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Vom ukrainischen DP zum heimatlosen Deutschen

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<strong>Vom</strong> <strong>ukrainischen</strong> <strong>DP</strong> <strong>zum</strong> <strong>heimatlosen</strong> <strong>Deutschen</strong> 45<br />

Betroffenen der ersten Generation zwar durch die später erworbene Staatsbürgerschaft zu offiziellen<br />

<strong>Deutschen</strong> wurden, jedoch ohne räumliche und soziale Heimat blieben. Überspitzt könnte man sie<br />

als heimatlose Deutsche betrachten, die in der deutschen Mehrheitsgesellschaft weder sozial noch<br />

kulturell Anschluss fanden. Ihre Heimat verorteten sie dort, wo sich der enge Familien- und Freundeskreis<br />

befand, dem sie sich zugehörig und in dem sie sich geborgen fühlten.<br />

Die Kinder der ersten Generation jedoch befanden sich in einer anderen Situation. Diese wurden in<br />

die für ihre Eltern fremde Welt, die Bundesrepublik Deutschland, hineingeboren und wuchsen dort<br />

auf. Sie kannten die Ukraine nur aus den Erinnerungen und Erzählungen der Eltern und vielleicht,<br />

wie im Fall von Karina Bauer, durch das Mitwirken in Organisationen von Exilukrainern, was ihr<br />

politisches und kulturelles Bewusstsein für die Ukraine sensibilisierte. Auf dem Papier galten sie<br />

ebenso als heimatlose Ausländer wie ihre Eltern. Doch nahm ihre Sozialisierung spätestens mit Eintritt<br />

in die Volksschule eine erkennbare deutsche Färbung an. Westdeutschland wurde ab dem Zeitpunkt<br />

zu ihrer sozialen und später auch zu ihrer kulturell dominanten Heimat. Erst mit der Unabhängigkeit<br />

der Ukraine 1991 und der Kontaktintensivierung zu den eigenen Familien und Verwandten vor<br />

Ort musste sich die zweite Generation erneut die Frage stellen, wohin sie gehört. Fühlte sich die<br />

Kindergeneration der <strong>heimatlosen</strong> Ausländer eher deutsch oder ukrainisch? Spätestens der politische<br />

Umbruch in der Ukraine und die sich daraus ergebenden Chancen setzten eine Selbstbefragung in<br />

Bezug auf die eigene ethnische und kulturelle Identität in Gang.<br />

Zusammenfassend lässt sich deshalb sagen, dass der Entwicklungsprozess der Eltern als heimatlose<br />

Ausländer in Westdeutschland und der ihrer Kinder entgegengesetzt verlief. Anfangs suchten die<br />

Eltern nach ihrem Platz, fanden sich jedoch zwei Jahrzehnte später mit der Situation ab, zogen sich<br />

zurück und lebten in ihrer eigenen, aus der Vergangenheit geprägten Welt. Ihre Kinder dagegen<br />

lavierten zwischen zwei Welten – der <strong>ukrainischen</strong> Kasernenwelt und der deutschen Schulwelt. Sie<br />

wurden so in örtliche und landestypische Strukturen (West-)Deutschlands eingebunden und hatten<br />

ihren festen Platz in der deutschen Gesellschaft. Ihren <strong>ukrainischen</strong> Familienhintergrund vergaßen<br />

sie dabei zwar nicht, jedoch entsprach dieser eher einer Illusion der geglaubten Heimat und hatte<br />

wenig Einfluss auf die Handlungen der jungen Generation. Erst mit dem Umbruch in der Ukraine<br />

1991 bekam er eine identitätsstiftende Funktion und die zweite Generation begab sich auf Heimatsuche.<br />

Ihre soziale Heimat konnte sie schnell bestimmen, bei der Festlegung bezüglich der kulturellen<br />

Heimat ist bei manchen bis heute keine abschließende Entscheidung gefallen.

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