Raster-Tunnel-Mikroskopie - Fakultät für Physik
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<strong>Raster</strong>-<strong>Tunnel</strong>-<strong>Mikroskopie</strong><br />
im<br />
Praktikum für Fortgeschrittene<br />
Fakultät für <strong>Physik</strong><br />
Universität Karlsruhe<br />
Fassung vom Sommer 2008
Inhaltsverzeichnis<br />
(i) Fragen zur Vorbereitung 3<br />
(ii) Praktische Durchführung des Versuchs 4<br />
(iii) Stichworte und allgemeine Literatur zum Versuch 6<br />
1 Einleitung 7<br />
2 Historischer Überblick 8<br />
2.1 Optische <strong>Mikroskopie</strong> 9<br />
2.2 Elektronenmikroskopie 9<br />
2.3 <strong>Raster</strong>sondenmikroskopie 11<br />
3 Theoretische Ansätze 13<br />
3.1 Eindimensionaler Ansatz 14<br />
3.2 Dreidimensionale Beschreibung des <strong>Tunnel</strong>stroms 17<br />
3.3 Das inelastische <strong>Tunnel</strong>n 19<br />
3.4 RTM-Abbildungen von Adsorbaten 20<br />
3.5 Abbildung von stufenförmigen Oberflächenprofilen 21<br />
(*)<br />
6 Probenmaterialien 23<br />
6.1 Grundsätzliches 23<br />
6.2 Graphit 25<br />
6.3 Gold 29<br />
7 Probleme des RTMs 34<br />
7.1 Piezomaterialien 34<br />
7.2 Schwingungen 36<br />
7.5 Sonstige Abbildungsartefakte 40<br />
Literaturverzeichnis 42<br />
* Die fehlenden Kapitel 4 und 5 bezogen sich auf einen älteren Versuchsaufbau und wurden<br />
entfernt. Da verschiedene Textstellen zueinander in Beziehung stehen, wurde die<br />
Nummerierung der Kapitel beibehalten.<br />
2
(i) Fragen zur Vorbereitung<br />
Die folgenden Fragen (1) bis (8) sind Teil der späteren Auswertung. Da sie jedoch<br />
ausgezeichnet dazu dienen, sich gezielt auf den Versuch <strong>Raster</strong>tunnelmikroskopie<br />
vorzubereiten, sollten Sie bereits vor dem Praktikumstag bearbeitet werden.Die Handhabung<br />
der Software zur Ansteuerung des RTM, sowie einige technische Details des RTM, sollten am<br />
Versuchstag bekannt sein. Dazu dient das Handbuch "Nanosurf: easyScan 2".<br />
WICHTIG: Zum Speichern einer Messung muß man ein "Photo" machen. Dies ist nicht<br />
deutlich aus dem Handbuch zu entnehmen. Fragen Sie bitte dazu den Betreuer. Außerdem gibt<br />
es im Handbuch einige Abschnitte, die für den Betrieb eines <strong>Raster</strong>KRAFTmikroskops (AFM)<br />
wichtig sind. Diese Abschnitte kann man beruhigt überblättern.<br />
1.) Welche Bedingungen müssen an diejenigen Materialien gestellt werden, die mit dem RTM<br />
an Luft untersucht werden sollen ?<br />
2.) Welche Information über die untersuchte Probenoberfläche enthalten RTM-Bilder<br />
grundsätzlich ?<br />
3.) Werden Sie sich darüber bewußt, welchen Einfluß das Erhöhen des <strong>Tunnel</strong>stroms bzw. das<br />
Erniedrigen der <strong>Tunnel</strong>spannung auf den Abstand zwischen Spitze und Probe hat !<br />
4.) Angenommen, die Spitze steht stationär über einer bestimmten Stelle der Probe, wobei der<br />
Abstand einem <strong>Tunnel</strong>strom von 1nA entsprechen soll. Berechnen Sie die Anzahl der<br />
Elektronen, die pro Sekunde durch den Spalt zwischen Spitze und Probe tunneln !<br />
5.) Bei RTM Experimenten an Luft befinden sich auf der Probenoberfläche zweifelsohne<br />
immer adsorbierte Wassermoleküle und Gase. Inwiefern beeinflussen diese den <strong>Tunnel</strong>prozeß<br />
und in welchem Maß stört die Spitze eventuell deren Verteilung ?<br />
6.) Warum ist atomare Auflösung auf Graphit leichter zu erhalten als auf Gold ?<br />
7.) Das eingebaute Piezomaterial bringt charakteristische Schwierigkeiten mit sich. Um welche<br />
handelt es sich und wie wirken sie sich in der Praxis des RTM’s aus? Wie kann diesen<br />
Problemen eventuell ausgewichen werden ?<br />
8.) Die Option, Strom - Spannungs - Linien bzgl. Spitze und Probe aufnehmen zu können,<br />
bietet folgende Möglichkeiten: (a) Die Stabilität des <strong>Tunnel</strong>kontakts kann überprüft werden. (b)<br />
Spitzen-, Probenoberfläche und die <strong>Tunnel</strong>bedingungen können absichtlich manipuliert<br />
werden.<br />
Wie werden beide Prozesse praktisch durchgeführt ?<br />
3
(ii) Praktische Durchführung des Versuchs<br />
Die folgenden Aufgaben (9) bis (13) beinhalten sowohl die Versuchsanleitung als auch Fragen,<br />
die erst in der Auswertung nach der Durchführung des Praktikums beantwortet werden sollen.<br />
Aufgrund der unter (8) gezeigten Möglichkeiten liegt es nahe, zwischen den<br />
verschiedenen RTM-Abbildungen immer wieder Strom-Spannungs-Linien aufzunehmen und<br />
abzuspeichern. Wählen Sie während des Praktikums die dabei verwendeten Spannungsbereiche<br />
sorgfältig aus, damit Sie bestehende gute <strong>Tunnel</strong>bedingungen nicht unbeabsichtigt zerstören.<br />
Wichtig: Benutzen Sie immer Handschuhe sobald sie mit dem RTM arbeiten, d.h.<br />
Spitzenpräparation und -einbau, Probenpräüaration und -einbau.<br />
9.) Präparation einer <strong>Tunnel</strong>spitze<br />
Präparieren Sie nach Anleitung durch den Betreuer eine <strong>Tunnel</strong>spitze. Fassen Sie den dazu<br />
benützten Golddraht nur mit einer gesäuberten Pinzette an und arbeiten Sie auf einer<br />
gereinigten Unterlage. Zum Reinigen der Werkzeuge stehen Papiertücher und Ethanol zur<br />
Verfügung. Die Vorgensweise ist im Handbuch ab Seite 30 beschrieben. Dieses Vorgehen<br />
eignet sich sowohl für PtIr als auch Au-Spitzen.<br />
10.) Gold<br />
Die vorhandene ungeflammte Goldprobe wurde auf Quarzglas aufgedampft. Die Schichtdicke<br />
beträgt ca. 1500 Å.<br />
10.a) Untersuchen Sie diese Oberfläche mit dem RTM und erklären Sie die dort<br />
vorhandenen Strukturen (s. Kap. 6).<br />
10.b) Nehmen Sie eine Strom-Spannungskennlinie auf und interpretieren Sie diese.<br />
10.c) Gold kann große atomar flache Terrassen in (lll)-Orientierung ausbilden, deren<br />
Netzebenenabstand 2,4 Å beträgt. Aus diesem Wissen heraus wird die Eichung der<br />
z-Bewegung des Piezoelements meistens auf Goldoberflächen durchgeführt. Durch<br />
kurzzeitiges erhitzen der Goldprobe in einer Bunsenbrennerflamme, dem sogenannten<br />
‘Flame-annealing’ zu deutsch ‘Flammen’, können sich auf Teilbereichen der<br />
Probenoberfläche Terrassen ausbilden. Welche Prozesse könnten zu den glatten<br />
terrassenartigen Flächen führen ? Versuchen Sie, diese mit Hilfe des RTMs abzubilden,<br />
indem Sie die geflammte Goldprobe untersuchen. Es ist möglich, dass Sie dazu mehrere<br />
verschiedene Bildbereiche mit der <strong>Tunnel</strong>spitze anfahren müssen. Führen Sie mittels<br />
solcher RTM-Bilder die Eichung des z-Piezos durch.<br />
11.) NanoGrid<br />
Bauen Sie die NanoGrid bei in das RTM ein, dieses enthält ein AuPd Gitter mit einer<br />
Gitterkonstanten von 160 nm. Führen Sie mittels der erhalten RTM-Bilder die Eichung der x-<br />
und y-Piezos durch.<br />
4
12) Graphit<br />
Bauen Sie die vorhandene Graphit-Probe in das RTM ein, nachdem Sie sie mit dem<br />
vorhandenen Klebestreifen abgezogen haben. Das Ziel ist nun, die Graphitoberfläche atomar<br />
aufzulösen. Dabei empfiehlt es sich, zunächst große Bildbereiche zu wählen (6000 - 8000 Å<br />
Bildbreite) zu wählen, die dann immer weiter verkleinert werden.<br />
12.a) Beobachten Sie die Wirkung der Variationen von <strong>Tunnel</strong>spannung,<br />
<strong>Tunnel</strong>strom, Verstärkung (Gain) und <strong>Raster</strong>geschwindigkeit auf die entstehenden<br />
Bilder. Wichtig ist, dass Sie versuchen, die jeweils aufgenommenen und<br />
abgespeicherten Bilder auf Ihren Informationsgehalt hin zu interpretieren, d.h. die Frage<br />
‘Was sieht man im RTM-Bild ?’ zu beantworten. Auch Störungen, die durch äußere<br />
Schwingungen oder Fehlsignale in der Elektronik verursacht werden, sollten Sie im<br />
RTM-Bild festhalten, speichern und der Auswertung mit Kommentar beifügen.<br />
12.b) Erklären Sie, was Sie bei atomar aufgelöstem Graphit auf dem Bildschirm sehen!<br />
Warum sehen Sie z.B. nur jedes zweite Atom ?<br />
12.c) Versäumen Sie es nicht, einige Strom-Spannungs-Kennlinien (IV-Menu)<br />
aufzunehmen und abzuspeichern (s. Aufg. 8, Vorbereitung). Fügen Sie diese<br />
Diagramme der Auswertung bei und überlegen Sie sich, welche aus der Theorie<br />
bekannten Proportionalitäten (s. Kap 3) darin wiederzufinden sind.<br />
12.d) Falls Sie atomar aufgelöste RTM-Bilder der HOPG-Oberfläche erreicht haben<br />
verwenden Sie diese dazu, die Eichung der x- und y-Bewegung des Piezos zu<br />
überprüfen.<br />
12.e) Bestimmen Sie die notwendigen Eichfaktoren und geben Sie diese in der<br />
Auswertung an (s. Kap. 6)! Warum ist diese Eichung notwendig ?<br />
13) Abstandsabhängigkeit des <strong>Tunnel</strong>stroms<br />
Das Scanprogramm erlaubt darüber hinaus, den <strong>Tunnel</strong>strom in Abhängigkeit des<br />
Abstandes Spitze-Probe zu messen. Dies kann auf jeder beliebigen Probe durchgeführt werden!<br />
13.a) Versuchen Sie, basierend auf dieser Abstandsabhängigkeit des <strong>Tunnel</strong>stroms,<br />
eine quantitative Aussage über die mittlere lokale Potentialbarrierenhöhe zu treffen !<br />
13.b) Wie lassen sich die von Ihnen erhaltenen Werte bezüglich einer mittleren<br />
Potentialbarrierenhöhe von 4 - 5 eV im Vakuum verstehen ?<br />
5
(iii) Stichworte und allgemeine Literatur zum Versuch<br />
In der folgenden Aufzählung sind Stichworte genannt, die für das Verständnis der<br />
Funktionsweise des <strong>Raster</strong>-<strong>Tunnel</strong>-Mikroskops (RTM) wesentlich sind. Da diese Begriffe im<br />
laufenden Text als bekannt vorausgesetzt werden, lohnt es sich, die unten aufgeführte Literatur<br />
zu bemühen, um eventuelle Wissenslücken zu schließen.<br />
Stichworte:<br />
Literaturangaben:<br />
‘Adsorption’<br />
‘Austrittsarbeit’<br />
‘Elektronische Bänder in Festkörpern’<br />
‘Feldemission’<br />
‘Fermi-Dirac-Verteilung’<br />
‘Fermi-Energie’<br />
‘Fermi’s Goldene Regel der Quantenmechanik’<br />
‘Kristallorientierungen’<br />
‘Oberflächendiffusion’<br />
‘Piezoelektrischer Effekt; Piezomaterialien’<br />
‘<strong>Tunnel</strong>effekt’<br />
‘<strong>Tunnel</strong>prozeß im eindimensionalen Potentialtopfmodell’<br />
‘Zustandsdichte’<br />
• T. Mayer-Kuckuk, Atomphysik, Teubner 1985<br />
• Haken - Wolf, Atom- und Quantenphysik, Springer 1990<br />
• Ibach - Lüth, Festkörperphysik, Springer 1990<br />
• K. Kopitzky, Einführung in die Festkörperphysik, Teubner 1993<br />
• C. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, Oldenbourg 1989<br />
• J.J. Sakurai, Modern Quantum Mechanics, Addison-Wesley 1985<br />
• C. Cohen-Tannoudji, B. Diu, F. Laloë, Quantum Mechanics, Band 1 und 2,<br />
Wiley-Interscience 1977<br />
• J. Hölzl, F. K. Schulte, H. Wagner, Solid Surface Physics, Springer 1979<br />
6
1 Einleitung<br />
Es war schon verwegen von G. Binnig und H. Rohrer vom IBM Forschungslabor in<br />
Zürich im Jahre 1980 einfach das auszuprobieren, was viele ihrer Kollegen von vorneherein<br />
zum Scheitern verurteilt hatten. Ihre Idee sah im Prinzip so aus, daß sie mit einer extrem feinen<br />
Nadel in sehr geringem Abstand eine leitende Oberfläche abrastern wollten, um diese in<br />
höchster Auflösung abzubilden. Die physikalische Grundlage dafür bildete der <strong>Tunnel</strong>effekt,<br />
der rein theoretisch exponentiell vom Abstand zwischen Nadel und Probenoberfläche abhängt.<br />
Die technischen Hilfsmittel für die erforderliche exakte Steuerung dieser <strong>Tunnel</strong>spitze bis auf<br />
Ångstroem genau waren zu dieser Zeit in Form von Piezokeramiken schon längst bekannt.<br />
Jedoch war die Meinung, daß der Abstand von wenigen Ångstroem zwischen Spitze und Probe<br />
niemals stabil gehalten werden könne, zur damaligen Zeit weit verbreitet. Da es außerdem<br />
technisch nicht möglich war, atomar feine Spitzen herzustellen, schien das Ziel der atomaren<br />
Auflösung ungreifbar in die Ferne gerückt.<br />
Binnig und Rohrer bewiesen das Gegenteil, spätestens als sie 1982 atomar aufgelöste<br />
<strong>Raster</strong>-<strong>Tunnel</strong>-Mikroskop (RTM)-Bilder vorweisen konnten. Bei den ersten Geräten wurde ein<br />
enormer Aufwand getrieben, um äußere Schwingungen abzudämpfen: Eine supraleitende<br />
Bleischale, auf der sich das RTM befand, wurde im Magnetfeld zum Schweben gebracht.<br />
Ferner befand sich die ganze Apparatur im Ultrahochvakuum (UHV), damit jegliche<br />
Bedeckung der Proben- und Spitzenoberfläche mit Fremdatomen so gut wie ausgeschlossen<br />
werden konnte. Der thermischen Drift, der zweifellos jedes Gerät unterworfen ist, begegnete<br />
man, indem die RTM-Messungen nur bei tiefen Temperaturen durchgeführt wurden ([1]).<br />
Bald schon stellte sich heraus, daß selbst unter weit widrigeren Bedingungen<br />
hochaufgelöste Bilder mit dem RTM aufgenommen werden können. Und man führe sich die<br />
Vorteile dieses Gerätes vor Augen: Die erhaltenen Bilder sind direkte Abbildungen der<br />
Probenoberfläche im momentanen Zustand, einzelne Atome, Moleküle und Stufen sowie<br />
chemische und physikalische Prozesse wie Oberflächendiffusion, Adsorption und Desorption<br />
sind beobachtbar. Weiterhin bleibt die untersuchte Oberfläche nahezu unverändert, da die<br />
tunnelnden Elektronen nur Energien im 100meV-Bereich besitzen. Ferner bietet sich die<br />
Möglichkeit der Oberflächenmanipulation im Nanometerbereich, indem mittels gezielter<br />
Spannungspulse Löcher bzw. Gräben produziert oder Atome versetzt werden können.<br />
Schließlich ist noch zu bemerken, daß das RTM im Vakuum, an Luft und in den<br />
verschiedensten Flüssigkeiten betrieben werden kann ([3]).<br />
Es verwundert deshalb nicht, daß das RTM binnen kürzester Zeit in allen<br />
Wissenschaftszweigen boomte, die sich mit Oberflächen und mikroskopischen Prozessen<br />
beschäftigen.<br />
Der vorliegende Praktikumsversuch wurde eingerichtet, um den Studenten des<br />
Studienganges <strong>Physik</strong> die Möglichkeit zu geben, sich mit in der aktuellen Forschung benutzten<br />
Geräten praxisnah auseinanderzusetzen. Denn nur in der Anwendung lernt man die Vorzüge<br />
und vor allem die Grenzen einer solchen Apparatur kennen - Grenzen, deren Kenntnis eine<br />
gewisse Kritikfähigkeit gegenüber den erhaltenen Daten lehrt.<br />
7
2 Historischer Überblick<br />
Schon früh suchten Menschen an aller Welt Enden<br />
ob sie nicht die kleinsten Dinge fänden.<br />
Mit Linsensystemen fing man an -<br />
damals kam man halt an nix Bessres ran.<br />
Schließlich stellte Abbe fest,<br />
daß die Wellenlänge die Auflösung begrenzt sein läßt.<br />
De Broglie landete den großen Coup -<br />
er schrieb den Elektronen ‘ne Wellenlänge zu;<br />
die war viel kürzer als vorher,<br />
drum sah man einfach mehr.<br />
Ob Transmission oder Reflexion,<br />
ob Elektron oder Ion,<br />
von nun an beschoß man die Proben mit Teilchen,<br />
um immer Bessres zu erreichen.<br />
Nicht Absorption des Lichtes war mehr gefragt,<br />
nein, Elektronenstreuung war angesagt.<br />
Ob Photoplatte, Phosphorschirm oder Multiplier an richtger Stelle<br />
man rückte den Atomen zusehends auf die Pelle.<br />
Binnig und Rohrer waren’s schließlich,<br />
die mit bekannten Dingen unverdrießlich<br />
das <strong>Raster</strong>tunnelmikroskop kreierten<br />
und damit nicht wenige schockierten.<br />
Denn theoretisch immer noch ungeklärt<br />
hat sich dieses Gerät doch vielfach bewährt<br />
und hat viele Nachkommen gefunden -<br />
das steht im Text ganz unten.<br />
Wollt Ihr nun noch mehr erfahren<br />
über’s RTM und dessen Gebahren 1 ?<br />
1 ... bzw. dessen Gefahren ...<br />
8
Nach diesem poetischen Einstieg möchte das folgende Kapitel zusammenfassen, wie sich<br />
die <strong>Raster</strong>tunnelmikroskopie in die historische Entwicklung der <strong>Mikroskopie</strong> eingefügt hat und<br />
welche Bedeutung ihr diesbezüglich beizumessen ist ([5], [6]).<br />
2.1 Optische <strong>Mikroskopie</strong><br />
Nachdem die optische <strong>Mikroskopie</strong> schon im 17. Jahrhundert ihre Entwicklung begonnen<br />
hatte, war es erst Ernst Abbe, der Ende des 19. Jahrhunderts die Begrenztheit der Auflösung mit<br />
der Wellenlänge des verwendeten Lichts in Zusammenhang brachte:<br />
λ<br />
g =<br />
n sinα<br />
g: kleinster Abstand, den zwei Objektpunkte haben dürfen, damit sie im Mikroskop noch<br />
getrennt wahrgenommmen werden können<br />
n: Brechungsindex der Immersionsflüssigkeit<br />
α: Winkel zwischen der Richtung den am Objekt gebeugten Strahlen 1. Ordnung und der<br />
Achse des Mikroskops<br />
λ: Wellenlänge des verwendeten Lichts<br />
Die aufzulösenden Strukturen des Objektes dürfen also nicht wesentlich kleiner als λ<br />
sein, ihr Mindestabstand beträgt hier 2000 Å.<br />
Analogiebetrachtungen zwischen der geometrischen Optik, die im großen Maßstab die<br />
Natur korrekt zu beschreiben vermag aber im kleinen durch die Wellenoptik ersetzt werden<br />
muß, und dem damals ausschließlichen Teilchencharakter der Materie führten de Broglie 1923<br />
zu der Überlegung, auch dieser eine Wellennatur zuzuschreiben:<br />
λ = h p<br />
h: Plancksche Konstante<br />
p: Impuls des Teilchens<br />
λ: Wellenlänge<br />
2.2 Elektronenmikroskopie<br />
Mit dieser von de Broglie entdeckten Wellennatur der Teilchen war der Weg für die<br />
Konstruktion von Elektronenmikroskopen bereitet, von denen das erste im Jahre 1931 gebaut<br />
wurde. Der Abbildungsstrahlengang eines solchen Mikroskops ist dem des Lichtmikroskops<br />
sehr ähnlich; hier werden anstelle von Glaslinsen elektrische oder magnetische<br />
Elektronenlinsen 1 verwendet und die Lichtquelle durch eine Elektronenkanone ersetzt.<br />
Der apparative Aufwand ist hierbei natürlich ungleich größer, da zur Erzeugung des<br />
Elektronenstrahls eine Hochspannungsanlage benötigt wird und sich der gesamte Strahlengang<br />
1 Das sind inhomogene rotationssymmetrische magnetische oder elektrische Felder<br />
9
im Vakuum befinden muß, um Wechselwirkungen der beschleunigten Elektronen mit den<br />
Luftmolekülen auszuschließen.<br />
Das Bild entsteht bei Licht- und Elektronenmikroskop jedoch auf unterschiedliche Weise:<br />
Während die Absorption des Lichtes im abzubildenden Objekt die maßgebliche Größe für den<br />
Bildkontrast darstellt, wird dieser im elektronischen Fall durch Streuung der bilderzeugenden<br />
Elektronen produziert. Würden diese absorbiert, so hätte das die Aufheizung des Objektes zur<br />
Folge, was eine vernünftige Untersuchung der Probe unmöglich machen würde.<br />
Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Elektronenmikroskop-Typen: Zum einen das<br />
Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop, bei dem die zu untersuchenden Proben sehr<br />
dünnschichtig (ca. 100Å) sein müssen, zum andern das Reflexions-Elektronenmikroskop, das<br />
jedoch nur zur Untersuchung von elektrisch leitfähigen Oberflächen geeignet ist, da Isolatoren<br />
sich aufladen würden. Um diese dennoch untersuchen zu können, werden sie mit einer dünnen<br />
leitenden Schicht bedampft.<br />
Zu den Reflexionsmikroskopen gehört auch das <strong>Raster</strong>elektronenmikroskop (REM,1935),<br />
bei dem die von der schräg zum abbildenden Strahl positionierten Probe emittierten<br />
Sekundärelektronen 2 von geeigneten Detektoren erfaßt werden. Um ein vollständiges Bild zu<br />
erhalten wird die Probe mit dem Elektronenstrahl zeilenförmig abgerastert. Der Vorteil des<br />
REM liegt in seiner enormen Tiefenschärfe, obwohl sein Auflösungsvermögen (50-200Å)<br />
hinter dem des Durchstrahlungs-Mikroskops zurückbleibt, bei welchem Objektpunkte mit bis<br />
zu 5Å Abstand getrennt abgebildet werden können.<br />
Ein abbildender Elektronenstrahl, der die Probe durchdringt oder an ihr reflektiert wird,<br />
ist jedoch nicht unbedingt nötig - die zur Bildentstehung beitragenden Elektronen bzw. Ionen<br />
können auch von der Probe direkt stammen, und zwar in folgender Weise:<br />
- thermisch (im Mikroskop erstmals 1935 realisiert)<br />
- durch Photoemission (erstmals1933 realisiert)<br />
- durch Feldemission<br />
(Feldelektronenmikroskop 1936; Feldionenmikroskop 1951)<br />
Diese Unterscheidung in der Art der Elektronenauslösung entspricht gleichzeitig den<br />
verschiedenen Emissionsmikroskop-Typen. Der Bildkontrast entsteht bei diesen Geräten durch<br />
das vom Material abhängige unterschiedliche Emissionsvermögen einzelner Probenbereiche<br />
und durch die Geometrie der emittierenden Oberfläche. Betrachtet werden damit jedoch nur<br />
metallische Proben, da nur diese den Präparations- und Untersuchungsbedingungen im<br />
Mikroskop genügen. Im Falle der Feldelektronen- bzw. Feldionenmikroskopie sind atomare<br />
Strukturen des zu einer sehr scharfen Spitze geformten Probenmaterials erkennbar.<br />
Der direkte Vorläufer des <strong>Raster</strong>tunnelmikroskops ist das 1972 erstmals in Betrieb<br />
genommene <strong>Raster</strong>-Feldemissions-Mikroskop, bei dem mit einer metallische Spitze im Abstand<br />
von mehreren hundert Ångstroems über eine leitende Probe gerastert wird. Durch das Anlegen<br />
einer hohen Spannung zwischen Spitze und Probe und dem daraus resultierenden starken<br />
2 Sekundärelektronen sind durch den bilderzeugenden Elektronenstrahl aus dem Leitungsband des zu<br />
untersuchenden Objektes ausgelöste Elektronen<br />
10
elektrischen Feld werden aus der Metalloberfläche Elektronen emittiert, die schließlich von der<br />
Spitze ‘eingesammelt’ werden. Man nutzt die starke Abstandabhängigkeit dieses<br />
Feldemissionsstromes aus, um ein Bild der Oberflächentopographie zu erhalten. Damit wurden<br />
Auflösungen von 30Å vertikal (d.h. senkrecht zur Probenoberfläche) und 4000Å lateral (d.h. in<br />
der Probenebene) erreicht.<br />
2.3 <strong>Raster</strong>sondenmikroskopie<br />
Das <strong>Raster</strong>tunnelmikroskop (RTM), das 1980 von G.Binnig und H.Rohrer im IBM<br />
Forschungslabor Zürich entwickelt wurde, unterscheidet sich vom <strong>Raster</strong>-Feldemissions-<br />
Mikroskop dadurch, daß sowohl der Abstand als auch die Spannung zwischen Spitze und Probe<br />
extrem verringert wurde - ersterer auf wenige Ångstroems, letztere auf maximal 1V. Das<br />
elektrische Feld ist dabei bedeutend schwächer als beim <strong>Raster</strong>-Feldemissions-Mikroskop,<br />
weshalb die Elektronen nicht mehr aufgrund der Feldemission aus der Probe austreten, sondern<br />
von besetzten Zuständen der Probe zu den unbesetzten der Spitze tunneln - oder umgekehrt.<br />
Auf diese Weise wurden Auflösungen bis zu 0,01Å vertikal und 2Å lateral erzielt. Ob das RTM<br />
an Luft oder im Vakuum betrieben wird, ist von der jeweiligen zu untersuchenden Probe und<br />
von der Fragestellung abhängig. In Abbildung 2.3.1 ist das Funktionsprinzip des RTMs ganz<br />
grob wiedergegeben. Zwischen <strong>Tunnel</strong>spitze und Probe wird eine Spannung, die sogenannte<br />
<strong>Tunnel</strong>spannung U T angelegt. Die gemessene <strong>Tunnel</strong>stromstärke I T hängt, wie später noch<br />
gezeigt wird, exponentiell vom Abstand Spitze-Probe ab. Im gewöhnlichen Betriebsmodus<br />
werden die Piezostellelemente über den Regler, der den <strong>Tunnel</strong>strom einliest, so gesteuert, daß<br />
der Abstand zwischen <strong>Tunnel</strong>spitze und Probenoberfläche konstant gehalten wird. Auf diese<br />
Weise tastet die Spitze die Oberfläche ab.<br />
Regler<br />
Piezostellelemente<br />
I T<br />
<strong>Tunnel</strong>spitze<br />
U T<br />
Probe<br />
Abb.2.3.1: Funktionsprinzip des RTMs im Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms, d.h. konstanter Abtasthöhe<br />
Die Idee des RTMs, mittels einer feinen Spitze atomare Strukturen einer<br />
Probenoberfläche aufzulösen, blieb natürlich nicht folgenlos. Je nach dem, aus welchem<br />
Material und wie die abtastende Spitze beschaffen ist, können andere Eigenschaften der der<br />
jeweiligen zu betrachtenden Oberfläche hochaufgelöst werden, z.B. magnetische Strukturen,<br />
Reflexionsmerkmale oder Leitfähigkeitscharakteristiken.<br />
Das neben dem RTM am häufigsten verwendete Instrument für Untersuchungen im<br />
Nanometerbereich ist das Atomare Kraft-Mikroskop, das 1986 erstmals zum Einsatz kam.<br />
11
Damit können nämlich nicht nur elektrisch leitende, sondern auch isolierende Materialien<br />
‘unter die Nadel’ genommen werden (im wahrsten Sinne des Wortes).<br />
Abb.2.3.1 Atomares Kraftmikroskop [1] (Skizze AFM)<br />
Die extrem feine Spitze S liegt mit einer Kraft von 10 -8 bis 10 -12 N direkt auf der Probenoberfläche<br />
P auf, während sie im <strong>Raster</strong>modus über dieselbe geführt wird. Dabei sorgt die<br />
Piezokeramik A, die über einen Hebelarm H mit der Spitze verbunden ist, für Konstanz dieser<br />
Auflagekraft, indem sie über den Abstandssensor AS und den Regler R entsprechend<br />
angesteuert wird. Das entstehende Bild, das aus den Spannungssignalen an diesen<br />
Piezostellelement gewonnen wird, gibt die Oberflächentopographie, um genauer zu sein, das<br />
Profil konstanter Elektronendichte der Probe wieder, da sich elektrostatische Abstoßung<br />
aufgrund des Überlapps der elektronischen Wellenfunktionen von Probe und Spitze und deren<br />
Auflagekraft gerade die Waage halten.<br />
In diesen Nahfeldbereichen kann man sich natürlich die verschiedensten<br />
Wechselwirkungen zwischen Spitze und Probe zunutze machen. Beim Magnetkraftmikroskop<br />
benutzt man beispielsweise Spitzen aus Eisen oder Nickel, die in Längsrichtung magnetisiert<br />
sind, so daß beim Abrastern magnetischer Bereiche der Probe die magnetische Wechselwirkung<br />
überwiegt.<br />
Das Thermische Nahfeldmikroskop arbeitet mit einem winzigen Thermoelement als<br />
Spitze, das während der Untersuchung der raumtemperierten Probenoberfläche geheizt wird.<br />
Wird die durch diesen Temperaturunterschied erzeugte Thermospannung konstantgehalten,<br />
folgt die Spitze dem Oberflächenprofil. So wurden Auflösungen unter 1000Å erreicht!<br />
Bei der optischen Nahfeldmikroskopie tritt das zur Abbildung benutzte Licht aus einer<br />
Öffnung aus, die wesentlich kleiner als die Wellenlänge selbst ist. Das Bild des damit<br />
beleuchteten Objekts wird entweder aus der Reflexion oder der Transmission gewonnen.<br />
Auflösungen bis zu 1000Å sind erreicht worden! Der Grund für diese hohen Auflösungen, die<br />
wesentlich kleiner als die Wellenlänge des verwendeten Lichts sind, ist der Informationsgehalt<br />
des optischen Nahfeldes, der denjenigen des Fernfeldes weit übersteigt. Man denke<br />
vergleichsweise an das Stethoskop, das eine Art ‘akustisches Nahfeldmikroskop’ darstellt: Hier<br />
werden die Schallwellen nahe an ihrem Entstehungsort über eine im Vergleich zur Wellenlänge<br />
sehr kleine Membran aufgenommen und können am Ohr trotzdem deutlich aufgelöst werden<br />
([1])!<br />
12
3 Theoretische Ansätze<br />
Bei der Beschäftigung mit den durch das RTM aufgenommenen Bildern ergeben sich<br />
zwangsläufig Fragestellungen zu den Abhängigkeiten des <strong>Tunnel</strong>stroms, der die zentrale<br />
Meßgröße dieses Mikroskops darstellt. Deshalb werden auf den folgenden Seiten zwei Modelle<br />
der Vorgänge im RTM beschrieben, die die Interpretation der erhaltenen Bilder theoretisch<br />
untermauern sollen. Gleich zu Beginn ist zu erwähnen, daß bis heute keine geschlossene<br />
analytische Darstellung des <strong>Tunnel</strong>prozesses im RTM existiert, durch die alle experimentellen<br />
Beobachtungen erklärt werden können.<br />
Der erste theoretische Annäherungsversuch beschäftigt sich mit dem <strong>Tunnel</strong>prozeß im<br />
eindimensionalen Potentialtopfmodell ([1]). Zunächst seien zwei Metalle im Vakuum räumlich<br />
und elektrisch voneinander getrennt (Abb.3.1a). Zu beachten ist hierbei, daß die beim RTM<br />
vorhandene Spitzengeometrie noch völlig unberücksichtigt bleibt. Die Metalle werden<br />
beschrieben durch ihre jeweilige Fermi-Energie 1 E F und ihre Austrittsarbeit 2 Φ.<br />
Energie<br />
E F1<br />
Φ 1<br />
E F2<br />
Φ 2<br />
Metall 1<br />
Abb.3.1.a: Metall 1 und 2 sind räumlich weit voneinander getrennt.<br />
Metall 2<br />
z<br />
ΔΦ<br />
E F1<br />
E F2<br />
Metall 1<br />
Metall 2<br />
Abb.3.1.b:Der Abstand zwischen den Metallen beträgt wenige Ångstroem, die Ferminiveaus E F1 und E F2<br />
befinden sich im Gleichgewicht.<br />
E F1 eU T<br />
E F2<br />
ϕ<br />
Metall 1 Metall 2<br />
Abb.3.1.c: Öffnen eines Energiefensters ⏐EF1−EF2⏐ durch zusätzliches Anlegen einer<br />
<strong>Tunnel</strong>spannung UT , was einen meßbaren <strong>Tunnel</strong>strom in eine Richtung bedingt.<br />
1 Energie des höchsten besetzten Zustandes bei T = 0, basierend auf dem Pauli-Prinzip<br />
2 Energie, die zur Entfernung eines Elektrons aus dem Metall aufzuwenden ist.<br />
13
Werden die beiden Elektroden nun bis auf wenige Ångstroems zueinandergebracht, so<br />
bewirken die unterschiedlichen Fermi-Niveaus, daß die Elektronen von der einen zur anderen<br />
Seite so lange tunneln, bis sich diese beiden Niveaus in der Gleichgewichtslage befinden<br />
(Abb.3.1b).<br />
Damit ein kontinuierliches <strong>Tunnel</strong>n zwischen den beiden Metallen, also ein meßbarer<br />
<strong>Tunnel</strong>strom I T , stattfinden kann, wird eine kleine Spannung U T angelegt, die je nach Polarität<br />
eines der Fermi-Niveaus um den Energiebetrag (e⋅U T ) anhebt. Auf diese Weise wird die in<br />
Abb.3.1c dargestellte Situation geschaffen: Den besetzten Zuständen links stehen rechts<br />
unbesetzte gegenüber, so daß die Voraussetzungen für <strong>Tunnel</strong>vorgänge gegeben sind, die einen<br />
meßbaren <strong>Tunnel</strong>strom in eine Richtung erzeugen.<br />
Noch zu bemerken ist, daß die sich einstellende Potentialbarriere natürlich nicht den in<br />
Abb.3.1c fettschwarz gezeichneten, stufigen Verlauf aufzeigen wird - bei der tatsächlich<br />
vorhandenen Spitzengeometrie wird sie sich vielmehr aufgrund von Bildladungen absenken<br />
und abrunden.<br />
Schon an dieser einfachen Darstellung ist ersichtlich, daß immer nur zwischen Zuständen<br />
mit Energien nahe des Fermi-Niveaus getunnelt wird, da U T zwischen 50mV und 500mV<br />
gewählt und damit klein gehalten wird. Bei höheren Spitzen-Spannungen werden die<br />
Elektronen durch das nun wesentlich stärkere elektrische Feld aus der Probe emittiert. Dieser<br />
Vorgang wird Feldemission genannt (s. Abschnitt 2.2 Ende). Damit ist keine atomare<br />
Auflösung erreichbar, da der Elektronenaustritt primär von der Spitzenform und der<br />
elektrischen Feldverteilung abhängt und nicht von den Oberflächenstrukturen der Probe.<br />
3.1 Eindimensionaler Ansatz<br />
Energie<br />
ϕ<br />
0<br />
E<br />
z<br />
Abb.3.1.1: Potentialverlauf der <strong>Tunnel</strong>barriere<br />
d<br />
Der mathematische Ansatz für dieses Problem ist die eindimensionale zeitunabhängige<br />
Schrödingergleichung:<br />
⎧ h 2 d<br />
2<br />
E⋅ Ψ = ⎨− ⋅ +<br />
2<br />
⎩ 2me<br />
dz<br />
⎫<br />
⎬<br />
⎭<br />
() z<br />
ϕ () z ⋅ Ψ()<br />
z<br />
14
mit<br />
E<br />
Ψ(z)<br />
m e<br />
ϕ (z)<br />
: Energie des tunnelnden Elektrons<br />
: Amplitudenanteil der Zustandsfunktion des tunnelnden Elektrons<br />
: Ruhemasse des Elektrons<br />
: Potentialverlauf der <strong>Tunnel</strong>barriere.<br />
Im Bereich des <strong>Tunnel</strong>spaltes wird zur Vereinfachung eine rechteckige Potentialbarriere der<br />
Höhe ϕ angenommen (s. Abb.3.1.1). In der in Abb.3.1.c dargestellten Situation wäre bei fest<br />
gewählter <strong>Tunnel</strong>spannung U T der folgender Wert für die Barriere zu wählen:<br />
ϕ =<br />
Φ<br />
+ Φ eU<br />
+ ⋅ T<br />
2 2<br />
1 2<br />
Das Fermi-Niveau E F2 des zweiten Metalles wird dabei als Nullniveau der Energie gesetzt.<br />
In Abbildung 3.1.1 ist das so gewählte ϕ graphisch dargestellt:<br />
Energie<br />
ϕ<br />
0<br />
E F1<br />
eU T<br />
E F2<br />
Metall 1<br />
Metall 2<br />
Abb.3.1.1: Wahl der Potentialbarrierenhöhe ϕ. Das Energienullniveau fällt mit der Fermi-Energie des<br />
Metalles 2 zusammen.<br />
Bei den weiteren Betrachtungen ist nur diejenige Potentialbarriere ϕ von Interesse, die der<br />
tunnelnde Ladungsträger wirklich ‘sieht’. Mathematisch ausgedrückt ist das:<br />
Φ<br />
ϕ = ϕ − E =<br />
+ Φ eUT<br />
+ − E<br />
2 2<br />
1 2<br />
Lösungen im Bereich des <strong>Tunnel</strong>spaltes haben dann die Form einer abklingenden e-Funktion:<br />
( ) ∝ exp{ −κ<br />
z}<br />
Ψ z<br />
mit der Abklingkonstanten<br />
2 2<br />
κ = m e<br />
ϕ<br />
2<br />
h .<br />
Da die <strong>Tunnel</strong>wahrscheinlichkeit mit Ψ 2<br />
geht und der <strong>Tunnel</strong>strom wiederum<br />
proportional zu derselben ist, findet sich<br />
(∗)<br />
IT ∝ exp { −2κ<br />
d}<br />
15<br />
,
wobei ‘d’ den Abstand zwischen den beiden Metallen angibt.<br />
An dieser Stelle ist noch anzumerken, daß eine Veränderung der <strong>Tunnel</strong>spannung U T bei<br />
den obigen Betrachtungen auch eine Korrektur der Energie E des tunnelnden Elektrons um den<br />
Term (e⋅U T ) mit sich bringt, was durch die Wahl des Nullniveaus der Energie bedingt wird.<br />
Bliebe diese Korrektur unberücksichtigt, so würde sich bei erhöhtem U T ein geringerer<br />
<strong>Tunnel</strong>strom I T ergeben!<br />
Aus der in (∗) angegebenen Proportionalität läßt sich die starke Abstandsabhängigkeit des<br />
<strong>Tunnel</strong>stromes ersehen. Dieser verringert sich beispielsweise auf ein Zehntel des<br />
ursprünglichen Wertes, wenn man den <strong>Tunnel</strong>spalt um 1Å vergrößert bei einer angenommenen<br />
mittleren Potentialbarrierenhöhe im Vakuum von 4,5eV. Davon ausgehend wird auch das<br />
atomare Auflösungsvermögen des RTMs verständlich: Geht man davon aus, daß am vordersten<br />
Ende der Spitze nur ein einzelnes Atom sitzt, so fließt durch dieses 90% des gesamten<br />
gemessenen <strong>Tunnel</strong>stroms ([1])!<br />
Fügt man in die obige Gleichung eine Proportionalitätskonstante Ι 0 ein und logarithmiert<br />
diese anschließend, so folgt:<br />
ln I I<br />
T<br />
0<br />
=−2κ<br />
z<br />
Dieser lineare Zusammenhang zwischen (ln Ι T ) und der Größe des <strong>Tunnel</strong>spaltes eröffnet<br />
die Möglichkeit, aus der Steigung (-2κ ) die mittlere Potentialbarrierenhöhe ϕ zu berechnen<br />
([2]). Dabei ist insofern Vorsicht geboten, als ϕ erst für <strong>Tunnel</strong>abstände über 4Å von<br />
denselben unabhängig ist (s.Abb.3.1.2).<br />
Abb.3.1.1 Abstandsabhängigkeit des <strong>Tunnel</strong>stroms, der logarithmisch aufgetragen ist, und der<br />
Barrierenhöhe. Für d > 4Å fällt der <strong>Tunnel</strong>strom exponentiell mit dem Abstand ab, wohingegen<br />
die Barrierenhöhe konstant bleibt. (aus [2]).<br />
16
3.2 Dreidimensionale Beschreibung des <strong>Tunnel</strong>stroms<br />
Um den <strong>Tunnel</strong>strom wirklich berechnen zu können, müßten die Wellenfunktionen der<br />
Oberfläche und der Spitze explizit darstellbar sein. Sie sind jedoch aufgrund der unbekannten<br />
atomaren Struktur der Spitze und deren Asymmetrie unzugänglich. An Luft wird die Situation<br />
durch die permanente Gegenwart von Adsorbaten noch komplexer.<br />
Da die <strong>Tunnel</strong>elektroden nur geringfügig miteinander wechselwirken, reicht eine<br />
störungstheoretische Behandlung erster Ordnung des Problems. Deshalb ist Fermi’s Goldene<br />
Regel anwendbar, die die Übergangswahrscheinlichkeit pro Zeiteinheit bei erhaltener Energie<br />
angibt ([7]) und aus der sich für den <strong>Tunnel</strong>strom folgender Ausdruck ableitet:<br />
mit<br />
I<br />
T<br />
∑[ f ( Eμ) f ( Eν)<br />
] Mμν δ( Eν e UT<br />
Eμ)<br />
2π<br />
e<br />
2<br />
= − + ⋅ −<br />
h<br />
μν ,<br />
f ( E)<br />
=<br />
1<br />
⎧ E − E<br />
1 + exp⎨<br />
⎩ kBT<br />
Fermi-Dirac-Verteilung:<br />
Sie gibt die Wahrscheinlichkeit an, daß ein Zustand mit der Energie E besetzt<br />
ist.<br />
M μν : Matrixelement für den <strong>Tunnel</strong>strom zwischen den Zuständen ψ μ (Spitze) und<br />
ψ ν (Probe).<br />
E μ , E ν : Energieeigenwerte zu ψ μ bzw. ψ ν .<br />
δ (...) : Delta-Funktion<br />
Verbal formuliert werden hier mit Hilfe der Fermi-Dirac-Verteilung die Zustände<br />
abgezählt, zwischen denen getunnelt werden kann, in das Matrixelement geht die<br />
Wahrscheinlichkeitsstromdichte zwischen ψ μ und ψ ν ein, und die δ-Funktion sorgt schließlich<br />
dafür, daß die Energie des tunnelnden Elektrons erhalten bleibt.<br />
F<br />
⎫<br />
⎬<br />
⎭<br />
Spitze<br />
r 0<br />
R<br />
Probe<br />
d<br />
s<br />
Abb.3.2.1 Angenommene Spitzengeometrie<br />
17
Zur Bestimmung des Matrixelementes M μν werden die Wellenfunktionen ψ μ bzw. ψ ν<br />
der Spitze bzw. Probe benötigt. Dazu wird das Ende der Spitze näherungsweise als eine Kugel<br />
mit Radius R angenommen (siehe Abb.3.2.1), die durch eine s-Wellenfunktion (d.h.<br />
Drehimpulsquantenzahl l=0) beschrieben wird. Die Wellenfunktionen der Probenoberfläche<br />
entwickelt man nach ebenen Blochwellen 1 ([8]).<br />
Setzt man ferner T=0 und nur kleine <strong>Tunnel</strong>spannungen UT voraus, so gilt:<br />
mit<br />
DT (EF )<br />
( )<br />
ρ r r<br />
0<br />
, E F<br />
3 2 2<br />
he R 2κR<br />
r<br />
I<br />
T<br />
= ⋅ ⋅e ⋅U ⋅D E ⋅<br />
2<br />
0<br />
me<br />
Vol.<br />
Kugel<br />
E<br />
⇔<br />
I = const. ⋅U ⋅D E ⋅<br />
r<br />
, E<br />
( ) ρ( )<br />
T T T F 0 F<br />
( ) ρ( , )<br />
T T F F<br />
Zustandsdichte (Zahl der Zustände pro Energieintervall ΔE) der Spitze bei EF<br />
Zustandsdichte der Probenoberfläche bei EF am Spitzenort<br />
r 0<br />
Da die Zustandsdichte der Spitzenoberfläche bei der Fermi-Energie D T (E F ) im Idealfall<br />
als konstant angesehen werden kann, während sich der Spitzenort r 0<br />
während des Abrasterns<br />
der Probe verändert, fällt sie bei der Betrachtung der Abhängigkeiten des <strong>Tunnel</strong>stroms weg. Es<br />
ist also folgendes festzuhalten:<br />
(1) IT ∝ exp{ −2κ d}<br />
Diese Abstandsabhängigkeit, die schon aus der<br />
eindimensionalen Betrachtung folgte, läßt sich auch im<br />
dreidimensionalen Fall ableiten: Sie verbirgt sich hinter der<br />
Zustandsdichte ρ der Probenoberfläche, in die die im<br />
<strong>Tunnel</strong>spalt exponentiell abklingende Wellen-funktion ψ ν<br />
quadratisch eingeht:<br />
2<br />
ρ( r0, EF) = ∑ Ψ<br />
ν ( r0) δ( Eν<br />
− EF)<br />
ν<br />
(2) IT<br />
∝ UT<br />
Diese Beziehung gilt nur für kleine U T , da ρ( r 0<br />
,E F ) dann<br />
unabhängig von der <strong>Tunnel</strong>spannung ist. Hält man also den<br />
Abstand zwischen Spitze und Probe konstant und fährt mit der<br />
Spannung einen kleinen Bereich um 0V durch, so sollte sich<br />
dieses ohmsche Verhalten im I-U-Diagramm zeigen.<br />
(3) I ( r E )<br />
T<br />
∝ ρ r 0<br />
, Wird der <strong>Tunnel</strong>strom beim Aufnehmen eines Bildes konstant<br />
F<br />
gehalten, so gibt dies Flächen konstanter lokaler Elektronenzustandsdichte<br />
(bei E F ) der Probenoberfläche wieder. Diese<br />
Abbildungseigenschaft ist vor allem bei der Interpretation von<br />
atomar aufgelösten Bildern von enormer Bedeutung.<br />
Daraus folgt, daß RTM Bilder im allgemeinen sowohl Informationen über die<br />
Oberflächentopographie (s.(1)) als auch über die elektronischen Eigenschaften der<br />
Probenoberfläche (s. (3)) zugleich enthalten!<br />
1 1 Blochwellen sind ebene Wellen, die mit einer gitterperiodischen Funktion moduliert werden<br />
18
3.3 Das inelastische <strong>Tunnel</strong>n<br />
Bisher wurden nur <strong>Tunnel</strong>prozesse behandelt, bei denen das Elektron auf seinem Weg<br />
durch den <strong>Tunnel</strong>spalt keine Energie verliert. In der Praxis werden sich zwischen Spitze und<br />
Probe jedoch immer Moleküle, Kontaminationen oder sonstige dünne Schichten befinden, die<br />
von dem tunnelnden Teilchen angeregt werden können, wobei dieses wiederum Energie<br />
verliert. Es ergibt sich also eine Situation, wie sie in Abb.3.3.1 gezeigt wird:<br />
E<br />
E F1<br />
elastisch<br />
hf<br />
inelast.<br />
eU T<br />
E F2<br />
z<br />
Abb.3.3.1: Neue <strong>Tunnel</strong>kanäle werden bei inelastischen <strong>Tunnel</strong>prozessen geöffnet.<br />
Davon ausgehend, daß an das tunnelnde Elektron nur die Bedingung gestellt wird, von<br />
einem besetzten Zustand in Metall 1 zu einem unbesetzten in Metall 2 überzugehen, eröffnen<br />
sich bei den inelastischen Prozessen natürlich mehrere mögliche Kanäle. Dadurch wird die<br />
<strong>Tunnel</strong>wahrscheinlichkeit erhöht, was einer Absenkung der mittleren lokalen Barrierenhöhe<br />
gleichkommt (siehe Abschnitt 3.2). Diese wird demzufolge an Luft etwas geringer als im<br />
Vakuum (4 bis 5eV) sein. Eine monomolekulare Bedeckung der Oberfläche erhöht die <strong>Tunnel</strong>wahrscheinlichkeit<br />
um etwa 1% ([1]). Deshalb reicht dieser Effekt bei weitem nicht aus, um die<br />
an Luft berechneten Potentialbarrierenhöhen zwischen 0,1 und 1eV erklären zu können.<br />
Man geht davon aus, daß ein mechanischer Kontakt zwischen Spitze und Probe, der im<br />
folgenden noch näher erläutert wird, die Hauptursache für diese geringen Barrierenhöhen an<br />
Luft ist. Die Situation sei so, daß sich zwischen Spitze und Probenoberfläche eine dünne<br />
isolierende Kontaminationsschicht befindet. Nähert sich die <strong>Tunnel</strong>spitze nun der Probe, so<br />
wird diese Schicht zusammengedrückt und bewirkt, daß die Spitzen- und/oder die<br />
Probenoberfläche deformiert werden. Davon ausgehend ist der Spitze-Probe-Abstand in<br />
Wirklichkeit natürlich nicht so klein wie erwartet und entsprechend hält sich auch die<br />
<strong>Tunnel</strong>stromvariation in einem kleineren Rahmen. Deshalb ist die Steigung im ln(I T ) -z-<br />
Diagramm kleiner, was nach Abschnitt 3.1 eine niedrigere mittlere Potentialbarrierenhöhe ϕ<br />
bedingt ([4]).<br />
19
3.4 RTM-Abbildungen von Adsorbaten<br />
Atome, die mit der Probenoberfläche wechselwirken, sogenannte adsorbierte Atome oder<br />
Adsorbate, können die unterschiedlichsten Auswirkungen auf das RTM-Bild der Oberfläche<br />
haben. Da die Proben mit dem RTM an Luft untersucht werden und sich unter diesen<br />
Umständen ständig irgendwelche Adsorbate auf der Oberfläche befinden, lohnt es sich, die<br />
dadurch produzierten Effekte näher zu betrachten.<br />
Im Modell wird davon ausgegangen, daß zwei planare Jellium 1 -Metalloberflächen in<br />
geringem Abstand zueinander angeordnet sind. Auf beiden soll sich jeweils ein einzelnes<br />
Adatom befinden, von denen das eine mit der <strong>Tunnel</strong>spitze, das andere mit dem adsorbierten<br />
Atom auf der Probenoberfläche identifiziert wird. Darauf aufbauende numerische<br />
Berechnungen ([9]) ergeben Abb.3.4.1:<br />
Abb.3.4.1: Profile konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms über unterschiedlichen Adatomen. Für die Spitze wurde ein<br />
Na-Atom auf einer Jellium-Oberfläche angenommen ([2]).<br />
Man muß sich vor Augen führen, daß das RTM-Bild nicht das topographische Bild des<br />
adsorbierten Atoms ist, sondern dessen Einfluß auf die Wellenfunktion der Oberfläche<br />
wiederspiegelt. Aus Abb.3.4.1 wird deutlich, daß ein adsorbiertes He-Atom in der RTM-<br />
Abbildung sogar als Loch in der Oberfläche erscheint.<br />
Die Interpretation von RTM-Bildern adsorbierter Sauerstoffatome auf Metallen ist immer<br />
noch ein ungelöstes Problem ([2]). Das liegt vorrangig an der Abstandsabhängigkeit der<br />
Bahnen konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms über einem Sauerstoff-Adsorbat (s. Abb.3.4.2).<br />
1 Im Jellium-Modell wird ein ideales Metall dadurch beschrieben, daß man einen konstanten Hintergrund<br />
positiver Ladung annimmt, der durch das negative Elektronen’gel’ kompensiert wird.<br />
20
Abb.3.4.2: Bahn einer atomaren Wolframspitze im Betriebsmodus des konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms über<br />
einem auf einer Ni(100)-Oberfläche adsorbierten Sauerstoffatom. Die einzelnen Linien sind<br />
unterschiedlichen Abständen zwischen Spitze und Probe zugeordnet ([1]).<br />
Das Fazit der in Abschnitt 3.4 angeführten Resultate lautet wiederum, daß die genaue<br />
Interpretation der RTM-Bilder eine sehr schwierige Angelegenheit ist, die sorgfältig<br />
durchgeführt werden sollte, um brauchbare Resultate zu erlangen.<br />
3.5 Abbildung von stufenförmigen Oberflächenprofilen<br />
Modelliert man Spitze und <strong>Tunnel</strong>strom wie in Abschnitt 3.2 und nimmt zusätzlich das<br />
Jellium-Modell für Proben- und Spitzenoberfläche an, so zeigt sich, daß das Profil konstanten<br />
<strong>Tunnel</strong>stroms ein Faltungsintegral der Oberflächenkontur mit dem Spitzenprofil ist ([1]).<br />
Praktisch bedeutet dies, daß scharfe Kanten in der Oberfläche sich in abgerundeten Bahnen des<br />
konstant gehaltenen <strong>Tunnel</strong>stroms niederschlagen, siehe Abb.3.5.1.<br />
Abb.3.5.1: Profile konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms über einer stufenförmigen Oberfläche (aus [1]).<br />
Dieses Verhalten der <strong>Tunnel</strong>spitze ist rein intuitiv nachvollziehbar, wenn man sich vorstellt,<br />
wie die kugelförmige, im Vergleich zur Stufenhöhe recht große Spitze den in Abb.3.5.1<br />
gezeichneten Oberflächenverlauf abtastet und dabei gleichzeitig versucht, den <strong>Tunnel</strong>strom<br />
konstant zu halten.<br />
21
Die fehlenden Kapitel 4 und 5 bezogen sich auf einen älteren<br />
Versuchsaufbau und wurden entfernt. Da verschiedene Textstellen<br />
zueinander in Beziehung stehen, wurde die Nummerierung der Kapitel<br />
beibehalten<br />
22
6 Probenmaterialien<br />
6.1 Grundsätzliches<br />
Zur Beantwortung der Frage, welche Materialien sich für die Untersuchung mit dem<br />
RTM eignen, müssen noch einmal die theoretischen Überlegungen von Kapitel 3 herangezogen<br />
werden. Zunächst wurde dort die exponentielle Abhängigkeit des <strong>Tunnel</strong>stroms vom Abstand<br />
der Spitze zur Probe eingesehen. Wenn man außerdem bedenkt, daß die<br />
Bewegungsmöglichkeiten des Piezos recht eingeschränkt sind wird sofort klar, daß nur Proben<br />
in Frage kommen, deren Oberflächen eine Rauhigkeit im Ångstroembereich aufweisen.<br />
Ferner wurde in Kapitel 3 theoretisch gezeigt, daß der <strong>Tunnel</strong>strom ein Maß für die<br />
Elektronenzustandsdichte der Probenoberfläche bei der Fermi-Energie E F am Spitzenort ist. Die<br />
Bedingungen, die aufgrund dieser Tatsache an das Probenmaterial gerichtet werden müssen,<br />
können anhand Abb.6.1.1 erläutert werden.<br />
Abb.6.1.1: Die gekreuzt schraffierten Bereiche sollen schematisch die besetzten Energiebänder des<br />
jeweiligen Materials darstellen, die einfach schraffierten markieren die unbesetzten Zustände.<br />
Die fettgedruckte Linie repräsentiert die Fermiverteilung.<br />
Bei Metallen sind die Zustände innerhalb eines erlaubten Energiebandes um das Fermi-<br />
Niveau besetzt, was ein teilweise aufgefülltes Leitungsband zur Folge hat, in dem sich die Elektronen<br />
praktisch frei bewegen können. Das erklärt zum einen die gute elektrische Leitfähigkeit<br />
von Metallen, zum andern deren Verwendbarkeit für Untersuchungen im RTM. Da dieses im<br />
Praktikum an Luft betrieben wird, kommen in erster Linie Edelmetalle als Probenmaterial in<br />
Frage.<br />
Bei Isolatoren ist das energetisch am höchsten liegende vollbesetzte Band durch eine<br />
große Energielücke vom nächsten leeren Band getrennt. Da die Ladungsträger weder im besetzten<br />
Band beweglich sind, noch von demselben ins leere Band angeregt werden können sind<br />
solche Materialien elektrisch nicht leitend. Deshalb sind Isolatoren für RTM-Untersuchungen<br />
leider nicht geeignet.<br />
23
Halbleiter sind dadurch gekennzeichnet, daß zwischen Valenz- und Leitungsband eine<br />
Energielücke existiert, die für die Elektronen verboten ist. Die elektrische Leitfähigkeit, d.h.<br />
das Anheben von Elektronen über die Lücke hinweg ins Leitungsband, kann durch thermische<br />
oder optische Anregung erzeugt werden. Oder man ‘pflanzt’ mittels Fremdatomen mit anderer<br />
Valenzelektronenanzahl Zustände in die Energielücke ein, was zu einer höheren Zahl<br />
beweglicher Ladungsträger führt, genannt ‘Dotierung’ ([10]).<br />
RTM-Untersuchungen von Halbleiteroberflächen sind nur im Ultra-Hoch-Vakuum<br />
(UHV) möglich, da diese Materialien an ihren Grenzflächen freie Valenzen besitzen, die an<br />
Luft entweder sehr schnell Oxidschichten oder instabile Zwischenschichten ausbilden, die<br />
isolierend wirken.<br />
Die Fermi-Energie der Halbleiter liegt bei nicht vorhandener <strong>Tunnel</strong>spannung in der<br />
Energielücke. Damit die Voraussetzungen für das Elektronen-<strong>Tunnel</strong>n zwischen Spitze und<br />
Probe erfüllt sind (s. Kap.3), müssen <strong>Tunnel</strong>spannungen von einem Volt und mehr angelegt<br />
werden.<br />
Nichtsdestotrotz sind Halbleiteroberflächen ein lohnenswertes RTM-Forschungsgebiet<br />
([2]):<br />
(i) Bei Halbleitern existieren im Gegensatz zu Metallen lokalisierte<br />
Oberflächenzustände, die mit Hilfe des RTM’s abgebildet werden können.<br />
(ii) Halbleiteroberflächen neigen aufgrund ihrer freien Valenzen stark dazu, Rekonstruktionen<br />
auszubilden, die mit anderen Untersuchungsmethoden sehr schwierig<br />
auszumachen sind. Unter Rekonstruktionen versteht man Oberflächenveränderungen<br />
aufgrund der Wechselwirkung der freien Valenzen, damit die Gesamtenergie des<br />
Festkörpers minimiert wird.<br />
(iii) Bei der Interpretation der RTM-Bilder fällt die Unterscheidung von elektronischen<br />
und topologischen Eigenschaften oftmals sehr schwer. Deshalb nutzt man aus, daß die<br />
erhaltenen Abbildungen der Halbleiterproben stark von der angelegten <strong>Tunnel</strong>spannung<br />
abhängen. Liegt die Probe z.B. am Minuspol der Spannung, so tunneln die Elektronen<br />
aus dem Valenzband des Halbleiters heraus, polt man um, so tunneln sie ins<br />
Leitungsband der Probe hinein! Bei dotierten Halbleitern ist es bei entsprechender Wahl<br />
der <strong>Tunnel</strong>spannung sogar möglich, die Zustandsdichten im Donator- bzw.<br />
Akzeptorband abzubilden!<br />
Wie oben schon erwähnt wurde, sind Proben aus reinen Halbleitermaterialien für<br />
Untersuchungen mit dem Luft-RTM nicht tauglich. Es gibt jedoch Halbleiter, die aus<br />
übereinanderliegenden Schichten zweier Atomsorten aufgebaut sind, die durch Van-der-Waals-<br />
Kräfte zusammengehalten werden, z.B. WSe 2 (Wolframdiselenid) und MoS 2 (Molybdändisulfid).<br />
Innerhalb der Schichten bilden alle Valenzorbitale kovalente Bindungen, so daß es<br />
folglich auch an der Oberfläche keine freien Valenzen gibt. Deshalb sind solcherlei Halbleiter<br />
an ihren Grenzflächen stabil und relativ frei von Kontaminationen, also im Luft-RTM<br />
verwendbar.<br />
24
6.2 Graphit<br />
Das ideale Probenmaterial für das Luft-RTM sollte also niederohmig und an der Oberfläche<br />
stabil sein. Weiterhin wäre es wünschenswert, daß man auf einfache Art und Weise die<br />
Oberfläche wieder von Verunreinigungen und Adsorbaten befreien kann. All diese guten<br />
Eigenschaften sind Graphit eigen, auf den im folgenden näher eingegangen wird:<br />
β<br />
α<br />
3,35Å, Van-der-Waals-Kräfte<br />
120°<br />
kovalente<br />
Bindungen<br />
2,46Å<br />
Abb.6.2.1 Schematische Darstellung des Graphit-Gitters<br />
Graphit ist ein geschichtetes Material, bei dem die einzelnen Schichten hexagonale Struktur<br />
aufweisen und gegeneinander versetzt sind (s. Abb.5.2.1). Die Gitterplätze sind mit<br />
Kohlenstoffatomen besetzt, die jeweils drei ihrer vier Valenzelektronen für die kovalenten<br />
Bindungen mit ihren Nachbarn zur Verfügung stellen, so daß sich Bindungswinkel von 120°<br />
ergeben. Diese Molekularorbitale nennt man sp 2 -Hybride, da sich die 2s, 2p x und 2p y -<br />
Wellenfunktionen mischen. Die übrigbleibenden freien Valenzelektronen befinden sich in p z -<br />
Orbitalen, die sich überlappen und auf diese Weise das Leitungsband bilden ([2]). Für die<br />
Untersuchung mit dem RTM sind folgende Eigenschaften des Graphits relevant:<br />
• Erstens bleibt die Graphitoberfläche, auch wenn sie längere Zeit normalen Raumbedingungen<br />
ausgeliefert ist, stabil und sauber, da keine freien Valenzen aus der Grenzfläche<br />
herausragen.<br />
• Zweitens bleiben als Verbindung der Schichten untereinander nur noch die Van-der-<br />
Waals-Kräfte 1 , so daß die einzelnen Lagen nur sehr schwach miteinander verbunden<br />
sind. Dieser Sachverhalt ist für die Probenpräparation für das Luft-RTM sehr von<br />
Vorteil, da die Probenoberfläche unter Verwendung eines normalen Klebestreifens<br />
abgezogen werden kann und auf diese Weise eine saubere, frische Oberfläche freigelegt<br />
wird.<br />
1 Bindungskräfte aufgrund von temporären Dipolmomenten, die durch Schwankungen in der Elektronenverteilung<br />
entstehen.<br />
25
• Drittens ist die Leitfähigkeit längs der Schichten viel höher ist als senkrecht zu<br />
denselben, da das Leitungsband, das aus den sich überlappenden p z -Orbitalen mit den<br />
freien Valenzelektronen besteht, längs zu den Schichten ausgerichtet ist. Wegen dieser<br />
Anisotropie in der Leitfähigkeit nennt man Graphit ein Halbmetall.<br />
Für die Untersuchung mit dem RTM wird Graphit in hochorientierter Form verwendet,<br />
der sogenannte Hoch-Orientierte Pyrolytische Graphit (HOPG). Bei diesem polykristallinen<br />
synthetischen Material ist die Schichtung sehr regelmäßig und es besitzt relativ große<br />
Korngrößen von 3-10μm Durchmesser.<br />
Die Versetzung der Schichten zueinander sorgt dafür, daß die Elektronenzustandsdichte<br />
an der Oberfläche nicht für jedes Atom gleich verteilt ist. Vielmehr gibt es zwei verschiedene<br />
Plätze: Solche, die direkt ein C-Atom unter sich haben, die sogenannten α-Plätze, und andere,<br />
die dieses erst in der übernächsten Schicht finden, genannt β-Plätze (s. Abb.6.2.1). An Luft<br />
aufgenommene RTM-Bilder von HOPG zeigen zumeist nur die C-Atome an den β-Plätzen als<br />
Erhebungen. Folglich ist eine dreieckige Gitterstruktur erkennbar, anstelle der erwarteten<br />
sechseckigen (s. Abb. 6.2.2).<br />
y [Å]<br />
25<br />
c<br />
a<br />
b<br />
γ<br />
β-Plätze<br />
α-Plätze<br />
0<br />
0 12,5<br />
25<br />
x [Å]<br />
Abb.6.2.2: Atomar aufgelöster Graphit; dreieckige Kristallstruktur.<br />
Aufgenommen im Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 9,0 nA ; U T = 73 mV<br />
Diese Asymmetrie in der Abbildung der C-Atome auf den α- und β-Plätzen erklärt man<br />
sich folgendermaßen: Angesetzt wird die dreidimensionale Beschreibung des <strong>Tunnel</strong>stroms,<br />
wie sie in Abschnitt 3.2 dargestellt ist. Die unterschiedliche Abbildung der α- und β-Plätze<br />
hängt entscheidend von den Zuständen Ψ ν der Probenoberfläche ab, die zum <strong>Tunnel</strong>strom<br />
beitragen. Aufgrund der Symmetrie des Graphitkristalls ergibt sich, daß die Zustände der α-<br />
Atome von denen der β-Atome unabhängig sind.<br />
26
Es wurde berechnet, daß sich die Zustände an den α-Plätzen kontinuierlich über ein ungefähr<br />
1,2eV breites Energieband um die Fermi-Energie E F verteilen, wohingegen die Zustandsdichte<br />
an den β-Plätzen beim Fermi-Niveau im wesentlichen einer δ-Funktion gleichkommt. Wenn<br />
man ferner bedenkt, daß der <strong>Tunnel</strong>strom ein Maß für die Zustandsdichte Fermi-Niveau ist (s.<br />
Abschnitt 3.2), wird verständlich, warum auf den RTM-Bildern nur die C-Atome an den β-<br />
Plätzen erkennbar sind ([11])! Bilder von atomar aufgelöstem Graphit lassen sich sehr gut zur<br />
Eichung [Å/V] der x- und y- Bewegung des Rohrscanners verwenden. Soll diese zum Beispiel<br />
in y-Richtung überprüft werden, so wählt man sich eine zur y-Achse parallele Strecke c,<br />
die auf zwei β-Plätzen endet, und vergleicht deren reale Länge im Bild mit der berechneten,<br />
wozu der Kosinussatz(*) verwendet werden kann.<br />
Es empfiehlt sich jedoch nicht, die z-Bewegung des Piezoröhrchens mittels solcher Bilder zu<br />
eichen, da es auf atomar aufgelöstem Graphit schon die unterschiedlichsten Werte für die<br />
vertikalen Auslenkungen gab, genauer bis zu 24 Å ([13]). Aufgrund theoretischer<br />
Berechnungen bezüglich der lokalen Elektronenzustandsdichte würde man Werte kleiner 0,8 Å<br />
erwarten [15]!<br />
Es wurden in Theorie und Praxis große Anstrengungen unternommen, dieses Phänomen zu<br />
erklären. Heutzutage vertritt man die Auffassung, daß diese ungewöhnlich hohen z-<br />
Auslenkungen auf mechanischen Wechselwirkungen zwischen Spitze und Probe beruhen.<br />
Dabei wird davon ausgegangen, daß eine isolierende Kontaminationsschicht die Kräfte, die<br />
beim <strong>Raster</strong>n auf der Graphitoberfläche auftreten, überträgt, und auf diese Weise die<br />
Probenoberfläche elastisch deformiert wird [14]. Bestätigt wird diese Theorie dadurch, dass die<br />
z-Auslenkungen der RTM Spitze im Vakuum, also ohne Kontaminationsschicht, viel geringer<br />
sind als an Luft.<br />
Weiterhin zeigte sich eine Abhängigkeit dieser Oberflächendeformationen von der<br />
<strong>Tunnel</strong>spannung. Wählt man für diese im Vakuum-RTM Werte kleiner als 500 mV, so<br />
treten Verformungen der Oberfläche auf. Über 500 mV ändert sich der Abstand Spitze-Probe<br />
linear mit der <strong>Tunnel</strong>spannung bei konstantem <strong>Tunnel</strong>strom, was auf gute Vakuum-<strong>Tunnel</strong>-<br />
Verhältnisse schließen läßt ([12]). Es hat sich in der RTM-Praxis als ratsam erwiesen, zur<br />
Überprüfung der Stabilität des <strong>Tunnel</strong>kontaktes zwischen den einzelnen RTM-<br />
Abbildungen, Strom-Spannungs-Kennlinien hintereinander aufzunehmen.<br />
Ein solche Vorgehensweise ist in Abb. 6.2.3 dargestellt.<br />
Ein Beispiel für eine Strom-Abstands-Kennlinie ist in Abb.6.2.4 gegeben. Man beachte die<br />
logarithmische y-Achse, auf der der <strong>Tunnel</strong>strom aufgetragen ist. Mit Hilfe der Steigung der<br />
eingetragenen Geraden kann die lokale Potentialbarrierenhöhe des <strong>Tunnel</strong>kontaktes bestimmt<br />
werden (s. Kap. 3). Hier ergab sich ein Wert von 2,2 eV (s. Abschnitt 3.3). Kennlinien dieser<br />
Art weisen in den meisten Fällen ein beträchtliches Rauschen auf, da die <strong>Tunnel</strong>bedingungen<br />
während der Abstandsvergrößerung zwischen Spitze und Probe in der Gegenwartvon<br />
Adsorbaten und Kontaminationen an Luft bestimmt nicht konstant bleiben.<br />
___________________________________<br />
* c 2 = a² + b² - 2ab cos γ ; Bezeichnungen entsprechend Abb.6.2.2<br />
27
Abb.6.2.3: Diese vier Strom-Spannungs-Kennlinien wurden hintereinander aufgenommen. Da<br />
sie sich in ihrem Verlauf nur geringfügig voneinander unterscheiden, kann auf stabile<br />
<strong>Tunnel</strong>verhältnisse geschlossen werden. Das Abknicken der Kennlinien bei ±90 nA ist auf die<br />
Sättigung des Verstärkers zurückzuführen.<br />
Abb.6.2.4: Abstandsabhängiger <strong>Tunnel</strong>strom, y-Achse logarithmisch<br />
28
6.3 Gold<br />
Wie schon in Abschnitt 6.1 erwähnt wurde, eignen sich Edelmetalle für Untersuchungen<br />
im Luft-RTM besonders gut, da sie nur in sehr geringem Maß dazu neigen, mit Luftmolekülen<br />
zu reagieren und demzufolge eine stabile Oberfläche besitzen. Die Frage ist nun, wie die<br />
Goldproben für RTM-Betrachtungen präpariert sein müssen und zu welchem Zweck solche<br />
Untersuchungen durchgeführt werden sollen.<br />
Benötigt werden sehr flache Goldoberflächen, wie sie z.B. bei Gold-Einkristallen<br />
vorkommen. Diese sind jedoch extrem teuer und deshalb nicht verfügbar. Eine andere Methode,<br />
flache Goldschichten zu erhalten, ist das Aufdampfen. Die dabei verwendeten Parameter wie<br />
Druck, Aufdampfrate und Schichtdicke beeinflussen die Eigenschaften des Metallfilms<br />
empfindlich. Mit der Entwicklung des RTM’s wurden der Erforschung dieser Oberflächen neue<br />
Horizonte eröffnet, was z.B. das Aufwachsen des Materials auf dem Substrat, die Oberflächendynamik<br />
oder bevorzugte Orientierungen der Kristalle anbelangt. Kenntnisse über<br />
solche Vorgänge sind vor allem in der Mikroelektronik gefragt, weil derlei Prozesse<br />
entscheidenden Einfluß auf die mechanischen und elektrischen Eigenschaften von<br />
miniaturisierten elektronischen Bauteilen haben.<br />
Gold wächst beim Aufdampfen auf Quarzglas polykristallin mit einem mittleren<br />
Korngrößendurchmesser von etwa 300Å (s. Abb.6.3.1) auf, wobei die einzelnen Körner eine<br />
durchschnittliche Höhe von ungefähr 100Å haben. Die gesamte aufgedampfte Schichtdicke<br />
liegt zwischen 800Å und 1500Å.<br />
y [Å]<br />
3000<br />
0<br />
0<br />
1000 2000<br />
Abb.6.3.1: Gold auf Quarzglas nach dem Aufdampfen<br />
Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 1,0 nA ; U T = 500 mV<br />
3000<br />
x [Å]<br />
Was man mit dem RTM eigentlich untersuchen will, sind jedoch atomar flache<br />
Goldoberflächen, die eventuell monoatomare Stufen enthalten, denn nur auf solchen sind<br />
Oberflächenprozesse und gezielte Manipulationen gut zu beobachten. Außerdem bietet sich bei<br />
29
ekannter Orientierung der Oberfläche die Möglichkeit zur Eichung der z-Bewegung des<br />
Rohrscanners an, indem man die auftretenden Stufen ausmißt.<br />
Es ist nun möglich, daß sich innerhalb der aufgedampften Goldprobe (s. Abb.6.3.1) durch<br />
thermische Behandlung atomar flache Bereiche ausbilden (s. Abb.6.3.2 und Abb.6.3.3).<br />
y [Å]<br />
2000<br />
0<br />
0 1000 2000<br />
Abb.6.3.2: Gold auf Quarzglas nach Flammen; Stufenhöhe jeweils eine Monolage<br />
Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 8,0 nA ; U T = 80 mV<br />
Diskussion der ‘Löcher’ s. S.54<br />
x [Å]<br />
y [Å]<br />
4000<br />
0<br />
0 2000 4000<br />
x [Å]<br />
30
Abb.6.3.3: Gold auf Quarzglas nach Flammen: Terrassenförmige Stufen.<br />
Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 1,0 nA ; U T = 500 mV<br />
Das ist insofern nachvollziehbar, als man mit der zugeführten thermischen Energie der<br />
Goldoberfläche ermöglicht, die energetisch günstigste Anordnung anzunehmen. Die kritischen<br />
Parameter sind dabei die Heiztemperatur und die Heizzeit. Es wurde experimentell<br />
nachgewiesen, daß die Korngröße proportional mit der Heizzeit anwächst und mit steigender<br />
Temperatur die Geschwindigkeit dieses Wachstums zunimmt. Bei Temperaturen zwischen<br />
400°C und 500°C und einer Heizzeit von drei Stunden fand man sehr große Körner (2000Å-<br />
4000Å), auf denen sich atomar flache Ebenen, teilweise durch Stufen abgesetzt, ausgebildet<br />
hatten (s. Abb.6.3.4). Der dafür hauptverantwortliche Transportprozeß ist die Oberflächendiffusion,<br />
die durch Zufuhr von thermischer Energie natürlich enorm verstärkt wird. Weitere Vorgänge<br />
sind das Verdampfen von schwächer gebundenen Atomen sowie Volumendiffusion<br />
y [Å]<br />
8000<br />
([16]).<br />
0<br />
0 4000 8000<br />
Abb.6.3.4: Gold auf Quarzglas nach Flammen; Übergang von einem polykristallinen in einen vom<br />
Flammen geglätteten Bereich.<br />
Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 2,2 nA ; U T = 500 mV<br />
Dieses Heizen der dünnen Goldschicht auf dem Quarzglas kann gleichermaßen mittels<br />
einer Bunsenbrennerflamme durchgeführt werden. Dabei hält man die Probe so lange in die<br />
Flamme, bis das Quarzglas an den Rändern hellrot zu glühen beginnt. Das entspricht einer<br />
Temperatur von ungefähr 600-700°C. Danach läßt man die Probe an Luft möglichst erschütterungsfrei<br />
abkühlen. Bei diesem Abkühlvorgang bilden sich aufgrund der<br />
Oberflächendiffusion die gewünschten atomar flachen Bereiche, eventuell auch Stufen, partiell<br />
auf der Oberfläche aus. Diese Sektionen sind bevorzugt in (111)-Richtung orientiert ([17]). Der<br />
Netzebenenabstand bei dieser Orientierung beträgt 2,4Å.<br />
x [Å]<br />
31
Die Eichung der z-Bewegung des Piezos kann nun auf folgende Weise durchgeführt<br />
werden: Nach dem ‘Flammen’ der Probe mit dem Bunsenbrenner und dem anschließenden<br />
Abkühlen, sucht man die Goldoberfläche mit dem RTM nach atomar flachen Bereichen ab,<br />
denen in den meisten Fällen auch Stufen innewohnen. Mit Hilfe der davon erhaltenen RTM-<br />
Bilder können die Stufenhöhen ausgemessen und in einem Histogramm aufgetragen werden.<br />
Auf der x-Achse dieses Schaubilds wird die Stufenhöhe aufgetragen, auf der y-Achse die<br />
absolute Häufigkeit der jeweils gemessenen Stufenhöhe. Aus diesem Histogramm liest man<br />
denjenigen Netzebenenabstand ab, den das RTM mit der derzeitigen Eichung mißt. Der<br />
Vergleich mit dem oben angegebenen Soll-Wert liefert schließlich den neuen Wert für die<br />
Eichung der z-Bewegung des Piezoröhrchens. In Abbildung 6.3.5 sind konkreten Daten<br />
angegeben.<br />
Abb.6.3.5: Histogramm: Es wurden insgesamt 82 Stufenhöhen auf 6 RTM-Bildern dieser Oberfläche<br />
ausgemessen und für das Schaubild verwertet. Die Interpretation des Histogramms ergibt, daß<br />
die monoatomare Stufenhöhe mit dieser Eichung der z-Bewegung des Rohrscanners 0,6Å<br />
beträgt. Folglich mußte die Eichung von 10 Å/V auf 30Å/V erhöht werden.<br />
Über den Ursprung der in Abb.6.3.2 erkennbaren kleinen Löcher kann nur spekuliert<br />
werden. Entweder sind es Adsorbate, die sich auf der Oberfläche angelagert haben und deshalb<br />
eigentlich als topographische Erhebungen abgebildet werden müßten. Wie in Abschnitt 3.4<br />
jedoch erläutert wurde, kann es bei dieser Adsorption von Fremdatomen auf der Oberfläche zu<br />
einer Absenkung der lokalen Elektronenzustandsdichten und so zur Abbildung von Löchern<br />
kommen. Es ist allerdings unwahrscheinlich, daß sich auf einer Edelmetalloberfläche so viele<br />
Adsorbate niederlassen würden. Denkbar wäre jedoch die Anlagerung von Fremdatomen<br />
während des Abkühlvorgangs, wenn die Oberfläche noch in Umordnungsprozessen begriffen<br />
ist.<br />
Eine weitere mögliche Erklärung wäre, daß sich an dieser Stelle der Probenoberfläche<br />
schon beim Aufdampfen viele Fremdatome eingelagert hatten, was bei einer relativ geringen<br />
Aufdampfrate von ungefähr 50Å/min durchaus denkbar ist. Diese Fremdatome wurden dann<br />
während des Heizprozesses durch Oxidation ausgelöst und hinterließen folglich Löcher in der<br />
32
Abb.6.3.6: Strom-Spannungs-Kennlinie<br />
von Gold auf Quarzglas bei<br />
sauberer Spitzen- und<br />
Probenoberfläche<br />
Oberfläche. Bei der starken Oberflächendiffusion von<br />
Gold an Raumtemperatur ist es jedoch<br />
verwunderlich, daß die Löcher noch fünf Tage nach<br />
Durchführung des Heizprozesses, also zum Zeitpunkt<br />
der RTM-Bildaufnahme, noch existierten. Die<br />
Diffusion würde nämlich innerhalb einer endlichen<br />
Zeitspanne dafür sorgen, daß die Löcher mit<br />
Goldatomen besetzt werden würden.<br />
Die Aufnahme von Strom-Spannungs-<br />
Kennlinien ist bei Metallen besonders interessant, da<br />
in manchen Fällen Aussagen über die Sauberkeit der<br />
Proben- und Spitzenoberfläche getroffen werden<br />
können. Mit der Variation der <strong>Tunnel</strong>spannung<br />
verändert man die jeweiligen Energien der<br />
tunnelnden Ladungsträger (s. Abb.3.1). Da der<br />
<strong>Tunnel</strong>strom ein Maß für die lokale Elektronenzustandsdichte<br />
ist, fährt man bei den Strom-<br />
Spannungs-Diagrammen die Elektronenzustandsdichten<br />
bei verschiedenen Energieniveaus<br />
durch. Da diese bei Metallen am Fermi-Niveau<br />
kontinuierlich verteilt sind (s. Abschnitt 6.1), ist der<br />
in Abb.6.3.6 gezeigte Verlauf der Strom-Spannungs-<br />
Kennlinie zu erwarten.<br />
Nun soll sich zwischen <strong>Tunnel</strong>spitze und<br />
Probenoberfläche eine dünne isolierende Schicht<br />
befinden. Da eine solche am Fermi-Niveau keine<br />
Zustände besitzt, erwartet man um U T = 0 ein Plateau<br />
in der Strom-Spannungs-Kennlinie (s. Abb. 6.3.7).<br />
Abb. 6.3.7: Strom-Spannungs-Kennlinie<br />
von Gold auf Quarzglas bei<br />
kontaminierter Spitzen- oder<br />
Probenoberfläche<br />
33
7 Probleme des RTMs<br />
Selbstverständlich machen sich bei Messungen im Ångstroembereich die kleinsten<br />
Störungen bemerkbar, ob diese nun elektrischer oder mechanischer Natur sind oder vom<br />
Aufbau des Gerätes an sich herrühren. Die Interpretation der RTM-Bilder fällt in vielen Fällen<br />
viel einfacher, wenn man über die am häufigsten auftretenden Störungen Bescheid weiß und<br />
eventuell sogar die Möglichkeit hat, solche Probleme zu vermeiden. Damit beschäftigt sich<br />
dieses Kapitel.<br />
7.1 Piezomaterialien<br />
Die Piezokeramiken eignen sich zwar hervorragend für exakt steuerbare Bewegungen im<br />
Ångstroembereich, haben jedoch auch ihre Nachteile. Über diese sollte man informiert sein, da<br />
sich solche unerwünschten Effekte in den RTM-Bildern sehr oft niederschlagen und deren<br />
Interpretation erschweren. Im folgenden werden die drei vorherrschenden Probleme, die mit<br />
Piezomaterialien auftreten, behandelt ([1]):<br />
• Hysterese, d.h. zu deutsch ‘Nachhinken’:<br />
Abb.7.1.1: Hysterese bei Piezomaterialien<br />
U ist die angelegte Spannung, Δl die Längenänderung des Piezos<br />
Bei allen Piezomaterialien stellt sich das Problem, daß ihre Ausdehnung von der<br />
angelegten Spannung nicht linear abhängt, sondern den in Abb.7.1.1 angedeuteten Verlauf<br />
zeigt. Die Breite der Hystereseschleife hängt von der angelegten Feldstärke ab. Das Bestreben<br />
bei der Auswahl der Piezoelemente für das RTM wird demnach sein, die erforderlichen<br />
Feldstärken so gering wie möglich zu halten, was wiederum große Piezoröhrchen bedingt.<br />
Deren Dimensionierung muß jedoch ebenso nach Kriterien wie der mechanischen Steifheit und<br />
der Schwingungsdämpfung ausgerichtet werden, so daß hier ein Kompromiß gefunden werden<br />
muß.<br />
34
• Das Kriechen der Piezomaterialien:<br />
Δl<br />
δl<br />
Δl 0<br />
t 0 t 0 +10min t<br />
Abb.7.1.2 Kriechen<br />
Wird an ein Piezoelement eine Spannung angelegt, so dehnt sich dieses aus oder zieht<br />
sich zusammen. Die Frage ist nun, welche Zeitabhängigkeit dieser Längenänderung eigen ist.<br />
Es stellt sich heraus, daß sich das Piezomaterial zunächst in relativ kurzer Zeit um eine gewisse<br />
Länge Δl 0 ausdehnt, danach aber noch längere Zeit ‘nachkriecht’, was in Abb.7.1.2 mit δl<br />
bezeichnet wird. Dieses nachträgliche Ausdehnen kann bis zu 30% von Δl 0 ausmachen! Der<br />
Kriecheffekt an sich hängt von der Größe der Spannungsänderung ab.<br />
Das Kriechen des Rohrscanners kann beim RTM-Betrieb immer dann beobachtet werden,<br />
wenn die Koordinaten der Spitzenposition geändert werden. Das wirkt sich auf das<br />
anschließend aufgenommene Bild z.B. so aus:<br />
Abb.7.1.3: Kriechen der Piezomaterialien des Rohrscanners nachdem der Bildbereich auf der HOPG-<br />
Probe verschoben wurde.<br />
35
Aus diesem Grund ist es ratsam, die Spitze nach einem Verschieben des Bildbereichs<br />
zunächst zur ‘Ruhe’ kommen zu lassen, z.B. indem man mehrmals hintereinander den gleichen<br />
Oberflächenbereich abbildet.<br />
• Thermische Drift:<br />
Ursache hierfür ist die Zusammensetzung des Rohrscanners aus unterschiedlichen<br />
Materialien mit verschiedenen linearen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Es ist beim<br />
Bau des RTMs darauf zu achten, daß diese bei den verwendeten Materialien so gut wie<br />
möglich übereinstimmen, und daß bestimmte Symmetrien in der Anordnung<br />
eingehalten werden.<br />
7.2 Schwingungen<br />
Schwingungen jeglicher Art können sich im RTM-Bild niederschlagen (nach [1]):<br />
• Gebäudeschwingungen, die sich in Oszillationen von Wänden und Fußböden mit<br />
Frequenzen zwischen 15 und 20 Hz bemerkbar machen<br />
• Luftschall: Die Auslenkung der Luftmoleküle aus deren Ruhelage aufgrund des Schalls<br />
liegt zwischen 10 -7 und 10 -9 m, was natürlich sehr stark von Frequenz und Amplitude der<br />
Schallwelle abhängt (Bergmann-Schäfer, Bd.1, Mechanik, Akustik, Wärmelehre). Solche<br />
Schwingungen können demnach auch einen beträchtlichen Einfluß auf die<br />
Relativposition der Spitze zur Probe haben, da diese im <strong>Tunnel</strong>bereich nur wenige<br />
Ångstroems voneinander entfernt sind.<br />
• Irreguläre Bewegungen, wie z.B. laufende Personen steuern Frequenzen zwischen 2 und<br />
4 Hz bei.<br />
• Eigenfrequenzen der <strong>Tunnel</strong>einheit: Zunächst sind hier die Resonanzfrequenzen der<br />
<strong>Tunnel</strong>einheit an sich zu beachten, die beim vorhandenen RTM zwischen 10 und 20kHz<br />
liegen und durch bestimmte <strong>Raster</strong>geschwindigkeiten und <strong>Tunnel</strong>abstände angeregt<br />
werden. Die Resonanzen werden sowohl durch die Geometrie der <strong>Tunnel</strong>sektion als auch<br />
durch die in ihr verwendeten Materialien bestimmt.<br />
Weiterhin kann die <strong>Tunnel</strong>spitze selbst zu Oszillationen angeregt werden, je nachdem,<br />
wie gut sie im Spitzenhalter fixiert ist. Als erste Voraussetzung für deutliche RTM-Bilder<br />
ist peinlich genau darauf zu achten, daß das Stück Golddraht, das als Spitze dient,<br />
wirklich fest in das Loch des Spitzenhalters eingeklemmt ist. Andernfalls kann die<br />
<strong>Tunnel</strong>spitze während des <strong>Raster</strong>vorgangs ‘springen’, was in Abb.7.2.1 der Fall war.<br />
36
y [Å]<br />
2000<br />
0<br />
0 1000 2000<br />
Abb.7.2.1: ‘Sprünge’ im RTM-Bild aufgrund einer im Spitzenhalter lockeren <strong>Tunnel</strong>spitze; Probe: Gold<br />
auf Glimmer; Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 2,0 nA ; U T = 120 mV<br />
In Abb.7.2.2 oszillierte die <strong>Tunnel</strong>spitze mit einer Frequenz von 1000Hz, die im<br />
<strong>Tunnel</strong>stromsignal auf dem Oszilloskop deutlich zu erkennen war. Solche Schwingungen sind<br />
leicht zu erkennen, denn sie sind unabhängig von der Größe des Bildbereichs (s. Abb.7.2.1),<br />
was bei Oberflächenstrukturen nicht der Fall sein kann.<br />
x [Å]<br />
500Å<br />
100Å<br />
Abb.7.2.2 : 1000 Hz - Störung; Probenmaterial: HOPG;<br />
Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 1,0 nA ; U T = 150 mV<br />
37
7.3 Dämpfung<br />
Durch besondere Aufhängung bzw. Lagerung des RTMs können äußere Schwingungen,<br />
wie sie in Abschnitt 7.2 beschrieben werden, gedämpft werden. Die Frage ist nun, welche<br />
Eigenfrequenz dieses Dämpfungssystem besitzen sollte, um möglichst effektiv zu sein. Dazu ist<br />
folgender Zusammenhang aus der Schwingungslehre nützlich:<br />
( )<br />
A f<br />
A<br />
anr.<br />
anr.<br />
=<br />
⎛<br />
⎜1−<br />
⎝<br />
2<br />
2<br />
anr. .<br />
2<br />
f<br />
0<br />
0<br />
f<br />
1<br />
⎞ f<br />
anr<br />
⎟ + ⎛<br />
⎠ ⎝ ⎜ γ ⎞<br />
2<br />
⎟<br />
2π<br />
f ⎠<br />
2<br />
mit A(f anr. ) : Amplitude des zur Schwingung angeregten Systems 1<br />
A anr.<br />
f anr.<br />
: Amplitude der anregenden Schwingung<br />
: Frequenz der anregenden Schwingung<br />
f 0 : Eigenfrequenz des Systems 1<br />
γ<br />
: Reibungskonstante<br />
Dieses Amplitudenverhältnis möchte man natürlich so klein wie möglich haben, damit<br />
das System relativ zur Anregung immer nur geringfügig schwingt. Das ist für f anr. >> f 0<br />
gegeben, d.h. die Eigenfrequenz der <strong>Tunnel</strong>einheit samt Dämpfungssystem sollte möglichst<br />
klein gewählt werden.<br />
Das im Praktikum befindliche RTM ist auf einer Metallplatte montiert, an deren<br />
Unterseite zwei Gewichte befestigt sind, so daß die Gesamtmasse dieser Anordnung 25kg<br />
beträgt (s. Abb.7.3.1). Diese Platte ist an vier Federn mit Konstanten von je 200 N/m<br />
aufgehängt, mit denen sich eine Eigenfrequenz von ca. 1Hz ergibt.<br />
Spitzenhalter<br />
Federn,<br />
D = 200 N/m<br />
<strong>Tunnel</strong>spitze<br />
RTM<br />
Gewicht<br />
25kg<br />
Abb.7.3.1: Aufhängung des RTMs im Praktikum<br />
1 Dieses System besteht hier aus der <strong>Tunnel</strong>einheit samt Dämpfungssytem<br />
38
Um Schwingungen vom Fußboden in möglichst geringem Maß zu übertragen, ist der<br />
Aufbau, wie er in Abb.7.3.1 dargestellt ist, zusätzlich auf einem Tisch gelagert, der an einer<br />
Gebäudesäule befestigt ist.<br />
7.4 Elektronische Störungen<br />
Aufgrund der vorhandenen elektronischen Datenverarbeitung des RTMs sind es<br />
zweifelsohne nicht nur äußere Schwingungen und Eigenfrequenzen der <strong>Tunnel</strong>einheit, die sich<br />
auf die Abbildung der Probenoberfläche störend auswirken. Vielmehr können Fehlsignale der<br />
Digital-Analog-Wandler (DACs; s. Abb.4.1.2) jeglichen Versuch, ein Bild der<br />
Probenoberfläche zu erhalten, scheitern lassen. Damit die Effekte solcher Störungen nicht ganz<br />
unbekannt bleiben, sind in Abb.7.4.1 und 7.4.2 zwei Beispiele dargestellt.<br />
30Å<br />
Abb.7.4.1: HOPG; periodische Störungen des Z-DACs, die bei bestimmten Spannungen an X- und Y-<br />
DAC auftreten, und deshalb auch von der Bildbereichsgröße abhängig sind;<br />
Modus konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 2,2 nA ; U T = 109 mV (jeweils)<br />
50Å<br />
1000Å<br />
2000Å<br />
Abb.7.4.2: Gold auf Quarzglas nach Flammen.<br />
Störungen, die manchmal bei bestimmten Spannungen am Z-DAC ausgelöst werden. Tritt vor<br />
allem dann auf, wenn die Probe schräg zur geradlinigen <strong>Raster</strong>bewegung der Spitze positioniert<br />
ist (s. Abb.5.3.2), da dann der Z-DAC den Abstand zur Probe ständig nachregeln muß.<br />
39
Es empfiehlt sich bei solchen Störungen grundsätzlich Parameter wie die <strong>Raster</strong>geschwindigkeit,<br />
die Empfindlichkeit (Gain) oder eventuell sogar die Position der Spitze zu verändern<br />
bzw. den Bildbereich zu drehen. Schließlich ist es auch noch denkbar, die Signale der DACs<br />
direkt auf das Oszilloskop zu legen, um auf diese Weise die Störung besser lokalisieren zu<br />
können.<br />
7.5 Sonstige Abbildungsartefakte<br />
Es gibt natürlich noch eine Fülle von weiteren Beeinträchtigungen der erhaltenen RTM-<br />
Bilder durch Effekte, die von der jeweiligen Spitzengeometrie oder vom momentanen<br />
<strong>Tunnel</strong>kontakt produziert werden. Oftmals bleibt es völlig undurchschaubar, wo die Ursachen<br />
für manche seltsamen RTM-Bilder liegen.<br />
Auf einen wichtigen Sachverhalt soll in diesem letzten Abschnitt des siebten Kapitels<br />
noch eingegangen werden: Die Problematik der sogenannten Mehrfachspitzen. Da die<br />
Präparation der <strong>Tunnel</strong>spitzen durch simples Abschneiden eines Golddrahtes mit einem<br />
Skalpell erfolgt, fällt die Vorstellung nicht schwer, daß dabei nicht nur ein Atom am vordersten<br />
Ende der Spitze sitzt. Wie könnte sich diese Situation auf das RTM-Bild auswirken? Nun,<br />
angenommen, es befinden sich zwei Atome im gleichen Abstand zur Probe, wie in Abb.7.5.1<br />
Doppelspitze<br />
<strong>Raster</strong>richtung<br />
Probe<br />
dargestellt wird.<br />
Abb.7.5.1: Doppelspitze, die eine zweifache Abbildung der Erhebung auf der Probe im RTM-Bild<br />
bedingt.<br />
Da beide Spitzen den gleichen <strong>Tunnel</strong>strom ‘sehen’ und zwar an zwei verschiedenen<br />
Orten relativ zueinander, wird man die in Abb.7.5.1 angedeutete Erhebung auf der<br />
Probenoberfläche auf dem RTM-Bild zweimal sehen. Die Abbildungen 7.5.2 und 7.5.3 zeigen<br />
diesen Effekt in real aufgenommenen RTM-Bildern.<br />
40
2000Å<br />
Abb.7.5.2: Gold auf Quarzglas nach Flammen; die Pfeile deuten die Mehrfachabbildung an; Modus<br />
konstanten<strong>Tunnel</strong>stroms: I T =1,0nA ; U T =500mV<br />
Wichtig ist, daß man solche Artefakte aufgrund von Mehrfachspitzen zunächst einmal<br />
erkennt. Eine erfolgversprechende Methode, diese loszuwerden, stellen die Spannungsvariationen<br />
dar, die mittels des IV-Menüs zwischen Spitze und Probe angelegt werden können.<br />
Dabei wird die Spitzenform möglicherweise so verändert, daß nur noch eine herausragende<br />
Spitze übrigbleibt.<br />
8000Å<br />
Abb.7.5.3: HOPG mit Versetzungen; mindestens vier(!) abbildende Spitzen (s. Pfeile); Modus<br />
konstanten <strong>Tunnel</strong>stroms: I T = 8,0nA ; U T = 80 mV<br />
41
Literaturverzeichnis<br />
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[2] H.- J. Güntherodt, R. Wiesendanger (Eds.), Scanning <strong>Tunnel</strong>ing Microscopy I,<br />
Springer-Verlag 1992<br />
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Springer-Verlag 1992<br />
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Phys. Rev. Lett. 56, 1164-1167 (1986)<br />
[10] Ibach - Lüth, Festkörperphysik, Springer 1990<br />
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