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Vom ukrainischen DP zum heimatlosen Deutschen

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<strong>Vom</strong> <strong>ukrainischen</strong> <strong>DP</strong> <strong>zum</strong> <strong>heimatlosen</strong> <strong>Deutschen</strong> 29<br />

wohnte. 107 Die Töchter besuchten ihre Eltern in Rautheim, ein Gegenbesuch blieb lange Zeit aber<br />

unmöglich. Später folgten auch Lera aus England und Raissa aus Kanada dem Beispiel ihrer ältesten<br />

Schwestern und siedelten in die USA über.<br />

Wie bereits erwähnt veranstaltete die IRO spezielle Auswanderungskurse für die Betreffenden. So<br />

fand unter ihrer Organisation auch ein Kursprogramm in der Landwirtschaftsschule in Moringen<br />

(Niedersachsen) statt, um Auswanderungswillige auf die Erwerbsarbeit im Aufnahmeland vorzubereiten.<br />

Wer einen solchen Qualifizierungskurs besuchte, erhöhte seine Aussichten auf eine Einreisegenehmigung.<br />

Grigorij Kolanko absolvierte 1949 einen solchen Kurs, folgte seinen Schwestern<br />

jedoch nie. Erst 1980 besuchte er seine Schwester Krystyna in den USA. Er wäre nach eigener Aussage<br />

gern dageblieben, wenn seine damalige Frau die Entscheidung geteilt hätte und er nicht eine<br />

sichere Arbeitsstelle bei Volkswagen (VW) gehabt hätte. 108<br />

4.3.3. Roman Rybak<br />

Roman Rybak besuchte 1947 das UNRRA Welfare Aides Training Centre for Displaced Persons<br />

in Neustadt, um gezielt auf seine Auswanderung in die USA vorbereitet zu werden. Zweimal war<br />

er im Auswanderungslager in Wentorf bei Hamburg untergebracht. Das erste Mal wurde sein Auswanderungsgesuch<br />

um 1950 ohne Begründung abgelehnt. Er wurde jedoch für mehrere Monate in<br />

ein Sanatorium geschickt, um sich ärztlich behandeln zu lassen und bewarb sich ein zweites Mal als<br />

Auswanderungskandidat. Diesmal wurde der Antrag wegen Lungenproblemen abgelehnt. Es war<br />

das letzte Mal, dass er sich selbst um eine Auswanderung bemühte. Von Wentorf siedelte Roman<br />

Rybak 1950/1951 endgültig nach Braunschweig über. Sein ukrainischer Weggefährte Wadim Kuzma,<br />

den er seit der Besetzung der Zuckerfabrik in Schwanebeck kannte, emigrierte später nach Kanada<br />

und wurde dort Pastor. Durch persönliche Kontakte wollte er Roman Rybak die Ausreise nach<br />

Kanada ermöglichen. Bevor die Emigration seines Freundes möglich werden konnte, verunglückte<br />

er tödlich bei einem Autounfall. Trotz der erfolglosen Emigrationsversuche erlernte Roman Rybak<br />

eifrig mithilfe eines Lehrbuches die englische Sprache. Als er dieses durchgearbeitet hatte und weitere<br />

Lernmaterialien ausblieben, ergänzte er das Lehrbuch um zahlreiche Redewendungen und legte<br />

handschriftlich Vokabellisten an.<br />

4.4. Leben abseits der deutschen Gesellschaft<br />

Als heimatlose Ausländer bekam eine Familie in der Regel ein Zimmer in einem der sieben Blöcke<br />

der Roselieskaserne zugewiesen. Anfangs auf ein Zimmer beschränkt, war es größeren Familien<br />

später möglich auch zwei Zimmer zu bekommen. Der enge Raum bot kaum Privatsphäre für die Mitglieder<br />

einer Familie und ihre Bedürfnisse. Die Zimmer verfügten nicht über fließendes Wasser und<br />

eine Toilette gab es lediglich auf dem Flur. Gebadet wurde in der Waschschüssel im eigenen Zimmer.<br />

Oftmals lebten die Familien von staatlicher Fürsorge, da die Eltern arbeitslos oder wegen Krankheit<br />

arbeitsunfähig waren. Von den Behörden gewollt oder von den Betroffenen selbst gewählt lebten die<br />

<strong>heimatlosen</strong> Ausländer abseits der deutschen Gesellschaft und pflegten in der Regel hauptsächlich<br />

Kontakte zu anderen Kasernenbewohnern gleicher Herkunft. Viele der <strong>ukrainischen</strong> <strong>heimatlosen</strong> Ausländer<br />

waren griechisch-katholischen oder russisch-orthodoxen Glaubens und besuchten wöchentlich<br />

mit ihren Kindern den Gottesdienst. Einmal im Monat kam ein Priester aus der größeren <strong>ukrainischen</strong><br />

Gemeinde in Hannover <strong>zum</strong> ukrainischsprachigen Gottesdienst nach Rautheim.<br />

4.4.1. Roman Rybak<br />

Um 1950 siedelte Roman Rybak in die Roselieskaserne in Rautheim um. Er bewohnte ein Zimmer im<br />

Block V, der infolge der schweren Bombenangriffe auf Braunschweig im Oktober 1944 noch immer<br />

107 Ihre Auswanderung könnte auch bereits 1952 stattgefunden haben. Grigorij Kolanko war sich nicht sicher, hatte<br />

jedoch keine Überprüfungsmöglichkeit. Vgl. Interview mit Grigorij Kolanko (3).<br />

108 Vgl. Interview mit Grigorij Kolanko (2).

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