Angstfrei hinausgehen, um zu dienen - Bistum Münster
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eine Reflexion über die eigene Religiosität<br />
und den eigenen Glauben z<strong>um</strong><br />
Ausdruck bringt. Ein individualisiertreflexiver<br />
Glaubens<strong>zu</strong>gang kann also<br />
als Kernelement der Religiosität der<br />
Gemeindemitglieder angesehen werden.<br />
Vor diesem Hintergrund kann nicht verwundern,<br />
dass die Ansicht, man könne<br />
auch ohne Kirche religiös sein (Mittelwert<br />
4,22), unmittelbar auf die ersten<br />
drei Statements folgt. Muss also angenommen<br />
werden, dass der Glaube in<br />
den Augen der Befragten nicht mehr auf<br />
die Vermittlung durch die Kirche angewiesen<br />
ist? Diese Diagnose wäre so vermutlich<br />
nicht richtig, denn es folgt mit<br />
einem fast identischen Mittelwert von<br />
4,17 die Überzeugung, die Aussagen der<br />
Bibel und des Glaubensbekenntnisses<br />
seien wahr und gültig. Es werden also<br />
deutliche individuelle Akzente gesetzt,<br />
was durch die letzte Aussage, die mehrheitlich<br />
Zustimmung erfährt, noch<br />
einmal bestätigt wird: „Jede Religion<br />
hat Stärken und Schwächen, man sollte<br />
sich das jeweils Beste herausholen“.<br />
Bei der Frage nach der Bedeutung der<br />
Kirche scheint es jedoch <strong>zu</strong>r Bildung<br />
von zwei Gruppen <strong>zu</strong> kommen. Während<br />
die eine Gruppe sich als von der<br />
Kirche losgelöst betrachtet, folgt die<br />
andere bei aller Tendenz <strong>zu</strong>r Individualisierung<br />
dann doch einem von der Kirche<br />
vertretenen Glaubensverständnis,<br />
was dessen kritische Reflexion keinesfalls<br />
ausschließen muss. Dass diejenigen,<br />
die der Ansicht sind, man könne<br />
auch ohne Kirche religiös sein, eher<br />
da<strong>zu</strong> neigen, die Gültigkeit der Aussagen<br />
der Bibel und des Glaubensbekenntnisses<br />
<strong>zu</strong> bestreiten oder <strong>zu</strong> relativieren,<br />
zeigt sich schließlich daran, dass beide<br />
Aussagen moderat negativ miteinander<br />
korrelieren. Die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass dieser Zusammenhang <strong>zu</strong>fällig ist,<br />
liegt <strong>zu</strong>dem bei 0,1 Prozent. Somit kann<br />
von hoher Signifikanz gesprochen werden.<br />
Obgleich die Gültigkeit und Wahrheit<br />
von Bibel und Glaubensbekenntnis<br />
noch mehrheitlich bejaht wird, wird<br />
eine exklusive Position, wie sie in der<br />
Aussage „Das Christent<strong>um</strong> ist für mich<br />
die einzig akzeptable Religion“ z<strong>um</strong><br />
Ausdruck kommt, mit einem Mittelwert<br />
von 3,62 hingegen eher bestritten.<br />
Im Bereich der eher abgelehnten Einstellungen<br />
z<strong>um</strong> Glauben finden sich ansonsten<br />
vor allem die religionskritischen<br />
Aussagen. Dies schließt den Vorwurf,<br />
Glaubensüberzeugungen machten<br />
intolerant, ebenso ein wie die Haltung,<br />
Religion sei veraltet und man solle sich<br />
lediglich auf Dinge konzentrieren, die<br />
sich mit dem Verstand erschließen<br />
lassen. Auch religiöse Indifferenz liegt<br />
in diesem Spektr<strong>um</strong>. Eine generelle<br />
Irrelevanz von Religiosität wie auch<br />
grundsätzlich ablehnende Positionen<br />
werden mehrheitlich also verneint. Die<br />
wenigste Zustimmung bekommt die<br />
Aussage „Ich möchte gern glauben können,<br />
finde aber keinen Zugang da<strong>zu</strong>“.<br />
Lediglich 7,3 Prozent stimmen dieser<br />
Aussage eher oder genau <strong>zu</strong>. Dadurch<br />
zeigt sich bei aller Relevanz von Religion,<br />
dass von einer religiösen Suche<br />
keine Rede sein kann. Es darf also<br />
davon ausgegangen werden, dass diejenigen,<br />
die selbst über keinen Zugang<br />
z<strong>um</strong> Glauben verfügen, dies mehrheitlich<br />
als unproblematisch empfinden.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden,<br />
dass die Gemeindemitglieder sich vor<br />
allem durch individualisierte, kritisch<br />
reflektierte Formen des Glaubens<br />
auszeichnen, die (lediglich) bei einem<br />
Teil mit einer Distanzierung von der<br />
Kirche einhergehen. Dabei ist man<br />
generell jedoch der Überzeugung, dass<br />
Religion und Glaube auch heute noch<br />
wichtige Antworten geben können.<br />
Nils Friedrichs<br />
Folgerungen<br />
Die durchweg positive Einstellung z<strong>um</strong><br />
Glauben überraschte uns. Die Gemeindemitglieder<br />
sehen sich in der Mehrzahl<br />
als gläubige Christen, ihr Glaube<br />
ist einerseits stark individualisiert und<br />
orientiert sich andererseits doch am<br />
Glaubensbekenntnis der Kirche. Die<br />
Sehnsucht nach Gemeinschaft korrespondiert<br />
mit einer Individualisierung<br />
eigener Glaubensüberzeugungen.<br />
Aufgabe der Verkündigung und der<br />
Katechese kann es daher nicht sein, die<br />
Glaubenswahrheiten als <strong>zu</strong> glauben<br />
hin<strong>zu</strong>stellen, sondern ihre Bedeutung<br />
für das eigene Leben auf<strong>zu</strong>zeigen.<br />
Wenn die Menschen spüren, dass der<br />
Glaube mit ihrem Leben etwas <strong>zu</strong> tun<br />
hat, sind sie bereit, ihn für ihr Leben <strong>zu</strong><br />
übernehmen.<br />
Die viel beschworene Sehnsucht nach<br />
Religion in unserer Gesellschaft wurde<br />
durch die Umfrage nicht bestätigt. Das<br />
bestätigen auch die eher kleinen Gruppen,<br />
die sich für Bibelkreise und Glaubensgesprächsgruppen<br />
interessieren.<br />
Herausforderung: Verbindung von Glaube und Leben<br />
Im Ernstfall, bei Krisen und an Wendepunkten des Lebens spielt der Glaube eine Rolle und wird die gemeinschaftliche Feier<br />
in der Kirche gesucht. Hier liegen Chancen und Aufgaben der Gemeinde. So haben wir nach einem schweren Unfall mit<br />
Schulkindern durch das Lokalradio <strong>zu</strong> einem Gottesdienst am Abend desselben Tages eingeladen, und die Kirche war voll.<br />
Trauer und Angst fanden hier eine Ausdrucksmöglichkeit, das gemeinsame Gebet ließ den Glauben für das eigene Leben<br />
wieder bedeutungsvoll und hilfreich erscheinen. 17<br />
Johannes Hammans