04.01.2014 Aufrufe

Eric Voegelins Politische Religionen. Kontexte und Kontinuitäten

Eric Voegelins Politische Religionen. Kontexte und Kontinuitäten

Eric Voegelins Politische Religionen. Kontexte und Kontinuitäten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

42<br />

wiederfindet. In den ausgewählten Zitaten zeichnet Voegelin nun die<br />

Sequenz der seelischen Stimmungen nach, in denen sich – im personalen<br />

Verb<strong>und</strong> – das neue Reich aufbaut: ausgehend von der Gr<strong>und</strong>erregung<br />

der kreatürlichen Verlassenheit, über das Aufgehen der<br />

Einzelseele im „Ganzen“ des Volkes <strong>und</strong> des Reiches, über die Not<br />

des Volkes <strong>und</strong> die Erfahrung des Kampfes, über die „Stufen der<br />

Taterregung“ <strong>und</strong> der Entspannung im Blutrausch. Und über allem<br />

steht die einsame Figur des vom Schicksal auserwählten Führers.<br />

Wir werden noch sehen, dass sich Voegelin gegen die Kritik wenden<br />

wird, sich mit den <strong>Politische</strong>n <strong>Religionen</strong> nur unzureichend am<br />

„ethischen Abwehrkampf“ gegen den Nationalsozialismus zu beteiligen<br />

<strong>und</strong> es an der Entschiedenheit des Urteils <strong>und</strong> der Verurteilung<br />

vermissen zu lassen. Dagegen führen gerade die Schlusspassagen<br />

über die politische Lyrik Schumanns überzeugend vor Augen, dass<br />

ethische Argumente, so wichtig <strong>und</strong> bedeutsam sie auch sein mögen,<br />

an der hier dargestellten seelischen Haltung abprallen. Der weitere<br />

Verlauf der Geschichte des Dritten Reiches <strong>und</strong> weit über diese hinaus<br />

hat dies eindrücklich bestätigt <strong>und</strong> damit auch die Mahnung<br />

<strong>Voegelins</strong>, dass es zunächst <strong>und</strong> vorrangig darum gehen müsse, das<br />

Phänomen, mit dem man konfrontiert war <strong>und</strong> das es zu bekämpfen<br />

galt, in seinem Wesen, nämlich als ein Religiöses zu verstehen –, um<br />

erst dann, auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses Verständnisses, die geeigneten<br />

Gegenstrategien zu entwerfen.<br />

Die oben kurz zitierten Vorwürfe lenken den Blick auf eine weitere<br />

Dimension der <strong>Politische</strong>n <strong>Religionen</strong>. Wenn wir den an historischen<br />

Beispielen geführten Nachweis einer durchgängigen Präsenz des<br />

Religiösen in der Gemeinschaftsbildung als eine erste Argumentationsebene<br />

begreifen <strong>und</strong> in dem in diesen Beispielen sich abzeichnenden<br />

Prozess in Richtung auf die „innerweltlichen Gemeinschaften“<br />

eine zweite Ebene sehen, so wäre dies nun eine dritte Argumentationsebene.<br />

Es ist jene Ebene, in der Voegelin seine eigene<br />

Bewertung der Phänomene, um die es geht, zum Ausdruck bringt.<br />

Dass gerade sie von vielen Interpreten in ihrer Bedeutung übersehen<br />

oder vernachlässigt wurde, mag darauf zurückzuführen sein, dass sie<br />

zwar den ganzen Text durchzieht, aber doch erst im „Epilog“ voll<br />

sichtbar wird, allerdings auch hier nicht systematisch entwickelt<br />

wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!