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Ob eine solche Verständigung zustande gekommen ist, muss in Verfahren gegen mehrere Angekl. für jeden von<br />

ihnen gesondert <strong>und</strong> freibeweislieh ermittelt werden, wenn das Hauptverhandlungsprotokoll - wie vorliegend - weder<br />

Angaben nach§ 273 Abs. 1a S. 1, 2 StPO noch das »Negativattest « nach§ 273 Abs. 1a S. 3 StPO enthält (siehe nur<br />

OLG Celle a.a.O. Juris Rn. 13 m.w.N.). Neben den Stellungnahmen der Beteiligten ist insbes. zu würdigen, ob der<br />

tatsächliche Ablauf der Hauptverhandlung mit der Annahme einer informellen Verständigung vereinbar ist, was nahe<br />

liegt, wenn deren typisches Bild - Gespräch zwischen Gericht, StA <strong>und</strong> Verteidigung vor bzw. außerhalb der Hauptverhandlung;<br />

mehr oder weniger formales Geständnis des Angekl.; weitgehender Verzicht auf eine Beweisaufnahme;<br />

Rechtsfolgenausspruch wie vom Gericht in Aussicht gestellt; allseitiger Rechtsmittelverzicht noch in der Hauptverhandlung<br />

gegeben ist. Zwar gehen durch Sachaufklärung nicht zu beseitigende Zweifel am Vorliegen von Verfahrenstatsachen<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich zulasten des Angekl.; dieses Risiko der Unaufklärbarkeit des Sachverhalts findet jedoch<br />

dort seine Grenze, wo die Zweifel ihre Ursache in einem Verstoß gegen eine gesetzlich angeordnete Dokumentationspflicht<br />

haben (BVerfG, Beschl. v. 05.03.2012-2 BvR 1464/11, NJW 2012, 1136, 1137, Juris [= StV 2012, 385]<br />

Rn. 26; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 31.07.2012 1 Ws 169/12, NJW 2012, 3193, 3194, Juris [= StV 2012, 656] Rn.<br />

12). Nach diesen Maßstäben ergibt sich vorliegend: Mit seiner kurz vor der Hauptverhandlung in seinem Dienstzimmer<br />

gegenüber dem Sitzungsvertreter der StA <strong>und</strong> den Pflichtverteidigern getätigten Äußerung, er habe für den<br />

Fall einer Verurteilung nach Anklage ein Strafmaß von 2 J. <strong>und</strong> 6 M. ins Auge gefasst, schlug der Vors. schlüssig<br />

vor, eine solche Strafe zu verhängen, wenn die Angekl. ein eine Beweisaufnahme im Wesentlichen erübrigendes<br />

Geständnis ablegen. Allerdings gehen die dienstlichen Stellungnahmen des Vors.<br />

<strong>und</strong> des Sitzungsvertreters der StA nicht darauf ein, ob es -bei dem Gespräch im Dienstzimmer auch um die Frage<br />

eines Geständnisses ging. Jedoch hat der Pflichtverteidiger des Bf. überzeugend dargelegt, das Gespräch sei im Hinblick<br />

auf die vom Bf. bereits bek<strong>und</strong>ete Geständnisbereitschaft geführt worden, was den anderen Beteiligten mitgeteilt<br />

worden sei, woraufhin das weitere Vorgehen in der Hauptverhandlung erörtert worden sei. Weiterhin spricht der<br />

Umstand, dass die Pflichtverteidiger im unmittelbaren Anschluss an das Gespräch Einzelgespräche mit den Angekl.<br />

führten, dafür, dass ein Geständnis Geschäftsgr<strong>und</strong>lage der<br />

vom Vors. in Aussicht gestellten Strafe war. Zwar musste der Vors. selbstverständlich den - mindestens unausgesprochenen<br />

- V erbehalt machen, dass sich die Schöffen - die, so unterstellt der Senat, vom Vors. nicht vorab unterrichtet<br />

worden waren - seinem Strafvorschlag anschlössen. Das steht der Annahme einer informellen Verständigung<br />

aber nicht entgegen, sofern sich die Schöffen - wie hier – im Ergebnis einverstanden erklären.<br />

Mit seiner Äußerung, das ins Auge gefasste Strafmaß sei für die StA akzeptabel, stimmte der Sitzungsvertreter der<br />

Staatsanwaltschaft dem Vorschlag zu. Dem steht nicht entgegen, dass der Sitzungsvertreter im Schlussantrag eine<br />

höhere Strafe, nämlich 3 J. Freiheitsstrafe, beantragt hat. Es ist durchaus üblich, dass Gerichte geringere Strafen als<br />

von der StA beantragt ausurteilen. In der Tat liegt die vorliegend ausgeurteilte Strafe genau in der Mitte zwischen<br />

den Schlussanträgen der StA <strong>und</strong> der Verteidigung, die in ihrem Schlussantrag eine unbedingte Freiheitsstrafe von 2<br />

J. forderte. Dass der Sitzungsvertreter der StA mit der ausgeurteilten Strafe von 2 J. 6 M. rechnete <strong>und</strong> hiermit einverstanden<br />

war, belegt sein Rechtsmittelverzicht noch in der Hauptverhandlung. Entsprechendes gilt für den Pflichtverteidiger.<br />

Der Bf. stimmte dem Vorschlag des Vors. zunächst im Einzelgespräch mit seinem Pflichtverteidiger zu, indem er<br />

diesen zur Abgabe eines Geständnisses i.S.d. Anklage ermächtigte <strong>und</strong> auch Bereitschaft zur Erklärung eines<br />

Rechtsmittelverzichts in Aussicht stellte, falls die Strafe deutlich unterhalb von 3 J. Freiheitsstrafe liege, falls also die<br />

in Aussicht gestellte Strafe verhängt werde. Diese Zustimmung erklärte er sodann schlüssig gegenüber StA <strong>und</strong> Gericht,<br />

indem er seinen Pflichtverteidiger gewähren ließ. [ ... ]<br />

111. Mit der Aufhebung des Verwerfungsbeschlusses nimmt das anhängige Berufungsverfahren seinen Fortgang.<br />

[...]<br />

StPO §§ 302 Abs. 1 S. 2, 257c, 261 – Unwirksamkeit des Rechtsmittelverzichts nach informeller<br />

Verständigung <strong>und</strong> Nichtigkeit des Urteils<br />

OLG München, Beschl. v. 17.05.2013 – 2 Ws 1149, 1150/12 – StV 2013, 495 m. Anm. Förscher<br />

LS: Ein Urteil, das auf einer informellen Verständigung außerhalb der hierfür vorgesehenen Regeln<br />

nach § 257c StPO beruht, kann ausnahmsweise dann nicht nur rechtsfehlerhaft, sondern gänzlich<br />

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