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STORY GÖTZ-ZITAT<br />
GÖTZ<br />
SCHMIEDE-<br />
HAUSEN<br />
Seit 2011 bei <strong>GOLF</strong><strong>TIME</strong>, Autor des Golfbuchs<br />
„Golf oder gar nichts“. <strong>Der</strong> reichlich<br />
unkonstant aufspielende „Edelhacker“<br />
versucht nach besonders miesen Runden<br />
ein Klangbaum zu sein, anstatt seinem Ärger<br />
via Facebook oder Twitter Luft zu machen.<br />
Die Liga der frustrierten<br />
Gentlemen<br />
»Die vernetzte<br />
Weltöffentlichkeit<br />
bekam den<br />
digitalen Sprechdurchfall<br />
eines<br />
gefrusteten<br />
Golfers vorgesetzt,<br />
der sich<br />
besser eine Bar<br />
gesucht hätte,<br />
um seinen<br />
Missmut zu<br />
ertränken«<br />
<strong>Der</strong> Schotte Colin Montgomerie<br />
triumphierte bei 40 Profiturnieren,<br />
doch ein Majorsieg blieb<br />
ihm immer verwehrt. Fünfmal<br />
kam der heute Fünfzigjährige als Zweiter<br />
ins Ziel, zuletzt bei der U.S. Open 2006.<br />
In seinen besten Zeiten galt Monty als der<br />
Prototyp des zornigen Golfers, der alles und<br />
jeden als Störfaktor empfand, und sich<br />
dementsprechend lautstark aufregen konnte.<br />
Glücklicherweise gab es damals keine sozialen<br />
Netzwerke, sodass die Wutausbrüche<br />
des Schotten nur selten ungefiltert an die<br />
Öffentlichkeit drangen. Zudem hatte kaum<br />
ein Fan oder Journalist je die Chance, sich<br />
öffentlich mit dem aufgebrachten Golfstar<br />
zu kabbeln, während dieser seine verbale<br />
Hemmschwelle Schluck für Schluck auf<br />
Meeresspiegelhöhe senkte.<br />
Während für Monty der Major-Zug wohl<br />
abgefahren ist und eine gewisse Altersmilde<br />
eingesetzt zu haben scheint, kann man<br />
beim zehn Jahre jüngeren Lee Westwood<br />
im Frühherbst seiner Golfkarriere massive<br />
Torschlusspanik beobachten. Im Juli knickte<br />
er bei der Open Championship ein und<br />
wurde wieder einmal nur Dritter. Auf insgesamt<br />
acht undankbare Treppchen-Platzierungen<br />
(sechsmal Dritter, zweimal Zweiter)<br />
kann Westwood bei seinen 66 Majorstarts<br />
seit 1995 zurückblicken. Als er bei der PGA<br />
Championship erneut aufgrund seiner<br />
chronischen Puttschwäche ins Mittelfeld<br />
zurückfiel, platzte Westwood schließlich<br />
der Kragen. Mit hochprozentigem Brennstoff<br />
im Tank und einer Tastatur unter den<br />
Fingern, loggte er sich bei seinem Twitter-<br />
Konto ein und betrieb digitale Frustbewältigung.<br />
„Als würde es mich einen Sch...dreck<br />
interessieren, was die Hasskritiker sagen“,<br />
polterte der Engländer los und stachelte<br />
einige seiner besonders vorwitzigen Twit-<br />
ter-Follower dazu an, ihn immer weiter zu<br />
reizen. Mal bezeichnete er seine Leser als<br />
minderwertige Hohlköpfe, dann prahlte er<br />
mit den 40 Millionen auf seinem Konto.<br />
Irgendwann wurde aufgrund der deftigen<br />
Wortwahl gemutmaßt, dass Westwoods<br />
Konto gehackt worden und gar nicht er der<br />
Urheber dieser Tweets sei. Doch die vernetzte<br />
Weltöffentlichkeit bekam wirklich<br />
den digitalen Sprechdurchfall eines gefrusteten<br />
Profigolfers vorgesetzt, der sich besser<br />
eine Bar und einen zuhörwilligen Saufkumpan<br />
gesucht hätte, um seinen Missmut zu<br />
ertränken.<br />
Vor einigen Monaten bewies auch Sergio<br />
Garcia wieder einmal, was für ein schlechter<br />
Verlierer er ist. Er legte sich zum Frustabbau<br />
ausgerechnet mit Tiger Woods an und<br />
bezog dafür eine ordentliche Tracht (Verbal-)<br />
Prügel. Sergio schaffte es bei Majors 18-mal<br />
in die Top 10, wurde aber bei seinen vier<br />
Top-3-Platzierungen zweimal von Padraig<br />
Harrington (den er seither nicht leiden<br />
kann) und zweimal von Tiger gestoppt.<br />
Andere glücklose Spitzenspieler beweisen<br />
mehr Stil in der Niederlage. Luke Donald<br />
nimmt die Aufs und Abs in seiner Karriere<br />
hin wie ein Mann und auch Ian Poulter verliert<br />
nie seinen Glauben an den bevorstehenden<br />
Triumph. Doch mit jedem neuen<br />
europäischen Majorsieger (angefangen mit<br />
Padraig Harrington über Graeme McDowell,<br />
Martin Kaymer, Rory McIlroy, Darren Clarke<br />
und jüngst Justin Rose), wächst die Frustration<br />
bei den stetig alternden Spielern der<br />
einstigen goldenen Generation Europas, die<br />
bspw. 2004 einen Kantersieg beim Ryder<br />
Cup auf amerikanischem Boden landen<br />
konnte. Lee Westwoods Twitter-Tirade beweist,<br />
dass wahre Erfüllung nicht auf dem<br />
Bankkonto zu finden ist, sondern nur in Form<br />
eines großen Pokals, eines grünen Jacketts<br />
oder einer Weinkaraffe daherkommt.<br />
www.facebook.com/golftime <strong>GOLF</strong> <strong>TIME</strong> 6 -2013 www.golftime.de 93