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Zwischen Dannebrog und Preußenadler - Husum-Stadtgeschichte

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16<br />

Abschied (1853)<br />

Kein Wort, auch nicht das kleinste, kann ich sagen,<br />

Wozu das Herz den vollen Schlag verwehrt;<br />

Die St<strong>und</strong>e drängt, gerüstet steht der Wagen,<br />

Es ist die Fahrt der Heimat abgekehrt.<br />

(...)<br />

Und du mein Kind, mein jüngstes, dessen Wiege<br />

Auch noch auf diesem teuren Boden stand,<br />

Hör mich! - denn alles andere ist Lüge -<br />

Kein Mann gedeihet ohne Vaterland!<br />

(...)<br />

Das frühere Königliche Kammergericht in Berlin,<br />

Lindenstraße. Hier wurde Theodor Storm am 23.<br />

November 1853 auf die preußische Verfassung<br />

vereidigt. -<br />

Während seines Potsdamer Aufenthaltes (1853-<br />

1856) wohnte Storm in der Brandenburger Straße<br />

70, nur wenige Minuten vom Park Sanssouci entfernt.<br />

Hier entstand die Novelle „Im Sonnenschein“.<br />

Im Juli 1854 zog die Familie aus finanziellen<br />

Gründen in die Waisenstraße 68. Hier wurde<br />

Tochter Lisbeth (10. 6. 1855) geboren <strong>und</strong><br />

Storm schrieb die Novelle „Angelica“. Im April<br />

1856 erfolgte der Umzug in die Kreuzstraße (Holländerviertel,<br />

heute Benkertstraße 15).<br />

Am 10. Juni 2002 wurde im Potsdamer Amtsgericht<br />

(Hegelallee 8) eine Bronzetafel angebracht,<br />

die an Theodor Storm als Kreisgerichtsassessor<br />

erinnert. Prof. Dr. Karl Ernst Laage, <strong>Husum</strong>,<br />

schrieb in einem Grußwort: „... Theodor Storm<br />

hat ... von 1853 bis 1856 eine schwere, aber<br />

auch sehr anregende Zeit in Potsdam verbracht.<br />

Schwer war es für den selbständigen Rechtsanwalt,<br />

sich ,in die Geheimnisse des preußischen<br />

gerichtlichen Mechanismus’ einzufügen. ... Die<br />

drei Umzüge in Potsdam ... sind zwar Zeugnisse<br />

eines wirtschaftlich äußerst ärmlichen Lebens in<br />

Potsdam (es wurde immer wieder eine billigere<br />

Wohnung gesucht!), aber geistig - poetisch war<br />

Potsdam für Storm eine fruchtbare <strong>und</strong> anregende<br />

Zeit."<br />

Bis 1845 waren die ersten <strong>Husum</strong>er Jahre, die Storm als Jurist verbrachte<br />

<strong>und</strong> in denen er sich eine Existenz aufbaute, als beschaulich zu bezeichnen.<br />

Zum Ende der 40er Jahre jedoch vollzog sich ein entscheidender Wandel in<br />

den politischen Auffassungen in den Herzogtümern. Man forderte größere<br />

Rechte des Landes innerhalb des dänischen Gesamtstaates, man forderte<br />

darüber hinaus eine Verselbständigung des Landes <strong>und</strong> eine Hinwendung<br />

zu Deutschland. Auch Storm beteiligte sich mehrfach in diesem Sinn an<br />

schriftlichen Protesten gegen die dänische Regierung, was sich diese nicht<br />

lange gefallen ließ. Als nach dem Frieden zu Berlin 1850 zwischen Dänemark<br />

<strong>und</strong> Preußen der dänische Delegierte Frederik Ferdinand Tillisch im<br />

Auftrage des dänischen Königs als Außerordentlicher Regierungskommissar<br />

die Zivilverwaltung des Herzogtums Schleswig übernahm, begann eine<br />

förmliche Welle von Entlassungen nicht als loyal erscheinender Beamter,<br />

die viele Familien buchstäblich ins Elend stürzte. Außerdem wurden durch<br />

Patent vom 22. 4. 1851 alle Inhaber von Privilegien <strong>und</strong> Bestallungen - unter<br />

ihnen auch die Advokaten -, deren Bestallung noch von dem verstorbenen<br />

dänischen König Christian VIII. herrührte, verpflichtet, bis zum 1. 7.<br />

1851 ein Gesuch einzureichen <strong>und</strong> ihre Bestallung durch Friedrich VII. bestätigen<br />

zu lassen. Auch Storm stellte ein derartiges Gesuch. Ende November<br />

1852 erhielt er die Nachricht, daß dies Gesuch von der dänischen Regierung<br />

abschlägig beschieden worden sei. Dies bedeutete den Verlust der<br />

beruflichen Existenz in den Herzogtümern. An Herman Kletke schreibt er<br />

insoweit rückblickend:<br />

„Seitdem bin ich aus meiner sehr angenehmen <strong>und</strong> einträglichen bürgerlichen<br />

Existenz herausgerissen <strong>und</strong> gehe jetzt, wie so viele meiner Landsleute, nach Amt<br />

<strong>und</strong> Brot in deutschen Landen umher.“ 18<br />

3. Richter in Preußen<br />

Nachdem sich Bewerbungen für unterschiedlichste juristische Positionen<br />

in Gotha, Hannover <strong>und</strong> Buxtehude zerschlagen hatten, bewarb sich Storm<br />

um eine Anstellung als preußischer Richter. Am 14. 10. 1853 erhielt er seine<br />

Ernennung als unbesoldeter preußischer Assessor, dank des Einsatzes<br />

von Fre<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Bekannten <strong>und</strong> wohl auch aufgr<strong>und</strong> der Tatsache, daß er<br />

Schleswig-Holsteiner war. Theodor Fontane formulierte die Situation treffend:<br />

„Er sah sich im Ministerium wohlwollend <strong>und</strong> entgegenkommend ...<br />

empfangen ... Denn alle anständigen Menschen in Preußen hatten damals<br />

jedem Schleswig-Holsteiner gegenüber ein gewisses Schuld- <strong>und</strong> Schamgefühl“<br />

19 . Am 10. 12. 1853 wurde Storm am Kreisgericht in Potsdam eingeführt<br />

<strong>und</strong> ging in diese neue berufliche Phase anfangs mit sehr viel Optimismus<br />

<strong>und</strong> Selbstbewußtsein. Doch rückblickend schrieb er 1858 an die<br />

Eltern:<br />

„Das erste Jahr in Potsdam - wenn eine gütige Macht das hätte aus meinem Leben<br />

nehmen können; das ging über meine Kräfte.“ 20 17

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