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Eric Voegelins Politische Religionen. Kontexte und Kontinuitäten

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zeugung, dass die Welt prinzipiell wissenschaftlich erkennbar sei,<br />

wofür wiederum eine „Gr<strong>und</strong>wissenschaft“ angeführt wurde, die mit<br />

dem Anspruch auftrat, das gesellschaftliche Sein in seiner Gesamtheit<br />

erklären zu können. Auf diesem F<strong>und</strong>ament entstand nun ein<br />

„geschlossenes dogmatisches Gebäude“, von dem aus konkurrierende<br />

Weltanschauungen als „unwissenschaftlich“ zurückgewiesen<br />

wurden. Aufgefüllt mit „emotional geladenen Inhalten“ entwickelte<br />

sich die politische Weltanschauung – so Voegelin – hin zu einem<br />

„Religionssystem“.<br />

„Die Weltanschauung knüpft an eine das Gemüt ergreifende Tatsache<br />

an, z.B. an die Lage des Arbeiters in der bürgerlich-kapitalistischen<br />

Gesellschaft, <strong>und</strong> webt um sie herum das Gespinst ihrer<br />

Dogmen: Sie hat ihren Gott – die Klasse, ihren Teufel – den Bourgeois,<br />

ihren Propheten <strong>und</strong> Erlöser – Marx <strong>und</strong> Lenin, ihre Bibel –<br />

‚das Kapital’, ihren jüngsten Tag – die Revolution, ihr Paradies – in<br />

der klassenlosen Gesellschaft. Sie ist eine gottverschlossene Dämonologie,<br />

aber sie erklärt ihren Gläubigen das Böse in der Welt, sie<br />

gibt ihnen seelisch die Hoffnung auf die Erlösung von dem Übel,<br />

<strong>und</strong> sie zeigt ihnen den Weg in ihr Himmelreich. Der religiöse Charakter<br />

der politischen Weltanschauung muss in seiner ganzen Tragweite<br />

erfasst werden, damit nicht Missverständnisse der Art<br />

entstehen, als ob durch Aufklärung über die ‚Irrtümer des Marxismus’<br />

oder durch politische Maßnahmen das Problem, das durch den<br />

Dämonenglauben breiter Volksschichten aufgeworfen wird, gelöst<br />

werden könnte: der Kern der Frage ist religiöser Natur.“ 27<br />

Obwohl sich Voegelin in diesem Aufsatz auf den „wissenschaftlichen<br />

Sozialismus“ bezieht – vermutlich weil dieser das geistige<br />

Klima der Wiener Volkshochschulen in jener Zeit am stärksten bestimmte<br />

–, wird deutlich, dass dieser nur als Beispiel für andere<br />

Varianten desselben Typus politischer Weltanschauungen steht.<br />

„In Weltanschauungen, die politisch so weit auseinanderklaffen, wie<br />

die materialistische Geschichtsauffassung <strong>und</strong> die politische Rassentheorie,<br />

wie das liberal-ökonomische Weltbild <strong>und</strong> der soziologische<br />

Relativismus, lebt doch die gleiche geistige Bewegungsform,<br />

die im Positivismus des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ihre Wurzeln hat.“ 28<br />

In den <strong>Politische</strong>n <strong>Religionen</strong> wird Voegelin bald darauf denselben<br />

Ansatz auf die faschistischen <strong>und</strong> nationalsozialistischen Bewegun-<br />

27 Ebd., S. 598 (Hervorh. PJO).<br />

28 Ebd.

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