15.01.2014 Aufrufe

Zwischen Dannebrog und Preußenadler - Husum-Stadtgeschichte

Zwischen Dannebrog und Preußenadler - Husum-Stadtgeschichte

Zwischen Dannebrog und Preußenadler - Husum-Stadtgeschichte

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

6<br />

„In diesem Hause [<strong>Husum</strong>, Markt 9] wurde am<br />

14. September des Jahres 1817 Theodor Storm<br />

geboren. Wenn auch vereinzelt wohl behauptet<br />

worden ist, es sei am 15. September des genannten<br />

Jahres gewesen, so lassen wir es doch überlieferungsgemäß<br />

beim 14. September bleiben <strong>und</strong><br />

berufen uns dabei auf die folgende Notiz aus den<br />

nachgelassenen Aufzeichnungen des Dichters: ,In<br />

der Mitternachtsst<strong>und</strong>e zwischen dem 14. <strong>und</strong> 15.<br />

September 1817 war ein stark Gewitter über <strong>Husum</strong>;<br />

trotzdem lag irgendwo in der Gasse auf irgend<br />

eines Bürgers Kellerluke der junge Advokat<br />

Johann Casimir Storm in einer Angst, mit der er<br />

sich nicht zu helfen wußte; denn sein schönes junges<br />

Weib lag daheim in Geburtsschmerzen, von<br />

jeder Art hilfreicher Hände umgeben, die er durch<br />

die seinigen zu vermehren nicht imstande war.<br />

Von den verschiedenen Arten Mutes besaß er diesen<br />

nicht. Das war meine Geburtsst<strong>und</strong>e. Das Kirchenbuch<br />

<strong>und</strong> meine Mutter streiten sich, ob sie in<br />

den 14. oder 15. September gefallen sei; meine<br />

Mutter behauptete, sie müßte es doch am besten<br />

wissen, energisch den 14., <strong>und</strong> ich glaube ihr<br />

mehr als dem alten Propst, der in seinen Konfirmationsst<strong>und</strong>en<br />

die Bescheidenheit dadurch illustrierte,<br />

daß man bei Kaffeevisiten nicht das sechste<br />

Stück Zucker in seine Tasse tue.’“ (Aus: Felix<br />

Schmeißer, Alt-<strong>Husum</strong>er Bilderbuch. Verl. Friedr.<br />

Petersen, <strong>Husum</strong>, 1939)<br />

ruhe - preußische Provinz. Das politische Schicksal seines Heimatlandes,<br />

das auch von Storm politische <strong>und</strong> berufliche Konsequenzen abverlangte,<br />

führte dazu, daß er mit verschiedenen Positionen eines Juristen <strong>und</strong> unterschiedlichsten<br />

Rechtsordnungen in Berührung kam:<br />

Seine Berufslaufbahn begann Storm als junger Rechtsanwalt in <strong>Husum</strong>, zur Zeit<br />

des dänisch-schleswig-holsteinischen Gesamtstaates. Hierbei unterlag er noch bei<br />

der Ausübung seiner juristischen Tätigkeit dem althergebrachten Jütischen Low<br />

<strong>und</strong> vielfältigem schleswig-holsteinischem Landesrecht. Später als preußischer<br />

Richter arbeitete er u. a. nach dem Allgemeinen Preußischen Landrecht, als schleswig-holsteinischer<br />

Landvogt des Amtes <strong>Husum</strong> unterstand er wieder dem heimatlichen<br />

Recht, um - nach der Inkorporation des Landes durch Preußen - erneut als<br />

preußischer Richter den preußischen Gesetzen zu unterstehen.<br />

Dabei muß man sich von dem verbreiteten Vorurteil freimachen, Storm<br />

habe seinen Beruf immer als Last empf<strong>und</strong>en, der ihm die Zeit für das literarische<br />

Betätigungsfeld nahm. Dies mag zeitweise, insbesondere in den<br />

Jahren der Einarbeitung Storms in das preußische Recht, der Fall gewesen<br />

sein, in denen er sich mit neuen, ihm gänzlich unbekannten Rechtsformen<br />

auseinandersetzen mußte, wobei auf seine persönliche Belastbarkeit keinerlei<br />

Rücksicht genommen wurde. Im allgemeinen aber empfand Storm<br />

seine juristische Betätigung nicht als krassen Widerspruch zu seiner dichterischen<br />

Berufung. Sein Realitätsgefühl, seine fachlich ausgebildete<br />

Fähigkeit, Sachverhalte klar zu erkennen, <strong>und</strong> die Tatsache, daß ihm als Juristen<br />

„nichts Menschliches fremd war“, haben vielmehr positiv auf den<br />

Aufbau <strong>und</strong> die logische Darstellung seiner Novellen gewirkt. Darüber<br />

hinaus brachte Storm manchen praxisnahen Fall aus seiner Berufserfahrung<br />

in sein dichterisches Werk ein <strong>und</strong> verwertete auch seine Kenntnisse<br />

über die Geschichte <strong>und</strong> die Rechtsgeschichte der Herzogtümer Schleswig<br />

<strong>und</strong> Holstein. Ohne juristische Vorbildung <strong>und</strong> ohne entsprechende Betätigung<br />

hätte Storm daher wohl schwerlich die Qualität der literarischen Arbeiten<br />

erreicht.<br />

Ganz allgemein scheint sich im übrigen die Ausbildung <strong>und</strong> Tätigkeit eines<br />

Juristen wie wenig andere Berufe - vom Philologen einmal abgesehen -<br />

dazu zu eignen, in unterschiedlichem Umfang im Nebenberuf dichterisch<br />

tätig zu sein. Nicht ohne Gr<strong>und</strong> hat daher Wohlhaupter in den 30er Jahren<br />

dieses Jahrh<strong>und</strong>erts den Begriff des „Dichterjuristen“ geprägt, einen Begriff,<br />

der nur auf den ersten Blick als Widerspruch in sich erscheint. Storm<br />

bekannte zu seiner Berufswahl in einem Brief, den er 1873, also im letzten<br />

Drittel seines Lebens an den bekannten österreichischen Literaturhistoriker<br />

Emil Kuh richtete:<br />

„Weshalb ich mich der Jurisprudenz ergab? Es ist das Studium, das man ohne besondere<br />

Neigung studieren kann; auch war mein Vater ja Jurist. Da es die Wissenschaft<br />

des ges<strong>und</strong>en Menschenverstandes ist, so wurde ich auch wohl leidlich mit<br />

meinem Richteramt fertig.“ 3 7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!