Der Maler Bô Yin Râ - Die Seite für Sucher nach spiritueller Wahrheit
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Als ganz anschaulich gewordene und verkörperte Geometrie kam solchem Drang <strong>nach</strong><br />
kubischer Gestaltung besonders entgegen ein Motiv auf der Insel Thera, die auch Santorin<br />
genannt wird: Es ist die Hoftreppe im dortigen Kloster Hagios Elias (Abb. S. 79), die ein<br />
entzückend kindlicher Spieltrieb, wie er in der Bauweise auf den ägäischen Inseln ohnehin<br />
gerne waltet, emporgeschachtelt hat. Das Bild, fast nur aus den Abschattungen vom Weiß<br />
der getünchten Mauern und Stufen - es ist das von <strong>Bô</strong> <strong>Yin</strong> <strong>Râ</strong> so sehr bevorzugte und gerne<br />
angewendete Weiß! - gewonnen und aufgebaut, zeigt eine Vielfältigkeit geradezu mathematischer<br />
Geraden und Achsen, aber in den beiden fast nicht ausgesprochenen, sondern verborgen<br />
herrschenden Diagonalen straff geeint, auf welche sich, wenn nicht auf die Vertikalen<br />
und Horizontalen der Bildränder, die Linienschienen beziehen. Wie ein großes Andreaskreuz<br />
durchsetzen diese Diagonalen die Komposition: unsichtbar ist der Mensch hier eingespannt!<br />
Ein ziemlich verbreitetes, durch Hofmannsthal eingeleitetes Lichtbildwerk von Hanns<br />
Holdt enthält eine hübsche Photographie <strong>nach</strong> dem nämlichen Vorwurf. <strong>Der</strong> Vergleich beider<br />
Gebilde ist aufschlussreich. Abgesehen davon, dass die dumpfe Härte des natürlichen<br />
Gegenstandes geradezu in luzide Geistmaterie übergegangen ist, drängt es den Künstler, zu<br />
verdeutlichen und zu verankern. Das tut sich besonders an zwei Stellen dar: an den Gewölbemauern<br />
oben links, deren Winkelungen den Beschauer tektonisch nicht befriedigen, und<br />
am Mauervorsprung rechts, dessen Sinn im Bildausschnitt nicht deutlich wird. <strong>Der</strong> <strong>Maler</strong><br />
hingegen entwickelt auf der linken <strong>Seite</strong> das Motiv der Stufungen weiter und macht so die T<br />
Treppe gleichsam zu einer Jakobsleiter, welche durch die ganze Bildfläche emporklimmt und<br />
darüber hinaus schwingt. Er klärt die Wölbungen und gibt noch ein Stückchen Himmel<br />
drein, damit ersichtlich werde, wo so viel Helligkeit herkommt. <strong>Der</strong> Vorsprung zur Rechten<br />
aber verschwindet. Statt seiner erscheint das dunkle Viereck eines Gitterfensterchens, dessen<br />
Energiestrahlung dem ganzen Bild den Halt gibt wie auch das Gleichgewicht und die Entsprechung<br />
den anderen Dunkelheiten gegenüber herstellt. Überdies war der Schatten ganz<br />
vorne auf den untersten Treppenstufen als kompositioneller Ausgleich zu den oberen Schattenstellen<br />
notwendig.<br />
Gerade dieses anmutende und wohlausgewogene Bild ist ganz mit südlichem und antikischem<br />
Empfinden gesättigt. Sein Gefüge verrät wirklich so etwas wie das Entzücken und<br />
Behagen eines spielenden Kindes, das mit seinen Bauklötzchen geheimnisvoll verwinkelte<br />
Märchenpaläste zusammenträumt. Übrigens besteht zwischen den großen und urwüchsigen<br />
Formen dieser gekalkten Flächen und gewissen im zweiten Teile dieses Buches erörterten<br />
«Stammformen», die fast auf jedem der geistlichen Bilder bestimmte Aufgaben zu erfüllen<br />
haben, eine bemerkenswerte Verwandtschaft.<br />
An dieser Stelle sei noch ein Blick auf ein sehr reizvolles Bild geworfen, das erst 1929<br />
wohl rasch aus vorstellender Erinnerung hingemalt worden ist. <strong>Der</strong> Meister nannte es «Das<br />
Glöcklein» (Abb. S. 82). Wir sind nicht in der Lage, das Motiv genau zu lokalisieren, das<br />
vielleicht in Euböa, sicherlich aber in griechischem Bereich auffindbar ist. Es atmet den<br />
Frieden johanneisch-orientalischer Klöster und Kapellen, entstanden aus dem a<strong>nach</strong>oretischen<br />
Geiste eines Basilius des Großen oder des Syrers Ephraim oder eines Nilus vom Sinai,