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News<br />
CDU-Abgeordneter<br />
fordert Dicken-Steuer<br />
Je stärker Deutschland durch Hilfszahlungen<br />
an marode EU-Staaten<br />
belastet wird, desto mehr suchen<br />
Politiker nach Möglichkeiten, wo<br />
man zur Kompensation noch an<br />
den Sozialsystemen zusammenstreichen<br />
und das gesellschaftliche<br />
Solidarprinzip – einst eine tragende<br />
Säule der sozialen Marktwirtschaft<br />
– untergraben kann. Der sächsische<br />
CDU-Bundestagsabgeordnete<br />
Marco Wanderwitz hat allen Ernstes<br />
angeregt, es müsse erlaubt sein,<br />
darüber nachzudenken, daß man<br />
die ungesunden Eßgewohnheiten<br />
einiger Bürger und deren gesundheitliche<br />
Folgen nicht länger der<br />
beitragszahlenden Gemeinschaft<br />
aufbürden dürfe. Er fordert daher<br />
Steuererhöhungen für Dicke. Da<br />
dies ohne Einführung einer Gesundheitspolizei<br />
in der Praxis nur schwer<br />
umsetzbar sein dürfte, kamen schon<br />
bald weniger radikale Vorschläge<br />
ins Spiel, die aber im Prinzip an die<br />
Anfänge der mittlerweile an Fanatismus<br />
grenzenden Rauchverbote<br />
erinnern. So empfahl der Gesundheitsökonom<br />
Jürgen Wasem Sondersteuern<br />
auf Schokolade, Alkohol<br />
und Risikosportgeräte. Warum zahlen<br />
dann eigentlich Versicherungen<br />
noch bei Verletzungen nach Autounfällen?<br />
Jeder weiß schließlich,<br />
daß Autofahren gefährlich ist, und<br />
niemand wird gezwungen, sich ans<br />
Steuer zu setzen. Und wann kommt<br />
das Zwangsmüsli zum Frühstück?<br />
Japan, Provinz<br />
Fukushima, nach dem<br />
Tsunami vom März 2011<br />
Wetten auf die Apokalypse<br />
Die Perversion nimmt kein Ende,<br />
wenn es um Gier nach Profit und die<br />
Erschließung neuer Verdienstquellen<br />
geht. Es gibt tatsächlich Menschen auf<br />
unserem Planeten, die sich aus tiefstem<br />
Herzen darüber freuen, wenn die<br />
Schlagzeilen der Tagespresse über<br />
Katastrophen mit vielen Toten, über<br />
einen Wirtschaftscrash oder einen<br />
neuen Krieg berichten.<br />
Seit neuestem können betuchte Spekulanten<br />
nämlich nicht nur auf den<br />
Tod einzelner Menschen wetten (<strong>Matrix3000</strong><br />
berichtete darüber in Band<br />
64), sondern sogar auf die globale<br />
Apokalypse. Was immer an Heimsuchungen<br />
der Welt bevorstehen mag<br />
– gigantische Kataklysmen, der Zusammenbruch<br />
der US-Wirtschaft,<br />
Krieg im Nahen Osten – wer sein Geld<br />
in Mark Spitznagels hochspekulativen<br />
Hedge Fonds Universal Investments<br />
einzahlt, der verdient sich am globalen<br />
Elend eine goldene Nase.<br />
Die Spekulation auf das im Grunde<br />
Undenkbare erfordert große Geduld,<br />
denn es kann Jahre oder Jahrzehnte<br />
dauern, bis der Katastrophenfall eingetreten<br />
ist und die Renditen sprudeln.<br />
In den Jahren dazwischen verlieren<br />
die Investoren täglich Geld. Es<br />
ist also kein Anlagemodell für Leute,<br />
die kein ausreichendes finanzielles<br />
Durchhaltevermögen haben. Spitznagel<br />
zählt daher bislang auch nur 15<br />
Privatinvestoren zu seinen Kunden,<br />
die jeder mit mindestens 50 Millionen<br />
Dollar dabei sind. Das bislang äußerst<br />
ereignisreich verlaufene Jahr 2011<br />
– Fukushima, Griechenland-Pleite,<br />
US-Haushaltskrise, Umstürze im Nahen<br />
Osten – lassen Wetten auf den<br />
„einstürzenden Himmel“ lukrativer<br />
erscheinen denn je zuvor. Im Gegensatz<br />
zu den meisten Anlegern, die in<br />
unsicheren Zeiten ihr Portfolio möglichst<br />
breit streuen, um das Risiko zu<br />
minimieren, gehen die Kunden der<br />
„Armageddon-Fonds“ den diametral<br />
entgegengesetzten Weg: Sie<br />
setzen auf das scheinbar Unmögliche<br />
und warten dann ab,<br />
um im Fall des Falles um so<br />
satter abzusahnen.<br />
Was noch erschreckender ist:<br />
Die Abzocke mit der Apokalypse<br />
ist beileibe nicht mehr nur<br />
eine Domäne einiger skrupelloser<br />
Superreicher, die den<br />
Hals nicht voll genug bekommen<br />
können und denen kein Geld der<br />
Welt zu schmutzig ist. Mittlerweile beteiligen<br />
sich in den USA sogar staatliche<br />
Pensionsfonds an den Wetten auf<br />
den Weltuntergang. Das ist natürlich<br />
in mehrerlei Hinsicht skandalös. Zum<br />
einen fragt man sich, wie Manager<br />
öffentlicher Fonds, die dem Gemeinwohl<br />
verpflichtet sein sollten, sich an<br />
derlei menschenverachtenden Spielchen<br />
beteiligen können. Zum anderen<br />
muß auch die Frage erlaubt sein:<br />
An wen werden die Fondsmanager<br />
eigentlich die Renditen auszahlen,<br />
wenn es tatsächlich zum „Zahltag“<br />
kommen sollte.<br />
Wie lange wird es wohl noch dauern,<br />
bis man auch noch auf eine Invasion<br />
feindseliger Außerirdischer spekulieren<br />
kann? Oder auf einen möglichen<br />
Weltuntergang am 21. 12. 2012,<br />
wenn der Maya-Kalender endet?<br />
Oder decken Spitznagels Universal<br />
Investments auch diese Risiken bereits<br />
ab?<br />
Band <strong>65</strong> / September/Oktober 2011 MATRIX 3000 13