Der Maler Bô Yin Râ - Die Seite für Sucher nach spiritueller Wahrheit
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Über allen Gipfeln<br />
Ist Ruh,<br />
In allen Wipfeln<br />
Spürest du<br />
Kaum einen Hauch;<br />
<strong>Die</strong> Vögelein schweigen im Walde.<br />
Warte nur, balde<br />
Ruhest du auch.<br />
Stimmungsmäßig und thematisch sehr verwandt mit dem Tannenbild, wiewohl sich wiederum<br />
davon unterscheidend wie Morgengefühl von Abendgefühl, überdies nunmehr die<br />
großen, breit hingestrichenen Flächen, wie sie der Meister so sehr liebte, reichlich aufweisend,<br />
bietet sich die weit überwiegend in hellen Tönen gehaltene <strong>Maler</strong>ei von «Bergfrühling<br />
in den bayrischen Voralpen» (Abb. S. 39) dar. Vielleicht führt die Abbildung unsere Vorstellung<br />
hinsichtlich der darin enthaltenen farbigen Werte etwas irre: Vordergrund und Mittelgrund<br />
wirken verschneit. Sie sind es auch, aber nicht mit Eisflocken, sondern mit hellen Blüten<br />
auf ganz lichtem Gras. <strong>Die</strong> horizontalen Bildteile: Wolkenschwaden, Schneegebirg, Wiesenpläne<br />
und vier ferner gelegene Tannenhaine, die auch hervorlugende Waldgipfel bedeuten<br />
können, sind beinahe streng symmetrisch <strong>nach</strong> dem hohen Berghorn in der Mitte hingeordnet.<br />
Um so günstiger wirkt die Auflockerung durch die fünf, die gesamte Bildfläche durchschneidenden<br />
Tannen, von denen zwei nahe am rechten Rand, drei aber so weit von links<br />
<strong>nach</strong> innen gerückt sind, dass sie einen gewichtigen Akzent bilden, weil sie das Ganze im<br />
Goldenen Schnitt aufteilen. <strong>Die</strong>ser zweifache Rhythmus durch das Widerspiel von Goldener<br />
Proportion und Mitbetontheit macht, wenn wir uns nicht täuschen, den Hauptreiz dieses Bildes<br />
aus. Wenn man in «Im Riesengebirge» leise Vorahnungen jener Steilformen und «Basalte»<br />
auf den geistlichen Bildern (man denke etwa an «Lux in tenebris» (Abb. S. 132 in diesem<br />
Bande) aus der Gruppe der Weltenbilder) bemerkt, so wird hier solches noch offenkundiger<br />
in der Bergmasse und dem Gewölk, in denen sich schon jene artikulierten Gipfelformen und<br />
Seelenschwaden ankündigen, wie wir ihnen auf den überweltlichen Bildkompositionen, beispielsweise<br />
«Weltwanderung» (Abb. S. 151 in diesem Bande), immer wieder begegnen.<br />
Es ist anzunehmen, dass gewisse Anwandlungen stimmungsmäßiger Romantik, überdies<br />
alles Wirbeln und Schäumen jugendlicher Kraftlaunen bewusst vom Künstler zu allmählichem<br />
Abklingen gebracht werden mussten. Das «Waldtal im Spessart» (Abb. S. 41) eine<br />
versonnene deutsche Nachtlandschaft, die Goethes Lied an den Mond in dessen beiden Fassungen<br />
in Erinnerung bringt, ist mit äußerster Sparsamkeit der Mittel geformt. Ebenso kontinuierliche<br />
Linienzüge wie kohärente Farbmassen, beides einander fast streng in Schach haltend,<br />
so dass eine Spannung entsteht, die freilich auf unserer Abbildung (und auch auf dem<br />
bekannten, kühler gehaltenen Holzschnitt des Japaners Urushibara <strong>nach</strong> diesem Bilde) dumpfer<br />
wirkt als auf dem so überraschend schönen und reifen, in warmen braungrauen Farbklängen<br />
schwingenden Original in Zürcher Privatbesitz. So formt sich das verhaltene Pathos dieser<br />
schon durch die rosigen Töne im Gewölk durchlichteten Nachtstimmung, welche an die<br />
sehnsüchtige und wehmütige Phantasie eines Caspar David Friedrich und die ganze unerlöste<br />
Tiefe deutscher Romantik zwar anzuklingen scheint, aber sie gleichzeitig überwindet, vor allem<br />
deswegen, weil diese Landschaft ganz und gar zu malerischer Bildform von wundersam