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PDF Download - b:sl Beruf-Schulleitung

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:Titelthema Wie weit ist die Selbstständige Schule?<br />

Personal annehmen und entlassen, aber nach den Kriterien des KMs.<br />

Kostentechnisch kannten wir ein Deklarationssystem. Wir hatten das<br />

Geld also nicht selbst auf dem Konto, sondern die finanzielle Mittel<br />

lagen beim Kultusministerium unter Aufsicht. Dieses Deklarationssystem<br />

führte dazu, dass Schulen regelmäßig ihre Budgets überschritten<br />

und das Ministerium die finanziellen Löcher stopfen musste. Es wurde<br />

also jährlich teurer. Ein wichtiger und pragmatischer Grund um Schulen<br />

mit der Lump-Sum-Regelung selbst Budgetverantwortung zu übertragen.<br />

Fortan gab es feste Budgets und keine finanzielle Unterstützung<br />

bei Nichteinhalten der finanzielle Grenzen.<br />

In den 70er und 80er Jahren wurde an niederländische Schulen viel<br />

experimentiert mit neuen didaktischen Konzepten und Methoden. Das<br />

Leitbild der Schule wurde wichtig. Das Schülercoachingsystem wurde<br />

eingeführt und weiterentwickelt. Binnendifferenzierung wurde wichtig<br />

da Schüler an vielen Schulen bis zum 15. Lebensjahr in heterogenen<br />

Gruppen unterrichtet wurden. Neue Fächer wurden eingeführt und existierende<br />

Fächer wurden zusammengefügt zu Fachbereichen. Die Schule<br />

als Ganzes – als System – stand im Mittelpunkt der Veränderung. Das<br />

Kultusministerium führte viele Projekte ein, für die Schulen sich auf<br />

freiwilliger Basis anmelden konnten. Sie bekamen dazu neben Funktionsstellen<br />

und Fortbildung auch Systemcoaching, um die Anpassung<br />

an und den Transfer in die eigene Schule entsprechend zu gestalten.<br />

Für uns Schulleiter lag am Anfang der Fokus auf dem Inhaltlichen.<br />

Führung fand nebenbei in Gesamtkonferenzen und zwischen Tür und<br />

Angel statt. Bis wir dann konfrontiert wurden mit der Tatsache, dass<br />

viele Erneuerungen wenig durchdacht waren und nicht auf ihre benötigten<br />

Rahmenbedingungen abgeklopft. Viele Veränderungsprojekte<br />

drohten zu versanden. Es wurde langsam deutlich, dass Innovationen<br />

auch eine bestimmte Organisationsform in Schulen brauchten und dass<br />

Schulen dazu nicht ausreichend organisiert waren. Kernpunkt war die<br />

fehlende und unverbindliche Zusammenarbeit zwischen den KollegInnen.<br />

Unser Job wurde es, die Organisation der Schule so zu verändern,<br />

dass das Kollegium lernen musste, untereinander mehr zusammen<br />

zu arbeiten. Viele unserer Fortbildungen und Coachings zielten auf<br />

die Entwicklung und Umsetzung einer passende Organisationstruktur<br />

und -kultur. Mühsame Arbeit, die von den meisten von uns ein Umdenken<br />

und ein verändertes Rollenverständnis erforderten.<br />

Auf der anderen Seite wurde uns langsam deutlich, dass Schulentwicklung<br />

auch ein Politikum war, das der politischen Statusförderung<br />

mancher Parteien und Politiker dienen sollte. Bildungspolitik entfernte<br />

sich im Laufe der 80er Jahre von der Realität und vom Machbaren.<br />

Waren einerseits die Bedingen noch nicht ausreichend, waren auf der<br />

andere Seite die politischen Forderungen, Erwartungen und Anforderungen<br />

an Schulen überzogen. Wir drohten so zwischen politischem<br />

Innovationswust und Opportunismus zerrissen zu werden.<br />

P. v. d. Horst: Kannst du das letzte noch mal erläutern?<br />

R. v. d. Horst: Politische Willkür hat viele Veränderungen kaputt gemacht,<br />

indem Politiker wissenschaftliche Ideen annahmen, ohne sie<br />

wirklich zu verstehen oder verstehen zu wollen. Stattdessen installierten<br />

sie Arbeitsgruppen und sogenannte Task-Forces, in denen fast<br />

jeder mitdenken durfte – basisdemokratisch versteht sich. Nur die<br />

Schulen wurden dabei kaum einbezogen. Das meiste wurde über ihre<br />

Köpfe hinweg diskutiert. Das Ganze resultierte dann in dicken Gutachten<br />

mit vielen Anhängen. Es war modern, dass alle sich beteiligen<br />

konnten. Es machte aber die Entscheidungsfindung nicht gerade einfach.<br />

Viele gute Ideen sind so verkümmert. Auch ich habe mich in dieser<br />

Zeit als Schulleiter und Verbandsvorsitzender manchmal zu sehr<br />

verführen lassen das politische Spiel mitzuspielen. Rückblickend wäre<br />

mehr Nüchternheit und Zurückhaltung die bessere Strategie gewesen.<br />

P. v. d. Horst:Das hört sich sehr kritisch an . . .<br />

R. v. d. Horst: Ja, ich kann es jetzt auch mit mehr Abstand sehen. Und<br />

da muss man manchmal auch anerkennen, dass nicht alles so toll gelaufen<br />

ist, wie man damals gedacht hatte. Das liegt in der Natur der<br />

Dinge. Ich kann jetzt auch kritischer mit solchen Sachen umgehen<br />

und weiß, dass Entwicklungen am Reißbrett nur angerissen werden<br />

können. Schulentwicklung kann man nur prozessorientiert gestalten,<br />

wenn man bereit ist anzuerkennen, dass Entwicklung wie ein Projekt<br />

ist, das man immer wieder auswerten und korrigieren muss. Ich glaube<br />

aber auch, dass diese Zeit in gewisser Hinsicht notwendig war um<br />

uns mit der Materie vertraut zu machen. Wir wussten doch gar nicht<br />

wie das neue Unterrichten oder wie es später hieß – das neue Lernen<br />

aussehen könnte. Herumspinnen war notwendig um uns in die neuen<br />

Möglichkeiten und Notwendigkeiten herein zu denken. Das könnte<br />

aber vielleicht auch anders gehen - mit weniger Frust!<br />

Was auch positiv war ist die Einführung eines Schülercoachingsystems<br />

(Leerlingbegeleiding) neben dem Unterrichtssystem Anfang der<br />

70er Jahren. Damit bekam jeder Lehrer neben seiner Aufgabe, Fachinhalte<br />

zu vermitteln, auch die Verantwortung, Schüler zu begleiten in<br />

ihrer Persönlichkeits- und Lernentwicklung. Dieses System wurde<br />

auch im Stundenplan verankert. Weil Coachen und Unterrichten zwei<br />

vom Charakter her unterschiedliche Tätigkeiten sind und deswegen<br />

auch unterschiedlicher Kompetenzen bedürfen, werden Lehrer hier<br />

regelmäßig und systematisch fortgebildet und erhalten Supervision.<br />

Am Anfang lag dabei der Fokus auf dem Lernen und der <strong>Beruf</strong>swahl.<br />

Seit vor 15 Jahren durch Forschungsergebnisse deutlich wurde, dass<br />

Schüler im sozial-emotionalen Bereich Unterstützung brauchen und<br />

in Zukunft brauchen werden und klar wurde wie wichtig diese Unterstützung<br />

für die Effektivität von Lernprozessen ist, nehmen fördernde<br />

Aktivitäten in dem Bereich einen relativ großen Platz im Schüler- und<br />

Klassencoaching ein.<br />

P. v. d. Horst: Zusammenfassend könnte man sagen, dass die Zeit bis<br />

1994 gekennzeichnet war von vielen Experimenten, die aber oft keine<br />

realistische Richtung hatten und oft ohne klare Projektstruktur waren.<br />

Die Rolle der <strong>Schulleitung</strong> veränderte sich weg vom Verwalten<br />

hin zum Fördern und Fordern einer schulpädagogisch-inhaltlichen<br />

Gestaltung der Schullandschaft. Danach konzentrierte man sich darauf,<br />

die Schulorganisation so anzupassen, dass Raum und Struktur<br />

für nachhaltige Veränderungsprozessen entstand.<br />

R. v. d. Horst: Ja, das war Steuern auf hoher See. Nicht immer angenehm,<br />

weil man viel Frust abbekam. Wir hatten damals auch dringenden Bedarf<br />

an Fortbildung und Coaching. Wir haben uns dabei nicht am Ministerium<br />

orientiert, sondern die Fortbildung bei Externen gebucht.<br />

Rinnie van der Horst (Jahrgang 1950) studierte Diplom-Ökonomie und fing 1974 als Lehrer für Ökonomie<br />

an seiner ersten Schule an. Er ist mittlerweile über 30 Jahren als Schulleiter tätig und war in den Niederlanden<br />

lange Jahre aktiv im Vorstand des holländischen Dachverbandes. Er gründete mit KollegInnen den<br />

internationalen Dachverband ICP. Anknüpfend an seine Tätigkeit als Geschäftsführer der Bildungsakademie<br />

für Schulleiter, arbeitet er seit einigen Jahren als Geschäftsführer des Schulen-Verbundes „de Meerwegen<br />

scholengroep” in Amersfoort.<br />

b:<strong>sl</strong> 01:2011 03:2012

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