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PDF Download - b:sl Beruf-Schulleitung

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:Thema Inklusive Architektur<br />

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und dem Schulgebäude, das System und das Gebäude verschmelzen<br />

sowohl im Sprachgebrauch als auch in der Wahrnehmung. Das Lernen<br />

hat immer einen Ort, nimmt Raum ein, hat ein Zuhause.<br />

Architektur bildet Vorstellungen von Bildung und Erziehung ab.<br />

Sie übersetzt diese in gebauten Raum. Sollten unsere zivilisatorischen<br />

Überreste nach 5000 Jahren ausgegraben werden, so ließen sich anhand<br />

unseren Bauwerken Bildungsideale und Ordnungsvorstellungen<br />

deuten.<br />

Die demokratischen Bauten der siebziger und die altehrwürdigen<br />

Gymnasien der Kleinstadt sind hierfür sicher prägnante Beispiele. Für<br />

den Außenstehenden wirkt die erzieherische Aussage einer Schule im<br />

Vorbeigehen: Wie oft sieht man ein Schulgebäude und schließt auf die<br />

Qualität der dort gebotenen Bildung?<br />

Aus dem Schulprogramm erwächst der Anspruch an den Raum.<br />

Natürlich hat eine berufsvorbereitende Schule mehr Räume für den<br />

praktischen Unterricht, seien es Computerräume oder Werkstätten.<br />

Viele Schulen scheinen auf den ersten Blick ohne ein besonderes<br />

Raumprogramm auszukommen. Zu lange hatte der Frontalunterricht<br />

ein Raumkonzept herausgebildet, eine Tafel, das wuchtige Lehrerpult<br />

und genügend Tische und Stühle für 30 Schüler reichten aus. Für offene<br />

Unterrichtsformen sind diese Räume selbstredend nicht geeignet,<br />

selbst das verschieben der Tische für Gruppenarbeit stellt den Unterricht<br />

im 45-Minuten-Takt vor eine Herausforderung: Schon wieder Tische<br />

hin- und herschieben? Unglücklich, dass eben solche Räume zum<br />

Lebensmittelpunkt von Jugendlichen werden.<br />

Schulen mit neuen Unterrichtskonzepten haben auffallende Raumkonzepte.<br />

So kommt die Bielefelder Laborschule ganz ohne Klassenräume<br />

aus. Förderschulen bieten in der Regel mehr Platz für weniger<br />

Kinder, eine Förderschule für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigen<br />

benötigt Pflegeräume, die im besten Falle nicht funktional, sondern<br />

liebevoll gestaltet sind. Standdardmäßig lassen Gruppenräume individuelle<br />

Förderung zu.<br />

Die meisten Förderschulen, besonders die für Kinder mit geistigen<br />

und körperlichen Behinderungen, sind hervorragend ausgestattet. Sie<br />

bieten Kindern und Jugendlichen ein angemessenes Umfeld und dieses<br />

beschränkt sich eben nicht nur auf ein paar zusätzliche Behindertentoiletten.<br />

Sie bieten Flächen zum Spielen, Toben, Kochen und Basteln. Sie<br />

hüllen Flure in spannendes Licht und strahlen Wärme aus.<br />

Diese Schulgebäude aufzugeben, bedeutet Qualität zu verlieren.<br />

Viele Kinder würden also architektonisch einen Rückschritt erleben.<br />

Braucht Unterricht eigentlich Raum? Dazu passt das Bild, in dem<br />

der griechische Philosoph unter dem Olivenbaum seinen wenigen<br />

Schülern anhand eines Kiesels die Welt erklärt und ein paar flüchtige<br />

Striche mit dem Finger in den Sand zeichnet. Auch hier hat das<br />

Lernen den richtigen Ort. Der Olivenbaum spendet dem Philosphen<br />

Schatten, und die ruhige See übertont das Wort des Meisters nicht,<br />

der Sand ist das Schreibgerät, die Natur reich als Anschauungsmaterial.<br />

Die Situation ermöglicht auf jeden Schüler angemessen einzugehen.<br />

Raum und Pädagogik gehören zusammen, sie unterstützen und<br />

bedingen sich.<br />

Pädagogische Architektur regt das Lernen an. Der „Raum als<br />

dritter Pädagoge” erhält zurzeit zunehmend Aufmerksamkeit. Der<br />

Dreiklang geht so: Der Lehrer ist der erste, die Schüler der zweite und<br />

der Raum der dritte Pädagoge. Gelungene Architektur leistet einen<br />

Beitrag zur Pädagogik und im Umkehrschluss benötigt Bildung gute<br />

Architektur.<br />

Inklusion ist eine wichtige Aufgabe, die zurzeit erst einmal strukturell<br />

gelöst wird. In einigen Städten werden Förderschulen bereits<br />

nach und nach aufgelöst. Strukturelle Lösungen bedeuten, dass Regelschulen<br />

Kinder mit Förderbedarf aufnehmen und Sonderschullehrer<br />

im Unterricht dieser Schulen mitwirken.<br />

Welche baulichen Antworten die Länder finden wollen, ist noch<br />

nicht beantwortet. Lediglich Hinweise finden sich, wenn von Seiten der<br />

Schulträger dargestellt wird, dass auch bauliche Maßnahmen notwendig<br />

werden, wenn man es mit der Inklusion ernst meint.<br />

Schulen stehen somit vor dem Problem, dass ihre Gebäude für die<br />

Aufnahme von Kindern mit besonderem Förderbedarf oft nicht geeignet<br />

sind und es an Notwendigem fehlt. Die Forderung, dass kein Kind<br />

noch länger von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen werden<br />

soll, ist richtig. In naher Zukunft muss aber die Frage nach räumlichen<br />

Veränderungen dringend beantwortet werden.<br />

Wie soll ein Kind im Liegerollstuhl am Unterricht teilhaben, wie<br />

wird man einem Kind gerecht, dass blind ist? Natürlich hat ein Kind,<br />

das einen erhöhten Pflegebedarf aufweist, das Recht, die örtliche<br />

Grundschule zu besuchen. Aber wie, wenn Pflegeräume fehlen? Und<br />

trotzdem, nur durch Pflegeräume Chancengleichheit ermöglichen zu<br />

wollen, ist zu kurz gedacht. Vielmehr muss das Schulgebäude Angebote<br />

für Alle bereit stellen, Möglichkeiten bieten und sollte einen auffordernden<br />

Charakter haben.<br />

Von der Chinesischen Mauer stammt ein schönes Beispiel, dass an<br />

dieser Stelle genannt werden soll. Dem amerikanischen Rollstuhlfahrer<br />

gelingt es, diese zu besuchen, weil ihn hilfsbereite Einheimische wie<br />

selbstverständlich die unzähligen Stufen hinauftragen. Die inklusive<br />

Gesellschaft beginnt im Kopf.<br />

Für die inklusive Regelschule wird es eine allumfassende Lösung<br />

erst einmal nicht geben. Aber den Rat, sich an der Qualität der Förderschulen<br />

zu orientieren. Für die Schule im Ort, auf die das Thema<br />

Inklusion zurollt, zählen die kleinen Schritte. Die innere Haltung,<br />

individuelle Lösungen abgestimmt auf einzelne Schüler, erste notwendige<br />

bauliche Anpassungen und das große Ziel, die Schule der<br />

Zukunft zu einem anregenden Lernort und zu einer Schule für Alle<br />

weiterzuentwickeln.<br />

Autorin: Elke Maria Alberts • Fotos: Peter Wehowsky<br />

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b:<strong>sl</strong> 03:2012

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