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Vom ukrainischen DP zum heimatlosen Deutschen

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16 Anne-Kathrin Topp<br />

1949 ging man in Westdeutschland davon aus, dass es noch etwa 130.000 verbliebene <strong>DP</strong>s gab. 54<br />

Als die »westdeutsche Staatlichkeit nach Willen der Besatzungsmächte heranreifte« 55 , wurde am<br />

30.6.1950 auch die »sozialpolitische Restabwicklung des <strong>DP</strong>-Problems« 56 in die Obhut der deutschen<br />

Behörden übergeben. Die IRO stellte demzufolge ihre Arbeit 1951 auf deutschem Boden ein. 57 Mit<br />

dieser Änderung der Zuständigkeit wurde auch die Bezeichnung der displaced persons hinfällig. Der<br />

ehemals als <strong>DP</strong> bezeichnete Personenkreis wurde fortan von den deutschen Behörden heimatlose Ausländer<br />

genannt. Dies sollte auch einen Neubeginn mit den von kriegsbedingter Migration betroffenen<br />

Personen und einen besseren (internationalen) Umgang mit ihnen kennzeichnen. 58 Zumeist in Ausländerkasernen<br />

untergebracht lebten sie ausgeschlossen von einer politischen oder vollständig rechtlichen<br />

Teilhabe an der deutschen Gesellschaft oftmals nur von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe.<br />

Als heimatlose Ausländer »blieben [sie] Behandelte, Verwaltete, Verschobene – ihr displaced-Dasein<br />

reproduzierte sich ständig.« 59 Erst als den deutschen Behörden Mitte der 1950er Jahre klar wurde,<br />

dass der übriggebliebene hard core Westdeutschland nie verlassen würde, war man bemüht, diesen<br />

Personenkreis dauerhaft mit Sozialwohnungen und Erwerbsarbeit auszustatten. Dies bedeutete für<br />

die <strong>heimatlosen</strong> Ausländer jedoch nicht, dass sie die vollen Rechte und Pflichten eines deutschen<br />

Staatsbürgers erhielten. Am 25.4.1951 trat das Bundesgesetz über die Gleichstellung heimatloser Ausländer<br />

(siehe Anhang: Abbildung 2–4 auf S. 54–56) in Kraft, das ihnen sämtliche Vorrechte, die den<br />

ehemals reichsdeutschen Flüchtlingen eingeräumt wurden, ebenfalls zusprach. Eine Gleichstellung<br />

mit deutschen Staatsbürgern erfolgte jedoch lediglich bezüglich des Eigentumserwerbs, der Freizügigkeit,<br />

des Schulwesens, der Sozial- und Arbeitslosenversicherung, der Arbeitsfürsorge und der öffentlichen<br />

Fürsorge. Eine fremd motivierte Ausweisung außer Landes war fortan unmöglich. In einem<br />

breit angelegten Lagerräumungsprogramm von 1959/1960 wurden die meisten Ausländerkasernen<br />

geschlossen und ihre Bewohner in Sozialwohnungen umquartiert. Die <strong>zum</strong>eist im Nachkriegsdeutschland<br />

geborenen und zu dem Zeitpunkt fast volljährigen Kinder der ehemaligen <strong>DP</strong>s erlernten<br />

Berufe und heirateten deutsche Staatsbürger. Somit vermischte sich bei der Kindergeneration ab den<br />

1960er/1970er Jahren deren Lebensmodell eines »typischen« <strong>heimatlosen</strong> Ausländers mehr und<br />

mehr mit dem der deutschen Mehrheitsgesellschaft.<br />

54 Vgl. Jacobmeyer, Wolfgang (1985), S. 226.<br />

55 Ebd. S. 203.<br />

56 Ebd. S. 16.<br />

57 Die IRO existierte bis 1953 und wurde dann vom Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen abgelöst.<br />

Dieser war auch weiterhin für die finanzielle Versorgung der »Rest-<strong>DP</strong>s« von Bedeutung. Vgl. Ciuciura, Theodore<br />

Bohdan (1986), S. 66, in: Jahrbuch der Ukrainekunde (1986), S. 64–85.<br />

58 Zur »prozessualen« Bildung des Begriffes heimatloser Ausländer vgl. Jacobmeyer, Wolfgang (1985), S. 230.<br />

59 Vögel, Bernhild/ Ehrhardt, Andreas (1994), S. 196.

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