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gelangt wäre. Aus diesem Gr<strong>und</strong> sind die angegriffenen Beschlüsse des B<strong>und</strong>esgerichtshofs aufzuheben <strong>und</strong> die<br />

Sachen an diesen zurückzuverweisen.<br />

128 2. Die von dem Beschwerdeführer zu III. angegriffenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin <strong>und</strong> des<br />

B<strong>und</strong>esgerichtshofs verletzen den Beschwerdeführer in seinen Rechten aus Art. 1 Abs. 1 <strong>und</strong> Art. 2 Abs. 1 in Verbindung<br />

mit Art. 20 Abs. 3 GG.<br />

129 a) Das Urteil des Landgerichts Berlin verstößt schon deshalb gegen den verfassungsrechtlichen Schuldgr<strong>und</strong>satz <strong>und</strong><br />

die darin verankerte Pflicht zur bestmöglichen Erforschung der materiellen Wahrheit, weil das Landgericht ein unter<br />

weitgehender Weigerung, Fragen zu beantworten, abgegebenes inhaltsleeres Formalgeständnis als Gr<strong>und</strong>lage einer<br />

Verurteilung akzeptiert hat, ohne es - abgesehen von einer, dann auch beantworteten Frage zum Mitführen <strong>und</strong> Ladezustand<br />

der Dienstwaffen - durch eine weitere, auf eigenständige Spezifizierung seitens des Angeklagten zielende<br />

Beweiserhebung in der Hauptverhandlung zu überprüfen. Ein Geständnis, das sich in einer Bezugnahme auf die<br />

Anklage erschöpft, ist als Gr<strong>und</strong>lage einer Verständigung bereits deshalb ungeeignet, weil es keine Gr<strong>und</strong>lage für<br />

eine Überprüfung seiner Glaubhaftigkeit (§ 257c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 244 Abs. 2 StPO) bietet. Darüber hinaus<br />

beruht das angegriffene Urteil auf einer Verständigung, die infolge der Kopplung eines Geständnisses „im Sinne der<br />

Anklage“ an den Verzicht auf die Stellung von Beweisanträgen „zur Schuldfrage“ unzulässig über den Schuldspruch<br />

disponiert <strong>und</strong> zudem eine Strafrahmenverschiebung zum Gegenstand hat. Deshalb stellt sich das Urteil als ein vom<br />

Gr<strong>und</strong>gesetz untersagter „Handel mit der Gerechtigkeit“ dar.<br />

130 Hinzu kommt, dass dieser „Handel mit der Gerechtigkeit“ auf einer verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren<br />

Beeinträchtigung der Selbstbelastungsfreiheit des Beschwerdeführers beruht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob für<br />

den Fall einer Verurteilung ohne vorherige Verständigung für jede der beiden angeklagten schweren Raubtaten eine<br />

Mindeststrafe von drei Jahren in Aussicht gestellt wurde - so die dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden der<br />

Strafkammer im Revisionsverfahren - oder ob eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren im Raum stand, wie der<br />

Beschwerdeführer vorträgt. Entscheidend ist die vor dem Gebot schuldangemessenen Strafens nicht zu rechtfertigende<br />

Spannweite zwischen der zugesagten Strafobergrenze für den Fall einer Verständigung auf der einen Seite <strong>und</strong> der<br />

für den Fall einer Verurteilung in einer nach herkömmlicher Verfahrensweise geführten Hauptverhandlung im Raum<br />

stehenden Straferwartung auf der anderen Seite. Die Frage, wann die Grenze zu einer verfassungswidrigen Beeinträchtigung<br />

der Selbstbelastungsfreiheit überschritten ist, entzieht sich zwar einer exakten mathematischen Berechnung.<br />

Im vorliegenden Fall ist diese Grenze jedoch deutlich überschritten, nachdem eine schon für sich gesehen<br />

übermäßige Differenz zwischen den beiden Strafgrenzen noch zusätzlich mit der Zusage einer Strafaussetzung zur<br />

Bewährung verb<strong>und</strong>en wurde, die überhaupt nur aufgr<strong>und</strong> der ebenfalls zugesagten Strafrahmenverschiebung zu<br />

einem minder schweren Fall (§ 250 Abs. 3 StGB) möglich war.<br />

131 b) Das Urteil des Landgerichts Berlin ist aus diesen Gründen aufzuheben; gleiches gilt für den Beschluss des<br />

B<strong>und</strong>esgerichtshofs, mit dem die Gr<strong>und</strong>rechtsverletzung perpetuiert worden ist. Die Sache ist an das Landgericht<br />

Berlin zurückzuverweisen.<br />

C.<br />

132 Die Entscheidung über die Auslagenerstattung folgt aus § 34a Abs. 2 <strong>und</strong> Abs. 3 BVerfGG.<br />

StPO § 257c Abs. 5 Beruhen des Urteils auf Geständnis ohne Belehrung<br />

BVerfG, Beschl. v. 30.06.2013 - 2 BvR 85/13 - BeckRS 2013, 53079<br />

Eine Verständigung ohne vorherige Belehrung § 257c Abs. 5 StPO verletzt den Angeklagten gr<strong>und</strong>sätzlich<br />

in seinem Recht auf ein faires Verfahren <strong>und</strong> in seiner Selbstbelastungsfreiheit. Bleibt die<br />

unter Verstoß gegen die Belehrungspflicht zustande gekommene Verständigung bestehen <strong>und</strong> fließt<br />

das auf der Verständigung basierende Geständnis in das Urteil ein, beruht dieses auf der mit dem<br />

Verstoß einhergehenden Gr<strong>und</strong>rechtsverletzung, es sei denn eine Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers<br />

für das Geständnis kann ausgeschlossen werden, weil der Angeklagte dieses auch bei ordnungsgemäßer<br />

Belehrung abgegeben hätte.<br />

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des B<strong>und</strong>esverfassungsgerichts durch … am 30. Juni 2013 einstimmig beschlossen:<br />

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