BADEN-WÜRTTEMBERG - Hartmannbund
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7<br />
Landesversammlung<br />
Das Patientenrechtegesetz der schwarz-gelben Bundesregierung<br />
hat nach jahrzehntelangen Diskussionen weite Teile der<br />
bisherigen Rechtsprechung in Gesetzesform überführt. Leitbild<br />
ist der mündige Patient. Patientinnen und Patienten müssen<br />
verständlich und umfassend informiert werden. Bei all<br />
den Diskussionen um Gesetze müssen wir den Blick jedoch<br />
auf die konkrete Lebenswirklichkeit lenken. Und hier ist es<br />
mir als FDP-Gesundheitspolitiker von zentraler Wichtigkeit,<br />
das Vertrauensverhältnis zwischen Ärztin und Arzt auf der<br />
einen Seite und Patientin und Patient auf der anderen Seite<br />
zu stärken und nicht etwa zu erschüttern. Diskussionsprozesse,<br />
wie sie von der Opposition im Bundestag in Gestalt<br />
der Forderung nach einer vollen Beweislastumkehr erhoben<br />
werden, sind aus meiner Sicht schädlich. Amerikanische<br />
Verhältnisse einer „Arztabsicherungs- und Verwaltungsbürokratie“<br />
brauchen wir im deutschen Gesundheitswesen nicht.<br />
Hier würden völlig falsche Signale gesetzt und nach meiner<br />
Meinung auch das Ansehen der Ärztinnen und Ärzte in Gefahr<br />
gebracht. Wir wollen eine Fehlervermeidungskultur in der<br />
Medizin erreichen. Regelmäßig wird durch die Ärztinnen und<br />
Ärzte unter großem Einsatz Hervorragendes geleistet. Leider<br />
kommt es überall, wo Menschen am<br />
Werk sind, auch in seltenen Fällen zu<br />
Fehlern. Gleichwohl wollen wir dennoch<br />
gerade nicht, dass Ärztinnen<br />
und Ärzte praktisch ohne mehrfache<br />
rechtliche Absicherung und noch<br />
erheblicheren bürokratischen Aufwand<br />
als bisher gar nicht mehr in der<br />
Lage sind, sich um das zu kümmern,<br />
was ihre elementare Aufgabe ist. Die<br />
Berufszufriedenheit der Ärztinnen und<br />
Ärzte ist ebenfalls ein wichtiger Garant der Patientenrechte.<br />
Wer zufrieden ist, arbeitet motivierter und sorgfältiger. Ich bin<br />
der Meinung, dass mit dem Patientenrechtegesetz unter<br />
Handschrift unseres FDP-Bundesgesundheitsministers Daniel<br />
Bahr ein gelungener Ausgleich verschiedener Interessenlagen<br />
gelungen ist.<br />
Jochen Haußmann MdL, stv. Fraktionsvorsitzender und<br />
gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion der FDP/DVP<br />
im Landtag von Baden-Württemberg<br />
Patientenrechtegesetz aus Patientensicht<br />
Aus Patientensicht ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die<br />
durch Rechtssprechung etablierten Patientenrechte nun in<br />
einen Gesetzestext gegossen wurden.<br />
Der Geltungsbereich der Regelung erstreckt sich auf alle<br />
medizinischen Behandlungen, nicht nur auf die von Ärzten:<br />
Aufklärungen bei medizinischen Eingriffen müssen nun<br />
schriftlich und mündlich erfolgen und den Patienten muss<br />
unaufgefordert eine Kopie der unterschriebenen Einwilligungen<br />
ausgehändigt werden. Das ist hilfreich, denn so können<br />
Patienten, die nicht explizit nach einer Kopie gefragt haben,<br />
auch später die Inhalte der Aufklärung nachvollziehen.<br />
Wird eine Patientenakte geändert, muss der ursprüngliche<br />
Eintrag sichtbar bleiben. Diese Regelung sorgt für mehr<br />
Transparenz und kann Missverständnissen vorbeugen.<br />
Für eingegangene Verträge, z.B. Einschreibung in ein Hausarztmodell,<br />
ist ein zweiwöchiges Widerrufsrecht vorgesehen.<br />
Patienten können demnach in Ruhe noch einmal über die<br />
Vor- und Nachteile nachdenken und – falls die Unterschrift<br />
voreilig geleistet wurde – dies wieder korrigieren.<br />
Positiv zu bewerten ist auch, dass Krankenkassen schneller<br />
über zu bewilligende Leistungen entscheiden müssen: Innerhalb<br />
von drei bzw. fünf Wochen müssen sie eine Entscheidung<br />
mitteilen oder zumindest die Patienten darüber informieren,<br />
dass sich die Entscheidung verzögert. Kommt die<br />
Krankenkasse ihren Verpflichtungen nicht nach, haben Patienten<br />
die Möglichkeit, sich die erforderlichen Leistungen zu<br />
Lasten der Krankenkassen selbst zu<br />
beschaffen.<br />
Bei vermuteten Behandlungsfehlern<br />
sind die Krankenkassen nun in der<br />
Pflicht, Patienten zu unterstützen.<br />
Auch Behandler müssen unaufgefordert<br />
über Behandlungsfehler aufklären,<br />
sofern sich diese auf die Gesundheit<br />
auswirken, spätestens aber auf Nachfrage<br />
des Patienten.<br />
Krankenhäusern wurden mehr Pflichten in Bezug auf Sicherheit<br />
auferlegt, sie müssen außerdem ein Beschwerdemanagement<br />
einrichten.<br />
Für Patientenvertreter ist mehr Beteiligung vorgesehen.<br />
Die Einsicht in die Patientenakte kann nun nicht nur bei psychiatrischen<br />
Diagnosen verweigert werden, dadurch darf das<br />
Recht der Patienten auf Akteneinsicht jedoch keinesfalls<br />
untergraben werden. Unbefriedigend bleibt auch der Bereich<br />
der Behandlungsfehler. In skandinavischen Ländern beispielsweise<br />
werden Behandlungsfehler weniger abhängig<br />
vom konkreten ärztlichen Fehler sondern durch einen Pool<br />
gelöst, aus dem Patienten, die einen Schaden durch das<br />
Gesundheitssystem erlitten haben, einen Ausgleich erhalten.<br />
Hier sollte über Alternativen der bestehenden Regelung<br />
nachgedacht werden.<br />
Dr. Julia Nill, unabhängige Patientenvertretung,<br />
Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V.