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Matrix3000 Europas Absturz (Ausgabe 65) (Vorschau)

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Bedenkliches<br />

Haben Sie schon mal „konzeptfrei“<br />

gegessen? Ich noch<br />

nicht, weil ich nicht weiß, was<br />

das bedeutet, aber ich hatte das Vergnügen,<br />

von jemandem zu erfahren,<br />

der das angeblich tut, seit er sich<br />

einem seltsamen „21-Tage-Prozeß“<br />

unterworfen hat. Ein Mythos, der<br />

schon seit über zehn Jahren durch<br />

die Esoterik-Szene geistert und sich<br />

als ungeheuer langlebig erwiesen<br />

hat. Angeblich sollen Menschen nach<br />

diesem „Prozeß“ ohne Nahrung auskommen<br />

und sich ausschließlich von<br />

„Lichtnahrung“ ernähren.<br />

Angefangen hatte alles mit der australischen<br />

Autorin Ellen Greve, Künstlername<br />

Jasmuheen, die in ihrem Buch<br />

behauptet hatte, diesen Prozeß selbst<br />

vollzogen zu haben. Über diese Autorin<br />

braucht man eigentlich nicht viele<br />

Worte zu verlieren. Ihre absurden Hypothesen,<br />

die sich um die Mithilfe „galaktischer<br />

Ingenieure“, um die „große<br />

weiße Bruderschaft“ und den Grafen<br />

von Saint-Germain ranken, disqualifizieren sich von selbst.<br />

Und während Jasmuheen in Presseinterviews einräumen<br />

mußte, durchaus hin und wieder zu essen, ist es unter ihren<br />

Anhängern zu tragischen Todesfällen gekommen.<br />

Doch damit war das Thema nicht durch. Ein neu veröffentlichter<br />

Film des österreichischen Regisseurs P. A. Staudinger mit<br />

dem Titel „Am Anfang war das Licht“ versucht nun, die „Lichtnahrung“<br />

auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen. Es werden<br />

klinische Versuche zitiert, die aber<br />

seltsamerweise immer nach zehn Tagen<br />

beendet wurden (nach denen wohl noch<br />

keiner verhungert wäre – insofern sind<br />

die Ergebnisse irrelevant). Die Quantenphysik<br />

wird bemüht und die Theorie<br />

der morphogenetischen Felder. Selbst<br />

der Large Hadron Collider, der gigantische<br />

Teilchenbeschleuniger am CERN<br />

in Genf, muß als Kronzeuge herhalten.<br />

Es bleibt unerfindlich, was das alles mit<br />

„Lichtnahrung“ zu tun haben soll, außer,<br />

daß es seriös und bedeutend klingt. Es<br />

ist auch irritierend, Wissenschaftler im<br />

Im Kühlschrank<br />

brennt noch<br />

Licht<br />

Film zu Wort kommen zu lassen, ohne<br />

daß der Zuschauer die Fragen hören<br />

kann, die ihnen gestellt wurden. Wußten<br />

sie überhaupt, zu welchem Thema<br />

sie sich äußerten?<br />

Ich, Franz Bludorf, erkläre, daß es<br />

mir vollkommen egal ist, ob sich<br />

jemand von Feststoffen, Flüssigkeiten,<br />

Gasen oder ionisiertem Plasma<br />

ernährt. Es ist auch nicht verboten,<br />

nach Antworten auf ungelöste<br />

Fragen zu suchen. Es ist verständlich,<br />

daß Menschen in der heutigen<br />

Zeit Sehnsüchte nach dem Mystischen<br />

haben, die die offiziellen Religionen<br />

nicht mehr ausreichend erfüllen<br />

können. Nur ist es unzulässig,<br />

hierfür wissenschaftliche Konzepte<br />

als „Beweise“ heranzuziehen, deren<br />

„Beweiskraft“ sich in Luft auflöst,<br />

sobald man weiß, was sie eigentlich<br />

bedeuten.<br />

Niemand wäre glücklicher als ich,<br />

wenn es tatsächlich einen Weg gäbe,<br />

ohne Essen auszukommen. Wie viel Zeit und Geld könnte<br />

man sparen! Doch weder beeindruckende Aufnahmen von<br />

wissenschaftlicher Hochtechnologie und seriös wirkenden<br />

Forschungslabors noch die eingestreuten, betörend<br />

schönen Landschaftsaufnahmen können darüber hinwegtäuschen,<br />

daß auch in dem Film niemand überzeugende<br />

Argumente liefert, daß „Lichtnahrung“ funktionieren<br />

könnte. Das ehrliche Bemühen des Regisseurs, unvoreingenommen<br />

nach Beweisen zu suchen<br />

und die Antworten offen zu halten, ist<br />

anzuerkennen. Dennoch empfehle ich<br />

jedem, der nach dem Anschauen des<br />

90minütigen Films Hunger bekommen<br />

hat, sich zu seinem Kühlschrank<br />

zu begeben und dort nach Futter zu<br />

suchen. Das Licht im Kühlschrank<br />

bekommt man dann sogar noch gratis<br />

dazu.<br />

Franz Bludorf<br />

Quelle: P. A. Staudinger, Am Anfang war<br />

das Licht. DVD. Alive Vertrieb und Marketing<br />

2009. ASIN B004HHCCR6. € 16,99.<br />

6<br />

MATRIX 3000 Band <strong>65</strong> / September/Oktober 2011

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