus nicht so sehr an die Wahrheit <strong>de</strong>r<br />
Versammlung, son<strong>de</strong>rn an die einzelnen Gläubigen. Er nennt sie „Auserwählte“. Das nimmt<br />
Bezug auf einzelne Menschen, <strong>de</strong>nn die Versammlung als Ganzes ist nicht auserwählt.<br />
Sie hat ohne Frage einen Platz im Ratschluss Gottes, aber auserwählt sind die einzelnen<br />
Gläubigen, die diese Versammlung bil<strong>de</strong>n.<br />
Auserwählung und Errettung<br />
Paulus litt nicht aus Grün<strong>de</strong>n, die er selbst verschul<strong>de</strong>t hatte. Sein Dienst für die<br />
„Auserwählten“ hatte ihn in diese Lage gebracht. Trotz<strong>de</strong>m war er nicht verbittert. Er<br />
litt für seine Glaubensgeschwister. Er wusste, welchen Wert sie in <strong>de</strong>n Augen Gottes hatten.<br />
Sie waren nicht nur „Heilige“ und „Geliebte“. Sie waren auch „Auserwählte“. Paulus wusste,<br />
dass Gott schon in <strong>de</strong>r Ewigkeit vor <strong>de</strong>r Zeit in Zuneigung und Liebe an sie gedacht hatte.<br />
In Kapitel 1,9 hatte er Timotheus schon an die Gna<strong>de</strong> erinnert, „die uns in Christus Jesus vor<br />
ewigen Zeiten“ gegeben wor<strong>de</strong>n ist. Paulus wusste, dass sie – genau wie er – die Errettung<br />
erlangen wür<strong>de</strong>n, „die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit“. Für Paulus, <strong>de</strong>r kurz<br />
vor seinem leiblichen Tod stand, war diese Errettung sicher – aber er wünschte, dass auch<br />
an<strong>de</strong>re Glauben<strong>de</strong> in schwerer Zeit in dieser Gewissheit Mut und Freu<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n sollten.<br />
Deshalb gebraucht er das Wort „auch“. Für ihn war es sicher, und diese Sicherheit wünscht<br />
er auch an<strong>de</strong>ren.<br />
Auserwählung und Errettung sind nicht i<strong>de</strong>ntisch. Auserwählung reicht weiter. Was<br />
Auserwählung be<strong>de</strong>utet, wird an an<strong>de</strong>ren Stellen erklärt. Gott hat uns vor Grundlegung<br />
<strong>de</strong>r Welt auserwählt, damit wir heilig und unta<strong>de</strong>lig vor Ihm seien in Liebe. Er hat uns die<br />
Kindschaft und die Sohnschaft geschenkt (vgl. Eph 1, 3–5). Wir sind zuvor bestimmt, „<strong>de</strong>m<br />
Bild seines Sohnes gleichförmig zu sein“ (Röm 8,29). Das wird hier nur ange<strong>de</strong>utet, wenn<br />
Paulus von <strong>de</strong>n „Auserwählten“ und <strong>de</strong>r „ewigen Herrlichkeit“ spricht, die einmal unser<br />
Teil sein wird.<br />
Errettung be<strong>de</strong>utet – ganz allgemein – die vollständige Befreiung aus aller Art von Gefahren,<br />
die uns bedrohen. Das Neue Testament zeigt uns drei Seiten unserer Errettung:<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 56
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
• a) Wenn es um unsere Seelen geht, wissen wir, dass wir errettet sind. Der Herr<br />
hat uns durch sein Werk von <strong>de</strong>n ewigen Folgen <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> (<strong>de</strong>r Verdammnis)<br />
befreit. Das Gericht, das wir verdient hatten, trifft uns nicht mehr. Satan hat keine<br />
Verfügungsgewalt mehr über uns. Wir sind errettet (Eph 2,5). Das ist <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r<br />
Vergangenheit.<br />
• b) Wenn wir an das tägliche Leben mit seinen vielen Gefahren für <strong>de</strong>n Gläubigen<br />
<strong>de</strong>nken, wissen wir, dass Er völlig zu erretten vermag, die durch Ihn Gott nahen (Heb<br />
7,25). Das ist <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r Gegenwart.<br />
• c) Wenn es um die Zukunft geht, wissen wir, dass unsere Errettung dann vollständig<br />
sein wird, wenn <strong>de</strong>r Herr Jesus als unser Erretter (Heiland) gekommen sein wird.<br />
Dann wird Er unseren Leib <strong>de</strong>r Niedrigkeit umgestalten zur Gleichförmigkeit mit<br />
seinem Leib <strong>de</strong>r Herrlichkeit (Phil 3,20.21). Das ist <strong>de</strong>r Aspekt <strong>de</strong>r Zukunft.<br />
Welche <strong>de</strong>r drei Seiten unserer Errettung wir auch immer vor uns haben -; unsere Errettung<br />
ist immer „in Christus Jesus“, <strong>de</strong>m verherrlichten Menschen im Himmel, <strong>de</strong>r einst in<br />
Niedrigkeit auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> war und unser Heiland gewor<strong>de</strong>n ist. Getrennt von Ihm gibt es<br />
keine Errettung.<br />
Der Zusammenhang unseres Verses legt <strong>de</strong>n Gedanken nahe, dass Paulus wohl an <strong>de</strong>n<br />
dritten Aspekt <strong>de</strong>r Errettung <strong>de</strong>nkt. „Errettung“ ist die notwendige Voraussetzung, damit<br />
wir das ewige Teil <strong>de</strong>r Erlösten, zu <strong>de</strong>m Gott uns auserwählt hat, erreichen können. Diese<br />
Gewissheit gab Paulus Trost und Kraft in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n – und das ist bei uns<br />
nicht an<strong>de</strong>rs. Während wir jetzt durch Trübsale gehen und lei<strong>de</strong>n, so tragen wir doch die<br />
Gewissheit mit uns, dass wir einmal an dieser vollständigen Errettung teilhaben wer<strong>de</strong>n.<br />
Es gibt Menschen, die meinen, dass es wegen <strong>de</strong>r Wahrheit <strong>de</strong>r Auserwählung nicht<br />
erfor<strong>de</strong>rlich sei, das Evangelium <strong>de</strong>s Heils (<strong>de</strong>r Errettung) einer verlorenen Welt zu<br />
verkündigen. Sie argumentieren, dass es bei Gott von vornherein feststeht, wer errettet<br />
wird und wer nicht. Wer so argumentiert, verwechselt Auserwählung und Errettung. Er<br />
verwechselt ebenfalls die Seite <strong>de</strong>r Souveränität Gottes – wie sie in <strong>de</strong>r Auserwählung<br />
vor uns kommt – und die Seite <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>s Menschen, <strong>de</strong>r das Evangelium<br />
im Glaubensgehorsam annehmen muss. Wir sehen im Leben von Paulus, wie er auf <strong>de</strong>r<br />
einen Seite von <strong>de</strong>r Auserwählung spricht, auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite aber wie kein an<strong>de</strong>rer das<br />
Evangelium verkündigt hat. Er hatte Ju<strong>de</strong>n und Griechen „die Buße zu Gott und <strong>de</strong>n Glauben<br />
an unseren Herrn Jesus Christus“ bezeugt (Apg 20,21). Die Predigt <strong>de</strong>r Botschaft ist unsere<br />
Verantwortung. Paulus war sogar bereit, dafür <strong>de</strong>n Tod zu erdul<strong>de</strong>n. Die Kenntnis von <strong>de</strong>r<br />
Wahrheit <strong>de</strong>r Auserwählung hat Paulus nie in seinem Eifer für das Evangelium gebremst.<br />
Dafür war er bereit, alles zu erdul<strong>de</strong>n – die Lei<strong>de</strong>n im Gefängnis in Rom eingeschlossen.<br />
Ewige Herrlichkeit<br />
Diese Errettung schließt die ewige Herrlichkeit ein bzw. führt dorthin. Petrus spricht<br />
ebenfalls von einer „ewigen Herrlichkeit“. „Der Gott aller Gna<strong>de</strong> aber, <strong>de</strong>r euch berufen<br />
hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, nach<strong>de</strong>m ihr eine kurze Zeit gelitten<br />
habt. . . “ (1. Pet 5,10). Petrus stellt mehrfach die Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Jetztzeit <strong>de</strong>r Herrlichkeit <strong>de</strong>s<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 57
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
zukünftigen Reiches gegenüber. Wenn er von <strong>de</strong>r ewigen Herrlichkeit spricht, meint er<br />
offensichtlich nicht das Vaterhaus, son<strong>de</strong>rn das Reich, in <strong>de</strong>m wir mit Christus herrschen<br />
wer<strong>de</strong>n, wobei die Regierung über das Reich hinausgeht. Wir wer<strong>de</strong>n in Ewigkeit mit<br />
Christus herrschen (Off 22,5). Es mag sein, dass Paulus hier ebenfalls an diese Herrlichkeit<br />
<strong>de</strong>nkt, die mit <strong>de</strong>r Herrschaft <strong>de</strong>s Christus in Verbindung steht. Es mag aber auch sein, dass<br />
es hier – in Verbindung mit <strong>de</strong>r Erinnerung an die Auserwählten – tatsächlich um die ewige<br />
Herrlichkeit <strong>de</strong>s Vaterhauses geht.<br />
„Das Wort ist gewiss; <strong>de</strong>nn wenn wir mitgestorben sind, so wer<strong>de</strong>n wir auch mitleben“<br />
(Vers 11).<br />
Eine zuverlässige Aussage<br />
Die Formulierung: „Das Wort ist gewiss“ gebraucht Paulus insgesamt fünfmal in <strong>de</strong>n<br />
Briefen an Timotheus und Titus. Das Wort „gewiss“ selbst kommt häufiger vor. Es meint<br />
„zuverlässig“, „sicher“, „treu“. Im Zusammenhang <strong>de</strong>r jeweiligen Stelle kann sich die Aussage:<br />
„Das Wort ist gewiss“ auf das beziehen, was vorher gesagt wor<strong>de</strong>n ist, o<strong>de</strong>r auf das, was<br />
<strong>de</strong>r Aussage folgt. Je<strong>de</strong>nfalls soll damit eine Aussage beson<strong>de</strong>rs betont und unterstrichen<br />
wer<strong>de</strong>n. Es scheint nahezuliegen, dass hier das Folgen<strong>de</strong> bestätigt wer<strong>de</strong>n soll.<br />
Die nachstehen<strong>de</strong>n Aussagen sind wichtig, allerdings nicht ganz einfach zu erklären. Wenn<br />
man verschie<strong>de</strong>ne <strong>Bibelkommentare</strong> geschätzter Ausleger miteinan<strong>de</strong>r vergleicht, wird man<br />
gewisse Unterschie<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n. Ich gebe hier eine eigene Meinung wie<strong>de</strong>r, maße mir aber<br />
kein endgültiges Urteil an. Es sei <strong>de</strong>m Leser überlassen, unter Gebet selbst intensiv darüber<br />
nachzu<strong>de</strong>nken.<br />
Es scheint um gewisse Grundsätze zu gehen, die wir in <strong>de</strong>r Regierung Gottes fin<strong>de</strong>n. Gottes<br />
Regierung mit uns Menschen ist grundsätzlich in zweifacher Hinsicht wirksam:<br />
• a) im Blick auf die wahren Gläubigen: Für sie gibt es in <strong>de</strong>r gegenwärtigen Zeit Lei<strong>de</strong>n<br />
und Trübsale. In <strong>de</strong>r Zukunft gibt es dafür Anerkennung und Belohnung. Für Paulus<br />
und Timotheus war das eine große Ermunterung. Das ist es für uns ebenfalls.<br />
• b) im Blick auf Menschen, die eine christliche Form haben, ohne dabei Leben aus Gott<br />
zu besitzen: In <strong>de</strong>r gegenwärtigen Zeit mag ihr Tun ohne Folgen sein. In <strong>de</strong>r Zukunft<br />
wird es jedoch nicht nur Missbilligung, son<strong>de</strong>rn sogar Vergeltung geben.<br />
In gewissem Sinn sind das die bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>r Regierung Gottes, die uns im ersten und<br />
zweiten Brief von Petrus vorgestellt wer<strong>de</strong>n. Im seinem ersten Brief spricht Petrus von <strong>de</strong>r<br />
Regierung Gottes mit <strong>de</strong>n Gläubigen. Im zweiten Brief geht es um die Regierung Gottes<br />
mit <strong>de</strong>n Ungläubigen. Das ist eine ernste Seite. Dennoch bleibt wahr, dass <strong>de</strong>r Herr bei aller<br />
Untreue auf unserer Seite sich selbst treu bleibt.<br />
Insgesamt haben wir in <strong>de</strong>n Versen 11 und 12 vier Aussagen vor uns, die jeweils einen<br />
Gegensatz vorstellen:<br />
• Mitsterben – Mitleben<br />
• Ausharren – Mitherrschen<br />
• Wir verleugnen – Er verleugnet<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
• Wir sind untreu – Er bleibt treu<br />
Mitsterben und Mitleben<br />
Für je<strong>de</strong>n Gläubigen gilt, dass er – was seine Stellung betrifft – mit Christus gestorben ist.<br />
Unser Leib (Körper) lebt zwar noch auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong>, aber Gott sieht uns jetzt schon so, dass wir<br />
mit Christus gestorben sind. Das ist die Grundlage unserer christlichen Stellung. Darüber<br />
belehrt uns speziell <strong>de</strong>r Römerbrief. Unser Leben ist jetzt verborgen mit <strong>de</strong>m Christus in<br />
Gott. Einmal wird sichtbar wer<strong>de</strong>n, wem wir angehören. Paulus schreibt <strong>de</strong>n Kolossern:<br />
„Wenn <strong>de</strong>r Christus, unser Leben, offenbart wer<strong>de</strong>n wird, dann wer<strong>de</strong>t auch ihr mit ihm<br />
offenbart wer<strong>de</strong>n in Herrlichkeit“ (Kol 3,4). Dieser Gedanke mag Paulus im Gefängnis<br />
ermutigt haben.<br />
Die Tatsache, mit Christus gestorben zu sein, hat in<strong>de</strong>s praktische Konsequenzen für unser<br />
Verhalten in dieser Welt. Wir müssen diesen Platz auch tatsächlich im Blick auf diese Welt<br />
einnehmen. Wenn wir praktisch verwirklichen, mit Christus gestorben zu sein, können<br />
uns Trübsale und Gefahren nicht vom Weg <strong>de</strong>s Gehorsams abbringen. Dann haben wir <strong>de</strong>n<br />
Mut, das Sterben Jesu allezeit an unserem Leib herumzutragen (2. Kor 4,10). Wir tun es im<br />
Hinblick auf die vor uns liegen<strong>de</strong> Zeit, wo wir mit Christus leben und verherrlicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Wir leben zwar jetzt schon auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kraft <strong>de</strong>r Auferstehung, aber wir wer<strong>de</strong>n es<br />
tatsächlich tun, wenn wir bei Christus sind und mit Ihm in Herrlichkeit erscheinen.<br />
„Wir wer<strong>de</strong>n mitleben“ nimmt ein<strong>de</strong>utig Bezug auf die Zukunft. Es ist wahr, dass Paulus<br />
an an<strong>de</strong>ren Stellen von unserem Leben spricht, das wir jetzt auf dieser Er<strong>de</strong> führen (z. B.<br />
Gal 2,20; Röm 14,8). Hier jedoch geht es darum, dass Paulus uns an die lebendige Hoffnung<br />
erinnert, die wir haben. Wir wer<strong>de</strong>n mit Ihm leben, wenn wir bei Ihm sind und Er offenbart<br />
wer<strong>de</strong>n wird.<br />
„Wenn wir ausharren, so wer<strong>de</strong>n wir auch mitherrschen; wenn wir verleugnen wer<strong>de</strong>n, so<br />
wird auch er uns verleugnen“ (Vers 12).<br />
Ausharren und Mitherrschen<br />
Lei<strong>de</strong>n und Ausharren gehören eng zusammen. Bei<strong>de</strong>s prägt die gegenwärtige Zeit. Die Zeit<br />
<strong>de</strong>s Ausharrens ist jetzt. Die Zeit <strong>de</strong>s Herrschens ist zukünftig. Dennoch besteht zwischen<br />
bei<strong>de</strong>n Aussagen ein enger Zusammenhang. Wenn wir jetzt mit Ihm ausharren, wer<strong>de</strong>n<br />
wir in Zukunft mit Ihm herrschen. Das Ausharren ist <strong>de</strong>r notwendige Weg für diejenigen,<br />
die einmal mit Christus herrschen wer<strong>de</strong>n. Der Weg <strong>de</strong>s Herrn selbst war ein Weg durch<br />
Lei<strong>de</strong>n zur Herrlichkeit. Davon hatten die Propheten gezeugt. Auch Christus hat ausgeharrt.<br />
Das ist unser Weg. Er geht jetzt durch Trübsale und Drangsale in das Reich Gottes in<br />
seiner zukünftigen, herrlichen Form (Apg 14,22). Wenn wir jetzt bereit sind, mit Christus zu<br />
lei<strong>de</strong>n und auszuharren, wer<strong>de</strong>n wir einmal mit Ihm verherrlicht wer<strong>de</strong>n und herrschen. In<br />
Offenbarung 1,9 wird das Königtum in Jesus (das be<strong>de</strong>utet „mitherrschen“) ausdrücklich<br />
mit <strong>de</strong>r Drangsal in Jesus und <strong>de</strong>m Ausharren in Jesus verbun<strong>de</strong>n.<br />
Wir wollen Gott danken, dass Er uns bisher davor bewahrt hat, unser Leben für Ihn geben<br />
zu müssen. In <strong>de</strong>n meisten <strong>de</strong>mokratischen Län<strong>de</strong>rn sind die wenigsten Christen davon<br />
bedroht. Aber wir alle müssen ausharren – manchmal sogar in schwierigen Umstän<strong>de</strong>n. Wer<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
sich treu zu Christus stellt, erfährt etwas von <strong>de</strong>r Wahrheit, an die Paulus in Kapitel 3,12<br />
erinnert: „Alle aber auch, die gottselig leben wollen, wer<strong>de</strong>n verfolgt wer<strong>de</strong>n.“ Die ersten<br />
Christen freuten sich, für Ihn zu lei<strong>de</strong>n und für <strong>de</strong>n Namen Schmach zu tragen (Apg 5,41).<br />
Dazu war Ausharren nötig. In einem gewissen Sinn ist das ein Kennzeichen je<strong>de</strong>s Christen –<br />
allerdings in unterschiedlicher Ausprägung. Wir <strong>de</strong>nken zu unserer eigenen Ermunterung<br />
an die Worte <strong>de</strong>s Herrn Jesus selbst an seine Jünger: „Ihr aber seid es, die mit mir ausgeharrt<br />
haben in meinen Versuchungen“ (Lk 22,28). Das sagte <strong>de</strong>r Herr, kurz bevor alle Ihn verlassen<br />
wür<strong>de</strong>n.<br />
„Herrschen“ steht ein<strong>de</strong>utig mit <strong>de</strong>m Reich in seiner sichtbaren Form in Verbindung. Es<br />
ist ein „Mitherrschen“. Der Herrscher selbst ist Christus. Er ist <strong>de</strong>r Erbe. Er ist <strong>de</strong>r Sohn<br />
<strong>de</strong>s Menschen, <strong>de</strong>m Gott einmal alles zu Füßen legen wird (Ps 8,7). Er ist von Gott zum<br />
Erben über alle Dinge und zum Herrscher über alle Dinge gesetzt. Wir sind seine Miterben.<br />
Die Zeit <strong>de</strong>s Herrschens ist jetzt noch nicht gekommen – we<strong>de</strong>r für Christus noch für uns.<br />
Christus sitzt jetzt auf <strong>de</strong>m Thron <strong>de</strong>s Vaters, aber noch nicht auf seinem eigenen Thron.<br />
Gott hat Ihn wohl zum Herrscher über alle Werke seiner Hän<strong>de</strong> bestimmt. Die Herrschaft<br />
ist jedoch noch nicht angetreten. Das wollen wir nicht vergessen.<br />
Das Herrschen bezieht sich unmittelbar auf das Tausendjährige Reich, das einmal auf<br />
dieser Er<strong>de</strong> gegrün<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n wird. Allerdings wird es auch danach im ewigen Zustand<br />
noch Regierung und Herrschaft geben (Off 22,5). Unser Eingang in dieses Reich wird<br />
unterschiedlich sein. Für einige gibt einen „reichlichen Eingang“ (2. Pet 1,11). An<strong>de</strong>re<br />
wer<strong>de</strong>n zwar gerettet wer<strong>de</strong>n, „doch so wie durchs Feuer“ (1. Kor 3,15). Das sind diejenigen,<br />
<strong>de</strong>ren Werke verbrennen wer<strong>de</strong>n und für die es keinen – o<strong>de</strong>r nur geringen – Lohn gibt.<br />
In <strong>de</strong>m Gleichnis von <strong>de</strong>n Knechten gibt es Knechte, die über zehn Städte gesetzt sind,<br />
während an<strong>de</strong>re über fünf Städte gesetzt sind (Lk 19,17–19). Am Richterstuhl wird es Lohn<br />
geben – und dieser Lohn fällt unterschiedlich aus. Sichtbar wird dieser Lohn, wenn wir<br />
öffentlich mit Christus erscheinen, um mit Ihm zu herrschen.<br />
Hinweis: Wenn es um das Vaterhaus geht, lesen wir an keiner Stelle von einem Unterschied.<br />
Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r dort ist, wird <strong>de</strong>m „Bild seines Sohnes“ gleichförmig sein (Röm 8,29). Als Kin<strong>de</strong>r und<br />
Söhne sind wir ohne Unterschied dort, um das ewige Leben in seiner ganzen Fülle zu genießen.<br />
Unterschie<strong>de</strong> gibt es in Verbindung mit <strong>de</strong>m Lohn. Dieser wird am Richterstuhl <strong>de</strong>s Christus<br />
ausgeteilt. Lohn ist <strong>de</strong>shalb im Neuen Testament nicht mit <strong>de</strong>m Vaterhaus, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m<br />
kommen<strong>de</strong>n Reich in seiner öffentlichen Form verbun<strong>de</strong>n.<br />
Wir verleugnen – Er verleugnet<br />
„Wenn wir verleugnen wer<strong>de</strong>n, so wird auch er uns verleugnen.“ Diese Aussage ist überaus<br />
ernst. Sie ist eine eindringliche Warnung für diejenigen, die das tun. Dabei ergibt sich<br />
natürlich die Frage, auf wen diese Aussage Bezug nimmt. Sind nur Ungläubige gemeint o<strong>de</strong>r<br />
kann man die Aussage auch auf Gläubige beziehen?<br />
Der Ausdruck „verleugnen“ wird zum Beispiel in Matthäus 10,33 benutzt: „Wer aber irgend<br />
mich vor <strong>de</strong>n Menschen verleugnen wird, <strong>de</strong>n wer<strong>de</strong> auch ich verleugnen vor meinem<br />
Vater, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Himmeln ist“ (vgl. weiter Lk 12,9). In Johannes 13,38 gebraucht <strong>de</strong>r Herr<br />
dieses Wort in Bezug auf das, was Simon Petrus im Begriff stand zu tun. „Verleugnen“<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 60
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
kann sich – <strong>de</strong>m Wort nach – also sowohl auf Ungläubige wie auf Gläubige beziehen. Es<br />
wird in <strong>de</strong>n Versen 12 und 13 unseres Kapitels dreimal gebraucht. Kenner <strong>de</strong>r griechischen<br />
Sprache geben folgen<strong>de</strong> alternative Übersetzung an: „Nein sagen, wi<strong>de</strong>rsprechen, abweisen,<br />
verweigern, abschlagen, leugnen, in Abre<strong>de</strong> stellen, bestreiten, sich lossagen“. An<strong>de</strong>re<br />
übersetzen: „die Bekanntschaft abstreiten“. Das war es, was Simon Petrus getan hatte.<br />
Die Frage ist, ob es hier um ein einmaliges o<strong>de</strong>r zeitweiliges Verleugnen geht o<strong>de</strong>r ob<br />
Paulus grundsätzlich spricht. Meint er das, was Petrus getan hat – und was je<strong>de</strong>m von uns<br />
passieren kann? O<strong>de</strong>r ist gemeint, dass jemand dauerhaft und gewohnheitsmäßig durch<br />
Wort und/o<strong>de</strong>r Wan<strong>de</strong>l zu erkennen gibt, dass er grundsätzlich nichts mit Christus zu tun<br />
haben will? Im zweiten Fall ist klar, dass <strong>de</strong>r Herr sich niemals zu so jemand bekennen wird –<br />
wie immer sein äußeres Bekenntnis gewesen sein mag. Das ist – wie es W. Kelly einmal<br />
geschrieben hat – eine Verunehrung <strong>de</strong>r Person <strong>de</strong>s Herrn, die Gott niemals hinnehmen<br />
wird. Es wird tatsächlich Menschen geben, die sich äußerlich zu Ihm bekannt haben, ohne<br />
je Leben aus Gott gehabt zu haben. Es sind Menschen, zu <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Herr einmal sagen<br />
wird: „Ich habe euch niemals gekannt; weicht von mir, ihr Übeltäter“ (Mt 7,23). In unserem<br />
Vers scheint das tatsächlich die Hauptbe<strong>de</strong>utung zu sein. Es sind Menschen, die nur eine<br />
Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben. Judas sagt, dass sie sich neben eingeschlichen haben und<br />
„unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen“ (Judas 4). „Verleugnen“<br />
wird hier ohne Objekt gebraucht. Es wird nicht gesagt, wer o<strong>de</strong>r was verleugnet wird. Das<br />
unterstützt <strong>de</strong>n Gedanken, dass es hier um eine prinzipielle und dauerhafte Grundhaltung<br />
geht, die jemand einnimmt.<br />
Dem könnte entgegengehalten wer<strong>de</strong>n, dass es in <strong>de</strong>n Versen 11–13 immer um „wir“ geht.<br />
Demzufolge könnte immer die gleiche Gruppe (also Gläubige) angesprochen sein. Das<br />
Argument ist nicht ganz von <strong>de</strong>r Hand zu weisen. Allerdings fällt auf, dass es in <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n ersten Fällen einfach heißt: „Wenn wir mitgestorben sind . . . “, und: „Wenn wir<br />
ausharren . . . “, während es hier heißt: „Wenn wir verleugnen wer<strong>de</strong>n . . . “. Ersteres ist<br />
offensichtlich eine Tatsache, zweites eine Möglichkeit. Es scheint mir so zu sein, dass Paulus<br />
hier tatsächlich an Menschen <strong>de</strong>nkt, die sich zwar unter <strong>de</strong>n Gläubigen befin<strong>de</strong>n, jedoch<br />
nur ein äußeres Bekenntnis – und damit kein Leben aus Gott – haben. Diese Mischung aus<br />
„echt“ und „unecht“ ist es ja gera<strong>de</strong>, die in diesem letzten Brief von Paulus vor uns kommt.<br />
Allerdings wollen wir die vorsichtige Anwendung auf Gläubige nicht ganz ausschließen.<br />
Es mag im Leben eines Gläubigen Situationen geben, wo er sich – ähnlich wie Petrus –<br />
nicht zu seinem Herrn bekennt und Ihn verleugnet. Dann kann er nicht damit rechnen, dass<br />
sein Herr sich in dieser Situation zu ihm bekennt und auf seine Seite stellt. Fatal wäre es<br />
allerdings, aus dieser Stelle abzuleiten, dass ein untreuer Gläubiger doch einmal verloren<br />
gehen könnte, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Herr ihn dann einmal im Hinblick auf die Ewigkeit verleugnen<br />
wür<strong>de</strong>. Das lehrt die Bibel an keiner Stelle, und das ist ganz sicher nicht die Be<strong>de</strong>utung<br />
dieses Verses.<br />
„Wenn wir untreu sind -; er bleibt treu, <strong>de</strong>nn er kann sich selbst nicht verleugnen“<br />
(Vers 13).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 61
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Wir sind untreu – Er bleibt treu<br />
Erneut stellt sich die Frage, an welche Personengruppe Paulus <strong>de</strong>nkt. Sind es echte o<strong>de</strong>r<br />
unechte Bekenner o<strong>de</strong>r sind bei<strong>de</strong> eingeschlossen? Wenn Paulus an Gläubige <strong>de</strong>nkt, dann<br />
liegt in <strong>de</strong>m zweiten Teil <strong>de</strong>s Verses durchaus eine Ermunterung. Trotz unserer Untreue –<br />
und wer wollte von sich behaupten, immer treu (zuverlässig) gewesen zu sein? – bleibt <strong>de</strong>r<br />
Herr treu. Wenn Paulus an Ungläubige <strong>de</strong>nkt, dann ist dieser Vers eine ernste Mahnung<br />
und Warnung.<br />
Ganz allgemein gilt, dass <strong>de</strong>r Herr sich niemals mit Untreue einsmachen kann. Er bleibt<br />
sich selbst treu, d. h. seinem Wesen und seiner Natur. Er kann nicht an<strong>de</strong>rs. Menschliche<br />
Untreue wird Ihn nicht daran hin<strong>de</strong>rn können, seine Pläne auszuführen. Er kann sich nicht<br />
verleugnen. Das gilt für alle Zusagen, die Er gegeben hat. Dabei wollen wir nicht nur an die<br />
Mut machen<strong>de</strong>n Zusagen <strong>de</strong>nken, son<strong>de</strong>rn ebenso an die ernsten Gerichtswarnungen, die<br />
das Wort Gottes enthält. Der Herr wird alles erfüllen, was Er zugesagt hat – in Gna<strong>de</strong> wie<br />
im Gericht. Das war bei seinem irdischen Volk Israel so. Das ist bei seinem himmlischen<br />
Volk so. Er han<strong>de</strong>lt immer in seiner Treue.<br />
Wenn wir an unechte Bekenner (also Ungläubige) <strong>de</strong>nken, ist dies ein sehr ernster Gedanke.<br />
In <strong>de</strong>r Regierung Gottes mit <strong>de</strong>n Menschen wird es so sein, dass alles eintreffen wird,<br />
was vorausgesagt ist. Es wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>m Wesen Gottes wi<strong>de</strong>rsprechen, wenn Er Gläubige und<br />
Ungläubige gleich behan<strong>de</strong>ln wür<strong>de</strong>. Das tut Gott nicht. Wenn ein Mensch im Glauben<br />
seine Sün<strong>de</strong>n bekennt, dann ist Gott nicht nur „gerecht“, son<strong>de</strong>rn auch „treu“, wenn Er ihm<br />
die Sün<strong>de</strong>n vergibt (vgl. 1. Joh 1,9). Umgekehrt ist Gott treu, wenn Er Menschen, die das<br />
Evangelium nicht annehmen, einmal für ewig verdammen wird. Gott bleibt – in Ehrfurcht<br />
gesagt – seinem Charakter immer treu und wird die Menschen <strong>de</strong>mentsprechend behan<strong>de</strong>ln.<br />
Die Erinnerung an die Treue <strong>de</strong>s Herrn ist jedoch gleichzeitig eine Ermunterung für<br />
Gläubige. Wir können leicht mü<strong>de</strong> und mutlos wer<strong>de</strong>n. Wir können bisweilen in<br />
Kleinglauben, in Zweifel und sogar Unglauben verfallen. Aber Er bleibt immer treu und<br />
steht zu seinen Zusagen. Wenn wir Leben aus Gott haben, wird Er uns immer nachgehen<br />
und uns niemals ins Ver<strong>de</strong>rben laufen lassen.<br />
Dieser Gedanke darf uns allerdings keinesfalls leichtfertig machen. Es wäre vermessen,<br />
wenn wir uns <strong>de</strong>shalb Untreue „leisten“ wür<strong>de</strong>n, weil wir schon vorher auf die Treue <strong>de</strong>s<br />
Herrn rechnen. Ein solcher Gedanke ist <strong>de</strong>m Wort Gottes völlig fremd. Aber es ist <strong>de</strong>nnoch<br />
wahr, dass das Han<strong>de</strong>ln Gottes in seiner Regierung nie Gottes eigenen Vorsatz und seine<br />
Gna<strong>de</strong> aufheben kann o<strong>de</strong>r ihr entgegensteht. Auch als Kin<strong>de</strong>r Gottes unterstehen wir<br />
seiner Regierung. Er han<strong>de</strong>lt mit uns zu unserem Nutzen und zu seiner Ehre. Trotz<strong>de</strong>m<br />
können wir immer auf seine Gna<strong>de</strong> rechnen. Die Gna<strong>de</strong> grün<strong>de</strong>t sich auf das, was Er in sich<br />
selbst ist. Das kommt in <strong>de</strong>n Worten zum Ausdruck: „Er kann sich selbst nicht verleugnen.“<br />
Ein Vater muss sein Kind strafen, wenn es ungehorsam ist und eigene Wege geht. Die Strafe<br />
mag mitunter schmerzhaft sein und die praktische Gemeinschaft trüben. Dennoch wird<br />
ein guter Vater nie zulassen, dass die grundsätzliche Beziehung zu ihm durch die Strafe<br />
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abgebrochen wird. So han<strong>de</strong>lt Gott in seiner Regierung mit uns. Wenn wir als seine Kin<strong>de</strong>r<br />
untreu sind, dann muss Er uns manchmal wehtun – aber das än<strong>de</strong>rt nichts daran, dass Er in<br />
Liebe und Gna<strong>de</strong> auf uns sieht. Gera<strong>de</strong> darin zeigt sich seine Treue.<br />
„Dies bringe in Erinnerung, in<strong>de</strong>m du ernstlich vor <strong>de</strong>m Herrn bezeugst, nicht Wortstreit<br />
zu führen, was zu nichts nütze, son<strong>de</strong>rn zum Ver<strong>de</strong>rben <strong>de</strong>r Zuhörer ist“ (Vers 14).<br />
Der Ausdruck „dies“ nimmt Bezug auf die vorigen Verse. Insofern ist Vers 14 ein Bin<strong>de</strong>glied<br />
zwischen <strong>de</strong>m, was Paulus bereits vorgestellt hat und <strong>de</strong>m, was er nun sagen will. Mit<br />
Vers 14 beginnt <strong>de</strong>r zweite Teil <strong>de</strong>s Kapitels. Es geht immer noch um <strong>de</strong>n Diener Gottes,<br />
aber jetzt wird beson<strong>de</strong>rs ein Bezug zu an<strong>de</strong>ren hergestellt. Der Mensch Gottes ist seinem<br />
Gott verantwortlich. Er soll sich persönlich seinem Herrn zur Verfügung stellen. Er soll<br />
gleichzeitig – beson<strong>de</strong>rs in schwerer Zeit – in seinem Verhältnis zu an<strong>de</strong>ren klar stehen. Er<br />
befin<strong>de</strong>t sich innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Zeugnisses, das in Vers 20 mit einem großen Haus<br />
verglichen wird. Da gibt es beson<strong>de</strong>re Herausfor<strong>de</strong>rungen, <strong>de</strong>nen wir uns stellen müssen.<br />
In Erinnerung bringen<br />
In Vers 2 wur<strong>de</strong> Timotheus zum Hören aufgefor<strong>de</strong>rt. In Vers 7 sollte er etwas be<strong>de</strong>nken.<br />
Jetzt wird er aufgefor<strong>de</strong>rt, etwas in Erinnerung zu bringen. Das ist immer <strong>de</strong>r Weg für einen<br />
zuverlässigen Diener <strong>de</strong>s Herrn. Zuerst lernt er selbst, in<strong>de</strong>m er etwas aufnimmt. Er hört<br />
o<strong>de</strong>r liest. Danach kommt das Be<strong>de</strong>nken. Was man gelernt hat, muss verinnerlicht wer<strong>de</strong>n.<br />
Das Wort Gottes wird erforscht, erkannt und vor allen Dingen auf Herz und Gewissen<br />
angewandt. Das Be<strong>de</strong>nken schließt selbstverständlich ein, dass man in <strong>de</strong>m bleibt, was<br />
man gelernt hat, und dass man es praktiziert. Dann kommt als Drittes hinzu, dass man das<br />
Gehörte und Überdachte bezeugen und an<strong>de</strong>re lehren kann.<br />
„In Erinnerung bringen“ ist ein permanenter Vorgang. Die Wahrheit Gottes an sich ist<br />
uns vollständig übermittelt. Es gibt keine neuen Wahrheiten mehr. Das Glaubensgut ist<br />
ein für allemal <strong>de</strong>n Heiligen überliefert. Es muss jedoch immer wie<strong>de</strong>r neu in Erinnerung<br />
gebracht wer<strong>de</strong>n. Der Ausdruck wird außer an dieser Stelle noch in Titus 3,1 gebraucht. Wir<br />
lernen daraus, dass es im Dienst <strong>de</strong>s Wortes nicht nur darum geht, faktische Informationen<br />
(Sachwissen) zu vermitteln, son<strong>de</strong>rn die Wahrheit soll sich im Herzen <strong>de</strong>r Zuhörer einprägen.<br />
Sie soll dort etwas bewegen. Wenn wir das Wort vorstellen – sei es in <strong>de</strong>n Zusammenkünften,<br />
in <strong>de</strong>r Familie o<strong>de</strong>r bei an<strong>de</strong>ren Gelegenheiten –, geht es nicht darum, möglichst neue Dinge<br />
zu sagen o<strong>de</strong>r möglichst interessant zu sein, son<strong>de</strong>rn darum, an sich bekannte Wahrheiten<br />
in Erinnerung zu bringen. Dabei mag es durchaus so sein, dass die vorgestellten Dinge für<br />
<strong>de</strong>n einen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Zuhörer neu sind (z. B. für heranwachsen<strong>de</strong> junge Menschen o<strong>de</strong>r<br />
jung Bekehrte), aber das ist nicht wesentlich. Petrus zum Beispiel wollte durch Erinnerung<br />
die lautere Gesinnung seiner Briefempfänger aufwecken (2. Pet 3,1). Erinnerung ist ein<br />
wichtiges biblisches Prinzip.<br />
Bezeugen<br />
Die Art und Weise, wie das geschehen soll, wird als ein ernsthaftes Bezeugen beschrieben.<br />
Ernsthaft bezeugen meint, dass man jemand beschwört und ihn warnt. Dieser Grundsatz ist<br />
ebenfalls allgemein gültig. Wir sollen, wenn wir das Wort Gottes vorstellen, nicht leichtfertig<br />
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o<strong>de</strong>r oberflächlich sein. Es gibt natürlich Bibelabschnitte, die einen ermuntern<strong>de</strong>n Charakter<br />
tragen, während an<strong>de</strong>re eher ermahnend sind. Dennoch müssen wir Gottes Wort immer<br />
in einer würdigen Weise vorstellen. Die Bibel ist kein unterhaltsames Buch. Es ist Gottes<br />
Heiliges Wort. Dazu gehört ohne Frage ein würdiger Ernst. Es hat sehr befähigte und<br />
begabte Ausleger und Redner gegeben, die in ihrer Predigt sehr darauf geachtet haben,<br />
die Zuhörer nicht durch witzige und spaßige Bemerkungen zu „unterhalten“ o<strong>de</strong>r gar<br />
zum Lachen zu bringen. Niemand, <strong>de</strong>r Gottes Wort vorstellt, sollte meinen, die Zuhörer<br />
müssten durch <strong>de</strong>rartige Mittel „bei Laune gehalten“ wer<strong>de</strong>n (was nicht meint, dass wir<br />
nicht fröhliche Christen sein sollten).<br />
Vor <strong>de</strong>m Herrn<br />
Die Be<strong>de</strong>utung dieser Aussage wird durch <strong>de</strong>n Zusatz „vor <strong>de</strong>m Herrn“ verstärkt. „Vor <strong>de</strong>m<br />
Herrn“ be<strong>de</strong>utet „im Angesicht <strong>de</strong>s Herrn“. Der Diener soll stets das Bewusstsein haben,<br />
dass er vor seinem Herrn steht, <strong>de</strong>r alles sieht und beurteilt. Nicht umsonst wird Er hier<br />
„<strong>de</strong>r Herr“ genannt – ohne je<strong>de</strong>n weiteren Zusatz. Ihm gehört alle Autorität. Wir schul<strong>de</strong>n<br />
Ihm Gehorsam und sollen nie vergessen, dass Er <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>r Diener ist. Alles, was wir tun,<br />
geschieht unter <strong>de</strong>n Augen <strong>de</strong>s Herrn. Er sieht und beurteilt alles. Taten, Worte und Motive.<br />
Wir <strong>de</strong>nken an das Beispiel eines großen Gottesmannes aus <strong>de</strong>m Alten Testament, <strong>de</strong>r auch<br />
etwas zu bezeugen hatte, nämlich an Elia. Er han<strong>de</strong>lte und re<strong>de</strong>te in <strong>de</strong>m Bewusstsein, dass<br />
er es mit <strong>de</strong>m Herrn zu tun hatte, vor <strong>de</strong>ssen Angesicht er stand. Wenn wir das verinnerlicht<br />
haben, wird das ein prägen<strong>de</strong>s Element in unserem Leben als Diener <strong>de</strong>s Herrn sein.<br />
Aber es liegt noch etwas in dieser Aussage: Der Diener hat in sich keine Autorität. Sie<br />
kommt von <strong>de</strong>m Herrn. Wenn wir in diesem Bewusstsein unseren Dienst tun und aus <strong>de</strong>r<br />
Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn kommen, wer<strong>de</strong>n wir „Aussprüche Gottes“ re<strong>de</strong>n. (1. Pet 4,11). Ebenso<br />
gilt für <strong>de</strong>n Zuhörer, dass er durch das Wort in die Gegenwart und das Licht <strong>de</strong>s Herrn<br />
gestellt wird.<br />
Kein Wortstreit<br />
Paulus legt großen Wert darauf, dass Wortstreit vermie<strong>de</strong>n wird. Wortstreit ist zum<br />
Ver<strong>de</strong>rben <strong>de</strong>r Zuhörer. In <strong>de</strong>r griechischen Welt damaliger Tage führte man gerne zu<br />
allen möglichen Themen Wortstreit. Die Ju<strong>de</strong>n waren ebenfalls in dieser Untugend geübt.<br />
In Apostelgeschichte 18,15 ist die Re<strong>de</strong> von Streitfragen über Worte, Namen und das Gesetz.<br />
Gera<strong>de</strong> bei großer Gelehrsamkeit ist die Gefahr vorhan<strong>de</strong>n, sich in endlosen Diskussionen<br />
und Spekulationen zu ergehen. In 1. Timotheus 6,4 wird <strong>de</strong>utlich gemacht, dass Streitfragen<br />
und Wortgezänk ein Kennzeichen falscher Lehrer ist.<br />
Es ist unstrittig, dass je<strong>de</strong>s Wort in <strong>de</strong>r Bibel seine Be<strong>de</strong>utung hat. Die Bibel ist ja „Wort<br />
für Wort“ von Gott eingegeben. An dieser „wörtlichen Eingebung“ (Verbalinspiration)<br />
müssen wir unbedingt festhalten. Die einzelnen Worte <strong>de</strong>r Bibel sind wichtig. Wir sollten<br />
sie beachten und darüber nach<strong>de</strong>nken, warum Gott an welcher Stelle ein bestimmtes Wort<br />
gebraucht und an einer an<strong>de</strong>ren Stelle vielleicht ein an<strong>de</strong>res. Dabei ist wichtig, dass darüber<br />
vor an<strong>de</strong>ren – <strong>de</strong>n Zuhörern – kein Streit geführt wird. Das gilt auch für die Herkunft<br />
einzelner Worte o<strong>de</strong>r die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s zugrun<strong>de</strong>liegen<strong>de</strong>n griechischen Wortes. Viele<br />
Dinge könnten die Zuhörer – zum Beispiel in einer öffentlichen Zusammenkunft – gar<br />
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nicht beurteilen. Denken wir beispielsweise an unsere Kin<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r jungen Leute. Es ist<br />
verhängnisvoll, wenn vor ihren Ohren solch ein „Wortstreit“ geführt wird.<br />
Es ist wahr, dass wir nicht in allen Fragen <strong>de</strong>r Auslegung eine einheitliche Meinung haben.<br />
Es gibt manchmal unterschiedliche Ansichten, über die wir uns miteinan<strong>de</strong>r austauschen.<br />
Ein <strong>de</strong>rartiger Austausch ist völlig in Ordnung. Er soll aber in keinem Fall in Wortstreit<br />
ausarten, <strong>de</strong>r dann unter Umstän<strong>de</strong>n sogar lautstark ausgetragen wird. Der Diener Gottes<br />
tut so etwas selbst nicht, und er achtet darauf, dass an<strong>de</strong>re es nicht tun. Lei<strong>de</strong>r waren es in<br />
<strong>de</strong>r Vergangenheit oft beson<strong>de</strong>rs begabte Brü<strong>de</strong>r, die die Wahrheit kannten und <strong>de</strong>nnoch<br />
über einzelne Worte in Wortstreit geraten sind.<br />
Wortstreit bleibt nicht ohne Folgen, und diese sind niemals positiv. Deshalb sagt Paulus:<br />
Es ist „zu nichts nütze“. Mehr noch, es hat direkt schädliche Folgen. Die Zuhörer wer<strong>de</strong>n<br />
durch solch einen Wortstreit nicht nur verwirrt, son<strong>de</strong>rn Paulus geht weiter und sagt, dass<br />
es zu ihrem Ver<strong>de</strong>rben ist. „Ver<strong>de</strong>rben“ meint hier nicht die ewige Verdammnis. In 2. Petrus<br />
2,6 wird das Wort noch einmal gebraucht. Dort geht es um die „Zerstörung“ Sodoms zur<br />
Zeit Noahs. Aus <strong>de</strong>m griechischen Wort ist unser Wort „Katastrophe“ abgeleitet. Die Folgen<br />
von Wortstreit sind je<strong>de</strong>nfalls katastrophal.<br />
„Befleißige dich, dich selbst Gott als bewährt darzustellen, als einen Arbeiter, <strong>de</strong>r sich<br />
nicht zu schämen hat, <strong>de</strong>r das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit recht teilt“ (Vers 15).<br />
Befleißige dich<br />
Paulus spricht Timotheus jetzt mit einer neuen positiven Auffor<strong>de</strong>rung an. Sie ist gera<strong>de</strong> das<br />
Gegenteil von <strong>de</strong>m, wovor er vorher gewarnt hatte. Timotheus sollte sich befleißigen, d. h.<br />
er sollte Mühe aufwen<strong>de</strong>n, um sich selbst Gott bewährt dazustellen. „Befleißigen“ meint<br />
„sorgfältig und diszipliniert nach etwas streben“. Es geht um Fleiß und um Einsatz. Was<br />
hier gezeigt wird, kommt nicht von selbst. Dafür muss Energie und Fleiß eingesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
Fleiß hat in <strong>de</strong>r Bibel einen hohen Stellenwert. Gott möchte, dass wir fleißig sind – sowohl<br />
in natürlichen als auch in geistlichen Belangen. Das Buch <strong>de</strong>r Sprüche zeigt uns mit großem<br />
Nachdruck <strong>de</strong>n generellen Wert <strong>de</strong>s Fleißes. Die Auffor<strong>de</strong>rung, uns zu befleißigen (o<strong>de</strong>r<br />
Fleiß anzuwen<strong>de</strong>n), fin<strong>de</strong>n wir im Neuen Testament wie<strong>de</strong>rholt.<br />
Gott bewährt<br />
Der Diener soll danach streben, sich selbst Gott bewährt vorzustellen. Das will sagen, dass<br />
<strong>de</strong>r Diener jemand sein soll, <strong>de</strong>r sich durch beständige Prüfung als zuverlässig und treu<br />
erwiesen hat. Durch sein Beispiel soll er an<strong>de</strong>re anleiten, es ebenso zu machen. Das legt<br />
eine beson<strong>de</strong>re Verantwortung auf diejenigen, die im öffentlichen Dienst für <strong>de</strong>n Herrn<br />
stehen und das Wort predigen. Wenn jemand ein Diener <strong>de</strong>s Herrn ist, dann sollen nicht<br />
zuerst die an<strong>de</strong>ren beeindruckt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Diener soll vor Gott bewährt stehen.<br />
Gott sieht und hört und bewertet alles.<br />
Bewährung trägt <strong>de</strong>n Gedanken in sich, dass jemand auf <strong>de</strong>n Prüfstand gestellt wird und<br />
die Prüfung besteht. Wir lesen zum Beispiel von <strong>de</strong>r Bewährung <strong>de</strong>s Werkes (1. Kor 3,13),<br />
<strong>de</strong>r Bewährung <strong>de</strong>s Dienstes (2. Kor 9,13), <strong>de</strong>r Bewährung <strong>de</strong>s Glaubens (Jak 1,3; 1. Pet 1,7)<br />
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und <strong>de</strong>r Bewährung von Personen (Röm 14,18; 16,10; 1. Kor 11,19 u.a.). Letzteres haben<br />
wir auch hier. Der Diener soll sich selbst Gott bewährt darstellen. Dabei zeigt sich die<br />
Bewährung nicht so sehr in <strong>de</strong>m, was jemand sagt, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>m, was jemand lebt.<br />
Worte und Taten müssen übereinstimmen. „Darstellen“ ist mehr als nur einfach „zeigen“.<br />
Darstellen meint, an<strong>de</strong>ren zum Nutzen zur Verfügung zu stehen. Das gilt zuerst im Hinblick<br />
auf Gott. In 1. Thessalonicher 2,4 schreibt Paulus: „ . . . son<strong>de</strong>rn so, wie wir von Gott als<br />
bewährt befun<strong>de</strong>n wor<strong>de</strong>n sind, mit <strong>de</strong>m Evangelium betraut zu wer<strong>de</strong>n, so re<strong>de</strong>n wir, nicht<br />
um Menschen zu gefallen, son<strong>de</strong>rn Gott, <strong>de</strong>r unsere Herzen prüft.“<br />
Das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit recht teilen<br />
Der Arbeiter ist ein vierter Beruf, <strong>de</strong>n Paulus in diesem Brief erwähnt. Es geht hier nicht –<br />
wie in Vers 6 – um die harte und mühsame Arbeit eines Ackerbauern. Es geht ebenfalls<br />
nicht um die Arbeit eines Sklaven, <strong>de</strong>r keine Einsicht in die Absichten seines Herrn hat.<br />
Gemeint ist vielmehr ein „Facharbeiter“, <strong>de</strong>r sich mit seiner Arbeit auskennt. Es wird nicht<br />
gesagt, aus welcher „Branche“ dieser Arbeiter kommt. Es wird nur im übertragenen Sinn<br />
gesagt, dass er das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit recht teilt, d. h. in gera<strong>de</strong>r Richtung schnei<strong>de</strong>t.<br />
Das Wort „teilen“ kommt im Neuen Testament nur an dieser Stelle vor. Es meint wörtlich<br />
„gera<strong>de</strong> schnei<strong>de</strong>n“. Es kann sein, dass Paulus an die Arbeit <strong>de</strong>s Landwirtes <strong>de</strong>nkt, <strong>de</strong>r eine<br />
gera<strong>de</strong> Furche zieht und nicht im Zickzack arbeitet. Wir könnten auch an einen Schreiner<br />
<strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>r ein Holz gera<strong>de</strong> sägt und nicht krumm. Wie auch immer -; es ist offensichtlich,<br />
dass man dazu eine gewisse Fertigkeit braucht. Um Gottes Wort öffentlich vorzustellen,<br />
braucht es eine bestimmte geistliche Übung. In 1. Timotheus 3,6 wird von <strong>de</strong>m Aufseher<br />
gesagt, dass er kein Neuling sein soll. Nun geht es hier nicht um einen Aufseher, son<strong>de</strong>rn um<br />
einen Diener <strong>de</strong>s Herrn. Dennoch ist das Prinzip übertragbar. Wer Gottes Wort öffentlich<br />
vorstellt, sollte über ein bestimmtes Maß an geistlicher Erfahrung verfügen. Es geht darum,<br />
dass wir mit <strong>de</strong>m Wort Gottes richtig umgehen, dass wir es richtig lehren und richtig<br />
anwen<strong>de</strong>n.<br />
Wenn Gottes Wort recht geteilt wird, dann wird es nicht einseitig o<strong>de</strong>r verzerrt dargestellt.<br />
Dann wird nicht eine Seite <strong>de</strong>r Wahrheit überbetont und eine an<strong>de</strong>re bewusst vernachlässigt.<br />
Dann wer<strong>de</strong>n einzelne Textpassagen nicht aus <strong>de</strong>m Zusammenhang genommen. Dann<br />
wer<strong>de</strong>n wir Gottes Wort nicht so „hinbiegen“, dass es sich unserem Verhalten anpasst,<br />
son<strong>de</strong>rn es wird gera<strong>de</strong> umgekehrt sein.<br />
Wir haben es mit <strong>de</strong>m „Wort <strong>de</strong>r Wahrheit“ zu tun. Es geht dabei nicht um einzelne Aussagen<br />
(Worte) Gottes, son<strong>de</strong>rn gemeint ist das ganze Wort Gottes. Das „Wort <strong>de</strong>r Wahrheit“ zeigt<br />
uns, wie Gott alle Dinge sieht und beurteilt. Das müssen wir erst einmal für uns persönlich<br />
lernen, bevor wir es an an<strong>de</strong>re weitergeben.<br />
Gottes Wort ist natürlich immer wahr. Erst dann, wenn wir Menschen es anwen<strong>de</strong>n, können<br />
wir Fehler machen und es einseitig o<strong>de</strong>r verzerrt vorstellen. Da ist zum Beispiel jemand, <strong>de</strong>r<br />
nur die Seite <strong>de</strong>r Verantwortung sieht, aber nicht über die Gna<strong>de</strong> spricht. Da ist jemand, <strong>de</strong>r<br />
nur über die Wahrheit <strong>de</strong>r Versammlung spricht, aber nicht über die Wahrheit <strong>de</strong>s Reiches<br />
Gottes. Das ist jemand, <strong>de</strong>r nur über das Werk Christi für uns spricht, aber nicht über das<br />
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Werk Christi in uns. Da ist jemand, <strong>de</strong>r scheinbar nur die Briefe <strong>de</strong>s Paulus kennt, aber nie<br />
von <strong>de</strong>n Schriften <strong>de</strong>s Johannes spricht.<br />
Wir müssen also erstens das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit selbst kennen, es dann aber zweitens auch<br />
richtig anwen<strong>de</strong>n. Man kann einfach nicht mit je<strong>de</strong>r Bibelstelle alles Mögliche belegen<br />
wollen. Wir müssen lernen, Textpassagen nicht beliebig aus <strong>de</strong>m Zusammenhang zu nehmen.<br />
Keine Weissagung <strong>de</strong>r Schrift ist von eigener Auslegung (2. Pet 1,20). Lei<strong>de</strong>r wird dieser<br />
einfache und doch so wichtige Grundsatz bei <strong>de</strong>r Textauslegung (mündlich wie schriftlich)<br />
oft missachtet. Natürlich können – und sollen – wir Gottes Wort auf unsere täglichen<br />
Umstän<strong>de</strong> anwen<strong>de</strong>n. Aber wir sollten uns immer vor eigenen und einseitigen Auslegungen<br />
und Erklärungen hüten. Das gilt im öffentlichen Dienst genauso wie im privaten Dienst<br />
(z. B. in <strong>de</strong>r Familie). Sonst stiften wir nur Verwirrung und säen Zweifel. Wenn wir es richtig<br />
machen, ist das Ergebnis positiv. Dann gibt es Wachstum und Auferbauung.<br />
Keine Scham<br />
Wer als Arbeiter bewährt vor Gott steht und das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit recht teilt, hat keinen<br />
Grund, sich zu schämen. Das Wort „schämen“ ist ein starker Ausdruck. Es will sagen, dass<br />
niemand <strong>de</strong>m Diener etwas vorwerfen kann und dass er selbst sich nichts vorzuwerfen hat.<br />
Um das zu erreichen, ist große Sorgfalt im eigenen Wan<strong>de</strong>l und Verhalten erfor<strong>de</strong>rlich. Wer<br />
Gottes Wort vorstellt und in gera<strong>de</strong>r Richtung teilt, muss das Wort zuerst gegen sich selbst<br />
anwen<strong>de</strong>n. Sonst klagt er sich selbst an.<br />
Nicht schämen be<strong>de</strong>utet aber auch, dass er sich als jemand erweist, <strong>de</strong>ssen Werk nicht<br />
wertlos ist, son<strong>de</strong>rn Lohn bringt. Dazu sagt Johannes: „Und nun, Kin<strong>de</strong>r, bleibt in ihm,<br />
damit wir, wenn er offenbart wer<strong>de</strong>n wird, Freimütigkeit haben und nicht vor ihm beschämt<br />
wer<strong>de</strong>n bei seiner Ankunft“ (1. Joh 2,28).<br />
„Die ungöttlichen, leeren Geschwätze aber vermei<strong>de</strong>; <strong>de</strong>nn sie [d. h. die Menschen, die<br />
solche Geschwätze führen] wer<strong>de</strong>n zu weiterer Gottlosigkeit fortschreiten“ (Vers 16).<br />
Ungöttliches und leeres Geschwätz<br />
Jetzt erfolgt wie<strong>de</strong>r eine Warnung an <strong>de</strong>n Diener. Wir müssen uns darüber im Klaren sein,<br />
dass Satan alles daran setzen wird, um uns davon abzuhalten, das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit<br />
recht zu teilen. Seine List ist groß. Hier sind es ungöttliche und leere Geschwätze, die als<br />
Folge Gottlosigkeit mit sich führen. Schon im ersten Brief an Timotheus hatte Paulus von<br />
Menschen gesprochen, die vom Glauben abgeirrt waren und sich statt<strong>de</strong>ssen zu leerem<br />
Geschwätz gewandt hatten (1. Tim 1,6). Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s ersten Briefes kommt Paulus ebenfalls<br />
darauf zu sprechen: „ . . . in<strong>de</strong>m du dich von <strong>de</strong>n ungöttlichen, leeren Geschwätzen . . .<br />
wegwen<strong>de</strong>st“ (1. Tim 6,20).<br />
Es ist die Aufgabe <strong>de</strong>s Dieners Gottes, das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit recht zu teilen, aber sich<br />
nicht über unsinnige Dinge zu ereifern. Das sollten wir vermei<strong>de</strong>n. Gleichzeitig sollen<br />
wir uns von Menschen, die das tun, distanzieren. Titus wird ebenso dazu aufgefor<strong>de</strong>rt:<br />
„Törichte Streitfragen aber und Geschlechtsregister und Zänkereien und Streitigkeiten über<br />
das Gesetz vermei<strong>de</strong>, <strong>de</strong>nn sie sind unnütz und wertlos“ (Tit 3,9).<br />
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Das Wort „ungöttlich“ kommt im Neuen Testament nicht sehr oft vor. Außer in <strong>de</strong>n Briefen<br />
an Timotheus wird es noch in Hebräer 12,16 erwähnt, wo Esau ein Ungöttlicher genannt<br />
wird. Das Wort bezeichnet ursprünglich einen Ort, <strong>de</strong>r – im Gegensatz zu einer heiligen<br />
Stätte – von je<strong>de</strong>rmann betreten wer<strong>de</strong>n konnte. Daraus entstand die Be<strong>de</strong>utung „ungöttlich“<br />
o<strong>de</strong>r „unheilig“. „Leeres Geschwätz“ be<strong>de</strong>utet wörtlich „leerer Klang o<strong>de</strong>r Ton“. Es sind<br />
Worte ohne Wert. Sie haben für <strong>de</strong>n Zuhörer keinen Nutzen. Es ist klar, dass solches<br />
Geschwätz vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n soll. Der Grund dazu wird angegeben: Es führt nur zu<br />
weiterer Gottlosigkeit. „Fortschreiten“ wird an an<strong>de</strong>ren Stellen mit „zunehmen“ (Gal 1,14)<br />
o<strong>de</strong>r „vorrücken“ (Röm 13,12) übersetzt. Wo sich Böses unkontrolliert ausbreiten kann, wird<br />
es immer zum Schlimmeren führen.<br />
Gottlosigkeit be<strong>de</strong>utet nicht nur einfach „ohne Gott“, son<strong>de</strong>rn meint, dass Gott direkt<br />
verkürzt wird. Er bekommt nicht das, was Ihm zusteht. Es ist ein Verhalten, das <strong>de</strong>r<br />
Gottseligkeit direkt entgegengesetzt ist. Gottlosigkeit drückt sich in einem falschen<br />
Verhalten (Wan<strong>de</strong>l) aus. Wir sehen erneut, dass falsche Lehre zu einem Fehlverhalten<br />
führt. Das gilt für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r das Wort vorstellt, ebenso wie für <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>ssen Worte hört.<br />
Paulus spricht einerseits von ungöttlichen und leeren Geschwätzen, an<strong>de</strong>rerseits von <strong>de</strong>n<br />
Personen, die dieses Geschwätz führen. Das Böse kann nicht von <strong>de</strong>r Person getrennt<br />
wer<strong>de</strong>n, die es ausübt. Das Vermei<strong>de</strong>n dieses Geschwätzes bringt notwendigerweise die<br />
Konsequenz mit sich, dass man sich von <strong>de</strong>nen abwen<strong>de</strong>n muss, die <strong>de</strong>rartiges Geschwätz<br />
praktizieren. Das ist die persönliche Verantwortung <strong>de</strong>s Dieners in schwerer Zeit. Es geht<br />
hier nicht um die Frage, wie eine örtliche Versammlung mit solchen Dingen umgeht, wenn<br />
sie in ihrer Mitte sichtbar wer<strong>de</strong>n. Für die örtliche Versammlung gilt es, <strong>de</strong>n Sauerteig<br />
auszufegen. Aber hier geht es nicht um die örtliche Versammlung, son<strong>de</strong>rn um <strong>de</strong>n Diener<br />
in Tagen <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rgangs. Für ihn heißt es weggehen, sich wegwen<strong>de</strong>n und vermei<strong>de</strong>n.<br />
Eine an<strong>de</strong>re Möglichkeit hat er nicht. Wir müssen also einerseits die Geschwätze selbst<br />
vermei<strong>de</strong>n, an<strong>de</strong>rerseits Menschen mei<strong>de</strong>n, die sie führen. Das wird im späteren Verlauf<br />
<strong>de</strong>s Kapitels <strong>de</strong>utlicher wer<strong>de</strong>n.<br />
„Und ihr Wort wird um sich fressen wie ein Krebs; unter welchen Hymenäus ist und<br />
Philetus“ (Vers 17).<br />
Das Fortschreiten <strong>de</strong>s Bösen<br />
Das Fortschreiten und Wachsen <strong>de</strong>r Gottlosigkeit wird mit einem Krebs verglichen. Es<br />
han<strong>de</strong>lt sich bei <strong>de</strong>m Ausdruck „um sich fressen“ um einen zusammengesetzten Ausdruck,<br />
<strong>de</strong>r an an<strong>de</strong>rer Stelle mit „Wei<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n“ übersetzt wird (Joh 10,9). Der Vergleich mit einem<br />
Feuer, das durch trockenes Holz Nahrung bekommt und sich ausbreitet, liegt nahe.<br />
Das Wort „Krebs“ wird im Neuen Testament nur an dieser Stelle gebraucht. Ursprünglich<br />
bezeichnete man so in <strong>de</strong>r medizinischen Sprache einen „Brand“, d. h. Verwesung, die<br />
auftritt, wenn ein Teil <strong>de</strong>s Körpers von <strong>de</strong>r normalen Blutzirkulation abgetrennt ist und<br />
nicht mehr mit Nährstoffen versorgt wird. Die Wie<strong>de</strong>rgabe als „Krebs“ ist heute ein gut<br />
verständliches Bild. Wenn die Krebszellen nicht ausgeschaltet wer<strong>de</strong>n können, verseuchen<br />
sie schnell <strong>de</strong>n ganzen Körper und führen früher o<strong>de</strong>r später zum Tod.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
aber nur die halbe Wahrheit und damit eine ganze Lüge. Eine solch einseitige Sichtweise<br />
<strong>de</strong>r Auferstehung ist ein Beispiel dafür, wie das Wort <strong>de</strong>r Wahrheit nicht recht geteilt wird.<br />
Der Epheserbrief lehrt uns, dass wir, die wir tot waren, mit <strong>de</strong>m Christus lebendig gemacht<br />
wor<strong>de</strong>n sind. Gott hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in <strong>de</strong>n himmlischen Örtern<br />
in Christus Jesus (Eph 2,6). Das ist unsere Stellung „in Christus“. Der Epheserbrief zeigt<br />
uns <strong>de</strong>n ewigen Ratschluss und Plan Gottes, aber nicht unsere Stellung, die wir jetzt auf<br />
dieser Er<strong>de</strong> einnehmen. Noch tragen wir <strong>de</strong>n Leib <strong>de</strong>r Niedrigkeit an uns. Die Auferstehung<br />
<strong>de</strong>s Leibes steht noch bevor. Sie ist eine zentrale Wahrheit <strong>de</strong>s Neuen Testaments. Paulus<br />
schreibt darüber ausführlich in 1. Korinther 15. Er zeigt, dass die Auferstehung <strong>de</strong>s Herrn<br />
Jesus fundamental für <strong>de</strong>n Glauben ist und dass wir ebenfalls – was unseren Körper<br />
betrifft – auferstehen wer<strong>de</strong>n. Wir erwarten <strong>de</strong>n Herrn Jesus als Heiland, <strong>de</strong>r unseren Leib<br />
<strong>de</strong>r Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib <strong>de</strong>r Herrlichkeit<br />
(Phil 3,21). Das wird bei <strong>de</strong>r Auferstehung geschehen. „Die Toten wer<strong>de</strong>n auferweckt<br />
wer<strong>de</strong>n unverweslich, und wir wer<strong>de</strong>n verwan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Denn dieses Verwesliche muss<br />
Unverweslichkeit anziehen und dieses Sterbliche Unsterblichkeit anziehen“ (1. Kor 15,52.53).<br />
„Denn <strong>de</strong>r Herr selbst wird mit gebieten<strong>de</strong>m Zuruf, mit <strong>de</strong>r Stimme eines Erzengels und mit<br />
<strong>de</strong>r Posaune Gottes vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus wer<strong>de</strong>n zuerst<br />
auferstehen“ (1. Thes 4,16). Dieser Teil <strong>de</strong>r Wahrheit wur<strong>de</strong> offensichtlich von <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />
verschwiegen, o<strong>de</strong>r er wur<strong>de</strong> so „umge<strong>de</strong>utet“, dass <strong>de</strong>r Eindruck entstand, dass wir keine<br />
Auferweckung mehr zu erwarten hätten.<br />
Den Glauben zerstören<br />
Wenn gelehrt wird, dass die Auferstehung schon geschehen sei, hat das gravieren<strong>de</strong><br />
Konsequenzen. Eine wesentliche Konsequenz ist, dass die Hoffnung <strong>de</strong>s Christen verloren<br />
geht. Warum sollten wir noch auf das Kommen <strong>de</strong>s Herrn warten, wenn die Auferstehung<br />
schon geschehen ist? Ein Christ ohne Hoffnung verliert seine himmlische Gesinnung. Er<br />
richtet sich sein Zuhause auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> ein. Er mischt sich in die Politik dieser Er<strong>de</strong> ein und<br />
versucht, das Reich Gottes hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu grün<strong>de</strong>n. Heute wür<strong>de</strong> man das in etwa so<br />
formulieren: „Gottes neue Welt auf dieser Er<strong>de</strong> schaffen“. Damit fällt das christliche Leben,<br />
so wie es uns das Neue Testament beschreibt, wie ein Kartenhaus zusammen. Deshalb<br />
gebraucht Paulus diesen <strong>de</strong>utlichen Ausdruck: „Der Glaube etlicher wird zerstört.“ Wer<br />
solchen Lehren Gehör schenkt, steht nicht mehr fest im Glauben. Zerstören be<strong>de</strong>utet so viel<br />
wie „umwerfen“. Das Wort wird zum Beispiel in Johannes 2,15 gebraucht, wo <strong>de</strong>r Herr die<br />
Tische <strong>de</strong>r Geldwechsler umwarf. Der Glaube (hier mit Artikel) meint das Glaubensgut <strong>de</strong>s<br />
Gläubigen. Es ist die Glaubenswahrheit, auf die <strong>de</strong>r Gläubige sich abstützt. Sein Vertrauen<br />
in die Aussagen Gottes geht völlig verloren. Das be<strong>de</strong>utet nicht, dass jemand, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Herrn<br />
Jesus im Glauben angenommen hat, sein Heil verliert, wohl aber, dass er völlig verunsichert<br />
wird, weil er sich auf nicht mehr auf die Zusagen Gottes allein abstützt.<br />
„Doch <strong>de</strong>r feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: Der Herr kennt die sein sind;<br />
und: Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn nennt, stehe ab von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit!“ (Vers 19).<br />
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Der feste Grund Gottes und sein Siegel<br />
Falsche Lehre erschüttert und zerstört. Demgegenüber steht jedoch ein festes Fundament.<br />
Dieses Fundament ist von Gott. Es ist unerschütterlich und standhaft (so übersetzt in<br />
1. Petrus 5,9). Der Grund (Apg 16,26 übersetzt „Grundfeste“; Heb 11,10 „Grundlage“) ist ein<br />
Fundament, das nichts und niemand zerstören kann – we<strong>de</strong>r falsche Lehren noch Verfall.<br />
Der „feste Grund“ ist hier allgemein zu verstehen. Es geht nicht – wie in Matthäus 16,18 –<br />
um Christus als das Fundament <strong>de</strong>r Versammlung. Es geht auch nicht um bestimmte Lehren.<br />
Es ist einfach Gottes feste Grundlage, auf die wir uns ganz sicher verlassen können. Wir<br />
wer<strong>de</strong>n auf das hingewiesen, was selbst in Tagen <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rgangs und <strong>de</strong>r Degeneration<br />
immer fest bleibt.<br />
Das Siegel hat hier die Be<strong>de</strong>utung einer Inschrift. Es zeigt uns zwei Seiten <strong>de</strong>r Wahrheit,<br />
die wir im Neuen Testament oft nebeneinan<strong>de</strong>r fin<strong>de</strong>n. Es ist erstens die Seite Gottes,<br />
sein Vorsatz, seine Absicht, seine Gna<strong>de</strong>. Zweitens ist es die Seite <strong>de</strong>r Verantwortung <strong>de</strong>s<br />
Menschen. Gna<strong>de</strong> und Verantwortung stehen hier nebeneinan<strong>de</strong>r. Diese bei<strong>de</strong>n Seiten<br />
können und müssen wir wohl unterschei<strong>de</strong>n, aber wir dürfen sie nie trennen. Es ist wie bei<br />
einer Münze. Wir können immer nur eine <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Seiten für sich betrachten, nie bei<strong>de</strong><br />
zusammen. Dennoch gehören sie untrennbar zusammen. Wir lernen, diese bei<strong>de</strong>n Seiten<br />
<strong>de</strong>r Wahrheit zu unterschei<strong>de</strong>n, ohne sie zu trennen. Das Siegel selbst spricht von Eigentum<br />
und von Echtheit. Ein versiegelter Gegenstand zeigt <strong>de</strong>n Eigentümer an, <strong>de</strong>r es versiegelt<br />
hat. Ein versiegeltes Dokument <strong>de</strong>utet darüber hinaus <strong>de</strong>ssen Echtheit an.<br />
Die Seite Gottes: Der Herr kennt die sein sind<br />
Die Gott zugewandte Seite <strong>de</strong>s Siegels lautet: „Der Herr kennt die sein sind“. „Kennen“<br />
geht weiter als dass <strong>de</strong>r Herr lediglich weiß, wer Ihm gehört. Es schließt ein, dass <strong>de</strong>r<br />
Herr diejenigen, die sein sind, liebt und anerkennt. Gemeint ist ein liebevolles Erkennen in<br />
Zuneigung. In 1. Korinther 8,3 schreibt Paulus: „Wenn aber jemand Gott liebt, <strong>de</strong>r ist von<br />
ihm erkannt“. Das ist <strong>de</strong>r Gedanke. Der Herr Jesus hat selbst von seinen Schafen gesagt,<br />
dass Er sie kennt und von ihnen gekannt ist (Joh 10,14). Wir haben die Sicherheit, dass uns<br />
niemand aus seiner Hand rauben kann (Joh 10,28). In dieser Zusage liegt ein großer Trost.<br />
Wie schwer die Zeit sein mag, in <strong>de</strong>r wir leben, dieses Versprechen bleibt immer wahr.<br />
Wir könnten gera<strong>de</strong> in Tagen <strong>de</strong>r geistlichen Verflachung leicht <strong>de</strong>nken, dass „wir“ allein<br />
übrig geblieben sind. Dieser Gedanke darf nie aufkommen. Das wäre geistlicher Hochmut.<br />
Auf <strong>de</strong>r ganzen Er<strong>de</strong> gibt es viele, die <strong>de</strong>m Herrn gehören und die Ihn lieben. Er kennt sie,<br />
wir vielleicht nicht. Er weiß, wo sie zu fin<strong>de</strong>n sind. Einer <strong>de</strong>r großen Gottesmänner <strong>de</strong>s<br />
Alten Testaments hat diesen Fehler begangen, dass er glaubte, er wäre allein übrig geblieben.<br />
Es war Elia, <strong>de</strong>r einmal zu Gott sagte: „Die Kin<strong>de</strong>r Israel haben <strong>de</strong>inen Bund verlassen . . .<br />
und ich allein bin übrig geblieben“ (1. Kön 19,10). Dieser Vergleich war fatal, und er war<br />
falsch. Gott muss ihm sagen: „Ich habe 7.000 in Israel übrig gelassen, alle die Knie, die<br />
sich nicht vor <strong>de</strong>m Baal gebeugt haben“ (1. Kön 19,18). Dieser Fehler war so gravierend,<br />
dass Gott ihn im Neuen Testament erwähnt (Röm 11,3.4) und dann von einem Überrest<br />
nach Auswahl <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> spricht. Einen solchen Überrest wird es immer geben. Der Herr<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
kennt ihn. Er weiß, wer Ihm angehört – selbst in <strong>de</strong>n großen Volkskirchen und <strong>de</strong>n vielen<br />
Benennungen. Das wollen wir nie vergessen.<br />
Oft können wir erkennen, wer Ihm gehört. Paulus wusste von <strong>de</strong>n Thessalonichern, dass<br />
sie auserwählt waren (1. Thes 1,4). Woher wusste er das? Hatte er Einsicht in das Buch <strong>de</strong>s<br />
Ratschlusses Gottes? Ganz sicher nicht. Aber er sah es an ihrem Verhalten. Manchmal aber<br />
können wir es nicht erkennen. Es gibt Menschen, die fromm re<strong>de</strong>n, aber an<strong>de</strong>rs han<strong>de</strong>ln.<br />
Wir machen ein Fragezeichen hinter ihr Bekenntnis. Was dann? Wir überlassen es <strong>de</strong>m<br />
Herrn und freuen uns in <strong>de</strong>m Gedanken, dass Er weiß, wer Ihm gehört und wer nicht.<br />
Es ist gut möglich, dass Paulus hier auf eine Begebenheit aus <strong>de</strong>m Alten Testament anspielt.<br />
In 4. Mose 16 wird die Sün<strong>de</strong> Korahs und seiner Rotte berichtet. Gleich am Anfang sagt<br />
Mose: „Am Morgen, da wird <strong>de</strong>r Herr kundtun, wer sein ist und wer heilig ist“ (4. Mo 16,5).<br />
Das Volk konnte das nicht unmittelbar erkennen, aber Gott wusste es.<br />
Die Seite unserer Verantwortung: Abstehen von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit<br />
Manche möchten gern bei <strong>de</strong>r ersten Seite <strong>de</strong>s Siegels stehenbleiben. Aber die zweite Seite<br />
ist genauso wahr. Wir dürfen sie nicht übersehen. Sie wen<strong>de</strong>t sich an unsere Verantwortung<br />
und lautet: „Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn nennt, stehe ab von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit.“<br />
Zu einem rechten Teilen <strong>de</strong>s Wortes <strong>de</strong>r Wahrheit gehört, dass wir bei<strong>de</strong> Seiten sehen. Es<br />
genügt nicht, dabei stehenzubleiben, dass <strong>de</strong>r Herr die Seinen kennt. Das ist nur die halbe<br />
Wahrheit.<br />
Ungerechtigkeit ist das, was im Wi<strong>de</strong>rspruch zu Gott, zu seinem Wesen und zu seinem<br />
Willen steht. Sie ist einerseits das Gegenteil von praktischer Gerechtigkeit, zu <strong>de</strong>r wir an<br />
manchen Stellen aufgefor<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Sie ist an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>r Wahrheit entgegengesetzt.<br />
Praktische Gerechtigkeit ist eine Lebensführung (Han<strong>de</strong>ln, Re<strong>de</strong>n) in Übereinstimmung<br />
mit <strong>de</strong>m Willen und Wesen Gottes. Ungerechtigkeit ist das Gegenteil. Das gilt sowohl<br />
sittlich/moralisch als auch <strong>de</strong>r Lehre nach. Ob Leben aus Gott vorhan<strong>de</strong>n ist, entzieht sich<br />
oft unserer Kenntnis. Ob aber Ungerechtigkeit vorhan<strong>de</strong>n ist, kann man am Wan<strong>de</strong>l sehen.<br />
Der Baum wird an seinen Früchten erkannt (Mt 7,16–20).<br />
„Abstehen von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit“ gilt natürlich zuerst persönlich, d. h. je<strong>de</strong>r von uns muss<br />
in seinem eigenen Leben von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit abstehen. Wenn das nur eine äußerliche<br />
Sache ist, wer<strong>de</strong>n wir leicht zu Pharisäern. Wir erkennen beim Lesen <strong>de</strong>r Evangelien, mit<br />
welch <strong>de</strong>utlichen Worten <strong>de</strong>r Herr ihr Verhalten brandmarkt. Aber <strong>de</strong>r Zusammenhang<br />
unseres Abschnitts macht klar, dass es hier in erster Linie um Verbindungen zu an<strong>de</strong>ren<br />
Menschen geht, zu Personen, die <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn nennen. Das sind heute diejenigen,<br />
die sich Christen nennen.<br />
Es geht hier um das Bekenntnis, das jemand ablegt. Deshalb spricht Paulus nicht von<br />
„Christus“ o<strong>de</strong>r von „Jesus“, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>m „Herrn“. Da ist jemand, <strong>de</strong>r sagt: „Ich<br />
gehöre <strong>de</strong>m Herrn an“, aber er steht nicht von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit ab. Was dann? Ich<br />
überlasse die Beurteilung dieser Aussage <strong>de</strong>m Herrn. Ich kann es nicht beurteilen. Aber<br />
ich kann dann, wenn er an <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit festhält und nicht davon lässt, mit ihm<br />
keine Gemeinschaft haben. Ich kann mit ihm keinen gemeinsamen Weg gehen. Ich kann<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
mit ihm keinen gemeinsamen Dienst für <strong>de</strong>n Herrn tun. Wir wollen uns hüten, ein Urteil<br />
zu fällen. Das überlassen wir <strong>de</strong>m Herrn. Aber wir haben <strong>de</strong>nnoch die Verantwortung, von<br />
<strong>de</strong>r Ungerechtigkeit abzustehen und keine Gemeinschaft damit zu haben.<br />
Auch die zweite Seite <strong>de</strong>s Siegels fin<strong>de</strong>n wir in <strong>de</strong>r Begebenheit <strong>de</strong>r Rotte Korahs in 4. Mose<br />
16 wie<strong>de</strong>r. Im Auftrag Gottes sagt Mose zu <strong>de</strong>m Volk: „Weicht doch von <strong>de</strong>n Zelten dieser<br />
gottlosen Männer und rührt nichts an, was ihnen gehört, dass ihr nicht weggerafft wer<strong>de</strong>t<br />
in allen ihren Sün<strong>de</strong>n!“ (4. Mo 16,26). Das war die Verantwortung <strong>de</strong>s Volkes. Hier ging<br />
es nicht um die Frage, ob Gott wusste, wer sein war. Es ging vielmehr darum, dass sich<br />
alle von Korah und seinen Leuten distanzieren mussten. An<strong>de</strong>rnfalls wür<strong>de</strong>n sie mit ihnen<br />
weggerafft wer<strong>de</strong>n. Das wird uns in <strong>de</strong>n nächsten Versen weiter erläutert. Aber schon hier<br />
wird ein sehr wichtiger Grundsatz klar, dass nämlich Verbindung mit Bösem verunreinigt.<br />
Aus diesem Grund ist Trennung von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>s Menschen Gottes.<br />
Das schließt die Trennung von Menschen, die in <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit verharren, ein.<br />
„In einem großen Haus aber sind nicht allein gol<strong>de</strong>ne und silberne Gefäße, son<strong>de</strong>rn auch<br />
hölzerne und ir<strong>de</strong>ne, und die einen zur Ehre, die an<strong>de</strong>ren aber zur Unehre“ (Vers 20).<br />
Ein großes Haus<br />
Dieser Gedanke wird jetzt vertieft. Es ist für <strong>de</strong>n Diener Gottes unmöglich, in Verbindung<br />
mit Ungerechtigkeit zu bleiben. Er muss davon abstehen. Paulus gebraucht zur weiteren<br />
Erläuterung das Bild eines großen Hauses. Es ist ein Bild aus <strong>de</strong>m täglichen Leben. In<br />
einem großen Haus gibt es verschie<strong>de</strong>ne Gefäße, die <strong>de</strong>m Hausherrn zum Gebrauch dienen.<br />
Das Wort „Gefäß“ kommt im Neuen Testament mehrfach vor. An einigen Stellen wird es<br />
mit „Gerät“ o<strong>de</strong>r „Hausrat“ übersetzt (z. B. Lk 17,31; Mt 12,29). Die Gefäße in <strong>de</strong>m Haus<br />
unterschei<strong>de</strong>n sich. Es gibt nicht nur gol<strong>de</strong>ne und silberne Gefäße, son<strong>de</strong>rn ebenso hölzerne<br />
und ir<strong>de</strong>ne. Aber es gibt noch eine an<strong>de</strong>re Unterscheidung. Einige Gefäße sind zur Ehre,<br />
an<strong>de</strong>re zur Unehre. Es ist offensichtlich, dass mit <strong>de</strong>n Gefäßen Menschen gemeint sind,<br />
während <strong>de</strong>r Hausherr Gott ist.<br />
Das gebrauchte Bild hat eine symbolische Be<strong>de</strong>utung. Viele Ausleger zweifeln nicht daran,<br />
dass Paulus mit <strong>de</strong>m großen Haus mehr meint als einfach nur das Beispiel eines beliebigen<br />
Hauses. Es <strong>de</strong>utet auf die Christenheit hin, auf <strong>de</strong>n Bereich also, wo man <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s<br />
Herrn nennt. Im ersten Brief an Timotheus hatte Paulus schon von einem Haus gesprochen.<br />
Allerdings nicht von einem großen Haus. Er spricht dort von <strong>de</strong>m Haus Gottes, „das die<br />
Versammlung <strong>de</strong>s lebendigen Gottes ist, <strong>de</strong>r Pfeiler und die Grundfeste <strong>de</strong>r Wahrheit“<br />
(1. Tim 3,15). Davon spricht Paulus jetzt nicht mehr. Der zweite Timotheusbrief ist ein Brief<br />
für die Endzeit. Der Nie<strong>de</strong>rgang war bereits eingetreten. Viele Christen hatten sich von<br />
<strong>de</strong>m Apostel Paulus abgewandt. Es wur<strong>de</strong> Lauheit, Bosheit und falsche Lehre gefun<strong>de</strong>n und<br />
toleriert. Sogar die Person <strong>de</strong>s Herrn selbst wur<strong>de</strong> angegriffen. Das Haus Gottes gibt es<br />
immer noch, aber wenn es um die Verantwortung <strong>de</strong>r Menschen geht, nennt Paulus es hier<br />
„ein großes Haus“. Es ist also durchaus nicht positiv zu verstehen, wenn dieses Haus „groß“<br />
genannt wird.<br />
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Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r sich Christ nennt, ist ein Teil <strong>de</strong>r Christenheit. Er befin<strong>de</strong>t sich in diesem Haus –<br />
unabhängig davon, ob sein Bekenntnis zu Christus echt ist o<strong>de</strong>r nicht. Es ist nicht möglich,<br />
aus diesem Haus hinauszugehen, es sei <strong>de</strong>nn, wir hören auf, Christen zu sein. So wie<br />
es in <strong>de</strong>m großen Haus unterschiedliche Gefäße gibt, befin<strong>de</strong>n sich in <strong>de</strong>r Christenheit<br />
unterschiedliche Menschen. Sie wer<strong>de</strong>n hier nach zwei Kriterien unterschie<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n<br />
bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s Siegels entsprechen.<br />
• a) Das erste Unterscheidungsmerkmal ist das Material, aus <strong>de</strong>m sie hergestellt sind –<br />
einerseits Gold und Silber, an<strong>de</strong>rerseits Holz und Er<strong>de</strong>.<br />
• b) Das zweite Unterscheidungsmerkmal ist die Brauchbarkeit <strong>de</strong>r Gefäße – sie sind<br />
entwe<strong>de</strong>r zur Ehre o<strong>de</strong>r zur Unehre <strong>de</strong>s Hausherrn.<br />
Das Material <strong>de</strong>r Gefäße<br />
Gold uns Silber spricht von <strong>de</strong>m, was echt ist und Bestand hat. Gold ist in <strong>de</strong>r Bibel oft<br />
ein Bild göttlicher Gerechtigkeit und Herrlichkeit. Silber <strong>de</strong>utet <strong>de</strong>n Preis an, <strong>de</strong>r für die<br />
Erlösung bezahlt wur<strong>de</strong>. Gefäße aus Gold und Silber sind also die Gläubigen, die mit<br />
göttlicher Gerechtigkeit und Herrlichkeit beklei<strong>de</strong>t sind und durch das Blut <strong>de</strong>s Herrn Jesus<br />
erlöst sind. Durch die Erlösung sind wir in die Gegenwart Gottes gebracht wor<strong>de</strong>n. Holz<br />
und Er<strong>de</strong> lassen uns an das <strong>de</strong>nken, was aus dieser Er<strong>de</strong> kommt. Es sind Materialien, die <strong>de</strong>m<br />
Feuer <strong>de</strong>s Gerichts (<strong>de</strong>r göttlichen Beurteilung) nicht standhalten können. Es sind Menschen,<br />
die kein Leben aus Gott haben. Sie gehören dieser Er<strong>de</strong> an und nicht <strong>de</strong>m Himmel. Genau<br />
so präsentiert sich die Christenheit heute. Es gibt eine Mischung aus Echtem und Unechtem.<br />
Man kann <strong>de</strong>n Gefäßen nicht immer ansehen, aus welchem Material sie gemacht sind. Ein<br />
gol<strong>de</strong>nes und ir<strong>de</strong>nes Gefäß kann so mit Schmutz überzogen sein, dass man das Material,<br />
aus <strong>de</strong>m es besteht, nicht erkennen kann. Das kann allein <strong>de</strong>r Herr. Deshalb entspricht diese<br />
Unterscheidung <strong>de</strong>r ersten Seite <strong>de</strong>s Siegels („Der Herr kennt, die sein sind“).<br />
Eigentlich gehören in das Haus nur gol<strong>de</strong>ne und silberne Gefäße. Die Tatsache <strong>de</strong>r<br />
Anwesenheit an<strong>de</strong>rer Gefäße ist ein Beweis von Unordnung und Nie<strong>de</strong>rgang.<br />
Die Brauchbarkeit <strong>de</strong>r Gefäße<br />
Auf <strong>de</strong>n ersten Blick scheint es so zu sein, als ob Paulus hier <strong>de</strong>n ersten Gedanken wie<strong>de</strong>rholt.<br />
Man könnte <strong>de</strong>nken, dass die gol<strong>de</strong>nen und silbernen Gefäße zur Ehre und die hölzernen und<br />
ir<strong>de</strong>nen Gefäße zur Unehre sind. Aber so ist es nicht. Gol<strong>de</strong>ne und silberne Gefäße sind nicht<br />
„automatisch“ (per Definition) zur Ehre <strong>de</strong>s Hausherrn. Paulus wie<strong>de</strong>rholt hier nicht einfach<br />
etwas, son<strong>de</strong>rn er zeigt einen zweiten Gesichtspunkt, <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>m ersten zu unterschei<strong>de</strong>n<br />
ist. Das wird durch <strong>de</strong>n Gebrauch <strong>de</strong>s Wortes „und“ in unserem Vers unterstrichen. Ein<br />
gol<strong>de</strong>nes und silbernes Gefäß kann lei<strong>de</strong>r so schmutzig sein, dass es für <strong>de</strong>n Hausherrn<br />
unbrauchbar ist. Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Frage ist hier, ob ein Gefäß zur Ehre ist o<strong>de</strong>r nicht, ob es<br />
nützlich (brauchbar) ist o<strong>de</strong>r nicht. Das entspricht <strong>de</strong>r zweiten Seite <strong>de</strong>s Siegels („Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn nennt, stehe ab von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit“). Es gibt lei<strong>de</strong>r Gläubige, die<br />
durch ihr eigenes Leben und durch ihre Verbindungen zur Ungerechtigkeit so verunreinigt<br />
sind, dass <strong>de</strong>r Hausherr sie nicht zu je<strong>de</strong>m guten Werk benutzen kann. Sie sind nicht zu<br />
seiner Ehre. Das Wort „Ehre“ – an an<strong>de</strong>ren Stellen auch mit „Preis“ o<strong>de</strong>r „Herrlichkeit“<br />
o<strong>de</strong>r „Kostbarkeit“ übersetzt -; lässt uns daran <strong>de</strong>nken, dass unser Gott Freu<strong>de</strong> und Nutzen<br />
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an uns haben möchte. Er möchte, dass unser Han<strong>de</strong>ln und unser Dienst Wert für Ihn<br />
haben. Demgegenüber steht <strong>de</strong>r Ausdruck „Unehre“. In Römer 1,26 wird er mit „schändlich“<br />
übersetzt. Das macht <strong>de</strong>utlich, dass es sich nicht um eine Nebensächlichkeit han<strong>de</strong>lt, ob ein<br />
Gefäß zur Ehre o<strong>de</strong>r Unehre ist.<br />
Machen wir uns das an einem kleinen Beispiel klar: Im Keller eines Hauses stehen in<br />
einem Regal verschie<strong>de</strong>ne Gefäße. Durch äußere Einflüsse sind alle Gefäße mit einer dicken<br />
Staubschicht be<strong>de</strong>ckt. Nun kommt <strong>de</strong>r Hausherr und nimmt ein gol<strong>de</strong>nes Gefäß aus <strong>de</strong>m<br />
Regal und staubt es sorgfältig ab. Das Gold strahlt und es ist auf <strong>de</strong>n ersten Blick erkennbar,<br />
aus welchem Material das Gefäß ist. Doch statt das Gefäß mit in <strong>de</strong>n Wohnraum zu nehmen,<br />
stellt <strong>de</strong>r Hausherr das Gefäß wie<strong>de</strong>r in das gleiche Regal. Was wird passieren? Es wird nur<br />
kurze Zeit dauern, und das gol<strong>de</strong>ne Gefäß ist wie<strong>de</strong>r mit Staub be<strong>de</strong>ckt und unbrauchbar<br />
gewor<strong>de</strong>n. Was ist nötig, damit das Gefäß wirklich nützlich sein kann? Es muss von <strong>de</strong>n<br />
staubigen Gefäßen separiert (getrennt, abgeson<strong>de</strong>rt) wer<strong>de</strong>n. Genau das macht <strong>de</strong>r nächste<br />
Vers klar.<br />
„Wenn nun jemand sich von diesen reinigt, so wird er ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt,<br />
nützlich <strong>de</strong>m Hausherrn, zu je<strong>de</strong>m guten Werk bereitet“ (Vers 21).<br />
Eine persönliche Ansprache<br />
Dieser Vers beantwortet die Frage, wie ein Gläubiger (also ein gol<strong>de</strong>nes und silbernes Gefäß)<br />
gleichzeitig ein Gefäß zur Ehre sein kann. Dabei ist die Ansprache persönlich gehalten. Es<br />
heißt: „Wenn nun jemand. . . “. Wir müssen be<strong>de</strong>nken, dass dieser Brief nicht an eine örtliche<br />
Versammlung gerichtet ist, son<strong>de</strong>rn an eine einzelne Person. Es geht um <strong>de</strong>n Menschen<br />
Gottes persönlich und nicht um Zucht in <strong>de</strong>r örtlichen Versammlung. Die Frage <strong>de</strong>r Zucht<br />
wird in 1. Korinther 5 behan<strong>de</strong>lt. Dort lautet die Auffor<strong>de</strong>rung: „Tut <strong>de</strong>n Bösen von euch<br />
selbst hinaus“ (1. Kor 5,13). Das ist ein Auftrag, <strong>de</strong>r sich an eine ganze Versammlung richtet.<br />
Hier lautet die Auffor<strong>de</strong>rung hingegen, dass wir uns selbst von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre<br />
innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses trennen sollen. Das ist ein persönlicher Auftrag.<br />
Der Ansatz zwischen 2. Timotheus 2 und 1. Korinther 5 ist also verschie<strong>de</strong>n. Dennoch kann<br />
es sein, dass eine örtliche Versammlung aus Mangel an geistlicher Kraft <strong>de</strong>r Auffor<strong>de</strong>rung<br />
<strong>de</strong>s Herrn nicht (mehr) nachkommt und offenkundiges – und nicht gerichtetes – Böses in<br />
ihrer Mitte dul<strong>de</strong>t. Dann wie<strong>de</strong>rum ist <strong>de</strong>r Einzelne gefragt, sich nach <strong>de</strong>n Belehrungen von<br />
2. Timotheus 2 von <strong>de</strong>nen zu trennen, die Gefäße zur Unehre sind.<br />
Sackgassen<br />
Bevor wir darüber nach<strong>de</strong>nken, was diese Auffor<strong>de</strong>rung beinhaltet, ist es nützlich, kurz<br />
zu be<strong>de</strong>nken, was sie nicht beinhaltet. Es gibt Sackgassen o<strong>de</strong>r Irrwege, die wir nicht<br />
beschreiten sollten.<br />
1. Es gibt keine Auffor<strong>de</strong>rung, aus <strong>de</strong>m großen Haus herauszugehen. Das ist gar nicht<br />
möglich, <strong>de</strong>nn dann wür<strong>de</strong>n wir aufhören, Christen zu sein. Das Haus zu verlassen,<br />
ist für einen Gläubigen unmöglich.<br />
2. Wir wer<strong>de</strong>n nicht aufgefor<strong>de</strong>rt, das Haus zu reformieren, in<strong>de</strong>m wir die Gefäße zur<br />
Unehre aussortieren und aus <strong>de</strong>m Haus entfernen. Es ist sehr wohl die Aufgabe<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
einer örtlichen Versammlung, das Böse hinauszutun, aber es ist nicht Aufgabe eines<br />
Einzelnen in <strong>de</strong>r Christenheit, an<strong>de</strong>re aus diesem Bereich <strong>de</strong>s Bekenntnisses zu<br />
entfernen. Durch unsere Unachtsamkeit ist Böses in dieses Haus hineingekommen,<br />
und wir müssen warten, bis <strong>de</strong>r Herr das Gericht über die bekennen<strong>de</strong> Christenheit<br />
bringt. Beim Reich Gottes ist das ebenso (vgl. Mt 13, 24–30).<br />
3. Wir sollen und dürfen <strong>de</strong>m Bösen gegenüber nicht gleichgültig sein und so tun, als ob<br />
alles in Ordnung wäre. Das wäre eine Toleranz, die Gottes Wort nicht kennt.<br />
Der Weg Gottes: Trennung vom Bösen<br />
Es gibt einen klaren Weg, <strong>de</strong>n Gott uns weist. Es ist ein Weg, <strong>de</strong>n wir persönlich zu gehen<br />
haben. Gleichzeitig ist es ein Weg, auf <strong>de</strong>m wir uns nicht allein befin<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n. Dieser<br />
Weg ist <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>r Reinigung durch Abson<strong>de</strong>rung (Trennung) von <strong>de</strong>n Gefäßen zur<br />
Unehre.<br />
Es ist völlig klar, dass wir nur dann ein Gefäß zur Ehre sein können, wenn wir uns erstens<br />
persönlich rein erhalten. Das gilt für moralische Ungerechtigkeit wie auch für lehrmäßige<br />
Ungerechtigkeit. „Wer <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn nennt, stehe ab von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit.“<br />
Das müssen wir zuerst persönlich in unserem Leben wahr machen. „Und je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r diese<br />
Hoffnung zu ihm hat, reinigt sich selbst, gleichwie er rein ist“ (1. Joh 3,3).<br />
Aber hier geht <strong>de</strong>r Gedanke weiter. In unserem Vers steht nicht so sehr diese Seite vor uns –<br />
obwohl die persönliche Reinheit ein<strong>de</strong>utig die Voraussetzung dafür ist –, son<strong>de</strong>rn hier geht<br />
es darum, dass wir nur dann ein Gefäß zur Ehre sein können, wenn wir keine gemeinsame<br />
Sache mit <strong>de</strong>nen machen, die Gefäße zur Unehre sind. Abstehen von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit<br />
be<strong>de</strong>utet eben auch, dass wir nicht in Verbindung mit <strong>de</strong>nen bleiben können, die das bewusst<br />
nicht tun. Wenn wir dazu nicht bereit sind, können wir wohl ein gol<strong>de</strong>nes und silbernes<br />
Gefäß sein, aber wir sind dann nicht zur Ehre und Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Hausherrn.<br />
Der Weg ist also die Reinigung von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre. Das Wort „reinigen“ be<strong>de</strong>utet<br />
auch „wegreinigen“, „herausreinigen“ o<strong>de</strong>r „gründlich ausfegen“. Es wird außer an dieser<br />
Stelle noch in 1. Korinther 5,7 gebraucht, wo es um Sauerteig geht, <strong>de</strong>r ausgefegt wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Es ein ganz bewusster und oft schmerzlicher Vorgang. Wir son<strong>de</strong>rn uns von <strong>de</strong>nen<br />
ab, die Ungerechtigkeit als Dauerzustand in ihrem Leben dul<strong>de</strong>n, d. h. die offenkundig ein<br />
Verhalten zeigen, das nicht mit <strong>de</strong>m Wesen und <strong>de</strong>m Willen Gottes in Übereinstimmung<br />
ist. Dabei muss <strong>de</strong>utlich sein, dass Ungerechtigkeit offenkundig ist und dass man trotz<br />
Warnung nicht davon lassen will. Einen <strong>de</strong>utlichen Hinweis darauf fin<strong>de</strong>n wir bereits im<br />
Alten Testament: „Weicht, weicht, geht von dort hinaus, rührt nichts Unreines an! Geht<br />
hinaus aus ihrer Mitte, reinigt euch, die ihr die Geräte <strong>de</strong>s Herrn tragt“ (Jes 52,11). Es ist<br />
gut möglich, dass Paulus hier gera<strong>de</strong> an diesen Vers <strong>de</strong>nkt.<br />
Ein Gefäß zu Ehre<br />
Trennung von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre hat ein konkretes Ziel. Wir sollen ein Gefäß zur<br />
Ehre sein, geheiligt, nützlich <strong>de</strong>m Hausherrn, und zu je<strong>de</strong>m guten Werk bereitet.<br />
• Ein Gefäß zur Ehre: Es geht um die Ehre <strong>de</strong>s Herrn und um seine Beurteilung. In <strong>de</strong>n<br />
Augen <strong>de</strong>r Menschen mag es nicht erstrebenswert sein, sich von an<strong>de</strong>ren zu trennen.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Das mag sogar Schmach und Verachtung mit sich bringen. Aber es geht nicht um das<br />
Lob <strong>de</strong>r Menschen, son<strong>de</strong>rn um die Ehre Gottes und um seine Beurteilung.<br />
• Geheiligt: Geheiligt zu sein be<strong>de</strong>utet abgeson<strong>de</strong>rt zu sein. Das Neue Testament zeigt<br />
uns zwei große Seiten <strong>de</strong>r Heiligung <strong>de</strong>s Christen. Erstens gibt es die grundsätzliche<br />
Heiligung (vgl. z. B. 1. Kor 1,30; 6,11; Heb 10,10; 1. Pet 1,2). Gott sieht uns so, dass<br />
wir heilig sind. Zweitens gibt es die praktische o<strong>de</strong>r fortlaufen<strong>de</strong> Heiligung (vgl. z. B.<br />
1. Pet, 1,15; 2. Pet 3,11; 2. Kor 7,1).Wir sollen im täglichen Verhalten das wahr machen,<br />
was unserer Stellung entspricht. Wir sollen <strong>de</strong>r Heiligkeit nachjagen. Das kommt<br />
nicht von selbst, son<strong>de</strong>rn ist ein ständiger Prozess, in <strong>de</strong>m wir uns üben (vgl. z. B. Röm<br />
6,19; Heb 12,14; 1. Tim 2,5). Heiligung o<strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung haben häufig einen eher<br />
negativen Unterton. Wir wollen be<strong>de</strong>nken, dass es dabei zwei Zielrichtungen gibt. Die<br />
eine ist tatsächlich negativ. Wir sollen uns vom Bösen und von <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit<br />
trennen. Die an<strong>de</strong>re Seite ist positiv. Heiligung be<strong>de</strong>utet nicht nur Trennung, son<strong>de</strong>rn<br />
gleichzeitig Hinwendung und Weihe an unseren Herrn. Heilige Gefäße zur Ehre <strong>de</strong>s<br />
Hausherrn zu sein be<strong>de</strong>utet <strong>de</strong>shalb zuerst, unserem Herrn im Dienst zur Verfügung<br />
zu stehen.<br />
• Nützlich <strong>de</strong>m Hausherrn: Nützlich ist brauchbar. Es ist ein Trugschluss zu <strong>de</strong>nken,<br />
dass Trennung von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre be<strong>de</strong>utet, dass das Arbeitsfeld<br />
eingeschränkt wird. Es gibt Christen, die so <strong>de</strong>nken. Aber das Gegenteil ist <strong>de</strong>r Fall. In<br />
2. Mose 33 fin<strong>de</strong>n wir dazu ein passen<strong>de</strong>s Beispiel. Mose trennte sich von <strong>de</strong>m Volk<br />
und schlug sein Zelt außerhalb <strong>de</strong>s Lagers auf. War er <strong>de</strong>shalb weniger nützlich? Im<br />
Gegenteil: Gera<strong>de</strong> dort, in <strong>de</strong>r Trennung vom Volk, war Mose wirklich brauchbar. Es<br />
klingt paradox, ist es aber nicht. Wir stehen vor <strong>de</strong>m Herrn und können nur dann<br />
nützlich sein, wenn wir seinen Anweisungen folgen. Der Ausdruck „Hausherr“ ist hier<br />
aufschlussreich. Er be<strong>de</strong>utet hier tatsächlich „<strong>de</strong>spotes“ (siehe unser Wort Despot).<br />
Der Herr herrscht natürlich nicht wie ein Despot über uns. Aber es wird doch <strong>de</strong>utlich,<br />
dass Er das Sagen hat. Es geht im Dienst für Ihn nicht um unseren Willen, son<strong>de</strong>rn<br />
um seinen Willen.<br />
• Zu je<strong>de</strong>m guten Werk bereit: Ein Gefäß (o<strong>de</strong>r Gerät) soll etwas bewirken. Das zeigt<br />
sich in <strong>de</strong>n guten Werken, die wir tun. Der Christ tut keine guten Werke, um etwas zu<br />
bekommen (schon gar nicht das Heil seiner Seele), son<strong>de</strong>rn er tut gute Werke, weil<br />
er etwas bekommen hat. Der Herr möchte, dass wir eifrig sind in guten Werken. Es<br />
sind Werke, die Er zuvor bereitet hat, damit wir in ihnen wan<strong>de</strong>ln sollen (Eph 2,10)<br />
Der Ausdruck „zu je<strong>de</strong>m guten Werk“ kommt mehrmals im Neuen Testament vor. In<br />
2. Korinther 9,8 lesen wir, dass wir überströmend sein sollen zu je<strong>de</strong>m guten Werk.<br />
In 2. Timotheus 3,7 lernen wir, dass wir zu je<strong>de</strong>m guten Werk völlig geschickt sein<br />
sollen. In Titus 3,1 geht es darum, zu je<strong>de</strong>m guten Werk bereit zu sein. Das dort für<br />
„bereit“ gebrauchte Wort ist <strong>de</strong>m in unserem Vers gebrauchten Wort ähnlich. Wir<br />
sollen innerlich darauf vorbereitet sein, je<strong>de</strong>s gute Werk zu tun.<br />
„Die jugendlichen Begier<strong>de</strong>n aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe,<br />
Frie<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>nen, die <strong>de</strong>n Herrn anrufen aus reinem Herzen“ (Vers 22).<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Fliehen<br />
Trennung von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre wird äußerlich sichtbar. Zu <strong>de</strong>r äußeren Seite<br />
kommt jedoch zwingend die innere Seite. Bei<strong>de</strong>s können wir nicht voneinan<strong>de</strong>r trennen. Die<br />
Gefahr besteht, dass wir uns zwar äußerlich von <strong>de</strong>m Ver<strong>de</strong>rben innerhalb <strong>de</strong>s christlichen<br />
Bekenntnisses trennen, dann aber <strong>de</strong>n Verlockungen <strong>de</strong>r alten Natur zum Opfer fallen.<br />
Der Befehl Gottes lautet <strong>de</strong>shalb: Fliehen! Die Zeitform macht klar, dass es eine fortdauern<strong>de</strong><br />
Handlung ist. Wir müssen immer wie<strong>de</strong>r fliehen. Es gibt Situationen, in <strong>de</strong>nen wir<br />
wi<strong>de</strong>rstehen sollen (z. B. 1. Pet 5,9). Es gibt aber ebenso Situationen, wo wir fliehen müssen.<br />
Die Frage ist, wann welche Reaktion angesagt ist. Allgemein können wir sagen, dass wir<br />
dann wi<strong>de</strong>rstehen sollen, wenn die Wahrheit angegriffen o<strong>de</strong>r unser Glaube geprüft wird.<br />
Fliehen müssen wir dann, wenn <strong>de</strong>r Teufel es auf unser Fleisch (die alte Natur) abgesehen<br />
hat. Wenn es um Lüste und Befriedigungen <strong>de</strong>s Fleisches geht, ist immer Flucht angesagt.<br />
Das trefflichste Beispiel dazu ist Joseph. Er floh vor <strong>de</strong>r Frau von Potiphar, als sie ihn zur<br />
Sün<strong>de</strong> verführen wollte.<br />
Begier<strong>de</strong> meint eine lei<strong>de</strong>nschaftliche Sehnsucht, ein Verlangen. Es kann sich durchaus um<br />
sinnliche und sexuelle Begier<strong>de</strong>n han<strong>de</strong>ln. Allerdings sollten wir <strong>de</strong>n Ausdruck nicht darauf<br />
beschränken. Er ist umfassen<strong>de</strong>r und geht über das hinaus, was fleischliche Sinneslust ist.<br />
Der Zusammenhang <strong>de</strong>s Abschnitts macht klar, dass Paulus hier wohl eher an<strong>de</strong>re Begier<strong>de</strong>n<br />
im Auge hat. Sie wer<strong>de</strong>n „jugendliche Begier<strong>de</strong>n“ genannt, weil sie wohl im jugendlichen<br />
Alter eine beson<strong>de</strong>re Gefahr sind. Aber niemand – selbst wenn er älter gewor<strong>de</strong>n ist – ist<br />
vor diesen jugendlichen Begier<strong>de</strong>n gefeit. Wir <strong>de</strong>nken zum Beispiel an Intoleranz, Jähzorn,<br />
Hochmut etc.<br />
Es ist natürlich nichts verkehrt daran, jung zu sein. Im Gegenteil. Die Begeisterung, Kraft,<br />
Energie und Frische <strong>de</strong>r Jugend ist im Dienst für <strong>de</strong>n Herrn sehr nützlich. Aber in <strong>de</strong>r<br />
Jugend ist die Gefahr vorhan<strong>de</strong>n, manchmal schneller laufen zu wollen als <strong>de</strong>r Herr. Da<br />
ist man vielleicht hin und wie<strong>de</strong>r zu stürmisch. Auch Hochmut, Leichtsinn, Ungeduld<br />
und Selbstvertrauen sind Gefahren, die uns gera<strong>de</strong> in jungen Jahren beson<strong>de</strong>rs naheliegen.<br />
Junge Leute sind zu<strong>de</strong>m bisweilen eher geneigt, sich ein Urteil über an<strong>de</strong>re zu bil<strong>de</strong>n, das<br />
nicht angemessen ist. Gera<strong>de</strong> im Zusammenhang mit <strong>de</strong>n vorherigen Versen ist das eine<br />
beson<strong>de</strong>re Gefahr für alle. Wenn wir uns von Gefäßen zur Unehre gereinigt haben, könnten<br />
wir leicht ein unangemessenes Urteil haben. Davor wer<strong>de</strong>n wir gewarnt.<br />
Streben<br />
Dem „Fliehen“ steht das „Streben“ gegenüber. Das ist positiv. Wer immer auf <strong>de</strong>r Flucht<br />
ist, aber kein Ziel hat, wird kein glückliches Christenleben führen. In Psalm 34,15 schreibt<br />
David: „Weiche vom Bösen und tue Gutes.“ Bei<strong>de</strong> Seiten gehören untrennbar zusammen.<br />
Wir brauchen klare positive Ziele in unserem Leben. Hier wer<strong>de</strong>n einige genannt. „Streben“<br />
wird an an<strong>de</strong>ren Stellen mit „verfolgen“ o<strong>de</strong>r „jagen“ (Phil 3,14; Heb 12,14) übersetzt. Dazu<br />
brauchen wir Energie, Hingabe und Entschlossenheit. Die Zeitform <strong>de</strong>utet wie beim Fliehen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 78
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
darauf hin, dass es eine Auffor<strong>de</strong>rung ist, <strong>de</strong>r wir permanent nachkommen sollen. Es ist ein<br />
ständiger Prozess, so lange wir auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sind.<br />
Dann wird konkretisiert, wonach wir streben sollen:<br />
• Nach Gerechtigkeit: Es geht hier nicht um die Gerechtigkeit aus Glauben. Wer<br />
gerechtfertigt ist, braucht nach dieser Gerechtigkeit nicht mehr zu streben, er hat<br />
sie ja. Es geht hier vielmehr um praktische Gerechtigkeit. Sie wird an erster Stelle<br />
genannt, weil sie im Gegensatz zu <strong>de</strong>r Ungerechtigkeit steht, von <strong>de</strong>r wir abstehen<br />
sollen. Wir sind oft geneigt, die Liebe an <strong>de</strong>n Anfang zu stellen. Es ist wahr, dass die<br />
Liebe wichtig ist. Ohne Liebe ist alles nichts. Aber die Liebe ist nicht alles. Gera<strong>de</strong> hier<br />
geht es zuerst um die Übereinstimmung mit <strong>de</strong>m Willen und Wesen Gottes. F.B. Hole<br />
bringt es auf eine ganz knappe Formel: „Gerechtigkeit ist das, was vor Gott richtig ist.“<br />
• Nach Glauben: Gemeint ist nicht <strong>de</strong>r retten<strong>de</strong> Glaube, <strong>de</strong>r das Heil ergreift, das Gott<br />
uns anbietet. Es geht hier auch nicht um das Glaubensgut. Paulus <strong>de</strong>nkt vielmehr an<br />
das tägliche und praktische Glaubensvertrauen auf Gott. Dieser Glaube verbin<strong>de</strong>t uns<br />
mit einer unsichtbaren Welt. Solange wir hier noch im Kampf stehen, brauchen wir<br />
diese Verbindung nach oben. Wir leben nicht durch Schauen, son<strong>de</strong>rn durch Glauben.<br />
Dieser Glaube steht <strong>de</strong>m Vertrauen auf die eigene Kraft und das eigene Können<br />
entgegen. Wenn wir in <strong>de</strong>m großen Haus Gefäße zur Ehre sein wollen, brauchen wir<br />
dieses Vertrauen. Das hier gebrauchte Wort für „Glaube“ wird im Neuen Testament<br />
an an<strong>de</strong>ren Stellen mit „Treue“ übersetzt (z. B. Gal 5,22; Tit 2,10). In schwerer Zeit, wo<br />
viele sich vom Herrn abgewandt haben, kann Er diese Treue von uns erwarten.<br />
• Nach Liebe: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen. Wie sich das im<br />
täglichen Leben zeigt, sehen wir zum Beispiel in 1. Korinther 13. Es geht einerseits<br />
um unsere Liebe zu Gott, an<strong>de</strong>rerseits – und das mag hier im Vor<strong>de</strong>rgrund stehen –<br />
um unsere Liebe zu <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn Gottes, wo immer sie sich befin<strong>de</strong>n mögen. Wir<br />
sind nicht nur fähig, sie zu lieben, son<strong>de</strong>rn wir sollen es tatsächlich tun. In <strong>de</strong>r Liebe<br />
selbst sollen wir keinen Unterschied machen. Etwas an<strong>de</strong>res ist es, dass sich die<br />
Ausdrucksform <strong>de</strong>r Liebe <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n entsprechend än<strong>de</strong>rn kann. Die Gefahr, dass<br />
die Liebe erkaltet, besteht beson<strong>de</strong>rs dann, wenn wir uns von Gefäßen zur Unehre<br />
getrennt haben. Deshalb bleibt die Auffor<strong>de</strong>rung, nach Liebe zu streben.<br />
• Nach Frie<strong>de</strong>n: Der Frie<strong>de</strong> wird als Letztes genannt. Er ist das Ergebnis <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren<br />
Tugen<strong>de</strong>n. Jesaja 32,17 verbin<strong>de</strong>t ebenfalls die Gerechtigkeit mit <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n und<br />
sagt: „Das Werk <strong>de</strong>r Gerechtigkeit wird Frie<strong>de</strong>n sein“ (vgl. auch Jak 3,18). Frie<strong>de</strong>n hat<br />
ganz allgemein mit unseren Umstän<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Menschen zu tun, die uns begegnen.<br />
Es geht hier nicht um <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n mit Gott. Den haben wir durch das Werk unseres<br />
Herrn. Er hat Frie<strong>de</strong>n gemacht durch das Blut seines Kreuzes (Kol 1,20). Es geht hier<br />
ebenfalls nicht primär um <strong>de</strong>n Frie<strong>de</strong>n Gottes. Er ist die Voraussetzung dafür, dass wir<br />
nach Frie<strong>de</strong>n streben können. Was Paulus hier vorstellen möchte, ist <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n<br />
wir mit unseren Geschwistern und darüber hinaus mit allen Menschen haben sollen.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 79
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Keine Isolation<br />
Auf diesem Weg <strong>de</strong>r Abson<strong>de</strong>rung von <strong>de</strong>n Gefäßen zur Unehre sind wir nicht allein.<br />
Trennung führt nicht in die Isolation. Es wäre fatal, wenn wir „Separatisten“ wür<strong>de</strong>n, die<br />
ihren Weg ganz alleine gehen und keine Kontakte zu an<strong>de</strong>ren Gläubigen haben. Nein, es<br />
gibt immer Gläubige, die <strong>de</strong>n Herrn anrufen aus reinem Herzen. Wir erinnern uns noch<br />
einmal an Elia, <strong>de</strong>r genau diesen Fehler gemacht hat.<br />
„Den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ steht in einem gewissen Gegensatz zu „<strong>de</strong>n Namen<br />
<strong>de</strong>s Herrn nennen“ (V 19). Es gibt heute viele Menschen, die diesen Namen nennen. Es sind<br />
Menschen, die sich nach Christus nennen, aber oft gar keine Lebensverbindung zu Ihm<br />
haben. Hier jedoch han<strong>de</strong>lt es sich um Gläubige. Es sind Leute, die <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Herrn<br />
anrufen – und zwar aus reinem Herzen.<br />
Beachten wir, dass es um <strong>de</strong>n „Herrn“ geht. Unser Bekenntnis zu Ihm muss sich als echt<br />
erweisen, in<strong>de</strong>m wir seinen Willen tun. Hier geht es um das Innere <strong>de</strong>s Menschen. Es<br />
geht um Personen, die sich gereinigt haben. Deshalb rufen sie <strong>de</strong>n Herrn aus einem reinen<br />
Herzen an. Es ist wahr: Wir können niemand direkt ins Herz sehen. Aber wir können sehr<br />
wohl sehen, ob Hingabe an Christus und Entschie<strong>de</strong>nheit für Ihn und seine Sache da ist. Wo<br />
wir ein klares Zeugnis zu Ihm hin fin<strong>de</strong>n und eine gesun<strong>de</strong> Gesinnung, dürfen wir davon<br />
ausgehen, dass es sich um Menschen han<strong>de</strong>lt, mit <strong>de</strong>nen wir gemeinsam nach Gerechtigkeit,<br />
Glauben, Liebe und Frie<strong>de</strong>n streben können. Dabei sollten wir sehr vorsichtig sein, um nicht<br />
unser eigenes Gewissen und unsere eigene Kenntnis <strong>de</strong>r Gedanken Gottes zum Maßstab zu<br />
machen, wie wir an<strong>de</strong>re beurteilen.<br />
Es ist gut zu wissen, dass Gott uns gera<strong>de</strong> in letzten Tagen und schweren Zeiten<br />
Glaubensgeschwister an die Seite stellt, die <strong>de</strong>n Herrn aus reinem Herzen anrufen. Es<br />
sind Menschen, die das verwirklichen wollen, was Paulus seinem Kind Timotheus vor fast<br />
2000 Jahren geschrieben hat. Wir stehen nicht allein. Gott gibt uns an<strong>de</strong>re an die Seite, mit<br />
<strong>de</strong>nen wir gemeinsam nach <strong>de</strong>n genannten Tugen<strong>de</strong>n streben können.<br />
In Jesaja 51,1 ist die Re<strong>de</strong> von Menschen, die <strong>de</strong>r Gerechtigkeit nachstreben. „Hört auf<br />
mich, die ihr <strong>de</strong>r Gerechtigkeit nachjagt, die ihr <strong>de</strong>n Herrn sucht.“ Unmittelbar danach<br />
ist die Re<strong>de</strong> von Abraham. Wenn sich einer wirklich allein auf <strong>de</strong>m Weg <strong>de</strong>s Glaubens<br />
befand, dann war es Abraham. Gott sagt gera<strong>de</strong> an dieser Stelle: „Ich rief ihn, <strong>de</strong>n Einen<br />
(als Einzelnen)“. Dennoch war Abraham nicht ganz allein, <strong>de</strong>nn wir lesen: „Blickt hin auf<br />
Abraham, euren Vater, und auf Sara, die euch geboren hat“ (Jes 51,2). Sara war ihrem Mann<br />
nicht immer eine Hilfe – trotz<strong>de</strong>m hatte Gott sie ihm zur Seite gestellt. Gemeinsam jagten sie<br />
<strong>de</strong>r Gerechtigkeit nach. Es ist <strong>de</strong>r Wunsch unseres Herrn, dass wir diesen Herzensentschluss<br />
fassen.<br />
„Die törichten und ungereimten Streitfragen aber weise ab, da du weißt, dass sie<br />
Streitigkeiten erzeugen“ (Vers 23).<br />
Das Thema „Streit“ und „Streitfragen“ nimmt in <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Timotheusbriefen einen breiten<br />
Raum ein. Immer wie<strong>de</strong>r warnt Paulus davor. In 1. Timotheus 1,4 spricht er von Fabeln<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
und endlosen Geschlechtsregistern, die mehr Streitfragen hervorbringen als die Verwaltung<br />
Gottes för<strong>de</strong>rn. In 1. Timotheus 6,4 ist die Re<strong>de</strong> von Menschen, die krank sind an Streitfragen<br />
und Wortgezänken. In Vers 24 unseres Kapitels wird Timotheus daran erinnert, dass ein<br />
Knecht <strong>de</strong>s Herrn nicht streiten soll. Es geht also einerseits darum, dass wir selbst nicht<br />
streiten sollen, an<strong>de</strong>rerseits wird gezeigt, wie wir mit <strong>de</strong>nen umgehen sollen, die <strong>de</strong>rartige<br />
Streitfragen im Volk Gottes aufbringen.<br />
In Vers 14 wird Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, ernstlich vor <strong>de</strong>m Herrn zu bezeugen, keinen<br />
Wortstreit zu führen. In Vers 16 sollten die ungöttlichen und leeren Geschwätze vermie<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n. Jetzt wird Timotheus gesagt, dass er törichte und ungereimte Streitfragen abweisen<br />
soll. Der Gebrauch <strong>de</strong>s Wortes „aber“ macht klar, dass solche törichten und ungereimten<br />
Streitfragen <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, <strong>de</strong>m Glauben, <strong>de</strong>r Liebe und <strong>de</strong>m Frie<strong>de</strong>n im Wege stehen.<br />
Es wird hier nicht ein<strong>de</strong>utig gesagt, worin diese Streitfragen im Detail bestan<strong>de</strong>n. Es ist<br />
gut möglich, dass es sich um Fragen über das Gesetz han<strong>de</strong>lt. Tatsache ist aber, dass die<br />
Ursache <strong>de</strong>rartiger Streitigkeiten immer in <strong>de</strong>n ungöttlichen Begier<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Fleisches liegt<br />
(Jak 4,1). Paulus nennt diese Streitfragen töricht und ungereimt. „Töricht“ be<strong>de</strong>utet so viel<br />
wie „dumm“ o<strong>de</strong>r „einfältig“. „Ungereimt“ meint so viel wie „ungelernt“, „ungeübt“ o<strong>de</strong>r<br />
auch „undiszipliniert“. Streitfragen, die einen solchen Charakter tragen, sollten abgewiesen<br />
wer<strong>de</strong>n, d. h. wir sollten ihnen aus <strong>de</strong>m Weg gehen.<br />
Streitfragen im Sinn dieses Verses sind Kontroversen über Dinge, die umstritten sind und<br />
kein begrün<strong>de</strong>tes Fundament haben. Das Neue Testament spricht an an<strong>de</strong>ren Stellen von<br />
Streitfragen, die sehr wohl zu klären sind. Römer 14,1 spricht von strittigen Überlegungen,<br />
die entschie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n müssen. Ein Beispiel davon fin<strong>de</strong>n wir in Apostelgeschichte 15.<br />
In Vers 2 ist ausdrücklich von einer „Streitfrage“ die Re<strong>de</strong>, die zu besprechen war. Hier<br />
jedoch geht es um Streitfragen, die töricht und ungereimt sind. Sie sind abzulehnen, weil es<br />
sinnnlos ist, sich darauf einzulassen. Wir müssen also lernen zu unterschei<strong>de</strong>n, um welche<br />
Art von „Streitfragen“ es sich han<strong>de</strong>lt.<br />
Für uns gilt, dass wir nicht je<strong>de</strong>m kontroversen Gespräch über biblische Fragen aus <strong>de</strong>m<br />
Weg gehen sollen. Petrus for<strong>de</strong>rt uns auf, allezeit zur Verantwortung gegenüber je<strong>de</strong>rmann<br />
bereit zu sein, <strong>de</strong>r Rechenschaft von uns for<strong>de</strong>rt. Nicht ohne Grund fügt er hinzu: „ . . . aber<br />
mit Sanftmut und Furcht“ (1. Pet 3,15). Wenn wir jedoch merken, dass es sich um törichte<br />
und ungereimte Streitfragen han<strong>de</strong>lt, müssen wir sie konsequent abweisen. Die Diskussion<br />
solcher Streitfragen führt nur zu weiteren Streitigkeiten.<br />
„Ein Knecht <strong>de</strong>s Herrn aber soll nicht streiten, son<strong>de</strong>rn gegen alle mil<strong>de</strong> sein, lehrfähig,<br />
duldsam“ (Vers 24).<br />
Paulus bezeichnet Timotheus hier als einen „Knecht <strong>de</strong>s Herrn“. Gleichzeitig weitet er die<br />
Unterweisung auf alle aus, die ihrem Herrn dienen. „Knecht“ be<strong>de</strong>utet hier „Sklave“. Paulus<br />
nennt sich selbst häufig einen „Sklaven Christi Jesus“. Wir sind unserem Herrn gegenüber<br />
verantwortlich für das, was Er uns zu tun gibt.<br />
Als Knechte <strong>de</strong>s Herrn sollen wir nicht streiten. Dazu haben wir kein Recht. Im Gegenteil:<br />
Wir sollen durch die drei genannten Eigenschaften gekennzeichnet sein, nämlich Mil<strong>de</strong>,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 81
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
Lehrfähigkeit und Duldsamkeit. Diese drei Eigenschaften fin<strong>de</strong>n wir vollkommen bei<br />
unserem Herrn. Von Ihm lesen wir in Matthäus 12,19, dass Er nicht streiten und schreien<br />
wird. Damit erfüllte sich das Wort Jesajas über <strong>de</strong>n Knecht <strong>de</strong>s Herrn (vgl. Jes 42,1–4).<br />
Wie kein an<strong>de</strong>rer wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Herr Jesus als Knecht Gottes durch Mil<strong>de</strong>, Lehrfähigkeit und<br />
Duldsamkeit ausgezeichnet. In 2. Korinther 10,1 erinnert Paulus an die „Sanftmut und<br />
Mil<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Christus“. Der Herr selbst for<strong>de</strong>rt seine Jünger auf: „Lernt von mir, <strong>de</strong>nn ich bin<br />
sanftmütig und von Herzen <strong>de</strong>mütig“ (Mt 11,29). Mehrfach lesen wir in <strong>de</strong>n Evangelien, dass<br />
seine Zuhörer über seine Lehre staunten. Als Knechte <strong>de</strong>s Herrn verteidigen wir uns nicht<br />
selbst, son<strong>de</strong>rn wir erfüllen unsere Aufgabe in Gehorsam und Treue, und zwar ohne bittere<br />
Empfindungen, ohne Wut und Rachegefühle. Wir sind nicht harsch und herrisch. Wir sind<br />
in unserem Han<strong>de</strong>ln an<strong>de</strong>ren gegenüber konsequent und <strong>de</strong>nnoch in Güte, Freundlichkeit<br />
und Langmut.<br />
Mil<strong>de</strong> zu sein be<strong>de</strong>utet, dass wir nicht auf unseren Rechten bestehen, wenn wir angegriffen<br />
wer<strong>de</strong>n. Duldsam meint, etwas zu ertragen, ohne beleidigt zu sein. Lehrfähigkeit ist eine<br />
Eigenschaft, die in 1. Timotheus 3,2 von einem Aufseher verlangt wird. Es geht nicht in<br />
erster Linie darum, großes Wissen o<strong>de</strong>r ein exzellentes Bibelverständnis zu haben, son<strong>de</strong>rn<br />
darum, das Wissen gut zu vermitteln und zu erklären. In dieser Gesinnung sollen wir<br />
an<strong>de</strong>ren gegenüber auftreten, beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>nen gegenüber, die streiten wollen.<br />
Ein guter Knecht <strong>de</strong>s Herrn wird also einerseits dadurch gekennzeichnet, dass er Böses<br />
ertragen kann. Kritik einzustecken ist – beson<strong>de</strong>rs dann, wenn sie ungerechtfertigt ist –<br />
nicht einfach. Aber <strong>de</strong>r Herr Jesus hat es uns so vorgelebt. Wir sollen <strong>de</strong>n Fußspuren<br />
<strong>de</strong>ssen folgen, <strong>de</strong>r, „gescholten, nicht wie<strong>de</strong>rschalt, lei<strong>de</strong>nd, nicht drohte, son<strong>de</strong>rn sich <strong>de</strong>m<br />
übergab, <strong>de</strong>r gerecht richtet“ (1. Pet 2,23). Gleichzeitig wird ein guter Knecht immer bereit<br />
sein, liebevoll das vorzustellen, was <strong>de</strong>r Wahrheit Gottes entspricht.<br />
„Der in Sanftmut die Wi<strong>de</strong>rsacher zurechtweist, ob ihnen Gott nicht etwa Buße gebe zur<br />
Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit“ (Vers 25).<br />
Den drei in Vers 24 genannten Eigenschaften wird eine vierte hinzugefügt. Der Knecht <strong>de</strong>s<br />
Herrn soll in <strong>de</strong>r Lage sein, die Wi<strong>de</strong>rsacher in Sanftmut zurechtzuweisen.<br />
Sanftmut ist eine Eigenschaft, die wir in <strong>de</strong>r Bibel öfter fin<strong>de</strong>n, sowohl im Alten wie im<br />
Neuen Testament. Von Mose lesen wir, dass er sehr sanftmütig war, „mehr als alle Menschen,<br />
die auf <strong>de</strong>m Erdbo<strong>de</strong>n waren“ (4. Mo 12,3). Dass gera<strong>de</strong> Mose so ausgezeichnet wird, macht<br />
klar, dass es hierbei nicht um eine natürliche Eigenschaft geht. Von Natur war Mose alles<br />
an<strong>de</strong>re als sanftmütig. Er war ein Mör<strong>de</strong>r. Doch in <strong>de</strong>r Schule Gottes war er gereift, so dass<br />
Gott ihm dieses Zeugnis ausstellen kann. Bemerkenswert ist <strong>de</strong>r Zusammenhang, in <strong>de</strong>m<br />
diese Auszeichnung erwähnt wird. In 4. Mose 12 sehen wir, wie seine eigenen Geschwister<br />
gegen ihn auftraten und ihn zu Unrecht angriffen. Die Sanftmut eines Menschen zeigt sich<br />
weniger in guten Tagen als vielmehr dann, wenn er attackiert wird.<br />
Im alten Griechenland wur<strong>de</strong> das Wort „Sanftmut“ für junge Pfer<strong>de</strong> benutzt, die eingeritten<br />
wur<strong>de</strong>n. Der Wille <strong>de</strong>r jungen Tiere musste vorsichtig gebrochen wer<strong>de</strong>n, damit sie <strong>de</strong>m<br />
Reiter gehorchten. Es musste dabei allerdings darauf geachtet wer<strong>de</strong>n, dass die Energie und<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
<strong>de</strong>r Tatendrang <strong>de</strong>r Pfer<strong>de</strong> darunter nicht litt. Sanftmut (o<strong>de</strong>r Mil<strong>de</strong>) sind also durchaus<br />
kein Zeichen von Schwäche. Deshalb kann man das Wort alternativ mit „bewusst unter<br />
Kontrolle gehaltene Macht o<strong>de</strong>r Kraft“ übersetzen.<br />
Diese geistliche Energie ist in <strong>de</strong>r Tat erfor<strong>de</strong>rlich. Denn <strong>de</strong>r Knecht <strong>de</strong>s Herrn soll in<br />
dieser inneren Gesinnung die Wi<strong>de</strong>rsacher zurechtweisen. Das fin<strong>de</strong>n wir vollkommen bei<br />
unserem Herrn. Niemand war so sanftmütig wie Er. Dennoch hat Er die Auseinan<strong>de</strong>rsetzung<br />
mit seinen Wi<strong>de</strong>rsachern nicht gescheut. Mehr als einmal wies Er sie mit <strong>de</strong>utlichen Worten<br />
in die Schranken. Denken wir nur an das siebenfache „Wehe“ in Matthäus 24.<br />
Der Ausdruck „die Wi<strong>de</strong>rspenstigen“ macht <strong>de</strong>utlich, dass es an dieser Stelle nicht einfach<br />
um Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten o<strong>de</strong>r Fragen <strong>de</strong>r Schriftauslegung geht. Offensichtlich<br />
bezieht Paulus sich – zumin<strong>de</strong>st in erster Linie – auf diejenigen, die ungöttliche Streitfragen<br />
hervorbrachten. Gott lässt sie nicht einfach laufen, und <strong>de</strong>r Knecht <strong>de</strong>s Herrn soll das<br />
auch nicht tun. Diese „Wi<strong>de</strong>rspenstigen“ sollten zurechtgewiesen wer<strong>de</strong>n. „Zurechtweisen“<br />
be<strong>de</strong>utet so viel wie „belehren“, „unterweisen“ o<strong>de</strong>r „anleiten“. Das Mittel dazu kann <strong>de</strong>shalb<br />
nur das Wort Gottes sein, das unter <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>s Heiligen Geistes benutzt wird.<br />
Die Zurechtweisung hat eine klar umrissene Motivation: Der Knecht <strong>de</strong>s Herrn wartet<br />
darauf, dass Gott <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspenstigen Buße zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit gibt. Paulus<br />
nennt das Ziel und das Mittel <strong>de</strong>r Zurechtweisung. Das Ziel ist zunächst die Erkenntnis <strong>de</strong>r<br />
Wahrheit. „Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit“ meint nicht eine spezielle Glaubenswahrheit, son<strong>de</strong>rn<br />
ganz allgemein das, was wahr ist. Im Grundtext fehlt <strong>de</strong>r Artikel. Es geht also darum, dass<br />
die Dinge so gesehen wer<strong>de</strong>n, wie Gott sie sieht. Das war bei diesen Wi<strong>de</strong>rspenstigen<br />
offenkundig nicht mehr <strong>de</strong>r Fall.<br />
Das Mittel dazu ist die Buße. Buße ist eine innere Sache <strong>de</strong>s Herzens. Buße tun be<strong>de</strong>utet,<br />
an<strong>de</strong>rs zu <strong>de</strong>nken als bisher. Wenn ein Sün<strong>de</strong>r Buße tut, dann <strong>de</strong>nkt er erstens an<strong>de</strong>rs über<br />
sich und zweitens an<strong>de</strong>rs über Gott. Am Beispiel <strong>de</strong>s verlorenen Sohnes in Lukas 15 wird<br />
das sehr <strong>de</strong>utlich. Dort lernen wir auch, dass die Buße immer mit Umkehr und Bekenntnis<br />
in Verbindung steht.<br />
Buße ist mehr, als das Böse zu bereuen. Buße geht weiter als Reue. Reue ist, wenn uns leid<br />
tut, was wir getan haben. Beispiele für Menschen, die ihr Tun bereut haben, ohne wirklich<br />
Buße getan zu haben, sind Saul (im Alten Testament) und Judas (im Neuen Testament).<br />
Buße ist Sinneswandlung und Herzensverän<strong>de</strong>rung. Wir erkennen beim Lesen <strong>de</strong>r Bibel<br />
zwei Seiten. Einerseits wird <strong>de</strong>r Mensch aufgefor<strong>de</strong>rt, Buße zu tun (z. B. Apg 3,19; Off 2,16).<br />
An<strong>de</strong>rerseits – und das steht hier im Vor<strong>de</strong>rgrund – ist es Gott, <strong>de</strong>r einen Menschen zur<br />
Buße bringt. Sehr schön wird das in Römer 2,4 ausgedrückt, wo Paulus schreibt, dass es <strong>de</strong>r<br />
Reichtum <strong>de</strong>r Gütigkeit und die Geduld und Langmut Gottes sind, die <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r zur Buße<br />
leiten. Deshalb ist Christus auf diese Er<strong>de</strong> gekommen, um Sün<strong>de</strong>r zur Buße zu rufen (Lk<br />
5,32). Unter diesem Blickwinkel ist Buße nichts an<strong>de</strong>res als ein Ergebnis <strong>de</strong>r souveränen<br />
Gna<strong>de</strong> Gottes.<br />
Buße tut <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>r, wenn er zu Gott kommt. Aber auch <strong>de</strong>r irren<strong>de</strong> Gläubige tut Buße,<br />
wenn er vom Weg abgekommen ist. Paulus schreibt <strong>de</strong>n Korinthern: „Jetzt freue ich mich,<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 83
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 2<br />
nicht, dass ihr betrübt wor<strong>de</strong>n seid, son<strong>de</strong>rn dass ihr zur Buße betrübt wor<strong>de</strong>n seid; <strong>de</strong>nn<br />
ihr seid Gott gemäß betrübt wor<strong>de</strong>n, damit ihr in nichts von uns Scha<strong>de</strong>n erlittet. Denn<br />
die Betrübnis Gott gemäß bewirkt eine nie zu bereuen<strong>de</strong> Buße zum Heil; die Betrübnis <strong>de</strong>r<br />
Welt aber bewirkt <strong>de</strong>n Tod“ (2. Kor 7,9.10).<br />
„Und sie wie<strong>de</strong>r nüchtern wer<strong>de</strong>n aus <strong>de</strong>m Fallstrick <strong>de</strong>s Teufels, die von ihm gefangen<br />
sind, für seinen Willen“ (Vers 26).<br />
Wer durch Buße vor Gott zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit geführt ist, wird nüchtern wer<strong>de</strong>n<br />
und aus <strong>de</strong>m Fallstrick <strong>de</strong>s Teufels herauskommen. Nur Gott kann es bewirken, dass ein<br />
Irren<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r nüchtern wird, d. h. geistlich zu Sinnen kommt. Wer unnüchtern ist, ist<br />
geistlich nicht urteilsfähig. Wir dürfen nicht vergessen, dass Satan einer <strong>de</strong>r großen Fein<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Christen ist. Er steht gegen uns und legt seine Fallstricke aus. In 1. Timotheus 3,7 hatte<br />
Paulus schon von einem solchen Fallstrick gesprochen, in <strong>de</strong>n ein Neuling fallen konnte.<br />
Hier sind diejenigen hineingefallen, die törichte und ungereimte Streitfragen hervorbringen.<br />
Wer in diesem Sinn von <strong>de</strong>m Teufel gefangen ist, kann nur <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Teufels tun. Er<br />
ist ein Spielball <strong>de</strong>s Teufels und somit unfähig, zur Ehre Gottes zu leben. Das Ziel Gottes<br />
hingegen ist es, Menschen aus dieser Gefangenschaft herauszuführen, damit sie wie<strong>de</strong>r frei<br />
sind, <strong>de</strong>n Willen Gottes zu tun.<br />
Der Ausdruck „für seinen Willen“ kann sich sprachlich einerseits auf <strong>de</strong>n Teufel beziehen.<br />
Wenn wir <strong>de</strong>n Vers auf diese Weise lesen, dann ist die Be<strong>de</strong>utung, dass die Menschen, die<br />
so vom Teufel gefangen gehalten wer<strong>de</strong>n, nur <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Teufels tun. Die Fußnote<br />
<strong>de</strong>r Elberfel<strong>de</strong>r Übersetzung gibt eine an<strong>de</strong>re Lesart an. Danach – und das ist sprachlich<br />
ebenfalls möglich – bezieht sich die Aussage auf Gott. Die Be<strong>de</strong>utung ist dann diese, dass<br />
Gott möchte, dass Menschen aus ihrer satanischen Bindung herauskommen, um in Zukunft<br />
Gottes Willen zu tun. Der Schreiber <strong>de</strong>s Hebräerbriefes wünscht ganz am En<strong>de</strong>, dass wir<br />
in je<strong>de</strong>m guten Werk vollen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n, „um seinen Willen zu tun“ (Heb 13,21). Das ist<br />
letztlich die Absicht Gottes mit je<strong>de</strong>m von uns.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 84
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Letzte Tage und schwere Zeiten<br />
Der große Gegenstand von Kapitel 2 ist <strong>de</strong>r Zustand <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses, so<br />
wie er sich bereits in <strong>de</strong>n Tagen von Paulus an<strong>de</strong>utete. Dieses Bekenntnis wird mit einem<br />
großen Haus verglichen, in <strong>de</strong>m es unterschiedliche Gefäße gibt, echte und unechte, Gefäße<br />
zur Ehre und zur Unehre. Kapitel 3 geht einen Schritt weiter. Paulus zeigt in <strong>de</strong>n ersten neun<br />
Versen <strong>de</strong>n erschrecken<strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses in <strong>de</strong>n letzten Tagen,<br />
d. h. am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong>. Es ist die erschüttern<strong>de</strong> Beschreibung <strong>de</strong>r Christenheit in<br />
einer äußeren und toten Form. Paulus wird <strong>de</strong>shalb im Ton noch <strong>de</strong>utlicher als in Kapitel 2.<br />
Dabei bleibt er allerdings nicht stehen, son<strong>de</strong>rn zeigt, welche Be<strong>de</strong>utung und welchen Wert<br />
das Wort Gottes bis zum En<strong>de</strong> haben wird. Die Anweisungen an Timotheus sind ein<strong>de</strong>utig<br />
und klar. Sie sprechen auch zu uns, die wir in diesen letzten Tagen leben.<br />
Das Kapitel kann man wie folgt strukturieren:<br />
1. Verse 1–9: Der Zustand <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses in <strong>de</strong>n letzten Tagen<br />
Es wird <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r innere Zustand <strong>de</strong>r Christenheit durch Bosheit gekennzeichnet<br />
ist. Der äußere Zustand ist dabei nicht mehr als eine bloße Zurschaustellung. Die Menschen<br />
haben eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit, aber kein Leben aus Gott.<br />
2. Verse 10–15: Die persönliche Verantwortung <strong>de</strong>s Einzelnen<br />
Je<strong>de</strong>r Einzelne ist aufgefor<strong>de</strong>rt, seiner persönlichen Verantwortung zu entsprechen. Gott<br />
hat uns sein Wort gegeben, an <strong>de</strong>m wir unbedingt festhalten müssen. Dieses Wort ist eine<br />
gewaltige Hilfsquelle, die uns zur Verfügung steht.<br />
3. Verse 16–17: Das Wort Gottes und seine Wirkungen<br />
Paulus gibt Timotheus wichtige Hinweise in Bezug auf die Einzigartigkeit <strong>de</strong>s Wortes<br />
Gottes, das von Gott selbst gegeben ist. Dieses Wort hat alle Autorität und wird bis zum<br />
En<strong>de</strong> bestehen bleiben.<br />
Die Entwicklung, die das christliche Bekenntnis genommen hat, muss uns im Übrigen<br />
nicht sehr überraschen. Der Herr Jesus selbst hat das in seinen Gleichnissen vom Reich<br />
<strong>de</strong>r Himmel schon ange<strong>de</strong>utet. Darüber hinaus geben die Briefe <strong>de</strong>s Neuen Testaments<br />
davon <strong>de</strong>utlich Zeugnis. An mehreren Stellen wer<strong>de</strong>n wir vor <strong>de</strong>m Bösen innerhalb <strong>de</strong>s<br />
christlichen Bekenntnisses gewarnt:<br />
• Johannes spricht davon, dass in <strong>de</strong>r letzten Stun<strong>de</strong> viele Antichristen gewor<strong>de</strong>n sind<br />
(1. Joh 2,18).<br />
• Petrus erwähnt die Spötter, die in <strong>de</strong>n letzten Tagen mit ihrer Spötterei kommen und<br />
nach ihren eigenen Begier<strong>de</strong>n leben (2. Pet 3,3).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 85
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
• Judas nennt Menschen, die sich nebeneingeschlichen haben (Jud 4). Er erinnert<br />
ebenfalls an Spötter, die nach ihren eigenen Begier<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Gottlosigkeit wan<strong>de</strong>ln<br />
(Jud 18).<br />
• Paulus spricht in unserem Kapitel von einer toten Form ohne Leben.<br />
Gottes Urteil über die Entwicklung <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses ist sehr klar und<br />
unmissverständlich. Lei<strong>de</strong>r gibt es selbst wahre Gläubige, die falsche Vorstellungen von<br />
<strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Christentums haben. Wenn <strong>de</strong>r Herr Jesus das Reich <strong>de</strong>r Himmel in<br />
Matthäus 13,31.32 mit einem kleinen Senfkorn vergleicht, das schließlich zu einem großen<br />
Baum wird, <strong>de</strong>utet Er damit durchaus nichts Gutes an. Die Vögel <strong>de</strong>s Himmels, die sich dort<br />
nie<strong>de</strong>rlassen und nisten, sprechen gera<strong>de</strong> von <strong>de</strong>m, was in diesem Kapitel vor uns kommt.<br />
Es ist ein Irrtum anzunehmen, das Christentum wür<strong>de</strong> schließlich allen Menschen Segen<br />
bringen. Es ist wahr, dass die Botschaft von Jesus Christus allein Rettung und Segen bringen<br />
kann. Aber das Christentum an sich hat sich völlig ver<strong>de</strong>rbt. Es ist zu einer großen Masse<br />
gewor<strong>de</strong>n, die schließlich vom Herrn gerichtet wird.<br />
„Dies aber wisse, dass in <strong>de</strong>n letzten Tagen schwere Zeiten eintreten wer<strong>de</strong>n“ (Vers 1).<br />
Letzte Tage – schwere Zeiten<br />
Paulus weist Timotheus zu Beginn <strong>de</strong>s Kapitels auf einen ganz beson<strong>de</strong>ren Sachverhalt<br />
hin. Er sollte wissen, dass in <strong>de</strong>n letzten Tagen schwere Zeiten eintreten wür<strong>de</strong>n. In<br />
1. Timotheus 1,4 hatte Paulus von späteren Zeiten gesprochen, in <strong>de</strong>nen einige von <strong>de</strong>m<br />
Glauben abfallen wür<strong>de</strong>n. Hier geht er etwas weiter. Es sind hier nicht einfach „spätere<br />
Zeiten“, son<strong>de</strong>rn es geht tatsächlich um die letzten Tage. Davon spricht ebenfalls <strong>de</strong>r Apostel<br />
Petrus in 2. Petrus 3,3. Gemeint sind die letzten Tage <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses auf<br />
dieser Er<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>m Kommen <strong>de</strong>s Herrn für die Seinen. Wir haben es hier mit einer – aus<br />
Sicht von Paulus – prophetischen Aussage zu tun. Paulus hatte erlebt, dass das Christentum<br />
zu einem großen Haus gewor<strong>de</strong>n war. Aber <strong>de</strong>r Abwärtstrend wür<strong>de</strong> weitergehen. Am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> wür<strong>de</strong>n schwere Zeiten eintreten. Das sollte Timotheus wissen.<br />
Es ist fatal, wenn wir über <strong>de</strong>n aktuellen Zustand <strong>de</strong>r Christenheit in Unkenntnis sind. Wir<br />
dürfen die Augen davor nicht verschließen. Natürlich müssen wir nicht je<strong>de</strong>n Irrtum kennen.<br />
Allerdings sollten wir wissen, welchen Weg das christliche Bekenntnis nimmt. Was Paulus<br />
in <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Versen beschreibt (darauf bezieht sich <strong>de</strong>r Ausdruck „dies“), ist nicht ein<br />
vorübergehen<strong>de</strong>s Problem. Es ist ein dauerhafter Zustand, <strong>de</strong>r sich nicht verbessern wird.<br />
Es geht Paulus an dieser Stelle nicht so sehr darum, eine Zeitperio<strong>de</strong> in ihrer Länge zu<br />
beschreiben. Er zeigt vielmehr, welch einen Charakter diese Zeit trägt. Die letzten Tage<br />
sind dadurch gekennzeichnet, dass es schwere o<strong>de</strong>r gefahrvolle (problematische) Tage<br />
sind. Gemeint ist, dass sie schwer zu ertragen sind. Es ist schwierig, damit umzugehen.<br />
Es ist unschwer zu erkennen, dass wir heute in dieser Zeit leben. Ob politisch, moralisch,<br />
wirtschaftlich o<strong>de</strong>r kulturell – <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rgang ist <strong>de</strong>utlich zu beobachten. Gleiches gilt für<br />
<strong>de</strong>n religiösen Bereich. In Matthäus 8,28 wird das Wort „schwer“ mit „wütend“ übersetzt.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Dort wer<strong>de</strong>n zwei vom Teufel besessene Menschen so beschrieben. Der weitere Verlauf<br />
unseres Kapitels macht klar, dass es gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n letzten Tagen satanische Einflüsse geben<br />
wird, die mehr und mehr um sich greifen.<br />
„Denn die Menschen wer<strong>de</strong>n selbstsüchtig sein, geldliebend, prahlerisch, hochmütig,<br />
Lästerer, <strong>de</strong>n Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, ohne natürliche Liebe,<br />
unversöhnlich, Verleum<strong>de</strong>r, unenthaltsam, grausam, das Gute nicht liebend, Verräter,<br />
verwegen, aufgeblasen, mehr das Vergnügen liebend als Gott“ (Verse 2–4).<br />
Menschen<br />
Paulus spricht von „Menschen“. Es sind keine Heiligen o<strong>de</strong>r Gläubigen, son<strong>de</strong>rn einfach<br />
„Menschen“. Der Ausdruck „Mensch“ ohne weiteren Zusatz wird im Allgemeinen im Neuen<br />
Testament nicht für Kin<strong>de</strong>r Gottes gebraucht, son<strong>de</strong>rn beschreibt Ungläubige. Es sind<br />
Menschen, die ein christliches Bekenntnis haben, aber kein neues Leben besitzen. Es sind<br />
keine Hei<strong>de</strong>n. Sie nennen sich Christen. Trotz<strong>de</strong>m haben sie Christus nicht. Sie täuschen<br />
etwas vor, was sie in Wirklichkeit nicht besitzen. Aus diesem Grund ist in Vers 6 von einer<br />
„Form“ <strong>de</strong>r Gottseligkeit die Re<strong>de</strong>. Es sind Menschen, die um uns herum leben. Die Gefahr<br />
besteht, dass wir – die Gläubigen – von ihnen angesteckt wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein Vergleich <strong>de</strong>r nun folgen<strong>de</strong>n Merkmale mit Römer 1,29–31 zeigt eine auffallen<strong>de</strong><br />
Ähnlichkeit. Im Römerbrief wer<strong>de</strong>n die gottlosen Hei<strong>de</strong>n (Nationen) beschrieben. Im<br />
zweiten Timotheusbrief wer<strong>de</strong>n Personen beschrieben, die sich Christen nennen. 2.000<br />
Jahre Christentum haben die Menschen nicht wirklich verän<strong>de</strong>rt. Was aus <strong>de</strong>m Fleisch<br />
geboren ist, ist Fleisch. Nur zeigt sich das Fleisch (die alte Natur) hier unter einem<br />
christlichen Deckmantel. Jemand hat einmal trefflich geschrieben, dass es hier um eine Art<br />
„Neuhei<strong>de</strong>ntum“ geht, das sich als „Christentum“ getarnt hat. Es ist eine „verheidnischte<br />
Form <strong>de</strong>s Christentums“ o<strong>de</strong>r eine „verchristlichte Form <strong>de</strong>s Hei<strong>de</strong>ntums“.<br />
Es folgen nun insgesamt 19 Punkte. Es ist schwierig, diese Punkte zu strukturieren o<strong>de</strong>r<br />
zu ordnen. Es gibt kein wirklich erkennbares „Muster“. Auffallend ist aber, dass sich sehr<br />
vieles um die eigene Person dreht. Es beginnt mit <strong>de</strong>r Selbstsucht. Darüber hinaus kommt<br />
das Wort „Liebe“ (gemeint ist die Selbstliebe) mehrfach vor.<br />
1. Selbstsüchtig: Die Menschen wer<strong>de</strong>n egoistisch und eingebil<strong>de</strong>t sein. Es dreht sich<br />
alles um das eigene Ego und die Befriedigung <strong>de</strong>s „Ich“. Das ist <strong>de</strong>r erste Punkt, aus<br />
<strong>de</strong>m im Grun<strong>de</strong> alles an<strong>de</strong>re hervorgeht. Dieses Merkmal steht in krassem Gegensatz<br />
dazu, dass ein Gotteskind nicht mehr sich selbst leben soll, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r für<br />
uns gestorben ist (2. Kor 5,15). Kin<strong>de</strong>r Gottes lieben nicht sich selbst, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n<br />
Nächsten. Wahre Liebe sucht nicht das Ihre.<br />
2. Geldliebend: Die Geldliebe beweist, dass die Menschen habgierig und materialistisch<br />
eingestellt sind. Wer sich selbst liebt, liebt auch das Geld. Das Geld wird dazu benutzt,<br />
sich selbst zu befriedigen. Paulus macht klar, dass die Geldliebe eine Wurzel alles<br />
Bösen ist (1. Tim 6,10). In allen Gesellschaftskreisen und -formen fin<strong>de</strong>t man dieses<br />
große Übel. Kin<strong>de</strong>r Gottes wer<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt, das Geld nicht zu lieben (Heb 13,5).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 87
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Die Gefahr ist offensichtlich vorhan<strong>de</strong>n. Wenn Gott uns Vermögen schenkt, ist das<br />
eine Gelegenheit, es für Ihn zu benutzen.<br />
3. Prahlerisch: Eine Folge <strong>de</strong>s Reichtums ist oft, dass Menschen angeben und großspurig<br />
sind. Sie vertrauen auf ihr Vermögen und rühmen sich <strong>de</strong>r Größe ihres Reichtums.<br />
Schon im Alten Testament ist von solchen Menschen die Re<strong>de</strong> (Ps 49,7). Selbst wenn<br />
sie mit ihrem Geld Gutes tun, nutzen sie es noch, um dabei groß herauszukommen<br />
und zu prahlen. Im Gegensatz dazu for<strong>de</strong>rt <strong>de</strong>r Herr uns auf, die Linke nicht wissen<br />
zu lassen, was die Rechte tut (Mt 6,3). Beschei<strong>de</strong>nheit ist eine Tugend, die <strong>de</strong>r Herr bei<br />
uns sucht.<br />
4. Hochmütig: Wer hochmütig ist, benimmt sich arrogant und hochnäsig. Prahlerei<br />
führt häufig zu Hochmut und Stolz. Der Grund dazu kann das Vermögen sein. Aber<br />
Menschen bil<strong>de</strong>n sich genauso auf an<strong>de</strong>re Dinge etwas ein, wie zum Beispiel auf ihre<br />
soziale Stellung, auf Schönheit, Begabung usw.. Hochmut ist ein Kennzeichen <strong>de</strong>r<br />
Menschen dieser Welt und ist nicht vom Vater (1. Joh 2,16). Als Christen wer<strong>de</strong>n wir<br />
aufgefor<strong>de</strong>rt, mit Demut fest umhüllt zu sein, weil Gott <strong>de</strong>m Hochmütigen wi<strong>de</strong>rsteht<br />
und <strong>de</strong>m Demütigen Gna<strong>de</strong> gibt (1. Pet 5,5). Was wahre Demut ist, hat <strong>de</strong>r Herr Jesus<br />
uns vorgelebt (Mt 11,29). Demütig zu sein be<strong>de</strong>utet, nicht an sich selbst zu <strong>de</strong>nken.<br />
5. Lästerer: Ein Lästerer ist jemand, <strong>de</strong>r böse, verächtlich und beleidigend re<strong>de</strong>t. Wer<br />
hochmütig ist, fängt leicht an zu lästern. Viele Menschen haben keine Hemmungen,<br />
über Dinge zu lästern, die sie nicht einmal kennen (2. Pet 2,10–12). Man re<strong>de</strong>t gegen<br />
Gott und gegen an<strong>de</strong>re Menschen. Man greift Christus und sein Werk an und scheut<br />
sich nicht, Gottes Wort zu verlästern. Menschen, die sich Christen nennen, halten <strong>de</strong>n<br />
Schöpfungsbericht für ein Ammenmärchen o<strong>de</strong>r lehnen <strong>de</strong>n Sühnungstod <strong>de</strong>s Herrn<br />
zur Vergebung von Sün<strong>de</strong>n ab. Als Kin<strong>de</strong>r Gottes wer<strong>de</strong>n wir aufgefor<strong>de</strong>rt, niemand<br />
zu lästern und nicht streitsüchtig zu sein. Im Gegenteil: Wir sollen mil<strong>de</strong> sein und alle<br />
Sanftmut erweisen (Tit 3,2).<br />
6. Den Eltern ungehorsam: Ein ungehorsames Kind ist rebellisch, ungezogen und<br />
unzuverlässig. In einer Atmosphäre, wo Gott gelästert wird, hat man keinen Respekt<br />
vor <strong>de</strong>n Eltern und an<strong>de</strong>ren Autoritätspersonen. Das können wir in unserer Zeit<br />
ganz beson<strong>de</strong>rs beobachten. Selbst die Gesetzgebung in christlichen Län<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>ren<br />
Verfassung sich oft (noch) auf Gott beruft, ist von antiautoritärer Erziehung geprägt.<br />
Theologen predigen <strong>de</strong>n zivilen Ungehorsam von <strong>de</strong>n Kanzeln <strong>de</strong>r Kirchen. Für<br />
gläubige Eltern hingegen gilt immer noch, die Kin<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Zucht und Ermahnung<br />
<strong>de</strong>s Herrn zu erziehen und dafür Sorge zu tragen, dass Kin<strong>de</strong>r ihren Eltern gehorsam<br />
sind (Eph 6,1ff).<br />
7. Undankbar: Undankbar zu sein be<strong>de</strong>utet, die Leistung an<strong>de</strong>rer nicht anzuerkennen.<br />
Wenn die natürlichen Beziehungen (z. B. zwischen Eltern und Kin<strong>de</strong>rn) nicht mehr<br />
respektiert wer<strong>de</strong>n, ist keine Basis für Dankbarkeit gegeben. Von <strong>de</strong>n Hei<strong>de</strong>n wird<br />
gesagt, dass sie Gott zwar kannten, Ihn aber we<strong>de</strong>r als Gott verherrlichten, noch<br />
Ihm Dank darbrachten (Röm 1,21). Christen kennen Gott an<strong>de</strong>rs, als die Hei<strong>de</strong>n Ihn<br />
kannten. Dennoch sind sie in die gleiche Undankbarkeit gefallen. Wir sollten vielmehr<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
daran <strong>de</strong>nken, dass wir alle Gaben Gottes mit Dank annehmen (1. Tim 4,3). Das<br />
schließt ein, dass wir uns auch bei Menschen bedanken, die uns Gutes tun.<br />
8. Unheilig: Das Wort kommt außer an dieser Stelle noch in 1. Timotheus 1,9 vor. Unheilig<br />
(o<strong>de</strong>r heillos) zu sein be<strong>de</strong>utet, dass man keine Frömmigkeit an <strong>de</strong>n Tag legt, son<strong>de</strong>rn<br />
sich im Gegenteil respektlos und gotteslästerlich benimmt. Für diese Menschen gibt es<br />
nichts, das heilig zu halten wäre. Unheilig zu sein steht im Gegensatz zu <strong>de</strong>r Heiligkeit<br />
Gottes und zu seinem Heil in Christus. Gotteskin<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt, heilig zu<br />
sein, weil Gott selbst heilig ist (1. Pet 1,16).<br />
9. Ohne natürliche Liebe: Die natürliche Liebe ist eine Gabe Gottes an uns Menschen.<br />
Dennoch gibt es Menschen, die diese Gabe Gottes ins Gegenteil verkehren. Sie<br />
sind hartherzig und gefühllos. Sie stehen <strong>de</strong>n natürlichen Beziehungen, die Gott<br />
gegeben hat (z. B. in Ehe und Familie), gleichgültig gegenüber. Diese Gleichgültigkeit<br />
nimmt in unserer Zeit rapi<strong>de</strong> zu. Als Folge davon beobachten wir einen rasanten<br />
Verfall menschlicher Beziehungen in Ehe, Familie und Gesellschaft. Kin<strong>de</strong>r Gottes<br />
sind hingegen nicht nur durch die göttliche Liebe miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
wir sollen <strong>de</strong>sgleichen die natürliche Liebe praktizieren, die in <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren etwas<br />
Liebenswertes fin<strong>de</strong>t. Ein Beispiel dafür haben wir in Titus 2,4. Dort wer<strong>de</strong>n die jungen<br />
Frauen aufgefor<strong>de</strong>rt, ihre Männer zu lieben.<br />
10. Unversöhnlich: Unversöhnlich zu sein meint so viel wie sich treulos und wortbrüchig<br />
zu verhalten. Man hält sich an keine Vereinbarung. Man lehnt je<strong>de</strong> Form <strong>de</strong>r<br />
Verpflichtung ab. Man möchte frei sein und auf niemand Rücksicht nehmen.<br />
Unversöhnliche Menschen weigern sich, Frie<strong>de</strong>n mit an<strong>de</strong>ren zu schließen. Wo keine<br />
natürliche Liebe mehr da ist, ist man nicht zur Vergebung bereit. Im Gegensatz dazu<br />
wer<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r Gottes aufgefor<strong>de</strong>rt, gegeneinan<strong>de</strong>r gütig und mitleidig zu sein und<br />
einan<strong>de</strong>r zu vergeben, wie Gott uns in Christus vergeben hat (Eph 5,32).<br />
11. Verleum<strong>de</strong>r: Im Griechischen wird hier das gleiche Wort wie für Teufel (diabolos)<br />
gebraucht. Es ist ernst, dass Gott auf diese Weise Menschen beschreibt, die sich selbst<br />
Christen nennen. Ein Verleum<strong>de</strong>r ist jemand, <strong>de</strong>r böse Berichte weitergibt, die an<strong>de</strong>ren<br />
nur scha<strong>de</strong>n. Wer unversöhnlich ist, ist leicht dazu bereit, schlecht und bewusst falsch<br />
über an<strong>de</strong>re zu re<strong>de</strong>n. Christen hingegen wer<strong>de</strong>n aufgefor<strong>de</strong>rt, das zu erwägen, was<br />
würdig, gerecht, rein und lieblich ist und was wohllautet (Phil 4,8). Dass die Gefahr für<br />
uns durchaus besteht, zeigen Stellen wie 1. Timotheus 3,11 und Titus 2,3, wo speziell<br />
die Frauen davor gewarnt wer<strong>de</strong>n, verleum<strong>de</strong>risch zu sein.<br />
12. Unenthaltsam: Wer unenthaltsam ist, benimmt sich hemmungslos. Er hat je<strong>de</strong> Kontrolle<br />
aufgeben und lebt ausschweifend und ohne Selbstzucht. Darin eingeschlossen<br />
ist die hemmungslose Genusssucht, die viele Menschen unserer Tage kennzeichnet.<br />
Enthaltsamkeit hingegen ist eine Frucht <strong>de</strong>s Geistes (Gal 5,22), die Gott bei seinen<br />
Kin<strong>de</strong>rn sucht.<br />
13. Grausam: Das Wort kommt nur an dieser Stelle im Neuen Testament vor. Es beschreibt<br />
einen Menschen, <strong>de</strong>r wild und ohne Prinzipien lebt. Immer wie<strong>de</strong>r beobachtet<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
man diese gna<strong>de</strong>nlose und unbarmherzige Natur <strong>de</strong>s gefallenen Menschen. Als<br />
wie<strong>de</strong>rgeborene Christen hingegen sollten wir gnädig und barmherzig sein, wie unser<br />
himmlischer Vater gnädig und barmherzig ist.<br />
14. Das Gute nicht lieben: Wer das Gute nicht liebt, zieht das Böse vor. Schon <strong>de</strong>r<br />
Psalmdichter im Alten Testament sagt, dass Frevel und Trug die Worte <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s<br />
sind und dass <strong>de</strong>r Mensch aufgegeben hat, verständig zu sein und Gutes zu tun<br />
(Ps 36,4). Gott warnt diejenigen, die das Böse gut heißen und das Gute böse (Jes 5,20).<br />
Der Gläubige wird ausdrücklich dazu aufgefor<strong>de</strong>rt, Gutes zu tun (1. Tim 6,18). Wir<br />
sollen das Gute wirken gegen alle, am meisten gegen die Hausgenossen <strong>de</strong>s Glaubens<br />
(Gal 6,10).<br />
15. Verräter: Verräter sind Menschen, <strong>de</strong>nen kein Versprechen und kein Bekenntnis heilig<br />
ist. Was Verrat wirklich be<strong>de</strong>utet und wie weit er gehen kann, sehen wir bei Judas<br />
Iskariot, <strong>de</strong>r seinen Herrn verraten hat (vgl. Lk 6,16). Von uns kann Gott erwarten,<br />
dass wir unserem Herrn treu sind und uns unserem Bekenntnis entsprechend auf<br />
seine Seite stellen. Die genannte Eigenschaft gilt ebenso für das geschwisterliche und<br />
menschliche Miteinan<strong>de</strong>r.<br />
16. Verwegen: Verwegen zu sein be<strong>de</strong>utet, unbesonnen <strong>de</strong>n eigenen Willen zu tun. Wer<br />
sich so verhält, han<strong>de</strong>lt übereilt und rücksichtslos. In Apostelgeschichte 19,36 kommt<br />
das Wort noch einmal vor. Dort wird es mit „übereilt“ übersetzt. Dem so Han<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>n<br />
ist es gleichgültig, welche Folgen sein Tun für an<strong>de</strong>re hat. Das Neue Testament for<strong>de</strong>rt<br />
uns an mehreren Stellen zur Besonnenheit auf. Wir sollen durchaus prüfen, welche<br />
Folgen unser Verhalten für an<strong>de</strong>re hat – Gläubige wie Ungläubige.<br />
17. Aufgeblasen: Wir <strong>de</strong>nken dabei an jemand, <strong>de</strong>r nach außen hin etwas darstellt, ohne<br />
dass im Inneren die entsprechen<strong>de</strong> Substanz vorhan<strong>de</strong>n ist. Eine aufgeblasene (o<strong>de</strong>r<br />
aufgeblähte) Person gleicht einer schillern<strong>de</strong>n Seifenblase, die zwar schön anzusehen<br />
ist, aber bei Berührung und Druck von außen sofort platzt. Dass diese Gefahr auch für<br />
uns vorhan<strong>de</strong>n ist, zeigt die Feststellung von Paulus, dass die Korinther aufgeblasen<br />
waren und nicht Leid getragen hatten über das, was in ihrer Mitte gedul<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong><br />
(1. Kor 5,2).<br />
18. Mehr das Vergnügen lieben als Gott: Damit wird die traurige Liste zunächst<br />
abgeschlossen. Die Menschen <strong>de</strong>r letzten Tage geben sich <strong>de</strong>m Stru<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r<br />
Vergnügungen hin, ohne dabei an Gott zu <strong>de</strong>nken. Wohin das führt, sehen wir<br />
<strong>de</strong>utlich in <strong>de</strong>r Geschichte <strong>de</strong>s verlorenen Sohnes. Die Welt bietet heute zahllose<br />
Möglichkeiten, sich von einem Vergnügen ins an<strong>de</strong>re zu stürzen. Es ist ein Leben, das<br />
nur eigene und egoistische Ziele verfolgt, während die Ansprüche Gottes an die Seite<br />
geschoben wer<strong>de</strong>n. Als Kin<strong>de</strong>r Gottes stehen wir in akuter Gefahr, von diesem Trend<br />
mit weggerissen zu wer<strong>de</strong>n.<br />
„Die eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben, <strong>de</strong>ren Kraft aber verleugnen; und von diesen<br />
wen<strong>de</strong> dich weg“ (Vers 5).<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Eine äußere Form ohne Kraft<br />
Ein neunzehnter Punkt schließt sich an bzw. fasst das Ganze zusammen. Die Menschen,<br />
<strong>de</strong>nen Paulus dieses Fehlverhalten vorwirft, habe nur eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit: Die<br />
Gottseligkeit (Frömmigkeit, Gottesfurcht) dient als Tarnkappe. Nach außen geben sie sich<br />
als Christen. Sie haben ein christliches Bekenntnis. Trotz<strong>de</strong>m haben sie kein Leben aus Gott.<br />
Sie haben zwar eine Religion, aber sie haben Christus nicht. Ihr Bekenntnis hält keiner<br />
Überprüfung stand.<br />
Der Ausdruck „Form“ nimmt Bezug auf das Äußere. Es ist die Beschreibung einer äußeren<br />
Form o<strong>de</strong>r eines Umrisses, wobei die innere Substanz fehlt. Wir können dabei an einen<br />
schönen Luftballon <strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>r lediglich mit Luft gefüllt ist. In Römer 2,20 gebraucht Paulus<br />
dieses Wort noch einmal. Dort wirft er <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n vor, dass sie lediglich eine „Form <strong>de</strong>r<br />
Erkenntnis und <strong>de</strong>r Wahrheit im Gesetz“ hatten. Der gleiche Vorwurf wird hier <strong>de</strong>nen<br />
gemacht, die sich Christen nennen.<br />
Die aufgezählten Verhaltensweisen und Sün<strong>de</strong>n unterschei<strong>de</strong>n sich wenig von <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n. Was die Sache allerdings verschlimmert, ist die Tatsache, dass sie unter einem<br />
frommen Mantel geschehen. Die Hei<strong>de</strong>n versuchten ihre Bosheit gar nicht zu ver<strong>de</strong>cken.<br />
Die hier beschriebenen Namenchristen frönen <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Hei<strong>de</strong>n – und sie tun es<br />
unter einer Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit. Es ist nichts an<strong>de</strong>res als Hingabe je<strong>de</strong>r Art an das Böse.<br />
Wir wun<strong>de</strong>rn uns nicht, dass <strong>de</strong>r Herr dieses tote System schließlich aus seinem Mund<br />
ausspeien wird (Off 3,16).<br />
Diese Menschen halten eine fromme Fassa<strong>de</strong> aufrecht. Mehr o<strong>de</strong>r weniger regelmäßiger<br />
Kirchgang, Taufe, Konfirmation, Teilnahme am Abendmahl, eine kirchliche Trauung<br />
und Beerdigung usw. genügen allerdings nicht. Gott sucht Wahrheit im Innern. Das<br />
Verhalten dieser Menschen leugnet die Echtheit ihres Bekenntnisses. Die Form ist da,<br />
die Kraft fehlt. Aber das nicht allein. Die Kraft fehlt nicht nur, son<strong>de</strong>rn sie wird direkt<br />
verleugnet. Verleugnen be<strong>de</strong>utet ein unmittelbares Ablehnen. Man will die Kraft gar nicht.<br />
In Hebräer 11,24 wird das Wort mit „sich weigern“ übersetzt. Titus 1,6 sagt uns, dass es<br />
Menschen gibt, die vorgeben, Gott zu kennen, Ihn aber in ihren Werken verleugnen. Es<br />
mag sein, dass <strong>de</strong>r Gedanke <strong>de</strong>r Kraft eine Anspielung auf <strong>de</strong>n Heiligen Geist ist, <strong>de</strong>r auf<br />
diese Weise verleugnet wird.<br />
Ein Vergleich mit <strong>de</strong>m Volk Israel drängt sich auf. Dort war ebenfalls vieles zu einer reinen<br />
Formsache gewor<strong>de</strong>n. Paulus sagt in Römer 2,24, dass <strong>de</strong>r Name Gottes ihretwegen unter<br />
<strong>de</strong>n Nationen gelästert wor<strong>de</strong>n war. Dann fährt er fort: „Denn nicht <strong>de</strong>r ist ein Ju<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r<br />
es äußerlich ist, noch ist die äußerliche Beschneidung im Fleisch Beschneidung; son<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>r ist ein Ju<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r es innerlich ist, und Beschneidung ist die <strong>de</strong>s Herzens, im Geist, nicht<br />
im Buchstaben; <strong>de</strong>ssen Lob nicht von Menschen, son<strong>de</strong>rn von Gott ist“ (Röm 2,28.29). Was<br />
Gott sucht, ist Wahrheit im Innern (Ps 51,8). Schon im Alten Testament musste Gott seinem<br />
Volk vorwerfen, dass ihre Frömmigkeit wie eine Morgenwolke war, „wie ein Tau, <strong>de</strong>r früh<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
verschwin<strong>de</strong>t“ (Hos 6,4). Er sagt ihnen: „Denn an Frömmigkeit habe ich Gefallen und nicht<br />
an Schlachtopfern, und an <strong>de</strong>r Erkenntnis Gottes mehr als an Brandopfern“ (Hos 6,6).<br />
Wahre Gottseligkeit bedingt, dass man Leben aus Gott hat und <strong>de</strong>n Heiligen Geist als<br />
göttliche Person und Kraftquelle in sich wohnend besitzt. Nur so können wir Gott in<br />
Wahrheit dienen und Ihn ehren. Für einen wie<strong>de</strong>rgeborenen Menschen trifft <strong>de</strong>r in diesem<br />
Vers gemachte Vorwurf also in seiner direkten Be<strong>de</strong>utung nicht zu. Paulus bezieht seine<br />
Aussage auf Menschen, die ein christliches Bekenntnis haben, ohne dabei Leben aus Gott zu<br />
haben. Dennoch ist die Gefahr gegeben, dass Gläubige sich von einem <strong>de</strong>rartigen Verhalten<br />
infizieren lassen. Insofern gibt es durchaus eine praktische Anwendung auf uns. Eine äußere<br />
und zur Schau gestellte Frömmigkeit ist in Gottes Augen nichts wert.<br />
Wegwen<strong>de</strong>n<br />
Was ist die Reaktion <strong>de</strong>s wahren Gläubigen auf ein solches Verhalten? Timotheus wird<br />
persönlich angesprochen: „Von solchen wen<strong>de</strong> dich weg.“ Auf uns heute bezogen be<strong>de</strong>utet<br />
das:<br />
• Wir gehen nicht aus <strong>de</strong>m großen Haus hinaus. Das geht gar nicht, sonst müssten wir<br />
aufhören, Christen zu sein.<br />
• Wir bekämpfen we<strong>de</strong>r das Böse noch die Menschen, die es praktizieren. An keiner<br />
Stelle im Neuen Testament wer<strong>de</strong>n wir dazu aufgefor<strong>de</strong>rt, diese Welt (auch nicht die<br />
religiöse Welt) zu bekämpfen.<br />
• Wir rufen nicht das Gericht auf diese Menschen herab. Das steht uns nicht an. Das<br />
überlassen wir Gott.<br />
• Wir resignieren nicht. Diese Gefahr besteht durchaus. Aber <strong>de</strong>r Herr möchte nicht,<br />
dass wir das tun. Gera<strong>de</strong> unser Brief zeigt, wie in <strong>de</strong>r letzten Zeit engagierte Christen<br />
gebraucht wer<strong>de</strong>n.<br />
• Wir passen uns nicht an. Diese Gefahr besteht ebenso. Der ständige Umgang mit<br />
diesen Menschen färbt ab.<br />
Die Auffor<strong>de</strong>rung an Timotheus lautet einfach, dass er sich wegwen<strong>de</strong>n soll. Das gilt bis<br />
heute. Paulus drückt mit dieser Formulierung etwas Dauerhaftes aus. Wir tun das nicht<br />
nur einmal, son<strong>de</strong>rn immer wie<strong>de</strong>r. Es be<strong>de</strong>utet, dass wir um diese Menschen beständig<br />
einen Bogen machen und uns nicht mit ihnen einlassen. Durch unser Verhalten und unsere<br />
Worte sind wir ihnen wohl ein Zeugnis, aber ansonsten können – und wollen – wir mit<br />
ihnen nichts zu tun haben. Das tun wir nicht in einer Haltung <strong>de</strong>r Arroganz, son<strong>de</strong>rn wir<br />
<strong>de</strong>mütigen uns. Wir wissen, dass wir das Fleisch noch in uns haben und zu allen diesen<br />
bösen Taten selbst fähig sind.<br />
„Denn aus diesen sind, die sich in die Häuser schleichen und Weiblein gefangen nehmen,<br />
die, mit Sün<strong>de</strong>n bela<strong>de</strong>n, von mancherlei Begier<strong>de</strong>n getrieben wer<strong>de</strong>n“ (Vers 6).<br />
Aus diesen<br />
Paulus spricht jetzt eine spezielle Gruppe von Menschen an. Er sagt: „aus diesen“. Unter<br />
<strong>de</strong>nen, die eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben, gibt es einige, die beson<strong>de</strong>rs hervortreten.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Es sind Menschen, die sich nicht nur passiv, son<strong>de</strong>rn aktiv gegen die Wahrheit stellen. Es<br />
sind – auf unsere Zeit übertragen – religiöse Führer ohne Leben aus Gott. Es sind Leiter<br />
und Lehrer von Sekten.<br />
Sie „schleichen“ sich in die Häuser <strong>de</strong>r Menschen. Der gebrauchte Ausdruck erinnert an die<br />
Bewegung einer Schlange. Das erste, was wir in <strong>de</strong>r Bibel von <strong>de</strong>r Schlage lesen ist, dass<br />
sie listig war (1. Mo 3,1). In <strong>de</strong>r Offenbarung wird <strong>de</strong>r Teufel zweimal die „alte Schlange“<br />
genannt (Off 12,9; 20,2). Diese Menschen sind Instrumente Satans, die seinen Willen tun.<br />
Sie sind sehr geschickt. Man erkennt ihre Absicht nicht sofort. Sie gleichen Menschen, die<br />
sich eine Verkleidung überziehen, so dass man sie nicht sofort i<strong>de</strong>ntifizieren kann. Der<br />
Irrtum mei<strong>de</strong>t das Licht. Er verbreitet sich zunächst im Verborgenen. Dann erst wird er<br />
offenkundig. Später in diesem Brief fin<strong>de</strong>n wir Satan als brüllen<strong>de</strong>n Löwen (Kap 4,17), hier<br />
jedoch kommt er mit List und Tücke.<br />
Judas erwähnt Menschen, die sich „nebeneingeschlichen“ haben (Jud 4). Paulus spricht in<br />
Galater 2,4 von „nebeneingeführten falschen Brü<strong>de</strong>rn“, die die Gläubigen in Knechtschaft<br />
bringen wollten. Es sind Menschen, die ein frommes Vokabular benutzen. Sie sprechen von<br />
Gott und von Jesus. Sie zitieren die Bibel. Aber sie glauben nicht daran.<br />
Diese Menschen schleichen sich in die Häuser. Sie wen<strong>de</strong>n sich an die Schwächeren, weil<br />
die Aussicht auf Erfolg dort größer ist. Genauso hatte es Satan im Garten E<strong>de</strong>n bei Eva<br />
getan. Unter „Weiblein“ haben wir schwache Seelen (Männer und Frauen) zu verstehen.<br />
Es sind Personen, die mehr durch ihre Empfindungen und Begier<strong>de</strong>n geleitet wer<strong>de</strong>n als<br />
durch ihren Verstand o<strong>de</strong>r ihr Gewissen. Es fehlt ihnen an Festigkeit und an Abwehrkraft.<br />
Das liegt daran, dass sie sich in <strong>de</strong>m Bereich toter Formen befin<strong>de</strong>n, wo die Kraft <strong>de</strong>r<br />
Gottseligkeit geleugnet wird. Gefangen nehmen be<strong>de</strong>utet so viel wie „für sich gewinnen“<br />
o<strong>de</strong>r „die Kontrolle über sie gewinnen“. Das ist das Ziel dieser Menschen. Dahinter steckt<br />
<strong>de</strong>r Teufel.<br />
Sie, d. h. die „Weiblein“, wer<strong>de</strong>n weiter dadurch beschrieben, dass sie mit Sün<strong>de</strong>n bela<strong>de</strong>n<br />
sind und von mancherlei Begier<strong>de</strong>n getrieben wer<strong>de</strong>n. Mit Sün<strong>de</strong>n bela<strong>de</strong>n zu sein be<strong>de</strong>utet,<br />
dass sie offensichtlich ein gewisses Schuldgefühl haben. Sie wissen (o<strong>de</strong>r ahnen), dass ihnen<br />
etwas fehlt. Dennoch suchen sie die Lösung ihres Problems an <strong>de</strong>r falschen Stelle. Sie<br />
wer<strong>de</strong>n von mancherlei Begier<strong>de</strong>n getrieben. Begier<strong>de</strong>n (Lüste) scheinen hier nicht so sehr<br />
moralische Verfehlungen <strong>de</strong>s Fleisches zu sein, son<strong>de</strong>rn vielmehr Begier<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Geistes,<br />
obwohl bei<strong>de</strong>s oft Hand in Hand geht. Solche Menschen wer<strong>de</strong>n nur zu leicht das Opfer<br />
von Sektenpredigern, die sie geistig und geistlich verführen.<br />
„Die allezeit lernen und niemals zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit kommen können“ (Vers 7).<br />
Lernen ohne Ergebnis<br />
Hier folgt eine weitere Erläuterung. Es geht immer noch um die „Weiblein“ aus Vers 6. Die<br />
Tatsache, dass sie immerdar lernen und niemals zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit kommen,<br />
macht klar, dass es in Vers 6 vornehmlich um geistliche Begier<strong>de</strong>n und um eine geistliche<br />
Verführung geht. Auf diese Weise kommen sie in <strong>de</strong>r Tat nie zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit.<br />
Irrlehre führt ihre Opfer immer ins Dunkel und in die Unsicherheit. Zur Erkenntnis<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
<strong>de</strong>r Wahrheit kommt man nur dann, wenn man <strong>de</strong>n von Gott aufgezeigten Weg zur<br />
Rettung nimmt (1. Tim 2,4). Einen an<strong>de</strong>ren Weg zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit gibt es nicht.<br />
„Erkenntnis“ meint hier die volle Erkenntnis, d. h. <strong>de</strong>r ganze Mensch (Geist, Seele und<br />
Leib) wird dazu gebracht, sich dieser Erkenntnis zu unterwerfen. „Wahrheit“ (ohne Artikel)<br />
ist hier nicht eine spezielle Heilstatsache. Es ist auch nicht so sehr <strong>de</strong>r Gedanke an das<br />
offenbarte Wort Gottes insgesamt. Es geht vielmehr darum, die Dinge so zu sehen, wie Gott<br />
sie sieht. Diese Sichtweise lernen wir nur in <strong>de</strong>r Bibel.<br />
Dass sie immerdar lernen be<strong>de</strong>utet nicht, dass sie die Bibel lesen, um dort die Wahrheit<br />
zu fin<strong>de</strong>n. Es be<strong>de</strong>utet vielmehr, dass sie von einem Irrtum zum an<strong>de</strong>ren laufen. Das ist<br />
ein Weg, <strong>de</strong>r nie zum Ziel führt. Deshalb „können“ sie nicht zur Erkenntnis <strong>de</strong>r Wahrheit<br />
kommen. Sie verhin<strong>de</strong>rn es durch ihr eigenes Verhalten. Was sie von Sektenlehrern und<br />
bibelkritischen Theologen zu hören bekommen, entspricht nicht <strong>de</strong>r Wahrheit. Sie merken<br />
es aber nicht.<br />
„In <strong>de</strong>r Weise aber, wie Jannes und Jambres Mose wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n, so wi<strong>de</strong>rstehen auch<br />
diese <strong>de</strong>r Wahrheit, Menschen, verdorben in <strong>de</strong>r Gesinnung, unbewährt hinsichtlich <strong>de</strong>s<br />
Glaubens“ (Vers 8).<br />
Jannes und Jambres<br />
Es geht jetzt um einen Vergleich, mit <strong>de</strong>m die Vorgehensweise dieser falschen Lehrer weiter<br />
ver<strong>de</strong>utlicht wird. Paulus benutzt dazu ein Beispiel aus <strong>de</strong>m Alten Testament. Dort gab es<br />
Menschen, die ähnlich vorgingen. Die Taktik und List <strong>de</strong>s Teufels ist durchaus nicht neu.<br />
Im Gegenteil: Sie ist uralt. Die Verpackung mag sich än<strong>de</strong>rn, <strong>de</strong>r Inhalt ist <strong>de</strong>r gleiche.<br />
Paulus spricht in diesem Brief von drei Menschenpaaren, die sich nicht vor <strong>de</strong>r Wahrheit<br />
gebeugt haben. In <strong>de</strong>r Erwähnung liegt eine Steigerung:<br />
• In Kapitel 1,15 sind es Phygelus und Hermogenes, die sich von Paulus abgewandt<br />
hatten. Der Zusammenhang legt <strong>de</strong>n Gedanken nahe, dass sie sich <strong>de</strong>r Wahrheit<br />
schämten<br />
• In Kapitel 2,17 sind es Hymenäus und Philetus, die über die Wahrheit irrten.<br />
• In Kapitel 3,8 sind es Jannes und Jambres, die <strong>de</strong>r Wahrheit wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n.<br />
Hier nun geht es um Jannes und Jambres. Ihre Namen scheinen Programm zu sein. Jannes<br />
be<strong>de</strong>utet „Betrüger“ o<strong>de</strong>r „Verführer“. Jambres be<strong>de</strong>utet „Stolz“, „Eigensinn“ o<strong>de</strong>r „<strong>de</strong>r<br />
rebellisch macht“. Das waren sie und das taten sie.<br />
Man nimmt allgemein an, dass Jannes und Jambres die ägyptischen Zauberer waren, die<br />
die Wun<strong>de</strong>r von Mose und Aaron bis zu einem gewissen Grad nachahmten (2. Mo 7,11–22).<br />
Ihre Namen wer<strong>de</strong>n im Alten Testament nicht genannt. Offensichtlich kannte Paulus die<br />
Namen aus <strong>de</strong>r jüdischen Tradition o<strong>de</strong>r durch göttliche Inspiration.<br />
Wi<strong>de</strong>rstand meint tatsächlich, dass man einer Sache frontal entgegensteht und sich ihr<br />
wi<strong>de</strong>rsetzt. Von Elymas, <strong>de</strong>m Zauberer, lesen wir, dass er Paulus und Barnabas wi<strong>de</strong>rstand<br />
(Apg 13,8). Das ist immer das Bestreben Satans. Er wi<strong>de</strong>rsteht <strong>de</strong>r Wahrheit. Manchmal<br />
tut er es in offener Konfrontation. Manchmal tut er es auf eine subtile Weise, in<strong>de</strong>m er<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 94
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
die Wahrheit zu imitieren versucht. Davon ist hier die Re<strong>de</strong>, und das beobachten wir<br />
in unserer Zeit sehr <strong>de</strong>utlich. Satan ist ein Meister <strong>de</strong>r Verstellung und Verdrehung. In<br />
2. Thessalonicher 2 wird <strong>de</strong>utlich, wie weit das gehen wird, wenn die wahren Gläubigen<br />
einmal diese Er<strong>de</strong> verlassen haben und <strong>de</strong>r Teufel aus <strong>de</strong>m Himmel auf die Er<strong>de</strong> gewor<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n wird.<br />
Der Wi<strong>de</strong>rstand äußert sich hier durch das Nachahmen einer äußeren religiösen Form.<br />
Genau das taten Jannes und Jambres in Ägypten. Sie verwan<strong>de</strong>lten Wasser in Blut und<br />
ließen – wie Mose – Frösche aus <strong>de</strong>m Nil kommen. Aber als es darum ging, aus <strong>de</strong>m<br />
Staub Stechmücken zu machen, mussten sie passen. Das konnten sie nicht. Nur Gott kann<br />
aus toter Materie Leben schaffen. So können diese falschen Lehrer lediglich bis zu einem<br />
bestimmten Punkt imitieren. Mehr nicht. Wahres Leben kann nur Gott hervorbringen. Eine<br />
neue Geburt ist immer „aus Gott“.<br />
In <strong>de</strong>r Praxis be<strong>de</strong>utet das, dass diese Menschen ihre „eigene“ Bibel haben. Sie haben ihren<br />
„eigenen“ Heilsweg. Sie haben ihre „eigene“ Lebenspraxis. Sie haben einen „Ersatz“ für je<strong>de</strong><br />
Einzelheit <strong>de</strong>s Christentums. Oft sind ihre Lehren und ihre Praktiken mit Okkultismus<br />
verbun<strong>de</strong>n. Gera<strong>de</strong> das macht sie so ver<strong>de</strong>rblich und gefährlich.<br />
Verdorben und unbewährt<br />
Es geht jedoch nicht nur um das, was diese Menschen lehren. Paulus geht weiter und zeigt,<br />
was für Menschen es sind. Sie sind durch zwei Dinge gekennzeichnet:<br />
• a) Sie sind verdorben in <strong>de</strong>r Gesinnung: Im Brief an Titus ist die Re<strong>de</strong> von Menschen,<br />
die in ihrer Gesinnung befleckt sind (Tit 1,15). Im ersten Brief an Timotheus erwähnt<br />
Paulus solche, die „an <strong>de</strong>r Gesinnung verdorben sind und die Wahrheit verloren haben“<br />
(1. Tim 6,5). Verdorben beschreibt hier nicht einfach eine Eigenschaft o<strong>de</strong>r zeigt nicht<br />
nur einen momentanen Zustand, son<strong>de</strong>rn es geht um das „Ergebnis <strong>de</strong>r Auslieferung<br />
<strong>de</strong>s Herzens an böse Mächte“ (V. E. Vine). Davor warnt Paulus an an<strong>de</strong>rer Stelle, in<br />
2. Korinther 11,13: „Denn solche sind falsche Apostel, betrügerische Arbeiter, die<br />
die Gestalt von Aposteln Christi annehmen.“ Diese Menschen sind also unrein und<br />
verdorben in ihrem ganzen Sinnen und Trachten. Das zeigt sich sowohl in ihrer Lehre<br />
als auch in ihrem Verhalten.<br />
• b) Sie sind unbewährt hinsichtlich <strong>de</strong>s Glaubens: Bewährung be<strong>de</strong>utet, dass etwas nach<br />
eingehen<strong>de</strong>r Prüfung für gut befun<strong>de</strong>n wird (so <strong>de</strong>r bewährte Arbeiter in Kapitel 2,15).<br />
Das Gegenteil ist hier <strong>de</strong>r Fall. Es geht um etwas, das nach eingehen<strong>de</strong>r Prüfung<br />
verworfen o<strong>de</strong>r abgelehnt wer<strong>de</strong>n muss. Prüfkriterium ist <strong>de</strong>r Glaube. Da vor „Glaube“<br />
<strong>de</strong>r Artikel steht, geht es wohl um das, was sie re<strong>de</strong>n und lehren. Wenn ihre Lehre auf<br />
<strong>de</strong>n Prüfstand gestellt und mit <strong>de</strong>r biblischen Wahrheit (<strong>de</strong>m Glaubensgut) verglichen<br />
wird, stellt sich heraus, dass sie unbewährt sind. Der Glaube dieser Menschen ist nicht<br />
echt. Man kann das im Allgemeinen in <strong>de</strong>r Praxis schnell feststellen, wenn man solche<br />
Menschen befragt, wer Jesus Christus ist.<br />
Zusammengefasst kann man sagen, dass es Personen sind, von <strong>de</strong>nen Judas schreibt: „Denn<br />
gewisse Menschen haben sich nebeneingeschlichen, die schon längst zu diesem Gericht<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 95
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
zuvor aufgezeichnet waren, Gottlose, die die Gna<strong>de</strong> unseres Gottes in Ausschweifung<br />
verkehren und unseren alleinigen Gebieter und Herrn Jesus Christus verleugnen“ (Judas 4).<br />
„Aber sie wer<strong>de</strong>n nicht weiter fortschreiten, <strong>de</strong>nn ihr Unverstand wird allen offenbar<br />
wer<strong>de</strong>n, wie auch <strong>de</strong>r von jenen es wur<strong>de</strong>“ (Vers 9).<br />
Gott legt die Grenze fest<br />
Dieser Vers ist nicht ganz einfach zu verstehen. Wir müssen ihn im Kontext <strong>de</strong>s gesamten<br />
Briefes, aber beson<strong>de</strong>rs dieses letzten Kapitels sehen. Klar ist, dass Gott einerseits die<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Bösen zulässt, an<strong>de</strong>rerseits festlegt, wie weit es gehen kann. Das war bei<br />
Jannes und Jambres nicht an<strong>de</strong>rs. Satan ist – im Gegensatz zu Gott – eben nicht allmächtig.<br />
Er hat große Macht und ist sehr listig. Aber für satanische Macht und Bosheit gibt es eine<br />
Grenze. Diese Grenze legt Gott fest.<br />
Gott führt es bisweilen so, dass hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> schon klar wird, wie unsinnig die<br />
Lehren dieser Irrlehrer sind. Häufig ist es so, dass ihr schlechter und unmoralischer<br />
Lebenswan<strong>de</strong>l plötzlich offenbar wird. Viele dieser Sektenführer waren für eine kurze<br />
Zeit sehr populär und sind dann – in irgen<strong>de</strong>inen Skandal verwickelt – plötzlich von <strong>de</strong>r<br />
Bildfläche verschwun<strong>de</strong>n. Häufig stehen diese Skandale mit sexuellen Verfehlungen und<br />
manchmal sogar mit pressewirksamen Skandalen in Verbindung.<br />
Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Vers sagen will, dass je<strong>de</strong> Irrlehre<br />
bereits hier auf dieser Er<strong>de</strong> entlarvt wird o<strong>de</strong>r ob <strong>de</strong>r Trend zu Sekten und Irrtümern<br />
einmal gebremst o<strong>de</strong>r abgemil<strong>de</strong>rt wird. Manche nehmen das an. Der Kontext <strong>de</strong>s ganzen<br />
Briefes und beson<strong>de</strong>rs die Aussage von Kapitel 3,13 scheinen etwas an<strong>de</strong>res anzu<strong>de</strong>uten.<br />
Wir können nicht davon ausgehen, dass die Intensität und Aktivität <strong>de</strong>r hier beschriebenen<br />
Menschen nachlässt. Im Gegenteil. Es ist also <strong>de</strong>nkbar, dass Paulus hier einen Blick nach<br />
vorne tut und an die Erscheinung <strong>de</strong>s Herrn Jesus <strong>de</strong>nkt. Spätestens dann wird nämlich<br />
allen <strong>de</strong>r Unverstand dieser Irrlehrer offenbar wer<strong>de</strong>n und ihrem Treiben ein En<strong>de</strong> gesetzt.<br />
„Du aber hast genau erkannt meine Lehre, mein Betragen, meinen Vorsatz, meinen<br />
Glauben, meine Langmut, meine Liebe, mein Ausharren“ (Vers 10).<br />
Das Beispiel <strong>de</strong>s Paulus<br />
Mit diesem Vers än<strong>de</strong>rt sich die Blickrichtung <strong>de</strong>s Kapitel. Paulus richtet jetzt mit <strong>de</strong>n<br />
Worten „du aber“ eine persönliche Ansprache an Timotheus. In Kapitel 2,1 hatte er ihn mit<br />
<strong>de</strong>n Worten „du nun“ ebenfalls persönlich angesprochen. In Kapitel 3,14 und 4,5 sagt er noch<br />
einmal „du aber“. Das kleine Wort „aber“ markiert einen Gegensatz zu <strong>de</strong>m vorher Gesagten.<br />
Paulus erinnert Timotheus daran, wie ganz an<strong>de</strong>rs er sich verhalten hatte. Gleichzeitig<br />
appelliert er erneut an seine Verantwortung als Diener.<br />
„Erkennen“ o<strong>de</strong>r „genau verfolgen“ be<strong>de</strong>utet an dieser Stelle nicht die oberflächliche<br />
Kenntnis einer Sache. Es geht um tiefe Einsicht, die durch Beobachtung erworben wor<strong>de</strong>n<br />
ist. Wörtlich könnte man übersetzen: „zur Seite folgen“ o<strong>de</strong>r „nebenhergehen“ (vgl. Lk 1,3).<br />
Timotheus hatte diese Erkenntnis im Lauf <strong>de</strong>r Zeit gewinnen können. Kaum einer <strong>de</strong>r<br />
Mitarbeiter von Paulus war so häufig mit ihm gereist und <strong>de</strong>shalb so vertraut mit ihm<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
wie Timotheus. Er hatte manches gemeinsam mit Paulus erlebt und ihn dabei sehr gut<br />
beobachten können. Deshalb kann Paulus das hier so ausdrücken.<br />
Paulus nennt in diesem Vers zunächst sieben Punkte, die allesamt ein Ergebnis <strong>de</strong>s Wirkens<br />
Gottes in Paulus waren. In Vers 11 kommen dann zwei weitere Punkte hinzu, die von außen<br />
an Paulus herangetragen wur<strong>de</strong>n und die er selbst nicht unmittelbar beeinflussen konnte:<br />
• Meine Lehre: Das ist das erste, was Paulus erwähnt. Die Lehre ist ein unersetzliches<br />
Hilfsmittel für <strong>de</strong>n Diener. Der Diener muss wissen, was <strong>de</strong>r guten und gesun<strong>de</strong>n<br />
Lehre entspricht. Es ist nicht erfor<strong>de</strong>rlich, das Böse (<strong>de</strong>n Irrtum) in allen Einzelheiten<br />
zu kennen. Die Kenntnis <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong>n Lehre macht uns schon klar, was böse ist. Wenn<br />
Paulus von seiner Lehre spricht, so be<strong>de</strong>utet das nicht, dass er etwa <strong>de</strong>r Ursprung <strong>de</strong>r<br />
Lehre sei o<strong>de</strong>r sie „entwickelt“ hätte. In Apostelgeschichte 2,42 wird die christliche<br />
Lehre als „Lehre <strong>de</strong>r Apostel“ bezeichnet. Gemeint ist, dass Gott <strong>de</strong>n Aposteln die<br />
Wahrheit offenbart hat und dass sie die Lehre verkündigt hatten. Paulus hatte dabei<br />
einen ganz beson<strong>de</strong>ren Auftrag bekommen. In Kapitel 2,8 hatte er schon von „seinem<br />
Evangelium“ gesprochen (siehe auch Röm 2,16). Gemeint ist, dass er <strong>de</strong>r Verwalter<br />
<strong>de</strong>s Evangeliums war und es weitergegeben (verwaltet) hat. Paulus war ein Diener<br />
<strong>de</strong>s Evangeliums (Kol 1,23). Er war aber auch ein Diener <strong>de</strong>r Versammlung (Kol 1,25).<br />
Die Lehre über die Versammlung Gottes – ein Geheimnis, das im Alten Testament<br />
unbekannt war – war ganz speziell <strong>de</strong>m Apostel Paulus anvertraut. In diesem Sinn<br />
spricht er in Epheser 3,2 von <strong>de</strong>r „Verwaltung <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes“. In „seiner“ Lehre<br />
wird ganz <strong>de</strong>utlich, was für eine Stellung – persönlich und gemeinsam – wir jetzt vor<br />
Gott haben. Das wusste Timotheus ganz genau. Die böse und verdorbene Lehre <strong>de</strong>r<br />
christlichen Verführer stand – und steht – dieser Wahrheit völlig entgegen. Für uns<br />
heute gilt: Je besser wir die Lehre kennen, umso entschie<strong>de</strong>ner wer<strong>de</strong>n wir das Böse<br />
erkennen und uns davon wegwen<strong>de</strong>n.<br />
• Mein Betragen: Die Lehre steht hier nicht umsonst an erster Stelle. Sie bil<strong>de</strong>t das<br />
Fundament für ein gesun<strong>de</strong>s praktisches Christenleben. Sie zeigt uns, wie Gott unser<br />
Leben sehen möchte. Darauf muss dann das entsprechen<strong>de</strong> Verhalten folgen. Wenn<br />
die gesun<strong>de</strong> Lehre nicht zu einem gesun<strong>de</strong>n Betragen führt, wer<strong>de</strong>n wir kopflastig und<br />
fallen hin. Bei Paulus stimmten Leben und Lehre überein. Es gab da kein Missverhältnis.<br />
Er schreibt <strong>de</strong>n Philippern: „Was ihr gehört und an mir gesehen habt, dies tut“ (Phil 4,9).<br />
Vollkommen wird das natürlich im Leben <strong>de</strong>s Herrn Jesus sichtbar. Wie kein Zweiter<br />
konnte Er sagen, dass Er das war, was Er re<strong>de</strong>te (Joh 8,25). Bei <strong>de</strong>n falschen Lehrern war<br />
das völlig an<strong>de</strong>rs. Bei ihnen gab es gera<strong>de</strong> diese Wi<strong>de</strong>rsprüchlichkeit zwischen Worten<br />
und Taten. Paulus hingegen lehrte nicht nur die himmlische Berufung <strong>de</strong>r Gläubigen,<br />
son<strong>de</strong>rn er lebte tatsächlich als Fremdling auf dieser Er<strong>de</strong>. Er verkündigte einen<br />
verachteten und abgelehnten Jesus Christus. Er war bereit, dafür zu lei<strong>de</strong>n. Er wollte<br />
nicht, nach<strong>de</strong>m er an<strong>de</strong>ren gepredigt hatte, selbst verwerflich wer<strong>de</strong>n (1. Kor 9,27). In<br />
diesem Sinn schreibt er an an<strong>de</strong>rer Stelle über sein Betragen: „Darum, da wir diesen<br />
Dienst haben, wie wir begnadigt wor<strong>de</strong>n sind, ermatten wir nicht; son<strong>de</strong>rn wir haben<br />
<strong>de</strong>n geheimen Dingen <strong>de</strong>r Scham entsagt, wobei wir nicht in Arglist wan<strong>de</strong>ln noch<br />
das Wort Gottes verfälschen, son<strong>de</strong>rn durch die Offenbarung <strong>de</strong>r Wahrheit uns selbst<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
je<strong>de</strong>m Gewissen <strong>de</strong>r Menschen empfehlen vor Gott“ (2. Kor 4,1.2). Davon können wir<br />
lernen. Es ist <strong>de</strong>r Wille Gottes, dass wir die Wahrheit nicht nur kennen, son<strong>de</strong>rn dass<br />
wir in ihr wan<strong>de</strong>ln (d. h. uns unserer Stellung entsprechend verhalten).<br />
• Meinen Vorsatz: Das Wort wird an an<strong>de</strong>rer Stelle für <strong>de</strong>n Vorsatz o<strong>de</strong>r Ratschluss<br />
Gottes gebraucht (Eph 1,11; 3,11). Es beschreibt eine Absicht, einen Entschluss und<br />
einen Willen, <strong>de</strong>n jemand hat. Paulus hatte für sein Leben einen klaren Vorsatz gefasst.<br />
Er hatte ein ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>finiertes Ziel. Als er auf <strong>de</strong>m Weg nach Damaskus war, stellte<br />
er zwei Fragen. Die erste lautete: „Wer bist du, Herr?“ Die zweite Frage lautete: „Was<br />
soll ich tun, Herr?“ (Apg 22,8.10). Diese bei<strong>de</strong>n Fragen hat er nie vergessen. Sie prägten<br />
sein ganzes Leben. Paulus wollte <strong>de</strong>n Willen seines Herrn erfüllen. Er hatte <strong>de</strong>n festen<br />
Vorsatz, sich sowohl von moralisch als auch lehrmäßig Bösem fernzuhalten. Wir<br />
<strong>de</strong>nken an Daniel, <strong>de</strong>r sich in seinem Herzen vorgenommen hatte, sich nicht mit <strong>de</strong>r<br />
Tafelkost <strong>de</strong>s Königs zu verunreinigen (Dan 1,8). In Philipper 3 spricht Paulus <strong>de</strong>utlich<br />
von diesem Vorsatz. Er wollte alles vergessen, was hinter ihm lag. Er wollte sich nach<br />
<strong>de</strong>m ausstrecken, was vorn war (Phil 3,13.14). Für uns be<strong>de</strong>utet das, dass wir einen<br />
klaren Entschluss (das gleiche Wort wie „Vorsatz“) <strong>de</strong>s Herzens fassen (vgl. Apg 11,23)<br />
und unser Leben zielorientiert in Gemeinschaft mit <strong>de</strong>m Herrn und im Dienst für Ihn<br />
führen.<br />
• Meinen Glauben: Hier ist nicht – wie an an<strong>de</strong>ren Stellen – das Glaubensgut (die<br />
Glaubenswahrheit) gemeint. Es geht ebenfalls nicht um <strong>de</strong>n retten<strong>de</strong>n Glauben.<br />
Gemeint ist das dauerhafte Vertrauen von Paulus in <strong>de</strong>n täglichen Umstän<strong>de</strong>n seines<br />
Lebens. Davon hatte sich Timotheus in mancher kritischen Situation überzeugen<br />
können. Paulus war durchdrungen davon, dass die Hand Gottes über alles in seinem<br />
Leben wachte – die Angriffe Satans eingeschlossen. Paulus hatte es praktiziert, was<br />
es be<strong>de</strong>utet, dass wir nicht durch Schauen, son<strong>de</strong>rn durch Glauben leben (2. Kor 5,7).<br />
Der Glaube verbin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Gläubigen mit <strong>de</strong>r unsichtbaren Welt. Das galt für Paulus.<br />
Das galt für Timotheus. Das gilt für uns heute. Der Hebräerbrief for<strong>de</strong>rt uns auf,<br />
<strong>de</strong>n Ausgang <strong>de</strong>s Wan<strong>de</strong>ls unserer Führer anzuschauen und so ihren Glauben<br />
nachzuahmen (Heb 13,7). Das Beispiel <strong>de</strong>s Glaubensvertrauens von Paulus ist dabei<br />
zweifellos herausragend und beispielhaft.<br />
• Meine Langmut: Langmut ist ein Begleiter <strong>de</strong>s Glaubens. Wer sein Leben im Vertrauen<br />
in die Hand Gottes legt, kann diese Tugend zeigen. Langmut hat häufig mit Personen<br />
zu tun. Das können Ungläubige o<strong>de</strong>r Gläubige sein. Bei Paulus zeigte sich die Langmut<br />
beson<strong>de</strong>rs in seiner Haltung <strong>de</strong>nen gegenüber, die ihn einerseits verfolgten und<br />
an<strong>de</strong>rerseits kritisierten. Paulus ließ sich nicht provozieren. Er übergab sich – wie sein<br />
Herr – <strong>de</strong>mjenigen, <strong>de</strong>r gerecht richtet (1. Pet 2,23). Langmut zeigt sich zum Beispiel in<br />
Selbstbeherrschung, wenn man gereizt wird. Timotheus hatte das beobachten können.<br />
Paulus war für ihn – wie für uns – ein Vorbild.<br />
• Meine Liebe: Paulus hatte die Liebe Gottes nicht nur selbst erfahren. Er hatte sie nicht<br />
nur gepredigt. Er hatte sie in seinem Leben gezeigt. Sie erwies sich als wirksam. In<br />
Römer 5,5 schreibt er, dass die Liebe Gottes in unsere Herzen ausgegossen ist. Jetzt<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
möchte Gott, dass diese Liebe in uns Gegenliebe erweckt, in<strong>de</strong>m wir Hingabe an <strong>de</strong>n<br />
Herrn, an unsere Glaubensgeschwister und <strong>de</strong>n Menschen gegenüber praktizieren. Es<br />
ist ein Merkmal <strong>de</strong>r Liebe, dass sie gibt, ohne etwas zu erwarten. Liebe ist opferbereit.<br />
Bei Paulus war das so. Timotheus hatte das vielfach erlebt. Bei Paulus ging diese<br />
Liebe so weit, dass er <strong>de</strong>n Korinthern schreiben konnte: „Ich will aber sehr gern<br />
alles verwen<strong>de</strong>n und völlig verwen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n für eure Seelen, wenn ich auch, je<br />
überreichlicher ich euch liebe, umso weniger geliebt wer<strong>de</strong>“ (2. Kor 12,15).<br />
• Mein Ausharren: Ausharren be<strong>de</strong>utet wörtlich, dass jemand „unter einer Last bleibt“. Es<br />
geht um Druck und Belastung. Wer ausharrt, hält unter Druck aus und lässt nicht nach.<br />
Dazu ist sowohl Kraft als auch Geduld erfor<strong>de</strong>rlich. Ausharren hat – im Gegensatz zur<br />
Langmut – in <strong>de</strong>n meisten Fällen mit <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lebens (und nicht so sehr<br />
mit Personen) zu tun. Paulus konnte von seinem Ausharren sprechen, das Timotheus<br />
kannte. Es ist eine Tugend, die einen Diener <strong>de</strong>s Herrn bis heute auszeichnet.<br />
Alle genanten Merkmale stehen in bemerkenswertem Gegensatz zu <strong>de</strong>n moralischen Sün<strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>r ersten Verse. Wie groß war <strong>de</strong>r Unterschied zwischen <strong>de</strong>m Gottesmann Paulus und<br />
<strong>de</strong>nen, die sich lediglich Christen nannten, aber kein Leben aus Gott hatten.<br />
„Meine Verfolgungen, meine Lei<strong>de</strong>n: was für Lei<strong>de</strong>n mir wi<strong>de</strong>rfahren sind in Antiochien,<br />
in Ikonium, in Lystra; was für Verfolgungen ich ertrug, und aus allen hat <strong>de</strong>r Herr mich<br />
gerettet“ (Vers 11).<br />
Verfolgungen und Lei<strong>de</strong>n<br />
Jetzt fügt Paulus zwei weitere Dinge hinzu: Lei<strong>de</strong>n und Verfolgungen. Das Ausharren <strong>de</strong>s<br />
Paulus bewies sich gera<strong>de</strong> darin. Bei<strong>de</strong>s hatte er reichlich erlebt.<br />
„Verfolgung“ hat in <strong>de</strong>r direkten Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>s Wortes etwas mit „Nachjagen“ zu tun.<br />
Wenn jemand verfolgt wird, dann jagt man ihm nach. Verfolgung schließt direkte Angriffe<br />
von außen auf Geist, Seele und Leib mit ein. Das hat nicht nur Paulus erfahren, son<strong>de</strong>rn<br />
ungezählte Christen nach ihm sind bis zum Tod verfolgt wor<strong>de</strong>n. Wenn Paulus dann weiter<br />
von Lei<strong>de</strong>n spricht, so schließt das innere Anfechtungen <strong>de</strong>s Gläubigen mit ein. Als Saulus<br />
von Tarsus vor <strong>de</strong>n Toren von Damaskus zum lebendigen Glauben kam, machte <strong>de</strong>r Herr<br />
ihm klar, wie vieles er für seinen Namen lei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong> (Apg 9,16). Insofern hatte Paulus<br />
nichts an<strong>de</strong>res zu erwarten gehabt. Aber er war bereit, diese Lei<strong>de</strong>n auf sich zu nehmen.<br />
Es gab viele Momente, wo Paulus Verfolgungen und Lei<strong>de</strong>n zu erdul<strong>de</strong>n hatte. Darin kam<br />
beson<strong>de</strong>rs sein Ausharren zum Ausdruck. Das Neue Testament spricht an mehreren Stellen<br />
von <strong>de</strong>m, was Paulus erdul<strong>de</strong>t hat. Ein Beispiel ist 2. Korinther 11,23–28, wo er selbst in<br />
ergreifen<strong>de</strong>n Worten daran erinnert, was er erlebt hatte. Hier erinnert er Timotheus an<br />
Verfolgungen und Lei<strong>de</strong>n, die dieser kannte.<br />
In Antiochien (gemeint ist Antiochien in Pisidien) hatten die Ju<strong>de</strong>n die vornehmen Frauen<br />
und die Ersten <strong>de</strong>r Stadt aufgewiegelt, so dass sie eine Verfolgung erweckten und Paulus und<br />
Barnabas aus ihren Grenzen vertrieben (Apg 13,50). In Ikonium entstand durch die Predigt<br />
ein Streit in <strong>de</strong>r Bevölkerung, <strong>de</strong>r seinen Höhepunkt darin fand, dass „ein ungestümer<br />
Angriff geschah, sowohl von <strong>de</strong>nen aus <strong>de</strong>n Nationen als auch von <strong>de</strong>n Ju<strong>de</strong>n samt ihren<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 99
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Obersten, um sie zu misshan<strong>de</strong>ln und zu steinigen“ (Apg 14,5). Gott wachte über seine<br />
Diener, und sie konnten fliehen. Noch schlimmer erging es Paulus in Lystra. Von Antiochien<br />
und Ikonium kamen Ju<strong>de</strong>n, die die Volksmengen überre<strong>de</strong>ten, dass sie Paulus tatsächlich<br />
steinigten und zur Stadt hinausschleiften, weil sie meinten, er sei tot (Apg 14,19). Diese<br />
Erlebnisse waren Timotheus bestens bekannt. Aber er wusste gleichzeitig, wie <strong>de</strong>r Herr ihn<br />
gerettet hatte.<br />
Die Rettung <strong>de</strong>s Herrn<br />
Paulus hatte in seinen Umstän<strong>de</strong>n die Rettung <strong>de</strong>s Herrn erfahren. Er erlebte das, was<br />
vor ihm treue Gottesmänner erlebt hatten. David schreibt: „Ich suchte <strong>de</strong>n Herrn, und er<br />
antwortete mir; und aus allen meinen Beängstigungen errettete er mich. . . Dieser Elen<strong>de</strong><br />
rief, und <strong>de</strong>r Herr hörte, und aus allen seinen Bedrängnissen rettete er ihn“ (Ps 35,5.7).<br />
Beachten wir, dass <strong>de</strong>r Herr ihn nicht vor o<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>n Prüfungen bewahrt (d. h. verschont)<br />
hatte, son<strong>de</strong>rn dass Er ihn aus allen Verfolgungen und Lei<strong>de</strong>n gerettet hatte. Es ist <strong>de</strong>m<br />
Herrn ein Kleines, seinem Diener Erprobungen zu ersparen. Manchmal tut Er das. Aber oft<br />
han<strong>de</strong>lt Er an<strong>de</strong>rs. Was wir aber in je<strong>de</strong>m Fall erleben, ist seine Hilfe in <strong>de</strong>n Übungen. Er<br />
begleitet uns in <strong>de</strong>n Prüfungen und lässt uns nicht eine Beute <strong>de</strong>s Fein<strong>de</strong>s wer<strong>de</strong>n.<br />
Das hier für „retten“ gebrauchte Wort ist nicht das Wort, das wir sonst oft fin<strong>de</strong>n, wenn<br />
es um unsere Errettung geht. Es be<strong>de</strong>utet wörtlich, „jeman<strong>de</strong>n aus einer Gefahr an sich<br />
ziehen“, ihn „bewahren“ o<strong>de</strong>r „schützen“. Paulus hatte also erfahren, wie <strong>de</strong>r Herr ihn in<br />
<strong>de</strong>n Problemen bewahrt und geschützt und mit göttlicher Kraft an sich gezogen hatte. Es ist<br />
<strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r rettet. Ihm ist alle Macht und Gewalt dazu gegeben. Der Herr mag Umstän<strong>de</strong><br />
o<strong>de</strong>r Personen dazu nutzen, die Seinen zu retten, aber letztlich ist es immer seine göttliche<br />
Macht und Kraft, die zur Rettung führt. Das gleiche Wort „retten“ wird zum Beispiel in<br />
Römer 7,24 gebraucht, wo ein erweckter Mensch sagt: „Wer wird mich retten von diesem<br />
Leib <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s?“ Auch in 2. Thessalonicher 3,2 benutzt Paulus dieses Wort, wenn er schreibt:<br />
„ . . . und dass wir errettet wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n schlechten und bösen Menschen.“ Im zweiten<br />
Timotheusbrief kommt das Wort noch zweimal vor, nämlich in Kapitel 4,17 und 18.<br />
Hier haben wir also eine weitere Hilfsquelle, die <strong>de</strong>m Diener Mut macht: die Rettung <strong>de</strong>s<br />
Herrn aus allen Umstän<strong>de</strong>n und seine Hilfe, wenn wir uns mitten darin befin<strong>de</strong>n. Unsere<br />
Prüfungen mögen an<strong>de</strong>rer Natur sein als bei Paulus, aber die Rettung <strong>de</strong>s Herrn bleibt<br />
unverän<strong>de</strong>rt.<br />
„Alle aber auch, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, wer<strong>de</strong>n verfolgt wer<strong>de</strong>n“<br />
(Vers 12).<br />
Gottselig leben und lei<strong>de</strong>n<br />
Ein gottseliges Leben ist ein Leben <strong>de</strong>r praktischen Ausrichtung zu Gott. Gottseligkeit äußert<br />
sich darin, dass wir Gott zur Verfügung stehen und Ihn ehren. Insofern hat Gottseligkeit<br />
auch mit Gottesfurcht zu tun. Hier geht es um Christen, die so ein Leben führen wollen.<br />
Dazu ist einerseits ein Herzensentschluss nötig. An<strong>de</strong>rerseits muss uns klar sein, dass wir<br />
aus eigener Kraft nicht gottselig leben können. Es ist nicht etwas, das wir <strong>de</strong>r „äußeren Form<br />
wegen“ tun könnten. Es ist nur möglich „in Christus Jesus“, d. h. in Verbindung mit Ihm.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Er ist ja das offenbarte „Geheimnis <strong>de</strong>r Gottseligkeit“, das anerkannt groß ist (1. Tim 3,16).<br />
Nur wenn wir mit Ihm beschäftigt sind und wir in sein Bild verwan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n, kann echte<br />
Gottseligkeit das Ergebnis sein.<br />
Paulus formuliert hier mitten in seiner Gedankenführung plötzlich einen Grundsatz, <strong>de</strong>r<br />
je<strong>de</strong>n Leser auf <strong>de</strong>n Prüfstand stellt. „Alle aber auch . . . “. Es geht nicht länger um Paulus<br />
und Timotheus, son<strong>de</strong>rn direkt um uns alle. Die Frage lautet: wollen wir wirklich gottselig<br />
leben? Die Menschen, von <strong>de</strong>nen Paulus in <strong>de</strong>n ersten Versen gesprochen hatte, wollten<br />
das nicht. Sie besaßen nur eine äußere Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit. Sie verleugneten ihre Kraft.<br />
Wollen wir mehr als eine christliche Fassa<strong>de</strong> haben? „Wollen“ ist an dieser Stelle nicht nur<br />
einfach ein unverbindlicher Wunsch. Der Ausdruck beschreibt vielmehr eine entschlossene<br />
und dauerhafte Willensübung.<br />
Die Konsequenz eines solchen Lebens ist an dieser Stelle nicht Freu<strong>de</strong> und Glück, son<strong>de</strong>rn<br />
gera<strong>de</strong> das Gegenteil. Paulus spricht von Verfolgungen, d. h. von äußerem Druck. Das<br />
erinnert an das, was Paulus <strong>de</strong>n Thessalonichern schreibt: „ . . . in<strong>de</strong>m ihr das Wort<br />
aufgenommen habt in vieler Drangsal mit Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Heiligen Geistes“ (1. Thes 1,6).<br />
Drangsal o<strong>de</strong>r Verfolgung beschreibt die äußere Seite. Die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Heiligen Geistes<br />
beschreibt die innere Seite. Diese Freu<strong>de</strong> kann uns niemand nehmen.<br />
Die Art <strong>de</strong>r Verfolgung mag in<strong>de</strong>ssen zu verschie<strong>de</strong>nen Zeiten und an verschie<strong>de</strong>nen<br />
Orten unterschiedlich sein. Der Grundsatz aber gilt immer: Wer sich von <strong>de</strong>m Bösen in<br />
<strong>de</strong>r Christenheit abson<strong>de</strong>rt, wer in Gottseligkeit und Hingabe an <strong>de</strong>n Herrn leben und die<br />
Wahrheit aufrechterhalten will, muss mit Anfeindungen und Wi<strong>de</strong>rwärtigkeiten rechnen.<br />
Das hatte <strong>de</strong>r Herr Jesus seinen Jüngern schon vorausgesagt (Joh 15,18–20). Es müssen –<br />
Gott sei Dank – nicht immer Verfolgungen <strong>de</strong>rart sein, wie viele Christen sie auf dieser Er<strong>de</strong><br />
erdul<strong>de</strong>t haben und immer noch erdul<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m sie Haftstrafen, Internierungslager und<br />
sogar <strong>de</strong>n leiblichen Tod auf sich nehmen. Verfolgung kann sich häufig an<strong>de</strong>rs äußern. Dazu<br />
ein Beispiel aus <strong>de</strong>r Bibel: In Galater 4,29 erinnert Paulus an einen Vorgang aus <strong>de</strong>m Alten<br />
Testament. Er schreibt, dass Isaak durch seinen Halbbru<strong>de</strong>r Ismael verfolgt wur<strong>de</strong>. Wenn<br />
wir <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Text in 1. Mose 21,9 lesen, fin<strong>de</strong>n wir dort nichts von direkter<br />
Verfolgung. Wir lesen, dass Ismael <strong>de</strong>n Isaak verspottet hat. Spott ist also eine Art <strong>de</strong>r<br />
Verfolgung, mit <strong>de</strong>r wir rechnen müssen.<br />
Hier ist einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>, warum wir in unseren <strong>de</strong>mokratisch und – bisher – weitgehend<br />
von Toleranz geprägten (nach)christlichen Län<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Regel so wenig von <strong>de</strong>m Druck<br />
kennen, wie ihn Christen in an<strong>de</strong>ren Erdteilen täglich erleben. Wir sind häufig nicht<br />
konsequent und gottesfürchtig genug. Wie an<strong>de</strong>rs lebten die ersten Christen! Von ihnen<br />
lesen wir: „Sie nun gingen vom Synedrium weg, voll Freu<strong>de</strong>, dass sie gewürdigt wor<strong>de</strong>n<br />
waren, für <strong>de</strong>n Namen Schmach zu lei<strong>de</strong>n“ (Apg 5,41). Der Name ist <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Herrn<br />
Jesus. Ein gottseliges Leben macht ja gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>utlich, wie böse die an<strong>de</strong>ren leben. Sie wer<strong>de</strong>n<br />
durch ein konsequentes Christenleben bloßgestellt. Das kann ihnen nicht gefallen. Deshalb<br />
versuchen sie <strong>de</strong>nen zu scha<strong>de</strong>n, die gottselig leben.<br />
Petrus ermuntert die Gläubigen, an die er schreibt, mit <strong>de</strong>n Worten: „Geliebte, lasst euch<br />
durch das Feuer <strong>de</strong>r Verfolgung unter euch, das euch zur Prüfung geschieht, nicht befrem<strong>de</strong>n,<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
als begegne euch etwas Frem<strong>de</strong>s; son<strong>de</strong>rn insoweit ihr <strong>de</strong>r Lei<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Christus teilhaftig<br />
seid, freut euch, damit ihr auch in <strong>de</strong>r Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken euch<br />
freut. Wenn ihr im Namen Christi geschmäht wer<strong>de</strong>t, glückselig seid ihr! Denn <strong>de</strong>r Geist<br />
<strong>de</strong>r Herrlichkeit und <strong>de</strong>r Geist Gottes ruht auf euch“ (1. Pet 4,12).<br />
„Böse Menschen aber und Betrüger wer<strong>de</strong>n zu Schlimmerem fortschreiten, in<strong>de</strong>m sie<br />
verführen und verführt wer<strong>de</strong>n“ (Vers 13).<br />
Böse Menschen und Betrüger<br />
Paulus kommt jetzt erneut auf die Verführer innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses<br />
zurück. Sie sind nichts an<strong>de</strong>res als „böse Menschen“ und „Betrüger“. Dass sie böse sind,<br />
lernen wir in <strong>de</strong>n Versen 2–5. Dass es Betrüger – wir könnten Scharlatane sagen – sind,<br />
zeigen uns die Verse 6–9. Es han<strong>de</strong>lt sich je<strong>de</strong>nfalls um ungläubige Menschen. Sie haben<br />
einen bösen Charakter und wollen an<strong>de</strong>re verführen, in<strong>de</strong>m sie ihnen etwas vortäuschen,<br />
was nicht echt ist.<br />
Das „Schlimmere“ scheint sich auf die Verse 1–9 zu beziehen, wo uns bereits ein<br />
erschrecken<strong>de</strong>r Zustand innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses beschrieben wird. Aber<br />
es wird noch schlimmer kommen. Das Böse wird nicht zu einem Stillstand o<strong>de</strong>r gar<br />
Rückschritt kommen. „Fortschreiten“ meint „zunehmen“. Die Geschichte hat bewiesen,<br />
dass es tatsächlich so ist. Etwas an<strong>de</strong>res haben wir nicht zu erwarten. Die Metho<strong>de</strong>n dieser<br />
christlichen Verführer wer<strong>de</strong>n immer geschickter und tückischer. Der Prophet Jeremia<br />
beschreibt schon im Alten Testament Menschen, auf die Ähnliches zutrifft. „Sie spannen<br />
ihre Zunge, ihren Bogen, mit Lüge, und nicht nach Treue herrschen sie im Land; <strong>de</strong>nn<br />
sie schreiten fort von Bosheit zu Bosheit, und mich kennen sie nicht, spricht <strong>de</strong>r Herr“<br />
(Jer 9,2). Dabei bezieht sich das Fortschreiten an dieser Stelle nicht unbedingt auf ihren<br />
Erfolg, son<strong>de</strong>rn auf ihre persönliche Entwicklung zum Bösen hin. Es ist eine moralische<br />
und lehrmäßige Degeneration dieser Menschen, die nur eine äußere Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit<br />
haben.<br />
Das Tragische dabei ist, dass die Verführer schließlich selbst zu Verführten wer<strong>de</strong>n. Hinter<br />
ihnen steht eine Macht, die sie nicht steuern können, son<strong>de</strong>rn von <strong>de</strong>r sie selbst gesteuert<br />
wer<strong>de</strong>n. Sie verstricken sich schließlich in das, womit sie an<strong>de</strong>ren scha<strong>de</strong>n wollten. Nach <strong>de</strong>r<br />
Entrückung <strong>de</strong>r wahren Gläubigen in <strong>de</strong>n Himmel wird das voll ausreifen (siehe 2. Thes 2,9–<br />
12). Diese Menschen wer<strong>de</strong>n dann selbst <strong>de</strong>r Lüge glauben. Sie können nicht an<strong>de</strong>rs.<br />
Wir brauchen nicht darauf zu hoffen, dass sich <strong>de</strong>r Zustand innerhalb <strong>de</strong>s christlichen<br />
Bekenntnisses positiv entwickelt. Wer die aktuellen Trends in <strong>de</strong>r Christenheit ein wenig<br />
beobachtet, wird das <strong>de</strong>utlich erkennen. Wir warten nicht darauf, dass das Christentum<br />
eines Tages die Welt doch verän<strong>de</strong>rt o<strong>de</strong>r dass alle Menschen sich bekehren. Gott hat etwas<br />
an<strong>de</strong>res vorausgesagt. Worauf wir unsere feste Hoffnung setzen, ist die Tatsache, dass <strong>de</strong>r<br />
Herr Jesus zurückkommt, um uns zu sich zu nehmen, um dann wenig später mit uns in<br />
Macht und Herrlichkeit zu erscheinen. Dieser Tatbestand sollte uns aber nicht abhalten,<br />
unserem Herrn in Treue zu dienen und Ihn vor <strong>de</strong>n Menschen zu bekennen. Im Gegenteil.<br />
Er sollte uns motivieren.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
„Du aber bleibe in <strong>de</strong>m, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du<br />
weißt, von wem du gelernt hast“ (Vers 14).<br />
Du aber<br />
Mit diesem Vers wen<strong>de</strong>t sich Paulus wie<strong>de</strong>r unmittelbar an Timotheus. In seinen Worten<br />
liegt gleichzeitig eine direkte Ansprache für je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Herrn dienen möchte. In Vers 10<br />
ging es darum, etwas zu erkennen. Dieser Vers geht einen Schritt weiter. Timotheus sollte<br />
nicht nur erkennen, son<strong>de</strong>rn auch folgen. Er sollte in <strong>de</strong>m bleiben, was er gelernt hatte und<br />
wovon er völlig überzeugt war.<br />
Es ist immer leichter, etwas zu erkennen, als das Erkannte ganz persönlich zu praktizieren.<br />
Wirkliche Erkenntnis wird aber stets von entsprechen<strong>de</strong>n Ergebnissen begleitet, die in <strong>de</strong>r<br />
Praxis <strong>de</strong>s Lebens sichtbar wer<strong>de</strong>n. Der Herr Jesus hat selbst darauf hingewiesen, dass seine<br />
Jünger seine Worte nicht nur hören, son<strong>de</strong>rn tun sollen (Lk 6,47). Sein Wort soll in uns<br />
bleiben, d. h. wir sollen es nicht nur hören, son<strong>de</strong>rn es bewahren und tun.<br />
Bleiben<br />
Das Bleiben in <strong>de</strong>m, was Timotheus gelernt hatte, scheint einen gewissen Gegensatz zu<br />
<strong>de</strong>m Fortschreiten im Bösen darzustellen. Das Böse schreitet fort und verän<strong>de</strong>rt sich. Die<br />
Wahrheit hingegen bleibt unverän<strong>de</strong>rt. Das Wort „bleiben“ kann man auch mit „wohnen“<br />
übersetzen. „Lernen“ ist etwas, das wir nicht (ausschließlich) mit <strong>de</strong>m Kopf, son<strong>de</strong>rn zuerst<br />
mit <strong>de</strong>m Herzen tun. Es geht darum, dass das Gehörte und Gelernte einen bleiben<strong>de</strong>n Platz<br />
in unseren Herzen hat. Lernen ist nicht etwas, das wir „so nebenbei“ erledigen können.<br />
Es bedingt, dass wir uns intensiv mit Gottes Wort auseinan<strong>de</strong>rsetzen und die Wahrheit<br />
wirklich erforschen. „Völlig überzeugt“ meint, dass wir uns <strong>de</strong>r Sache ganz sicher sind.<br />
Als Diener Gottes brauchen wir eine fest verankerte Überzeugung. Wenn das <strong>de</strong>r Fall ist,<br />
erkennen wir <strong>de</strong>n Irrtum viel leichter und wer<strong>de</strong>n bewahrt. Wer nichts gelernt hat o<strong>de</strong>r wer<br />
von <strong>de</strong>m Gelernten nicht überzeugt ist, wird <strong>de</strong>utlich anfälliger für <strong>de</strong>n Irrtum sein.<br />
Was und von wem du gelernt hast<br />
Das, was <strong>de</strong>r Diener gelernt hat, ist für ihn eine weitere Hilfsquelle. Für Timotheus waren<br />
das zunächst die „heiligen Schriften“, d. h. das Alte Testament (Vers 15). Aber nicht nur<br />
sie allein. Timotheus hatte direkt von Paulus (und an<strong>de</strong>ren) gehört und gelernt. Darauf<br />
scheint Paulus jetzt Bezug zu nehmen. „Von wem (o<strong>de</strong>r von welchen) du gelernt hast“<br />
kann sich sprachlich entwe<strong>de</strong>r auf Paulus und/o<strong>de</strong>r auf an<strong>de</strong>re beziehen. Einige Ausleger<br />
schließen auch seine Mutter und Großmutter an dieser Stelle mit ein. Das ist aber wenig<br />
wahrscheinlich, da Paulus dann im nächsten Vers auf die Kindheit von Timotheus zu<br />
sprechen kommt.<br />
Wir müssen diese Aussage also in ihrer direkten Be<strong>de</strong>utung auf Paulus beziehen. Timotheus<br />
wusste, dass Paulus die Wahrheit direkt von Gott offenbart bekommen hatte. Er schrieb<br />
nicht nur seine Briefe mit apostolischer Autorität, son<strong>de</strong>rn er sprach auch mit apostolischer<br />
Autorität. In 1. Korinther 2,12.13 schreibt er: „Wir aber haben nicht <strong>de</strong>n Geist <strong>de</strong>r Welt<br />
empfangen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n Geist, <strong>de</strong>r aus Gott ist, um die Dinge zu kennen, die uns von Gott<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
geschenkt sind; die wir auch verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche<br />
Weisheit, son<strong>de</strong>rn in Worten, gelehrt durch <strong>de</strong>n Geist, mitteilend geistliche Dinge durch<br />
geistliche Mittel.“ Das Verkündigen schließt hier ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>n mündlichen Dienst – das<br />
Re<strong>de</strong>n – von Paulus ein. Paulus re<strong>de</strong>te in Worten, gelehrt durch <strong>de</strong>n Heiligen Geist. Das<br />
gab seinen Worten ein beson<strong>de</strong>res Gewicht. Timotheus hatte das immer wie<strong>de</strong>r gehört und<br />
war dadurch geprägt wor<strong>de</strong>n. Die Quelle, aus <strong>de</strong>r Timotheus die Wahrheit gelernt hat, war<br />
direkt von Gott gespeist wor<strong>de</strong>n.<br />
Niemand von uns hat Paulus predigen gehört. Dennoch können wir immer noch direkt von<br />
ihm lernen, wenn wir seine Briefe lesen, die er unter <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>s Geistes geschrieben hat.<br />
Gleiches gilt für die übrigen Schreiber <strong>de</strong>s Neuen Testamentes. In diesem Sinn wissen auch<br />
wir, „von wem“ wir die christliche Wahrheit gelernt haben. Dieses Wort – und wir schließen<br />
das Alte Testament mit ein – ist eine gewaltige Hilfsquelle. Es bewahrt uns vor <strong>de</strong>m Irrtum.<br />
Auch wir wollen in <strong>de</strong>m bleiben, was wir gelernt haben. Das Böse nimmt zu. Der Irrtum<br />
zeigt sich in immer neuen und verän<strong>de</strong>rten Varianten. Die Lehren von Menschen verän<strong>de</strong>rn<br />
sich. Dennoch gibt es etwas, das absolut bleibt. Das Wort Gottes ist unverän<strong>de</strong>rlich. Es ist<br />
die einmal <strong>de</strong>n Heiligen überlieferte Wahrheit. Es gibt heute keine „neuen Offenbarungen“.<br />
Es gibt kein „neues Licht“ und keine „neue Erkenntnis“. Die Wahrheit, so wie Gott sie<br />
uns in seinem Wort gegeben hat, entwickelt sich nicht weiter. Unsere Erkenntnis und<br />
unsere Einsicht in die Wahrheit sollen wachsen. Wir bleiben Lernen<strong>de</strong>, solange wir auf<br />
dieser Er<strong>de</strong> sind. Aber das „Lehrbuch“, aus <strong>de</strong>m wir lernen, verän<strong>de</strong>rt sich nicht. Von dieser<br />
Wahrheit müssen wir überzeugt sein. Diese Wahrheit müssen wir praktizieren. Für diese<br />
Wahrheit müssen wir einstehen. Aber wir sollen sie gleichzeitig an an<strong>de</strong>re weitergeben,<br />
damit nachfolgen<strong>de</strong> Generationen diese Wahrheit ebenfalls kennenlernen und eine feste<br />
Überzeugung bekommen.<br />
„Und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die imstan<strong>de</strong> sind, dich weise zu<br />
machen zur Errettung durch <strong>de</strong>n Glauben, <strong>de</strong>r in Christus Jesus ist“ (Vers 15).<br />
Von Kind auf<br />
Das Bin<strong>de</strong>wort „und“ ist ein Hinweis darauf, dass Paulus in Vers 14 mehr von sich<br />
gesprochen hat. Jetzt kommt er indirekt auf die Vorfahren von Timotheus zu sprechen. Er<br />
war je<strong>de</strong>nfalls in einem gottesfürchtigen Haus aufgewachsen. Von <strong>de</strong>m Vater wissen wir<br />
nur, dass er ein Grieche war. Mutter und Großmutter hingegen bewiesen in ihrem Leben<br />
nicht nur einen lebendigen und ungeheuchelten (d. h. echten) Glauben (2. Tim 1,5), son<strong>de</strong>rn<br />
das Wort Gottes war ihnen wichtig. Bei<strong>de</strong>s hatten sie weitervermittelt.<br />
Der Ausdruck „Kind“ nimmt tatsächlich Bezug auf ein kleines Kind. Von frühester Jugend<br />
an war Timotheus mit <strong>de</strong>n heiligen Schriften vertraut gemacht wor<strong>de</strong>n. Das Beispiel zeigt<br />
uns, dass man nicht früh genug anfangen kann, Kin<strong>de</strong>r mit Gottes Wort bekannt zu machen,<br />
sie in Gottes Wort zu unterweisen und ihnen <strong>de</strong>n Herrn Jesus groß zu machen. Das ist eine<br />
wichtige Belehrung für Eltern und Großeltern. Darauf hatte Gott schon im Alten Testament<br />
großen Wert gelegt (vgl. 5. Mo 6,7; 11,19–21).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 104
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Die heiligen Schriften<br />
Die „heiligen Schriften“ sind hier in <strong>de</strong>r direkten Be<strong>de</strong>utung das gesamte Alte Testament.<br />
Das war das, was <strong>de</strong>r Mutter und Großmutter zur Verfügung stand, als Timotheus noch<br />
ein Kind war. In Verbindung mit Vers 16 ist es aber legitim, in <strong>de</strong>r Anwendung auf uns<br />
an die ganze Bibel zu <strong>de</strong>nken. Wenn wir vor <strong>de</strong>m Irrtum bewahrt bleiben wollen (das ist<br />
nichts an<strong>de</strong>res als ein Teilaspekt von „Errettung“), dann sind die Schriften ein weiteres und<br />
wichtiges Bewahrungsmittel, das uns zur Verfügung steht. Es geht nicht um die sich ständig<br />
än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Meinungen und Theorien <strong>de</strong>r Menschen. Es geht um das unverän<strong>de</strong>rliche und<br />
bleiben<strong>de</strong> Gotteswort. Dieses Wort steht ewig fest in <strong>de</strong>n Himmeln (Ps 119,89).<br />
Es sind „heilige“ Schriften. Das hier für „heilig“ gebrauchte Wort kommt im Neuen<br />
Testament nur zweimal vor, nämlich hier und in 1. Korinther 9,13, wo es für die „heiligen<br />
Dinge“ benutzt wird. In Römer 1,2 ist auch von <strong>de</strong>n „heiligen Schriften“ die Re<strong>de</strong>. Dort steht<br />
aber im Grundtext ein an<strong>de</strong>res Wort. Gottes Wort ist einzigartig und unvergleichbar. Es<br />
ist in diesem Sinn über je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re von Menschen verfasste Schrift erhaben. Gott hat es<br />
gegeben und geweiht. Wir sind dankbar für gute <strong>Bibelkommentare</strong>. Aber nichts reicht an<br />
die Erhabenheit <strong>de</strong>r „heiligen Schriften“ heran. Nur sie können <strong>de</strong>m menschlichen Denken<br />
wirkliche göttliche Weisheit und Einsicht vermitteln (Ps 19,7).<br />
Die Errettung durch <strong>de</strong>n Glauben, <strong>de</strong>r in Christus Jesus ist<br />
Diese Schriften sind „imstan<strong>de</strong>“, d. h. sie sind in <strong>de</strong>r Lage, etwas zu bewegen. Hier<br />
ist es konkret die Errettung. Der Begriff „Errettung“ ist an dieser Stelle nicht ganz<br />
einfach zu verstehen. Das Wort hat im Neuen Testament eine umfassen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utung<br />
(siehe die Erklärung zu Kapitel 2,10). Errettung meint generell, dass wir vor einer<br />
Gefahr bewahrt bleiben und keinen Scha<strong>de</strong>n durch sie nehmen. Errettung hat erstens<br />
einen vergangenheitsbezogenen Aspekt. Wir sind errettet. Errettung hat zweitens einen<br />
gegenwartsbezogenen Aspekt. Wir wer<strong>de</strong>n vor <strong>de</strong>n Gefahren auf <strong>de</strong>m Weg gerettet.<br />
Errettung hat drittens einen zukunftsbezogenen Aspekt. Unsere Errettung wird vollständig<br />
sein – d. h. auch unseren Körper einschließen –, wenn <strong>de</strong>r Herr Jesus als Heiland erscheint.<br />
Es ist in allen drei Fällen das Wort Gottes, das uns die Sicherheit unserer Errettung<br />
vermittelt.<br />
An dieser Stelle steht offensichtlich <strong>de</strong>r gegenwartsbezogene Aspekt im Vor<strong>de</strong>rgrund. Paulus<br />
erinnert Timotheus nicht an <strong>de</strong>n Augenblick, wo er errettet wur<strong>de</strong> (Vergangenheit). Er<br />
spricht auch nicht von <strong>de</strong>r noch vor ihm liegen<strong>de</strong>n Errettung (Zukunft), son<strong>de</strong>rn er spricht<br />
von <strong>de</strong>r Gegenwart. Die Heiligen Schriften sind (in <strong>de</strong>r Anwendung auf uns) das Wort<br />
Gottes und <strong>de</strong>shalb gegenwärtig imstan<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Diener weise zu machen, um vor <strong>de</strong>m Irrtum<br />
bewahrt zu bleiben. „Weise machen“ be<strong>de</strong>utet an dieser Stelle „mit Weisheit begaben“,<br />
„unterweisen“ o<strong>de</strong>r „belehren“. Je<strong>de</strong> solche geistliche „Begabung“ und „Fähigkeit“ kommt<br />
von Gott und aus Gottes Wort, nicht aus einer menschlichen Quelle.<br />
Paulus fügt hinzu: „ . . . durch <strong>de</strong>n Glauben, <strong>de</strong>r in Christus Jesus ist.“ Der Glaube ist das<br />
Mittel, durch das wir gerettet wer<strong>de</strong>n. Errettung geschieht immer durch <strong>de</strong>n Glauben. Aber<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 105
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
nicht durch Glauben an sich, son<strong>de</strong>rn durch <strong>de</strong>n Glauben „in Christus Jesus“. Der Glaube<br />
ist natürlich wichtig, aber er braucht sowohl <strong>de</strong>n richtigen Gegenstand als auch die richtige<br />
Grundlage. Deshalb ist es nicht nur wichtig, dass man Glauben hat, son<strong>de</strong>rn man braucht<br />
vor allen Dingen <strong>de</strong>n richtigen Glauben. Der richtige Glaube bringt uns immer mit Christus<br />
in Verbindung. Dabei wollen wir auf die unterschiedlichen Präpositionen achten. Wer an<br />
Christus glaubt, hat <strong>de</strong>n richtigen Gegenstand für seinen Glauben. Wer Christus glaubt,<br />
vertraut seinem Wort. Wer jedoch Glauben in Christus Jesus hat, <strong>de</strong>r hat das richtige<br />
Fundament für seinen Glauben. Er bewegt sich sozusagen in <strong>de</strong>r Atmosphäre <strong>de</strong>s Glaubens.<br />
Davon schreibt Paulus zum Beispiel in 1. Timotheus 3,13: „Denn diese, die wohl gedient<br />
haben, erwerben sich eine schöne Stufe und viel Freimütigkeit im Glauben, <strong>de</strong>r in Christus<br />
Jesus ist.“ Das macht klar, dass es hier nicht um die Errettung <strong>de</strong>r Seele geht, son<strong>de</strong>rn um<br />
die Errettung vor Gefahren auf <strong>de</strong>m Weg <strong>de</strong>s Dienstes.<br />
„Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur<br />
Zurechtweisung, zur Unterweisung in <strong>de</strong>r Gerechtigkeit“ (Vers 16).<br />
Alle Schrift von Gott eingegeben<br />
Hatte Paulus in Vers 15 noch von <strong>de</strong>n heiligen Schriften gesprochen und damit in <strong>de</strong>r<br />
direkten Be<strong>de</strong>utung das Alte Testament gemeint, so sagt er jetzt: „alle Schrift“. Damit sind<br />
ohne Zweifel das Alte und das Neue Testament gemeint. Es geht um das gesamte Wort<br />
Gottes. Die Schreiber <strong>de</strong>s Neuen Testaments waren sich durchaus bewusst, dass sie im<br />
Auftrag Gottes seine inspirierten Worte aufschrieben. Petrus erinnert in seinem zweiten<br />
Brief an das, was Paulus geschrieben hatte und zählt seine Briefe wie selbstverständlich zu<br />
<strong>de</strong>n „Schriften“ (2. Pet 3,16). Paulus zitiert in 1. Timotheus 5,18 ein Wort aus <strong>de</strong>m Alten und<br />
eines aus <strong>de</strong>m Neuen Testament. Bei<strong>de</strong> Belegstellen leitet er mit <strong>de</strong>n Worten ein: „Denn die<br />
Schrift sagt.“<br />
Die Aussage von Paulus an dieser Stelle ist sehr weitgehend. Es ist eine <strong>de</strong>r wesentlichen<br />
Bibelstellen, die uns etwas zum Thema <strong>de</strong>r Inspiration (Eingebung) <strong>de</strong>r Bibel sagt. Gott<br />
ist die Quelle (<strong>de</strong>r Ursprung), aus <strong>de</strong>r alles kommt. Je<strong>de</strong>s Wort in <strong>de</strong>r Bibel ist von Gott<br />
inspiriert. „Alle Schrift ist von Gott eingegeben.“ Das gilt nicht nur für die Gedanken o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Bibel. Gott hat <strong>de</strong>n Schreibern nicht nur seine Gedanken offenbart o<strong>de</strong>r<br />
gegeben, son<strong>de</strong>rn Er hat ihnen je<strong>de</strong>s einzelne Wort gegeben, das sie aufschreiben sollten.<br />
Die Schreiber haben die Wahrheit nicht mit ihren eigenen Worten aufgeschrieben. Sie taten<br />
es mit <strong>de</strong>n Worten, die Gott ihnen gab. Paulus schreibt <strong>de</strong>n Korinthern von <strong>de</strong>n Dingen,<br />
die <strong>de</strong>n Aposteln von Gott geschenkt wor<strong>de</strong>n waren, und sagt dann: „ . . . die wir auch<br />
verkündigen, nicht in Worten, gelehrt durch menschliche Weisheit, son<strong>de</strong>rn in Worten,<br />
gelehrt durch <strong>de</strong>n Geist, mitteilend geistliche Dinge durch geistliche Mittel“ (1. Kor 2,13). Es<br />
ist ein<strong>de</strong>utig zu wenig, wenn behauptet wird, dass die Bibel Gottes Wort enthält. Das ist<br />
eine Verführung <strong>de</strong>s Teufels. Die Bibel enthält nicht einfach das Wort Gottes, die Bibel ist<br />
das Wort Gottes. Das ist ein beachtenswerter Unterschied.<br />
„Von Gott eingegeben“ be<strong>de</strong>utet wörtlich: „Gott gehaucht“. Der Ausdruck kommt im Neuen<br />
Testament nur an dieser Stelle vor. Das be<strong>de</strong>utet nicht nur, dass Gott in die Schreiber<br />
„hineingeatmet“ hätte. Es ist mehr. Je<strong>de</strong>s Wort wur<strong>de</strong> sozusagen von Gott ausgeatmet. Je<strong>de</strong>s<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
einzelne Wort ist von Gott gegeben. So hat Er die „Schrift“ durch seinen Hauch ins Leben<br />
gerufen. Wort für Wort ist von Gott inspiriert. Deshalb sprechen wir völlig zu Recht von<br />
<strong>de</strong>r wörtlichen Eingebung – o<strong>de</strong>r Verbalinspiration – <strong>de</strong>r Heiligen Schrift. Daran müssen<br />
wir unbedingt festhalten. Der Apostel Petrus bestätigt das auch. Er schreibt: „Denn die<br />
Weissagung wur<strong>de</strong> niemals durch <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s Menschen hervorgebracht, son<strong>de</strong>rn heilige<br />
Menschen Gottes re<strong>de</strong>ten, getrieben vom Heiligen Geist“ (2. Pet 1,21).<br />
„Alle“ Schrift meint „je<strong>de</strong>“ Schrift. Gemeint sind nicht einzelne Abschnitte o<strong>de</strong>r Passagen,<br />
son<strong>de</strong>rn je<strong>de</strong>s einzelne Wort <strong>de</strong>r ganzen Schrift. Das Neue Testament ist darin unbedingt<br />
eingeschlossen. Der individuelle Schreibstil und die Eigenheiten <strong>de</strong>r einzelnen Autoren ist<br />
dabei erhalten geblieben. Gott hat die Schreiber seines Wortes nicht einfach „blind“ benutzt,<br />
son<strong>de</strong>rn hat dafür Sorge getragen, dass die voneinan<strong>de</strong>r unterschie<strong>de</strong>nen Charaktere <strong>de</strong>r<br />
Schreiber erhalten geblieben sind und in <strong>de</strong>n Texten erkennbar wer<strong>de</strong>n. Paulus schreibt<br />
an<strong>de</strong>rs als Petrus, und Petrus schreibt an<strong>de</strong>rs als Johannes. Das hat Gott so gewollt.<br />
„Inspiration“ ist allerdings nicht mit „Offenbarung“ zu verwechseln. Je<strong>de</strong>s Wort in <strong>de</strong>r Bibel<br />
ist von Gott inspiriert, d. h. die Schreiber bekamen <strong>de</strong>n Auftrag, es so zu schreiben. Aber<br />
nicht alles ist eine von Gott offenbarte Wahrheit. Wenn Lukas in <strong>de</strong>r Apostelgeschichte<br />
einen Reisebericht gibt, dann brauchte ihm dieser nicht offenbart zu wer<strong>de</strong>n. Er war ja selbst<br />
dabei und hatte es miterlebt. Aber er bekam <strong>de</strong>n Auftrag, <strong>de</strong>n Bericht unter <strong>de</strong>r Leitung<br />
<strong>de</strong>s Heiligen Geistes nie<strong>de</strong>rzuschreiben. Wenn Petrus im Blick auf <strong>de</strong>n Weg <strong>de</strong>s Herrn zu<br />
Ihm sagte: „Dies wird dir nicht wi<strong>de</strong>rfahren“ (Mt 16,22), war das ganz sicher nicht von Gott<br />
offenbart. Aber Matthäus bekam doch <strong>de</strong>n Auftrag, genau diese Worte aufzuschreiben.<br />
Die Tatsache, dass alle Schrift von Gott eingegeben wur<strong>de</strong>, hat Konsequenzen. Erstens<br />
ist die Bibel unfehlbar, und zweitens hat sie Autorität. Was in <strong>de</strong>r Bibel steht, ist<br />
die absolute Wahrheit. Es gibt in <strong>de</strong>r Bibel keine Fehler. Natürlich ist die Bibel kein<br />
naturwissenschaftliches Buch. Sie ist kein Geschichtsbuch und kein Biologiebuch. Aber<br />
wenn die Bibel etwas über die Naturwissenschaft sagt, ist es wahr. Wenn sie etwas über<br />
die Geschichte schreibt, ist es wahr. Wenn sie Aussagen über biologische Vorgänge macht,<br />
sind sie ebenfalls wahr. Es ist eine verführerische Taktik <strong>de</strong>s Teufels, mit vermeintlich<br />
wissenschaftlichen Argumenten Zweifel an <strong>de</strong>r Unfehlbarkeit <strong>de</strong>r Bibel zu säen. Lei<strong>de</strong>r ist<br />
es ihm in weiten Teilen <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses gelungen.<br />
Alle Schrift ist nützlich<br />
Die Schrift – das Wort Gottes – ist aber nicht nur unfehlbar. Sie hat auch absolute Autorität.<br />
Wer nicht akzeptiert, dass die Bibel unfehlbar ist, <strong>de</strong>r wird ihre Autorität nicht anerkennen.<br />
Tatsache ist aber, dass die Schrift inspiriert und <strong>de</strong>shalb nützlich ist -; nützlich für <strong>de</strong>n<br />
Menschen Gottes. Gottes Wort zeigt immer eine Wirkung. Der Schreiber <strong>de</strong>s Hebräerbriefes<br />
sagt: „Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als je<strong>de</strong>s zweischneidige<br />
Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl <strong>de</strong>r Gelenke<br />
als auch <strong>de</strong>s Markes, und ein Beurteiler <strong>de</strong>r Gedanken und Überlegungen <strong>de</strong>s Herzens“<br />
(Heb 4,12).<br />
Paulus nennt vier Punkte. Die Reihenfolge ist dabei sicher nicht ohne Be<strong>de</strong>utung:<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 107
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
• Nützlich zur Lehre: „Lehre“ be<strong>de</strong>utet hier „Belehrung“. Grundlage je<strong>de</strong>r Belehrung<br />
muss das Wort Gottes sein. Dabei geht es nicht nur um <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>r Belehrung,<br />
son<strong>de</strong>rn ebenfalls um die Handlung <strong>de</strong>s Belehrens. Wie in Vers 10 steht die Lehre an<br />
erster Stelle. Sie ist die Basis für das praktische Leben <strong>de</strong>s Dieners Gottes. Sie zeigt,<br />
wie Gott über die Dinge <strong>de</strong>nkt. Wir lernen die Sichtweise Gottes kennen. Wenn wir als<br />
Kin<strong>de</strong>r Gottes und Diener <strong>de</strong>s Herrn in <strong>de</strong>r Wahrheit wan<strong>de</strong>ln möchten, dann müssen<br />
wir sie kennen. Wer <strong>de</strong>n Willen Gottes tun möchte, muss ihn vorher kennenlernen.<br />
Das Wort Gottes vermittelt uns diese Kenntnis. Die Lehre <strong>de</strong>r Bibel können wir nur<br />
kennenlernen, wenn wir uns von <strong>de</strong>r Bibel auch belehren lassen.<br />
• Nützlich zur Überführung: „Überführung“ be<strong>de</strong>utet „Überzeugung“. Das Wort Gottes<br />
bringt uns zur Einsicht. Das gilt für <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r. Es gilt genauso für Menschen, die <strong>de</strong>m<br />
Herrn angehören. Ein Beispiel fin<strong>de</strong>n wir im Leben Davids. Die Worte <strong>de</strong>s Propheten<br />
Nathans – im Auftrag Gottes gesprochen – überführten ihn von seiner Sün<strong>de</strong>, die er<br />
begangen hatte (2. Sam 12,7). Das Wort überführt o<strong>de</strong>r überzeugt uns davon, dass die<br />
Lehre die Wahrheit ist. Der Diener Gottes muss zu je<strong>de</strong>r Zeit wissen, auf welch einem<br />
festen Fundament er steht. Wer diese feste Überzeugung nicht hat, wird schell ein<br />
Opfer falscher Lehren und Praktiken.<br />
• Nützlich zur Zurechtweisung: Das be<strong>de</strong>utet, dass die Schrift uns auf Fehler aufmerksam<br />
macht und korrigiert. Sie ist ein wichtiges Korrektiv, das je<strong>de</strong>r von uns braucht. Je<strong>de</strong>r<br />
Diener macht Fehler. Wir sind nicht vollkommen. Wenn wir diese Korrektur nicht<br />
haben, wer<strong>de</strong>n wir schnell in die Irre gehen. Dabei zeigt uns das Wort Gottes nicht<br />
nur, was wir falsch machen können (o<strong>de</strong>r falsch gemacht haben), son<strong>de</strong>rn es zeigt uns<br />
immer <strong>de</strong>n richtigen Weg.<br />
• Nützlich zur Unterweisung in <strong>de</strong>r Gerechtigkeit: Gerechtigkeit ist hier nicht die<br />
Gerechtigkeit aus Gott (o<strong>de</strong>r unsere Stellung). Es geht vielmehr um die praktische<br />
Gerechtigkeit im täglichen Leben. Praktische Gerechtigkeit im Leben <strong>de</strong>s Menschen<br />
Gottes ist ein Leben in Übereinstimmung mit Gott und mit seinem offenbarten Willen.<br />
Das gilt im Blick auf Gott, auf unsere Glaubensgeschwister und auf die ungläubige<br />
Umgebung. Dann geben wir je<strong>de</strong>m, was ihm zusteht. Gottes Wort unterweist uns in<br />
dieser praktischen Gerechtigkeit. Mit „Unterweisung“ verbin<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r Gedanke an<br />
ein „Training“. Gerechtigkeit ist – wie die Gottseligkeit – eine Tugend, in <strong>de</strong>r wir uns<br />
ständig üben müssen (1. Tim 4,7).<br />
Startpunkt o<strong>de</strong>r Grundlage ist die Lehre. Sie vermittelt uns eine feste Überzeugung.<br />
Dann wer<strong>de</strong>n wir durch Gottes Wort korrigiert und können so ein Leben in praktischer<br />
Gerechtigkeit führen.<br />
„Damit <strong>de</strong>r Mensch Gottes vollkommen sei, zu je<strong>de</strong>m guten Werk völlig geschickt“<br />
(Vers 17).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 108
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Der Mensch Gottes<br />
Mit diesen Worten beschreibt Paulus das eigentliche Ziel. Gott möchte seine Menschen<br />
auf dieser Er<strong>de</strong> haben, die erstens vollkommen und zweitens zu je<strong>de</strong>m guten Werk völlig<br />
geschickt sind.<br />
Der Ausdruck „Mensch Gottes“ kommt in dieser Form im Neuen Testament nur zweimal<br />
vor, hier und in 1. Timotheus 6,11, wo Timotheus selbst so genannt wird. 2. Petrus 1,21<br />
spricht von „Menschen Gottes“ und nimmt Bezug auf Propheten im Alten Testament (wo<br />
verschie<strong>de</strong>ne Menschen wie beispielsweise Mose, David, Elia, Elisa und an<strong>de</strong>re diesen<br />
Ehrentitel tragen). Der Ausdruck selbst ist geschlechtsneutral, d. h. Männer und Frauen sind<br />
gemeinsam angesprochen. Der Mensch Gottes kommt aus <strong>de</strong>r Gegenwart Gottes und wird<br />
von Gott in die Welt gesandt. Er hat eine Botschaft im Auftrag Gottes. Dementsprechend<br />
soll er sich verhalten. Wer sich als Diener von Gott gebrauchen lässt, kann – und soll – ein<br />
Mensch Gottes sein. Es ist ein Ehrentitel, <strong>de</strong>r ausdrückt, wem wir gehören. Im Alten<br />
Testament steht <strong>de</strong>r Ausdruck oft mit einer konkreten Aufgabe und einem Dienst in<br />
Verbindung, <strong>de</strong>n Gott gibt. Das galt für Timotheus. Das gilt für uns.<br />
Vollkommen<br />
Vollkommen zu sein be<strong>de</strong>utet im Neuen Testament an einigen Stellen, zum vollen Wuchs<br />
gekommen o<strong>de</strong>r erwachsen gewor<strong>de</strong>n zu sein. Manchmal erinnert <strong>de</strong>r Ausdruck auch an<br />
die Stellung, die wir besitzen. An dieser Stelle scheint die Be<strong>de</strong>utung zu sein, dass jemand<br />
„von rechter Beschaffenheit“ ist. Das steht eng mit <strong>de</strong>r praktischen Gerechtigkeit in Vers 16<br />
in Verbindung. Der Maßstab ist hoch und niemand wür<strong>de</strong> von sich behaupten, dieses Ziel<br />
je erreicht zu haben. Aber weniger kann Gott von uns nicht erwarten. Vollkommen zu sein<br />
kann ebenso be<strong>de</strong>uten, dass wir durch das Wort Gottes völlig ausgerüstet sind für je<strong>de</strong>n<br />
Dienst und je<strong>de</strong> Aufgabe, die Gott uns gibt. Durch das Wort Gottes sind wir fähig, je<strong>de</strong>s<br />
gute Werk zu tun, das wir tun sollen.<br />
Zu je<strong>de</strong>m guten Werk geschickt<br />
Dieser Vers erteilt <strong>de</strong>m mo<strong>de</strong>rnen Ansatz, durch aka<strong>de</strong>mische Studien theologisch zubereitet<br />
o<strong>de</strong>r „zugerüstet“ zu wer<strong>de</strong>n, eine klare Absage. Es geht nicht um eine wie auch immer<br />
geartete theologische Ausbildung, son<strong>de</strong>rn es geht darum, dass <strong>de</strong>r Mensch Gottes durch<br />
Gottes Wort gebil<strong>de</strong>t und geprägt wird.<br />
Zu je<strong>de</strong>m guten Werk völlig geschickt zu sein verbin<strong>de</strong>t sich mit <strong>de</strong>r Aussage in Kapitel 2,21,<br />
wo wir lesen, dass wir zu je<strong>de</strong>m guten Werk bereitet sein sollen. Es be<strong>de</strong>utet so viel wie<br />
„ausgerüstet sein“. Gott möchte, dass wir bereit sind, gute Werke zu tun. Er möchte, dass<br />
die erfor<strong>de</strong>rlichen Voraussetzungen dazu gegeben sind. Dabei ist klar, dass wir keine guten<br />
Werke tun, um etwas zu bekommen, son<strong>de</strong>rn wir tun sie <strong>de</strong>shalb, weil wir etwas bekommen<br />
haben. Gott ist sozusagen „in Vorleistung“ gegangen. Durch sein Wort wirkt Er jetzt in uns,<br />
gute Werke zu tun.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 109
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 3<br />
Beispielhaft für uns sind die guten Werke von Maria aus Bethanien und von Dorkas aus<br />
Joppe. Von Maria heißt es ausdrücklich, dass sie ein gutes Werk an <strong>de</strong>m Herrn Jesus tat<br />
(Mk 14,6). Von Dorkas lesen wir, dass sie voll guter Werke war (Apg 9,36). Es gibt gute<br />
Werke, die wir direkt für <strong>de</strong>n Herrn tun. Es gibt gute Werke, die wir an an<strong>de</strong>ren Menschen<br />
tun, aber die <strong>de</strong>nnoch Werke sind, die wir letztlich für unseren Herrn tun.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 110
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Ein geistliches Vermächtnis<br />
In Kapitel 3 beschreibt Paulus <strong>de</strong>n Zustand <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses in <strong>de</strong>n letzten<br />
Tagen. Gleichzeitig erinnert er <strong>de</strong>n Diener Gottes an die Hilfsquellen, die ihm zur Verfügung<br />
stehen. Das Kapitel en<strong>de</strong>t mit einer gewaltigen Aussage über das Wort Gottes, diese nie<br />
versiegen<strong>de</strong> Hilfsquelle.<br />
Kapitel 4 schließt sich unmittelbar an das En<strong>de</strong> von Kapitel 3 an. Der Inhalt gleicht einem<br />
Höhepunkt in <strong>de</strong>m geistlichen Vermächtnis, das er seinem Kind Timotheus hinterlässt.<br />
Auch dieses Kapitel können wir in drei Teile glie<strong>de</strong>rn:<br />
1. Verse 1–5: Eine letzte Auffor<strong>de</strong>rung zum Dienst<br />
Paulus macht <strong>de</strong>utlich, wie wichtig es ist, dass das Wort gepredigt wird. Verfall und<br />
Nie<strong>de</strong>rgang <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses dürfen <strong>de</strong>n Diener nicht vom Dienst abhalten.<br />
Degeneration um uns herum ist keine Entschuldigung für Tatenlosigkeit und Trägheit.<br />
2. Verse 6–8: Ein letztes Zeugnis<br />
Noch einmal stellt Paulus sein eigenes Leben als Beispiel vor. Er erinnert Timotheus an<br />
Dinge, die dieser genau wusste. Paulus blickt auf seinen eigenen Dienst zurück und kann<br />
sagen, dass er <strong>de</strong>n guten Kampf gekämpft hat. Er hat <strong>de</strong>n Lauf vollen<strong>de</strong>t. Er hat <strong>de</strong>n Glauben<br />
bewahrt. Sein En<strong>de</strong> ist jetzt nahe gekommen. Aber im Vertrauen sieht er gleichzeitig nach<br />
vorn und freut sich auf das, was vor ihm liegt.<br />
3. Vers 9–22: Letzte persönliche Botschaften<br />
Paulus nimmt Abschied. Eine Reihe persönlicher Botschaften schließt sich an. Darin<br />
erkennen wir Freu<strong>de</strong> und Trauer, Hoffnung und Enttäuschung. Wenn es um ihn selbst<br />
geht, ist Paulus voller Zuversicht. Wenn es um an<strong>de</strong>re geht, sind seine Empfindungen<br />
gemischt. Für manches ist er dankbar. In einigen Fällen ist er in Sorge.<br />
Die letzten Worte dieses großen Gottesmannes sind voller Gna<strong>de</strong> und Liebe. Sie zeigen<br />
seine innere Teilnahme an <strong>de</strong>m Ergehen geliebter Menschen. Für Timotheus – und darüber<br />
hinaus auch für uns – sind sie ein beson<strong>de</strong>res Vermächtnis und gleichzeitig ein Appell, im<br />
Dienst nicht mü<strong>de</strong> zu wer<strong>de</strong>n.<br />
„Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, <strong>de</strong>r richten wird Leben<strong>de</strong> und Tote,<br />
und bei seiner Erscheinung und seinem Reich“ (Vers 1).<br />
Ein ernstliches Zeugnis<br />
Die Worte „Ich bezeuge ernstlich“ sind ein starker Appell. Sie zeigen <strong>de</strong>utlich, wie ernst<br />
es Paulus mit <strong>de</strong>m ist, was er jetzt vorstellt. Paulus ruft sozusagen göttliche Personen als<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 111
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
seine Zeugen an. Er beruft sich auf die höchste Instanz, die <strong>de</strong>nkbar ist. An<strong>de</strong>rs ausgedrückt<br />
könnte man sagen: „Ich beschwöre dich bei Gott und Christus Jesus.“ Ähnliche Worte<br />
hatte er schon in Kapitel 2,14 gebraucht. Dort sollte Timotheus ernstlich bezeugen, keinen<br />
Wortstreit zu führen. Hier geht es darum, dass das Wort gepredigt wer<strong>de</strong>n soll. Damit<br />
schließt <strong>de</strong>r erste Vers dieses Kapitels an die letzten Verse <strong>de</strong>s vorherigen Kapitels an.<br />
Die Aussage macht <strong>de</strong>utlich, welche Beweggrün<strong>de</strong> Paulus hatte, sein Kind Timotheus<br />
so zu beschwören. Paulus wusste, dass er vor Gott und Christus Jesus stand. Das galt für<br />
Timotheus genauso. Die Präposition „vor“ meint „im Angesicht von“ o<strong>de</strong>r „in <strong>de</strong>r Gegenwart<br />
von“. Je<strong>de</strong>r Dienst geschieht unter <strong>de</strong>m wachsamen und prüfen<strong>de</strong>n Auge Gottes.<br />
Paulus spricht von „Gott und Christus Jesus“. Damit ist eine Person gemeint. Es geht um<br />
unseren Herrn. Aber dieser Herr ist Christus Jesus und niemand an<strong>de</strong>res als Gott selbst.<br />
Somit liefern diese letzten Worte von Paulus einen erneuten Hinweis auf die Gottheit <strong>de</strong>s<br />
Herrn Jesus. Er ist in <strong>de</strong>r Tat Gott und Mensch in einer Person. Hier nimmt Paulus ein<strong>de</strong>utig<br />
Bezug auf seine Gottheit. Das soll <strong>de</strong>r Diener nicht vergessen.<br />
Drei Beweggrün<strong>de</strong> für <strong>de</strong>n Dienst<br />
Paulus nennt nun drei Tatsachen, die Timotheus im Dienst nicht vergessen sollte. Sie sind<br />
bis heute für je<strong>de</strong>n Diener wichtige Beweggrün<strong>de</strong>, <strong>de</strong>n Dienst bis zum En<strong>de</strong> in Treue zu<br />
erfüllen. Erstens erinnert Paulus daran, dass <strong>de</strong>r Herr Jesus Leben<strong>de</strong> und Tote richten wird.<br />
Zweitens spricht er von seiner Erscheinung und drittens von seinem Reich. Alle drei Punkte<br />
sind miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n.<br />
a) Christus ist <strong>de</strong>r Richter <strong>de</strong>r Leben<strong>de</strong>n und Toten: Petrus benutzt einen ähnlichen Ausdruck.<br />
Er spricht von Menschen, die einmal <strong>de</strong>m Rechenschaft geben wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r bereit ist,<br />
Leben<strong>de</strong> und Tote zu richten (1. Pet 4,5). Christus ist <strong>de</strong>r Richter. Gott hat Ihm das Gericht<br />
übertragen (Joh 5,27; Apg 17,31). Er beurteilt alles. Das gilt auch für <strong>de</strong>n Verfall innerhalb<br />
<strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses. Er weiß, was echt ist und was unecht ist. Er wird einmal<br />
alles beurteilen und richten. Paulus stellt dieses Gericht hier als etwas vor, das in nicht<br />
weiter Ferne liegt. Es heißt, dass Christus Jesus in Begriff steht o<strong>de</strong>r bereit ist zu richten<br />
(siehe Fußnote ELB).<br />
Paulus spricht von „Leben<strong>de</strong>n und Toten“. Dabei geht es an dieser Stelle nicht um Gläubige<br />
und Ungläubige. Es geht hier nicht darum, ob jemand Leben aus Gott hat o<strong>de</strong>r geistlich tot<br />
ist. Paulus spricht ausschließlich von ungläubigen Menschen. Der Unterschied (Leben<strong>de</strong> und<br />
Tote) ergibt sich dadurch, ob sie zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Gerichts leben o<strong>de</strong>r bereits gestorben<br />
sind. Das jeweilige Gericht über „Leben<strong>de</strong> und Tote“ fin<strong>de</strong>t nicht zur gleichen Zeit statt. Die<br />
Bibel kennt we<strong>de</strong>r eine „allgemeine Auferstehung“ noch ein „allgemeines Gericht“. So wie<br />
die Auferstehung in verschie<strong>de</strong>nen Phasen abläuft, wird das Gericht zu unterschiedlichen<br />
Zeitpunkten ausgesprochen und vollzogen. Aber das ist hier nicht die Kernfrage. Es geht<br />
an dieser Stelle um die Tatsache an sich, dass <strong>de</strong>r Herr Jesus <strong>de</strong>r Richter <strong>de</strong>r ungläubigen<br />
Menschen ist und dass Er bereit ist, dieses Gericht auszuüben.<br />
Christus wird, wenn Er in Macht und Herrlichkeit erscheint, im Gericht kommen. Viele<br />
<strong>de</strong>r dann leben<strong>de</strong>n Menschen wer<strong>de</strong>n durch Kriegsgerichte weggerafft (Off 19,11). An<strong>de</strong>re<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
wer<strong>de</strong>n lebend vor <strong>de</strong>n Richterstuhl gestellt (Mt 25,31–46). Das ist das so genannte „Gericht<br />
<strong>de</strong>r Leben<strong>de</strong>n“ unmittelbar vor <strong>de</strong>r Gründung <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>nsreiches auf dieser Er<strong>de</strong>. Das eine<br />
ist ein Kriegsgericht, während das an<strong>de</strong>re ein Sitzungsgericht ist. Darüber hinaus wird es<br />
im Tausendjährigen Reich selbst ein Gericht über diejenigen geben, die dort sündigen (vgl.<br />
z. B. Ps 101,8). Am En<strong>de</strong> dieses Reiches wer<strong>de</strong>n dann alle Menschen, die unversöhnt in die<br />
Ewigkeit gegangen sind (das sind „die Toten“), am großen weißen Thron erscheinen. Davon<br />
spricht Offenbarung 20,11–15. Dort wer<strong>de</strong>n alle ungläubigen Menschen erscheinen müssen<br />
und gerichtet wer<strong>de</strong>n. Gläubige wer<strong>de</strong>n dort nicht stehen. Die Gläubigen wer<strong>de</strong>n zwar auch<br />
vor <strong>de</strong>n Richterstuhl Gottes gestellt wer<strong>de</strong>n, aber für uns ist es ein Preisrichterstuhl. Für uns<br />
geht es um die Bewertung unseres Lebens und unseres Dienstes für <strong>de</strong>n Herrn. Wir wer<strong>de</strong>n<br />
nicht gerichtet, son<strong>de</strong>rn offenbar. Dieser Unterschied ist wichtig.<br />
Paulus stellt diesen ersten Punkt vor, um <strong>de</strong>utlich zu machen, wie wichtig es ist, das Wort<br />
zu predigen. Wir kennen <strong>de</strong>n Schrecken <strong>de</strong>s Herrn (2. Kor 5,11). Deshalb überre<strong>de</strong>n wir<br />
die Menschen. Wir wissen um das Gericht, das kommen wird. Deshalb machen wir die<br />
Menschen auf <strong>de</strong>n Ernst ihrer Lage aufmerksam und bringen ihnen das Wort.<br />
b) Christus erscheint: Paulus erinnert an die Erscheinung Christi. Wenn das Neue Testament<br />
von <strong>de</strong>r „Erscheinung“ <strong>de</strong>s Herrn Jesus spricht, so steht das an keiner Stelle mit<br />
seinem Kommen für die Seinen zu unserer Entrückung in <strong>de</strong>n Himmel in Verbindung.<br />
Die Erscheinung <strong>de</strong>s Herrn Jesus hat immer mit seinem Offenbarwer<strong>de</strong>n zu tun. In<br />
2. Timotheus 1,10 geht es um sein erstes Kommen in Niedrigkeit auf diese Er<strong>de</strong>. In allen<br />
an<strong>de</strong>ren Stellen (2. Thes 2,8, 1. Tim 6,14, Tit 2,13; 2. Tim 4,8) und hier ist sein Kommen<br />
in Macht und Herrlichkeit auf dieser Er<strong>de</strong> gemeint. Das ist <strong>de</strong>r Augenblick, wo Er erneut<br />
sichtbar auf diese Er<strong>de</strong> kommen wird (bei seinem Kommen für die Gläubigen wird Ihn kein<br />
Ungläubiger sehen). Es geht hier nicht um sein Kommen zur Entrückung, son<strong>de</strong>rn um seine<br />
Erscheinung in Macht. Die Entrückung <strong>de</strong>r Glauben<strong>de</strong>n steht mit Gna<strong>de</strong> in Verbindung. Es<br />
ist ein Akt <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> und Barmherzigkeit, wenn <strong>de</strong>r Herr uns aus <strong>de</strong>n Umstän<strong>de</strong>n dieser<br />
Er<strong>de</strong> heraus zu sich nehmen wird. Seine Erscheinung hingegen steht mit Verantwortung<br />
und mit Lohn in Verbindung. Paulus kommt darauf in Vers 8 zurück. Am (Preis)Richterstuhl<br />
<strong>de</strong>s Christus (2. Kor 5,10) wird <strong>de</strong>r Lohn ausgeteilt, <strong>de</strong>r dann bei <strong>de</strong>r Erscheinung <strong>de</strong>s Herrn<br />
Jesus mit allen seinen Heiligen sichtbar wer<strong>de</strong>n wird (vgl. 1. Pet 5,4).<br />
Die Tatsache, dass es Lohn für unseren Dienst gibt und dieser bei <strong>de</strong>r Erscheinung <strong>de</strong>s<br />
Herrn sichtbar wer<strong>de</strong>n wird, sollte uns im Dienst für Ihn anspornen. Wir dürfen <strong>de</strong>n Lohn<br />
nicht gering schätzen. Er ist zwar nicht die höchste Motivation, die wir haben, <strong>de</strong>nnoch<br />
wird uns <strong>de</strong>r Lohn in Aussicht gestellt, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Herr uns geben wird. Wer <strong>de</strong>n Lohn gering<br />
achtet, achtet letztlich <strong>de</strong>n gering, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Lohn gibt. Das wollen wir nicht vergessen.<br />
c) Christus wird sein Reich auf dieser Er<strong>de</strong> grün<strong>de</strong>n: Es geht um das tausendjährige<br />
Frie<strong>de</strong>nsreich. Es wird unmittelbar nach seiner Erscheinung seinen Anfang nehmen. Dann<br />
wird alles, was gegen Christus ist, weggetan sein. Die bekennen<strong>de</strong> Namenchristenheit<br />
wird Er vorher aus seinem Mund ausgespien haben (Off 3,16). Das Reich steht mit Macht,<br />
aber ebenso mit Herrlichkeit in Verbindung. Christus wird nicht einfach sichtbar wer<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn Er wird in Macht und Herrlichkeit sichtbar wer<strong>de</strong>n. Wir wer<strong>de</strong>n mit Ihm erscheinen<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 113
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
in Herrlichkeit (Kol 3,4). Er wird kommen, „um an jenem Tag verherrlicht zu wer<strong>de</strong>n in<br />
seinen Heiligen und bewun<strong>de</strong>rt zu wer<strong>de</strong>n in allen <strong>de</strong>nen, die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10).<br />
Je<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r jetzt in <strong>de</strong>r Zeit <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> durch <strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>s Evangeliums gerettet wird, wird<br />
einmal dazu beitragen, die Herrlichkeit <strong>de</strong>s Herrn Jesus groß zu machen. Das ist ein weiterer<br />
Grund, das Wort zu predigen und in die Welt hinauszutragen.<br />
Zusammenfassend stellen wir fest, dass es bei <strong>de</strong>n Beweggrün<strong>de</strong>n für <strong>de</strong>n Dienst erstens<br />
um Gericht geht, zweitens um Lohn und drittens um Herrlichkeit. Der Gedanke an diese<br />
drei Punkte soll <strong>de</strong>n Diener anspornen, das zu tun, was Paulus in Vers 2 weiter ausführt,<br />
nämlich das Wort zu predigen.<br />
„Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise<br />
ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (Vers 2).<br />
Predige das Wort<br />
Paulus hat in Vers 1 die Beweggrün<strong>de</strong> vorgestellt. Jetzt kommt <strong>de</strong>r eigentliche Auftrag. Es<br />
geht darum, das Wort zu predigen. Gemeint sind nicht einzelne beson<strong>de</strong>re Wahrheiten,<br />
son<strong>de</strong>rn das komplette Wort Gottes. Mit „Wort“ ist hier die Gesamtheit <strong>de</strong>r offenbarten<br />
Wahrheit Gottes gemeint – die gute Botschaft (das Evangelium) für <strong>de</strong>n Sün<strong>de</strong>r<br />
eingeschlossen. Der Diener predigt das Wort sowohl Ungläubigen als auch Gläubigen.<br />
Dies soll zu allen Zeiten geschehen, egal ob sie uns gelegen o<strong>de</strong>r nicht gelegen erscheinen.<br />
Der Herr hat es nicht an<strong>de</strong>rs getan, als Er auf dieser Er<strong>de</strong> war. Paulus hat es nicht an<strong>de</strong>rs<br />
getan. Timotheus sollte es nicht an<strong>de</strong>rs tun, und wir auch nicht. Es geht nicht um unsere<br />
Worte. Es geht nicht um unsere Botschaft. Es geht um das Wort Gottes. Die Botschaft Gottes<br />
soll verbreitet wer<strong>de</strong>n. Dies geschieht durch die Verkündigung. „Also ist <strong>de</strong>r Glaube aus <strong>de</strong>r<br />
Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (Röm 10,17). Petrus schreibt: „ . . .<br />
die ihr nicht wie<strong>de</strong>rgeboren seid aus verweslichem Samen, son<strong>de</strong>rn aus unverweslichem,<br />
durch das lebendige und bleiben<strong>de</strong> Wort Gottes“ (1. Pet 1,23). Das zeigt uns, wie wichtig es<br />
ist, das Wort zu predigen – und nichts an<strong>de</strong>res.<br />
Paulus gebraucht zunächst zwei Ausdrücke, die bei<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>r Verkündigung zu tun haben.<br />
Er for<strong>de</strong>rt dazu auf, das Wort zu „predigen“ und darauf zu „halten“.<br />
„Predigen“ meint die offizielle Verkündigung (Proklamation) <strong>de</strong>s Wortes. So wur<strong>de</strong> im<br />
Altertum zum Beispiel eine Botschaft <strong>de</strong>s Kaisers o<strong>de</strong>r einer Regierungsstelle in das Reich<br />
hineingetragen und <strong>de</strong>n Untertanen vermittelt. Predigen ist <strong>de</strong>r Auftrag eines Herolds<br />
(Ausrufers). Ein Herold sprach damals nicht für sich selbst. Er brachte die Botschaft eines<br />
an<strong>de</strong>ren. Aber er war sich <strong>de</strong>r Autorität <strong>de</strong>ssen bewusst, für <strong>de</strong>n er eine Botschaft ausrief.<br />
So war es bei Paulus (siehe Vers 17). So sollte es bei je<strong>de</strong>m Diener sein. Wir müssen uns<br />
<strong>de</strong>r Autorität <strong>de</strong>ssen bewusst sein, <strong>de</strong>ssen Botschaft wir bringen. Unsere Botschaft an die<br />
Menschen hat die höchste Autorität und <strong>de</strong>r Bote entsprechen<strong>de</strong> Vollmacht.<br />
Halte darauf<br />
„Halte darauf“ <strong>de</strong>utet die ständige Bereitschaft und die Eindringlichkeit an, das Wort zu<br />
predigen. Der Ausdruck be<strong>de</strong>utet, „je<strong>de</strong> Gelegenheit beim Schopf ergreifen ohne Rücksicht<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 114
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
auf die Vorurteile o<strong>de</strong>r Wünsche an<strong>de</strong>rer, wenn diese in Konflikt mit <strong>de</strong>m stehen, was uns<br />
vom Herrn anvertraut wor<strong>de</strong>n ist“ (V.E. Vine). Die Botschaft Gottes ist für alle Menschen<br />
und zu allen Zeiten das Richtige. Gera<strong>de</strong> in einer Zeit, wo man die gesun<strong>de</strong> Lehre nicht<br />
mehr erträgt und sich <strong>de</strong>m Irrtum hingibt, gilt <strong>de</strong>r Auftrag, das Wort zu predigen – und zwar<br />
das ganze Wort. Wir dürfen nichts weglassen o<strong>de</strong>r einseitig überbetonen. Wir tragen die<br />
Botschaft einerseits zu verlorenen Menschen. Wir verkündigen das Wort an<strong>de</strong>rerseits <strong>de</strong>nen,<br />
die gerettet sind. Unsere Familien sind darin eingeschlossen. Wir haben einen Auftrag, <strong>de</strong>n<br />
wir durchführen müssen.<br />
Zu gelegener und ungelegener Zeit<br />
Paulus macht nicht nur klar, was Timotheus tun sollte, son<strong>de</strong>rn auch, wann er es tun sollte.<br />
Der Auftrag ist so wichtig, dass er zu gelegener und ungelegener Zeit ausgeführt wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Mit an<strong>de</strong>ren Worten: zu je<strong>de</strong>r Zeit. Für Gott ist die Zeit natürlich immer gelegen.<br />
In 2. Korinther 6,2 spricht Paulus davon, dass „jetzt“ die wohlangenehme Zeit ist. Der<br />
Tag <strong>de</strong>s Heils ist jetzt. Ungelegen scheint die Zeit manchmal für uns Menschen zu sein.<br />
Ein Beispiel dazu liefert uns Felix in Apostelgeschichte 24,25. Paulus war seinem Auftrag<br />
nachgekommen. Felix hatte die gelegene Zeit verpasst.<br />
In Vers 3 spricht Paulus erneut von einer „Zeit“. Dort ist die Epoche <strong>de</strong>r letzten Tage <strong>de</strong>s<br />
christlichen Bekenntnisses auf dieser Er<strong>de</strong> gemeint. In Verbindung damit ist es möglich,<br />
dass Paulus bei <strong>de</strong>r „ungelegenen“ Zeit an diese Perio<strong>de</strong> gedacht hat. Die Zeit, in <strong>de</strong>r wir<br />
heute leben, mag uns „ungelegen“ erscheinen. Dennoch bleibt <strong>de</strong>r Auftrag bestehen, das<br />
Wort zu predigen und darauf zu halten.<br />
Überführen, zurechtweisen und ermahnen<br />
Dann wird <strong>de</strong>r Auftrag weiter präzisiert und gezeigt, wie das Wort gepredigt wer<strong>de</strong>n<br />
soll. Timotheus sollte erstens überführen, zweitens ernstlich zurechtweisen und drittens<br />
ermahnen.<br />
• Überführen ist ein Appell an das Gewissen <strong>de</strong>r Zuhörer. Überführen ist überzeugen.<br />
Man könnte alternativ übersetzen: „<strong>de</strong>n Beweis erbringen“. Das Gewissen wird über<br />
das Herz erreicht. Das Mittel dazu ist das Wort Gottes. Eigene menschliche Worte und<br />
Argumente helfen da wenig.<br />
• Zurechtweisen be<strong>de</strong>utet strafen o<strong>de</strong>r korrigieren. In Markus 8,33 ta<strong>de</strong>lte <strong>de</strong>r Herr<br />
seinen Jünger Petrus. Zurechtgewiesen wird jemand, <strong>de</strong>r falsch läuft, sich geirrt hat<br />
o<strong>de</strong>r gar in offener Opposition zu <strong>de</strong>m Wort steht. Je<strong>de</strong>nfalls geht es um Fehlverhalten.<br />
Das Zurechtweisen wird nur dann ein entsprechen<strong>de</strong>s Ergebnis zeigen, wenn es auf<br />
Gottes Wort basiert. Timotheus sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Paulus<br />
sagt ihm ausdrücklich, dass er „ernstlich“ zurechtweisen soll.<br />
• Ermahnen ist hier im Sinn von „ermuntern“, „trösten“, „bitten“ zu verstehen. Darin<br />
liegt <strong>de</strong>r Gedanke, dass <strong>de</strong>r richtige Weg gewiesen wird. Der Sün<strong>de</strong>r wird ermahnt,<br />
sich retten zu lassen und das Heil zu ergreifen (Apg 2,40). Gläubige wer<strong>de</strong>n ermahnt,<br />
mit Herzensentschluss bei <strong>de</strong>m Herrn zu verharren (Apg 11,23).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 115
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Das Überführen, Zurechtweisen und Ermahnen soll mit aller Langmut und Lehre geschehen.<br />
Die Wirkung <strong>de</strong>s Wortes ruft immer die Gegenwirkung <strong>de</strong>s Fleisches hervor. Deshalb<br />
braucht <strong>de</strong>r Diener alle Langmut im Umgang mit <strong>de</strong>n Menschen, zu <strong>de</strong>nen er re<strong>de</strong>t. Alle<br />
Langmut ist erfor<strong>de</strong>rlich, weil wir unter Umstän<strong>de</strong>n mit Menschen zu tun haben, die das<br />
Wort nicht hören und annehmen wollen, o<strong>de</strong>r auch mit solchen, die unwissend sind.<br />
Aber es muss gleichzeitig mit „aller Lehre“ sein. Die Basis muss die gesun<strong>de</strong> Lehre sein,<br />
obwohl es möglich ist, dass diese – wie <strong>de</strong>r nächste Vers uns zeigt – nicht mehr ertragen<br />
wird. Ohne das Fundament <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong>n Lehre können wir Menschen we<strong>de</strong>r überzeugen,<br />
noch können wir sie zurechtweisen o<strong>de</strong>r ermahnen. Die gebrauchte Formulierung lässt<br />
uns allerdings nicht nur an <strong>de</strong>n Inhalt <strong>de</strong>ssen <strong>de</strong>nken, was gelehrt wird, son<strong>de</strong>rn sie betont<br />
beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>n aktiven Vorgang <strong>de</strong>s Belehrens an sich.<br />
„Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesun<strong>de</strong> Lehre nicht ertragen wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn<br />
nach ihren eigenen Begier<strong>de</strong>n sich selbst Lehrer aufhäufen wer<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m es ihnen in<br />
<strong>de</strong>n Ohren kitzelt“ (Vers 3).<br />
Eine ernste Zeit<br />
Jetzt spricht Paulus über das Umfeld, in <strong>de</strong>m dieser Auftrag auszuführen ist. „Es wird eine<br />
Zeit sein.“ Paulus spricht in <strong>de</strong>r Zukunftsform. Er sah diese Zeit kommen. Sie <strong>de</strong>utete sich<br />
zu seinen Lebzeiten bereits an. Heute ist diese Zeit längst gekommen. Wir leben mitten<br />
darin. „Denn“ gibt die Begründung für <strong>de</strong>n Appell in Vers 2. Eine weitere Begründung folgt<br />
in Vers 6, wo Paulus darauf hinweist, dass er diese Er<strong>de</strong> bald verlassen wür<strong>de</strong>.<br />
Paulus spricht erneut über das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r christlichen Haushaltung. Der schlechte und<br />
erschrecken<strong>de</strong> Zustand innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses muss Motivation zum<br />
Dienst auf <strong>de</strong>m Fundament <strong>de</strong>r gesun<strong>de</strong>n Lehre sein. Die falschen Lehrer kommen in die<br />
Häuser. Sie schrecken vor nichts zurück. Sie ergreifen ihrerseits die Initiative. Davor wer<strong>de</strong>n<br />
wir an verschie<strong>de</strong>nen Stellen im Neuen Testament gewarnt.<br />
„Sie“ sind wie<strong>de</strong>r die Menschen, die eine Form <strong>de</strong>r Gottseligkeit haben, <strong>de</strong>ren Kraft aber<br />
verleugnen. Es geht nicht um Hei<strong>de</strong>n, die die Wahrheit nie kannten, son<strong>de</strong>rn um Menschen,<br />
die sich als Christen bezeichnen. Sie wollen die gesun<strong>de</strong> christliche Lehre nicht ertragen.<br />
Aber nicht nur das. Sie wollen nicht nur das Gute nicht hören und akzeptieren, son<strong>de</strong>rn sie<br />
wen<strong>de</strong>n sich ganz bewusst <strong>de</strong>m Irrtum zu. Lehre ist hier nicht <strong>de</strong>r Vorgang <strong>de</strong>s Belehrens,<br />
son<strong>de</strong>rn das, was gelehrt wird. Gemeint ist <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>r Lehre, nicht so sehr die Art<br />
und Weise <strong>de</strong>s Belehrens. Diese Lehre ist „gesund“. Sie ist nicht nur in sich selbst gesund,<br />
son<strong>de</strong>rn sie ist gleichzeitig hilfreich, sie macht gesund.<br />
Das Evangelium ist diesen Menschen also durchaus nicht unbekannt. Sie kennen die Bibel.<br />
Sie wissen um die christliche Wahrheit. Aber sie wollen sie nicht hören und sie können sie<br />
nicht ertragen, weil sie nicht bereit sind, ihr zu folgen. „Ertragen“ be<strong>de</strong>utet, sich in Bezug<br />
auf eine bestimmte Sache aufrecht, gera<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r fest zu verhalten. „Nicht ertragen“ meint<br />
dann im Gegensatz dazu, dass sich jemand weigert, sich <strong>de</strong>r Wahrheit entsprechend zu<br />
verhalten.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Weil das so ist, wählen sie sich selbst Lehrer, die nicht die Lehre <strong>de</strong>r Bibel bringen, son<strong>de</strong>rn<br />
etwas an<strong>de</strong>res. Es han<strong>de</strong>lt sich nicht nur um einige wenige Lehrer, son<strong>de</strong>rn sie häufen sie<br />
auf. Das geschieht nach ihren eigenen Begier<strong>de</strong>n. Sie möchten gerne das hören, was ihnen<br />
angenehm ist. Das Wort Gottes, das lebendig ist und wie ein Schwert wirkt, in<strong>de</strong>m es das<br />
Gewissen anspricht, legen sie beiseite. Wie in Kapitel 3,6 geht es hier nicht so sehr um<br />
fleischliche Begier<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn um geistliche Begier<strong>de</strong>n. Judas hat dieselben Menschen<br />
im Blick, wenn er schreibt: „Diese sind Murren<strong>de</strong>, mit ihrem Los Unzufrie<strong>de</strong>ne, die nach<br />
ihren Begier<strong>de</strong>n wan<strong>de</strong>ln; und ihr Mund re<strong>de</strong>t stolze Worte, und um <strong>de</strong>s Vorteils willen<br />
bewun<strong>de</strong>rn sie Personen“ (Jud 16). Das Ergebnis kann nur Durcheinan<strong>de</strong>r sein. Wenn ein<br />
Blin<strong>de</strong>r einen Blin<strong>de</strong>n führt, fallen bei<strong>de</strong> in die Grube (Mt 15,14).<br />
„Und sie wer<strong>de</strong>n die Ohren von <strong>de</strong>r Wahrheit abkehren, sich aber zu <strong>de</strong>n Fabeln<br />
hinwen<strong>de</strong>n“ (Vers 4).<br />
Die Ohren von <strong>de</strong>r Wahrheit abkehren<br />
Mit <strong>de</strong>n Ohren nimmt <strong>de</strong>r Mensch die Wahrheit auf, damit sie ins Herz fällt und<br />
das Gewissen erreicht. Damit dieser Prozess erst gar nicht beginnt, wen<strong>de</strong>n die hier<br />
beschriebenen Menschen ihre Ohren von <strong>de</strong>r Wahrheit ab. Die „Wahrheit“ ist die Wahrheit<br />
Gottes, also wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Inhalt <strong>de</strong>r christlichen Predigt. Es ist die gesun<strong>de</strong> Lehre. Die gesun<strong>de</strong><br />
Lehre fußt immer auf <strong>de</strong>r Wahrheit, d. h. auf <strong>de</strong>r Gesamtheit <strong>de</strong>r offenbarten Gedanken<br />
Gottes. Daran müssen wir festhalten. Wer sich von <strong>de</strong>r Wahrheit abkehrt, braucht Ersatz.<br />
Einen solchen Ersatz fin<strong>de</strong>n diese Menschen in Fabeln o<strong>de</strong>r – wie man auch übersetzen<br />
kann – Mythen. Damals waren das sehr wahrscheinlich Fabeln, die sowohl in <strong>de</strong>r jüdischen<br />
als auch in <strong>de</strong>r griechischen Gedankenwelt ihren Ursprung hatten. Eine Fabel ist eine<br />
Fiktion (ein selbst erdachtes Gedankengebil<strong>de</strong>) und steht im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Tatsachen,<br />
auf <strong>de</strong>nen Gottes Wort basiert. Die christliche Wahrheit grün<strong>de</strong>t sich nicht auf irgen<strong>de</strong>in<br />
gedankliches Gebäu<strong>de</strong>. Sie grün<strong>de</strong>t sich auf die geschichtlichen Tatsachen, dass Christus<br />
gestorben ist, dass Er begraben wur<strong>de</strong> und danach siegreich auferstan<strong>de</strong>n ist (1. Kor 15,1–4).<br />
Zu <strong>de</strong>n Fabeln hingewandt wer<strong>de</strong>n<br />
Das Abkehren <strong>de</strong>r Ohren von <strong>de</strong>r Wahrheit ist ein aktiver Prozess. Damit wird erstens ein<br />
ganz bewusster Prozess beschrieben. Zweitens ist es aber auch ein dauerhafter Prozess. Man<br />
will bewusst und dauerhaft mit <strong>de</strong>r Wahrheit nichts zu tun haben. Das „sich Hinwen<strong>de</strong>n“<br />
zu <strong>de</strong>n Fabeln hingegen ist ein passiver Prozess. Die Fußnote <strong>de</strong>r ElbU gibt dazu eine<br />
entsprechen<strong>de</strong> Erklärung. Eigentlich muss es heißen: „hingewandt wer<strong>de</strong>n“. Menschen<br />
wer<strong>de</strong>n also dort hingewandt. Es han<strong>de</strong>lt sich um eine von außen kommen<strong>de</strong> Kraft, <strong>de</strong>r sie<br />
sich aussetzen. Wer sich willentlich von <strong>de</strong>r Wahrheit abwen<strong>de</strong>t, muss sich nicht wun<strong>de</strong>rn,<br />
wenn ein an<strong>de</strong>rer ihn führt. Das ist in letzter Konsequenz niemand an<strong>de</strong>res als Satan. Wer<br />
sich von <strong>de</strong>r Wahrheit abkehrt, wird letztlich ein willenloses Werkzeug <strong>de</strong>s Teufels.<br />
„Du aber sei nüchtern in allem, lei<strong>de</strong> Trübsal, tu das Werk eines Evangelisten, vollführe<br />
<strong>de</strong>inen Dienst“ (Vers 5).<br />
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Eine vierfache Auffor<strong>de</strong>rung<br />
Zum dritten Mal spricht Paulus Timotheus mit <strong>de</strong>n Worten „du aber“ an. Er meint damit:<br />
„Was aber dich betrifft“. Der Gegensatz ist auffallend. In Kapitel 3,10 ging es darum, dass<br />
Timotheus etwas erkannt hatte. In Kapitel 3,14 sollte Timotheus bei (o<strong>de</strong>r in) etwas bleiben.<br />
Jetzt geht es um <strong>de</strong>n Dienst. Wir wer<strong>de</strong>n an das Beispiel Esras erinnert, von <strong>de</strong>m wir in<br />
Esra 7,10 ebenfalls drei Dinge lesen: Er hatte sich vorgenommen, das Gesetz <strong>de</strong>s Herrn zu<br />
erforschen. Das steht mit Erkenntnis in Verbindung. Esra wollte das Gesetz auch tun. Das<br />
steht mit <strong>de</strong>m Bleiben in Verbindung. Er wollte in Israel Satzung und Recht lehren. Das<br />
steht mit <strong>de</strong>m Predigtdienst in Verbindung, zu <strong>de</strong>m Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt wird.<br />
Paulus macht jetzt klar, was die Aufgabe eines Dieners in einer <strong>de</strong>rartigen Situation ist.<br />
Es nennt vier Stücke. Damit richtet er einen finalen Appell an Timotheus. Es ist die letzte<br />
unmittelbare Auffor<strong>de</strong>rung zum Dienst in diesem letzen Brief.<br />
• a) Sei nüchtern: Nüchtern zu sein be<strong>de</strong>utet wachsam zu sein. Wer nüchtern ist, setzt<br />
sich we<strong>de</strong>r falschen noch berauschen<strong>de</strong>n Einflüssen aus, die ihm scha<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ihn<br />
gar vergiften könnten. Wer nüchtern ist, ist geistlich hellwach. Er hält sich lehrmäßig<br />
unter Kontrolle. Diese Haltung ist für je<strong>de</strong>n Diener <strong>de</strong>s Herrn unerlässlich. H. Smith<br />
schreibt: „Er hat sich sein Urteil anhand <strong>de</strong>r Wahrheit gebil<strong>de</strong>t und gestattet seiner<br />
Gesinnung nicht, durch das Böse und die Fabeln <strong>de</strong>r bekennen<strong>de</strong>n Masse beeinflusst<br />
zu wer<strong>de</strong>n.“ 1<br />
• b) Lei<strong>de</strong> Trübsal: Timotheus sollte die Bereitschaft dazu haben, in seinem Dienst<br />
Schwierigkeiten und Nöte zu akzeptieren. Darüber hatte Paulus vorher schon<br />
geschrieben (Kap 1,8 und 2,3). Auch wir müssen damit rechnen, dass wir von<br />
Menschen, die sich Christen nennen, angegriffen wer<strong>de</strong>n, wenn wir uns konsequent<br />
zur Wahrheit stellen. Es geht dabei nicht nur um körperliche Lei<strong>de</strong>n (Paulus hatte<br />
diese reichlich erfahren), son<strong>de</strong>rn auch um geistige und seelische Lei<strong>de</strong>n. Wer als<br />
Christ konsequent lebt, provoziert die große Masse, die das nicht einfach hinnimmt.<br />
• c) Tu das Werk eines Evangelisten: Ein Evangelist ist jemand, <strong>de</strong>r das Evangelium<br />
(die gute Botschaft) weitersagt. Das Neue Testament spricht oft vom Evangelium,<br />
aber relativ selten von Evangelisten. Philippus ist <strong>de</strong>r Einzige, <strong>de</strong>r namentlich so<br />
genannt wird (Apg 21,8). In Epheser 4,11 macht Paulus klar, dass Evangelisten eine<br />
Gabe <strong>de</strong>s verherrlichten Herrn an die Versammlung sind. Diese Gabe haben nicht<br />
alle. Wir zweifeln nicht daran, dass Timotheus sie besaß. Das erkennen wir aus <strong>de</strong>n<br />
verschie<strong>de</strong>nen Berichten über ihn und ebenfalls aus <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Briefen, die an ihn<br />
gerichtet sind. Diese Gna<strong>de</strong>ngabe sollte er anfachen (Kap 1,6). In unserem Vers geht es<br />
allerdings nicht primär um die spezielle Gabe <strong>de</strong>s Evangelisten. Es geht um das Werk<br />
eines Evangelisten. Vor <strong>de</strong>m Wort Evangelist steht im Grundtext kein Artikel. Deshalb<br />
ist die Be<strong>de</strong>utung: „Verrichte <strong>de</strong>ine Arbeit in einer evangelistischen Art und Weise.“<br />
Diese Auffor<strong>de</strong>rung hat bis heute nichts an Aktualität verloren. Sie gilt je<strong>de</strong>m von<br />
1 siehe http://www.bibelkommentare.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.php?page=comment&comment_id=342&part_id=2932<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 118
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
uns. Wir sollen – auch ohne die spezielle Gabe eines Evangelisten – Zeugen unseres<br />
Herrn sein und wie Himmelslichter in dieser Welt scheinen. Das tun wir, in<strong>de</strong>m wir<br />
das Wort <strong>de</strong>s Lebens (das ist <strong>de</strong>r Herr Jesus selbst) darstellen (Phil 2, 15.16).<br />
• d) Vollführe <strong>de</strong>inen Dienst: Timotheus hatte einen klaren Auftrag, <strong>de</strong>n er bis zum En<strong>de</strong><br />
ausführen sollte. We<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verfall innerhalb <strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses noch<br />
das kurz bevorstehen<strong>de</strong> Sterben von Paulus sollten ihn davon abhalten. Bis heute<br />
möchte <strong>de</strong>r Herr, dass sein Werk nicht halb, son<strong>de</strong>rn ganz getan wird. Je<strong>de</strong>r Diener<br />
soll sich bemühen, seine Aufgabe vollständig zu erfüllen. Die Kolosser wer<strong>de</strong>n darauf<br />
hingewiesen, ihrem Bru<strong>de</strong>r Archippus zu sagen: „Sieh auf <strong>de</strong>n Dienst, <strong>de</strong>n du im<br />
Herrn empfangen hast, dass du ihn erfüllst“ (Kol 4,17). Die Gefahr besteht immer,<br />
dass wir unseren Dienst nur halb tun o<strong>de</strong>r dass an<strong>de</strong>re Dinge in unserem Leben eine<br />
höhere Priorität haben. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass wir mehr auf <strong>de</strong>n Dienst<br />
an<strong>de</strong>rer sehen als auf unseren eigenen Dienst. Bei<strong>de</strong>s soll vermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n.<br />
„Denn ich wer<strong>de</strong> schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abschei<strong>de</strong>ns ist<br />
gekommen“ (Vers 6).<br />
Die Zeit <strong>de</strong>s Abschei<strong>de</strong>ns<br />
Mit diesem Vers beginnt <strong>de</strong>r zweite Teil <strong>de</strong>s Kapitels. Paulus spricht jetzt noch einmal von<br />
sich selbst. In Vers 5 hatte er von <strong>de</strong>m gesprochen, was Timotheus betraf und gesagt: „du<br />
aber“. Jetzt spricht er von <strong>de</strong>m, was ihn selbst betraf und sagt: „<strong>de</strong>nn ich“. Er hält eine kurze<br />
Rückschau auf sein eigenes Leben und auf seinen Dienst. Er tut das, um seinem jüngeren<br />
Bru<strong>de</strong>r Timotheus Mut zu machen. Gleichzeitig sieht er nach vorn.<br />
Paulus war sich bewusst, dass das En<strong>de</strong> seines Lebens und seines Dienstes gekommen war.<br />
In Philipper 3,10 hatte er schon während seiner ersten Gefangenschaft in Rom <strong>de</strong>n Wunsch<br />
geäußert, zu seinem Herrn zu gehen. Er wollte Christus „erkennen und die Kraft seiner<br />
Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Lei<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m ich seinem Tod gleichgestaltet<br />
wer<strong>de</strong>“. Dieser Zeitpunkt schien nun gekommen zu sein.<br />
Paulus benutzt das Wort „abschei<strong>de</strong>n“. Es be<strong>de</strong>utet „Aufbruch“, „Befreiung“ o<strong>de</strong>r „Lösen<br />
von einer Verbindung“. Das Wort wur<strong>de</strong> zum Beispiel benutzt, um das Lösen <strong>de</strong>s Schiffes<br />
von einem Anker zu beschreiben. Auch wenn ein Reisen<strong>de</strong>r sein Zelt an einem bestimmten<br />
Ort abbrach, um woan<strong>de</strong>rs hinzugehen, wur<strong>de</strong> dieses Wort gebraucht. Für Paulus war es<br />
in <strong>de</strong>r Tat eine Befreiung, diese Er<strong>de</strong> zu verlassen, um bei Christus zu sein. Für Timotheus<br />
be<strong>de</strong>utete das einerseits Trauer. An<strong>de</strong>rerseits lag ein Ansporn für ihn darin. Deshalb beginnt<br />
<strong>de</strong>r Satz mit <strong>de</strong>m Wort „<strong>de</strong>nn“. Darin liegt die Begründung für die Aussage von Vers 5.<br />
Wenn treue Diener <strong>de</strong>s Herrn diese Er<strong>de</strong> verlassen, kann das für an<strong>de</strong>re nur Ansporn und<br />
Motivation sein, in ihre Fußspuren zu treten und Dienste zu übernehmen. Dafür gibt es<br />
genügend Beispiele.<br />
Ein geistliches Trankopfer<br />
Paulus spricht jetzt von einem Trankopfer. Er selbst wur<strong>de</strong> als ein Trankopfer gesprengt.<br />
Trankopfer gab es sowohl im griechischen Opferkult als auch im jüdischen Opferdienst. Es<br />
ist anzunehmen, dass Paulus sich hier auf die Vorschriften <strong>de</strong>s Alten Testamentes bezieht<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 119
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
(z. B. 2. Mo 29,40.41; 4. Mo 15,1–10). Das Trankopfer (eine bestimmte Menge Wein) wur<strong>de</strong><br />
über ein an<strong>de</strong>res Opfer gegossen und erhöhte dadurch <strong>de</strong>n Wert <strong>de</strong>s Hauptopfers. Paulus<br />
sagt hier nicht direkt, welches Opfer er meint. In Philipper 2,17 ist das an<strong>de</strong>rs. Dort spricht<br />
er davon, dass er als Trankopfer über das Opfer und <strong>de</strong>n Dienst <strong>de</strong>r Philipper gesprengt<br />
wur<strong>de</strong>. Außer<strong>de</strong>m spricht Paulus dort in <strong>de</strong>r Möglichkeitsform. In unserem Vers bleibt offen,<br />
welches Opfer Paulus meint. Einige Ausleger beziehen das Opfer auf das Werk <strong>de</strong>s Herrn<br />
Jesus. Der Anteil von Paulus an diesem Werk (das Trankopfer) wäre dann die Predigt <strong>de</strong>s<br />
Evangeliums. Die bevorzugte Erklärung ist vermutlich die, die Aussage auf Paulus selbst<br />
zu beziehen – beson<strong>de</strong>rs dann, wenn man an <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Vers <strong>de</strong>nkt. Paulus hatte sein<br />
ganzes Leben <strong>de</strong>m Herrn als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer<br />
dargestellt (Röm 12,1). Nun war das En<strong>de</strong> gekommen. So wie <strong>de</strong>r Wein als Letztes über das<br />
Opfer gegossen wur<strong>de</strong>, wür<strong>de</strong> sein Tod die „Vollendung“ seiner Laufbahn auf dieser Er<strong>de</strong><br />
sein. Wir erkennen, mit welch einer Hingabe sich dieser große Gottesmann bis zum letzten<br />
Atemzug für seinen Herrn einsetzte.<br />
Der Apostel Petrus spricht in seinem letzten Brief ebenfalls von seinem En<strong>de</strong>. Doch er tut<br />
es in einer ganz an<strong>de</strong>ren Weise als Paulus. Er spricht in 2. Petrus 1,14 von <strong>de</strong>m „Ablegen<br />
seiner Hütte“. Wir erkennen, wie Gott seine Diener ganz unterschiedliche Wege führt. Den<br />
einen auf diese Weise, <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren auf jene Weise.<br />
„Ich habe <strong>de</strong>n guten Kampf gekämpft, ich habe <strong>de</strong>n Lauf vollen<strong>de</strong>t, ich habe <strong>de</strong>n Glauben<br />
bewahrt“ (Vers 7).<br />
Ein Rückblick<br />
Paulus selbst wür<strong>de</strong> nun bald nicht mehr da sein. Sein unmittelbarer Dienst wür<strong>de</strong> zu einem<br />
En<strong>de</strong> kommen. Was bleibt, ist das Beispiel seines Lebens, das er in drei kurzen Punkten<br />
vorstellt. Dabei liegt die Betonung nicht so sehr darauf, dass er – Paulus – das getan hatte,<br />
son<strong>de</strong>rn es geht vielmehr um das, was er getan hatte. Er spricht von seinem Kampf, von<br />
seinem Lauf und von seinem Glauben. Der Kampf hat beson<strong>de</strong>rs mit <strong>de</strong>m Dienst zu tun, <strong>de</strong>r<br />
Lauf mit <strong>de</strong>m Leben und <strong>de</strong>r Glaube mit <strong>de</strong>r Wahrheit.<br />
Den guten Kampf gekämpft<br />
Wir können hier sowohl an einen Waffenkampf als auch an einen sportlichen Wettkampf<br />
<strong>de</strong>nken. Das griechische Wort wur<strong>de</strong> für bei<strong>de</strong>s gebraucht. Das ganze Leben <strong>de</strong>s Apostels<br />
war ein Kampf und ein Konflikt gewesen – von Anfang bis zu En<strong>de</strong>. Immer wie<strong>de</strong>r hatte es<br />
Wi<strong>de</strong>rstand gegeben. Paulus hatte nicht irgen<strong>de</strong>inen Kampf gekämpft, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n guten<br />
Kampf. Er wusste, dass dieser Kampf nicht vergeblich gewesen war. Er hatte sich in je<strong>de</strong>m<br />
Fall gelohnt. Es war ein Kampf gegen das Böse. Es war ein Kampf im Evangelium. Es war<br />
ein Kampf für die Wahrheit. Es war ein Kampf für die Ehre Gottes. In diesem Kampf hatte<br />
er seine ganze Energie eingesetzt und verbraucht.<br />
Jetzt stehen an<strong>de</strong>re in diesem Kampf, und die Frage geht an uns, ob wir bereit sind, uns in<br />
diesem christlichen Kampf zu engagieren. Dabei geht es einerseits um Verteidigung und<br />
an<strong>de</strong>rerseits um Angriff. Wenn die Wahrheit attackiert wird, müssen wir bereitstehen, sie zu<br />
verteidigen. An<strong>de</strong>rerseits gilt es immer noch, im Evangelium zu kämpfen, damit Menschen<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
aus <strong>de</strong>r Gewalt Satans befreit wer<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Herrn Jesus als ihren Herrn und Heiland<br />
annehmen.<br />
Den Lauf vollen<strong>de</strong>t<br />
Hier geht es um das Bild eines Sportlers, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Rennbahn läuft. Paulus gebraucht dieses<br />
Bild in seinen Briefen mehrfach, um jeweils beson<strong>de</strong>re Seiten <strong>de</strong>r Wahrheit zu vermitteln. In<br />
Philipper 3 spricht er davon, dass er alles vergessen wollte, was hinter ihm lag. Er streckte<br />
sich, das Ziel anschauend, nach <strong>de</strong>m aus, was vor ihm lag (Phil 3,13.14). Ähnlich drückt er<br />
es <strong>de</strong>n Ältesten von Ephesus gegenüber aus: „Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein<br />
Leben als teuer für mich selbst, damit ich meinen Lauf vollen<strong>de</strong> und <strong>de</strong>n Dienst, <strong>de</strong>n ich<br />
von <strong>de</strong>m Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes“<br />
(Apg 20,24). Dieses Lebensziel hatte er nun fast erreicht. Der Lauf war vollen<strong>de</strong>t, d. h. zum<br />
Abschluss gebracht.<br />
Wir fragen uns, wofür wir laufen? Haben wir – wie Paulus – das Ziel fest vor Augen?<br />
Im Alten Testament musste Gott seinem Volk einmal vorwerfen, dass sein Haus wüst lag,<br />
während im Volk je<strong>de</strong>r für sein eigenes Haus lief (Hag 1,9). Es gibt auf dieser Er<strong>de</strong> viele<br />
Dinge, für die wir uns engagieren können. Letztlich ist es eine Frage <strong>de</strong>r Prioritäten. Wollen<br />
wir wirklich <strong>de</strong>n christlichen Lauf vollen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Dienst erfüllen, <strong>de</strong>n wir vom Herrn<br />
empfangen haben? Es lohnt sich.<br />
Den Glauben bewahrt<br />
Den Glauben bewahrt zu haben be<strong>de</strong>utet an dieser Stelle nicht nur, dass Paulus fest im<br />
Glauben stand. Das tat er ohne Frage. Es be<strong>de</strong>utet vielmehr, dass Paulus das anvertraute<br />
christliche Glaubensgut bewahrt und weitergegeben hat. Er tat es in Lehre und Praxis.<br />
Vor <strong>de</strong>m Wort „Glaube“ steht im Grundtext ein Artikel. Es geht also nicht so sehr um <strong>de</strong>n<br />
Vorgang <strong>de</strong>s Glaubens o<strong>de</strong>r das Glaubensvertrauen, son<strong>de</strong>rn vielmehr um das, was geglaubt<br />
wird. Das ist das christliche Glaubensgut (die Glaubenswahrheit). Dieses Glaubensgut<br />
wur<strong>de</strong> damals bereits massiv angegriffen. Etliche waren vom Glauben abgeirrt (1. Tim 6,21).<br />
An<strong>de</strong>re wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Wahrheit (2. Tim 3,8).<br />
Wie viel mehr gilt dies als Herausfor<strong>de</strong>rung für uns. Wir dürfen dieses Glaubensgut nicht<br />
aufgeben, son<strong>de</strong>rn wir bewahren es. Bewahren be<strong>de</strong>utet erstens, dass wir es kennen,<br />
schätzen und praktisch in unserem Leben verwirklichen. Bewahren be<strong>de</strong>utet zweitens,<br />
dass wir es an<strong>de</strong>ren weitergeben. Bewahren be<strong>de</strong>utet drittens, dass wir bereit sind, für <strong>de</strong>n<br />
einmal <strong>de</strong>n Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen (Jud 3). Das Glaubensgut ist mehr<br />
als die gute Botschaft für verlorene Menschen. „Es hat seinen Mittelpunkt in Christus und<br />
umfasst die Herrlichkeiten seiner Person und die Größe seines Werkes. Es umfasst die ganze<br />
Wahrheit <strong>de</strong>s Christentums“ (H. Smith) 2 .<br />
Der Rückblick auf das Leben und <strong>de</strong>n Dienst von Paulus sollte für Timotheus ein Ansporn<br />
sein. Für uns ist das nicht an<strong>de</strong>rs. Wir sehen zurück auf das Leben und <strong>de</strong>n Dienst von<br />
Brü<strong>de</strong>rn und Schwestern, die ihrem Herrn mit vollem Einsatz zur Verfügung gestan<strong>de</strong>n<br />
haben. Den „Ausgang ihres Wan<strong>de</strong>ls“ anschauend, ahmen wir ihren Glauben nach (Heb 13,7).<br />
2 siehe http://www.bibelkommentare.<strong>de</strong>/in<strong>de</strong>x.php?page=comment&comment_id=342&part_id=2932<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Aber mehr noch, wir sehen hin auf „Jesus, <strong>de</strong>n Anfänger und Vollen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Glaubens, <strong>de</strong>r,<br />
die Schan<strong>de</strong> nicht achtend, für die vor ihm liegen<strong>de</strong> Freu<strong>de</strong> das Kreuz erdul<strong>de</strong>te“ (Heb 12,2).<br />
„Fortan liegt mir bereit die Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit, die <strong>de</strong>r Herr, <strong>de</strong>r gerechte Richter,<br />
mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag; nicht allein aber mir, son<strong>de</strong>rn auch allen,<br />
die seine Erscheinung lieben“ (Vers 8).<br />
Die Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit<br />
Jetzt lenkt Paulus seinen Blick nach vorn. Er hatte sich in seinem Leben im Dienst für<br />
seinen Herrn engagiert. Sein Leben war von Christus ausgefüllt gewesen. Deshalb sah<br />
er <strong>de</strong>r Zukunft völlig ruhig entgegen. Er wusste, was ihn erwartete, nämlich die Krone<br />
<strong>de</strong>r Gerechtigkeit. Paulus spricht hier nicht direkt von <strong>de</strong>r Herrlichkeit <strong>de</strong>s Himmels o<strong>de</strong>r<br />
davon, bei Christus zu sein. Es geht ja um seinen Dienst und darum, Timotheus zum<br />
Dienst zu motivieren. Deshalb spricht er von <strong>de</strong>r Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit – also von Lohn<br />
und Vergeltung. Paulus hatte, wie er in Kapitel 2,22 gesagt hatte, nach <strong>de</strong>r praktischen<br />
Gerechtigkeit gestrebt. Er war <strong>de</strong>n Unterweisungen <strong>de</strong>r Gerechtigkeit gefolgt (Kap 3,16).<br />
Jetzt wartet er auf die Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit. Er wusste, dass sie ihm sicher war.<br />
Wer jetzt in dieser Zeit die Verwerfung <strong>de</strong>s Herrn teilt, seine Rechte aufrechterhält und<br />
Ihm dient, wird einmal die Herrlichkeit mit Ihm teilen und die Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit<br />
tragen. „Krone“ be<strong>de</strong>utet hier nicht ein Dia<strong>de</strong>m, son<strong>de</strong>rn es geht um einen Siegeskranz.<br />
Paulus gebraucht ein Bild, das Timotheus gut verstand. Ein Siegeskranz war damals eine<br />
Girlan<strong>de</strong> von Eichen- o<strong>de</strong>r Lorbeerblättern. Auf dieser Er<strong>de</strong> war das eine vergängliche<br />
Ehrenerweisung für siegreiche Kämpfer. Die himmlische Krone hingegen ist unvergänglich<br />
(1. Kor 9,25).<br />
An jenem Tag<br />
Diese Krone <strong>de</strong>r Gerechtigkeit lag für Paulus bereit. Das heißt nicht, dass er sie bereits<br />
hatte o<strong>de</strong>r dass er sie unmittelbar nach seinem Abschei<strong>de</strong>n bekommen wür<strong>de</strong>. Aber sie war<br />
ihm sicher. Einmal wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Augenblick kommen, wo ihm diese Krone zur Vergeltung<br />
gegeben wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>. Wann wür<strong>de</strong> das sein? Paulus sagt: „an jenem Tag“. Was ist das<br />
für ein Tag? Es ist nicht ein 24-Stun<strong>de</strong>n-Tag, son<strong>de</strong>rn ein Hinweis auf <strong>de</strong>n Richterstuhl<br />
<strong>de</strong>s Christus und das darauf folgen<strong>de</strong> Reich. Der Lohn für alle Arbeit wird am Richterstuhl<br />
<strong>de</strong>s Christus ausgeteilt und im Reich sichtbar wer<strong>de</strong>n. Dann hört <strong>de</strong>r treue Diener die<br />
Worte seines Herrn: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über<br />
vieles wer<strong>de</strong> ich dich setzen; geh ein in die Freu<strong>de</strong> <strong>de</strong>ines Herrn“ (Mt 25,21). Auch Petrus<br />
verbin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Lohn (die Krone) mit <strong>de</strong>m Offenbarwer<strong>de</strong>n im Reich. Er schreibt: „Und wenn<br />
<strong>de</strong>r Erzhirte offenbar gewor<strong>de</strong>n ist, so wer<strong>de</strong>t ihr die unverwelkliche Krone <strong>de</strong>r Herrlichkeit<br />
empfangen“ (1. Pet 5,4). Natürlich ist die Gegenwart <strong>de</strong>s Herrn selbst mehr als die Krone.<br />
An an<strong>de</strong>rer Stelle spricht Paulus davon, dass er Lust hatte, abzuschei<strong>de</strong>n, um bei Christus zu<br />
sein (Phil 1,23). Dennoch spricht er hier in Verbindung mit <strong>de</strong>m Dienst von <strong>de</strong>r Belohnung.<br />
Wir erinnern uns noch einmal daran, dass wir die Belohnung nicht gering achten dürfen,<br />
weil <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Lohn gering schätzt, auch <strong>de</strong>n gering schätzt, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Lohn gibt.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Schon in Kapitel 1,12 hatte Paulus von „jenem Tag“ gesprochen. Dort ging es darum, dass<br />
<strong>de</strong>r Herr mächtig ist, das zu bewahren, was <strong>de</strong>r treue Diener hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> für Ihn<br />
erarbeitet hat. Hier sehen wir, dass <strong>de</strong>r Herr es nicht nur bewahren wird, son<strong>de</strong>rn dass Er<br />
an jenem Tag auch für Vergeltung (Lohn) sorgen wird. Alles das, was hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> aus<br />
Liebe zum Herrn und in Treue getan wird, fin<strong>de</strong>t dann seinen gerechten Lohn. Dabei wer<strong>de</strong>n<br />
nicht die Größe <strong>de</strong>r Aufgabe und die auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> sichtbaren Ergebnisse das Kriterium für<br />
<strong>de</strong>n Lohn sein. Als Kriterium nennt Paulus hier, dass wir seine Erscheinung lieben.<br />
Ein gerechter Richter<br />
Die Menschen, in <strong>de</strong>ren Hän<strong>de</strong> Paulus sich befand, hatten für ihn nur ein dunkles Gefängnis<br />
und <strong>de</strong>n Tod. Das war alles an<strong>de</strong>re als gerecht. Aber er fühlte sich nicht in <strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>r<br />
Menschen, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Hand seines Gottes (1. Kor 4,3–5). Er wollte alles <strong>de</strong>r Beurteilung<br />
<strong>de</strong>s himmlischen Richters überlassen. Das Urteil von Menschen – beson<strong>de</strong>rs von Brü<strong>de</strong>rn –<br />
ist ganz sicher nicht ohne Belang. Wir sollten es nicht leichtfertig an die Seite schieben.<br />
Eigenwilliger und unabhängiger Dienst ist nicht nach <strong>de</strong>n Gedanken <strong>de</strong>s Herrn. Letztlich<br />
geht es allerdings darum, wie <strong>de</strong>r Herr die Dinge in unserem Leben beurteilt. Unser<br />
menschliches Urteil ist oft einseitig. Es ist kleinlich. Es ist von persönlichen Faktoren<br />
beeinflusst. Es ist egoistisch. Das alles gilt für das Urteil <strong>de</strong>s Herrn nicht.<br />
Paulus spricht von <strong>de</strong>m gerechten Richter. Es gibt nur einen gerechten Richter, <strong>de</strong>r sich von<br />
nichts und niemand beeinflussen lässt. Sein Gericht ist absolut gerecht und unbestechlich.<br />
Alle seine Gerichte sind wahrhaftig und gerecht (Off 19,2). Bei <strong>de</strong>m Richter <strong>de</strong>nken wir hier<br />
nicht so sehr an einen Richter auf <strong>de</strong>m Richterstuhl wie in Vers 1. Es geht vielmehr um<br />
einen „Schiedsrichter“ o<strong>de</strong>r besser noch „Preisrichter“ bei einem sportlichen Wettkampf.<br />
Seine Erscheinung lieben<br />
Diese Krone bekommen nicht nur die Apostel o<strong>de</strong>r beson<strong>de</strong>re und herausragen<strong>de</strong> Diener <strong>de</strong>s<br />
Herrn. Sie liegt allen bereit, die seine Erscheinung lieben. Es geht nicht um eine beson<strong>de</strong>re<br />
Begabung, um große und nach außen hin sichtbare Dienste, um eine Führungsposition im<br />
Volk Gottes usw. Als Kriterium wird hier genannt, dass wir seine Erscheinung lieben, dass<br />
wir auf <strong>de</strong>n Augenblick warten, wo Er kommt, um hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zu seinem Recht zu<br />
kommen. Es geht hier – wie in Vers 1 -; nicht um das Kommen <strong>de</strong>s Herrn, um uns zu sich<br />
zu nehmen, son<strong>de</strong>rn darum, dass Er sichtbar mit uns auf dieser Er<strong>de</strong> erscheint. Natürlich<br />
warten wir darauf, dass Er kommt, um uns zu entrücken. Sein Kommen für uns geht seiner<br />
Erscheinung voraus. Aber hier geht es Paulus um Dienst und um Motivation zum Dienst.<br />
Deshalb spricht er von Lohn und darüber, wie dieser Lohn einmal sichtbar wer<strong>de</strong>n wird.<br />
Aber vor allem spricht er darüber, wie <strong>de</strong>r Herr hier auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> verherrlicht wird. Echter<br />
Dienst wird durch die Liebe zu Ihm bestimmt. Deshalb freut sich <strong>de</strong>r Diener auf <strong>de</strong>n Tag, wo<br />
Er auf dieser Er<strong>de</strong> sichtbar verherrlicht wird. Seine Erscheinung zu lieben be<strong>de</strong>utet nichts<br />
an<strong>de</strong>res, als <strong>de</strong>n zu lieben, <strong>de</strong>m an jenem Tag auf dieser Er<strong>de</strong> alle Ehre wer<strong>de</strong>n wird. Es<br />
stellt sich für je<strong>de</strong>n von uns die Frage, ob <strong>de</strong>r Gedanke an diesen Augenblick uns wirklich<br />
beflügelt, ob wir Gläubige sind, die nicht nur um seine Erscheinung wissen, son<strong>de</strong>rn sie<br />
tatsächlich lieben.<br />
„Befleißige dich, bald zu mir zu kommen“ (Vers 9).<br />
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Ein Wunsch von Paulus an Timotheus<br />
Mit Vers 9 beginnt <strong>de</strong>r Schlussteil <strong>de</strong>s Briefes, <strong>de</strong>r eine Reihe persönlicher Mitteilungen<br />
enthält, die sowohl Paulus selbst und seine Umstän<strong>de</strong> sowie einige seiner Mitarbeiter<br />
betreffen. Es sind letzte Worte eines beson<strong>de</strong>ren Gottesmannes. Sie zeugen einerseits von<br />
Schlichtheit und enthalten gleichzeitig noch einmal wichtige Belehrungen für uns.<br />
Paulus befand sich im Gefängnis. Die Umstän<strong>de</strong> waren äußerst unangenehm. Sie ließen ihn<br />
nicht gleichgültig, obwohl er nicht darüber klagte. Das erste, was er hier ausdrückt, zeigt,<br />
dass er seine Einsamkeit empfand. Er sehnte sich nach Timotheus, weil er spürte, dass er<br />
allein war. Darüber hinaus war es ganz sicher sein Wunsch, seinem „Kind“ Timotheus noch<br />
einige persönliche Worte mit auf <strong>de</strong>n Weg zu geben. Wegen <strong>de</strong>s bevorstehen<strong>de</strong>n Winters<br />
und <strong>de</strong>r dadurch verursachten eingeschränkten Reisemöglichkeiten sollte er bald kommen<br />
(Vers 21). Ja, er sollte sich befleißigen. Fleiß ist eine Eigenschaft, die in <strong>de</strong>r Bibel einen hohen<br />
Stellenwert hat, sowohl in geistlichen wie in natürlichen Dingen. Hier be<strong>de</strong>utet das Wort,<br />
dass je<strong>de</strong> mögliche Anstrengung unternommen wird. An<strong>de</strong>rs ausgedrückt sagt Paulus: „Tu<br />
<strong>de</strong>in Bestes und komm, so schnell es eben geht.“<br />
„Denn Demas hat mich verlassen, da er <strong>de</strong>n jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hat, und ist<br />
nach Thessalonich gegangen, Kreszens nach Galatien, Titus nach Dalmatien“ (Vers 10).<br />
Demas hat mich verlassen<br />
Der Wunsch, Timotheus zu sehen, wur<strong>de</strong> dadurch verstärkt, dass es Mitarbeiter gab, die<br />
Paulus verlassen hatten. Da war Demas, <strong>de</strong>ssen Weggehen ihn beson<strong>de</strong>rs schmerzte. Er<br />
hatte <strong>de</strong>n Dienst für <strong>de</strong>n Herrn aufgegeben. An<strong>de</strong>re waren offensichtlich mit einen Auftrag<br />
für <strong>de</strong>n Herrn gegangen, und wie<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re – wie zum Beispiel Tychikus – hatte Paulus<br />
selbst weggeschickt.<br />
Der Verlust eines Mitarbeiters wie Demas war für Paulus beson<strong>de</strong>rs hart. Es ist für einen<br />
Diener immer bitter, wenn er von einem Mitarbeiter und Jochgenossen verlassen wird.<br />
Demas wird außer an dieser Stelle in Philemon 24 und Kolosser 4,14 erwähnt. Viel wissen<br />
wir nicht über ihn. Paulus nennt ihn einmal seinen Mitarbeiter (Phlm 24). Hier lernen wir,<br />
dass er ihn verlassen hatte. „Verlassen“ be<strong>de</strong>utet nicht einfach weggehen, son<strong>de</strong>rn schließt<br />
ein, dass man jemand „im Stich“ lässt und ihn auf diese Weise enttäuscht. Genau das hatte<br />
Demas getan.<br />
Es heißt nicht, dass Demas Christus verlassen o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n christlichen Glauben aufgegeben<br />
hatte. Aber <strong>de</strong>r Zusatz, dass er <strong>de</strong>n jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hatte, zeigt, dass es<br />
kein guter Weg war, <strong>de</strong>n Demas ging. War ihm <strong>de</strong>r Dienst zu mühsam gewor<strong>de</strong>n? War er<br />
nicht bereit, die Schmach <strong>de</strong>s Christus zu tragen? Wir wissen es nicht. Je<strong>de</strong>nfalls lockte ihn<br />
<strong>de</strong>r jetzige Zeitlauf. Die Liebe zu <strong>de</strong>m gegenwärtigen Zeitlauf war bei Demas größer als<br />
die Liebe zu Christus. Es ist <strong>de</strong>nkbar, dass Paulus hier einen Gegensatz zu <strong>de</strong>r Aussage im<br />
vorherigen Vers aufzeigt, wo von <strong>de</strong>nen die Re<strong>de</strong> ist, die seine Erscheinung lieben. Das war<br />
bei Demas offenbar nicht so.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
In Galater 1,4 lesen wir, dass Jesus Christus sich für unsere Sün<strong>de</strong>n hingegeben hat, um uns<br />
aus <strong>de</strong>r gegenwärtigen bösen Welt – das ist <strong>de</strong>r Zeitlauf dieser Welt – herauszunehmen<br />
nach <strong>de</strong>m Willen unseres Gottes und Vaters. Wie können wir als Kin<strong>de</strong>r unseres Gottes<br />
dahin zurückgehen, wo wir hergekommen sind? Demas hatte offensichtlich nicht bedacht,<br />
dass er nicht mehr zu dieser Welt gehörte. Der Christ hat sein Bürgertum in <strong>de</strong>n Himmeln.<br />
Unsere Segnungen gehören nicht zu dieser Er<strong>de</strong>. Wir sind himmlische Menschen – obwohl<br />
wir noch auf dieser Er<strong>de</strong> leben. Man kann nicht gleichzeitig im Himmel und auf <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong><br />
seine wirkliche Heimat haben – damals nicht und heute nicht. Entwe<strong>de</strong>r leben wir mit<br />
Christus und für Christus, o<strong>de</strong>r wir lieben <strong>de</strong>n gegenwärtigen Zeitlauf. Bei<strong>de</strong>s ist nicht<br />
zeitgleich möglich.<br />
Kreszens und Titus<br />
Kreszens wird nur an dieser Stelle erwähnt. Gott hat es nicht für gut befun<strong>de</strong>n, uns mehr<br />
über diesen Mann zu sagen. Aber sein Werk ist Ihm bekannt und wird nicht vergessen. Das<br />
mag eine Ermutigung für Diener sein, die von und bei Menschen „unbekannt“ sind. Bei<br />
Gott ist je<strong>de</strong>nfalls keiner unbekannt, <strong>de</strong>r sich für seine Sache interessiert und engagiert.<br />
Titus war – wie Timotheus – ein enger Mitarbeiter von Paulus, <strong>de</strong>n er mit beson<strong>de</strong>ren<br />
Aufgaben betrauen konnte. Diese bei<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n außer an dieser Stelle im Neuen Testament<br />
nicht zusammen erwähnt. Offensichtlich haben sie nie direkt miteinan<strong>de</strong>r gearbeitet.<br />
Dennoch kannten sie einan<strong>de</strong>r, und es gibt nicht <strong>de</strong>n geringsten Hinweis, dass zwischen<br />
ihnen eine wie auch immer geartete „Rivalität“ bestan<strong>de</strong>n hätte. Paulus erwähnt Titus<br />
hier, damit Timotheus wusste, wo er sich befand. Das Interesse für die Aufgaben und<br />
Tätigkeitsfel<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rer Diener Gottes sollte bei uns nie fehlen. Wir sollen daran Anteil<br />
nehmen und füreinan<strong>de</strong>r beten.<br />
„Lukas ist allein bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit dir, <strong>de</strong>nn er ist mir nützlich<br />
zum Dienst“ (Vers 11).<br />
Lukas – nicht allein gelassen<br />
Lukas war von Geburt Grieche und von Beruf Arzt. Paulus nennt ihn an an<strong>de</strong>rer Stelle nicht<br />
ohne Grund <strong>de</strong>n „geliebten Arzt“ (Kol 4,14). Er war von Gott geliebt. Aber auch Paulus liebte<br />
ihn. Darüber hinaus ist es gut möglich, dass er ein beson<strong>de</strong>rer Gegenstand <strong>de</strong>r Zuneigung<br />
<strong>de</strong>rer war, mit <strong>de</strong>nen er zu tun hatte. Dieser treue Diener und Weggefährte war in <strong>de</strong>n<br />
letzten Tagen seines Lebens allein bei Paulus. Seine Gegenwart und Liebe taten Paulus gut.<br />
Er war offensichtlich ein Mann mit einem weiten Herzen, voll geistlichen Mitgefühls und<br />
tiefer Hingabe an <strong>de</strong>n Herrn und an seine Sache.<br />
Markus – kein hoffnungsloser Fall<br />
Paulus wollte Markus bei sich haben. Es han<strong>de</strong>lt sich um Johannes Markus, <strong>de</strong>n Neffen<br />
<strong>de</strong>s Barnabas. Seine Geschichte wird in <strong>de</strong>r Apostelgeschichte erwähnt. Er war mit Paulus<br />
und Barnabas auf die Reise gegangen (Apg 12,25), hatte die bei<strong>de</strong>n dann aber verlassen.<br />
Später wollte Barnabas seinen Neffen erneut mitnehmen, was Paulus ablehnte. Er hielt<br />
ihn nicht für geeignet für <strong>de</strong>n Dienst. Lei<strong>de</strong>r entstand zwischen diesen bei<strong>de</strong>n begna<strong>de</strong>ten<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 125
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Dienern <strong>de</strong>s Herrn aus diesem Grund eine Erbitterung, so dass sie fortan getrennte Wege<br />
gingen (Apg 15,39). Über <strong>de</strong>n weiteren Dienst <strong>de</strong>s Barnabas schweigt die Bibel. Paulus<br />
nennt seinen Namen allerdings einige Male, ohne dass irgen<strong>de</strong>ine bleiben<strong>de</strong> Verbitterung<br />
zu spüren ist (z. B. 1. Kor 9,6). Markus wird in Kolosser 4,10 erneut erwähnt und Neffe<br />
<strong>de</strong>s Barnabas genannt. Offensichtlich hatte sich die Situation von Markus geän<strong>de</strong>rt. Paulus<br />
lässt Grüße von ihm ausrichten und gibt <strong>de</strong>n Kolossern bestimmte Hinweise, die diesen<br />
Diener <strong>de</strong>s Herrn betrafen. Der Apostel Petrus nennt ihn sogar seinen „Sohn“ (1. Pet 5,13).<br />
Offensichtlich bestand zwischen Petrus und Markus ein beson<strong>de</strong>res Verhältnis. Hier nun<br />
erwähnt Paulus ihn und fügt hinzu, dass er ihm zum Dienst nützlich sei. Aus <strong>de</strong>m einst<br />
unnützen Diener war ein nützlicher und brauchbarer Diener gewor<strong>de</strong>n. Das gleiche Wort<br />
wird für <strong>de</strong>n entlaufenen Sklaven Onesimus gebraucht. Paulus schreibt an Philemon, dass<br />
er einst unnütz war, „jetzt aber dir und mir nützlich“ (Phlm 11).<br />
Das Beispiel von Markus zeigt, dass es bei Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt. Was mit<br />
Markus geschehen war, kann nur die Gna<strong>de</strong> tun. Sein Fehler war offenkundig gewor<strong>de</strong>n,<br />
aber ebenso seine Wie<strong>de</strong>rherstellung. Für Paulus muss das eine beson<strong>de</strong>re Ermunterung<br />
gewesen sein. Er macht hier nicht die geringste Anspielung auf seine Vergangenheit. Im<br />
Gegenteil: Er gibt ihm eine beson<strong>de</strong>re Auszeichnung, von <strong>de</strong>r wir lernen können. Gott<br />
möchte, dass wir alle nützlich zum Dienst sind. Bei Markus ging das so weit, dass er<br />
schließlich von Gott berufen wur<strong>de</strong>, das Evangelium <strong>de</strong>s vollkommenen Dieners – das<br />
Markus-Evangelium – zu schreiben.<br />
„Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt“ (Vers 12).<br />
Tychikus – ein geliebter und treuer Bru<strong>de</strong>r<br />
Tychikus war ein weiterer Weggefährte <strong>de</strong>s Paulus, <strong>de</strong>r uns einige Mal im Neuen Testament<br />
begegnet. In Epheser 6,21 nennt Paulus ihn einen geliebten Bru<strong>de</strong>r und treuen Diener im<br />
Herrn. In Kolosser 4,7 heißt es von ihm, dass er ein geliebter Bru<strong>de</strong>r und treuer Diener und<br />
Mitknecht in <strong>de</strong>m Herrn war. Es lohnt sich, über solche Auszeichnungen nachzu<strong>de</strong>nken.<br />
Der Gebrauch <strong>de</strong>s Wortes „aber“ <strong>de</strong>utet einen Gegensatz an. Es ist möglich, dass Kreszens<br />
und Titus aufgrund eines eigenen Entschlusses gegangen waren, während Tychikus<br />
ausdrücklich von Paulus nach Ephesus gesandt wur<strong>de</strong>. In Titus 3,12 wird Tychikus ebenfalls<br />
von Paulus gesandt. Dort ging es nach Kreta. Jetzt sollte er eine Aufgabe in Ephesus erfüllen.<br />
Offenbar war er ein brauchbarer und treuer Mann, <strong>de</strong>r an unterschiedlichen Orten eingesetzt<br />
wer<strong>de</strong>n konnte. Obwohl alle in Asien Paulus verlassen hatten (Kap 1,15), än<strong>de</strong>rte das nichts<br />
an <strong>de</strong>r Liebe <strong>de</strong>s Paulus zu seinen Geschwistern in Asien, wovon Ephesus ein Teil war. Er<br />
hatte die Gläubigen dort nicht aufgegeben. Es spricht für das beson<strong>de</strong>re Vertrauen, das<br />
Paulus in Tychikus setzte, dass er gera<strong>de</strong> ihn dorthin sandte. Es war bestimmt keine ganz<br />
einfache Mission für diesen Diener <strong>de</strong>s Herrn.<br />
„Den Mantel, <strong>de</strong>n ich in Troas bei Karpus zurückließ, bring mit, wenn du kommst, und<br />
die Bücher, beson<strong>de</strong>rs die Pergamente“ (Vers 13).<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Irdische Bedürfnisse<br />
Paulus spricht in seinen Briefen von <strong>de</strong>n höchsten geistlichen Segnungen, die uns geschenkt<br />
sind. Aber er spricht – unter <strong>de</strong>r Leitung <strong>de</strong>s Heiligen Geistes – genauso über einen Mantel,<br />
<strong>de</strong>n er in Troas zurückgelassen hatte. Gott ist ein Gott, <strong>de</strong>r für die geistlichen und für die<br />
irdischen Bedürfnisse <strong>de</strong>r Seinen sorgt. Ihm ist nichts zu groß und nichts zu klein. Der<br />
Mantel war wahrscheinlich ein Übergewand, das Paulus im Gefängnis gegen die Kälte <strong>de</strong>s<br />
Winters gut gebrauchen konnte.<br />
Paulus erwähnt Bücher und Pergamente. Timotheus wird gewusst haben, was er damit<br />
konkret verband. Wir wissen nicht genau, welche Bücher und Pergamente es waren.<br />
Offensichtlich hatten sie für Paulus einen beson<strong>de</strong>ren Wert. Einige Ausleger <strong>de</strong>nken, dass<br />
es sich bei <strong>de</strong>n Büchern um Abschriften <strong>de</strong>s Alten Testamentes han<strong>de</strong>lte. Es können<br />
aber ebenso an<strong>de</strong>re Bücher gewesen sein, die Paulus lesen wollte. Pergamente können<br />
möglicherweise leere Blätter gewesen sein, auf <strong>de</strong>nen Paulus schreiben wollte. An<strong>de</strong>re<br />
Ausleger erwähnen die Möglichkeit, dass es Papiere waren, die Paulus für seine anstehen<strong>de</strong><br />
Gerichtsverhandlung brauchte. Um was genau es sich han<strong>de</strong>lte, können wir nicht mit<br />
Gewissheit sagen. Letztlich ist das nicht entschei<strong>de</strong>nd.<br />
J. N. Darby wur<strong>de</strong> einmal gefragt, ob ihm wohl etwas fehlen wür<strong>de</strong>n, wenn dieser Satz nicht<br />
in <strong>de</strong>r Bibel stün<strong>de</strong>. Seine Antwort lautete etwa wie folgt: „Ich hätte ganz gewiss etwas<br />
verloren, <strong>de</strong>nn dieser Vers hielt mich einmal davon ab, meine Bibliothek zu verkaufen. Je<strong>de</strong>s<br />
Wort <strong>de</strong>r Bibel, darauf kann man sich verlassen, ist vom Geist eingegeben und von ewigem<br />
Wert.“<br />
„Alexan<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; <strong>de</strong>r Herr wird ihm vergelten<br />
nach seinen Werken. Vor ihm hüte auch du dich, <strong>de</strong>nn er hat unseren Worten sehr<br />
wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n“(Verse 14.15).<br />
Wi<strong>de</strong>rstand<br />
Jetzt kommt Paulus auf einen Mann zu sprechen, <strong>de</strong>r ihm große Mühe bereitete und<br />
vor <strong>de</strong>m er Timotheus warnen wollte. Wer dieser Alexan<strong>de</strong>r war, können wir nicht mit<br />
Gewissheit sagen. Es ist <strong>de</strong>nkbar, dass es <strong>de</strong>r gleiche Mann ist, <strong>de</strong>r in 1. Timotheus 1,20 o<strong>de</strong>r<br />
Apostelgeschichte 19,33 erwähnt wird. Es ist genausogut möglich, dass es jemand an<strong>de</strong>res<br />
war, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Name Alexan<strong>de</strong>r war in <strong>de</strong>r damaligen Zeit relativ populär. Paulus nennt hier<br />
seinen Beruf, so dass es für Timotheus offensichtlich ein<strong>de</strong>utig klar war, wen er meinte.<br />
Es ist ebenfalls nicht ganz klar, ob dieser Alexan<strong>de</strong>r in Rom o<strong>de</strong>r in Ephesus lebte. Es<br />
spricht einiges dafür, dass er sich in Ephesus befand, weil Paulus Timotheus vor ihm warnt.<br />
An<strong>de</strong>rerseits spricht er davon, dass dieser Alexan<strong>de</strong>r seinen Worten sehr wi<strong>de</strong>rstan<strong>de</strong>n<br />
hatte. Das könnte auf <strong>de</strong>n Aufenthaltsort Rom schließen lassen, es sei <strong>de</strong>nn, Paulus bezieht<br />
sich auf die Zeit, in <strong>de</strong>r er selbst in Ephesus gewesen war.<br />
Alexan<strong>de</strong>r war offensichtlich kein Irrlehrer. Es wird auch nicht gesagt, dass er die Welt<br />
lieb gewonnen hatte o<strong>de</strong>r ähnliches. Es scheint je<strong>de</strong>nfalls jemand gewesen zu sein, <strong>de</strong>r<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 127
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
sich Paulus wi<strong>de</strong>rsetzt hatte. Wenn es <strong>de</strong>r Alexan<strong>de</strong>r aus 1. Timotheus 1,20 ist, könnte die<br />
Feindschaft daraus resultieren, dass Paulus ihn <strong>de</strong>m Satan überliefert hatte.<br />
Alexan<strong>de</strong>r hatte Paulus viel Böses erzeigt. Diesen Ausdruck kann man auch übersetzen:<br />
Er hat mich „böse verklagt“. Daraus schließen einige Ausleger, dass er während <strong>de</strong>r<br />
Gerichtsverhandlung gegen Paulus ausgesagt o<strong>de</strong>r gar Anklage gegen ihn erhoben hatte.<br />
Personen wie diesen Alexan<strong>de</strong>r gibt es bis heute im Volk Gottes. Zum einen <strong>de</strong>nken wir an<br />
Menschen, die gera<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Worten und <strong>de</strong>r Lehre <strong>de</strong>s Paulus wi<strong>de</strong>rsprechen. Zum an<strong>de</strong>rn<br />
<strong>de</strong>nken wir an Menschen, <strong>de</strong>ren Wi<strong>de</strong>rstand sich nicht so sehr gegen das richtet, was gesagt<br />
wird, son<strong>de</strong>rn vielmehr gegen die Brü<strong>de</strong>r und Schwestern, die es sagen. Für solche ist nicht<br />
so entschei<strong>de</strong>nd, was gesagt wird, son<strong>de</strong>rn wer es sagt. Die Grün<strong>de</strong> sind oft persönlicher<br />
Natur. Eine <strong>de</strong>rartige Verhaltensweise ist fleischlich und muss abgelehnt wer<strong>de</strong>n.<br />
Paulus reagierte auf das Verhalten von Alexan<strong>de</strong>r sehr besonnen. Er vergalt nicht Gleiches<br />
mit Gleichem. Der Wi<strong>de</strong>rspruch war offensichtlich persönlicher Natur. Deshalb überließ<br />
er diese Anklage seinem Gott. Er übergab sich – wie sein Herr – <strong>de</strong>m, <strong>de</strong>r gerecht richtet<br />
(1. Pet 2, 23). Aber Timotheus musste wachsam sein. Offensichtlich rechnete Paulus damit,<br />
dass sich <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rstand gegen ihn auf Timotheus übertragen wür<strong>de</strong>. Deshalb sollte er sich<br />
vor ihm hüten, d. h. er sollte aufpassen und sich wachsam fernhalten. So gibt es bis heute<br />
im Volk Gottes Menschen, vor <strong>de</strong>nen wir uns in dieser Weise in Acht nehmen müssen.<br />
„Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, son<strong>de</strong>rn alle verließen mich;<br />
es wer<strong>de</strong> ihnen nicht zugerechnet“ (Vers 16).<br />
Vor <strong>de</strong>m Kaiser in Rom<br />
Paulus war bereits einmal vor <strong>de</strong>m Kaiser Nero in Rom erschienen. Dieser war für seine<br />
Grausamkeit bekannt. Vor Gericht musste Paulus sich mündlich verteidigen (vgl. auch<br />
Phil 1,7), und bei dieser Verteidigung stand ihm niemand bei. Die römische Justiz erlaubte,<br />
dass ein Angeklagter einen Bekannte o<strong>de</strong>r Freund mit zum Prozess bringen konnte, um<br />
vor Gericht als Zeuge für ihn zu plädieren und ihm auf diese Weise beizustehen. Niemand<br />
hatte für Paulus das Wort ergriffen. Ganz allein stand er vor Gericht. Paulus erlebte hier,<br />
was große Gottesmänner im Alten Testament ebenfalls erlebt hatten. Einem Daniel stand<br />
niemand bei, als er in die Löwengrube geworfen wur<strong>de</strong>. Einem Jeremia stand niemand<br />
bei, als man übel mit ihm umging. Aber ganz beson<strong>de</strong>rs traf das auf unseren Herrn zu,<br />
<strong>de</strong>ssen Nachahmer Paulus war. Als Er zu Unrecht angeklagt wur<strong>de</strong>, verließen Ihn die Jünger<br />
alle und flohen (Mk 14,50). Nur zwei waren Ihm von ferne gefolgt, und als die Stun<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Entscheidung nahte, hatte Petrus Ihn sogar verleugnet. Diese letzte Erfahrung blieb<br />
Paulus erspart. Dennoch wird es ihn sehr geschmerzt haben, dass er ganz allein vor Gericht<br />
erscheinen musste. Wie mag er sich nach einem Tröster und Fürsprecher gesehnt haben.<br />
Obwohl Paulus das empfun<strong>de</strong>n hat, fand sich kein Groll in seinem Herzen. Er beklagte sich<br />
nicht. Er wusste, dass einer immer bei ihm war.<br />
„Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht<br />
wür<strong>de</strong> und alle die aus <strong>de</strong>n Nationen hören möchten; und ich bin gerettet wor<strong>de</strong>n aus<br />
<strong>de</strong>m Rachen <strong>de</strong>s Löwen“ (Vers 17).<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 128
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Der Herr stand mir bei<br />
Paulus erlebte – wie damals die Freun<strong>de</strong> Daniels im feurigen Ofen Nebukadnezars – <strong>de</strong>n<br />
unmittelbaren Beistand seines Herrn. Er erfuhr die Wahrheit <strong>de</strong>r Worte: „Und <strong>de</strong>r Herr, er<br />
ist es, <strong>de</strong>r vor dir herzieht; er selbst wird mit dir sein, er wird dich nicht versäumen und<br />
dich nicht verlassen; fürchte dich nicht und erschrick nicht!“ (5. Mo 31,8). Der Herr war mit<br />
seiner Gegenwart bei ihm. Das war Trost und Ermutigung für Paulus.<br />
Aber mehr noch. Der Herr hatte ihn gestärkt. Es war nicht seine eigene Kraft, son<strong>de</strong>rn die<br />
Kraft <strong>de</strong>s Herrn. Der Ausdruck be<strong>de</strong>utet wörtlich, dass <strong>de</strong>r Herr ihm Kraft einflößte. Am<br />
Anfang <strong>de</strong>s Dienstes von Paulus wird gera<strong>de</strong> dieses Wort gebraucht. Dort heißt es: „Saulus<br />
aber erstarkte umso mehr und brachte die Ju<strong>de</strong>n, die in Damaskus wohnten, in Verwirrung,<br />
in<strong>de</strong>m er bewies, dass dieser <strong>de</strong>r Christus ist“ (Apg 9,22). Am Anfang wie am En<strong>de</strong> stand<br />
Paulus Kraft zur Verfügung, um ein mächtiger Wortzeuge seines Herrn zu sein. Der ganze<br />
Dienst von Paulus war von dieser Kraft und Stärke begleitet. Er glich einem Kaleb, <strong>de</strong>r<br />
am En<strong>de</strong> seines Lebens sagen konnte, dass er selbst als alter Mann noch so stark war wie<br />
an <strong>de</strong>m Tag, an <strong>de</strong>m Mose ihn als Kundschafter ausgesandt hatte (Jos 14,11). Das ist die<br />
erhalten<strong>de</strong> Kraft Gottes, die <strong>de</strong>m Diener immer zur Verfügung steht.<br />
Paulus berichtet keine Einzelheiten über seine Verteidigung, son<strong>de</strong>rn re<strong>de</strong>t von <strong>de</strong>r Predigt,<br />
die vollbracht wer<strong>de</strong>n sollte. Nicht die Ankläger waren die Aktiven, son<strong>de</strong>rn Paulus. Er<br />
befand sich nicht in <strong>de</strong>r Defensive, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>r Offensive. Der Kampf im Evangelium<br />
war noch nicht zu En<strong>de</strong>. Paulus hatte – wie so oft – gepredigt und das Wort verkündigt. Im<br />
Zentrum seiner Botschaft stand immer Christus als <strong>de</strong>r gekreuzigte und verherrlichte Herr,<br />
in <strong>de</strong>m allein Vergebung <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>n zu fin<strong>de</strong>n ist.<br />
Gott benutzte diese Gelegenheit, um vor einem heidnischen Publikum gesellschaftlich und<br />
politisch hochstehen<strong>de</strong>r Menschen das Evangelium verkündigen zu lassen. Erneut beweist<br />
sich, dass unsere Verlegenheiten Gottes Gelegenheiten sind. Bei <strong>de</strong>r ersten Gefangenschaft<br />
von Paulus war das nicht an<strong>de</strong>rs gewesen (vgl. Phil 1,13; 4,22). Die Predigt sollte vollbracht<br />
wer<strong>de</strong>n. Am Anfang <strong>de</strong>s Kapitels hatte Paulus Timotheus aufgefor<strong>de</strong>rt, das Wort zu predigen.<br />
Er sollte wie ein Herold die Botschaft <strong>de</strong>ssen weitersagen, <strong>de</strong>r ihn gesandt hatte. Auf diese<br />
Weise sollte er seinen Dienst vollführen (Vers 5). Hier benutzt Paulus <strong>de</strong>nselben Ausdruck<br />
in Bezug auf sich selbst. Die Predigt sollte vollbracht o<strong>de</strong>r vollführt wer<strong>de</strong>n. Paulus war bis<br />
zum letzten Augenblick ein Vorbild für seinen jüngeren Mitarbeiter.<br />
Gerettet aus <strong>de</strong>m Rachen <strong>de</strong>s Löwen<br />
Paulus wusste, dass er sich selbst nicht retten konnte. Aber er wusste sich in <strong>de</strong>r Hand<br />
<strong>de</strong>ssen, <strong>de</strong>r die Macht hatte, ihn retten zu können. Paulus spricht jetzt von <strong>de</strong>m Rachen<br />
<strong>de</strong>s Löwen. Es ist klar, dass dieses Bild ein Ausdruck <strong>de</strong>r Gewalt und <strong>de</strong>r Macht ist. Was<br />
genau Paulus aber meint, bleibt offen. Der Rachen <strong>de</strong>s Löwen ist an manchen Stellen ein<br />
Bild <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s (vgl. z. B. Ps 22,22; Dan 6,23). Wenn Paulus hier an <strong>de</strong>n Tod dachte, dann liegt<br />
darin <strong>de</strong>r Gedanke, dass er bis dahin noch nicht zum Tod verurteilt wor<strong>de</strong>n war. Der Löwe<br />
ist an an<strong>de</strong>ren Stellen ein Bild vom Teufel. Beson<strong>de</strong>rs <strong>de</strong>utlich wird das in 1. Petrus 5,8.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 129
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Petrus spricht davon, dass <strong>de</strong>r Teufel umhergeht wie ein Löwe, um Opfer zu suchen, die er<br />
verschlingen kann. Der Teufel tritt eben nicht nur mit <strong>de</strong>r List einer Schlange auf, son<strong>de</strong>rn<br />
auch als brüllen<strong>de</strong>r Löwe. Wenn Paulus darauf anspielt, dann war das Werkzeug <strong>de</strong>s Teufels<br />
in diesem Fall Nero. Die Rettung aus <strong>de</strong>m Rachen <strong>de</strong>s Löwen <strong>de</strong>utet dann <strong>de</strong>n Aufschub<br />
an, <strong>de</strong>r ihm gewährt wur<strong>de</strong>. Aber <strong>de</strong>r Prozess wür<strong>de</strong> weitergehen. Der Löwe mag also<br />
ein Hinweis auf Nero o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Teufel sein, <strong>de</strong>r dahintersteckte. Es mag aber auch<br />
einfach <strong>de</strong>r Hinweis auf die To<strong>de</strong>sgefahr sein, in <strong>de</strong>r Paulus stand. Was man wohl mehr<br />
o<strong>de</strong>r weniger ausschließen kann, ist <strong>de</strong>r manchmal geäußerte Gedanke, dass Paulus an die<br />
Löwen in <strong>de</strong>r römischen Arena gedacht hat.<br />
„Der Herr wird mich retten von je<strong>de</strong>m bösen Werk und bewahren für sein himmlisches<br />
Reich; <strong>de</strong>m die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (Vers 18).<br />
Gerettet und bewahrt<br />
Paulus wusste sehr wohl, dass sein Tod nahe bevorstand (Vers 6). Er musste damit rechnen,<br />
sein Leben als Märtyrer zu geben. Angesichts dieser Tatsache war er <strong>de</strong>nnoch völlig ruhig.<br />
Er wusste sich in <strong>de</strong>r Hand seines Herrn. Seine Zuversicht erinnert an die Aussage aus<br />
Psalm 121,7, wo <strong>de</strong>r Psalmdichter sagt: „Der Herr wird dich behüten vor allem Bösen, er<br />
wird behüten <strong>de</strong>ine Seele.“<br />
Ein „böses Werk“ ist ein Ver<strong>de</strong>rben bringen<strong>de</strong>s Werk. „Retten“ be<strong>de</strong>utet hier wie in Vers 17<br />
(vgl. auch Kapitel 3,11), jemand aus einer Gefahrenzone zu ziehen. „Bewahren“ be<strong>de</strong>utet in<br />
Sicherheit bringen. Einige Ausleger <strong>de</strong>nken, dass Paulus hier die Zuversicht äußert, dass er<br />
vor je<strong>de</strong>m bösen Werk bewahrt wer<strong>de</strong>n wird, das seine Fein<strong>de</strong> gegen ihn ersinnen könnten.<br />
Wenn die Aussage so zu interpretieren ist, dann wäre selbst <strong>de</strong>r Märtyrertod eine Rettung,<br />
und zwar in <strong>de</strong>m Sinn, dass er ihn zu seinem Herrn bringen wür<strong>de</strong>. Da Paulus aber seinen<br />
Tod sicher vor Augen sah, scheint die Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>r Aussage vielmehr darin zu liegen, dass<br />
<strong>de</strong>r Herr ihn vor allem bewahren wür<strong>de</strong>, was in seinen letzten Lebenstagen das Zeugnis für<br />
Ihn beeinträchtigen könnte. Der Herr wür<strong>de</strong> ihn davor bewahren, vor Gericht ängstlich zu<br />
sein o<strong>de</strong>r Ihn gar zu verleugnen. Wenn das die Be<strong>de</strong>utung ist, dann spricht Paulus hier also<br />
von möglichen bösen Werken, die von ihm selbst begangen wer<strong>de</strong>n könnten, und nicht von<br />
äußerem Bösen, das man ihm antun könnte. Das könnte zum Beispiel ein Versagen im Blick<br />
auf die Predigt sein.<br />
Das himmlische Reich ist das himmlische „Königreich“. Das ist nichts an<strong>de</strong>res als das<br />
kommen<strong>de</strong> Reich in Macht und Herrlichkeit (das Tausendjährige Reich). Dabei steht nicht<br />
so sehr <strong>de</strong>r irdische Charakter dieses Reiches im Vor<strong>de</strong>rgrund, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r himmlische<br />
Charakter. Petrus spricht von einem reichlichen Eingang in das ewige Reich unseres Herrn<br />
und Heilan<strong>de</strong>s Jesus Christus (2. Pet 1,11). Das ist <strong>de</strong>r himmlische Teil <strong>de</strong>s Reiches. Dieser<br />
Eingang war Paulus sicher. Es ist das Reich <strong>de</strong>s „Herrn“, d. h. <strong>de</strong>r Bereich, in <strong>de</strong>m seine<br />
Autorität anerkannt wer<strong>de</strong>n wird. Es ist aber für <strong>de</strong>n Gläubigen gleichzeitig nichts an<strong>de</strong>res<br />
als das Reich <strong>de</strong>s Sohnes <strong>de</strong>r Liebe <strong>de</strong>s Vaters (Kol 1,13). Wenn es um die Seite Gottes geht,<br />
ist dieses Reich je<strong>de</strong>m sicher, <strong>de</strong>r neues Leben hat. Wenn es um unsere Seite geht, ist <strong>de</strong>r<br />
Eingang in dieses Reich mit Verantwortung verbun<strong>de</strong>n.<br />
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Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Dann folgt ein bemerkenswerter Lobpreis, <strong>de</strong>n wir in ähnlicher Form in <strong>de</strong>n Schriften<br />
von Paulus wie<strong>de</strong>rholt fin<strong>de</strong>n: „Dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Die<br />
griechische Sprache kennt keinen stärkeren Ausdruck für Ewigkeit als diesen. Es geht um<br />
die Ewigkeit nach <strong>de</strong>r Zeit. Diesem Herrn, <strong>de</strong>r seine Diener in dieser Zeit zu bewahren<br />
vermag, sei Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Es geht nicht um unseren Verdienst, son<strong>de</strong>rn um<br />
das, was <strong>de</strong>r Herr tut.<br />
„Grüße Priska und Aquila und das Haus <strong>de</strong>s Onesiphorus“ (Vers 19).<br />
Gute Freun<strong>de</strong><br />
Dieser Vers <strong>de</strong>utet an, dass Timotheus sich immer noch in Ephesus befand, <strong>de</strong>nn dort<br />
wohnte Onesiphorus (Kap 1,16–18), und dort waren Priska und Aquila (Apg 18,26).<br />
Priska und Aquila waren ein Ehepaar, das Paulus nicht vergaß. Es waren treue Wegbegleiter<br />
<strong>de</strong>s Paulus gewesen, die uns an verschie<strong>de</strong>nen Stellen im Neuen Testament begegnen.<br />
Paulus erwähnt sie insgesamt sechsmal (Apg 18,2.18.26; Röm 16,3; 1. Kor 16,19; 2. Tim 4,19).<br />
Die bei<strong>de</strong>n scheinen wohlhaben<strong>de</strong> Ju<strong>de</strong>n gewesen zu sein, die an mehreren Orten gelebt<br />
und gearbeitet haben. Sie stan<strong>de</strong>n bis in die letzten Tage hinein treu zu ihm. Timotheus<br />
sollte nicht vergessen, ihnen einen Gruß auszurichten. Über das Haus <strong>de</strong>s Onesiphorus<br />
hatte Paulus bereits in Kapitel 1,16 loben<strong>de</strong> Worte gefun<strong>de</strong>n.<br />
„Erastus blieb in Korinth; Trophimus aber habe ich in Milet krank zurückgelassen“<br />
(Vers 20).<br />
Erastus und Trophimus<br />
Paulus war trotz seiner Gefangenschaft darüber im Bild, wo sich seine Weggefährten<br />
aufhielten. Erastus wird – wenn es dieselbe Person ist – in Römer 16,23 erwähnt. Außer<br />
seiner Berufstätigkeit – er war Stadtkämmerer – wird von ihm weiter nur berichtet, dass<br />
er in Korinth geblieben war, weil er dort offensichtlich eine Aufgabe zu erfüllen hatte.<br />
Tüchtige Leute im Werk <strong>de</strong>s Herrn haben sich in aller Regel zuerst als tüchtige Leute in<br />
ihrem irdischen Beruf erwiesen. Ein zweites Mal fin<strong>de</strong>n wir ihn in Apostelgeschichte 19,22<br />
als einen Diener von Paulus.<br />
Trophimus wird in Apostelgeschichte 20, 4 und 21, 29 erwähnt. Er war einer <strong>de</strong>r<br />
Reisebegleiter von Paulus gewesen. Offensichtlich hatte er sich in Ephesus bekehrt und war<br />
dann mit Paulus gegangen. Die äußeren Gegebenheiten hatten dazu geführt, dass Paulus ihn<br />
krank in Milet zurücklassen musste. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, als dass<br />
Paulus – obwohl er die Gabe <strong>de</strong>r Krankenheilung besaß – diese Gabe nicht benutzt hatte, um<br />
Trophimus gesund zu machen. Trophimus war nicht <strong>de</strong>r einzige Mitarbeiter von Paulus, <strong>de</strong>r<br />
krank wur<strong>de</strong>. In Philipper 2,25–28 spricht Paulus von Epaphroditus, <strong>de</strong>r ebenfalls todkrank<br />
gewesen war. Auch ihn hatte Paulus nicht gesund gemacht. Wun<strong>de</strong>rgaben waren Zeichen<br />
für Ungläubige, um das Evangelium in einer Zeit zu unterstützen, in <strong>de</strong>r das Wort Gottes<br />
noch nicht vollen<strong>de</strong>t war. Gläubigen gegenüber wur<strong>de</strong>n sie im Allgemeinen nicht benutzt.<br />
Wir müssen heute davon ausgehen, dass diese Gabe im Regelfall nicht mehr gefun<strong>de</strong>n<br />
wird und ganz sicher nicht in ihrer Anwendung auf Gläubige. Manchmal wird in diesem<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 131
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Zusammenhang auf Jakobus 5,14–16 verwiesen. Der Zusammenhang <strong>de</strong>s Abschnitts macht<br />
aber klar, dass es sich dort um Fälle han<strong>de</strong>lt, wo Gott Krankheit als Zucht für begangene<br />
Sün<strong>de</strong>n schickt. Das scheint bei Trophimus nicht <strong>de</strong>r Fall gewesen zu sein. Darüber hinaus<br />
ist <strong>de</strong>r Weg <strong>de</strong>r Heilung bei Jakobus nicht irgen<strong>de</strong>ine beson<strong>de</strong>re Gabe <strong>de</strong>r Krankenheilung,<br />
son<strong>de</strong>rn das Bekenntnis <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong> und das Gebet <strong>de</strong>s Glaubens. Es geht in Jakobus 5 nicht<br />
um die Ausübung <strong>de</strong>r Gabe <strong>de</strong>r Heilung, son<strong>de</strong>rn um das Gebet.<br />
„Befleißige dich, vor <strong>de</strong>m Winter zu kommen. Es grüßt dich Eubulus und Pu<strong>de</strong>ns und<br />
Linus und Klaudia und die Brü<strong>de</strong>r alle“ (Vers 21).<br />
Vor <strong>de</strong>m Winter<br />
Paulus schiebt hier in die Grüße eine kleine Einzelheit ein, die Gott nicht gleichgültig ist. Er<br />
hatte schon über <strong>de</strong>n Mantel und die Bücher geschrieben. Jetzt erwähnt er die Jahreszeit.<br />
Timotheus sollte sich befleißigen, vor <strong>de</strong>m Winter zu kommen. Im Winter konnte man nicht<br />
gut reisen. Das ist vermutlich <strong>de</strong>r Grund, warum er vorher kommen sollte.<br />
Unbekannt und doch genannt<br />
Es folgen drei Namen, die uns an keiner an<strong>de</strong>ren Stelle im Neuen Testament begegnen<br />
und von <strong>de</strong>nen wir folglich nichts Weiteres wissen. Dennoch waren die Namen für Paulus<br />
wichtig. Wir lernen daraus, dass unserem Gott je<strong>de</strong>r wichtig ist, <strong>de</strong>r sich im Reich Gottes<br />
einbringt. Die Grüße zeigen eine beson<strong>de</strong>re Wertschätzung. Sie sind nicht gering zu achten.<br />
„Der Herr Jesus Christus sei mit <strong>de</strong>inem Geist! Die Gna<strong>de</strong> sei mit euch!“ (Vers 22).<br />
Schlussworte<br />
Mit diesen Worten schließt <strong>de</strong>r Apostel Paulus sein Vermächtnis an sein Kind Timotheus.<br />
Dieser Abschluss unterschei<strong>de</strong>t sich von allen an<strong>de</strong>ren „Schlussformeln“ in <strong>de</strong>n Briefen von<br />
Paulus. Die meisten Briefe en<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Wunsch, dass die Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn Jesus Christus<br />
mit <strong>de</strong>n Briefempfängern sein sollte. In Galater 6,18, Philipper 4,23 und Philemon 25 wird<br />
gesagt, dass die Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn Jesus Christus mit <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>r Briefempfänger sei. Auch<br />
in unserem Brief erinnert Paulus an die Gna<strong>de</strong>, aber zuerst schreibt er: „Der Herr Jesus<br />
Christus sei mit <strong>de</strong>inem Geist!“ Diese Formulierung fin<strong>de</strong>t sich in dieser Form in keinem<br />
an<strong>de</strong>ren Brief. Sie ist insofern einzigartig.<br />
Paulus hatte in seinem Brief daran appelliert, dass Timotheus im Dienst für seinen Herrn<br />
nicht nachlassen sollte. Er sollte die Gna<strong>de</strong>ngabe anfachen (Kap 1,6). Er sollte seinen Dienst<br />
vollführen (Kap 4,5). Paulus hatte in diesem Brief vor <strong>de</strong>r negativen Entwicklung innerhalb<br />
<strong>de</strong>s christlichen Bekenntnisses gewarnt. Aber Paulus hatte gleichzeitig immer wie<strong>de</strong>r an<br />
die Hilfsquellen erinnert, die <strong>de</strong>m Diener in <strong>de</strong>n letzten Tagen unverän<strong>de</strong>rt zur Verfügung<br />
stehen. Insbeson<strong>de</strong>re hatte er immer auf <strong>de</strong>n Herrn Jesus hingewiesen, in <strong>de</strong>m allein Kraft<br />
für je<strong>de</strong>n Dienst zu fin<strong>de</strong>n ist. Darauf kommt er jetzt in seiner Schlussaussage noch einmal<br />
zurück. Er wünscht, dass <strong>de</strong>r Herr Jesus Christus mit <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>s Timotheus sei.<br />
Es ist hier nicht <strong>de</strong>r Charakter <strong>de</strong>s Heilan<strong>de</strong>s, <strong>de</strong>r vor uns kommt, son<strong>de</strong>rn es ist „<strong>de</strong>r Herr<br />
Jesus Christus“. Es gibt nur einen Herrn, <strong>de</strong>m alle Autorität und Macht gehört. Es gibt nur<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 132
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.) Kapitel 4<br />
Einen, <strong>de</strong>m wir dienen, <strong>de</strong>m wir folgen und <strong>de</strong>m wir Gehorsam schul<strong>de</strong>n. Aber dieser „Herr“<br />
war einst in Niedrigkeit als „Jesus“ auf dieser Er<strong>de</strong>, um zu lei<strong>de</strong>n und zu sterben. Für die<br />
Menschen ist Er immer noch <strong>de</strong>r verachtete „Jesus von Nazareth“, auf <strong>de</strong>ssen Seite wir jetzt<br />
stehen und mit Ihm lei<strong>de</strong>n. Aber für uns ist Er <strong>de</strong>r „Christus“. Er ist <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n Gott zu seiner<br />
Rechten erhoben und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt hat.<br />
Dieser Herr Jesus Christus sollte mit <strong>de</strong>m Geist <strong>de</strong>s Timotheus – und damit mit unserem<br />
Geist – sein. Es geht nicht nur darum, dass Diener Gottes in <strong>de</strong>r Lehre richtig stehen o<strong>de</strong>r<br />
sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild von <strong>de</strong>n Menschen dieser Welt (einschließlich<br />
<strong>de</strong>r Namenschristen ohne Leben aus Gott) unterschei<strong>de</strong>n. Es geht darum, dass <strong>de</strong>r Diener<br />
in einem guten inneren geistlichen Zustand ist. Hier wer<strong>de</strong>n nicht die Seele o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Leib angesprochen, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Geist. In 1. Thessalonicher 5,23 ist die Re<strong>de</strong> davon, dass<br />
unser ganzer Geist, Seele und Leib unta<strong>de</strong>lig bewahrt wird. Das bleibt wahr. Aber hier<br />
liegt <strong>de</strong>r Schwerpunkt auf <strong>de</strong>m Geist. Wir brauchen in letzten Tagen eine klare geistliche<br />
Orientierung auf <strong>de</strong>n Herrn Jesus hin.<br />
Dazu benötigen wir alle zusammen göttliche Gna<strong>de</strong>. Es wird hier nicht gesagt, wer die<br />
Quelle <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> ist. Es ist nicht von <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> Gottes o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Gna<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Herrn Jesus<br />
Christus die Re<strong>de</strong>, son<strong>de</strong>rn einfach von Gna<strong>de</strong>. Es ist ohne Frage göttliche Gna<strong>de</strong>. „Die<br />
Gna<strong>de</strong> sei mit euch.“ Gna<strong>de</strong> ist unverdiente Zuwendung Gottes an uns Menschen. Es ist<br />
interessant, dass Paulus im letzten Satz von <strong>de</strong>r persönlichen Anre<strong>de</strong> auf die kollektive<br />
Anre<strong>de</strong> wechselt. Offensichtlich ging er davon aus, dass dieser Brief nicht nur eine Botschaft<br />
für Timotheus hatte, son<strong>de</strong>rn dass <strong>de</strong>r Brief ebenso von an<strong>de</strong>ren gelesen wer<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>.<br />
Diese Gna<strong>de</strong> brauchte Timotheus. Diese Gna<strong>de</strong> brauchen alle, die in letzten Tagen treu im<br />
Dienst für ihren Herrn stehen möchten und für die das geistliche Vermächtnis <strong>de</strong>s Paulus<br />
immer noch ein Appell zur Hingabe und zum Dienst ist.<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 133
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
1. Mose<br />
1,3 . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3,1 . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
21,9 . . . . . . . . . . . . . 101<br />
2. Mose<br />
7,11–22 . . . . . . . . . . . 94<br />
29,40.41 . . . . . . . . . 120<br />
4. Mose<br />
15,1–10 . . . . . . . . . . 120<br />
5. Mose<br />
6,7 . . . . . . . . . . . . . . 104<br />
11,19–21 . . . . . . . . . 104<br />
13,1 . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
31,8 . . . . . . . . . . . . . 129<br />
Josua<br />
14,11 . . . . . . . . . . . . 129<br />
2. Samuel<br />
12,7 . . . . . . . . . . . . . 108<br />
Esra<br />
7,10 . . . . . . . . . . . . . 118<br />
Hiob<br />
18,14 . . . . . . . . . . . . . 29<br />
Psalmen<br />
16,10 . . . . . . . . . . . . . 53<br />
19,7 . . . . . . . . . . . . . 105<br />
22,22 . . . . . . . . . . . . 129<br />
35,5.7 . . . . . . . . . . . 100<br />
36,4 . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
49,7 . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
51,8 . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
101,8 . . . . . . . . . . . . 113<br />
119,89 . . . . . . . . . . . 105<br />
121,7 . . . . . . . . . . . . 130<br />
Jesaja<br />
5,20 . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
Jeremia<br />
9,2 . . . . . . . . . . . . . . 102<br />
Daniel<br />
1,8 . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
6,23 . . . . . . . . . . . . . 129<br />
Hosea<br />
6,4 . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />
6,6 . . . . . . . . . . . . . . . 92<br />
Haggai<br />
1,9 . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
Matthäus<br />
1,21 . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
5,7 . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
6,3 . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
8,28 . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
11,29 . . . . . . . . . . . . . 88<br />
13,25 . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
13,31.32 . . . . . . . . . . 86<br />
15,14 . . . . . . . . . . . . 117<br />
16,22 . . . . . . . . . . . . 107<br />
25,14.15 . . . . . . . . . . 22<br />
25,21 . . . . . . . . . . . . 122<br />
25,31–46. . . . . . . . .113<br />
28,19 . . . . . . . . . . . . . 16<br />
Markus<br />
8,33 . . . . . . . . . . . . . 115<br />
14,6 . . . . . . . . . . . . . 110<br />
14,50 . . . . . . . . . . . . 128<br />
Lukas<br />
1,3 . . . . . . . . . . . . . . . 96<br />
1,74 . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
6,16 . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
6,47 . . . . . . . . . . . . . 103<br />
10 . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
Johannes<br />
4,34 . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
5,27 . . . . . . . . . . . . . 112<br />
8,25 . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
13 . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
14,27 . . . . . . . . . . . . . 16<br />
15,18–20 . . . . . . . . . 101<br />
17 . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
Apostelgeschichte<br />
1,8 . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
2,36 . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
2,40 . . . . . . . . . . 27, 115<br />
2,42 . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
5,41 . . . . . . . . . . . . . 101<br />
9,15 . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
9,16 . . . . . . . . . . . 31, 99<br />
9,22 . . . . . . . . . . . . . 129<br />
9,36 . . . . . . . . . . . . . 110<br />
11,23 . . . . . . . . . 98, 115<br />
12,25 . . . . . . . . . . . . 125<br />
13,2 . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
13,8 . . . . . . . . . . . . . . 94<br />
13,50 . . . . . . . . . . . . . 99<br />
14,5 . . . . . . . . . . . . . 100<br />
14,19 . . . . . . . . . . . . 100<br />
15,39 . . . . . . . . . . . . 126<br />
16,1 . . . . . . . . . . 14, 19 f.<br />
17,31 . . . . . . . . . . . . 112<br />
18,2.18.26 . . . . . . . . 131<br />
18,26 . . . . . . . . . . . . 131<br />
19,10 . . . . . . . . . . . . . 36<br />
19,22 . . . . . . . . . . . . 131<br />
19,33 . . . . . . . . . . . . 127<br />
19,36 . . . . . . . . . . . . . 90<br />
20,4 . . . . . . . . . . . . . 131<br />
20,19.31 . . . . . . . . . . 18<br />
20,24 . . . . . . . . . . . . 121<br />
21,8 . . . . . . . . . . . . . 118<br />
21,29 . . . . . . . . . . . . 131<br />
22,3 . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
22,8.10 . . . . . . . . . . . 98<br />
24,16 . . . . . . . . . . . . . 19<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 134
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
24,25 . . . . . . . . . . . . 115<br />
28,15 . . . . . . . . . . . . . 18<br />
Römer<br />
1,2 . . . . . . . . . . . . . . 105<br />
1,16 . . . . . . . . . . . 25, 27<br />
1,21 . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
1,29–31 . . . . . . . . . . . 87<br />
2,15 . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
2,16 . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
2,20 . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
2,24 . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
2,28.29 . . . . . . . . . . . 91<br />
3,20 . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
5,1 . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
5,2 . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
5,5 . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
7,24 . . . . . . . . . . . . . 100<br />
8,29 . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
9,1 . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
10,17 . . . . . . . . . . . . 114<br />
11,13 . . . . . . . . . . . . . 30<br />
12 . . . . . . . . . . . . . . 22 f.<br />
12,1 . . . . . . . . . . . . . 120<br />
12,9 . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
15,19 . . . . . . . . . . . . . 23<br />
16,3 . . . . . . . . . . . . . 131<br />
16,23 . . . . . . . . . . . . 131<br />
1. Korinther<br />
2,12.13 . . . . . . . . . . 103<br />
2,13 . . . . . . . . . . . . . 106<br />
3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />
3,13 . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
4,3–5 . . . . . . . . . . . . 123<br />
4,17 . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
5,2 . . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
9,6 . . . . . . . . . . . . . . 126<br />
9,13 . . . . . . . . . . . . . 105<br />
9,25 . . . . . . . . . . . . . 122<br />
9,27 . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
12 . . . . . . . . . . . 22 f., 25<br />
12,4.21 . . . . . . . . . . . 23<br />
12,11 . . . . . . . . . . . . . 23<br />
14 . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
14,20 . . . . . . . . . . . . . 25<br />
15,1–4 . . . . . . . . . . . 117<br />
15,54 . . . . . . . . . . . . . 30<br />
16,19 . . . . . . . . . . . . 131<br />
2. Korinther<br />
1,12 . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
4,1.2. . . . . . . . . . . . . .98<br />
5,7 . . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
5,10 . . . . . . . . . . . . . 113<br />
5,11 . . . . . . . . . . . . . 113<br />
5,15 . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
6,2 . . . . . . . . . . . . . . 115<br />
6,6 . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
11,23–28 . . . . . . . . . . 99<br />
12,10 . . . . . . . . . . . . . 24<br />
12,15 . . . . . . . . . . . . . 99<br />
Galater<br />
1,4 . . . . . . . . . . . . . . 125<br />
2,4 . . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
2,7 . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
2,16 . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
4,29 . . . . . . . . . . . . . 101<br />
5,3 . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
5,22 . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
6,10 . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
6,18 . . . . . . . . . . . . . 132<br />
Epheser<br />
1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
1,11 . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
1,13 . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
1,14 . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
1,17 . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
2,4 . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
2,9 . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3,1 . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />
3,2 . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
3,10.11 . . . . . . . . . . . 28<br />
3,11 . . . . . . . . . . . . . . 98<br />
4 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />
4,8 . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
4,11 . . . . . . . . . . . . . 118<br />
4,12.13 . . . . . . . . . . . 22<br />
4,30 . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
5,32 . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
6,1 . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
6,19.20 . . . . . . . . . . . 31<br />
6,21 . . . . . . . . . . . . . 126<br />
6,24 . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
Philipper<br />
1,7 . . . . . . . . . . . . . . 128<br />
1,13 . . . . . . . . . . . . . 129<br />
1,23 . . . . . . . . . . . . . 122<br />
2,15.16 . . . . . . . . . . 119<br />
2,17 . . . . . . . . . . . . . 120<br />
2,22 . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
2,25–28 . . . . . . . . . . 131<br />
3 . . . . . . . . . . . . 98, 121<br />
3,10 . . . . . . . . . . . . . 119<br />
3,13.14 . . . . . . . 98, 121<br />
3,14 . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
4,1 . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
4,7 . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
4,8 . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
4,9 . . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
4,22 . . . . . . . . . . . . . 129<br />
4,23 . . . . . . . . . . . . . 132<br />
Kolosser<br />
1,13 . . . . . . . . . . 27, 130<br />
1,20 . . . . . . . . . . . . . . 79<br />
1,23 . . . . . . . . . . . . . . 97<br />
1,25 . . . . . . . . . . . 33, 97<br />
3,4 . . . . . . . . . . . . . . 114<br />
3,15 . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
4,7 . . . . . . . . . . . . . . 126<br />
4,10 . . . . . . . . . . . . . 126<br />
4,14 . . . . . . . . . . . . 124 f.<br />
4,17 . . . . . . . . . . . . . 119<br />
1. Thessalonicher<br />
1,6 . . . . . . . . . . . . . . 101<br />
1,10 . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
2,9 . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
3,10 . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
4,7 . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
5,23 . . . . . . . . . . . . . 133<br />
2. Thessalonicher<br />
1,3 . . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
www.bibelkommentare.<strong>de</strong> 135
Ein Vermächtnis wird zum Appell (E.A.B.)<br />
Bibelstellenverzeichnis<br />
1,10 . . . . . . . . . . 32, 114<br />
2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
2,8 . . . . . . . . . . . 29, 113<br />
2,9–12 . . . . . . . . . . . 102<br />
2,14 . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
3,2 . . . . . . . . . . . . . . 100<br />
3,8 . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
1. Timotheus<br />
1,4 . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
1,5 . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
1,9 . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
1,11 . . . . . . . . . . . 12, 30<br />
1,12 . . . . . . . . . . . . . . 17<br />
1,18 . . . . . . . . . . . 13, 21<br />
1,20 . . . . . . . . . . . . 127 f.<br />
2,4 . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />
2,7 . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3,11 . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
3,13 . . . . . . . . . . . . . 106<br />
3,15 . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
3,16 . . . . . . . . . . . . . 101<br />
4,3 . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
4,7 . . . . . . . . . . . . . . 108<br />
4,14 . . . . . . . . 13, 21, 23<br />
5,18 . . . . . . . . . . . . . 106<br />
6,5 . . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
6,10 . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
6,11 . . . . . . . . . . . . . 109<br />
6,12 . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
6,14 . . . . . . . . . . 29, 113<br />
6,18 . . . . . . . . . . . . . . 90<br />
6,20 . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
6,21 . . . . . . . . . . . . . 121<br />
2. Timotheus<br />
1,5 . . . . . . . . . . . . . . 104<br />
1,6 . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
1,10 . . . . . . . . . . . . . 113<br />
2,2 . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3,8 . . . . . . . . . . . . . . 121<br />
4,1 . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
4,8 . . . . . . . . . . . 29, 113<br />
4,19 . . . . . . . . . . . . . 131<br />
Titus<br />
1,2 . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
1,6 . . . . . . . . . . . . . . . 91<br />
1,15 . . . . . . . . . . . . . . 95<br />
2,3 . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
2,4 . . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
2,11 . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
2,12 . . . . . . . . . . . . . . 25<br />
2,13 . . . . . . . . . . 29, 113<br />
3,2 . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
3,12 . . . . . . . . . . . . . 126<br />
Philemon<br />
1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
11. . . . . . . . . . . . . . .126<br />
24. . . . . . . . . . . . . . .124<br />
25. . . . . . . . . . . . . . .132<br />
Hebräer<br />
2,14 . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
3,1 . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
4,12 . . . . . . . . . . . . . 107<br />
4,16 . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
10,2 . . . . . . . . . . . . . . 19<br />
11,24 . . . . . . . . . . . . . 91<br />
12,2 . . . . . . . . . . . . . 122<br />
13,5 . . . . . . . . . . . . . . 87<br />
13,7 . . . . . . . . . . 98, 121<br />
Jakobus<br />
3,17 . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
5 . . . . . . . . . . . . . . . . 132<br />
5,14–16 . . . . . . . . . . 132<br />
1. Petrus<br />
1,13 . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
1,15 . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
1,16 . . . . . . . . . . . . . . 89<br />
1,20 . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
1,22 . . . . . . . . . . . . . . 20<br />
1,23 . . . . . . . . . . . . . 114<br />
2,9 . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
2,23 . . . . . . . 32, 98, 128<br />
3,9 . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
4,5 . . . . . . . . . . . . . . 112<br />
4,10 . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
4,12 . . . . . . . . . . . . . 102<br />
5,4 . . . . . . . . . . 113, 122<br />
5,5 . . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
5,8 . . . . . . . . . . . . . . 129<br />
5,10 . . . . . . . . . . . 15, 27<br />
5,12 . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
5,13 . . . . . . . . . . . . . 126<br />
2. Petrus<br />
1,11 . . . . . . . . . . . . . 130<br />
1,14 . . . . . . . . . . . . . 120<br />
1,21 . . . . . . . . . 107, 109<br />
2,5 . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
2,10–12 . . . . . . . . . . . 88<br />
3,3 . . . . . . . . . . . . . . 85 f.<br />
3,16 . . . . . . . . . . . . . 106<br />
1. Johannes<br />
2,16 . . . . . . . . . . . . . . 88<br />
2,18 . . . . . . . . . . . . . . 85<br />
2,20.27 . . . . . . . . . . . 35<br />
5,11 . . . . . . . . . . . . . . 13<br />
Judas<br />
3 . . . . . . . . . . . . 34, 121<br />
4 . . . . . . . . . . 86, 93, 96<br />
16. . . . . . . . . . . . . . . 117<br />
18 . . . . . . . . . . . . . . . . 86<br />
21 . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
Offenbarung<br />
2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
2,4 . . . . . . . . . . . . . 7, 36<br />
3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />
3,16 . . . . . . . . . . 91, 113<br />
12,9 . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
19,2 . . . . . . . . . . . . . 123<br />
19,11 . . . . . . . . . . . . 112<br />
20,2 . . . . . . . . . . . . . . 93<br />
20,11–15. . . . . . . . .113<br />
21,4 . . . . . . . . . . . . . . 29<br />
22,18.19 . . . . . . . . . . 35<br />
22,21 . . . . . . . . . . . . . 15<br />
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