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Lösung 9 - Quack

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PC II Chemische Reaktionskinetik M. <strong>Quack</strong> HS 2012<br />

<strong>Lösung</strong>svorschlag zu Übung 9<br />

(20. November 2012)<br />

9.1 Exemplarische Fragen:<br />

1.) Was ist der Unterschied zwischen Absorbanz und Absorption?<br />

Zunächst einmal sollte man bei dem Begriff Absorbanz zwischen der Neperschen Absorbanz<br />

A e = ln(I 0 /I) und der dekadischen Absorbanz A 10 = log(I 0 /I) unterscheiden.<br />

Unter Verwendung des Lambert-Beer Gesetzes gilt A e = ln(I 0 /I) = σ(˜ν)Cl.<br />

Hierbei ist σ(˜ν) der molekulare Absorptionsquerschnitt, C die Konzentration als<br />

Teilchenzahldichte und l die effektive Absorptionsweglänge. Der Begriff Absorption<br />

ist nicht klar definiert. Er wird allgemein für die Absorption von Licht verwendet.<br />

Oft wird eine Auftragung des Absorptionsquerschnittes damit beschrieben.<br />

Beispielsweise trägt man in der Spektroskopie den Absorptionsquerschnitt gegen<br />

die Wellenzahl auf. Man spricht dann von einem Absorptionsspektrum. Manchmal<br />

wird Absorption auch synonym mit Absorptanz verwendet. Man definiert die<br />

Absorptanz α = (I 0 − I)/I 0 = 1 − T und die Transmission T = I/I 0 . Man sollte<br />

immer beachten, dass zwischen der Transmission T und der Neperschen oder dekadischen<br />

Absorbanz A e oder A 10 ein Nicht-linearer Zusammenhang besteht. Allerdings<br />

kann man für kleine Absorptionen folgende Näherung machen mit ln(1 − x) ≃ x,<br />

also T = 1 − α ≃ 1 − σ(˜ν)Cl ≃ 1 − A e oder auch α ≃ A e . Mehr Informationen<br />

zu den Definitionen finden sie im grünen Buch: Quantities, Units und Symbols<br />

in Physical Chemistry (Third Edition) der IUPAC, das sie elektronisch unter<br />

http://media.iupac.org/publications/books/gbook/<br />

IUPAC-GB3-2ndPrinting-Online-22apr2011.pdf abrufen können.<br />

2.) Was ist die grundlegende Idee hinter den Relaxationsmethoden?<br />

Antwort: Man kann zwei Typen von Relaxationsmethoden unterscheiden: Bei der<br />

Methode der kleinen äusseren Störung wird ein im Gleichgewicht befindliches System<br />

gestört (kleine äussere Störung, z.B. p-Sprung, T -Sprung, etc.). Das System relaxiert<br />

nach der Störung ins neue Gleichgewicht desselben chemischen Systems z.B. bei der<br />

neuen Temperatur (typischerweise ∆T einige Kelvin). Diese Relaxation kann man<br />

beobachten, sie erfolgt näherungsweise nach einem Zeitgesetz erster Ordnung wobei<br />

die Relaxationszeit τ R alle relevanten Geschwindigkeitskonstanten enthält. Bei der<br />

Methode der grossen äusseren Störung hingegen werden fern vom Gleichgewicht<br />

1


(transiente) Spezies erzeugt, die zu einem Gleichgewichtszustand relaxieren. Eine<br />

besonders wichtige Methode ist im letzteren Falle die Stosswellenmethode wo T -<br />

Sprünge von ∆T bis zu tausenden Kelvin auftreten können.<br />

3.) Was ist der Unterschied zwischen der (normalen) Blitzlichtphotolyse und der<br />

Laserblitzlichtphotolyse?<br />

Antwort:<br />

1. Blitzlichtphotolyse: In der Blitzlichtphotolyse erzeugt ein gewöhnlicher Photolyseblitz<br />

in einer Reaktion Produkte, die dann entweder kontinuierlich oder mit<br />

einem verzögerten Nachweisblitz spektroskopisch nachgewiesen werden. In der normalen<br />

Blitzlichtphotolyse werden dazu 2 unabhängige Blitze gezündet mit elektronisch<br />

eingestellter Verzögerungszeit (typisch einige 10 µs bis einige 100 ms). In der<br />

Blitzlichtphotolyse kann auch kontinuierlich detektiert werden.<br />

2. Laserblitzlichtphotolyse: Um eine sehr hohe Zeitauflösung zu erhalten, kann man<br />

sehr kurze Laserpulse erzeugen, die in einen Photolyse- und Nachweispuls aufgeteilt<br />

werden (Messprinzip “pump-probe” Kap. 3.7.2). Der Nachweispuls hat eine<br />

Verzögerung zum Photolysepuls, weil er eine längere Laufstrecke zurücklegt. Damit<br />

lassen sich sehr kurze Verzögerungszeiten (typisch ns bis zu einigen fs) erreichen.<br />

Wegen der oft hohen Intensität der Strahlung des Nachweislasers muss man darauf<br />

achten (z.B. durch absichtliche Abschwächung), dass dieser nicht selbst zur Reaktion<br />

beiträgt.<br />

1967 erhielten Ronald George Wreyford Norrish und George Porter (geteilt mit Manfred<br />

Eigen, T-Sprungtechnik etc.) den Nobelpreis für Chemie “for their studies of<br />

extremely fast chemical reactions, effected by disturbing the equlibrium by means of<br />

very short pulses of energy”, mit Hilfe der Blitzlichtphotolyse. Für die Beiträge zur<br />

Laserblitzlichtphotolyse erhielt Ahmed H. Zewail 1999 den Nobelpreis für Chemie<br />

4.) Wie kann im Modell der “angehaltenen Strömung” (stopped flow) die Konzentration<br />

konstant gehalten werden? Reagieren die Reaktanden nicht sofort zum<br />

Produkt?<br />

Antwort:<br />

Am Beobachtungsort herrscht ein stationärer Zustand der Konzentration solange es<br />

einen konstanten Fluss gibt, da eine gleichbleibende Konzentration der Reaktanden<br />

eingeleitet wird, welche am Beobachtungsort mit einer konstanten Geschwindigkeit<br />

reagieren. Erst wenn der Fluss gestoppt wird, beendet man diesen stationären Zustand<br />

und es kommt zur Relaxation des Systems.<br />

5.) Ist mit der Volumengeschwindigkeit des Durchflusses (u = dV/dt) die Änderung<br />

des Volumens im Reaktor gemeint, sprich das Volumen der zugeführten Reaktanden<br />

minus das Volumen der abgeführten Produkte?<br />

Antwort:<br />

2


Nein. Die Volumengeschwindigkeit des Durchflusses beschreibt die Geschwindigkeit<br />

des zugeführten Volumens in das System. Wenn das Reaktorvolumen konstant ist,<br />

entspricht dies auch der Geschwindigkeit des abgeführten Volumens.<br />

9.2 Im Folgenden wird für C 12 H 22 O 11 immer RZ (Rohrzucker) benutzt und des Weiteren<br />

angenommen, dass das Volumen V für alle x(RZ) konstant ist (was für verdünnte<br />

<strong>Lösung</strong>en eine gute Näherung ist und somit kann man auch den Molenbruch anstelle<br />

der entsprechenden Konzentration benutzen). Für das folgende Geschwindigkeitgesetz<br />

wird die Reaktionsordnung m gesucht:<br />

− d[RZ]<br />

dt<br />

= k eff [RZ] m (1)<br />

Es wird nun im Folgenden überprüft ob eine Reaktionsordnung von m = 1 bzw. m =<br />

2 die experimentellen Daten besser beschreibt. Dazu werden die entsprechenden<br />

integrierten Geschwindigkeitsgesetze in eine linearisierte Form gebracht:<br />

1. Ordnung:<br />

[RZ] = [RZ] 0 exp(−k eff (t − t 0 )) (2)<br />

( ) x<br />

⇒ ln<br />

x 0<br />

= −k eff (t − t 0 ) (3)<br />

und 2. Ordnung:<br />

1<br />

[RZ]<br />

⇒ x 0<br />

x<br />

= k eff (t − t 0 ) + 1<br />

[RZ] 0<br />

(4)<br />

= k eff [RZ] 0 (t − t 0 ) + 1 (5)<br />

Die Abbildung 1 zeigt, dass eine Auftragung nach 1. Ordnung (d.h. ln(x/x 0 ) als<br />

Funktion der Zeit) in einer sehr guten Näherung eine Gerade ergibt (nach Vernachlässigung<br />

des offensichtlichen Ausreissers für t = 22800 s), so dass die tatsächliche<br />

Reaktionsordnung m = 1 sein könnte. Eine lineare Regression ergibt folgende Werte:<br />

Achsenabschnitt: a = 0.00269(484)<br />

Steigung: − k eff = −6.237(30) · 10 −5 s −1<br />

r = −0.99996 (6)<br />

Die Werte in der linearisierten Auftragung (Abb. 2) des Zeitgesetzes 2. Ordnung<br />

(d.h. für x 0 /x als Funktion der Zeit) weichen dagegen systematisch von einer Geraden<br />

ab (r = 0.92931 bzw. r = 0.9709 ohne den Wert bei t = 22800 s) . Die in der<br />

Aufgabenstellung erwähnte Beteiligung eines Katalysators (H + ) an der Reaktion<br />

3


schliesst einen einfachen Mechanismus 1. Ordnung aus, somit kann es sich also nicht<br />

um eine Elementarreaktion handeln.<br />

Historische Anmerkung: Diese Reaktion war die erste überhaupt, die quantitativ<br />

ausgewertet wurde und für die eine Differentialgleichung gemäss Kinetik 1. Ordnung,<br />

genau genommen scheinbar 1. Ordnung, niedergeschrieben und gelöst wurde.<br />

Literatur: Molecules in Motion, M. <strong>Quack</strong>, Chimia, 55, (2001) 753<br />

L. Wilhelmy, Annalen der Physik und Chemie, 157, (1850) 413 bzw. Poggendorff’s<br />

Annalen 81, (1850) 413<br />

0.0<br />

-0.5<br />

ln(x/x 0<br />

)<br />

-1.0<br />

-1.5<br />

( )<br />

-2.0<br />

0 10 20 30<br />

t / (10 3 s)<br />

Abbildung 1: Linearisierte Auftragung für m = 1 (Rohrzuckerdaten).<br />

8<br />

6<br />

x 0<br />

/x<br />

4<br />

2<br />

0 10 20 30 40<br />

t / (10 3 s)<br />

Abbildung 2: Linearisierte Auftragung für m = 2 (Rohrzuckerdaten).<br />

4


9.3 Diese Aussage ist falsch. Die Ordnung ist nicht zwingend gleich der Molekularität.<br />

Die Molekularität ist ein mechanistischer Begriff und beschreibt, auf welchem Weg<br />

eine Reaktion abläuft. Die Reaktionsordnung ist zunächst ein rein phänomenologischer<br />

Parameter (aus den experimentellen Ergebnissen erhalten) und ergibt sich aus der<br />

Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit. Es ist zwar richtig, dass<br />

man im Allgemeinen bei Elementarreaktionen von der Molekularität auf die Reaktionsordnung<br />

schliessen kann. Dieser Schluss ist aber nicht immer einfach mit der<br />

Angabe der Zahl (d.h. Molekularität = Ordnung m) möglich. Zum Beispiel ist bei<br />

Gasreaktionen die Reaktionsordnung der unimolekularen Reaktion nicht immer 1,<br />

sondern zwischen 1 und 2. Bimolekulare Rekombinationsreaktionen haben analog<br />

eine Reaktionsordnung zwischen 2 und 3. Siehe Kapitel 2.7.1 des Skriptes.<br />

Man könnte die Ansicht vertreten, dass die biochemischen Reaktionen in <strong>Lösung</strong><br />

stattfinden, wo die Lehrbuchaussage oft richtig ist. Es gibt aber auch biochemisch<br />

wichtige Reaktionen in Gasen (z.B. Atemluft etc.).<br />

9.4 Relaxationskinetik der Neutralisationsreaktion in Wasser<br />

Das Ionenprodukt von Wasser ist ein Mass für seine Eigendissoziation und ist definiert<br />

als<br />

K W = γ H + · m H + · γ OH − · m OH −. (7)<br />

Dabei sind m i die Molalitäten und γ i die Aktivitätskoeffizienten, welche hier wegen<br />

der kleinen Ionenkonzentration gleich 1 gesetzt werden können. H + steht repräsentativ<br />

für alle Spezies vom Typ H + (H 2 O) n . Bei Standardbedingungen beträgt<br />

der Wert von K W ziemlich genau 10 −14 (mol kg −1 ) 2 . Die Temperaturabhängigkeit<br />

des Ionenprodukts von Wasser ist jedoch wie bei den meisten Gleichgewichtskonstanten<br />

bedeutend. Im Handbook of Chemistry and Physics (88. Edition, 2007-08)<br />

wird eine Formel gegeben, die diese Abhängigkeit beschreibt (unter dem Titel Ion<br />

Product of Water Substance, beachte den Vorzeichenfehler in einem der Summanden<br />

im Handbook):<br />

log 10<br />

K W<br />

(mol kg −1 )<br />

3245.2 K<br />

= − 4.098 −<br />

2 T<br />

+<br />

+ 2.2362 · 105 K 2<br />

− 3.984 · 107 K 3<br />

T 2 T 3<br />

(<br />

13.957 − 1262.3 K + 8.5641 · 105 K 2 )<br />

log<br />

T<br />

T 2 10<br />

ρ W<br />

g cm −3 (8)<br />

Bei einer Temperatur T = 296 K und einer Dichte ρ W (296 K) = 0.9976 g cm −3<br />

ergibt sich K W = 0.8595 · 10 −14 (mol kg −1 ) 2 . Wegen der Elektroneutralität lässt sich<br />

daraus die Gleichgewichtskonzentration der Ionen einfach ausrechnen:<br />

[H + ] eq = [OH − ] eq = √ m H +ρ W · m OH −ρ W = √ K W ·ρ W = 9.249·10 −8 mol dm −3 (9)<br />

Wir berechnen nun k a zuerst für den Fall, dass die Kationen ausschliesslich in der<br />

Spezies H + vorliegen und zweitens, dass sie ausschliesslich in der Spezies H 3 O + vorkommen.<br />

5


Relaxationsmethoden beruhen darauf, den Gleichgewichtszustand eines Systems<br />

durch schnelle Änderung eines äusseren Parameters (wie der Temperatur) zu stören,<br />

um dann das System auf seinem Weg in die Gleichgewichtslage zu beobachten. Ist<br />

diese Gleichgewichtsstörung hinreichend klein,<br />

∆x ≪ [X i ] eq mit ∆x = ([X i ] eq − [X i ])/ν i (10)<br />

so lässt sich der Relaxationsvorgang eines einstufigen Reaktionssystems durch eine<br />

lineare Differentialgleichung darstellen (vgl. Skript Kap. 3.4).<br />

Die Reaktion (2) auf dem Aufgabenblatt ist eine Reaktion vom Typ:<br />

A + B<br />

Es gilt (Stöchiometrie A + B = P):<br />

Geschwindigkeitsgesetz:<br />

k<br />

−→<br />

a<br />

←− P . (11)<br />

kb<br />

[A] = [A] eq + ∆x [P] = [P] eq − ∆x (12)<br />

[B] = [B] eq + ∆x<br />

d[A]<br />

dt<br />

= −k a [A][B] + k b [P] (13)<br />

Obige Ausdrücke einsetzen, ausmultiplizieren, Gleichgewichtsbedingung berücksichtigen<br />

und den ∆x 2 -Term vernachlässigen ergibt:<br />

)<br />

d∆x<br />

≈ −<br />

(k a ([A] eq + [B] eq ) + k b ∆x (14)<br />

dt<br />

Also<br />

τ R =<br />

Der Ausdruck für die Relaxationszeit ist deshalb<br />

τ R =<br />

1<br />

k a ([A] eq + [B] eq ) + k b<br />

(15)<br />

1<br />

k a ([H + ] eq + [OH − ] eq ) + k b<br />

. (16)<br />

Eine zusätzliche Gleichung erhalten wir aus der Gleichgewichtsbedingung:<br />

d[H + ] eq<br />

dt<br />

= 0 = −k a [H + ] eq [OH − ] eq + k b [H 2 O] eq (17)<br />

Auflösen dieser beiden Gleichungen nach k a unter Verwendung von τ R = 3.7 · 10 −5 s<br />

und [H 2 O] eq = 55.38 mol dm −3 ergibt<br />

k a =<br />

τ R<br />

([H + ] eq + [OH − ] eq + [H + ] eq [OH − ] eq [H 2 O] −1<br />

eq<br />

1<br />

) (18)<br />

= 1.46 · 10 11 dm 3 mol −1 s −1 . (19)<br />

6


Die Reaktion (3) auf dem Aufgabenblatt ist eine Reaktion vom Typ:<br />

A + B<br />

Es gilt (Stöchiometrie A + B = 2P):<br />

Geschwindigkeitsgesetz:<br />

k<br />

−→<br />

a<br />

←− 2P . (20)<br />

kb<br />

[A] = [A] eq + ∆x [P] = [P] eq − 2∆x (21)<br />

[B] = [B] eq + ∆x<br />

d[A]<br />

dt<br />

= −k a [A][B] + k b [P] 2 (22)<br />

Obige Ausdrücke einsetzen, ausmultiplizieren, Gleichgewichtsbedingung berücksichtigen<br />

und die Terme in ∆x 2 vernachlässigen ergibt:<br />

)<br />

d∆x<br />

≈ −<br />

(k a ([A] eq + [B] eq ) + 4k b [P] eq ∆x (23)<br />

dt<br />

1<br />

τ R =<br />

(24)<br />

k a ([A] eq + [B] eq ) + 4k b [P] eq<br />

Hier erhalten wir also:<br />

k a =<br />

τ R<br />

([H 3 O + ] eq + [OH − ] eq + 4[H 3 O + ] eq [OH − ] eq [H 2 O] −1<br />

eq<br />

1<br />

) (25)<br />

= 1.46 · 10 11 dm 3 mol −1 s −1 . (26)<br />

Obwohl sich die beiden Gleichungen (18) und (25) unterscheiden, kommt das gleiche<br />

Resultat heraus. Der Grund liegt darin, dass [H + ] eq ≪ [H 2 O] eq gilt und deshalb<br />

jeweils der letzte Summand im Nenner der Gleichungen (18) und (25) um<br />

Grössenordnungen kleiner ist als [OH − ] eq . Man kann deshalb in beiden Fällen schreiben<br />

k a ≈<br />

1<br />

τ R ([H + ] eq + [OH − ] eq ) . (27)<br />

Literatur: Ostwalds Klassiker der exakten Wissenschaften, Bd. 281, Manfred Eigen,<br />

“Die unmessbar schnellen Reaktionen”, Harry Deutsch, Thun 1996.<br />

Literatur zum Ionenprodukt des Wassers:<br />

- CRC Handbook of Chemistry and Physics, 90. Edition, “Ion Product of Water<br />

Substance”, W. L. Marshall, E. U. Franck, 2009.<br />

- W. L. Marshall, E. U. Franck, J. Phys. Chem. Ref. Data, 10, 295, 1981.<br />

- U. Grigull, Brennstoff-Wärme-Kraft, 35, Heft 6, 1983.<br />

7


9.5 Nachholung von Aufgabe 7.7 (Übung 7): Umsetzung von N-Acetylcystein<br />

mit Iodacetamid<br />

N-Acetylcystein ist als Wirkstoff in schleimlösenden Medikamenten enthalten (z.B.<br />

Fluimucil R○, ACC R○, L-Cimexyl R○). Seine Wirkung beruht auf der Eigenschaft der<br />

freien SH-Gruppe, die Disulfidbrücken der Mucoproteine des Schleims zu spalten,<br />

wodurch dessen Viskosität vermindert und das Abhusten erleichtert wird. Die inhibierende<br />

Wirkung des Iodacetamids besteht in einer Reaktion mit der SH-Gruppe<br />

des N-Acetylcysteins unter Abspaltung von HI, wodurch diese blockiert wird und<br />

nicht mehr in der vorgesehenen Weise wirken kann.<br />

N-Acetylcystein (Acy):<br />

Iodacetamid (Iac):<br />

O<br />

HS<br />

OH<br />

I<br />

NH 2<br />

HN<br />

O<br />

O<br />

Vorbemerkung: Für die Auswertung verwenden wir hier vereinfachend in allen Darstellungen<br />

immer nur ungewichtete Daten. Prinzipiell müsste für jeden Datenpunkt<br />

eine geeignete Gewichtung ermittelt werden. Prinzipiell kann man die Daten entweder<br />

unter Einbezug des Datenpunktes c = 1 mmol dm −3 bei t = 0 oder ohne diesen<br />

Datenpunkt auswerten. Wir wählen hier den ersten Fall. Der zweite Fall liesse sich<br />

rechtfertigen, da man die Ansicht vertreten kann, dass für diesen Datenpunkt wegen<br />

des zeitlich ausgedehnten Mischvorganges eine Unsicherheit bestehe.<br />

9.5.1 (a) Die Integrationsmethode: Allgemein, um festzustellen, ob eine Reaktion nach<br />

einem Zeitgesetz 1. oder 2. Ordnung bezüglich B i abläuft, wählen wir folgende<br />

Auftragungsformen<br />

– für eine Reaktion 1. Ordnung:<br />

ln(c/c 0 ) = ν i k(t − t 0 ) (28)<br />

8


– für eine Reaktion 2. Ordnung:<br />

1<br />

c<br />

= 1 c 0<br />

− ν i k(t − t 0 ) (29)<br />

wobei c 0 die Anfangskonzentration des Stoffes B i ist und ν i sein stöchiometrischer<br />

Koeffizient.<br />

Man sieht, dass es wichtig ist, die stöchiometrische Gleichung anzugeben, da die<br />

aus einer graphischen Auftragung ermittelte Steigung definitionsgemäss vom<br />

stöchiometrischen Koeffizient abhängt (Skript Kap. 2.7).<br />

In unserem Fall ist die stöchiometrische Gleichung: Acy + Iac = Produkte ;<br />

also ν(Acy) = ν(Iac) = −1.<br />

Die Anfangskonzentration wurde gegeben: [Acy] 0 = [Iac] 0 = c 0 = 1 mmol dm −3 .<br />

Wenn die Reaktion nach 1. Ordnung abläuft, liefert der Graph ln(c/(mmol dm −3 ))<br />

als Funktion von t eine Gerade (gemäss Gl. (28)). Eine Auftragung nach diesem<br />

Zeitgesetz ist in der Abbildung 3 dargestellt.<br />

Abbildung 3: ln(c/(mmol dm −3 )) als Funktion von t.<br />

Die Werte zeigen eine systematische Abweichung von einer Geraden, d.h. sie<br />

streuen nicht statistisch zufällig um die Regressionsgerade (der Korrelationskoeffizient<br />

in Abbildung 3 ist r = −0.9604).<br />

Wenn die Reaktion nach 2. Ordnung abläuft, liefert der Graph 1/c als Funktion<br />

von t eine Gerade (gemäss Gl. (29)). Eine Auftragung nach diesem Zeitgesetz<br />

ist in der Abbildung 4 dargestellt.<br />

9


Abbildung 4: 1/c als Funktion von t.<br />

Die Werte liegen in dieser Auftragungsform wesentlich besser auf einer Geraden<br />

(der Korrelationskoeffizient in Abbildung 4 ist r = 0.9996). Es zeigen sich keine<br />

systematischen Abweichungen von der Gerade.<br />

Interpretation: Die Reaktion verläuft eher nach einem Zeitgesetz 2. Ordnung.<br />

Die Annahme eines Zeitgesetzes 2. Ordnung liefert die in Abbildung 4 gezeigte<br />

lineare Darstellung mit der Steigung k, also:<br />

k = 3.74(3) × 10 −2 dm 3 mmol −1 s −1 (30)<br />

wobei in der Klammer die Standardabweichung in Einheiten der letzten Stelle<br />

von k angegeben ist.<br />

(b) Die Halbwertzeitsmethode: für gleiche Anfangskonzentrationen der Reaktanden<br />

(siehe Kap. 2.7.3) lässt sich für die Halbwertszeit schreiben:<br />

t 1/2 =<br />

2 m−1 − 1<br />

c m−1<br />

0 k(m − 1)|ν i |<br />

bzw.<br />

mit c 0 = c 0 B i<br />

und ν i < 0. Also:<br />

ln ( t 1/2 (c 0 )/[t 1/2 ] ) (<br />

)<br />

2 m−1 − 1<br />

= ln<br />

(m − 1)|ν i |(k /[k])<br />

t 1/2 ∝ c 1−m<br />

0 (31)<br />

( )<br />

c0<br />

+ (1 − m) ln<br />

[c]<br />

(32)<br />

Aus den Messdaten kann man zum Beispiel linear interpolieren oder aus einer<br />

10


Grafik ableiten (siehe Abbildung 5), zu welcher Zeit t eine gegebene Anfangskonzentration<br />

c 0 (t 0 ) auf die Hälfte abgefallen ist.<br />

Abbildung 5: c als Funktion von t.<br />

c 0 /(mmol dm −3 ) 1 0.65 0.47 0.36 0.31<br />

t 1/2 /s 27 41 58 75 85<br />

In unserem Fall liefert der Graph ln(t 1/2 (c 0 )/s) als Funktion von ln(c 0 /(mmol dm −3 ))<br />

liefert eine Gerade mit der Steigung 1 − m und dem Achsenabschnitt b:<br />

( )<br />

( )<br />

2 m−1 − 1<br />

2 m−1 − 1<br />

b = ln<br />

⇒ ln(k) = ln<br />

− b (33)<br />

k(m − 1)<br />

m − 1<br />

Anmerkung: hier lassen wir der Einfachheit halber die Division der dimensionsbehafteten<br />

Grössen durch ihre Einheiten in den Argumenten für die Logarithmen<br />

weg.<br />

Die numerische Auswertung ergibt folgende Werte mit ihren Standardabweichungen:<br />

m = 1.99(2)<br />

Achsenabschnitt: b = 3.30(1)<br />

⇒ k = 3.67 × 10 −2 ( dm 3 mmol −1) 0.99<br />

s<br />

−1<br />

11


Abbildung 6: ln (t 1/2 /s) als Funktion von ln (c 0 /(mmol dm −3 )).<br />

Aus der Standardabweichung der Steigung und des Wertes für m ergibt sich<br />

ein Intervall von 3.64 × 10 −2 bis 3.71 × 10 −2 ( dm 3 mmol −1) m−1<br />

s −1 für k.<br />

Der gefundene Wert m = 1.99(2) legt nahe, dass die tatsächliche Reaktionsordnung<br />

m = 2 sein könnte. In diesem Fall wäre der Achsenabschnitt b = − ln(k).<br />

Wenn man nun den Wert m = 2 annimmt und bei der Anpassung nur noch<br />

den Achsenabschnitt b variiert, ergibt die numerische Auswertung ein Intervall<br />

von 3.65 × 10 −2 bis 3.73×10 −2 dm 3 mmol −1 s −1 für k.<br />

(c) Die Methode des Differenzenquotienten (vgl. Skript Kap. 3.2.6):<br />

d c<br />

d t = νkcm ≃ ∆c<br />

( ) 1<br />

∆t , logarithmiert ln ∆c<br />

= ln(k) + m ln 〈c〉 .<br />

ν ∆t<br />

Wieder lassen wir der Einfachheit halber Division der Dimensionsbehafteten<br />

Grössen durch ihre Einheiten in den Argumenten für die Logarithmen weg.<br />

t / s 0 15 30 45 60 90 120 150 180<br />

c / (mmol dm −3 ) 1 0.65 0.47 0.36 0.31 0.23 0.18 0.15 0.13<br />

〈c〉 / (mmol dm −3 ) 0.83 0.56 0.42 0.34 0.27 0.21 0.17 0.14<br />

∆c/∆t / (10 −3 mmol −1 dm 3 s −1 ) -23 -12 -7.3 -3.3 -2.6 -1.7 -1.0 -0.7<br />

In unserem Fall liefert der Graph ln(−∆c/∆t) als Funktion von ln(〈c〉) eine Gerade<br />

mit der Steigung m und dem Achsenabschnitt ln(k) (siehe Abbildung 7).<br />

12


Abbildung 7: ln ( −<br />

∆c<br />

mmol dm −3<br />

s<br />

∆t<br />

)<br />

als Funktion von ln<br />

(<br />

〈c〉<br />

).<br />

mmol dm −3<br />

Die lineare Regression ergibt folgende Werte mit ihren Standardabweichungen:<br />

m = 2.01(7)<br />

Achsenabschnitt: ln k = −3.31(9)<br />

⇒ k = 3.7 × 10 ( −2 dm 3 mmol −1) 1.01<br />

s<br />

−1<br />

Aus der Standardabweichung des Achsenabschnittes ergibt sich ein Intervall<br />

von 3.3 × 10 −2 bis 4.0×10 ( −2 dm 3 mmol −1) 1.01<br />

s −1 für k.<br />

9.5.2 Die Resultate der drei Methoden sind in der folgenden Tabelle gezeigt<br />

Integration Halbwertzeit Differenzenquotient<br />

m 2 1.99(2) 2.01(7)<br />

k/[(10 −2 dm 3 mmol −1 ) m−1 s −1 ] 3.71-3.77 3.64-3.71 3.3-4.0<br />

wobei nicht der Wert sondern das Intervall für die Geschwindigkeitskonstante gegeben<br />

wird. Unter der Annahme, dass die effektive Reaktionsordnung 2 ist, liefert<br />

die Integrationsmethode die genauesten Resultate, die als Referenz benutzt werden.<br />

Die Halbwertzeitsmethode liefert auf den ersten Blick genauere Resultate (kleineres<br />

Intervall für die Ordnung und die Geschwindigkeitskonstante) als die Methode des<br />

Differenzenquotienten.<br />

Die Integrationsmethode hat den grossen Vorteil, die genaueste Abschätzung der<br />

Geschwindigkeitskonstante zu liefern, aber nur unter der Annahme, dass die ver-<br />

13


mutete Ordnung korrekt ist. Um diese Methode also vernünftig zu benutzen, muss<br />

man eine Idee haben, welchem Mechanismus die Reaktion folgt. Diese Methode wäre<br />

nicht geeignet, wenn die Reaktion nach einem Mechanismus abläuft, wo z. B. die<br />

Ordnung nicht ganzzahlig wäre, da es zu viel mögliche Ordnungen zu überprüfen<br />

gäbe, was nicht effizient wäre. Also wird diese Methode häufig benutzt, um zu entscheiden,<br />

ob eine Reaktion nach 1. oder 2. Ordnung abläuft. In dem Fall muss man<br />

zwei Graphiken erstellen (s. Aufgabe 9.5.1(a)).<br />

Die Halbwertzeitsmethode hat den Vorteil, einen Wert für m ohne zusätzliche Annahmen<br />

(vgl. mit Integrationsmethode) zu liefern und benötigt nur zwei Graphiken.<br />

Allerdings müssen aus den experimentellen Daten durch eine geeignete Interpolation<br />

neue Datenpukte generiert werden (s. Aufgabe 9.5.1(b)). Somit hängt die Genauigkeit<br />

von m und k von der Qualität der experimentellen Daten und der Interpolation<br />

ab. Darum ist die Auswertung von k normalerweise schlechter als mit der Integrationsmethode.<br />

Die Methode der Differenzenquotienten ist wahrscheinlich die einfachste Methode<br />

und benötigt nur einen Graph. Aber sie baut auf einer sehr groben Näherung auf<br />

(i. e. dc/dt ≃ ∆c/∆t). Ausserdem muss man neue Datenpunkte berechnen, was wie<br />

im Fall der Halbwertzeitsmethode von der Qualität der gegebenen experimentellen<br />

Daten abhängt.<br />

Der Unterschied zwischen der drei Methoden lässt sich in dieser Aufgabe kaum<br />

bemerken, da die experimentellen Daten gut geeignet waren für die drei Methoden.<br />

Wenn man nur wenige experimentelle Daten hat, oder es keinen Hinweis auf den<br />

genauen Mechanismus gibt, lassen sich m und k am besten auf folgende Weise<br />

bestimmen:<br />

– die Halbwertzeitsmethode verwenden, um m auszuwerten<br />

– die Integrationsmethode mit diesem Wert von m verwenden, um k auszuwerten.<br />

9.6 Wir betrachten die Reaktion:<br />

N 2 O 5 = 2 NO 2 + 1 O 2 2 (34)<br />

Die im Skript angegebenen N 2 O 5 -Partialdrücke als Funktion der Zeit können nun<br />

verwendet werden, um nach der Integrationsmethode oder der Methode der Differenzenquotienten<br />

die Reaktionsordnung und Geschwindigkeitskonstante zu bestimmen.<br />

Bei der Integrationsmethode werden einfache Zeitgesetze an gemessene, kinetische<br />

Daten angepasst, um graphisch und numerisch mit Hilfe der Methode der kleinsten<br />

Fehlerquadrate zu entscheiden, welchem Zeitgesetz die Daten am ehesten folgen.<br />

Wir verwenden hierbei das linearisierte Zeitgesetz einer Reaktion erster und zweiter<br />

14


Ordnung:<br />

1. Ordnung: ln<br />

2. Ordnung:<br />

( ) c(t)<br />

(<br />

c<br />

)<br />

0<br />

= ln<br />

+ ν<br />

mol m −3 mol m −3 i k (t − t 0 ), (35)<br />

1<br />

c(t) = 1 − ν i k (t − t 0 ).<br />

c 0<br />

(36)<br />

Wobei in unserem Fall gilt: ν N2 O 5<br />

= −1. Die Originaldaten wurden als Drücke mit<br />

der Einheit atm gegeben. Da diese nicht SI-kompatibel sind, rechnen wir für unsere<br />

Zwecke in Konzentrationen um (mit SI-konsistenten Einheiten mol m −3 , die in der<br />

Kinetik gebräuchlich sind). Für diese Umrechnung gehen wir von einem idealen Gas<br />

bei 35 ◦ C aus, was eine im Rahmen der Genauigkeit der Daten völlig ausreichende<br />

Approximation ist.<br />

p V = n R T, (37)<br />

c = n V = p<br />

R T . (38)<br />

Damit ergeben sich die in Tabelle 1 gezeigten Konzentrationen in mol m −3 .<br />

t/min 0 20 40 60 80 100 120 140<br />

p(N 2 O 5 )/atm 0.376 0.320 0.273 0.232 0.200 0.170 0.146 0.124<br />

c(N 2 O 5 )/(mol m −3 ) 14.87 12.66 10.80 9.175 7.910 6.723 5.774 4.904<br />

Tabelle 1: Daten zum N 2 O 5 -Zerfall.<br />

Abbildungen der experimentellen Daten entsprechend einem Geschwindigkeitsgesetz<br />

1. und 2. Ordnung sind im Skript in Kapitel 3.2.6 zu finden. Die Nachrechnung<br />

ergibt hier keine Unterschiede.<br />

Für eine Auftragung entsprechend einem Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung beträgt<br />

der Korrelationskoeffizient r = 0.9999 und es treten keine systematischen Abweichungen<br />

von einer Geraden auf. Für eine Auftragung der Daten nach einem<br />

Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung beträgt der Korrelationskoeffizient r = 0.9723.<br />

Zudem erkennt man in der linearisierten Darstellung nach 2. Ordnung (s. Skript<br />

Abbildung 3.13) eine klare Tendenz zur Krümmung, d.h. eine systematische Abweichung<br />

von einem Gesetz 2. Ordnung. Es ist somit wahrscheinlicher, dass es sich<br />

beim Zerfall von N 2 O 5 um eine Reaktion erster Ordnung handelt. Aus der Steigung<br />

der angepassten Geraden in Abbildung 3.12 im Skript erhält man direkt die Geschwindigkeitskonstante:<br />

k = 1.315(5) · 10 −4 s −1 .<br />

Bei der Bestimmung über die Methode der Differenzenquotienten wird der Differenzialquotient<br />

in der Geschwindigkeitsgleichung durch den Differenzenquotienten<br />

genähert, wie in der <strong>Lösung</strong> zur Aufgabe 9.5.1 c) beschrieben. Für eine Reaktion 1.<br />

15


Ordnung gilt folglich für die Geschwindigkeitskonstante<br />

k = − 1 ∆c<br />

〈c〉 ∆t , (39)<br />

wobei 〈c〉 die mittlere Konzentration im Zeitintervall ∆t ist. In dem vorliegenden<br />

Beispiel kann mit hinreichender Genauigkeit ideales Gasverhalten angenommen werden,<br />

weshalb c ∝ p gilt und die Geschwindigkeitskonstante direkt aus den Drücken<br />

berechnet werden kann:<br />

k = − 1 ∆p<br />

〈p〉 ∆t<br />

Exemplarisch gilt nun für die ersten beiden Wertepaare p(t = 0 min) = 0.376 atm<br />

und p(t = 20 min) = 0.320 atm:<br />

(40)<br />

k =<br />

2<br />

0.320 atm − 0.376 atm<br />

−<br />

·<br />

0.376 atm + 0.320 atm 20 min<br />

(41)<br />

= 8.05 · 10 −3 min −1 (42)<br />

Analog können für sämtliche Wertepaare die Geschwindigkeitskonstanten berechnet<br />

werden. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zu finden.<br />

−∆t/min 0-20 20-40 40-60 60-80 80-100 100-120 120-140<br />

k/(10 −3 min −1 ) 8.05 7.93 8.12 7.41 8.11 7.59 8.15<br />

Tabelle 2: Ergebnisse für die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten entsprechend<br />

einem Geschwindigkeitsgesetz 1. Ordnung mit der Methode der Differenzenquotienten.<br />

Für Zeitgesetze höherer Ordnung gilt nun für den Differenzenquotienten:<br />

− ∆c = k · 〈c〉 m (43)<br />

∆t )<br />

ln<br />

(− ∆c′ = ln k ′ + m · ln 〈c ′ 〉 (44)<br />

∆t ′ )<br />

ln k ′ = ln<br />

(− ∆c′ − m · ln 〈c ′ 〉 (45)<br />

∆t ′<br />

k ′ = exp(ln k ′ ) (46)<br />

wobei die gestrichenen Grössen jeweils bedeuten, dass durch eine geeignete Einheit<br />

dividiert wurde. Die gestrichenen Grössen haben dann keine Dimension. Alternativ<br />

kann eine dimensionsbehaftete Geschwindigkeitskonstante (z.B. in Einheiten des<br />

Drucks) für ein Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung direkt aus Gleichung (43) abgeleitet<br />

werden:<br />

k ′′ = − 1 ∆p<br />

〈p〉 2 ∆t<br />

16<br />

(47)


Für das erste Wertepaar gilt nun<br />

k ′′ 1<br />

0.320 atm − 0.376 atm<br />

= −<br />

(48)<br />

(0.376/2 atm + 0.320/2 atm) 2 20 min<br />

= 2.31 · 10 −2 1<br />

atm min . (49)<br />

Wir geben hier verschieden vom Skript die einheitenbehaftete Grösse k ′′ an (Zahlenwerte<br />

sind gleich). Analog können die weiteren Geschwindigkeitskonstanten für<br />

die nächsten Wertepaare berechnet werden. Die Ergebnisse für k ′′ sind in Tabelle 3<br />

zu finden. Es zeigt sich dabei, dass die Berechnung der Geschwindigkeitskonstante<br />

gemäss einer Reaktion 2. Ordnung keinen konstanten Wert, sondern stetig zunehmende<br />

Werte für die verschiedenen Wertepaare ergibt. Bei einer Auswertung gemäss<br />

einer Reaktion 1. Ordnung wird ein konstanter Wert für die Geschwindigkeitskonstante<br />

erhalten, weshalb so die Reaktionsordnung auf 1 festgelegt werden kann. Der<br />

hier für die Geschwindigkeitskonstante bestimmte Wert ist mit einer höheren Ungenauigkeit<br />

belastet als der mittels der Integrationsmethode bestimmte Wert, da die<br />

starke Annäherung des Differenzialquotienten als Differenzenquotient der Auswertung<br />

zugrunde liegt. Diese allgemeine Problematik wurde auch bereits in Aufgabe<br />

9.5.2 diskutiert. Die Nachrechnung ergibt kleine Abweichungen in den Nachkommastellen,<br />

was allerdings für die Schlussfolgerungen nicht wesentlich ist.<br />

−∆t/min 0-20 20-40 40-60 60-80 80-100 100-120 120-140<br />

k ′′ /(10 −2 atm −1 min −1 ) 2.31 2.67 3.22 3.43 4.38 4.81 6.04<br />

Tabelle 3: Ergebnisse für die Bestimmung der Geschwindigkeitskonstanten entsprechend<br />

einem Geschwindigkeitsgesetz 2. Ordnung mit der Methode der Differenzenquotienten.<br />

9.7 Mit der Auslenkungsvariablen ∆x lautet das Geschwindigkeitsgesetz:<br />

− d∆x<br />

dt<br />

− d∆x<br />

dt<br />

Es gilt die Gleichgewichtsbedingung<br />

Hiermit folgt aus Gl. (51)<br />

= k a (c eq<br />

A + ∆x)(ceq B + ∆x) − k b(c eq<br />

P<br />

− ∆x) (50)<br />

= k a c eq<br />

A ceq B − k bc eq<br />

P + ∆x(k ac eq<br />

B + k ac eq<br />

A + k b) + k a ∆x 2 (51)<br />

− d∆x<br />

dt<br />

mit K = k b /k a . Die Trennung der Variablen ergibt:<br />

k a c eq<br />

A ceq B − k bc eq<br />

P = 0 (52)<br />

= k a ∆x(c eq<br />

B + ceq A<br />

+ K + ∆x) (53)<br />

d∆x<br />

∆x(∆x + c eq<br />

A + ceq B + K) = −k adt. (54)<br />

17


Das Integral auf der linken Seite kann z.B. mit Hilfe von Integrationstabellen gelöst<br />

werden. Es gilt im Allgemeinen für Konstanten a, b, c, d:<br />

∫<br />

( )<br />

dx<br />

(ax + b)(cx + d) = 1 cx + d<br />

bc − da ln ax + b<br />

Es folgt mit a = c = 1, b = 0 und d = c eq<br />

A + ceq B + K<br />

∫ ∆x<br />

d∆x ′<br />

∆x 0<br />

∆x ′ (∆x ′ + c eq<br />

A + ceq B + K) = −<br />

= −<br />

c eq<br />

A<br />

∫ + ceq<br />

t<br />

(<br />

1<br />

B + K ln ∆x0 (∆x + c eq<br />

∆x(∆x 0 + c eq<br />

A + ceq<br />

A + ceq<br />

(55)<br />

B + K) )<br />

B + K)<br />

t 0<br />

k a dt ′ . (56)<br />

Mit k eff = k a (c eq<br />

A + ceq B + K) = k a(c eq<br />

A + ceq B ) + k b, was analog zu Gl. (3.56) ist, erhält<br />

man:<br />

∆x<br />

∆x + c eq<br />

A + ceq B + K = ∆x 0<br />

∆x 0 + c eq<br />

A + exp(−t/τ) (58)<br />

ceq B<br />

+ K<br />

mit τ = 1/k eff und t 0 = 0.<br />

Die Gl. (58) ist analog zu Gl. (3.57) des Skriptes bis auf einen unterschiedlichen<br />

Nenner im Vorfaktor und liefert die gleiche Relaxationszeit τ in der Approximation<br />

für eine kleine Auslenkung ∆x 0 und ∆x ≪ c eq<br />

A + ceq B<br />

+ K. Die exakte <strong>Lösung</strong> kann<br />

man dann vereinfachen zu:<br />

Man erhält also Gl. (3.57) des Skriptes.<br />

(57)<br />

∆x ≃ ∆x 0 exp(−t/τ) (59)<br />

Die Gleichung (50) kann man auch als Funktion von x ausdrucken. Es folgt:<br />

− d(x e − x)<br />

dt<br />

Die Definition von x e = c 0 A − ceq A<br />

eingesetzt ergibt:<br />

Also:<br />

= k a (c eq<br />

A + x e − x)(c eq<br />

B + x e − x) − k b (c eq<br />

P + x − x e) (60)<br />

= c0 B − ceq B<br />

= ceq P − c0 P<br />

in die jeweiligen Klammern<br />

dx<br />

dt = k (<br />

a (c<br />

eq<br />

A + c0 A − c eq<br />

A − x)(ceq B + c0 B − c eq<br />

B<br />

− x) − K(ceq<br />

P − ceq P + c0 P + x) ) (61)<br />

dx<br />

dt = k ( )<br />

a x 2 − (c 0 A + c 0 B + K)x + c 0 Ac 0 B − Kc 0 P = ka (x − x e )(x − y e ) (62)<br />

wobei x e und y e die Nullstellen des Polynoms zweiten Grades sind. Mit Hilfe der<br />

Formel (55) ergibt sich:<br />

( ) x − ye<br />

ln − ln<br />

x − x e<br />

(<br />

ye<br />

)<br />

= k a (c 0 A + c 0 B + K − 2x e )(t − t 0 ) (63)<br />

x e<br />

18


mit<br />

K = k b /k a (64)<br />

y e = c 0 A + c 0 B + K − x e (65)<br />

x e = c0 A<br />

2 + c0 B<br />

2 + K 2 − 1 √<br />

(c 0 A<br />

2<br />

+ c0 B + K)2 − 4(c 0 A c0 B − Kc0 P ) (66)<br />

Im Vergleich mit Gleichung (2.82) des Skripts (Kapitel 2.4) gibt es Unterschiede in<br />

dem Faktor vor (t−t 0 ) und den Nullstellen des Polynoms, weil die stöchiometrischen<br />

Gleichungen nicht identisch sind: im Kapitel 2.4.1 war die stöchiometrische Gleichung<br />

2A = P und hier ist sie A+B = P.<br />

Bimolekulare Hin- und Rückreaktionen können mit zwei Methoden behandelt werden.<br />

Der Unterschied liegt in den Anfangsbedingungen:<br />

– mit bekannten Anfangskonzentrationen arbeitet man am besten mit der Umsatzvariablen<br />

x = (c i − c 0 i )/ν i<br />

– mit bekannten Gleichgewichtskonzentrationen arbeitet man am besten mit der<br />

Auslenkungsvariablen ∆x = x e − x.<br />

Aber die zwei Gleichungen des Zeitgesetzes sind gleichwertig.<br />

9.8 Aufgaben zur Stosswellenkinetik<br />

9.8.1 Substitution a = (Mu 2 1 ) / (R T 1 ) ergibt<br />

(<br />

T 2<br />

= a − 1 ) (a ) ( ) −1<br />

T 1 3 5 + 1 16a<br />

(67)<br />

15<br />

16T 2<br />

a = a2<br />

15T 1 5 + 14a<br />

15 − 1 3<br />

Die Wurzeln der quadratischen Gleichung sind<br />

a 1,2 = − 1 3<br />

(<br />

7 − 8T )<br />

2<br />

±<br />

T 1<br />

√<br />

(<br />

1<br />

7 − 8T ) 2<br />

2<br />

+ 5 9 T 1 3<br />

Mit T 1 = 300 K, T 2 = 1400 K, M = 83.800 × 10 −3 kg mol −1 folgt<br />

a 1 =<br />

√<br />

a1 R T 1<br />

20.304 → u 1 =<br />

M = 777.4 m s−1 (70)<br />

a 2 = −0.082 → u 2 nicht reell (71)<br />

Für 5 K Genauigkeit gilt: T 2 = 1400 ± 5 K<br />

(68)<br />

(69)<br />

T 2 = 1405 K → a = 20.393 → u = 779.1 m s −1 (72)<br />

T 2 = 1395 K → a = 20.216 → u = 775.7 m s −1 (73)<br />

Die Differenz der Ankunftszeiten an zwei 1 m entfernten Messpunkten sei ∆t, dann<br />

gilt ∆t = 1 m/u.<br />

19


T 2 /K u/(m s −1 ) ∆t/µs<br />

1395 775.7 1289.2<br />

1400 777.4 1286.3<br />

1405 779.1 1283.5<br />

Man muss also die Ankunftszeit auf ca. 3 µs genau messen, um T 2 = 1400 K auf<br />

5 K genau bestimmen zu können.<br />

9.8.2 Substitution √ von M Ar = 39.948 · 10 −3 kg mol −1 bzw. M Xe = 131.293 · 10 −3 kg mol −1<br />

a1 R T 1<br />

in u 1 =<br />

M ergibt 1126.0 m s−1 bzw. 621.1 m s −1 .<br />

9.8.3 Die Schallgeschwindigkeit v in Gasen berechnet sich über v =<br />

√<br />

cp RT<br />

. Unter An-<br />

c V M<br />

nahme eines idealen Verhaltens mit c p<br />

= 5 und den oben angegebenen Konstanten<br />

c V 3<br />

erhält man für die Schallgeschwindigkeiten von Argon, Krypton und Xenon bei<br />

300 K und 1400 K<br />

T /K v Ar /(m s −1 ) v Kr /(m s −1 ) v Xe /(m s −1 )<br />

300 322.6 222.7 177.9<br />

1400 696.9 481.1 384.4<br />

9.8.4 Die Herstellung von Difluoromethylen ist leicht aus Difluorodiazomethan N 2 CF 2 ,<br />

Difluorodiazirin N 2 CF 2 und Difluoroketen C 2 F 2 O möglich (Strukturformeln sind<br />

unten gegeben). Die Bildung kann durch Stosswellen oder Blitzlichtphotolyse induziert<br />

werden:<br />

N 2 CF 2<br />

C 2 F 2 O<br />

[M]<br />

−→ N 2 + CF 2 (74)<br />

[M]<br />

−→ CF 2 + CO (75)<br />

Difluorodiazomethan und Difluorodiazirin sind Isomere. Dabei ist Difluorodiazirin<br />

das energetisch stabilere Molekül von den beiden im Gegensatz zu den analogen Kohlenwasserstoffverbindungen,<br />

für die das Diazomethan stabiler ist (Siehe: A. Boldyrev<br />

et al., J. Comp. Chem., 13, 1066, 1992). Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung<br />

von Difluoromethylen besteht in der Dissoziation von CF 2 HCl oder C 2 F 4 , durch<br />

Mikrowellenheizung, gewöhnliche Pyrolyse, oder auch durch Infrarotvielphotonenanregung<br />

oder Einphotonenphotolyse:<br />

CF 2 HCl<br />

C 2 F 4<br />

[hν] oder [nhν]<br />

−−−−−−−−→<br />

oder ∆<br />

[hν] oder [nhν]<br />

−−−−−−−−→<br />

oder ∆<br />

CF 2 + HCl (76)<br />

2CF 2 (77)<br />

20


N<br />

N<br />

O<br />

N<br />

N<br />

N<br />

F 2 C<br />

C<br />

N<br />

CF 2<br />

CF 2<br />

CF 2<br />

Difluorodiazomethan<br />

Difluorodiazirin<br />

Difluoroketen<br />

Nach der erfolgten Bildung von Difluoromethylen sind im Prinzip zahlreiche Folgereaktionen<br />

möglich.<br />

In der Tabelle sind die Standardreaktionsgibbsenergien ∆ r G ⊖ 1400 mit Hilfe der Standardbildungsgibbsenergien<br />

∆ f G ⊖ 1400 für verschiedene Reaktionen bei 1400 K berechnet<br />

worden (Thermodynamische Daten: Chase et al., J. Phys. Chem. Ref. Data, 14,<br />

1995, Suppl. 1).<br />

Reaktion ∆ f G ⊖ 1400/(kJ mol −1 ) ∆ r G ⊖ 1400 /(kJ mol −1 )<br />

(a) CF 2 + CF 2 → C 2 F 4 CF 2 : -224.477 -48.426<br />

C 2 F 4 : -497.380<br />

(b) CF 2 + CF 2 → CF 4 + C CF 2 : -224.477 -271.643<br />

CF 4 : -720.597<br />

C: 0 (Definition)<br />

(c) CF 2 + CF 2 → CF 3 + CF CF 2 : -224.477 150.978<br />

CF 3 : -404.514<br />

CF: 106.538<br />

(d) CF 2 + CF 2 → C 2 F 2 + F 2 CF 2 : -224.477 423.767<br />

C 2 F 2 : -25.187<br />

F 2 : 0 (Definition)<br />

(e) CF 2 + CF 3 → C 2 F 4 + F CF 2 : -224.477 125.516<br />

CF 3 : -404.514<br />

C 2 F 4 : -497.380<br />

F: -6.095<br />

(f) CF 2 + CF 2 → C 2 F 2 + 2F CF 2 : -224.477 411.577<br />

C 2 F 2 : -25.187<br />

F: -6.095<br />

Von den in der Tabelle aufgeführten Reaktionen weisen nur (a) und (b) eine negative<br />

Standardreaktionsgibbsenergie bei 1400 K auf. Das Gleichgewicht liegt somit nur für<br />

(a) und (b) bei 1400 K auf der Seite der Produkte, wobei bei dieser Temperatur<br />

für (a) noch merklich CF 2 im Gleichgewicht vorliegt. Die Gleichgewichtskonstanten<br />

21


sind<br />

K = exp(−∆ r G ⊖ 1400 K<br />

/(R × 1400 K)) ≃ 64.1 (78)<br />

für die Reaktion (a) und<br />

K = 1.37 · 10 10 (79)<br />

für die Reaktion (b).<br />

Anmerkung: Eine thermodynamisch günstige Reaktionsenthalpie oder Reaktionsgibbsenergie<br />

bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Reaktion tatsächlich experimentell<br />

beobachtet wird. So kann etwa die Aktivierungsenergie so hoch sein, dass bei<br />

einer bestimmten Temperatur die Reaktion zu langsam ist, um sie im Experiment<br />

zu beobachten.<br />

9.9 Für die Definition p, p + 2, p + 4 lässt sich nur ein Beispiel eines Primzahldrillings“<br />

”<br />

finden, nämlich (3, 5, 7), da in einer Menge von drei aufeinander folgenden ungeraden<br />

Zahlen ansonsten immer eine durch drei teilbar ist. Dr. S.C.H. Lau ändert also<br />

seine Definition der Primzahldrilinge, so dass es wieder interessanter wird. Unter<br />

Primzahldrillingen versteht man dann Primzahlen der Menge p, p + 2, p + 6 oder<br />

p, p + 4, p + 6.<br />

Unter der Annahme, dass das Auffinden einer Primzahl bzw. eines Primzahlzwillings<br />

statistisch unabhängige Ereignisse sind, kann die mittlere Wahrscheinlichkeitsdichte<br />

des Auffindens eines Primzahldrillings als Produkt der mittleren Wahrscheinlichkeitsdichten<br />

der Primzahlen und Primzahlzwillinge dargestellt werden. Da die<br />

Verteilung der Primzahlen und Primzahlzwillinge in der Menge der natürlichen<br />

Zahlen keinem bekannten Algorithmus folgt, liegt die Vermutung nahe, dass ihre<br />

Verteilung statistisch ist und unsere Annahme gerechtfertigt ist. Tatsächlich haben<br />

Paul Bateman und Roger Horn in 1962 die sogenannte Bateman-Horn-Vermutung<br />

aufgestellt, die eine Aussage über die Häufigkeit von Primzahlen innerhalb eines<br />

Systems von Polynomen trifft. Wählt man für ein System bestehend aus drei<br />

Polynomen die Bedingungen für einen Primzahldrilling, d.h. p, p + 2, p + 6 oder<br />

p, p + 4, p + 6 und verwendet den von Bateman und Horn vorgeschlagenen Formalismus,<br />

erhält man tatsächlich für die mittlere Wahrscheinlichkeitsdichte für beide<br />

Polynomialsysteme 〈ρ PPP (N)〉 = C 3 · (1/ ln N) 3 , wobei C 3 eine reelle Konstante<br />

ist. Aus dieser bis dato allerdings immer noch unbewiesenen Vermutung kann die<br />

Aussage von Dr. S.C.H. Lau also als richtig antizipiert werden.<br />

Um die Aussage empirisch zu prüfen, kann die Funktion 〈ρ PPP (N)〉 = C 3 ·(1/ ln N) 3<br />

mit den berechneten Werten der Primzahldrillingsdichte analog zur Aufgabe 7.9<br />

verglichen werden. Die Primzahldrillingsdichte für beide oben beschriebenen Fälle<br />

wurde jeweils im Intervall ∆ = 10 6 bestimmt. Die Konstante C 3 in der Funktion<br />

〈ρ PPP (N)〉 = C 3 · (1/ ln N) 3 kann dann als Mittelwert der Division der berechneten<br />

Primzahldichte und der Funktion (1/ ln N) 3 ermittelt werden. Man erhält einen<br />

22


Wert von C 3 = 2.87. Die geplottete Funktion mit diesem Wert für C 3 und die<br />

berechneten Primzahldrillingsdichten sind in Abbildung 8 dargestellt.<br />

Für den Spezialfall der Primzahlzwillinge liefert die Bateman-Horn Vermutung<br />

übrigens eine Wahrscheinlichkeitsdichte von 〈ρ PP (N)〉 = C 2 · (1/ ln N) 2 , wobei<br />

C 2<br />

≈ 1.32. Dieser Faktor entspricht der systematischen Abweichung zwischen<br />

der in Aufgabe 7.9 präsentierten vermuteten und tatsächlichen (d.h. empirisch<br />

ermittelten) Wahrscheinlichkeitsdichte der Primzahlen.<br />

In Analogie zu Aufgabe 7.9, wo die Begegnungswahrscheinlichkeit zweier Primzahlen<br />

als Veranschaulichung der Begegnungswahrscheinlichkeit zweier Reaktanden<br />

in einer bimolekularen Reaktion gewählt wurde, kann man nun die Begegnungswahrscheinlichkeit<br />

dreier Primzahlen als Illustration einer trimolekularen Reaktion<br />

verstehen, wo die Anzahl der beteiligten Reaktanden ebenfalls als Exponent in die<br />

Reaktionsrate eingeht.<br />

Literatur: A heuristic asymptotic formula concerning the distribution of prime<br />

numbers, P. T. Bateman and R. A. Horn, Mathematics of Computation, 16, (1962)<br />

363.<br />

1.6 x 10−3 N/10 7<br />

1.4<br />

Primzahldrillingsdichte für (p, p+2, p+6)<br />

Primzahldrillingsdichte für (p, p+4, p+6)<br />

C 3<br />

/(ln N) 3<br />

<br />

1.2<br />

1<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

0 2 4 6 8 10<br />

Abbildung 8: Abhängigkeit der mittleren Wahrscheinlichkeitsdichte der Primzahldrillinge<br />

von N, vermutete Dichte (durchgehend) und gerechnete Punkte.<br />

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