PDF Download - b:sl Beruf-Schulleitung
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:Thema Inklusive Architektur<br />
17<br />
und dem Schulgebäude, das System und das Gebäude verschmelzen<br />
sowohl im Sprachgebrauch als auch in der Wahrnehmung. Das Lernen<br />
hat immer einen Ort, nimmt Raum ein, hat ein Zuhause.<br />
Architektur bildet Vorstellungen von Bildung und Erziehung ab.<br />
Sie übersetzt diese in gebauten Raum. Sollten unsere zivilisatorischen<br />
Überreste nach 5000 Jahren ausgegraben werden, so ließen sich anhand<br />
unseren Bauwerken Bildungsideale und Ordnungsvorstellungen<br />
deuten.<br />
Die demokratischen Bauten der siebziger und die altehrwürdigen<br />
Gymnasien der Kleinstadt sind hierfür sicher prägnante Beispiele. Für<br />
den Außenstehenden wirkt die erzieherische Aussage einer Schule im<br />
Vorbeigehen: Wie oft sieht man ein Schulgebäude und schließt auf die<br />
Qualität der dort gebotenen Bildung?<br />
Aus dem Schulprogramm erwächst der Anspruch an den Raum.<br />
Natürlich hat eine berufsvorbereitende Schule mehr Räume für den<br />
praktischen Unterricht, seien es Computerräume oder Werkstätten.<br />
Viele Schulen scheinen auf den ersten Blick ohne ein besonderes<br />
Raumprogramm auszukommen. Zu lange hatte der Frontalunterricht<br />
ein Raumkonzept herausgebildet, eine Tafel, das wuchtige Lehrerpult<br />
und genügend Tische und Stühle für 30 Schüler reichten aus. Für offene<br />
Unterrichtsformen sind diese Räume selbstredend nicht geeignet,<br />
selbst das verschieben der Tische für Gruppenarbeit stellt den Unterricht<br />
im 45-Minuten-Takt vor eine Herausforderung: Schon wieder Tische<br />
hin- und herschieben? Unglücklich, dass eben solche Räume zum<br />
Lebensmittelpunkt von Jugendlichen werden.<br />
Schulen mit neuen Unterrichtskonzepten haben auffallende Raumkonzepte.<br />
So kommt die Bielefelder Laborschule ganz ohne Klassenräume<br />
aus. Förderschulen bieten in der Regel mehr Platz für weniger<br />
Kinder, eine Förderschule für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigen<br />
benötigt Pflegeräume, die im besten Falle nicht funktional, sondern<br />
liebevoll gestaltet sind. Standdardmäßig lassen Gruppenräume individuelle<br />
Förderung zu.<br />
Die meisten Förderschulen, besonders die für Kinder mit geistigen<br />
und körperlichen Behinderungen, sind hervorragend ausgestattet. Sie<br />
bieten Kindern und Jugendlichen ein angemessenes Umfeld und dieses<br />
beschränkt sich eben nicht nur auf ein paar zusätzliche Behindertentoiletten.<br />
Sie bieten Flächen zum Spielen, Toben, Kochen und Basteln. Sie<br />
hüllen Flure in spannendes Licht und strahlen Wärme aus.<br />
Diese Schulgebäude aufzugeben, bedeutet Qualität zu verlieren.<br />
Viele Kinder würden also architektonisch einen Rückschritt erleben.<br />
Braucht Unterricht eigentlich Raum? Dazu passt das Bild, in dem<br />
der griechische Philosoph unter dem Olivenbaum seinen wenigen<br />
Schülern anhand eines Kiesels die Welt erklärt und ein paar flüchtige<br />
Striche mit dem Finger in den Sand zeichnet. Auch hier hat das<br />
Lernen den richtigen Ort. Der Olivenbaum spendet dem Philosphen<br />
Schatten, und die ruhige See übertont das Wort des Meisters nicht,<br />
der Sand ist das Schreibgerät, die Natur reich als Anschauungsmaterial.<br />
Die Situation ermöglicht auf jeden Schüler angemessen einzugehen.<br />
Raum und Pädagogik gehören zusammen, sie unterstützen und<br />
bedingen sich.<br />
Pädagogische Architektur regt das Lernen an. Der „Raum als<br />
dritter Pädagoge” erhält zurzeit zunehmend Aufmerksamkeit. Der<br />
Dreiklang geht so: Der Lehrer ist der erste, die Schüler der zweite und<br />
der Raum der dritte Pädagoge. Gelungene Architektur leistet einen<br />
Beitrag zur Pädagogik und im Umkehrschluss benötigt Bildung gute<br />
Architektur.<br />
Inklusion ist eine wichtige Aufgabe, die zurzeit erst einmal strukturell<br />
gelöst wird. In einigen Städten werden Förderschulen bereits<br />
nach und nach aufgelöst. Strukturelle Lösungen bedeuten, dass Regelschulen<br />
Kinder mit Förderbedarf aufnehmen und Sonderschullehrer<br />
im Unterricht dieser Schulen mitwirken.<br />
Welche baulichen Antworten die Länder finden wollen, ist noch<br />
nicht beantwortet. Lediglich Hinweise finden sich, wenn von Seiten der<br />
Schulträger dargestellt wird, dass auch bauliche Maßnahmen notwendig<br />
werden, wenn man es mit der Inklusion ernst meint.<br />
Schulen stehen somit vor dem Problem, dass ihre Gebäude für die<br />
Aufnahme von Kindern mit besonderem Förderbedarf oft nicht geeignet<br />
sind und es an Notwendigem fehlt. Die Forderung, dass kein Kind<br />
noch länger von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen werden<br />
soll, ist richtig. In naher Zukunft muss aber die Frage nach räumlichen<br />
Veränderungen dringend beantwortet werden.<br />
Wie soll ein Kind im Liegerollstuhl am Unterricht teilhaben, wie<br />
wird man einem Kind gerecht, dass blind ist? Natürlich hat ein Kind,<br />
das einen erhöhten Pflegebedarf aufweist, das Recht, die örtliche<br />
Grundschule zu besuchen. Aber wie, wenn Pflegeräume fehlen? Und<br />
trotzdem, nur durch Pflegeräume Chancengleichheit ermöglichen zu<br />
wollen, ist zu kurz gedacht. Vielmehr muss das Schulgebäude Angebote<br />
für Alle bereit stellen, Möglichkeiten bieten und sollte einen auffordernden<br />
Charakter haben.<br />
Von der Chinesischen Mauer stammt ein schönes Beispiel, dass an<br />
dieser Stelle genannt werden soll. Dem amerikanischen Rollstuhlfahrer<br />
gelingt es, diese zu besuchen, weil ihn hilfsbereite Einheimische wie<br />
selbstverständlich die unzähligen Stufen hinauftragen. Die inklusive<br />
Gesellschaft beginnt im Kopf.<br />
Für die inklusive Regelschule wird es eine allumfassende Lösung<br />
erst einmal nicht geben. Aber den Rat, sich an der Qualität der Förderschulen<br />
zu orientieren. Für die Schule im Ort, auf die das Thema<br />
Inklusion zurollt, zählen die kleinen Schritte. Die innere Haltung,<br />
individuelle Lösungen abgestimmt auf einzelne Schüler, erste notwendige<br />
bauliche Anpassungen und das große Ziel, die Schule der<br />
Zukunft zu einem anregenden Lernort und zu einer Schule für Alle<br />
weiterzuentwickeln.<br />
Autorin: Elke Maria Alberts • Fotos: Peter Wehowsky<br />
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b:<strong>sl</strong> 03:2012