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Gut Aiderbichl Sommer Magazin - Die Pfote

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Gibt es ein Leben ohne Bienen?<br />

Wo bleibt das Aufbegehren?<br />

Helmut Schödel fragt Michael Aufhauser<br />

Sind wir zum Akzeptieren übergewechselt?<br />

Als ich im vergangenen<br />

Mai sah,<br />

dass im Garten<br />

die Obstbäume<br />

blühten, dachte<br />

ich mir: „Schau, der Natur wohnt<br />

immer ein neuer Anfang inne.<br />

Selbst unter widrigsten Bedingungen.<br />

Sie stehen da mit ihren hellen<br />

Blüten und bringen Licht ins Dunkel<br />

eines ausgefallenen Frühlings.“<br />

Dann fiel mir allerdings ein: Wer<br />

bestäubt die Bäume, bei diesen winterlichen<br />

Temperaturen?<br />

"<strong>Die</strong> Natur will leben, Herr<br />

Schödel. Sie verkörpert es und kennt<br />

keinen Pessimismus. Sie ist auch belastbar,<br />

aber nicht grenzenlos, lebt<br />

von ihrem natürlichen Kreislauf.<br />

Wird er unterbrochen, wird es kritisch.<br />

Kommt keine Biene, hilft keine<br />

Blüte, gibt es keinen Apfel. Das<br />

große Bienensterben findet schon<br />

seit mehr als zehn Jahren statt. Jetzt<br />

gibt es endlich eine EU-Verordnung,<br />

die den Einsatz von bienenfeindlichen<br />

Pflanzenschutz-Chemikalien<br />

für zwei Jahre verbietet. So sehen<br />

bei uns Lösungen aus. In China<br />

müssen fleißige Landarbeiterinnen<br />

bereits die Obstplantagen von Hand<br />

bestäuben, mit Pinseln. Es ist Viertel<br />

nach Zwölf. Sie erinnern sich an<br />

Einsteins Diktum: „Wenn die Biene<br />

einmal von der Erde verschwindet,<br />

hat der Mensch nur noch vier Jahre<br />

zu leben…“ Wobei die vier Jahre<br />

symbolisch gemeint sind."<br />

Ich kaufe mein Gemüse immer auf<br />

dem Wochenmarkt beim Bauern,<br />

der nur anbietet, was die Jahreszeit<br />

hergibt. In diesem sehr regnerischen<br />

Jahr waren die Holztische nur<br />

schmal bestückt. Da sah ich mitten<br />

in Wohlstand und Wachstum den<br />

Beginn einer Mangelwirtschaft und<br />

fragte mich, warum.<br />

"Sehen Sie – das ist der Punkt.<br />

Sie fragen wenigstens. Der Mensch<br />

ist ein zum Fragen begabtes Lebewesen.<br />

Er lebt mit dem Warum. Aber<br />

das scheint augenblicklich nicht<br />

mehr der Fall zu sein. Wir sind zum<br />

Akzeptieren übergewechselt. Wir<br />

stellen keine Bezüge zu den Ursachen<br />

mehr her. Und wenn beim hiesigen<br />

Bauern die Verkaufstische leer<br />

sind, geht man zu einem Stand mit<br />

Importiertem. Und schon hat sich<br />

das Problem erledigt. Nur wer keine<br />

Ursachen erkennt, wie das veränderte<br />

Klima, findet auch keine Lösungsmodelle.<br />

Ich denke, unser Verhalten<br />

wird sich bei zunehmender<br />

Deutlichkeit der Phänomene bald<br />

ändern."<br />

<strong>Die</strong> Umwelt- und auch die Finanzkrise<br />

sind nicht unser einziges Problem.<br />

Wie bewerten Sie denn den<br />

Zustand unseres Bildungssystems?<br />

"Von der Unterbewertung der<br />

Geisteswissenschaften, auch in Bezug<br />

auf die Erhaltung unserer Werte,<br />

ganz abgesehen, sehe ich darin ein<br />

ganz eigenes Thema:<br />

Neulich habe ich einen Kommentar<br />

gehört, dass unsere Hochschulen<br />

im Zuge des allgemeinen<br />

Sparwahns bedeutende Fächer<br />

streichen wollen. Zum Beispiel im<br />

Agrarbereich die Erforschung alternativer<br />

Methoden zu den derzeitigen<br />

Techniken des Anbaus. Noch mehr<br />

Wissen wird verloren gehen, und das<br />

bedeutet freie Fahrt für die großen<br />

Ausbeuter der Natur."<br />

Letztere forschen weiter und suchen<br />

nach Lösungen, wie in zwanzig<br />

Jahren 10 Milliarden Menschen<br />

ernährt werden können.<br />

"Dabei geht es um den Profit, der<br />

sich mit Patenten der Industrie machen<br />

lässt. Nicht um das Überleben<br />

der Menschheit. Und darum, dass<br />

nur einige wenige mächtige Konzerne<br />

die Welternährung kontrollieren.<br />

Da stehen auch die Demokratien auf<br />

dem Spiel."<br />

Zu dieser ganz dunklen Seite<br />

der Entwicklung gehört auch die<br />

Forschung an sogenannten<br />

AML-Tieren?<br />

"Geforscht wird in eine ganz perverse<br />

Richtung. In der Tat wurden<br />

Bestreben öffentlich, wo es darum<br />

geht, Tiere durch Gen-Manipulation<br />

zu Fleischklumpen zu züchten. Zum<br />

Beispiel Legehennen ohne Federn,<br />

Flügel, Beine und Augen. Ihnen soll<br />

eine beinahe Schmerzunempfindlichkeit<br />

angezüchtet werden und ein<br />

kleines Hirn. Dann legen diese Wesen<br />

Ei um Ei. Auch sollen Kühe geschaffen<br />

werden, die blind in einer<br />

Art Koma liegen und Unmengen an<br />

Milch geben. Versuche an Mäusen<br />

gehen bereits in diese Richtung."<br />

Und dann sind wir endlich soweit.<br />

Spätestens dann werden sich alle<br />

Menschen zur Wehr setzen? Sehr<br />

spät, aber doch?<br />

"Nur wenn sie Grundkenntnisse<br />

von sogenannten Nutztieren haben,<br />

wenn sie die Opfer kennen. <strong>Die</strong> versuchen<br />

wir im Kleinen auf unseren<br />

Blütenbestäubung von Hand<br />

in einer chinesischen Obstplantage<br />

© Senator Home Entertainment<br />

Gütern zu vermitteln. Natürlich bezweifle<br />

auch ich, dass sich dadurch<br />

die weltweite Entwicklung aufhalten<br />

lässt. Aber wir hätten doch auch niemals<br />

geglaubt, dass sich ein Rauchverbot<br />

in der Gastronomie durchsetzen<br />

lässt, schon gar nicht in Ländern<br />

wie Spanien und Griechenland. Es<br />

könnte schon sein, dass es den Menschen<br />

irgendwann reicht. Da denke<br />

ich auch wieder an den Atomausstieg<br />

Deutschlands."<br />

Wie sieht es denn mit den <strong>Aiderbichl</strong><br />

Besuchern aus? Konnten Sie<br />

da inzwischen neue Zielgruppen<br />

erschließen? Lange brachte man<br />

ja mit Tierschutz vor allem ältere<br />

Menschen in Verbindung.<br />

"Schon seit etwa zwei Jahren<br />

zeichnet sich eine interessante Entwicklung<br />

ab. Neben den Besuchern,<br />

die ganz einfach tierlieb sind, kommen<br />

jetzt in der Hauptsache Men-<br />

schen um die Dreißig. Das mag an<br />

den neuen Medien liegen, wie Facebook<br />

und Youtube. Viele Millionen<br />

lernen uns auf diesem Weg kennen.<br />

Sie freuen sich, dass sie mit unseren<br />

besuchbaren Gütern eine neue<br />

Möglichkeit gefunden haben, ihre<br />

Freizeit sinnvoll zu verbringen. Und<br />

da nehmen Erwachsene und Kinder<br />

viel an Gesprächsstoff und Gedanken<br />

mit in ihre Welt."<br />

Wir befinden uns mitten im Wahlkampf,<br />

können Sie mir eine Partei<br />

nennen, die sich nachhaltig für<br />

Tierschutz einsetzt?<br />

"Nein. <strong>Die</strong> Parteien gehen vermeintlich<br />

populäre Wege, wenn sie<br />

auf der Suche nach Wählerstimmen<br />

sind. Meist schließen sie von sich<br />

selbst auf andere und sehen im Egoismus<br />

die Zauberformel. Das ändert<br />

sich mit Sicherheit bald. Man will<br />

nicht länger belogen werden. Selbst<br />

der naivste Bürger weiß,<br />

dass unser derzeitiges<br />

Rentensystem kurz vor<br />

dem Aus stehen muss.<br />

Auch dass wir die Konsequenzen<br />

eines Tages<br />

zu spüren bekommen,<br />

wenn wir selbst nichts<br />

mehr produzieren und<br />

das den Asiaten überlassen.<br />

Dabei spielt<br />

auch eine Rolle, dass<br />

Wahlversprechen schon<br />

längst nicht mehr ernst<br />

genommen werden. Alleine<br />

deshalb glaube<br />

ich, dass die Menschen<br />

sich denjenigen zuwenden<br />

werden, die ehrlich<br />

mit ihnen sprechen."<br />

Könnten <strong>Aiderbichl</strong>er<br />

missverständlich<br />

meinen, dass ihr Engagement<br />

bei <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong><br />

genügt, und sie<br />

die weltweiten Zusammenhänge<br />

getrost außer<br />

Acht lassen können?<br />

"Erst wenn uns unsere unmittelbare<br />

Umgebung bewusst wird, haben<br />

wir die Basis geschaffen, uns für<br />

die größeren Zusammenhänge zu interessieren.<br />

So erkläre ich mir, dass<br />

es in den Reihen der <strong>Aiderbichl</strong>er<br />

mittlerweile so viele gibt, die sich<br />

für die Umwelt, den Regenwald und<br />

eine intakte Natur einsetzen. Auch<br />

für den Frieden und für Kinder und<br />

alte Menschen.“<br />

Das ist zwar eine erfreuliche Entwicklung.<br />

Aber ich habe schon von<br />

Gegnern Stimmen gehört,<br />

die <strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> als eine Art<br />

"Happy End"-Tierschutz<br />

bezeichnen und damit Ihren<br />

Einsatz in Frage stellen.<br />

"Neid ist die ehrlichste Form<br />

der Anerkennung. Das sollte man<br />

nie vergessen. In den meisten Fällen<br />

aber haben sich die Leute, die Sie als<br />

Gegner bezeichnen, nicht genau informiert.<br />

Halten ihren Weg für den<br />

einzig vertretbaren und unsere vermeintlich<br />

erfolgreiche Vorgehensweise<br />

ist ihnen suspekt. Tierschutz<br />

muss aus ihrer Sicht anders aussehen.<br />

Begleitet von Krisen, Dauerverzweiflung<br />

und viel Theorie. Ohne<br />

einen tröstenden Lichtblick, der<br />

Kraft für ein erfolgreiches Handeln<br />

gibt. Obwohl nachweislich nicht<br />

zutreffend, unterstellen sie uns mal<br />

Profitdenken und dann wieder, dass<br />

<strong>Gut</strong> <strong>Aiderbichl</strong> auf tönernen Füßen<br />

stehe. Im gegenseitigen Gespräch<br />

würden sich viele Vorurteile klären<br />

lassen."<br />

Habe ich das richtig verstanden? Sie<br />

sagen, <strong>Aiderbichl</strong> sei „vermeintlich“<br />

erfolgreich?<br />

"Von Erfolg können wir doch erst<br />

sprechen, wenn sich die Menschheit<br />

grundlegend verändert hat. Ob wir<br />

das erleben, steht zu bezweifeln.<br />

Freuen wir uns doch über die Etappensiege.<br />

Dass sich immer mehr<br />

Menschen, auch junge, unserer<br />

Gemeinschaft anschließen, die Achtung<br />

vor allem Leben hat."<br />

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