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Inhaltsverzeichnis:<br />

Literaturliste und Abkürzungsverzeichnis .................................................... S.8<br />

A. EINLEITUNGSTEIL.........................................................................S.11-53<br />

I. Vorwort zum Thema „Lennacker“ und Deilinghofen. Oder: Zur Frage, ob der<br />

Umgang mit Kirchen- und Heimatgeschichte sowie Geschichtszahlen eine öde<br />

und dröge Sache sein muß........................................................................... S.11<br />

II. Kurze Chronik zur Deilinghofer Kirchengeschichte von ca. 1500-1700. .S.15<br />

III. Chronik der Deilinghofer Ereignisse von 1700-1765 im Kontext der hiesigen<br />

Heimatgeschichte und der allgemeinen Geschichte unter besonderer Berücksichtigung<br />

der kirchengeschichtlichen Einflüsse, die von Herrnhut und Zinzendorf<br />

her hier wirksam wurden. Zugleich: Übersicht über Leben und Wirken<br />

J.G.W.Forstmann und J.D.Angelkorte, der beiden bedeutendsten Pfarrer, die in<br />

Hemer ihr Amt führten. ..............................................................S.19<br />

B. HAUPTTEIL ................................................................................S.54-(203)<br />

I. Der große Baumeister der Gemeinde: Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann,<br />

der (nach dem Urteil von F.Schauff) „bedeutendste Pfarrer Deilinghofens“<br />

(10. evangelischer Pfarrer nach der Reformation; Amtszeit von 1765 bis 1791) -<br />

Aufbau <strong>des</strong> Alten Pastorats in Deilinghofen und Gemeindeaufbau nach dem Muster<br />

Herrnhuts.................................................................................S.55<br />

1. Einleiten<strong>des</strong> zu diesem Pfarrer ................................................................S.55<br />

2. Vätererbe und Vatererbe. Zu Dümpelmanns jungen Jahren (1741-1765)...S.60<br />

3. Aus Dümpelmanns ersten Amtsjahren von 1765 bis in die 70er Jahre: Zum<br />

Baubeginn am Alten Pastorat und zu einigen weiteren bis heute heimatgeschichtlich<br />

interessanten Ereignissen aus der frühen Amtszeit in Deilinghofen............................................................................................................S.66<br />

4. Gottfried Dümpelmann als Freund und Förderer der Herrnhuter Brüdergemeine<br />

- in Deilinghofen, Sundwig und darüber hinaus... Zu Pastor Dümpelmann als<br />

Zinzendorfianer in seinen ersten Deilinghofer Jahren und in der ‘Blütezeit’ der<br />

mittleren Jahre von 1770 bis 1782..........................................................S.82<br />

a) Dümpelmanns ‘herrnhutisches Engagement’ in der ersten Amtszeit bis zum<br />

Anfang der 70er Jahre..................................................................................S.83<br />

[Exkurs zu den Erweckten in Sundwig]........................................................S.85<br />

b) Gottfried Dümpelmann als ‘gestandener’ Vertreter der herrnhutischen Richtung<br />

in seinem Wirken in den 70er Jahren <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts bis 1782....S.90<br />

5. Die letzten Jahre Pastor Gottfried Dümpelmanns von 1782 bis 1791: Der Deilinghofer<br />

Pfarrer als väterlicher Freund <strong>des</strong> Iserlohner Pfarreroriginals Johann<br />

Abraham Strauß................................................................................S.110<br />

II. Johann Daniel Müller (11. evangelischer Pfarrer in Deilinghofen nach der<br />

Reformation; Amtszeit von 1791 bis 1797) - Der Pastor, der mit „schwacher<br />

Brust“ zum Gastwirt wurde........................................................................S.132<br />

1. Die Herkunft und der Entwicklungsgang Johann Daniel Müllers bis<br />

1791.......................................................................................................... S.132<br />

6


2. Johann Daniel Müllers Zeit in Deilinghofen von 1791 bis 1797..............S.133<br />

3. Johann Daniel Müller als Gastwirt in Langerfeld...................................S.142<br />

III. Carl Franz Friedrich Basse (12. Pfarrer in Deilinghofen nach der Reformation;<br />

Amtszeit 1797-1833) - Ein Pastor aus einer bedeutenden Familie, aber:<br />

„Glück blüht nicht jeglichem...“.................................................................S.145<br />

1. Der Sproß einer einflußreichen Kaufmanns- und Beamtenfamilie: Herkunft<br />

und Lebenslauf Basses in der Zeit vor Deilinghofen...................................S.145<br />

2. Umzug nach Deilinghofen - Die neue Heimat der Basses im Alten Pastorat<br />

und die Entwicklung der Großfamile..........................................................S.151<br />

3. Überblick über Basses theologisches und kirchenpolitisches Wirken von 1797<br />

bis zum Ende <strong>des</strong> Agendenstreites in Deilinghofen im Jahr 1829...............S.158<br />

4. „Glück blüht nicht jeglichem...“ - Zu Pastor Basses letzten Jahren, seinem Tod<br />

und seinem Grabstein..........................................................................S.192<br />

IV. Carl Ludwig Josephson (1811-1888), als Pfarrer in Deilinghofen 1834 gewählt,<br />

aber nicht angenommen. Der verhinderte hiesige Pastor, der dann in den<br />

Kerker mußte.............................................................................................S.201<br />

1. Carl Ludwig Josephson - Zur Geschichte seiner Herkunftsfamilie und seiner<br />

Zeit vor Deilinghofen.................................................................................S.201<br />

2. Kandidat C.L.Josephson: in Deilinghofen gewählt und bald drauf in den Kerker.......................................................................................................S.208<br />

3. Die Verbindung zwischen Deilinghofen und Wupperfeld - Zu C.L.Josephsons<br />

späterem Wirken................................................................................S.232<br />

C. SCHLUSSTEIL.....................................................................................S.238<br />

Schlußwort miz zwei Nachrufen.................................................................S.238<br />

Beilage 1: „Dümpelmann als Dichter“ - das Deilinghofer Heimatgedicht aus der<br />

Dümpelmann-Zeit von 1768.......................................................................S.243<br />

Beilage 2: Dümpelmann und Strauß (Auszug aus E. Frommels Strauß-Lebensbild)...........................................................................................................S.250<br />

Beilage 3: Die Basse-Rede zur Agendenreform..........................................S.252<br />

Beilage 4: Harald Korsch-Ger<strong>des</strong>, „Gebohren zu Stephanopel ...“.Eine Gewerbeansiedlung<br />

<strong>des</strong> 18.Jahrhunderts kommt zum Kirchspiel Deilinghofen.... S.259<br />

Registerteil (Personen- und Ortsverzeichnis)..............................................S.263<br />

Bildnachweis<br />

(Die Kapitel sind allesamt in Gemeinschaftsarbeit der Herausgeber entstanden,<br />

wobei im Basse-Kapitel [B.III] die Erarbeitung und der Text vorrangig von Harald<br />

Korsch-Ger<strong>des</strong> stammt, im Dümpelmann-Kapitel [B.I.] vorrangig von<br />

Friedhelm Groth; der Rest <strong>des</strong> Buches wurde zu gleichen Teilen von beiden<br />

angefertigt.)<br />

7


Literaturliste und Abkürzungsverzeichnis<br />

(Aufgeführt ist im folgenden die in dieser Arbeit häufiger benutzte Literatur. Die für die<br />

jeweiligen Buch- bzw. Aufsatztitel benutzten Abkürzungen, die in den Fußnoten verwendet<br />

werden, stehen je<strong>des</strong> Mal in Klammern. Nur einmal oder selten zitierte Literatur findet<br />

sich - bibliographisch vollständig angegeben - in den Fußnoten; <strong>des</strong>gleichen ist benutzes<br />

Archivmaterial mit Fundstelle lediglich in den Fußnoten angegeben.)<br />

F.G.H.J.Bädeker/Heinrich Heppe, Geschichte der Evangelischen Gemeinden der<br />

Grafschaft Mark und der benachbarten Gemeinden von Dortmund, Soest, Lippstadt,<br />

Essen etc. (= Heinrich Heppe, Zur Geschichte der Evangelischen Kirche<br />

<strong>des</strong> Rheinlands, Zweiter Band. Geschichte der evangelischen Gemeinden der<br />

Grafschaft Mark und der benachbarten Gemeinden der Provinz Westphalen),<br />

Iserlohn 1870 (zitert: Bädeker/Heppe).<br />

Friedrich Wilhelm Bauks, Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit<br />

bis 1945 (= Beiträge zur westfälischen Kirchengeschichte, Bd.4),<br />

Bielefeld 1980 (zitiert: Bauks).<br />

Horst Bendrat, Carl Franz Friedrich Basse (1767-1834) [15seitiger Lebenslauf<br />

als Typoskript, beendet in Holzwickede am 18.Mai 1991], (zitiert: Bendrat)<br />

Ernst Dossmann, Auf den Spuren der Grafen von der Mark. Wissenswertes über<br />

das Werden und Wachsen der ehemaligen Grafschaft Mark und über den Märkischen<br />

Kreis (=Veröffentlichungen <strong>des</strong> Heimatbun<strong>des</strong> Märkischer Kreis),<br />

3.Auflage, Iserlohn 1992 [Erstauflage 1983] (zitiert: Dossmann).<br />

Emil Frommel, Johann Abraham Strauß. Ein westfälisches Pfarroriginal,<br />

2.Auflage, Stuttgart 1883 [Erstauflage: Stuttgart 1879; diese Auflagen erschienen<br />

im Verlag von J.F.Steinkopf; diverse Auflagen dieses Büchleins kamen nach dem<br />

2.Weltkrieg im Verlag der St. Johannis-Druckerei Lahr-Dinglingen heraus; die in<br />

diesem Heft der „Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte“ mit freundlicher<br />

Erlaubnis dieses Verlages veröffentlichten Bilder von Strauß entnehmen wir der<br />

Ausgabe: Emil Frommel, Johann Abraham Strauß, ein westfälisches Pfarroriginal,<br />

7.-11. Tausend, 2.Auflage, Lahr-Dinglingen o.J.] (zitiert sonst jeweils nach<br />

der o.g. 2.Auflage 1883 als: Frommel).<br />

Walter Göbell, Die evangelisch-lutherische Kirche in der Grafschaft Mark. Verfassung,<br />

Rechtsprechung und Lehre, I.Band, Acta Synodalia von 1710 bis 1767,<br />

Bethel 1961; II.Band, Kirchenrechtliche Quellen von 1710-1800, Bethel 1961;<br />

III.Band, Kirchenrechtliche Quellen von 1710-1818, Lengerich 1983 (zitiert:<br />

Göbell I - III).<br />

Friedhelm Groth/Paul Kramme/Heinz Vicariesmann/Herbert Schulte (Hg.),<br />

„...so läuten die Glocken von Deilinghofen“. Zu den ersten zwei Jahrhunderten<br />

der evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen 1565 bis 1765 (=Blätter zur<br />

Deilinghofer Kirchengeschichte, Heft 2), Deilinghofen 1991 (zitiert: <strong>BDKG</strong> 2).<br />

8


Diedrich Heer, Geschichtliches und Volkskundliches aus meinem Heimatdorf<br />

Deilinghofen, Jahresarbeit als Oberprimaner am Realgymnasium in Iserlohn,<br />

Deilinghofen 1933 [67 Schreibmaschinenseiten] (zitiert: Heer).<br />

Gerd Herchenröder, 300 Jahre Schule Deilinghofen, o.O. o.J. [Deilinghofen<br />

1994] (zitiert: Herchenröder).<br />

Museums-Journal, Stadtmuseum Iserlohn, Iserlohn 1989 [zu ergänzende Lieferungen<br />

im Klemmhefter, ohne Seitenzahl] (zitiert: Museums-Journal).<br />

Hermann Josephson, Aus der Festungshaft, in: Deutsches Pfarrerblatt ...[Nr.28;<br />

Kopie von F.W.Bauks, Münster; Jahrgang und Erscheinungsjahr Ende der 20er<br />

Jahre dieses Jahrhunderts, genau z.Zt. leider nicht bekannt], S.391-393 (zitiert:<br />

H.Josephson).<br />

Familiengeschichte Ren[t]zing - Alberts. Zur Nachricht geschrieben von Joh.<br />

Gottf. Renzing, geb. 1784 [18seitiges Typoskript von Pfr. Hans-Martin Herbers,<br />

Burg-Archiv Iserlohn, nach der im Laufe der Jahre ergänzten Chronik der - mit<br />

Herbers verwandten - Familie Rentzing auf Heppings Kotten in Sundwig, heute<br />

Alberts` Mühle, wobei die Chronik die Jahre 1800-1950 umfaßt] (zitiert: Rentzing-Alberts-Chronik).<br />

Der Schlüssel, Blätter der Heimat für die Stadt Hemer [Jahrgang 1/1956 ff.], hg.<br />

vom Bürger- und Heimatverein Hemer (zitiert: Schl. und Heft-Nummer und Jahrgang<br />

ohne Nennung <strong>des</strong> Aufsatztitels und Autors).<br />

Günther Schulte, Das Deilinghofer Kirchenbuch 1680-1780, o.O. 1984 [abgeschriebene<br />

und erläuterte Version <strong>des</strong> Kirchenbuchs, handgeschrieben, 294 S.]<br />

(zitiert: G.Schulte, Kirchenbuch).<br />

Herbert Schulte, Dokumentation zur Geschichte der evangelisch-lutherischen<br />

Pfarrer der Stephanuskirche zu Deilinghofen, 3.Teil, umfassend die 4 Pfarrer von<br />

1765-1834 [maschinenschriftlich; ohne Seitenzahlen; 13 Textseiten], Iserlohn<br />

1989 (zitiert: H.Schulte III).<br />

Wilhelm Schulte, Iserlohn. Die Geschichte einer Stadt, Band I, Iserlohn 1937;<br />

Bd.II, Iserlohner Urkundenbuch, Iserlohn 1938 (zitiert: W.Schulte I und II).<br />

Siegfried Schunke, Beziehungen der Herrnhuter Brüdergemeine zur Grafschaft<br />

Mark, Inaugural-Dissertation zur Erlangung <strong>des</strong> Doktor-Gra<strong>des</strong> der Evangelisch-<br />

Theologischen Fakultät der Westfälischen Lan<strong>des</strong>-Universität Münster [maschinenschriftlich],<br />

Münster 1948 [Promotion: 22.2.1949] (zitiert: Schunke).<br />

Thomas Stamm-Kuhlmann, König in Preußens großer Zeit. Friedrich Wilhelm<br />

III., der Melancholiker auf dem Thron, Berlin 1992 (zitiert: Stamm-<br />

Kuhlmann)<br />

O. Steinecke, Die Diaspora (Gemeinschaftspflege) der Brüdergemeine in<br />

Deutschland. Ein Beitrag zu der Geschichte der evangelischen Kirche in<br />

Deutschland, 3. Teil: Süd- und Westdeutschland, Halle a.S. 1911 (zitiert: Steinecke).<br />

9


Johann Diederich von Steinen, Westphälische Geschichte, Erster Theil, Neue<br />

Auflage, Lemgo 1797 (zitiert: v. Steinen).<br />

Karl Thom: Friedrich Erdmann, Missionar in Labrador. Ein Beitrag zur Geschichte<br />

der Brüdermission und der Gemeinde Ihmert (= Die Fibel, Band 3),<br />

Hemer o. J. [1968] (zitiert: Thom).<br />

Willy Timm, Unnaer Judentaufen zu Beginn <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts, in: Jahrbuch<br />

für Westfälische Kirchengeschichte 84 (1990), S.227-233 (zitiert: Timm).<br />

August Witteborg, Geschichte der evang.-lutherischen Gemeinde Barmen-<br />

Wupperfeld. Zum 150jährigen Jubelfest verfaßt, Barmen 1927 (zitiert: Witteborg).<br />

Theodor Wotschke, Aus dem Briefwechsel <strong>des</strong> Pastors Johann Gangolf Wilhelm<br />

Forstmann mit dem Grafen Zinzendorf, in: Monatshefte für Rheinische Kirchengeschichte<br />

21 (1927), [Heft 8,] S.225-243; [Heft 9,] S.257-287 (zitiert: Wotschke<br />

I).<br />

Theodor Wotschke, [IV.] Zur Geschichte <strong>des</strong> Westfälischen Pietismus, in: Jahrbuch<br />

<strong>des</strong> Vereins für Westfälische Kirchengeschichte 34 (1933), S.39-103 (zitiert:<br />

Wotschke II). [Die die Hemeraner Kirchengeschichte betreffenden Briefe,<br />

die in Wotschke I und II veröffentlicht wurden, stammen aus dem Herrnhuter<br />

Archiv der Brüdergemeine und liegen uns allesamt in Originalkopie vor. Mikroverfilmt<br />

haben wir diese für die hiesige Hematgeschichte hochinteressanten<br />

Dokumente auch dem Stadtarchiv Hemer zukommen lassen.]<br />

Zum Zitierstil sei vermerkt, daß wir bei den Archivquellen und bei der Sekundärliteratur<br />

uns bemüht haben, peinlich genau zu zitieren, mitsamt allen abweichenden<br />

orthographischen und stilistischen Eigenheiten <strong>des</strong> 18. und 19. Jahrhunderts.<br />

Der Leser wird also eine ganze Menge „Druckfehler“ auf den folgenden Seiten<br />

finden, die beim genauen Hinsehen gar keine sind.<br />

10


So spricht der Herr: Tretet hin an die Wege und schauet und fragt<br />

nach den Wegen der Vorzeit, welches der gute Weg sei und wandelt<br />

darin. (Jeremia 6, Vers 16)<br />

Jesus sagt: Darum gleicht jeder Schriftgelehrte, der ein Jünger <strong>des</strong><br />

Himmelreichs geworden ist, einem Hausvater, der aus seinem Schatz<br />

Altes und Neues hervorholt. (Matthäus 13, Vers 52)<br />

A. EINLEITUNGSTEIL<br />

I. Vorwort zum Thema „Lennacker“ und Deilinghofen. Oder:<br />

Zur Frage, ob der Umgang mit Kirchen- und Heimatgeschichte<br />

sowie Geschichtszahlen eine öde und dröge Sache sein muß.<br />

Bei der Arbeit an dieser Reihe „Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte“,<br />

deren drittes Heft wir hier vorlegen, ist uns <strong>des</strong> öfteren<br />

der große, 1938 erschienene Roman von Ina Seidel: „Lennacker.<br />

Das Buch einer Heimkehr“ in den Sinn gekommen. Es lohnt sich,<br />

an dieser Stelle ganz kurz den Inhalt von „Lennacker“ anzureißen.<br />

Die Dichterin Ina Seidel erzählt in diesem Roman meisterlich die<br />

äußerst packende Geschichte der Pfarrersfamilie Lennacker, die seit<br />

der Re-formationszeit nacheinander zwölf Pastoren Lennacker hervorgebracht<br />

hat.<br />

Die Rahmenerzählung <strong>des</strong> Romans fängt im Jahr 1918 damit an,<br />

daß Hans Lennacker, der letzte Sproß der Familie, aus dem Krieg<br />

heimkehrend, seine einzige Verwandte aufsucht, seine Tante, die<br />

Schwe-ster seines Vaters, die jetzt als Oberin ein Stift für unverheiratet<br />

gebliebene Pfarrerstöchter leitet. Hans Lennacker, vom Krieg<br />

seelisch zutiefst verwundet, ist anders als seine Vorfahren - aber<br />

wie schon sein Vater - bewußt nicht Pfarrer geworden. Und es ist<br />

ihm, dem Kriegsheimkehrer, eine eigentümliche und sonderbare<br />

Erfahrung, die ihm in jenem Damenstift seiner Tante zuteil wird:<br />

daß er bei der Oberin atmosphärisch eine Mischung von guter Fürsorge,<br />

bürgerlicher Enge und einfältiger christlicher Frömmigkeit<br />

11


findet, die ihm sehr nahegeht. Just am Weihnachtsabend sucht ihn<br />

dort im Stift ein schweres Fieber heim, und in zwölf Fiebernächten<br />

träumt er von seinen Vorfahren, den Pastoren Lennacker.<br />

In Ina Seidels Roman sind das dann die zwölf Kapitel. Geschildert<br />

wird der erste Pastor Lennacker in der Reformationszeit, wie er sich<br />

in den Schrecken <strong>des</strong> Bauernkrieges bewährte, der andere Pastor<br />

Lennacker dann, der im 30jährigen Krieg als Hirte bis zuletzt bei<br />

seiner Gemeinde blieb; später jener Hofprediger Lennacker, der<br />

gegen den Hexenwahn zu kämpfen hatte - und so geht es fort in der<br />

Kette der Lennacker-Pfarrer bis an die Schwelle <strong>des</strong> 20. Jahrhunderts.<br />

Ina Seidels Pfarrerroman „Lennacker“ ist so spannend und so<br />

prallvoll mit Leben, daß er einen förmlich mit hineinnimmt, nicht<br />

nur in diese Familie, sondern auch in die historischen Ereignisse<br />

und Kämpfe der Kirche in der Vergangenheit. Man kann wirklich<br />

sagen, daß dieser Roman heute noch für jemand, der etwas von der<br />

Kirchengeschichte verstehen und begreifen will, das Entscheidende<br />

viel besser ‘rüberbringt’, als manche klugen theologischen Abhandlungen<br />

das können. Und es wundert den Leser nicht, daß nach diesen<br />

zwölf Fiebernächten der letzte Lennacker geradezu geläutert<br />

und genesen erwacht, eben als einer, der aus der Geschichte etwas<br />

für ihn Wesentliches gelernt hat, womit er jetzt die Zukunft zu bestehen<br />

meint.<br />

Warum wir all das von „Lennacker“ hier schildern am Anfang dieses<br />

Heftes? Im Kleinformat etwas Ähnliches kam uns nämlich bei<br />

der Erzählung der Deilinghofer Pfarrerschronik manches Mal in<br />

den Sinn - und oft dachten wir ein wenig neidisch: Man müßte unseren<br />

Stoff so darstellen können wie eine Ina Seidel, die große<br />

christliche Erzählerin, das konnte! Denn Geschichte erzählen, wie<br />

wir es eigentlich beabsichtigen, das ist nicht nur das tote Zusammenzählen<br />

von drögen Fakten, die mit genauso öden Geschichtszahlen<br />

belegt werden. Das ist auch nicht bloß das Archivieren und<br />

Konservieren von ‘ollen Kamellen’.<br />

Nein, in jener langen Deilinghofer Reihe von Heinrich Lange (hier<br />

ab 1565, gestorben 1585; vgl. <strong>BDKG</strong> 2) bis Alfred Ravenschlag<br />

(hier ab 1946, gestorben 1987; vgl. <strong>BDKG</strong> 1) steckt in allen Käm-<br />

12


pfen, Siegen, Anfechtungen und Niederlagen so viel von uns selber<br />

drin - im rechten Sinn verstanden gar nicht viel anders, als es Ina<br />

Seidels christlicher Roman „Lennacker“ zeigen will, der in feiner<br />

Weise - ohne das eigens ausdrücklich zum Thema zu erheben -<br />

Gott als den Herrn der Geschichte preist, allen Irrungen und Wirrungen<br />

der Menschen zum Trotz.<br />

Leider hat uns die Schule oft durch den Geschichtsunterricht den<br />

lebendigen Zugang zu diesem Gebiet verstellt, uns mit auswendig<br />

zu lernenden Geschichtszahlen von Herrscherhäusern und Kriegsverläufen<br />

abgestoßen und damit viele Vorurteile verursacht. Und<br />

was für Geschichte im ganzen gilt: daß sie sehr vielen entweder ein<br />

unbekanntes Land oder ein rotes Tuch ist, das gilt erst recht für<br />

Kirchengeschichte. Welch eine spannende (und heilsame) Lektüre<br />

christliche Lebensbilder aus der Geschichte sein können, ist heute<br />

weithin unbekannt geworden.<br />

Um in dem Zusammenhang gleich bei den Vorurteilen zu bleiben:<br />

Auch Heimatkunde und Heimatgeschichte ist für viele Inbegriff<br />

von etwas säuerlich-humorloser Langeweile, Stoff, zusammengetragen<br />

von bienenfleißigen Sammlern, die uns Sachen erzählen, die<br />

heute kaum jemand interessieren. Dabei ist der Begriff der Heimat<br />

zudem verständlicherweise immer noch belastet mit Hypotheken<br />

einer Zeit, in der Blut und Boden von deutschen Oberlehrern zu<br />

schlimmsten ideologischen Zwecken verklärt wurden. Wie soll da<br />

die Beschäftigung mit der Heimat und ihrer Geschichte so packend<br />

sein können, daß sie uns angeht?<br />

Immerhin: gute Lehrer, gute Pädagogen schaffen das - und zwar<br />

nach dem Modell, wie das früher Großmütter bei ihren Enkeln auch<br />

taten: durch Erzählungen von früher, bei denen man immer mehr<br />

davon hören wollte, wie es war, und wie es hätte sein können.Ein<br />

Pädagoge aus Hemer, Robert F. E. Alberts, hat solch ein Heimatbändchen<br />

vom Raum Hemer-Iserlohn herausgebracht mit Geschichten<br />

aus der Vergangenheit: „Wie es hätte sein können oder<br />

Sauerländische Stimmungsbilder aus vergangenen Zeiten“, Balve<br />

1987. Darin wird - man ist geneigt zu sagen: in einer Stilform, die<br />

der Ina Seidels ein wenig ähnelt - Vergangenheit stimmig erzählend<br />

13


erhellt, durchaus phantasievoll, aber im Kern an den historischen<br />

Fakten anknüpfend. Zum Beispiel erzählt Robert Alberts (S.37-44)<br />

von der „Pestilenz in Hemmer“anno 1623, als wär er dabeigewesen<br />

- bei der schweren Not in Hemer und bei jenen drei Einheimischen,<br />

die im Wirtshaus über die Seuche und woher sie kommt, schwadronieren,<br />

und genauso packend ist die Geschichte aus dem Jahre<br />

<strong>des</strong> Herrn 1668, die im Hammerwerk <strong>des</strong> Johann Bernhard von der<br />

Becke be-ginnt, und die mit dem großen Brand Hemers in jenem<br />

Jahr endet (Der Lehrgehilfe und der große Brand, S.70-77).<br />

Nicht um tote Tradition, sondern um lebendige Vergangenheit im<br />

angedeuteten Sinn soll es auch im Heft 3 dieser „Blätter“ gehen. Es<br />

geht um die Zeit ab 1765, als Pastor Gottfried Dümpelmann nach<br />

Deilinghofen kam. Der war gerade ein Mann, der uns alle - in noch<br />

stärkerem Maße als bei anderen Gestalten der Deilinghofer Vergangenheit<br />

- daran erinnern kann, daß es in der Deilinghofer Kirche<br />

bei einem rechten Verständnis der Geschichte nicht um das Erhalten<br />

der Asche von gestern geht. Nein, bei christlicher Tradition<br />

recht verstanden, geht es um das Weitergeben der Flamme, jenes<br />

Lichts, das Dümpelmann hier am Ort in dunkler Zeit, die in manchem<br />

der unseren ähnelt, hochhielt als ein Zeuge seines Heilands.<br />

Wenn wir hier nun als zweites und drittes Kapitel <strong>des</strong> Einleitungsteils<br />

eine lange Liste mit Geschichtszahlen - aus der Zeit von ca.<br />

1500 bis 1700 und dann von 1700 bis 1765 anfügen, dann mag das<br />

der Leser ganz und gar im zuvor beschriebenen Sinn begreifen. Es<br />

ist ein geschichtliches Kaleidoskop mit den unterschiedlichsten<br />

bunten Farben, eine Zusammenstellung, die zum Schmökern einlädt.<br />

Viele lebendige Geschichten sind mit jeder der folgenden Zeilen<br />

angesprochen. Wir finden es reizvoll, hier noch einmal die ersten<br />

neun Deilinghofer Pastoren nach der Reformation Revue passieren<br />

zu lassen und anhand dieser Chronik (im II. und III. Kapitel<br />

der ‘Einleitung’) zu verfolgen, wie die ‘kleine’ Geschichte von Deilinghofen<br />

und Hemer in die ‘große’ Geschichte eingebunden ist!<br />

Dabei sind in diesem Einleitungsteil die folgenden Kapitel II und<br />

III nicht unbedingt zum ‘Hintereinander-Weglesen’ gedacht. Mancher<br />

wird bei der Lektüre daraus vieles überschlagen und beim<br />

14


Hauptteil weiterlesen, wo es dann ‘richtig zur Sache geht’. Doch<br />

dann, vielleicht, wird man am Ende doch immer wieder die Chronik-Kapitel<br />

II und III dieser Einleitung zu Rate ziehen und erstaunt<br />

merken, welch ein unglaublicher Reichtum mit heimischen und<br />

anderen Geschichtszahlen verbunden ist. Merke: Die sind zwar<br />

auch bienenfleißig gesammelt, und trotzdem steckt in folgenden<br />

Zeittafeln ganz viel ‘Herzblut’ drin - Leidenschaft, aus der Geschichte<br />

zu lernen und hin und wieder das erstaunte Wahrnehmen,<br />

daß manchmal Tote viel lebendiger und aktueller sind als Zeitgenossen<br />

...<br />

II. Kurze Chronik zur Deilinghofer Kirchengeschichte von ca.<br />

1500 bis 1700<br />

Die folgende Kurzchronik der Deilinghofer Geschichte von ca. 1500 bis 1700<br />

stellt ganz grob die Inhaltsangabe von ‘Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte’,<br />

Heft 2 (im folgenden stets: <strong>BDKG</strong> 2) dar. Das Wichtigste der Deilinghofer<br />

Ereignisse wird gleichsam als ein ‘nachgeliefertes Register’ zu diesem<br />

Heft aufgelistet und durch einige (wenige) allgemeine historische Daten ergänzt.<br />

In Klammern stehen in dieser Kurzchronik jeweils die Fundorte zu den Zahlen<br />

und Fakten, wobei besonders die Hemeraner Heimatzeitschrift ‘Der Schlüssel’<br />

(im Folgenden ‘Schl.’ abgekürzt) verwendet wurde.<br />

Daß es sich bei dieser Chronik um eine ganz subjektive, z. T. zufällige Auswahl<br />

handelt, ist uns sehr bewußt. An vielen Stellen wurde im Chronik-Kapitel II (und<br />

dann auch in Kapitel III) dieser Einleitung auf signifikante Zitate zurückgegriffen,<br />

die dem ‘Schlüssel’ und anderer Literatur entstammen. Besonders, was die<br />

Hemeraner Heimatgeschichte angeht, kann der Leser sich durch den jeweiligen<br />

entsprechenden Literaturhinweis genauere Kenntnisse der zitierten Fakten meist<br />

leicht verschaffen, wobei freilich manchmal auch andere Aufsätze und Bücher<br />

noch hinzuzuziehen wären, wie sie in der „Bibliographie Hemer. Schrifttum zur<br />

Geschichte der Stadt“ (Sonderausgabe Schl. 3/1987) gut zusammengestellt sind.<br />

ca. 1250: Unsere ‘Kuhschelle’ außen am Turm (vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.24ff.; in der<br />

Überschrift ist „1450“ ein Tippfehler, im Text steht dort richtig „1250“). Alles<br />

deutet darauf hin, daß die Stephanuskirche, was besonders H. Korsch-Ger<strong>des</strong><br />

betont, eben um 1250 entstanden ist (und nicht, wie manchmal gesagt wird, im<br />

14. Jahrhundert!), so daß bald die 750-Jahr-Feier <strong>des</strong> Gotteshauses anstünde.<br />

15


1510 (oder 1570?): die von Hans Sluick gegossene Deilinghofer ‘Domina’-<br />

Glocke (vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.24ff.; Schl. 1/1967, S.12ff.).<br />

1564: Das (wahrscheinlich ungenau so genannte) ‘Nonnenkloster’ der Überlieferung<br />

nach in diesem Jahr in Deilinghofen eingerichtet (Schl. 3/1966, S.12).<br />

Karl Lambrecht (Soest) schreibt zum ‘Kloster’ und der daraus stammenden Glocke:<br />

„Auch von einem Nonnenkloster wird berichtet, das im Jahre 1564 errichtet<br />

wurde und nach Einführung der Reformation mehr und mehr abnahm. Die letzten<br />

Insassen starben 1636 an der Pest. Nach frdl. Mitteilungen <strong>des</strong> zeitigen Ortspfarrers,<br />

Herrn Carl Gobrecht ... hängt die Glocke aus diesem Kloster im jetzigen<br />

Pfarrhaus, das in den Jahren 1905/06 von der Familie von der Becke in Sundwig<br />

errichtet wurde [das spätere sog. ‘Parteiheim’]“ (zitiert nach der maschinenschriftlichen<br />

Abschrift aus dem ‘Märkischen Landboten’, Herbst 1930, vorhanden<br />

im Aktenordner Friedrich Schauff [S.14f.], den uns Frau Wilhelmine Eßbaum<br />

zur Verfügung stellte).<br />

1565: Heinrich Lange, 1. evangelischer Pfarrer von Deilinghofen nach der Reformation<br />

(<strong>BDKG</strong> 2, S.30-32). Reformation in Deilinghofen eingeführt: Lange in<br />

Verbindung mit Pfarrer Hundorp, Iserlohn; ferner mit Johann Varnhagen, dem<br />

Iserlohn Pfarrer, und Joh. Melchior Varnhagen als Vicarius (<strong>BDKG</strong> 2, S.30f.).<br />

1567: Langes Pfarrhaus gebaut, das ihm als ‘Leibzuchthaus’ zur Verfügung stand<br />

(<strong>BDKG</strong> 2, S.31f.). Im gleichen Jahr Mönch Langenbach mit erster Papiermühle<br />

am Westiger Bach (Schl. 1 u. 2/1972, S.2).<br />

1575: Heinrich Lange wurde als Zeuge in einem Verfahren gegen den Drosten<br />

Lappe hinzugezogen, der wegen landsfriedensbrüchlichen Verhaltens gegen<br />

Balver Bürger angeklagt wurde, Reichskammergericht Speyer (<strong>BDKG</strong> 2, S.31).<br />

1584: Langes ‘Autogramm’ auf einem Sümmeraner Testament (<strong>BDKG</strong> 2, S.32).<br />

1585-1623: Johannes Sutorius, 2. Pfarrer in Deilinghofen (<strong>BDKG</strong> 2, S.32-37);<br />

hatte Langes Witwe zu heiraten.<br />

1588: Fertigstellung <strong>des</strong> linken Presbytergestühls mit dem Daniel-Bild nach<br />

Holbein d.J. (<strong>BDKG</strong> 2, S.35; Schl. 2/1958, S.1 ff.).<br />

1594: Johannes Sutorius war bei katholischer Wahl in Attendorn noch dabei<br />

(<strong>BDKG</strong> 2, S.36). Das ist übrigens ein Beleg für den speziellen Gang der Reformartion<br />

in Kleve-Mark bis zum Aussterben <strong>des</strong> Herrscherhauses 1609: Es gab<br />

diverse Pro- und Contra-Phasen und zwischendrin so etwas wie einen eigenen<br />

‘dritten Weg’.<br />

1612: Sutorius gehörte zu den 83 Delegierten der 1. Märkischen Synode in Unna<br />

(aus Iserlohn Joh. Varnhagen, Westenius; <strong>BDKG</strong> 2, S.35).<br />

1614: Grafschaft Mark fiel zusammen mit Kleve und Ravensberg an das Kurfürstentum<br />

Brandenburg, wo seit 1415 die Hohenzollern regierten (Schl. 1 u. 2/1972,<br />

S.2).<br />

1618 - 1648: Dreißigjähriger Krieg.<br />

1616, 1620, 1623 u. 1626: Die Pest wütete in Hemer (Schl. 1 und 2/1972, S.2).<br />

16


1622 u. 1623: Die ersten Burgunder in Deilinghofen 1623 einquartiert; im Vorsommer<br />

mehrere Deilinghofer an der Pest gestorben (<strong>BDKG</strong> 2, S.37).<br />

1623 u. 1624: Spanische Truppen hausten in Hemer (Schl. 1 u. 2/1972, S.2).<br />

1623: Bertram Fischer für ein halbes Jahr 3. Pfarrer in Deilinghofen (<strong>BDKG</strong> 2,<br />

S.37 f.) - von „Ostern bis Michaelis“ (nachdem ein Pfarrer von Gerkenthall in<br />

Deilinghofen gepredigt hatte).<br />

1624: ‘Normaljahr’ <strong>des</strong> 30jährigen Krieges; vgl. Zeugenaussage 1665 (<strong>BDKG</strong> 2,<br />

S.33f. sowie S.53 A.7). Es ist dabei zu vermuten, daß auch Deilinghofen wie<br />

andere Gemeinden während der spanischen Besetzung rekatholisiert war, weshalb<br />

für die Mark später 1609 als ‘Normaljahr’ galt.<br />

1624-1638: Johannes Störing, 4. Pfarrer in Deilinghofen (<strong>BDKG</strong> 2, S.39-41),<br />

hatte am Krieg besonders zu leiden und verlor Bücher und Habe an feindliches<br />

Kriegsvolk; während der Pestzeit predigte er auch außerhalb <strong>des</strong> Dorfes.<br />

1636: Die Pest raffte angeblich 40 Bewohnerinnen <strong>des</strong> ‘Nonnenklosters’ dahin<br />

(Schl. 3/1966, S.12). Vgl. oben zu 1564!<br />

1638: Am 18.Juli unterschrieben am gleichen Tag drei Pfarrer von Deilinghofen<br />

- Fischer, Osterport und Störing - in Iserlohn das lutherische Bekenntnis,die<br />

‘Confessio Augustana’ (<strong>BDKG</strong> 2, S.40).<br />

1638-1651: Eberhard Osterport 5. Pfarrer in Deilinghofen (<strong>BDKG</strong> 2, S.39-41);<br />

1651 aufgrund einer Eingabe aus Deilinghofen an die Regierung in Kleve „wegen<br />

Streitsucht“ amtsenthoben.<br />

1639: Am 14.April starb in Iserlohn der frühere Deilinghofer Pfarrer Bertram Fischer.<br />

1640-1688: Regierungszeit von Friedrich Wilhelm I., dem Großen Kurfürsten.<br />

1647: Der Große Kurfürst errichtete das Gericht Hemer (Nieder- und Oberhemer,<br />

Landhausen, Westig, Sundwig, Frönsberg und Becke; Schl.1 u. 2/1972,<br />

S.2).<br />

1648: Westfälischer Friede zu Münster und Osnabrück.<br />

1648: Antonius Paris goß für den Dom zu Fulda die ‘Osanna’-Glocke (<strong>BDKG</strong> 2,<br />

S.22).<br />

1652 - 1679: Bernhard Hülshoff 6. Pfarrer in Deilinghofen (<strong>BDKG</strong> 2, S.20 und<br />

S.41-43).<br />

1652: Die von Antonius Paris gegossene ‘Schulte-Riemke-Glocke’ kam in den<br />

Turm; Paris und die ‘Glöckchen von Deilinghofen’ (<strong>BDKG</strong> 2, S.18ff.).<br />

1652: Goswin Mollerus der Ältere in der Kirche zu Schwefe auf einem Apostelbild<br />

abgebildet (<strong>BDKG</strong> 2, S.43-45); im gleichen Jahr wurde dort Goswin Mollerus<br />

junior als Sohn <strong>des</strong> genannten Pfarrers geboren, der spätere Deilinghofer<br />

Pfarrer.<br />

1653: Am Karfreitag (11.April) starb in Iserlohn der frühere Deilinghofer Pastor<br />

Johannes Störing (<strong>BDKG</strong> 2, S.39).<br />

17


1655: Pfarrer Bernhard Hülshoff bezog in Deilinghofen das ‘Alte Pastorat’<br />

(<strong>BDKG</strong> 2, S.42).<br />

1657: Lothar von Bönnighausen aus Apricke verstarb; im 30jährigen Krieg berühmter<br />

Reitergeneral, für den sich Pappenheim verwendet hatte (Schl. 4/1958,<br />

S.16-20; <strong>BDKG</strong> 2, S.50; Heer, S.24f; vgl dazu aus Friedrich Schillers ‘Wallenstein’<br />

das bekannte und spichwörtlich gewordene: ‘Ich kenne meine Pappenheimer!’)<br />

1665: Im August gab der Große Kurfürst das Deilinghofer „Jahrmarkts-Privileg“<br />

bekannt; statt Stephanus-Jahrmarkt am 26.Dezember (der 2. Weihnachtstag ist im<br />

Kirchenjahr Stephanustag!) jetzt zwei günstigere Termine pro Jahr (Schl. 3/1968,<br />

S.3; <strong>BDKG</strong> 2, S.42).<br />

1665: Die gerichtliche Befragung Hülshoffs und hochbetagter Dorfleute wegen<br />

der dörflichen Besitzverhältnisse; wichtige Zeugenaussage von Diedrich Haape,<br />

dem Schulte zu Riemke (<strong>BDKG</strong> 2, S.33 f.; vgl. auch S.37-39, 42 und 43; Schl.<br />

3/1966, S.12-15).<br />

1668: Eine Feuersbrunst vernichtete ganz Niederhemer (Schl. 1 u. 2/1972, S.3).<br />

1672/73: Hemer litt im Krieg Frankreichs und kölnischer sowie münsterscher<br />

Verbündeter gegen Holland und Brandenburg hart unter den alliierten Truppen<br />

(Schl. 1 u. 2/1972, S.3).<br />

1673: Bernhard Hülshoffs Rechtsstreit (im Krieg) mit Pfarrer Garenfeld aus<br />

Iserlohn (<strong>BDKG</strong> 2, S.43).<br />

1676: Der Große Kurfürst befahl Lan<strong>des</strong>miliz, auch für Deilinghofen (Schl.<br />

2/1956, S.7ff.).<br />

1679: Im Krieg plünderten die Franzosen das Dorf Deilinghofen, beraubten den<br />

Altar, zerrissen das Kirchenbuch und ließen sogar Hülshoffs Talar mitgehen<br />

(<strong>BDKG</strong> 2, S.43).<br />

1680: Die Pfarrerswitwe Osterport übernahm ersten Schulunterricht (<strong>BDKG</strong> 2,<br />

S.41).<br />

1680 - 1765: Ära der drei Mollerus-Pfarrer, die aus Schwefe stammten (<strong>BDKG</strong> 2,<br />

S.43ff.).<br />

1680 - 1720: Goswin Mollerus 7. Pfarrer in Deilinghofen (<strong>BDKG</strong> 2, S.42-46 und<br />

- Korrektur! - S.49ff.).<br />

1684: Ältestes Deilinghofer Kirchenbuch, von Johann Jakob zur Megede gestiftet<br />

(am 21.September 1684 übereignet; <strong>BDKG</strong> 2, S.45f. sowie - Korrektur! -<br />

S.49f.).<br />

1685: Geburtsjahr von Johann Sebastian Bach (lebte bis 1750).<br />

1687: Dümpelmanns und Marcks’ Datierung der ersten Schule in Deilinghofen<br />

nach dem Heimatgedicht (vgl. die Beilage 1 in diesem Heft <strong>BDKG</strong> 3: „Das<br />

Schulgebäude ist betrieben / Sechzehnhundertachtzigsieben“).<br />

1690: Streit der Kirchengemeinde mit der Witwe von Duithe vom Haus Apricke<br />

wegen <strong>des</strong> Meßhafers (<strong>BDKG</strong> 2, S.50).<br />

18


1692: Beginn <strong>des</strong> Schulunterrichts in Deilinghofen mit Diedrich Osterport<br />

(<strong>BDKG</strong> 2, S.41); vgl. aber oben zu 1687!<br />

1694: In Deilinghofen wurde Florens Gerhard Möller geboren und in der Kirche<br />

getauft (<strong>BDKG</strong> 2, S.47). Der Pfarrerssohn war Pastor in seinem Heimatort von<br />

1720-1755; zuvor ab 1714 Adjunkt (Hilfsprediger) seines Vaters.<br />

1695: Johann Jakob zur Megede wurde in der Stephanuskirche ein zweiter Kirchensitz<br />

und ein Begräbnisplatz kostenlos überlassen. (Text der Urkunde abgedruckt<br />

in einem Artikel von August Busch in: IKZ, 25. 9.1935).<br />

III. Chronik der Deilinghofer Ereignisse von 1700 bis 1765 im<br />

Kontext der hiesigen Heimatgeschichte und der allgemeinen<br />

Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der kirchengeschichtlichen<br />

Einflüsse, die von Herrnhut und Zinzendorf her<br />

hier wirksam wurden.<br />

(Zugleich: Übersicht über Leben und Wirken von J.G.W.Forstmann und<br />

J.D.Angelkorte, der beiden bedeutendsten Pfarrer, die in Hemer ihr Amt<br />

führten.)<br />

In diesem recht umfangreichen Teil der Zeittafel geht es also nicht um bloße<br />

Inhaltsangabe <strong>des</strong>sen, was in <strong>BDKG</strong> 2 über diesen Zeitraum zu lesen war. Zusätzlich<br />

werden hier (als hilfreiche Vorbereitung <strong>des</strong> in diesem Heft <strong>BDKG</strong> 3 im<br />

Hauptteil zu Erzählenden) zahlreiche Fakten aus der Hemeraner und Iserlohner<br />

Heimatgeschichte mit aufgelistet, so daß dem Leser ein ziemlich fascettenreiches<br />

Bild <strong>des</strong> seit 1700 hier Geschehenen vor Augen tritt. Auch die wichtigsten Ereignisse<br />

der Geschichte der Hemeraner evangelischen Kirchengemeinde und<br />

ihrer Pfarrer, die an der Vituskirche wirkten, haben wir gebührend miteingefügt.<br />

Insbesondere aber wird in dieser Chronik gezeigt, in welcher Weise die Hemeraner<br />

und Deilinghofer Kirchengeschichte bis 1765 mit dem Einfluß und Erbe<br />

<strong>des</strong> Grafen Zinzendorf (1700-1760) und seiner Herrnhuter Brüdergemeine zu tun<br />

hat. Wir zitieren zur heimischen Geschichte der Brüdergemeine an vielen Stellen<br />

auch aus Archivakten und aus Spezialliteratur. Alle wesentlichen Daten der Lebensgeschichte<br />

der beiden bedeutendsten Pfarrer, die je in Hemer gewirkt haben,<br />

der (zu Unrecht nicht so bekannten) Pastoren, Johann Gangolf Wilhelm Forstmann<br />

(1706-1759, Bauks , S.136 Nr.1746) und seines Nachfolgers Johann<br />

Diedrich Angelkorte (1710-1751, Bauks, S.8f. Nr.105) haben wir in dieser Chronik<br />

aufzulisten versucht, so daß der Leser einen Einblick erhalten kann über<br />

Forstmanns und Angelkortes Wirken im Sinne Zinzendorfs und der Brüdergemeinde,<br />

das weit über Hemer hinausreichte.<br />

19


Um eine größtmögliche Übersichtlichkeit in dieser Chronik zu gewährleisten,<br />

haben wir hinter die Jahreszahlen zwischen 1700 und 1765 Kürzel gesetzt:<br />

(D) = Ereignis der Deilinghofer Heimat- oder Kirchengeschichte;<br />

(H) = Ereignis der Hemeraner Heimat- oder Kirchengeschichte;<br />

(I)= Ereignis der Iserlohner Heimatgeschichte;<br />

(Bg)= zur Geschichte von Zinzendorfs Herrnhuter Brüdergemeine gehörend;<br />

(A)= ‘allgemeine" Geschichte (z.B. Geschichte Preußens, allgemeine kirchengeschichtliche<br />

Fakten usw.)<br />

1700 (Bg/A): Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf geboren (am 26.Mai 1700 in<br />

Dresden, gestorben 9.Mai 1760 in Herrnhut), mit der größte Erneuerer der evangelischen<br />

Kirche seit Luther. Oekumenisch weltweit ausgerichteter Pietist eigener<br />

Prägung und Organisationsgenie (Herrnhuter Brüdergemeine, ‘Lo-sungen’, Liederdichter<br />

- z.B. ‘Jesu, geh voran’, ‘Herz und Herz vereint zusammen’). Zinzendorf<br />

ging es um eine zentral im Kreuzesgeschehen (‘Blut-und-Wunden-<br />

Theologie’) verankerte, an Jesus Christus ausgerichtete, sehr persönliche Form<br />

<strong>des</strong> Glaubens, der in der Gemeinschaft und in der Liebe tätig wird. Die Auswirkungen<br />

der Herrnhuter Bewegung, die im 18.Jahrhundert auch<br />

20


Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760)<br />

Bild aus dem Zinzendorf-Haus Hemer-Westig<br />

in der Grafschaft Mark Platz griff, sind im folgenden Teil der Chronik für den<br />

Raum Hemer/Deilinghofen/Iserlohn darzustellen. - Um 1700 und dann im Verlauf<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrhunderts war im Raum der lutherischen Kirche die Blütezeit der<br />

pietistischen Reformbewegung. Wichtige Väter <strong>des</strong> Pietismus: Philipp Jacob<br />

Spener (Programmschrift „Pia <strong>des</strong>ideria“, 1675), August Hermann Francke und<br />

sein großes Werk in Halle an der Saale, ferner - im Württembergischen Pietismus<br />

- Johann Albrecht Bengel und Friedrich Christoph Oetinger.<br />

1697-1700 (H): Bau der katholischen (‘Privat’-)Kirche (heute St. Peter und Paul)<br />

in Hemer durch Jobst Edmund von Brabeck (vgl. Schl. 1 u. 2, 1972, S.3; zu <strong>des</strong>sen<br />

Leben vgl. Schl. 2/1959, S.10ff.).<br />

1700 (D): Nach der Darstellung von Günther Schulte wurde Johann Goswin<br />

Mollerus I (1685-1747), der zweitälteste Sohn <strong>des</strong> amtierenden Deilinghofer<br />

Pastors Goswin Mollerus, Küster und Schulmeister in Deilinghofen. Er wurde<br />

(laut Schulte) dem Lehrer Diedrich Osterport als „Juniorpartner“ beigesellt.<br />

„Dieser Küster Joh. Goswin Mollerus war Grundherr <strong>des</strong> Klippener-Hofes in<br />

Deilinghofen, also einer der sechs bäuerlichen Hofeigentümer im Kirchspiel“<br />

(Schl. 3/1972, S.28f.). Durch Akten <strong>des</strong> Staatsarchivs Münster „Depositum Haus<br />

Hemer“, Nr.251 (in Kopie uns zur Verfügung gestellt von Hemers Stadtarchivar<br />

Eberhard Thomas) wissen wir Genaueres: daß Osterport nur Schulmeister und<br />

nicht Küster und Organist war (Küster war Johann Wienecke und als Organist<br />

amtierte zu der Zeit Caspar Hesse) und daß der Pastor Goswin Mollerus nacheinander<br />

seinem o.g. Sohn recht rabiat alle drei Ämter verschaffte (das Organistenamt<br />

vor 1707, das Amt <strong>des</strong> Küsters 1707 und nach 1714 das Schullehreramt).<br />

- Der den gleichen Vornamen tragende Sohn dieses Küsters und Schulmeisters,<br />

Johann Goswin Mollerus II (1713-1753), wurde übrigens <strong>des</strong> Vaters Amtsnachfolger.<br />

Man kann also nicht nur von der Pfarrer-Seite, sondern nach 1700<br />

auch von der Lehrer-Seite von einer langen ‘Ära Mollerus’ in Deilinghofen reden.<br />

Es waren da alle kirchlichen Ämter fest in der Hand eines Familien-Clans<br />

(der heute noch Nachfahren im Dorfe hat).<br />

1701 (A): Seit 1701 gab es das Königreich Preußen. Kurfürst Friedrich III. von<br />

Brandenburg nahm im ostpreußischen Königsberg (außerhalb <strong>des</strong> Reichsgebietes)<br />

den Titel ‘König in Preußen’ an (als König Friedrich I.). Von 1701 an war<br />

somit die Grafschaft Mark ein Teil von Preußen.<br />

1702 (H): Erster katholischer Friedhof in Hemer (Schl. 4/1974, S.1ff.).<br />

1702 (H): Die neue Orgel in der Vituskirche in Hemer (vgl. dazu v. Steinen,<br />

S.1134, ferner F.L.Woeste, in : Schl. 2/1970, S.9).<br />

1702 (D): Am 15.3.1702 heirateten in Deilinghofen Diedrich Schumacher und<br />

Anna Maria Brandt (die Schwester <strong>des</strong> Diedrich Brandt, der durch Einheiratung<br />

21


in den Schultenhof 1693 Schulte zu Riemke geworden war). Ein Holzbalken mit<br />

einer Inschrift und dem Namen <strong>des</strong> Ehepaars befindet sich heute in Riemke im<br />

Hause von Waldthausen, das 1856 gebaut wurde. Die Inschrift <strong>des</strong> an einem<br />

Ende verstümmelten Balkens lautet: „Ob dirs schon sauer wird mitdeiner Nahrung<br />

und Ac(ker)[/]Werck las es dich nicht verdriesen [/] Gott hat es also geschaffen<br />

Sira VII[/]Diederich Schumager und Anna Maria Sch(ulte)“. Das Gutachten<br />

über diesen Balken mit den genannten Informationen erstellte H.Schulte<br />

(Iserlohn) am 16.April 1974 der Familie von Waldthausen, wobei er auch darauf<br />

aufmerksam machte, daß Anton Schumager, der Vater <strong>des</strong> Diedrich Schumager,<br />

in Deilinghofen Presbyter gewesen war (wie auch der<br />

22


Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (Bild in der Sakristei der Ebbergkirche Hemer)<br />

genannte Dietrich Schulte zu Riemke) und daß der Riemker Schumacher-Kotten,<br />

in dem sich der Balken befand, früher Deilinghofer Kirchenbesitz war.<br />

1704 (D/H/Bg): Am 1.Januar 1704 wurde in Hemer Stephan Diedrich Rentzing<br />

geboren, der in der Geschichte der Brüdergemeine eine Rolle spielte (vgl. etwa<br />

Schunke, S.92. Rentzing, ein Urahn <strong>des</strong> heutigen Müllers Peter Alberts in Sundwig,<br />

wird hier auch ‘für die Deilinghofer Kirchengeschichte verrechnet’, da das<br />

Rentzingsche Anwesen (wo heute die alte Wassermühle steht), damals ‘Heppings<br />

Kotten’ genannt, Deilinghofer Kirchenbesitz war. Die Mühle in Sundwig war<br />

übrigens bis in die Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ein Ort, an dem sich<br />

Freunde der Brüdergemeine zur Erbauung trafen. - Zu Einzelheiten im Zusammenhang<br />

mit dem Heppingskotten, den Familie Rentzing übernahm, siehe unten<br />

etwa zu 1726 und dann <strong>des</strong> öfteren im weiteren Verlauf dieser Chronik und auch<br />

im Hauptteil von <strong>BDKG</strong> 3.<br />

1704 (D): Laut einem Kirchensitzverzeichnis von 1769 im Kirchenarchiv Deilinghofen<br />

wurde der Küster und Kantor Diedrich Wienecke (Sohn Johann Wieneckes,<br />

s.o. zu 1700) suspendiert und aus dem „Chorgestühl“ der Stephanuskirche<br />

verbannt; das ist die älteste gefundene Erwähnung <strong>des</strong> linken Presbytergestühls<br />

(Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte N3, „Acta wegen der Kirchensitze 1777“). Im<br />

Zusammenhang mit dem oben zu 1700 Vermerkten muß man es sich genauer so<br />

vorstellen, daß Diedrich Wienecke in den Jahren 1704 bis 1707 für seinen (wahrscheinlich<br />

schon gebrechlichen) Vater die Arbeit als Küster und Kantor nur stellvertretend<br />

erledigte und im genannten Jahr 1704 von Pastor Mollerus den mit<br />

dem Küsteramt verbundenen Kirchensitz verweigert bekam, den dieser dann samt<br />

Amt seinem eigenen Sohn ‘zuschusterte’ (1707).<br />

1705 (H): Gründung der Papiermühle Westigerbach (Schl.3/1959, S.8ff.).<br />

1705 (I): „1705, den 7.August, hatt der liebe Gott die Stadt mit einem Hagelschlag<br />

gezüchtiget, welcher alle Kornfrüchte verzehret hat. Mein damaliger Präzeptor<br />

und Rektor Scholae, Herr Mag. Forstmann, ließ damalen ein Programma<br />

de GranDIne segitis JserLonenses CaLaMos frangente drucken, worin die Jahreszahl<br />

begriffen“ (Leckesche Chronik, nach: W. Schulte II, S.386).<br />

1705 (I): „Auf Geheiß und mit Erlaubnis <strong>des</strong> Königs Friedrich I. ... wurden in der<br />

Grafschaft Mark zahlreiche ‘Privilegierte Bürger-Schützen-Corps’ zur Lan<strong>des</strong>verteidigung<br />

ins Leben gerufen. In Iserlohn betrachten sich die Bürgerschützen<br />

von 1705 als Nachfolger der mittelalterlichen Schützenbruderschaft St.Jür-gen,<br />

die noch 1698 in einem städtischen Bericht als Helfer erwähnt werden. Ihre Bedeutung<br />

in der Stadtgeschichte kennzeichnet allein schon die Tatsache, daß sie in<br />

23


der Bauernkirche eine eigene Vikarie unterhielten und ein Landgut besaßen“<br />

(Dossmann, S.23; vgl. auch S.64).<br />

1706 (I/H/Bg): Am 25.Mai 1706 wurde Johann Gangolf Wilhelm Forstmann in<br />

Iserlohn geboren als Sohn <strong>des</strong> Magisters Thomas Forstmann (Bauks, S.136<br />

Nr.1748), der später bis 1727 Pfarrer in Hemer wirkte. Forstmann d.J. war als<br />

Hemeraner Pfarrer 1727-1732 <strong>des</strong> Vaters Amtsnachfolger und danach Pfarrer in<br />

Solingen, von wo aus er auf Hemer weiter stark einwirkte. Als glühender Verehrer<br />

<strong>des</strong> Grafen Zinzendorf war Forstmann d.J. eine Gestalt von Bedeutung mit<br />

Wirkungen über die lokalen Grenzen hinaus. Vgl. zu ihm etwa den schönen Aufsatz<br />

von Georg Gudelius, in: Schl. 1/1959, S.5ff., ferner: K.F. Ledderhose, Artikel:<br />

Forstmann, in: Allgemeine Deutsche Biographie [ADB], Band 7, Berlin<br />

1877[=Nachdruck 1968], S.190f.; K.F.Ledderhose, Leben Joh. Gangolf Wilhelm<br />

Forstmann’s, eines Predigers der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt (in der<br />

Reihe: Sonntagsbibliothek. Lebensbeschreibungen christlich-frommer Männer<br />

zur Erweckung und Erbauung der Gemeine. Herausgegeben von Freunden <strong>des</strong><br />

Reiches Gottes. Eingeleitet von Dr. A.Tholuck, Zweiter Band), 2.Auflage, Bielefeld<br />

1850, S.237ff. Forstmann, der von Hamann so Hochgelobte [s.u. in der<br />

Chronik zu 1759], ist eine der wenigen Persönlichkeiten unter den Geistlichen<br />

der Grafschaft Mark, die ‘in die Kirchengeschichte eingegangen’ sind; vgl. etwa<br />

Hermann Rothert, Kirchengeschichte <strong>des</strong> Westfälisch-Rheinischen Industriegebietes<br />

vom evangelischen Standpunkt (=Wissenschaftliche Heimatbücher für den<br />

Westfälisch-Rheinischen Industriebezirk, Bd. XIIa), Dortmund 1926, S.105-107,<br />

Erwin Mülhaupt, Rheinische Kirchengeschichte. Von den Anfängen bis 1945,<br />

Düsseldorf 1970, S.241 und 244. Wir haben in Deilinghofen viele Hunderte von<br />

kopierten Seiten der Werke von und über J.G.W.Forstmann gesammelt und<br />

möchten dazu gelegentlich eine eigene Arbeit herausbringen.<br />

1706 (D): In der Deilinghofer Stephanuskirche gab es eine neue Glocke für die<br />

zersprungene alte. Es war die Vorgängerglocke der ‘Finger-Daumen-Ellenbogen-Glocke’<br />

(vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.19). Kirchmeister Schulte-Riemke gab dazu das<br />

Darlehen (vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.47f.).<br />

1708 (D): Die älteste Grabstättenliste im Deilinghofer Kirchenbuch (Schl.<br />

9/1967, S.1ff.).<br />

1709 (I/H): Am 11. und 12.Juli 1709 feierte man das 100-Jahr-Jubiläum <strong>des</strong> von<br />

Magister Thomas Forstmann (Forstmann sen.) zur Blüte und zum Ruhm gebrachten<br />

‘Lyceum Iserlohnense’ (vgl. den Vortrag „Lyceum Iserlohnense - Beitrag<br />

zur Geschichte <strong>des</strong> Iserlohner Schulwesens“ <strong>des</strong> Iserlohner Pfarrers Friedrich<br />

Ernst Reinhard Groscurth [1838-1923; vgl. Bauks, S.167 Nr.2127] über<br />

diese sehr bedeutende Iserlohner Bildungsanstalt, als Typoscript vorhanden im<br />

Burg-Archiv Iserlohn, in dem auf S.1ff. auf das Jubiläumsfest eingegangen wird).<br />

Vgl. dazu auch: Georg Berkemeier/Wilhelm Bleicher/Gustav Muthmann (Hg.),<br />

Gymnasium Iserlohnenense 1609-1984, Iserlohn 1984, S.157f.<br />

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1710 (I/H/Bg): Johann Diedrich Angelkorte, später Pfarrer in Hemer, wurde am<br />

1.5.1710 in Iserlohn geboren. Neben seinem Vorgänger Pfarrer Forstmann jun.,<br />

der ihm geistlicher Vater blieb, wurde Angelkorte in Hemer wichtiger und ziemlich<br />

radikaler Vorkämpfer der Herrnhuter Bewegung (zu ihm vgl. etwa: Schl.<br />

4/1975, S.19ff. und später zu nennende Literatur).<br />

1711 (Bg/D): In Hörde wurde am 30. Juli 1711 Johann Caspar Dümpelmann<br />

geboren (Bauks, S.106f. Nr.1369). Als Pfarrer in Hemmerde bei Unna wirkend,<br />

war er Vater <strong>des</strong> späteren Deilinghofer Pfarrers Gottfried Wilhelm Andreas<br />

Dümpelmann. Hemmerde wurde im Verlauf <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts eine wichtige<br />

Zentrale und Schaltstelle der Herrnhuter Bewegung im märkischen Raum, und in<br />

der Dissertation von Siegfried Schunke über die Herrnhuter in der Mark wird<br />

Dümpelmann sen. zusammen mit Johann Gangolf Wilhelm Forstmann und Johann<br />

Diedrich Angelkorte aus Hemer und mit Johann Gottfried Westhoff aus<br />

Bausenhagen (bei Fröndenberg) zu den theologischen Vätern dieser Bewegung<br />

im hiesigen Raum gerechnet (zu Dümpelmann sen. vgl. Schunke, S.33ff.). Von<br />

allen Vieren wird im Verlauf der Chronik viel zu schildern sein.<br />

1712 (I): Iserlohn wurde heimgesucht von einer „unvergleichlichen Brandkatastrophe<br />

von 1712, der die Stadt fast völlig zum Opfer gefallen war ... Von 460<br />

Häusern waren binnen 5 Stunden 403 zerstört“ (Dossmann, S.68). „Von der<br />

Mitte <strong>des</strong> 15. Jahrhunderts bis zum Jahr 1712 zerstörten mehrere große Brände<br />

die Stadt zum Teil völlig ... Nach 1712 wurde daraufhin das Feuerwehrwesen<br />

der Stadt wesentlich verbessert. Zahlreiche öffentliche und private Spritzen,<br />

Feuerleitern, Löscheimer usw. wurden angeschafft“ (Museums-Journal, Seite<br />

„Stadtbrände“).<br />

1712 (H): Johann Bernhard von der Becke (1655-1730) verlegte seinen Wohnsitz<br />

von Iserlohn nach Sundwig. Er, der Ahnherrr <strong>des</strong> Großunternehmens,<br />

erschloß das Sundwiger Tal dem Gewerbe (vgl. Schl. 2/1958, S.28). „1712<br />

errichtet Bernhard von der Becke neben der ersten Messingschmelze Westfalens<br />

am Sundwiger Bach die erste westfälische Fingerhutsmühle“ (Schl. 1 u. 2/1972,<br />

S.3). „Vom Fingerhut zur weitverzweigten Fertigwarenindustrie führte der konsequente<br />

Weg, den die <strong>Unter</strong>nehmerfamilie von der Becke mit diesem ihren<br />

SUNDWIGER MESSINGWERK krönte, das bis heute seine Weltgeltung erhalten<br />

konnte, wenngleich nicht mehr im Jahrhunderte währenden Familienbesitz“<br />

(Dossmann, S.239). „1736 wurde der herkömmliche Schmelzofen durch eine<br />

ausgesprochene Eisenhütte ... ersetzt, die Diedrich von der Becke, der Sohn <strong>des</strong><br />

Gründers, errichtete. Diese Hochofenanlage wurde bis 1864 betrieben. Hieraus<br />

entwickelte sich eine Eisengießerei und später eine Maschinenfabrik, die noch<br />

heute den Namen ,SUNDWIGER EISENHÜTTE’ führt. Als ältestes, heute noch<br />

florieren<strong>des</strong> Hüttenunternehmen dieser Art in Westfalen fertigt es Maschinen, die<br />

in die ganze Welt gehen“ (Dossmann, S.210f.).<br />

1713-1740 (A): Herrschaftszeit in Preußen von Friedrich Wilhelm I., dem ‘Soldatenkönig’.<br />

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1713 (D): In Deilinghofen wurde 1713 das Begräbnisverzeichnis <strong>des</strong> alten Kirchenbuchs<br />

begonnen von Florens Gerhard Mollerus (Adjunkt <strong>des</strong> Vaters ab<br />

1714). Vgl. dazu <strong>BDKG</strong> 2, S.48 und den ganzen Abschnitt S.46ff.<br />

1714 (D):Der alte, klapprige Lehrer Diedrich Osterport sollte in den Ruhestand<br />

gehen. Dazu vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.47f.<br />

1717 (D): 1717 unterschrieben Mollerus Vater und Sohn gemeinsam die Confessio<br />

Augustana (vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.51).<br />

1717 (I/H): Zum Reformationsjubiläum gab Magister Thomas Forstmann seine<br />

„Vita Lutheri“ heraus, eine umfangreiche Lutherbiographie mit 1894 Seiten (dazu<br />

vgl.: Schl. 3/1983, S.103ff.).<br />

1717 (I/H): „1717, den 28ten November, alß der Her Magister Vorstmann wolten<br />

seine Eingangspredigt tuen zu Hemer, haben sich die Weiber alda auf dem<br />

Kirchhofe so starck postiret, mit einem Fuder Steine und Klüppel woll verwahret<br />

und den Her Magister und etliche Bürger auß hiesiger Stadt darmit begrüßet.<br />

Endlich sein sie doch mit starcker Handt in die Kirge gekommen und sich postiret<br />

vor daß Altar. Von wegen <strong>des</strong> grausames Tumultes had er sein Eigenwort<br />

nicht hören können, had nur die Epistel S. Pauli und daß heilige Evangelium<br />

abgelesen und darauf den Segen gesprochen. So had das blutige Treffen in und<br />

außer der Kirge continuiret, daß ein guter Teil Iserlonisge und ein gut Teil Bauern<br />

davon blessiret sein.... Endlich ist der Herr Magister Forstmann am 3ten<br />

Sonntage <strong>des</strong> Adventes, durch den Herrn Commissair Deuticon ohne Verhinderungen<br />

eingesetzt worden“ (Schmölesche Chronik, zitiert nach W.Schulte II,<br />

S.382). - Dieser Kirchenskandal ist in das aktuelle „Adreßbuch der Stadt Hemer<br />

1988“ eingegangen, nämlich im einführenden Aufsatz von August Kracht:<br />

HEMER - Geschichte und Gegenwart (S.13-20), wo wir (S.15) lesen: „Und wo<br />

hätten solche rauhen Zeiten ebenso wie die nicht selten handgreiflich ausgetragenen<br />

Glaubenskämpfe um die - in der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 16. Jahrhunderts in<br />

Hemer eingeführte - Reformation sich weniger nachhaltig niedergeschlagen als<br />

hier, wo man sich 1717 in der Vituskirche bei der Antrittspredigt <strong>des</strong> Magisters<br />

Thomas Forstmann gegenseitig das Gesangbuch um die Ohren schlug und es der<br />

Autorität seines als Verfasser philosophischer Kompendien bekannten Sohnes<br />

Johann Gangolf Wilhelm, nach dem Zeugnis <strong>des</strong> Philosophen J.G.Hamann ,der<br />

gewaltigste Prediger nach Luther’, bedurfte, die Gemeinde zur Harmonie, sogar<br />

mit pietistischem Einschlag, zurückzuführen.“<br />

1718 (I/H): „Anno 1718. Bei Michael hat der Herr Magister Forstmann unse<br />

oberste Schule quittiret. Worauf die Herren <strong>des</strong> Magistrats wiederum einen berufen<br />

haben von Dortmunde mit Nahmen Herr Torck“ (Schmölesche Chronik,<br />

zitiert nach: W.Schulte II, S.382).<br />

1718 (H):Beginn <strong>des</strong> ältesten Hemeraner Kirchenbuchs (Deilinghofen: 1684). Im<br />

gleichen Jahr ließ der neue Pastor Thomas Forstmann das Pfarrhaus bauen: „Das<br />

Pastoratshaus an der linken Seite der Geitbecke, welches 1718 unter Aufsicht <strong>des</strong><br />

26


Pastors Thomas Forstmanns erbaut ward, ging in der großen Feuersbrunst am 3.<br />

April 1779 zugrunde“ (F.L.Woeste, in: Schl. 2/1970, S.10)<br />

1718 (D): Zwei Jahre vor dem Tod von Pastor Goswin Mollerus wurd im Alten<br />

Pastorat „[17]18.DIE VNTERSTE STVBE...VERFERTIGET“ (Balken-inschrift<br />

im Alten Pastorat, welche von Florens Gerhard Mollerus aus dem Jahr 1744<br />

stammt, gefunden 1980 von Pastorin Sigrun Valentin-Bette. Zitiert nach: Gemeindebrief<br />

der Evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen, April bis Juni<br />

1980, S.13, vgl. den ganzen Artikel: S.Valentin-Bette: Das alte Pastorat in Deilinghofen,<br />

S.12ff.).<br />

1720 (D): Goswin Mollerus wurde in Deilinghofen beerdigt am 15.März 1720<br />

(vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.51).<br />

1720-1755 (D): Florens Gerhard Mollerus 8. Pfarrer in Deilinghofen nach der<br />

Reformation (zu ihm vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.46ff.).<br />

1720 (D): In der Märkischen Synode, an der Pastor Mollerus II erstmals am 16.<br />

und 17.Juli 1720 teilnahm, machte er sich gleich mit einer pikanten Skandalgeschichte<br />

bekannt, wie §18 <strong>des</strong> Synodalprotokolls festhielt: „Her Möller, Pastor zu<br />

Deilinghofen Ampts Iserlohn, beschweret sich über eine WeibsPersohn seiner<br />

Gemeinde, welche er aus der Beichte in die Sakristey gefodert, ihr wegen ihre<br />

leichtfertigen Lebens-Wandels zu zu reden, daß sie ihme öffentlich obloquiret<br />

[d.h.: widersprochen] und gesagt habe, da gehöreten Schelme und Huren hinein.“<br />

Mollerus bat um Gutachten, daß diese Frau sich öffentlich, evtl. vor dem<br />

ganzen Presbyterium zu entschuldigen hätte (Göbell I, S.78, wo im Protokoll<br />

einer späteren Sitzung, S.98f., der Name der Frau mit Catharina Theves angegeben<br />

wurde, bei der „öffentliche Hurerey dazugekommen“ und „die Früchte davon<br />

an den Tag geleget“ waren, so daß „offentlich ihres gegebenen Skandales wegen<br />

Kirchen-Buße“ erfolgen mußte).<br />

1720 (H):Thomas Forstmann, Pfarrer an der Vituskirche Hemer, „ließ ... 1720<br />

drucken ,kurze Fragen und Antworten zu besserem Verstand <strong>des</strong> kleinen Catechismi<br />

Lutheri, nebst christlichen Morgen- und Abendgebätlein’. Imgleichen,<br />

gewisse Kernsprüche nach dem Alphabet. Er machte auch den Anfang, die Sonntäglichen<br />

Evangelia durch Frag und Antwort, der lieben Einfalt zum besten, drucken<br />

zu lassen, sein Tod aber, der 1727, den 30 April einfiel, hat das Werk unterbrochen“<br />

(von Steinen, S.1133).<br />

1722 (I): In diesem Jahr wurde „der erste Iserlohner Drahtstapel gegründet. Es<br />

handelte sich hierbei um einen Zusammenschluß der Drahtzieher und acht<br />

Kaufmannsfamilien unter staatlicher Aufsicht. Diese Organisation regelte alle<br />

Bedingungen im Bereich der Herstellung und <strong>des</strong> Verkaufs von Draht mit dem<br />

Ziel eines stabilen Preises und eines garantierten Absatzes. Um 1737 waren 140<br />

Drahtzieher aus der Stadt Iserlohn dem Stapel angeschlossen. Keiner der Mitglieder<br />

durfte Draht auf eigene Rechnung verkaufen“ (Museums-Journal, Seite<br />

„Der Drahtstapel“). „Im Jahr 1724 gab es zu Sundwig und Westig 17 Kratzen-<br />

27


drahtzieher, welche an den 1722 gegründeten Stapel zu Iserlohn abzuliefern<br />

hatten“ (F.L.Woeste, in: Schl. 1/1988, S.21).<br />

1722 (A): „Wie sehr ... die Bevölkerung der Grafschaft Mark sich als untereinander<br />

verbundene Gemeinschaft fühlte, macht ein Buch deutlich, das seit<br />

seinem Erscheinen im Jahr 1722 über fast ein ganzes Jahrhundert...in den lutherischen<br />

Kirchen der ganzen Grafschaft Mark benutzt wurde. Dieses ‘Märckische<br />

Gesang-Buch’ gehörte unverzichtbar zum Buchbestand beinahe jeder evangelisch-lutherischen<br />

Familie ... Bereits 1782 hatte der preußische König ... das<br />

Privileg eines neuen Gesangbuches erteilt. Die Märkische Synode beschloß<br />

darauf die Einführung <strong>des</strong> Berliner Gesangbuches... Aber die Bevölkerung hielt,<br />

was durchaus märkisch-westfälischer Denkweise entsprach, an ,Kern und Mark' -<br />

so wurde das alte ‘Märckische Gesang-Buch’ in Kurzfassung genannt - beharrlich<br />

fest ... Wegen der allgemeinen Abneigung gegen dieses nur in wenigen Gemeinden<br />

akzeptierte Gesangbuch, gab schließlich die Regierung dem Wunsch<br />

nach, ‘Kern und Mark’ wieder als gültiges Gesangbuch einzuführen“ (Dossmann,<br />

S.133f.).<br />

1724 (D): Nachdem in der Familie Schulte-Riemke mehrere Kinder in diesem<br />

Jahr starben, erhielt der bis heute zu sehende Grabstein folgende Aufschrift:<br />

„Kinder, so seind Christi Glieder, schenket Gott und nimmt sie wieder“ (<strong>BDKG</strong><br />

2, S.49).<br />

1725 (I): Am 20.10.1725 war der erste Viehmarkt in Iserlohn (Schmöle-Chronik,<br />

nach: W.Schulte II, S.381).<br />

1726 (D/H/Bg): Der 1704 geborene (s.o.) Stephan Diedrich Rentzing (später:<br />

Rentzing, genannt Hepping) pachtete ‘Heppings Kirchenkotten’ in Sundwig, der<br />

der Kirchengemeinde Deilinghofen gehörte. Er nahm ihn in Erbpacht. (Vgl.<br />

Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte L1: „Heppings Gut zu Sundwig 1761-1843“;<br />

dort den ältesten erhaltenen Pachtvertrag vom 9.Juni 1761 (unterschrieben von<br />

seiten der Gemeinde von Pastor Caspar Gerhard Mollerus u.a.; übrigens das<br />

einzige Dokument von Mollerus III, der ja angeblich das vorherige Kirchenarchiv<br />

verbrannt hatte!): „Kund und zu wissen sey hiermit jedermänniglich, sonderlich<br />

den daran gelegen, daß nachdem der Ehrsame Stephan Diederich Rentzing<br />

genannt Hepping zu Sundwig inständigst ersuchet und gebäten, zu Beförderung<br />

<strong>des</strong> Friedens und Einigkeit zwischen <strong>des</strong>sen Kindern, die seit vielen Jahren<br />

her, von ihm bewohnten der Kirche zu Deilinghofen competirende Kotte nebst<br />

dem dazu gehörigen Wiese u. Plätzgen; etwa Ein und Ein halben Morgen<br />

schlechten Lan<strong>des</strong> [vier Parzellen Lan<strong>des</strong> werden im einzelnen genannt] ... Erblich<br />

zu übertragen. Wir zu Ende genannte Prediger und sämtliche Consistoriales<br />

unterm heutigen Dato nachstehende Puncte, jedoch nicht anders als mit Genehmhaltung<br />

eines Wohllöbl Landgerichts zu Altena einfällig beschlossen und festgesetztet“.<br />

Der Wert <strong>des</strong> Kottens wurde dort „ad Hundert Zwanzig, schreibe 120<br />

Reichtsthaler“ festgesetzt. - Beschlossen wurde auch, daß der Käufer „die gewöhnliche<br />

Pacht ad Vier Reichsthaler so an Martini fällig, jährlich an die Kirche<br />

28


so lange bezahlen müsse, bis davon das Capital völlig erleget“. Am 24.September<br />

1779 wurde der entsprechende Vertrag auf den Sohn Johann Melchior Rentzing<br />

überschrieben, von Pastor Dümpelmann u.a. unterzeichnet (gleiche Akte im<br />

Kirchenarchiv Deilinghofen). Am 10.Juli 1800 wurde der entsprechende Vertrag<br />

auf den Sohn <strong>des</strong> vorigen, Johann Gottfried Wilhelm Rentzing, überschrieben<br />

und von Pastor Basse u.a. unterzeichnet (gleiche Akte im Kirchenarchiv Deilinghofen).<br />

- Der Beweis, daß aber schon 1726 Rentzings auf dem Kotten waren, ist<br />

das Dümpelmannsche Gutachten vom 9.Mai 1780 (gleiche Akte im Kirchenarchiv<br />

Deilinghofen). Anlaß für dasselbe war, daß die reiche Industriellenfamilie<br />

von der Becke im Dieken ein Auge auf das Heppingsche Anwesen geworfen hatte<br />

und es von der Kirchengemeinde kaufen wollte. Dümpelmann nahm die Rentzings<br />

in Schutz. - In unserem Zusammenhang sei nur zitiert: „Diese Kott ist 1726<br />

dergestalt zurückgekommen gewesen und der damalige Colone [sc. der Colon<br />

Hepping] so verarmt, daß zur Kirche, Contributions Casse Renthey etliche Jahre<br />

Rückstand gewesen, das alte Haus eingefallen, Garten und Wiese <strong>des</strong>olat geworden,<br />

zu dieser Verfassung sind die jetzt noch lebenden 76- und 80jährigen Eheleute<br />

Rentzing gendt. Hepping als Fremde getreten, allen Rückstand bezahlt und<br />

ein neues Haus aus eigenen Mitteln gebaut, Wiese und Garten planiert, mit lebendigen<br />

Hecken und Zäunen besetzt, mit Obst und andern Bäumen durchaus<br />

beplanzt...“.<br />

29


Reizvolle Ansicht von Heppings Kotten (heute: Alberts’ Mühle) in Sundwig<br />

1727 (Bg): Mit der Abendmahlsfeier in der Kirche zu Berthelsdorf am 13. August<br />

1727 schlossen sich Einwohner Herrnhuts zusammen zur Brüdergemeine.<br />

1727 (D): „1727, 22.6. Zehnjähriger im Langenbruch infolge Wolkenbruchs<br />

ertrunken, aufgefunden am Hohenstein“, aus dem Deilinghofer Kirchenbuch,<br />

(zitiert nach: G.Schulte, Kirchenbuch, S.65).<br />

1727-1732 (H/Bg): Nach dem Tod <strong>des</strong> älteren Forstmann, „der 1727 den 30<br />

April einfiel“, wurde seine „Stelle durch den Beruf seines Sohnes Johann Gangolf<br />

Wilhelm wieder besetzet, als welcher von der Gemeine gleich wieder ist<br />

beruffen und den 16.Junius zu Hemern in der Kirche ordiniert worden“ (beide<br />

Zitate: v.Steinen, S.1133). - Pfarrer Florens Gerhard Mollerus aus Deilinghofen<br />

hielt am 9.Mai 1727 übrigens die Leichenpredigt für die (unmittelbar nach ihrem<br />

Ehemann) verstorbene Ehefrau <strong>des</strong> Pastor Thomas Forstmann. Diese älteste<br />

gedruckte Deilinghofer Predigt (!) ist vorhanden in: Staatsarchiv und Wissenschaftliche<br />

Stadtbibliothek Soest, Sign.IV/922 (liegt uns als Kopie vor!). Johann<br />

Gangolf Wilhelm Forstmann war von 1727-1732 Pfarrer in der Hemeraner Vituskirche<br />

(zu Forstmann jun. siehe auch oben zu 1706). „Er nahm aber bald<br />

darauf das ihm angetragene Pastorat zu Solingen im Bergischen Lande an, und<br />

hielt 1732 am 1.Sonntag <strong>des</strong> Advents seine Abschiedsrede“ (v.Steinen, S.1133).<br />

1728 (D): „1728. April 27. Johann Christoph Weinmann, welcher am Cantate,<br />

während der Predigt zu Riemke in Borgmanns Pütte gefallen, und leydweise tot<br />

wieder herausgezogen“ (Deilinghofer Kirchenbuch, zitiert nach: <strong>BDKG</strong> 2, S.48).<br />

1728 (H/Bg): Nach einer schweren Lebenskrise (Krankheit und Gelübde) deutliche<br />

Wende im Leben und in der Verkündigung und Amtsführung <strong>des</strong> Hemeraner<br />

Pfarrers Johann Gangolf Wilhelm Forstmann. Die Wende fand zwischen Ostern<br />

und dem Dreieinigkeitsfest jenes Jahres statt (vgl. Schl. 1959, S.10 f.). Es begann,<br />

noch vor seiner vollkommenen Hinwendung zu Zinzendorf und dem Glaubensverständnis<br />

der Brüdergemeine, die Zeit, die man Forstmanns ‘pietistischgesetzliche<br />

Phase’ nennen kann (vgl. dazu unten in dieser Chronik zu 1737<br />

Forstmanns eigenen Rückblick auf die ‘Phasen’ seines Lebens). Seit 1728 jedenfalls<br />

wurde in Hemer Forstmanns Predigt als gewaltig empfunden.<br />

1728 (D): Der Deilinghofer Pastor Florens Gerhard Mollerus hielt im November<br />

1728 in Hennen (das war damals im ‘Ausland’!) lutherischen Gottesdienst, als<br />

der lutherische Hennener Pastor von seiner (reformierten) Lan<strong>des</strong>herrin, der<br />

Gräfin von (Hohen-)Limburg, im Verlauf <strong>des</strong> Hennener Kirchenstreits zwischen<br />

Lutheranern und Reformierten (1667-1733) Predigtverbot erteilt bekommen<br />

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hatte (nach: Wilhelm Rademacher, Aus der Geschichte der Gemeinde Hennen,<br />

Hennen 1972, S.94).<br />

1730 (H/Bg): Erste Anklage von der Synode gegen Pastor Johann Gangolf Wilhelm<br />

Forstmann (Schunke, S.48): Anstößige Neuigkeiten hätte er in Hemer<br />

eingeführt.<br />

1730 (D): Am 8. und 9.November 1730 drang eine Räuberbande ins Alte Pastorat<br />

in Deilinghofen ein: schwerer Raub und Mißhandlungen (<strong>BDKG</strong> 2, S.49).<br />

1731 (Bg): Zinzendorf und die ersten gedruckten ‘Losungen’ der Herrnhuter<br />

Brüdergemeine.<br />

1731 (H/Bg): Nach F.L.Woeste lernt man Johann Gangolf Wilhelm Forstmann<br />

„und den damaligen Zustand der Gemeinde kennen aus einer äußerst selten gewordenen<br />

Predigt, die er in Hemer gehalten hat.... Er schrieb 1731 auf 5 Bogen:<br />

Gedanken eines Christen bei einer umgeschmolzenen Glocke“ (Schl. 2/1970,<br />

S.14).<br />

1731 (H/D/Bg): Am 7.Oktober 1731 wurde in Sundwig in Heppings Kotten,<br />

dem Deilinghofer Kirchenbesitz, Johann Melchior Diedrich Rentzing, der Sohn<br />

<strong>des</strong> Stephan Diedrich Rentzing, geboren (gestorben: 21. April 1800; vgl. Rentzing-Alberts-Chronik,<br />

S.1). Johann Melchior Diedrich Rentzing trat, was die<br />

Herrnhuter betraf - mit Rückenwind aus Deilinghofen von Pastor Dümpelmann<br />

her -, in die Fußstapfen seines Vaters.<br />

1732 (Bg): Die Herrnhuter Missionstätigkeit in Westindien begann.<br />

1732 (H/Bg): 1732 war das Erscheinungsjahr eines Werkes, das Johann Gangolf<br />

Wilhelm Forstmann in seiner Hemeraner Amtszeit geschrieben hatte. Der genaue<br />

Titel lautet: „Mein Heiland hilff! Das Lutherische Christenthum / Das ist: Deutliche<br />

und lautere Erklärung / Des Kleinen Catechismi Lutheri, Wie selbige in<br />

denen Catechismus-Lehren Bißher vorgetragen / Nunmehro aber dem Druck<br />

übergeben Von Johann Gangolph Wilhelm Forstmann, Evangel. Luther. Past. zu<br />

Hemmern. Soest / gedruckt bey Joh. Georg Hermanni. 1732.“. Forstmann mußte<br />

sich die Klagen der Synode anhören, daß er das Buch ohne Genehmigung zum<br />

Druck gegeben habe (vgl. z.B. Schunke, S.49).<br />

1732 (H/Bg): Am 1.Advent 1732 hielt Johann Gangolf Wilhelm Forstmann in<br />

der Hemeraner Vituskirche seine Abschiedspredigt und wechselte nach Solingen<br />

(s.o. zu 1727-1732). „Nach seinem Wegzuge entstund in der Gemeine wegen der<br />

Wahl eines neuen Predigers ein schwerer Streit, der ins dritte Jahr fortgesetzt<br />

wurde, endlich ist 1735 Johann Diederich Angelkate [Sic!Er heißt richtig Angelkorte]<br />

als Prediger erwählet, und den 27 März durch den zeitlichen Inspector<br />

Glaser zu Hemern ordinirt worden. Und dieser ist es, welcher mir zu verschiedenen<br />

gegründeten Nachrichten von diesem Ort Handreichung gethan hat“<br />

(v.Steinen, S.1133 f.).<br />

1733 (Bg/H): Die Herrnhuter Grönland-Mission begann (vgl. Thom, S.8). Pastor<br />

Karl Thoms schöne Arbeit zeigt, wie die Herrnhuter Grönland-Mission für die<br />

Menschen aus dem hiesigen Raum Gewicht bekam.<br />

31


1733 (Bg): Johann Gangolf Wilhelm Forstmann lernte von Solingen aus Gerhard<br />

Tersteegen kennen (Gerhard Tersteegen, Liederdichter und der bedeutendste<br />

Mystiker im deutschen reformierten Pietismus, geb. 1697 in Moers, gestorben<br />

1769 in Mülheim; ‘Ich bete an die Macht der Liebe’). „Tersteegens geheiligte<br />

Person habe ich seit dem Jahre 1733 gekannt“, teilte Forstmann brieflich dem<br />

Grafen Zinzendorf am 17. Juni 1737 mit (zitiert nach: Wotschke I., S.272). Viele<br />

andre ‘fromme Außenseiter’ am Rande <strong>des</strong> Pietismus, denen er sich annäherte<br />

und von denen er sich z.T. auch wieder distanzierte, lernte Forstmann in seiner<br />

Solinger Zeit im Bergischen Land kennen.<br />

1733 (D): Taufe in der Familie <strong>des</strong> Deilinghofer Pfarrers: Caspar Gerhard Mollerus,<br />

der 1733 in Deilinghofen geborene Pfarrerssohn, wurde hier am 24.Februar<br />

1733 getauft (vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.51). Caspar Gerhard Mollerus wurde später Pastor<br />

in Deilinghofen von 1756 bis 1765.<br />

1734 (Bg): Zinzendorf trat in den geistlichen Stand ein. Im gleichen Jahr Beginn<br />

der Herrnhuter Nordamerika-Mission (vgl. Thom, S.8).<br />

1735 (H/Bg): Johann Diedrich Angelkorte (zu ihm vgl. oben zu: 1710 und 1732)<br />

wurde Pfarrer an der Hemeraner Vituskirche; zu Angelkorte vgl. auch Schl.<br />

4/1975, S.19ff.).<br />

1735 (I): „Anno 1735, den 16. Januarius, haben die Revormirte die erste Klocke<br />

auf ihre Kirge bekommen und sogeleich mit in die Kirge geleutet“ (Schmö-lesche<br />

Chronik, nach: Schulte II, S.383).<br />

1736 (H): „1736 wird an der Stelle einer alten Eisenschmelze am Sundwiger<br />

Bach der erste Hochofen Westfalens in Betrieb genommen (Sundwiger Eisenhütte)“,<br />

Schl. 1 u. 2/1972, S.3).<br />

1737 (Bg/H): Am 16.Dezember 1737 offenbarte Forstmann in Solingen seine<br />

innere Entwicklung dem Grafen Zinzendorf in einem aufschlußreichen Brief, in<br />

dem es u.a. heißt: „Daher, wer es wissen will, daß Jesus ein Heiland ist, der sich<br />

der verfluchten Höllenbrände annimmt, nur auf mein Exempel sehen kann. Mein<br />

ganzes Leben bis in das 22.Jahr meines Alters heißt vor ihm lauter Blindheit,<br />

Missetat und Sünde. Vom 22. bis ins 30. hat er mich so gesucht und so an meiner<br />

Errettung gearbeitet, daß ich es nicht aussprechen kann.. Anfangs nach meiner<br />

Aufweckung behalf ich mich mit lauter Überzeugungen. Hernach geriet ich in<br />

einen gesetzlichen Zustand, worin ich mich fast bis ins 1736. Jahr aufgehalten,<br />

daß ich nie recht gewußt, ob ich ein Kind Gottes oder ein Kind <strong>des</strong> Sa-tans gewesen...<br />

Nach der Erkenntnis, die ich hatte, habe ich jederzeit gepredigt, ...von<br />

der ersten Stunde an,... bis endlich am vergangenen dritten Pfingstfeiertage (war<br />

mein 32.Geburtstag...) mein liebes- und erbarmungsvoller Heiland mich in solcher<br />

Liebe heimsuchte und umfaßte, daß ich nicht wußte, wie ich mich vor ihm<br />

beugen sollte, und mich seiner ewigen Gnade ... so fest versicherte, daß ich ...<br />

mein 32.Jahr mit seinem Blut besprengt und in seiner Gerechtigkeit eingekleidet<br />

antreten und in diesem Schmuck auf ewig leben solle“ (zitiert nach: Wotschke I,<br />

S.269f.). - Im Klartext heißt das, daß Forstmann, was in vielen seiner autobio-<br />

32


graphischen Bemerkungen zur Sprache kommt, 1728, als er ein Jahr in Hemer<br />

war, seine erste Wende hin zu einem ‘gesetzlichen Pietismus’ ansetzte und daß<br />

seine Beschäftigung mit dem Gedankengut der Herrnhuter ihn in einer weiteren<br />

‘Bekehrung’ schließlich vollends Pfingsten 1737 zu einem Christen mit einer<br />

Glaubensgewißheit nach der Art der Brüdergemeine werden ließ.<br />

1738 (I/D): Am „28.Februar 1738“ starb 86jährig in Iserlohn der langjährige<br />

Ratsherr „Johannes Hülshoff, seiner Profession ein Kupferschmied, weil. Hern<br />

Bernardi Hülshoffs zeitlebens gewesener Pastoris von Deilinghofen ehelicher<br />

Sohn, seit 20. Mai 1681 Bürger der Stadt Iserlohn“. Der Deilinghofer Pastorensohn<br />

war in Iserlohn „Senator, Consistorial“. (Zitate nach: W.Schulte II, S.430,<br />

S.517 und S.439; vgl. zu Hülshoff auch etwa S.455f.; zu seinem Vater vgl.<br />

<strong>BDKG</strong> 2, S.41-43.) - Johannes Hülshoff, der Sohn, war einer der angesehensten<br />

Iserlohner Bürger. Aus dem Deilinghofer Kirchenbuch geht hervor, daß am 13.<br />

November 1681 dieser Johannes Hülshoff in seinem Heimatdorf Deilinghofen<br />

mit Margarethe Westhelle getraut wurde.<br />

1738 (Bg/H): „Der 31.Mai 1738 war für den frommen Solinger Pastor Forstmann<br />

... ein Freudentag, brachte ihm die Erfüllung eines jahrelang gehegten Wunsches:<br />

der Graf Zinzendorf schenkte ihm die Ehre seines Besuches. Er konnte den von<br />

Angesicht sehen, dem sein ganzes Herz gehörte, den er liebte, verehrte, bewunderte<br />

wie keinen anderen... Am nächsten Tag begleitete er den Grafen, den es<br />

weiterdrängte, noch einige Stunden zu Fuß, aber auch als dieser dann die Post<br />

bestieg, mochte er sich nicht von ihm trennen; er schwang sich zu ihm in den<br />

Wagen, seine Gesellschaft weiter zu genießen, fuhr mit ihm nach Marienborn<br />

(bei Büdingen in der Wetterau) und blieb dort einige Tage“ (Wotschke I, S.257).<br />

1739 (D): „1739 Gründung der Gewerkschaft Helle, d.h. eines Kapital-Konsortiums<br />

zum Erzabbau im Felsenmeer“ (G.Schulte, Kirchenbuch, S.66).<br />

1740 (A): Das Konventikelverbot durch König Friedrich Wilhelm I; vgl. Schunke,<br />

S.44ff.). Es betraf die pietistischen Sondergemeinschaften innerhalb der e-<br />

vangelischen Kirche und eben auch die Herrnhuter Erweckungsbewegung, wobei<br />

in der Märkischen Synode Unklarheiten bestanden, wann eine ‘Haus-andacht’<br />

zum ‘conventiculus’ wurde..<br />

1740 (A): In Preußen kam Friedrich II. (der Große) an die Regierung (bis 1786).<br />

1740 (D): Am 22.Februar 1740 wurden der Schultze und die Meyersche zu<br />

Riemke und ein Kind und drei Knechte im dortigen Hofbrand jämmerlich dahingerafft<br />

(vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.48f.; vgl. auch Schl. 4/1968, S.14f.: nach „der entsetzlichen<br />

Feuersbrunst“ wurden von den Verbrannten „nur mehrenteils die Gebeine<br />

gefunden“). Diese Katastrophe hatte auch Konsequenzen für die Deilinghofer<br />

Kirchenkasse: die zuvor 50 Reichstaler, die 1739 in seiner Krankheit der sterbende<br />

Diedrich Schulte zu Riemke der Kirche zur Verbesserung der Pastoratrenten<br />

zu zahlen versprochen hatte, wurden nach dem Feuer 1743 mit Einverständnis<br />

der Kirchengemeinde auf 25 Reichstaler ermäßigt. (Vgl. dazu: Schl, 1/1968,<br />

S.10f.). Diedrich Schulte zu Riemke (1701-1739), war Sohn <strong>des</strong> gleichnamigen<br />

33


Diedrich Schulte zu Riemke (1660-1736); dieser war der frühere Diedrich<br />

Brandt, der einheiratete; vgl. oben in dieser Chronik zu 1702 und unten zum Juni<br />

1740.<br />

1740 (Bg): Am 20.März 1740 unterschrieben sechs angesehene Hemmerder<br />

Bürger eine lange Anklageschrift gegen ihren Pfarrer Johann Caspar Dümpelmann<br />

(den Vater <strong>des</strong> späteren Deilinghofer Pastors), die sie an den preußischen<br />

König richteten. - Die Hauptanklagepunkte gegen den Pastor wurden so zusammengefaßt:<br />

er habe „1) in seinem Haus von den catechumenis ad s. synaxim<br />

praeparandis et confirmandis verlangt, daß sie dem Tanze absagen sollen, 2) bei<br />

der Konfirmation hat er sie einen feierlichen Eid nebst Ausreckung zweier Finger<br />

und deren Auflegung aufs Buch öffentlich über Meidung spezialer Sünden vor<br />

der ganzen Gemeinde kniend schwören lassen, 3) hat der Dümpelmann bei Dimission<br />

der Gemeine in der Mittelpredigt sich dieser verfänglichen Redensart<br />

gebraucht: ,Wer aus Gott ist, der kommt gern wieder, Gottes Wort zu hören', 4)<br />

hat dieser Dümpelmann eine spezielle Manifestation ihrer Sünden von seinen<br />

Eingepfarrten oder Beichtkindern auf öffentlicher Kanzel gefordert“. - Seitenlang<br />

bekam der König Anklagepunkte gegen Dümpelmann zu hören, zum Beispiel<br />

auch, daß er zweimal kranke Beichtende peinlich gefragt hätte, ob sie „in Hurerei<br />

gelebt“ hätten. (Zitiert nach: Theodor Wotschke, VI. Urkunden zur westfälischen<br />

Kirchengeschichte, in: Jahrbuch <strong>des</strong> Vereins für Westfälische Kirchengeschichte,<br />

40./41 [1939/40], S.209-293; dort findet sich als Nr.64 der Brief „Gemeinde<br />

Hemmerde an den König“ auf S.268-272 und die obigen Zitate auf S.269 und<br />

272).<br />

1740 (Bg): Inspektor Emminghausen klagte auf der Märkischen Synode den<br />

Hemmerder Pfarrer Dümpelmann sen. wegen <strong>des</strong> Pietismus an (Anklagepunkte<br />

bei Schunke, S.50).<br />

1740 (Bg/H): J.G.W.Forstmann pries am 28.Mai 1740 die Aktivitäten seines<br />

Hemeraner Nachfolgers Angelkorte bei Zinzendorf brieflich an. In dem Zusammenhang<br />

schrieb er an den Grafen: „H.Pastor Angelkorte dringet immer darauf,<br />

daß er gern einen Bruder zu Hemer haben wollte... An seinem Ort ist eine große<br />

Tür aufgetan, und wenn ihm könnte ein Kandidat zugeschickt werden, der ein<br />

Bruder wäre, derselbe würde ein groß Feld der Arbeit finden. Ich bin den vierten<br />

Sonntag nach Ostern dagewesen mit ein paar Brüdern, und der Heiland hat uns<br />

vielen Eingang finden lassen... Ich erinnere Ew. Hochgeb. schließlich an dero<br />

Versprechen, daß dieselben durch Solingen kommen wollen, wenn die Reise<br />

nach Holland geht“. (zitiert nach: Wotschke I, S.277f.).<br />

1740 (D): Vom 14.Juni 1740 datiert auf dem Hof Schulte-Riemke eine Balkeninschrift,<br />

die heute nur zum Teil noch entzifferbar ist. Herbert Schulte (Iser-lohn)<br />

konnte 1967 den Text noch genauer lesen: „Anno 1740, den 22.Februar ist durch<br />

eine entsetzliche Feuersbrunst <strong>des</strong> Nachts das Wohnhaus und das Stallgebäude<br />

eingeäschert und durch die strenge Glut 6 Menschen umgekommen. / Doch hat<br />

<strong>des</strong> Höchsten Gut, der Nichtes war benommen, es wieder so gefügt und dieses<br />

34


aufgerichtet, da sonst das vorige war ganz und gar vernichtet. / Bewahr vor Hunger<br />

und Not Das, was darinnen schwebet. Bewahr vor Feuer und Brand, das, was<br />

darinnen lebet. Anno 1740 ... Den 14. Juni“ (zitiert nach: Herbert Schulte: Kuhlmann,<br />

Johann Christoph 1691-1731, Brand, Anna Maria 1698-1740, beide genannt<br />

Schulte zu Riemke, verheiratet 2.Nov. 1717. Eine Le-bensbeschreibung als<br />

Beitrag zur Familiengeschichte. Iserlohn 1987; in wenigen Exemplaren maschinengeschrieben<br />

vervielfältigt).<br />

1740 (H/Bg): Der Hemeraner Pfarrer Angelkorte erzählte am 19. September<br />

1740 dem Grafen Zinzendorf brieflich über seine Bekehrung im Sinn der Brüdergemeine<br />

durch Pastor Forstmann („1740 kurz nach dem Sonntage Kantate“) und<br />

über die Sache der Brüdergemeine in Hemer. (Wotschke II, S. 58).<br />

1741 u. 1742 (H/Bg): Im Zuge der Ausbreitung der Herrnhuter Brüdergemeine<br />

kam Diaspora-Arbeiter Backe zu Pastor Angelkorte nach Hemer (vgl. Schunke,<br />

S.25). Backe mußte auch in der Kirche predigen. Er hatte als Nachfolger 1741:<br />

Hüffel, 1742: Forckel (vgl. Schunke, S.27).<br />

1741 (H/Bg): Aus der Sicht der Freunde der Brüdergemeine wirkte der Bruder<br />

<strong>des</strong> Johann Gangolf Wilhelm Forstmann, der Kandidat der Theologie Peter<br />

Konrad Forstmann, auf schwärmerisch-unselige Weise in Hemer, wie aus einem<br />

Brief aus Hemer vom 1. März 1741 hervorgeht: „H. Kandidat Forstmann hat hier<br />

erweckten Leuten, die nur eine Beruhigung ihrer bösen Taten vorgeben, alle<br />

Seligkeit zugesprochen. Er tut ungegründeten Seelen Schaden. Sein Bruder, der<br />

Prediger, und andere wünschen, daß er nicht wiederkommen, sondern andernwärts<br />

versorgt werden möchte“ (zitiert nach: Wotschke I, S.240 A.10; der Brief<br />

ist komplett abgedruckt bei: Schunke, S.25f.).<br />

1741 (H/Bg): Johann Gangolf Wilhelm Forstmann selbst war es, der sich bei den<br />

höchsten Stellen der Brüdergemeine zum Bittsteller machte, damit sein Nachfolger<br />

in Hemer, Pfarrer Angelkorte, von der Gemeine eine „Eheschwe-ster“ zugewiesen<br />

bekäme. In einem Brief Forstmanns vom 31.März 1741 an Polykarp<br />

Müller, den Bischof der Brüdergemeine, hieß es so: „Des Bruders Angelkorte<br />

Umstände erfordern, daß er heiratet. Mit seiner leiblichen Schwester, die eine<br />

Wittib ist und ihn nun einige Jahre genug gequält hat und noch bis dato auf<br />

nichts anderes bedacht ist, als ihn in seiner Arbeit an den Seelen zu hindern,<br />

kann ers unmöglich aushalten. Weg will sie auch nicht, bis er heiratet. Die meisten<br />

Seelen, so zu Hemer aufgeweckt sind, sind Frauen und ledige Schwestern.<br />

Ich soll daher in seinem Namen bitten, daß Sie seine Umstände der Gemeinde<br />

vorstellen und ihm eine Schwester geben, die seine Gehilfin und Mitarbeiterin<br />

sei. Er ist von Jugend auf eines stillen und sanften Wesens gewesen und nachher,<br />

da er in Halle studiert, ist er nach dasiger Methode immer mehr geändert und<br />

mein Nachfolger dann geworden. In den ersten Jahren war er beliebt und hatte<br />

den Namen eines frommen Predigers und scheute sich gar sehr, sich mit mir<br />

einzulassen. Mit der Zeit verlobte er sich auf Anstiften seiner Verwandten mit<br />

einer Kaufmannstochter zu Iserlohn ohne Konsens und wider den Willen seiner<br />

35


Mutter. Und das war die Gelegenheit, wodurch er auf sein Herz kam. Die Person<br />

war eitel. Seine Mutter wollte es nicht zugeben; er kam darüber in Angst und<br />

Not. Die Heirat wurde zu seinem großen Glück hintertrieben, und er wurde ein<br />

armer Sünder, dem alles wegfiel und der nun fragte: ‘Was soll ich tun?’ Von da<br />

an kam ich mit ihm in Verbindung. Er sehnt sich nach nichts mehr als nach der<br />

Gnade <strong>des</strong> Bluts. Und daß er nichts anderes in der Welt sucht, als dem Lamm zu<br />

leben, daß weiß ich und darf es der teuren Gemeinde versichern“ (Wotschke I, S.<br />

241, A.15).<br />

1741 (Bg/H): Gute Zustandsbeschreibung <strong>des</strong> im Herrnhuter Sinn erweckten<br />

Kreises in Hemer durch Forstmann in einem Brief aus Solingen am 8.Mai 1741:<br />

„Den 28.April bin ich mit meiner Frau auf Hemer gegangen, wo wir unsere Brüder<br />

Angelkorte und Backe besuchten. Den 30.April habe ich daselbst vom Heilande<br />

am Kreuz als der armen Sünder ihren Gott zu predigen Gnade gehabt.<br />

Nach der Versammlung <strong>des</strong> Nachmittags haben wir am Abend das er-ste Liebesmahl<br />

dort gehalten, wo unser 15 gegenwärtig gewesen, und unser Lamm war<br />

eines jeden Herzen nah. Zehn Seelen sind dort, darunter einige den Heiland als<br />

Versöhner kennen und ein Gefühl vom Blute haben, die anderen aber auf der<br />

Spur sind. Sie haben sich gemeinschaftlich verbunden, und der Heiland wird sich<br />

daselbst ein Völkchen sammeln“ (Wotschke II. S.61 A.29). Vom genannten Backe<br />

werden dort, S.60 A.28 zwei Briefe zitiert. Es ist Diaspora-Arbeiter Georg<br />

Konrad Backe.)<br />

1741 (D/Bg): Am 19.Juli 1741 wurde Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann,<br />

der spätere Deilinghofer Pfarrer, der in unserer Gemeinde von 1765-1791 wirkte,<br />

wurde als Pastorensohn in Hemmerde geboren. Taufeintrag <strong>des</strong> Vaters Dümpelmann<br />

im Kirchenbuch Hemmerde: „d 21 dito [sc. Juli] <strong>des</strong> morgens um 10<br />

Uhr vormittags gebohren Godtfried Wilhelm Andreas getauffet. die GeV. [sc.:<br />

Gevatter, Paten] sind gewesen der H. Past. Zu Bosenhagen, mein Schwager Wilhelm<br />

Andreas und Schwiegerin Catharina Gerdruth zu Stockholm [!] absentes, an<br />

deren beyden Stellen Jürgen Henrich Maertman mein Studiosus und die Cramersche<br />

gestanden“. --- Zu Johann Gottfried Westhoff (1705-1750), auch einem<br />

Hauptkämpfer für die Sache der Brüdergemeine in der Mark (von ihm hatte sein<br />

Patenkind den Haupt-Vornamen Gottfried), vgl. Bauks, S.552 Nr.6866): geboren<br />

als Pfarrerssohn in Bausenhagen im März 1705, dort Pfarrer von 1735-1750,<br />

danach Meinerzhagen, wo er am 9.August 1750 starb. Übrigens heiratete der<br />

Bruder von Dümpelmann sen., Johann Wilhelm Dümpelmann (1717-1760;<br />

Bauks, S.107 Nr.1370), als Amtsnachfolger Westhoffs in Meinerzhagen auch<br />

Westhoffs Witwe.<br />

1742 (H/Bg): Johann Hüffel, der Diaspora-Arbeiter, schrieb am 17.Februar 1742<br />

von Solingen aus über die Situation bei den Erweckten in Hemer und kam dabei<br />

auf ein Gespräch mit der Schwester Stephan Diedrich Rentzings zu sprechen:<br />

„Den 11. sprach ich Br. Rentzings Schwester, die fast ihre Lebenszeit fromm<br />

36


gewesen und das Instrument ist, wodurch B. Forstmann, Angelkorte und viele<br />

andere sind erweckt worden [!!!] und von jedermann als Muster der Heiligkeit ist<br />

gehalten worden. Nun bringt sie der Heiland auf ihr Herz, und sie fühlt sich voller<br />

Sünden und Verderben, worüber sie mit Tränen klagte. Ich wies sie zum<br />

Heiland ..., daß sie als eine verfluchte Sünderin in dem Blute <strong>des</strong> Lammes müßte<br />

Vergebung ihrer Sünden suchen. Danach gingen wir zur Kirche“ (Brief Joh.<br />

Hüffels an N. N., zitiert nach: Wotschke II, S. 65; vgl. Schl. 4/1975, S.28). Am<br />

gleichen Nachmittag waren Hüffels Gesprächspartner Bruder Rentzing und<br />

„Landpermann“, den Hüffel charakterisierte als „ein liebes einfältiges Kind, dem<br />

es gewiß ganz um den Heiland zu tun ist“ (Wotschke II, S. 64 f.); lies aber: Landfermann.<br />

Es könnte sich um den Hemeraner Küster und Schullehrer Johann<br />

Landfermann (vgl. zu ihm F.L.Woeste in: Schl. 1/1971, S.2) handeln, zumal<br />

Hüffel (nach Wotschke II, S.65) einen „Schulmeister Welker“ nennt. Das heißt<br />

wahrscheinlich richtig gelesen: „Schulmeister, welcher...“ und bezieht sich eben<br />

auf den Lehrer Landfermann (womit auch G.Gudelius’ Rätseln in Schlüssel<br />

4/1975, S.28 behoben wäre). Übrigens war es Pfarrer Wilhelm Kaiser, Sundwig,<br />

der im Verein mit Dr.Georg Gudelius als erster die Bedeutung dieser Schwester<br />

Rentzings für die Hemeraner Erweckungsbewegung und zugleich die lange von<br />

der Brüdergemeine geprägte Tradition <strong>des</strong> ‘Heppingschen Kottens’ in Sundwig<br />

beschrieb: „Um 1742 war durch die Wirksamkeit eines ,Bruder Hüffel’, der bei<br />

Pastor Angelkorte zu Besuch weilte, eine kleine Erweckung in Hemer entstanden.<br />

Zu den Erweckten gehörte auch eine Friederike Renzing zu Sundwig, eine Urahne<br />

mütterlicherseits der Familie Alberts-Mühle, die, wie man sich ausdrückte, aus<br />

einer guten lutherischen Christin eine arme Sünderin geworden war. Durch ihren<br />

Einfluß kam später eine regelmäßige Verbindung mit der Brüdergemeine zustande.<br />

Alljährlich besuchte ein Diaspora-Arbeiter der Brüdergemeine von Neuwied<br />

die hiesigen Gemeinden und Freunde der Herrnhuter Mission. Er wohnte<br />

je<strong>des</strong>mal in der Mühle, wo sich dann auch ein fester Kreis um ihn sammelte.<br />

Diese ,Ver-sammlung', die immer zu Pfingsten stattfand, wurde eine Tradition,<br />

die länger als 200 Jahre fortdauerte. Sie wird heute noch insofern aufrechterhalten,<br />

als einer der Pfingstgottesdienste in Hemer regelmäßig durch einen Herrnhuter<br />

Missionar gehalten wird. Pastor Angelkorte führte bei uns das Gesangbuch<br />

der Brüdergemeine ein und teilte die Gemeinde in Herrnhuter ,Chöre’ ein: Eheleute,<br />

ledige Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen. So wurde der Grund<br />

gelegt zu der engen Verbindung, in der unsere Gemeinde noch heute mit der<br />

Brüdergemeine steht.“ (Georg Gudelius, Von unseren Pfarrern in früheren Jahrhunderten,<br />

in: Festschrift anläßlich der Einweihung der Christuskirche zu Hemer-Sundwig<br />

am Sonntag Exaudi dem 10.Mai 1964, S.25ff., Zitat: S.26. Telefonisch<br />

erfuhren wir von Dr.Gudelius aus Gießen, daß diese schöne ‘Mühlenpassage’<br />

samt der Erwähnung dieser wahrhaft denkwürdigen ‘Ahnfrau der<br />

Erweckungsbewegung’ Friederike Ren(t)zing von Pastor Kaiser vor Drucklegung<br />

der Festschrift in den Gudelius-Aufsatz eingefügt wurde.)<br />

37


1742 (H/Bg): 1742 kam Forckel, der Diaspora-Arbeiter der Brüdergemeine,<br />

nach Hemer (vgl. Schunke, S.27).<br />

1742 (A/Bg): <strong>Unter</strong> Friedrich dem Großen Verschärfung <strong>des</strong> Konventikelverbots<br />

von 1740 (s.o.). Den Herrnhutern wurde am 25. Dezember 1742 eine „Concession“<br />

gegeben, daß sie Gewissensfreiheit erhielten und gottesdienstlich tätig<br />

sein durften (vgl. etwa: Albrecht Ritschl, Geschichte <strong>des</strong> Pietismus, Band III,<br />

Bonn 1886, unveränderter Nachdruck Berlin 1966, S.331). Zinzendorf kritisierte<br />

dieses Zugeständnis bald darauf, weil diese „Concession“ die Brüdergemeine<br />

zu einer Sonderkirche abstempelte, was nie im Sinne <strong>des</strong> Grafen war.<br />

1742 (H/Bg): In der Weihnachtszeit 1742 besuchte Forckel vom 22. Dezember<br />

an Hemer. Der Diaspora-Arbeiter blieb über Weihnachten dort, hielt Versammlungen<br />

am Heiligabend und am ersten Weihnachtstag (als Angelkorte zweimal in<br />

der Vituskirche predigen mußte) und redete das ganze Weihnachtsfest über vor<br />

den Erweckten in Hemer über völlig unweihnachtliche Bibelthemen (vgl. Schunke,<br />

S.41).<br />

1743-1750 (Bg): Dieser Zeitraum wird in der Geschichte der Brüdergemeine<br />

‘Sichtungszeit’ genannt. Es war die Zeit, in der die ‘Blut- und Wundentheologie’<br />

Zinzendorfs z.T. sprachlich sehr übersteigert wurde in den Gemeinden und in der<br />

man feiernd zu religiösen Auswüchsen neigte. Diese schwärmerischen Tendenzen<br />

zeigten sich z.B. in der Verehrung der ‘heiligen Seitenhöhle Jesu’ oder in<br />

extremer Jesus-Erotik. Für die Brüdergemeine war es die Zeit, in der die Gemeinschaft<br />

die größte Anziehungskraft entwickelte; umgekehrt wandten sich die<br />

Kritiker zuhauf in Streitschriften gegen Zinzendorfs Anhänger. In Herrnhaag<br />

wurde die Schwärmerei besonders durch Zinzendorfs Sohn Christian Renatus ins<br />

Extreme gesteigert, bis der Graf den gefährdenden Tendenzen ein En-de machte.<br />

1743 (Bg): Am 16.Januar 1743 wurde Johann Gisbert Dümpelmann (1743-1811;<br />

Bauks, S.107 Nr.1372), der Bruder <strong>des</strong> Deilinghofer Pastors und ebenfalls später<br />

ein maßgeblicher Kämpfer für die Herrnhuter, in Hemmerde als Pfarrerssohn<br />

geboren. (Der gesamte Stammbaum der Familie Dümpelmann liegt uns in graphischer<br />

Anschaulichkeit vor in: H.Schulte III.)<br />

1743 (Bg/H): Am 19.Januar 1743 erhielt Forstmann in Solingen Besuch aus<br />

Hemer von Pfarrer Angelkorte und Stephan Diedrich Rentzing, wobei auch ein<br />

kleines Liebesmahl gefeiert wurde; am 20.Januar 1743 predigte Angelkorte in<br />

Solingen; Rückkehr am 22.Januar (vgl. Schunke, S.31).<br />

1743 (Bg/H/D): Ab 3.März 1743 kam von Solingen aus Johann Gangolf Wilhelm<br />

Forstmann ins Märkische, um erst zu Angelkorte in Hemer, dann „in Laufenhagen<br />

[lies: Bausenhagen] zum Pastor Westhof und weiter auf Hemmerde ...<br />

zum Pastor Dümpelmann“ zu gehen (Wotschke II, S.62 A.31; es handelt sich um<br />

einen Brief Forstmanns, den er am 8.April 1743 nach Amsterdam an Isaak le<br />

Long schickte, der noch im gleichen Jahr Angelkortes Schwiegervater werden<br />

sollte). Hier sah Forstmann wohl zum ersten Mal den kleinen Gottfried Wilhelm<br />

38


Andreas Dümpelmann, den späteren Deilinghofer Pfarrer, nachdem er zuvor<br />

<strong>des</strong>sen Taufpaten Pastor Westhoff in Bausenhagen besucht hatte...<br />

1743 (H/Bg): Vom Juli bis zum Oktober 1743 war der Hemeraner Pfarrer Angelkorte<br />

in Holland (vgl. Schunke, S.31). Die holländischen Kontakte waren allesamt<br />

von der Verbindung zur Brüdergemeine geprägt, die dort in Zeist ihre zentrale<br />

Kolonie unterhielt. Die langerbetene ‘Eheschwester’, die jüngste Toch-ter<br />

<strong>des</strong> einflußreichen Herrnhuter Isaak le Long, heiratete Angelkorte am<br />

6.September 1743 in Heerendijk, wo er vier Wochen verbrachte und Gemeindeglied<br />

der Heerendijker wurde (vgl. Angelkortes Brief an den Bischof der Brüdergemeine<br />

Johann Nitschmann in: Wotschke II, S.69-72).<br />

1743 (H/Bg): Angelkorte erhielt auf der am 30. und 31.Juli 1743 tagenden Märkischen<br />

Synode in Herdecke in Abwesenheit die erste Ermahnung wegen Verletzung<br />

der Kirchenordnung durch seine Amtsführung; es wurde angezeigt, daß „H.<br />

P. Angelkorte zu Hemern den Classical Conventen nicht beywohne, auch seine<br />

Gemeine etliche Wochen verlasse, ohne es dem H. Subdelegato anzuzeigen“<br />

(zitiert nach: Göbell I, S.266; vgl. auch Schunke, S.55).<br />

1744 (H/Bg): Pfarrer Angelkorte war mit seiner Frau in Marienborn (bei Büdingen<br />

in Hessen), einem zentralen Ort der Brüdergemeine, wo die Frau am 3. Dezember<br />

1744 starb (Schunke, S.31). Am Tag vor Heiligabend 1744 schrieb Angelkorte<br />

aus Hemer an Zinzendorf: „Ich bin am 18. Dez. mit meinem lieben Br.<br />

Horn wieder glücklich hier angelangt. Die unerwartete Nachricht von dem<br />

Heimgange meiner Eheschwester zum Lamme hat hier bei jedermann, besonders<br />

aber unter den Erweckten große Bestürzung verursacht. Es scheint, daß sie noch<br />

kräftiger nach ihrem Tode prediget als bei ihrem Leben. ... Es ist <strong>des</strong> Lamentierens<br />

fast kein Ende“ (Wotschke II, S.71f., A.43; vgl. auch Schl. 4/1975, S.30).<br />

1744 (D): Im Alten Pastorat wurde „1744 ABER DIE OBERSTE KAMMER<br />

VERFERTIGET CHRISTE DEINE LIEB VND GÜTE DIESE WOHNVNG<br />

WOHL BEHÜTE FLORENS GERHARDVS MOLLERVS PASTOR“ (Balken<br />

von 1744, den Pastorin Valentin-Bette 1980 fand; zum Ganzen vgl. oben zu<br />

1718).<br />

1744 (D): Stiftung unseres Kirchen-Kronleuchters (heute im Eingangsbereich<br />

der Stephanuskirche). „Wortlaut der Leuchter-Inschrift mit Großbuchstaben auf<br />

fünf Bändern der großen Kugel: ,ANNO 1744 HAT DIESEN LEUCHTER ZUR<br />

EHRE GOTTES VEREHRET DIEDERICH SCHULTZE ZU BEINCK-<br />

HAUSEN DER ÄLTERE/ 2. MAN ZÜNDET NICHT EIN LICHT AN UND<br />

SETZET ES UNTER EINEN SCHEFFEL SONDERN AUF EINEN LEICH-<br />

TER SO LEICH/ 3. TET ES ALLEN DIE IM HAUSE SIND MATTHEI 5 VV<br />

15 - 16/ 4. ALSO LASET EUER LICHT LEICHTEN FÜR DEN LEUTEN DAS<br />

SIE EURE GUTE/ 5. WERCKE SEHEN UND EUREN VATER IM HIMMEL<br />

PREISEN’ “ (Schl. 1/1968, S.10; der Stifter war Diedrich Schultze zu Bäinghaus<br />

[1677-1755]; vgl. Schl. 1/1968, S.12).<br />

39


1744 (Bg/H): „Eine Predigt: ,Der leichteste und kürzeste Weg zur Gnade', welche<br />

er [sc. J.G.W. Forstmann] 1744 herausgab, schickte der Graf von Zinzendorf<br />

dem Prediger Fabricius zu Daubitz in der Ober-Lausitz zur Widerlegung einer<br />

Predigt <strong>des</strong>selben, in welcher dieser vor der Schwärmerei der Hernhuter [sic!]<br />

gewarnt hatte“ (Bädeker/ Heppe, S.45).<br />

1744 (Bg/H): Am 23.März 1744 unterschrieb Forstmann das Vorwort seines<br />

streng lutherisch-orthodox gehaltenen Katechismus, nachdem er ja 1732 als<br />

Frucht seiner Hemeraner Amtszeit schon einen Katechismus herausgegeben<br />

hatte (s.o. zu 1732). Das Werk von 1744 hat folgenden barocken Titel: „Göttliche<br />

Wahrheiten Der heiligen Evangelischlutherischen Religion In Fragen und<br />

Antworten Abgefasset Und zum Gebrauche Der Kinder seiner Gemeinde Mit<br />

einer Vorrede Sr. Hochwürden / Herrns D. Joh. Daniel Klugens Hochfürstlichen<br />

Sachsenquerfurtischen Kirchenraths, der Gottesgelehrtheit Professoris und Gymnasiarchens<br />

In Dortmund Dem Drucke überlassen Von Joh. Gangolf Wilhelm<br />

Forstmann Evangelischlutherischen Past. der Stadt Sohlingen im Herzogthume<br />

Berg. Dortmund, verlegts und druckts Gottschalk Diederich Bädecker. 1744“.<br />

Interessant für Forstmanns Situation 1744 sind seine Bemerkungen im Vorwort:<br />

„Nachdem ich bereits 1735. am 31. Augustmonats ... die symbolischen Bücher<br />

unseres Lutherischen Israels eigenhändig unterschrieben, so bekenne ich mich<br />

nochmals von ganzem Herze / vor dem Angesichte Gottes und seiner Kirche /<br />

wie zu dem geschriebenen Worte <strong>des</strong> Herrns / also zu allen symbolischen Büchern<br />

unserer Lutherischen Gemeine / der unveränderten Augspurgischen Konfession<br />

und derselben Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln, dem kleinen<br />

und grossen Katechismus D. Luthers und besonders zu der schönen FORMVLA<br />

CONCORDIAE ...“ (Vorwort, S. XXVII f.). „Und weil ich derselbe nicht mehr<br />

bin, der ich ehe<strong>des</strong>sen war / als ich zu Hemmern in der Grafschaft Mark das<br />

Lehramt führete und den Katechismus unter dem Titel: das Lutherische<br />

Christenthum im Jahr 1732. im Drucke heraus gab / so bezeuge ich hiemit öffentlich<br />

/ daß ich alles dasienige, was orthodoxe Lehrer unserer Kirche daran mit<br />

Recht auszusetzen gefunden / selbst verwerfe“ (Vor-wort, S. XXVIII f.). Doch<br />

ist - diesem dezidiert lutherischen Bekenntnis zum Trotz - Forstmann in seinem<br />

Katechismus von 1744 von vorn bis hinten ‘Blut- und Wunden-Theologe’ im<br />

Zinzendorfschen Sinn, was er schon im letzten Satz <strong>des</strong> Vorworts so erkennen<br />

läßt: „Und damit/ emphele ich Sie / wertheste Leser,/ Dem Herrn, dem blutgen<br />

Lamme,/ Das sich für unsre Noth/ Am rauhen Kreuzesstamme/ Geblutet hat zu<br />

Tod“ (Vorwort, S. XXVIIII). Von dem genannten Werk Forstmanns „Göttliche<br />

Wahrheiten“ ist auf der Titelseite von: Schl. 1/1959 die Titelseite einer späteren<br />

Auflage abgedruckt: „Leipzig und Görlitz, Verlegts Siegmund Ehrenfried Richter,<br />

1745.“.<br />

1744 (Bg/H): Zu einem für J.G.W.Forstmann folgenschweren Zerwürfnis mit<br />

seinem über alles geliebten geistlichen Vater, dem Grafen Zinzendorf, kam es im<br />

Sommer 1744. Anlaß war Zinzendorfs briefliche Kritik, Forstmann habe bei<br />

40


einem Besuch bei den Brüdern in Amsterdam seine geistlichen Kompetenzen<br />

überschritten und unerlaubt dort Gottesdienste gehalten. Forstmann brach daraufhin<br />

den brieflichen Kontakt mit Zinzendorf ab. (Die Briefe, die diesen Bruch<br />

dokumentieren, sind abgedruckt bei Wotschke I, S.257ff.; dort findet sich -<br />

S.282-284 - Forstmanns Brief an den Grafen vom 24.August 1744; ferner S.284:<br />

Zinzendorfs Brief an Forstmann vom 21.Juli 1744 und S.284f.: Zinzendorfs Brief<br />

an Forstmann vom 31.August 1744). Wie beleidigt Forstmann war, erkennt man<br />

vielleicht daran, daß er 1751/52 bei einer anderthalbjährigen Kollektenreise nach<br />

Sachsen und Schlesien auf der Hinreise einen auffälligen Bogen um Herrnhut<br />

machte, sich dann aber einen Ruck gab und Herrnhut doch besuchte. <strong>Unter</strong> dem<br />

Eindruck dieser Ereignisse schrieb Forstmann am 21.August 1752 von Dresden<br />

aus an den führenden Herrnhuter Johann Nitsch-mann d.J. mit Blick auf die<br />

Brüdergemeine: „...ich wünsche allen Euren Anklägern und Lästerern, daß es<br />

ihnen so gehen möchte, wie es mir ergangen ist. Ich armer Wurm habe mich seit<br />

1744, da der liebe Papa [sc. Zinzendorf] ... mir die Wahrheit in etwas harten<br />

Ausdrücken geschrieben, die mein stolzer und hochmütiger Kopf nicht ertragen<br />

konnte, zu meinem unersetzlichen Schaden von der Gemeinde, unter der ich<br />

tausend Seligkeit genossen, getrennt und losgemacht. Der Heiland hat mich zwar<br />

aus Gnaden bewahrt, daß ich mich zu der Partei Eurer öffentlichen Feinde und<br />

Verfolger niemals geschlagen, allein ich habe es doch nicht mehr mit der Gemeinde<br />

gehalten, sondern bin meine eigenen Wege gegangen. Ich habe auch oft<br />

in Gesellschaften bei Gelegenheit es mit über die Brüder laufen lassen und bezeugt,<br />

daß ich keine Gemeinschaft mehr mit ihnen hätte. Und nun habe ich die<br />

Gemeine gesehen und bin mit so vieler Liebe letzthin von ihr aufgenommen<br />

worden... Vergib mir, liebes Volk Gottes, und ist’s möglich, so nimm einen Dir<br />

entlaufenen, verlorenen Sohn, der vom Teufel ganz verblendet, seine Güter hat<br />

verschwendet, wieder in Deine Gemeinschaft nicht als ein Kind, denn das ist zu<br />

viel vor mich, sondern als einen Deiner Tagelöhner und Knecht auf! ... Wenn Du<br />

dem Papa schreibst, so bitte ihn auch in meinem Namen, daß er mir alles vergibt...<br />

Ach, möchte ich die Gnade haben, noch einmal in der Welt sein Angesicht<br />

zu sehen!“ (zitiert nach: Wotschke I, S.258).<br />

1744/1745 (H/Bg): Georg Andreas Horn, der Diaspora-Arbeiter, wurde „1744,<br />

bezw. Anfang 1745“ Angelkortes Gehilfe (Schunke, S.27). Horn zog in Hemer<br />

Mißtrauen und Vorurteile auf sich, wie der sich mit ihm solidarisch verbundene<br />

Angelkorte an die Brüdergemeine in Marienborn berichtete: „Neulich sagte einer:<br />

‘Der Gärtner Horn verführt alle Leute.’ Und vor einigen Tagen wollte ein gerührter<br />

Mann zu uns kommen, da warnte ihn ein anderer und sagte: ‘Geh nicht ins<br />

Pastorhaus. Der Gärtner ist ein Zauberer. Er gibt den Leuten Zettelchen zu verschlucken,<br />

und wenn sie solches getan und er sie nur einmal gesprochen, so sind<br />

die Leute auf einmal so eingenommen, daß sie wieder müssen ins Pastorathaus<br />

gehen’“ (Brief vom 6.September 1745, zitiert nach: Wotschke II, S.77).<br />

41


1745 (H/Bg): Am 7.März 1745 wurde in Hemer Johan Herman Helleman geboren<br />

(zu ihm vgl. Schl. 1/1968, S.21ff. und 2/1968, S.2ff.). Es taufte ihn Pastor<br />

Angelkorte. Helleman, der später den Beruf eines Nagelschmie<strong>des</strong> ausübte, war<br />

als schlichter Handwerker auch ein geistlicher Liederdichter, von dem uns bis<br />

heute 24 Lieder überliefert sind. G.Gudelius sieht in ihm zu Recht einen an Zinzendorf<br />

und den Herrnhutern orientierten Pietisten (vgl. Schl. 1/68, S.22 und<br />

2/1968, S.6). Helleman starb in Hemer am 15.Dezember 1826; sein Sohn Johann<br />

Diedrich Helleman starb 1811 als von Napoleon gezogener Soldat im<br />

Krieg gegen Spanien (Schl. 1/1958, S.13; vgl. andere Datierung in Schl. 2/1968,<br />

S.2). Daß Johan Herman Helleman Nachfahren in Deilinghofen hatte (eine<br />

Nachfahrin war die 1994 hochbetagt verstorbene Elisabeth Kölsch, die Tochter<br />

<strong>des</strong> früheren Deilinghofer Presbyters gleichen Namens), entnehmen wir einer<br />

Auskunft von Frau Emmi Treude, Hemer.<br />

1745 (H/Bg): Seit April 1745 war in Hemer eine besondere Erweckungszeit. Der<br />

Diaspora-Arbeiter Georg Andreas Horn meldete am 28.April 1745: „Es ist hier<br />

in Hemer eine ganz besondere Regung unter den Seelen. Unsere Zahl hat sich in<br />

kurzem sehr vermehrt. Es kommen bald jede Woche neue Seelen, die von der<br />

Gnade angefaßt. Bei meiner Ankunft sind in allem 32 gewesen, und sind seit der<br />

Zeit dazu gekommen hier 16 und in Iserlohn 10, Hemer und Iserlohn zusammen<br />

58 Seelen“ (Wotschke I, S.242 A.21). Der Trend hielt im Jahre 1745 weiter an:<br />

An die Brüdergemeine in Marienborn schrieb der Hemeraner Pfarrer Johann<br />

Diedrich Angelkorte in einem Brief vom 6.September 1745: „Der edle Gnadenwind,<br />

der seit dem April in Hemer geweht hat, weht noch immer fort. Es werden<br />

noch täglich Seelen erweckt, so daß die Anzahl der erweckten Seelen jetzo schon<br />

120 Personen ausmacht... Kurz, es ist hier eine solche Gnadenzeit, dergleichen<br />

nie gewesen“ (zitiert nach: Wotschke II, S.77).<br />

1745 (I): „Die Gründung der kath. Kirchengemeinde geht auf eine Verfügung<br />

Friedrichs <strong>des</strong> Großen aus dem Jahr 1745 zurück und diente dazu, auswärtige<br />

kath. Facharbeiter für die Iserlohner Nadelfabrikation dauerhaft anzusiedeln“<br />

(Museums-Journal, Seite „Kirchengeschichte“).<br />

1746 (I): „1746, den 21. Juny, haben die Catholiken ihren Gottesdienst in einem<br />

Hause das erstemahle gehalten“ (Schmölesche Chronik, nach: W.Schulte<br />

II,S.384).<br />

1747 (H/D/Bg): Stephan Diedrich Rentzing, der ‘Heppings Kotten’ als Pächter<br />

der Kirchengemeinde Deilinghofen bewirtschaftete (heute ‘Alberts Mühle’) besuchte<br />

1747 Herrnhaag bei Büdingen, die Zentrale von Zinzendorfs Brüdergemeine<br />

(nach Archiv Herrnhut: Diasporabericht Johann Heinrich Ernst 1792/93,<br />

Sign.: R 19 Bi 5., Nr. 32; ferner: Nachrichten aus der Brüdergemeine 1793, III.<br />

Quartal, Nr. 21, S.306: „1747 besuchte er auch den Hhaag zum Segen für sein<br />

Herz“; es gibt eine saubere und z.T. variierte Abschrift <strong>des</strong> Ernstschen Diasporaberichts<br />

von 1792/93 im Archiv Neuwied, die uns vorliegt, wo das entsprechende<br />

Ereignis von 1747 von Ernst verzeichnet ist).<br />

42


1747 (H/Bg): Ein Brief an die Brüdergemeine Marienborn: „Aus Ihmert bei<br />

Iserlohn klagt am 16.April 1747 der Schuster Erdmann, daß ihn das gesetzliche<br />

Wesen nicht habe zu Frieden kommen lassen“ (Wotschke II, S.77 A.49). Bei<br />

Thom (Liste S.127ff.) ist ein Schuster Erdmann unter den Ihmerter Vorfahren <strong>des</strong><br />

Friedrich Erdmann nicht eigens vermerkt.<br />

1747 (H/Bg): Pastor Angelkortes zweite Verheiratung, wieder mit einer ,Eheschwester’,<br />

die ihm von der Brüdergemeine zugeteilt wurde, fand 1747 statt:<br />

„Am 1.Mai 1747 kann er ... die Ehe mit Famia Brümel aus Quda-Brock in Geldern<br />

... eingehen, aus der zwei Söhne hervorgegangen sind. Diese Frau hat ihn<br />

dann auch überlebt“ (Schunke, S.30). Im Kirchenbuch der Gemeinde Hemer<br />

lesen wir den richtigen Herkunftsort der Braut; die Abkündigung der Verehelichung<br />

wurde da so schriftlich niedergelegt: „23.April bin ich allhier zu Hemer<br />

prima vice proclamirt wie folget: Johannes Theodorus [NB!] Angelkorte, Evang.<br />

luth. Pastor bey hiesiger Gemeine, und Jungfer Famia Brümel weyland Herrn<br />

Goswin Brümel von Ouda [!] Brock in der Provinz Gelderland, nachgelassene<br />

eheleibliche Tochter...“.<br />

1747 (H/Bg): Auf der im Sommer 1747 tagenden Märkischen Synode wurde die<br />

Ermahnung ausgesprochen, „darauf zu sehen, daß keine irrigen Lehren, besonders<br />

Herrnhutianismus qua Herrenhutianismus einreißen mögen“. „Durch diesen<br />

Beschluß fühlen sich die drei Prediger Dümpelmann in Hemmerde, Westhoff in<br />

Bausenhagen und Angelkorte in Hemer angegriffen. Daher protestieren sie sofort<br />

dagegen. Sie wären der evangelisch-lutherischen Religion von ganzem Herzen<br />

zugetan und um das Heil ihrer Gemeindeglieder besorgt. Die mährischen Brüder<br />

hegten nach ihrer Meinung keine irrigen Lehren, bemühten sich vielmehr, die<br />

Hauptlehre der evangelischen Religion, nämlich die Versöhnung und die daraus<br />

folgende Rechtfertigung der armen Sünder, in die Herzen der Menschen zu bringen<br />

und dadurch lebendiges Christentum zu befördern. ... Die drei Geistlichen<br />

beantragten..., daß ihre Rechtgläubigkeit untersucht werde. Der Inspektor verspricht<br />

darauf, seinerseits einen Auszug aus Herrnhutischen Schriften machen zu<br />

lassen und diesen Auszug der Synode zur Begutachtung vorzulegen“ (Schunke,<br />

S.54). Wichtig anzumerken ist hier in unserem Zusammenhang, daß neben Johann<br />

Gangolf Wilhelm Forstmann die drei hier genannten Pfarrer in der Mark<br />

waren: neben Angelkorte sein ihm eng verbundener Freund und Amtsbruder<br />

Johann Caspar Dümpelmann (der Vater <strong>des</strong> späteren Deilinghofer Pastors Gottfried<br />

Dümpelmann) und <strong>des</strong>sen Bausenhagener Nachbar-Amtsbruder Johann<br />

Gottfried Westhoff, von dem sein Patenkind Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann<br />

den Vornamen erhalten hatte (vgl. oben zu 1741: Taufe von Dümpelmann<br />

junior).<br />

1747 (D): „1747. Aug.6. Jobst Diedrich Maas, so dem 14. zu Riemke als Knecht<br />

gedient und von einem Birnbaum, da es Zeit in die Kinderlehre zu gehen, leydweise<br />

heruntergefallen und bald darauf To<strong>des</strong> verblichen“ (aus dem Sterberegister<br />

<strong>des</strong> ältesten Deilinghofer Kirchenbuchs, nach: <strong>BDKG</strong> 2, S.49).<br />

43


1748 (I): Nach der königlichen Verordnung vom 25.Mai 1748 wurden in der<br />

Grafschaft Mark die Bürger der Städte „Iserlohn, Altena, Lüdenscheid, Schwelm,<br />

Hagen ... von der Kantonspflicht sowie der Werbung und Entrollierung zum<br />

Militärdienst befreit“. „Zwar mußten diese Städte ... zum Ausgleich jährlich<br />

15.000 Taler an die Staatskasse zahlen, aber die Befreiung der Gewerbetreibenden<br />

in diesem Raum von jeglichem Militärdienst war auch für viele Einwanderer,<br />

die große Kenntnisse und besondere Fähigkeiten mitbrachten, ein besonderer<br />

Anreiz, sich in der Grafschaft Mark Arbeit und Brot zu suchen“ (Dossmann,<br />

S.210).<br />

1748 (H/Bg): Im September/Oktober 1748 war Pfarrer Angelkorte in Herrnhaag,<br />

dem zentralen Ort der Brüdergemeine. Er schrieb davon in einem Brief vom<br />

25.November 1748 an den Grafen Zinzendorf, der sich in Zeist in Holland aufhielt,<br />

wobei in überaus charakteristischer Weise sowohl das Herrnhutertum in<br />

Herrnhaag in der ‘Sichtungszeit’ zum Ausdruck kam als auch die für Angelkorte<br />

kirchenpolitisch brisante Situation in der heimischen Synode: Ich „habe nicht<br />

unterlassen können, mich durch diese Zeilen aufs neue ins Andenken zu bringen<br />

und zugleich zu berichten, daß ich mit meiner lieben Eheschwester und kleinem<br />

Söhnlein noch vergnügt und selig bin. Wir sind den 4. Oktober von der lieben<br />

Gemeine in Herrnhaag zurückgekommen, nachdem wir uns drei Wochen daselbst<br />

aufgehalten. Wir hatten die Gnade, mit dem Volk <strong>des</strong> Heilan<strong>des</strong> zum<br />

h.Abendmahl zu gehen, welches uns zum Segen war. Überhaupt hatten wir daselbst<br />

selige Tage, und das Verliebtsein ins Seitenhöhlchen, wovon man allda<br />

immer redet und singet, ist uns sehr gemütlich. Ich weiß wohl, daß ich <strong>des</strong> Heilan<strong>des</strong><br />

bin und ihn auch lieb habe. Aber sterblich verliebt zu sein ins teure Seitelein,<br />

das finde ich noch nicht bei mir. Aber mein Herz sehnet sich doch danach,<br />

also zu werden. Gedenken Sie meiner treulich vor dem Lämmlein, daß auch ich<br />

möge ein recht lustiges und seliges Kreuzluftvögelein werden! Unsere Ehe führen<br />

wir im Segen, und das Lämmlein lässet uns viele Gnade darin widerfahren. Von<br />

unserem Ministerium sind die meisten Feinde <strong>des</strong> Heilan<strong>des</strong>. Es gibt aber auch<br />

darunter viele Nikodemi [sc. geheime Sympathisanten, vgl. Joh. 3,1ff.]. Im vorjährigen<br />

Synodo wurde beschlossen, zu vigilieren, daß Herrnhutianismus nicht<br />

einreiße. Ich, H.Pastor Dümpelmann und Westhoff protestierten mündlich, und<br />

ich schriftlich dagegen. Allein es blieb bei dem Schluß. In dem diesjährigen Synodo<br />

hatte man sich vorgenommen,gewisse Thesen aufzusetzen, welche alle<br />

membra [d. h. Glieder] unterschreiben sollten. Ihr Inhalt sollte sein, den Herrnhutianismus<br />

vor irrig zu erklären. Ich vermutete nun nichts anderes, als daß ich,<br />

wenn ich die <strong>Unter</strong>schrift würde verweigert haben, ab officio würde removiert<br />

werden. Allein wider alles Vermuten geschah es, daß viele Nikodemi im Synodo<br />

gegenwärtig waren, und der Feinde waren zu wenig, welche sich nicht getrauten,<br />

es zustande zu bringen... So habe ich also vermutlich noch ein Jahr bis zum folgenden<br />

Synodo Frieden“ (Wotschke II, S.84 f.).<br />

44


1749 (H/Bg): Die Märkische Synode, die 1747 eingeschärft hatte, man sollte<br />

darauf „sehen, daß der Herrnhutianismus ... nicht einreiße“, “machte 1749 dem<br />

Pastor Angelkorte die Auflage, eidlich zu versichern, daß er die Herrnhutischen<br />

und Mährischen Brüder, die er bisher fast immer bei sich gehabt, und die Herrnhutischen<br />

Schriften, insbesondere das Gesangbuch, wegschaffe; auch die Konventikel<br />

meide, und die Reisen nach den Brüdergemeinden einstelle. Andernfalls<br />

würde man ihn sonst nicht mehr als lutherischen Prediger anerkennen“ (Göbell<br />

III, S.816; zum Ganzen vgl. auch Göbell I, S.297f. sowie Schunke, S.55ff.).<br />

1749 (A/Bg): Johann Diederich von Steinen (1699-1759; vgl. Bauks, S.490<br />

Nr.6071) brachte seine berühmte „Westphälische Geschichte“, Teil I, heraus<br />

(Teil II-IV 1755-1760), aus der in dieser Chronik an einigen Stellen zitiert wird.<br />

Der Pfarrer und Historiker aus Frömern war von 1749 bis 1759 Generalinspektor<br />

der Märkischen Synode (zu von Steinen vgl. etwa auch Dossmann, S. 122 f.; zu<br />

Johann Diederich von Steinen und seinem Sohn Johann Diederich Franz Ernst<br />

von Steinen, seit 1766 auch Nach-Nachfolger <strong>des</strong> Vaters als Inspektor der Märkischen<br />

Synode und später Freund der Brüdergemeine vgl. etwa auch: Willy<br />

Timm, Aus der Geschichte <strong>des</strong> Kirchspiels Frömern, Unna 1956, S.10f. u.ö.).<br />

1749 (D): Johann Goswin Mollerus II (1713-1752), der Deilinghofer Küster und<br />

Lehrer (Amtsnachfolger seines Vaters Johann Goswin Mollerus I) wurde von<br />

seinem Onkel Florens Gerhard Mollerus in Deilinghofen getraut. Er heiratete die<br />

Deilinghofer Presbytertochter Anna Maria Margaretha Oberfeldhaus (Schl.<br />

3/1972, S.29).<br />

1750 (I): Der Galmeibergbau gewann wirtschaftliche Bedeutung für Iserlohn „ab<br />

1750 mit der Gründung der Messinggewerkschaft durch Johann Caspar Lecke.<br />

Das Ziel dieser Vereinigung war, Galmei zu gewinnen, zu verhütten und Messing<br />

zur Weiterverarbeitung herzustellen. Die Messinggewerkschaften nah-men<br />

den Bergwerksbetrieb zuerst auf den Lagerstätten ,Alte Grube’ und ,Stahlschmiede’<br />

auf und bauten die erste Zinkhütte 1751 in der Grüne“ (Museums-<br />

Journal, Seite „Galmeibergbau“). “Die Grundlage der Iserlohner Bronze- und<br />

Messingwaren bildete der Galmeibergbau. Das in Iserlohn ansässige Metallgewerbe<br />

verarbeitete Messing seit dem 17.Jh., insbesondere zu Spangen und<br />

Schnallen. Doch erst 1751 wurde von der Messing-Compagnie eine Verhüttungsanlage<br />

in der Grüne errichtet. Durch Verlagerung der Zinkhütten nach Letmathe<br />

(1866) wurde der Rohstoff Messing in der Stadt selber nicht mehr hergestellt -<br />

doch Iserlohn blieb Stätte der Fabrikation von hochwertigen Fertigwaren“ (Museums-Journal,<br />

Seite „Bronze- und Messingwaren“).<br />

1750 (H/Bg): Auf der Märkischen Synode wurde am 15.Juni 1750 der Fall Angelkorte<br />

behandelt. Nachdem der Angeklagte am 1.Juni 1750 eine schriftliche<br />

Erklärung abgegeben hatte, in der er sich partiell von der Brüdergemeine distanziert<br />

hatte, widerrief er knapp zwei Wochen später zur Synode von 1750 schriftlich<br />

diese Erklärung - mit dem Ergebnis, „daß mehrgedachter Past. Angelkorte ...<br />

für keinen Evang.-Lutherischen Prädiger weiter erkannt werden könne“, wobei<br />

45


die schließliche Entscheidung beim preußischen König läge und zuvor die theologische<br />

Fakultät Halle in einem Gutachten das Urteil noch einmal zu prüfen<br />

hätte (Zitat Göbell I, S.303; der ganze Vorgang dort S.302f.; vgl. auch Schunke,<br />

S.56f. sowie Schl. 4/1975, S.33f.).<br />

1751/52 (Bg): Kollektenreise J.G.W.Forstmanns nach Sachsen und Schlesien,<br />

auf der er nach Zögern noch einmal Herrnhut besuchte (s.o. zu 1744).<br />

1751 (H/Bg): Die am 20.Juli 1751 in Hagen tagende Märkische Synode nahm<br />

das Gutachten der theologischen Fakultät in Halle „den Pastor Angelkorte und<br />

den ihm imputirten Herrnhutianismus betreffend“ zur Kenntnis und war mit<br />

Angelkortes zu dieser Synode gegebener „Erklärung zufrieden, verlangt aber<br />

noch, daß Er sich über einige ihm vorzulegende Fragen ferner schriftlich erklähren,<br />

und dabey künftig Classen und Synoden kirchen-ordnungsmäßig besuchen<br />

solle“ (zitiert aus § 2 <strong>des</strong> Synodalprotokolls nach: Göbell I, S.307).<br />

1751 (H/Bg): 1751, am „17.Sept. starb unser treu gewesener Pastor, Herr Johann<br />

Diedrich Angelkorte, gebürtig aus Iserlohn, aetatis 41 Jahr 4 1/2 Monat, Minist.<br />

16 Jahr und 6 Monat, Conjugii primi 1 1/4 Jahr, Conjug. 2, 5 Jahre, relictis 2<br />

liberis. Er wurde am 20sten Sept. begraben“ (Eintragung im Kirchenbuch der<br />

evangelischen Gemeinde Hemer). Bei der Beerdigung hielt der Hemmerder Pfarrer<br />

Dümpelmann (der Vater <strong>des</strong> Deilinghofer Gottfried Wilhelm An-dreas Dümpelmann)<br />

die Predigt, die auch gedruckt vorlag: „Die Gewißheit unserer Seligkeit,<br />

als die beste Freudigkeit im Sterben wurde den 20. Septemb. 1751 bei ansehnlich<br />

und volkreichen Leichenbegängnis Tit. Herrn Johann Diederich Angelkorts<br />

berufsfleißigen Pastoris der evangelisch lutherischen Gemeine zu Hemer<br />

bei Iserlohn daselbsts in einer Gedächtnisrede aus 1.Tim. 1,15 vor-gestellet und<br />

so wie dieselbe aus dem Herzen gehalten nebst <strong>des</strong>sen Lebenslauf auf vielfältiges<br />

Verlangen und mit Genehmigung <strong>des</strong> Tit. jetzigen Inspectoris von Steinen<br />

dem Druck übergeben von Johann Caspar Dümpelmann, Evangelischen lutherischen<br />

Pastor in Hemmerde, Amt Unna. Dortmund, gedruckt bei Lüdekern.“ (Titelangabe<br />

nach dem Literaturverzeichnis in: Schunke). Am 22.Mai 1752 bekam<br />

Graf Zinzendorf diese Leichenpredigt Dümpelmanns sogar nach London geschickt<br />

(Brief Lamparters an Zinzendorf; zitiert bei: Wotschke II, S.85f., A.55;<br />

auf S.86 lesen wir, daß der Graf dort erfuhr: „Pastor Dümpelmann, der die Leichenpredigt<br />

gehalten, war <strong>des</strong> sel. Br. Angelkorte vertrautester Freund. Er ist ein<br />

rechter lutherischer Pastor“).<br />

1751 (I/H): „Schon im Jahr 1751 war von Friedrich dem Großen eine Exklusiv-<br />

Belehnung mit allen Galmei-Vorkommen im Gerichtsbezirk Hemer an die Messing-Gesellschaft<br />

Iserlohn verliehen worden“ (Schl. 3/1980, S.129).<br />

1752-1802 (H): Davidis Vater und Sohn Pfarrer in Hemer. Nachfolger von Angelkorte<br />

wurde im August 1752 als Pastor der Vituskirche Eberhard Ludolf Davidis<br />

(vgl. etwa F.L.Woestes Chronik in: Schl. 4/1970, S. 27f.), wo auch zu lesen<br />

ist, daß Davidis’ Sohn Johann Diedrich Friedrich Wilhelm Davidis (das war der<br />

sog. ‘dicke Davidis’) 1762 bis 1802 auf üble Weise in Hemer wirkte. „Einen<br />

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lasterhaften Mann“ könne man ihn nennen, der „sich gelegentlich betrank und<br />

seine Amtsgeschäfte nicht gehörig wahrnahm“. Zu Davidis Vater und Sohn vgl.<br />

auch Bauks, S. 90 Nr. 1162 und 1165.<br />

1754 (D): In diesem Jahr heiratete Caspar Diederich Schnetger aus Werdohl<br />

(1731-1778) in Deilinghofen die 24jährige Witwe <strong>des</strong> früh verstorbenen Pfarrersenkels<br />

und Deilinghofer Küsters und Schullehrers Johann Goswin Mollerus<br />

II (1713-1753). Vgl. zu Schnetger, der 1753 Küster und Lehrer in Deilinghofen<br />

wurde: Schl. 3/1972, S. 29f.; zur Deilinghofer ‘Ära Mollerus’; von der ‘Lehrer-<br />

Seite’ her siehe oben in der Chronik zu 1700. Pikanterweise erhielt er die Stelle<br />

nur, weil er sich am 22. April 1753 schriftlich verpflichtete, die o.g. Witwe zu<br />

heiraten (Akte „Depositum Haus Hemer“ im Staatsarchiv Münster, s.o. zu 1700).<br />

Die Deilinghofer Kirchengemeinde sollte später mit Schnetger zwischenzeitlich<br />

einigen Prozeßärger erhalten, und Auseinandersetzung über sein Lehreramt reichten,<br />

wie unten zu zeigen ist, bis zur ersten Amtszeit von Pastor Dümpelmann.<br />

1754 (Bg/I/D): Am 26.Dezember 1754 wurde in Elberfeld Johann Abraham<br />

Strauß geboren, später einer der bedeutendsten und originellsten Pfarrer, die es<br />

in Iserlohn gegeben hat. Strauß kam bei seinem Amtsbruder und väterlichen<br />

Freund Dümpelmann in Deilinghofen zu einer wesentlichen Vertiefung seines<br />

Glaubens, wie unten zu zeigen ist. Zu Pastor Strauß (gestorben in Iserlohn am<br />

30.Mai 1836; vgl. auch Bauks, S.499 Nr.6190) liegt uns in Kopien ein Stammbaum<br />

vor, den uns - neben anderem Material über Strauß - Frau Luise Becker,<br />

Iserlohn, die Witwe von Pfarrer Wilhelm Becker (1903-1973, früher Pfarrer der<br />

Evangelischen Akademie Iserlohn, zuvor Hemer, vgl. auch Bauks, S.27 Nr.335),<br />

zur Verfügung stellte. Wilhelm Becker ist über die Ahnenlinie seiner Mutter mit<br />

Pastor Strauß ‘verwandt’ gewesen, und zwar über die Tochter Johann Abraham<br />

Strauß’, Sophie Krafft, geb. Strauß. Wilhelm Beckers Sohn Hartung Becker<br />

wohnt bis heute mit seiner Familie in Deilinghofen.<br />

1754 (I): 1754 „hat alhier in der Nachbarschaft zu Bausenhagen ein Prediger<br />

nahmens Mattias Römer aus Iserlohn seine Haushälterin, eine Küsters Witwe,<br />

beschlafen. Dieselbe hat demselben gezeuget und zugleich zur Welth geboren<br />

ein Sohn und 2 Tochter, welche 1/4 Jahr gelebet. Die Bauern, welche gegen ihren<br />

Prediger einen Haß überkommen und ihn nicht mehr für ihren Seelsorger<br />

erkennen wollten und könnten, procedirten gegen ihn und haben solchen Proceß<br />

zu Berlin und Cleve ausgewonnen, sodaß der Prediger seine Dimission erhalten,<br />

welches auch würklich erfolget und ein ander an <strong>des</strong>sen Stelle erwehlet worden“<br />

(Schmölesche Chronik, in: Schulte II, S.384). Bei Bauks heißt es zu Johann Matthias<br />

Römer lapidar: in „Bausenhagen ord[iniert] 23.7.50, amtsentsetzt 55“<br />

(S.412 Nr.5114). Dieser Römer war also der Amtsnachfolger <strong>des</strong> Johann Gottfried<br />

Westhoff, dem mit der Dümpelmann-Familie sehr verbundenen Hauptkämpfer<br />

für die Sache der Brüdergemeine in der Mark.<br />

1754 (I): „In Iserlohn dürfte die Tabakdosenproduktion um 1750 eingesetzt haben.<br />

Erst zu diesem Zeitpunkt waren alle für die Herstellung benötigten techni-<br />

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schen Einrichtungen vorhanden. Die ältesten Iserlohner Dosen wurden einzeln<br />

graviert. 1754 findet sich jedoch die erste Erwähnung geprägter Tabakdosen.<br />

Durch die neue Prägetechnik konnten die Tabakdosen nun in größerer Stückzahl<br />

schneller und billger gefertigt werden“ (Museums-Journal, Seite „Iserlohner<br />

Tabaksdosen“).<br />

1755 (D): Hausstein mit Inschrift: „DEINE THATEN TRAUE GOTT [/] UND<br />

ACHTE NICHT DER FEINDE SPOTT [/] BEFIEHL DEM HERRN DIE<br />

WEGE [/] SO WIRD DEIN HEIM GESEGNET SEIN. [/] J. H. Tumena 1755“¸<br />

(Hausstein in der Bruchsteinmauer im Grundstück von Friedrich Wilhelm Amelung;<br />

Schl. 3/1970, S.31 f., vgl. Schl. 4/1970, S.22 f.).<br />

1755 (D): Hausstein mit Inschrift: „1755 S:Z:A:“; am Anbau <strong>des</strong> sog. ‘Waldhauses<br />

Riemke’ (Besitzer Hartwig und Margret Schulte-Riemke).<br />

1755 (A/I): Das berühmte Erdbeben in Lissabon, das in der Zeit der Aufklärung<br />

auch viele große Geister bewegte: „1755, den 1. November, wurde ein starckes<br />

Erd- und Wasserbeben verspüret und die Stadt Lissabon gäntzlich in einen A-<br />

schehaufen verwandelt, das viele Menschen unter dem Schutt begraben blieben“<br />

(Schmölesche Chronik, nach: W.Schulte II, S.384).<br />

1755 (H/I): „Eine Messingdrahtrolle ward von der Iserlohner Messinggewerkschaft<br />

im Jahr 1755 zu Hemer auf dem Werde angelegt. Von derselben Gesellschaft<br />

ward im Jahre 1788 auch eine Rolle auf der obersten Oese gebaut“ (F. L.<br />

Woeste, zitiert nach: Schl. 1/1988, S.21).<br />

1756-1763 (A): Der ‘siebenjährige Krieg’, der dritte schlesische Krieg, Friedrichs<br />

II. gegen Maria Theresia. Nach wechselndem Verlauf <strong>des</strong> ‘Weltkrieges’<br />

und unermeßlichen Menschenopfern Frieden zu Hubertusburg: Anerkennung<br />

Preußens.<br />

1756-1765 (D): Amtszeit von ‘Möller III’, Caspar Gerhard Mollerus, dem 9.<br />

Pfarrer in Deilinghofen nach der Reformation (vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S.51 f.).<br />

1756 (D): Am 6.Mai 1756 wurde Caspar Gerhard Möller in Deilinghofen ordiniert<br />

(Bauks, S.335 Nr.4223).<br />

1757 (D/Bg): Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann, der spätere Deilinghofer<br />

Pfarrer, immatrikulierte sich am 7.November 1757 zum Theologiestudium in<br />

Duisburg (nach: Bauks, S.107 Nr.1371).<br />

1757(Bg): Johann Gangolf Wilhelm Forstmanns „Sonn- und Festtagspredigten“<br />

von 1757 wurden gedruckt unter dem Obertitel: „Die durch das Evangelium von<br />

Christo offenbarte Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“ (Titelseite abgedruckt in:<br />

Schl. 1/1959, S.15).<br />

1757 (I): „1757. Bey der frantzösischen Invasion hat Iserlohn viel gelitten ... Den<br />

zweyten Ostertag waren das Regiment von Planton, (eine Comp.) Schweitzer, ein<br />

Bataillon von Rockefort, eine Compagnie de Foos und ein Detachement Husaren<br />

schon 4 Tage lang einquartiert, die Bürgerey mußte 4000 Rationen Brod lassen,<br />

und ich wurde von einem Major mit 25 Dragonern durch die Stadt geführt. Um<br />

das Brod zu befördern, mußte ich 4 von den principalisten Bürgern, jedem 5<br />

48


Mann, Exekution einlegen und in was für ein Haus ich kam, wurde ich Major<br />

forciret, selbsten hineinzugehen“ (Leckesche Chronik, nach: W.Schulte II, S.386<br />

f.).<br />

1759 (D): Inschrift am Haus von Friedrich Sirringhaus, Im Keunenborn (vgl.<br />

Abbildung).<br />

1759-1761 (D/Bg): Am 2.Mai 1759 - einen Tag vor Forstmanns Tod! - schrieb<br />

sich der spätere Deilinghofer Pfarrer Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann in<br />

Halle zur Fortsetzung seines Theologiestudiums ein. In Halle studierte er zwei<br />

Semester (Bauks, S.107 Nr.1371). Die Zusatzinformationen, daß Dümpelmann<br />

nach der Duisburger Zeit und vor der Zeit in Halle in Berlin studierte und daß in<br />

Halle kein Geringerer als der berühmte Johann Salomo Semler (1725-1791) sein<br />

Lehrer war, lesen wir bei Schunke, S. 99f., wobei Schunke (vgl. S.162) als Informationsquellen<br />

aus dem Kirchenarchiv Deilinghofen nennt: 1. das dort zu findende<br />

Gutachten der „Acad. Berolinensis vom Jahr 1759“ über den Studenten<br />

Dümpelmann, und 2. von Semler geschrieben (!) - ein Gutachten aus Halle (von<br />

dem Schunke, S.162, den lateinischen Text abschreibt), das unterschrieben ist<br />

mit: „Dab. Hala ad 26ten April 1761/ Joh. Salomo Semler / ordin Theol: ha T.A.<br />

Decan.“. Beide Dümpelmann-Zeugnisse waren uns trotz langen Suchens in unserem<br />

Archiv nicht auffindbar.<br />

Hausinschrift 1759 Haus Sirringhaus im Keunenborn<br />

1759 (Bg/H): Am 3. Mai 1759 war der To<strong>des</strong>tag von Johann Gangolf Wilhelm<br />

Forstmann (vgl. Bauks, S.136 Nr.1746, ferner die weitere oben zu 1706 reichlich<br />

angegebene Literatur zu Forstmann).<br />

1759 (A/Bg/H): Der große Philosoph und ‘Magus im Norden’, Johann Georg<br />

Hamann (geboren 1733 in Königsberg, gestorben 1788 in Münster), äußerte in<br />

49


einem Brief aus Königsberg an Johann Gotthelf Lindner vom 20. Juli 1759 über<br />

Forstmann Folgen<strong>des</strong>: „Forstmann soll diesen May gestorben seyn. Seine erfreul.<br />

Nachrichten für die Sünder sind nicht mehr, werden aber wieder verschrieben;<br />

alsdenn sollen Sie selbige haben. Ich kenne keinen größeren Redner unter den<br />

Neueren. Kein Wunder, was sind die Angelegenheiten eines Demosthenes und<br />

Cicero gegen das Amt eines Evangelisten, eines Engels, der nichts weniger und<br />

nichts mehr seinen Zuhörern zu sagen hat und weiß, als: Laßet euch versöhnen<br />

mit Gott und sei mit der Liebe, mit der Gewalt, mit der Niedrigkeit dazu ermahnet,<br />

als wenn er Christus selbst wäre?“ (Johann Georg Hamann, Briefwechsel.<br />

1. Band 1751- 1759, hg. von Walther Ziesemer und Arthur Henkel, Wiesbaden<br />

1955, S.368, Z.26-33; vgl. Hamann's Schriften. Herausgegeben von Friedrich<br />

Roth, Erster Theil, Berlin 1821, S.416). Im Jahr zuvor hatte Hamann an den<br />

gleichen Adressaten nach Riga geschrieben (am 22. Juni 1759): „Forstmanns<br />

Schriften werden mir sehr schätzbar seyn, den ich jetzt aus seinen erfreul. Nachrichten<br />

für die Sünder kennen lerne, und der Name eines Herrenhuters, mit dem<br />

man ihn gebrandmarkt, soll mich nicht irre machen die Wahrheit dieses Mannes<br />

und seine rührende Schreibart zu schmecken“ (Johann Georg Hamann, Briefwechsel.<br />

1. Band, S.348, Z.18-22; [die Verifizierung der Zitate in der neuen<br />

Ausgabe <strong>des</strong> Hamann-Briefwechsels verdanken wir dem Hamann-Kenner Prof.<br />

Dr. Oswald Bayer, Tübingen] vgl. Hamann's Schriften. Erster Theil, S.399; zu<br />

beiden Hamann-Zitaten vgl.: Schlüssel, 1/1959, S. 5). Bauks gibt das erste Zitat<br />

frei wieder in einer Version, die <strong>des</strong> öfteren zu lesen ist: „Nach Johann Georg<br />

Hamanns Ausspruch hat nach Luther keiner gewaltiger gepredigt als Forstmann“<br />

(Bauks, S.136 Nr.1746).<br />

1760 (Bg/A): Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf starb am 9.Mai 1760 in<br />

Herrnhut. Der große Johann Gottfried Herder urteilte über ihn: „Nikolaus Ludwig,<br />

Graf und Herr von Zinzendorf und Pottendorf, geboren 1700, ging im Jahre<br />

1760 als ein Eroberer aus der Welt, <strong>des</strong>gleichen es wenige und im verflossenen<br />

Jahrhundert keinen wie ihn gegeben.“ Zinzendorf hat laut Herder sich „rühmen<br />

können, daß er in Herrnhut und Herrenhaag, Herrendick und Pilgersruh, Ebersdorf,<br />

Jena, Amsterdam, Rotterdam, London, Oxford, Berlin, in Grönland,<br />

St.Cruz, St.Thomas, St.Jean, Barbesien, Palestina, Surinam, Savannah in Georgien;<br />

Carolina, Pennsylvanien, Guinea, unter Ungarn, Wilden und Hottentotten,<br />

<strong>des</strong>gleich in Lettland, Livland, Estland, Litauen, Rußland, am Weißen Meer, in<br />

Lappland, Norwegen, in der Schweiz, auf der Insel Man, in Äthiopien, Persien,<br />

bei den Boten der Heiden zu Land und zur See, Gemeinden und Anhänger habe“<br />

(beide Herder-Zitate nach: Erich Beyreuther, Zinzendorf. Und die sich allhier<br />

zusammen finden, Marburg 1959, S.9). Daß dieser Weltbürger Zinzendorf, der<br />

sehr viele der genannten Orte selbst bereist hatte und auch in Solingen bei Pastor<br />

Forstmann war, sich auch im Blick auf das winzige Örtchen Hemer in der Grafschaft<br />

Mark ziemlich gut auskannte, daß ihm die Namen der hiesigen ‘Lokalmatadoren’<br />

Forstmann, Angelkorte und Dümpelmann (Hemmerde) ein Begriff wa-<br />

50


en, vergaß Herder in seiner schönen Auflistung leider zu erwähnen... Und die<br />

Wirkungen, die von Zinzendorf her im Raum Hemer ausgingen, setzten sich<br />

nach seinem Tod fort - wie die Chronik im weiteren zeigen wird.<br />

1760 (Bg/H/I): Nach langer <strong>Unter</strong>brechung kam ein neuer Diaspora-Arbeiter der<br />

Brüdergemeine in die Mark: Königsdörfer (vgl. Schunke, S.64ff.); er kam im Juni<br />

1760 zu Pastor Dümpelmann in Hemmerde und anschließend nach Hemer, z.B.<br />

„nach Sundwig zum Schneider Jan Dirk, der auch Herrnhaag besucht hatte“<br />

(Schunke, S.65) und dann nach Iserlohn, von wo Königsdörfer in seinem Bericht<br />

„Joh. Giese, den Drahtzieher“ besonders hervorhob (Schunke, S.65). - Aus dem<br />

Raum Hemer/Iserlohn wurden in diesem Bericht Königsdorfers genannt: „Dahle,<br />

Evingsen und Ihmert, ... wo auch etliche [sc. erweckte] Seelen sind“ (Schunke,<br />

S.67). Aber an diesen Orten kamen die Besuche aus Zeitgründen nicht zustande.<br />

1761 (D/H/Bg): Am 9.Juni 1761 Pachtvertrag ‘Heppings Kotten’ mit Stephan<br />

Dietrich Rentzing erneuert, unterschrieben von Caspar Gerhard Mollerus; ein<br />

ganz singuläres Dokument im Deilinghofer Kirchenarchiv, wie wir schon oben<br />

in dieser Chronik zu 1726 beschrieben haben).<br />

1761/1762 (H): „1761/62 drangsaliert ein französisches Husarenkorps Hemer im<br />

Verlauf <strong>des</strong> 7jährigen Krieges“ (Schl., 1 u. 2/1972, S.3).<br />

1762 (Bg/h/D/I): Johann Heinrich Ernst von der Brüdergemeine als Diaspora-<br />

Arbeiter für den Märkischen Raum (Niederrhein-Bezirk) bestimmt. Ernst hat in<br />

seiner langen Dienstzeit mit den hiesigen Zentren der Herrnhuter Bewegung<br />

(etwa Rentzings Hof in Sundwig - heute: Sundwiger Mühle -, Dümpelmann in<br />

Deilinghofen, Pastor Strauß an der Iserlohner Bauernkirche) besonderen Kontakt<br />

unterhalten. Aus Johann Heinrich Ernsts Lebenslauf: „Im Jahr 1762 erhielt<br />

ich einen Ruf zur Bedienung der auswärtigen Geschwister im Bergischen und in<br />

der Mark. Ich trat denselben mit Beschämung und im Gefühl meiner Schnödigkeit,<br />

aber auch in dem Vertrauen an, daß der Heiland bei mir sein werde. Mein<br />

erster Besuch dauerte dreiviertel Jahre. Ich hatte manche verlegene, aber auch<br />

manche selige Stunde, und lernte fürs erste über 400 Seelen kennen, denen es<br />

ums Seligwerden zu thun war“ (Archiv Herrnhut, ABN - Nachrichten aus der<br />

Brüdergemeine 1853, S.614-626, Zitat dort: S.620 f.). Ernst, geboren am<br />

10.September 1717 in Gramstädt in Thüringen, gelernter Schneider und 1744<br />

zur Brüdergemeine gekommen, beschreibt in diesem Lebenslauf auch sein zwischenzeitliches<br />

Irrewerden an der Brüdergemeine nach 1748 im Zusammenhang<br />

mit Zinzendorfs Sohn Graf Christian Renatus Zinzendorf, der es zu besonderen<br />

Auswüchsen hatte kommen lassen, die im Lebenslauf, S.616f., indirekt angedeutet<br />

sind und seine wichtigen persönlichen und brieflichen Kontakte im Jahre 1755<br />

mit Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf selber, Lebenslauf, S.617f.).<br />

1762 (H/D/Bg): Stephan Dietrich Rentzing richtete in dem von der Deilinghofer<br />

Kirchengemeinde gepachteten ‘Heppings Kotten’ als Anbau einen speziellen<br />

Versammlungsraum für die Erbauungsstunden der Freunde der Brüdergemeine<br />

hier am Ort ein. Wir zitieren dieses für die hiesige Kirchengeschichte wichtige<br />

51


Ereignis aus einem Bericht von Johann Heinrich Ernst nach: Archiv Herrnhut:<br />

Nachrichten aus der Brüdergemeine 1793, III. Quartal Nr. 21: S.306: „Da ich<br />

1762 zum erstenmal hierher kam, baute er [sc. Stephan Dietrich Rentzing] an<br />

seinem Hause eine Kammer blos zu unseren Versammlungen, die wir noch im<br />

Gebrauch haben“ (fast identischer Text auch im Diasporabericht Ernst 1792/93<br />

im Archiv Neuwied). Vgl. derselbe in: Archiv Herrnhut, Sign. R 19 Bi 5. Nr. 32:<br />

Diasporabericht 1792/93, wo Ernst beschreibt, daß bereits in Pastor Angelkortes<br />

Zeiten beim alten Rentzing „Versammlungen in Seinem Hause gehalten“ wurden,<br />

woraufhin Ernst die Situation so beschreibt: „Nach <strong>des</strong> Sel. Angelkorts Heimgang,<br />

fing es an ein wenig schläfrig zu werden.“ ‘Schläfrig’ eben bis 1762 - was<br />

Ernst so schildert: „Nachdem ich ano 62 in das Land kam, so brachte der liebe<br />

Heyld. wieder Gemeinschaft zu Stande, u. weil kein Platz dazu in Seinem Hause<br />

war, so baute er ein Kämerchen an, Bloß zu unsern Versamml. das wir noch in<br />

gebrauch haben, darüber freute er sich so recht herzlich.“ Der genannte Diaspora-<br />

Arbeiter Ernst besuchte übrigens in jenem Jahr 1762 am 27. August Dahle:<br />

„Hier befindet sich ein stattliches Häuflein, das von dem dortigen Schulmeister<br />

und seiner Frau geleitet wird. ... Außerdem ist im Vorjahr in Dahle eine Erweckung<br />

gewesen. Aber dieses Häuflein in Dahle ist ... gewarnt worden, sich vor<br />

Ernst in Acht zu nehmen und überhaupt keinen Bruder anzunehmen. Jedoch wird<br />

Ernst von dem Häuflein noch freundlich aufgenommen.“ - Von Dahle aus kam<br />

Ernst „nach Sundwig im Kirchspiel Hemer“. „Hierhin hat sich nach Angelkortes<br />

Tod der Schwerpunkt <strong>des</strong> Häufleins verlagert, vor allem seitdem der Schneidermeister<br />

Dirk dort wohnt. Bei ihm findet Ernst auch jetzt seinen Aufenthalt“ (Zitate<br />

bei: Schunke, S.71; dort auch folgende Beobachtung, daß dennoch „Hemer,<br />

das doch einmal im Vordergrund der Bewegung stand, in der Zeit Ernsts in den<br />

Hintergrund rückt, während Hemmerde jetzt mehr hervortritt“).<br />

1762 (H): „Im Jahr 1762 erbaute Joh. Henr. Giese von Iserlohn auf Kosten <strong>des</strong><br />

Herrn von Brabeck eine Fingerhuts- und Knopfmühle auf dem Rollenwend. Da<br />

dieser Giese aber vier Jahre nachher wegen vieler Schulden Reißaus nahm, so<br />

war die Mühle 1769 an die Brüder Henrich und Adolph von der Becke für 200<br />

Louis d'or verkauft und diese ließen daselbst wie zu Sundwig arbeiten“ (F.L.<br />

Woeste, zitiert nach: Schl 1/1988, S.21).<br />

1763 (D): Am 22.Januar 1763 wurde Johann Daniel Müller in Voerde bei<br />

Schwelm geboren, ab 1791 der Nachfolger von Pastor Dümpelmann in Deilinghofen<br />

(Lebensdaten bei: Bauks, S.342 f. Nr. 4301).<br />

1763 (H/D/I/Bg): In Niederhemer wurde am 12.September 1763 der größte heimische<br />

Mühlenbauer und Papierformenhersteller Johann Hermann Stindt geboren,<br />

Erbauer der Ebbergkirche (vgl. etwa Schl.1/1958,1ff.), gestorben 12.Juli<br />

1846. Für die Deilinghofer Kirchengeschichte interessant sind (Schl. 1/1958,<br />

S.4) Bemerkungen zu Stindts Frömmigkeitsstil: „Dann stammte er aus einer tiefreligiösen<br />

Familie. Schon in jungen Jahren hatte er selbst den Weg zur Brüdergemeine<br />

gefunden, jene auf Zinzendorf zurückgehenden Gemeinschaft, deren<br />

52


Glieder die Grundwahrheit ihrer Lehre, daß Christi Tod die ganze Menschheit<br />

mit Gott versöhnt habe, im persönlichen Glauben zu erfahren und zu erleben<br />

strebten. Der Deilinghofer Pfarrer Dümpelmann und der Iserlohner Pfarrer<br />

Strauß hatten Stindt auf diesen Weg gewiesen. Lebendige Herzensfrömmigkeit<br />

und werktätiges Christentum, wie sie Johann Hermann Stindts Leben bestimmten,<br />

sind von der Brüdergemeine aus begründet. Es überrascht uns daher nicht,<br />

ihn als Mitglied <strong>des</strong> vierköpfigen Kirchenvorstan<strong>des</strong> der evangelischen Kirchengemeinde<br />

Hemer zu finden. Der Bau einer neuen Kirche wird Stindt also auch<br />

Herzensangelegenheit gewesen sein.“ Zu Stindts Leben, zu seinem von der Brüdergemeine<br />

geprägten Frömmigkeitsstil und seinem Verhältnis zur Kirchengemeine<br />

Hemer vgl. Stindts eigene Lebensbeschreibung in: Schl. 1/1991, S.3ff.;<br />

dort v. a. S.5, S.9, S.10, S.11; von ihm wurde beschrieben, daß er beim Bau an<br />

Heppings Mühle mitgearbeitet hätte, der in dieser Chronik oft genannten Zentralstelle<br />

<strong>des</strong> hiesigen Häufleins der im Sinne Herrnhuts Erweckten. Der Deilinghofer<br />

Gastwirt Helmut Stindt ist übrigens ein Nachfahre <strong>des</strong> hier Genannten.<br />

1763 (D): „1763, 29.11.: Beckmerhagen, Melchior Diederich, zu Del., welcher<br />

leyder vom Balcken heruntergefallen und kurtz darauf to<strong>des</strong> Verblichen. Ist zwar<br />

unter Geläute und Gesänge, jedoch ohne Leichen Predigt beerdiget worden“<br />

(nach dem Deilinghofer Kirchenbuch).<br />

1764 (D): Der Pfarrer Caspar Gerhard Mollerus erhielt wegen „vorgeblichen<br />

Ehebruchs“ seine Dimission und verbrannte angeblich aus Wut das Deilinghofer<br />

Pfarrarchiv. Sein „Fluchtort“ wurde Hemmerde - ausgerechnet (vgl. dazu <strong>BDKG</strong><br />

2, S.51f.)!<br />

1765 (D/Bg): Ein sehr merkwürdiger Wechsel: der eine unehrenhaft entlassene<br />

Pastor (Mollerus III) ging nach Hemmerde ins Zentrum der Herrnhuter Bewegung<br />

in der Mark, der andere als höchst ehrenwert erachtete Pfarrer, der aus<br />

Hemmerde stammte, kam nach Deilinghofen in dieses landläufig eher als ‘unfromm’<br />

erachtete Dorf: Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann, von <strong>des</strong>sen<br />

Leben und Wirken nun zusammenhängend zu erzählen ist (wobei wir einige<br />

Dubletten zur Chronik in Kauf nehmen)..<br />

53


54<br />

Das ‘Viehhaus’ <strong>des</strong> Alten Pastorats (von der Pastoratstraße aus gesehen)


B. HAUPTTEIL<br />

I. Der große Baumeister der Gemeinde Gottfried Wilhelm Andreas<br />

Dümpelmann, der (nach dem Urteil von F. Schauff)<br />

„bedeutendste Pfarrer Deilinghofens“ (10. evangelischer Pfarrer<br />

nach der Reformation; Amtszeit von 1765 bis 1791) -<br />

Aufbau <strong>des</strong> Alten Pastorats in Deilinghofen und Gemeindeaufbau<br />

nach dem Muster Herrnhuts<br />

1. Einleiten<strong>des</strong> zu diesem Pfarrer<br />

Der allseits bekannte große Sohn Hemers Friedrich Leopold<br />

Woeste (1807-1878) war ein überaus guter Kenner der Deilinghofer<br />

Kir-chengeschichte. Im Jahr 1863 schrieb Woeste für das ‘Lagerbuch’<br />

der evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen die<br />

unlängst wiederaufgefundene schöne handgeschriebenene Chronik<br />

über die nachreformatorische Kirchengeschichte unserer Gemeinde<br />

1 . In Woestes „Nachrichten über die Parochie Deilinghoven“<br />

1 Bei einer intensiven Durchsicht unseres wertvollen Deilinghofer Kirchenarch<br />

ivs fand im Juli 1991 Harald Korsch-Ger<strong>des</strong> zusammen mit dem Deilinghofer<br />

Gemeindepfarrer in den ‘Nebenakten’ zum ‘Lagerbuch’ (Kirchenarchiv Deilinghofen,<br />

Akte K4, Führung <strong>des</strong> Lagerbuches und Veränderungsnachweise,<br />

Bd.2, 1861-1868) eine bisher für verschollen gehaltene (vgl. Schl. 3/1975, S.11)<br />

Handschrift aus der Feder Woestes:die siebenseitige und in 17 Paragraphen unterteilte<br />

Arbeit: „Nachrichten aus der Parochie Deilinghoven“, die an einigen Stellen<br />

von Pastor August Limborg (Pfarrer in Deilinghofen von 1835 bis 1870)<br />

überarbeitet und ergänzt worden war. Es handelt sich bei dieser Chronik um den<br />

Grundstock <strong>des</strong> großen Abschnitts im „Lagerbuch für die kirchl. Gem. Deilinghofen“,<br />

Bd. II, S.286ff. (Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte K3, Lagerbuch), der<br />

dort die Überschrift trägt: „Historische Nachrichten über die Parochie Deilinghofen“<br />

(da wird auf 20 Seiten die alte Woeste-Limborg-Chronik bis ins Jahr 1960<br />

fortgeführt). Zu erwähnen sei uns erlaubt, daß Woeste eine entsprechende Chronik<br />

der Kirchengemeinde Hemer angefertigt hatte, von der die Urschrift später<br />

aufgefunden wurde und in: Schl.1, 2 und 4/1970 sowie 1/1971 geradezu als ‘klei-<br />

55


wurden im Paragraphen 13 auch die Deilinghofer evangelischen<br />

Pastoren seit 1565 in kurzen Lebensbeschreibungen vorgestellt. Für<br />

Woeste war der hier interessierende Pfarrer Gottfried Dümpelmann<br />

seit der Reformation Pastor Nr.9 in Deilinghofen (denn Woeste<br />

hatte - im Gegensatz zu <strong>BDKG</strong> - Bertram Fischers sehr kurze<br />

Amtszeit als Pfarrer Nr.3 nicht mitgerechnet), und Woeste wußte<br />

über Dümpelmann bloß Folgen<strong>des</strong> zu berichten:<br />

„9. Gottfr. Wilh. Andreas Dümpelmann, geb. im Juli 1741 zu Hemerde [sic!]. Er<br />

nahm den unterbrochenen Bau <strong>des</strong> Pastorathauses wieder auf. Die dazu nöthigen<br />

Gelder wurden theils auf die Gemeindeglieder repartirt, theils vom Pastor collectirt.<br />

Er starb 1791“ .<br />

Bei diesen wenigen Zeilen beließ es Woeste. Mitnichten aber war<br />

Dümpelmann einer jener bedauernswerten Pfarrer, deren Lebenswerk<br />

sich nur auf das Bauen von Häusern und das Einbringen von<br />

Kollekten beschränkt. Ganz anders und viel sachgerechter setzte<br />

der in Deilinghofen geborene Seminarlehrer und Heimatkenner<br />

Friedrich Schauff (1880-1965) aus der hier allseits bekannten Lehrerfamilie<br />

Schauff die Akzente, wenn er von Dümpelmann schrieb 2 :<br />

„Der bedeutendste Pfarrer Deilinghofens ist P. Dümpelmann (er war mit dem P.<br />

Abraham Strauß in Iserlohn und Zinzendorf befreundet. - s. das Stück 9 im Aktenband<br />

‘Kirche Deilinghofen’.) <strong>Unter</strong> ihm wurde das alte Kloster abgerissen und<br />

an seiner Stelle das jetzt alte Pastorat erbaut“.<br />

Zwar darf man auch diese Auskünfte Schauffs nicht allzu wörtlich<br />

nehmen, denn der 1741 geborene Gottfried Dümpelmann war keineswegs<br />

mit dem 1760 gestorbenen Grafen von Zinzendorf persönlich<br />

befreundet. Richtig aber ist, daß eine äußerst intensive Bindung<br />

an Herrnhuter Frömmigkeit unseren Dümpelmann ganz und gar<br />

prägte. Die zitierten Sätze Fritz Schauffs und Dokumente aus seinem<br />

Nachlaß, die wir danach im Frühjahr 1991 von Wilhelmine<br />

ne Sensation’ veröffentlicht wurde (zum Fund der Hemeraner Woeste-Chronik<br />

vgl. Friedhelm Treude in: Schl. 1/1970, S.1).<br />

2 Die folgenden Sätze von Fritz Schauff haben wir aus einer von ihm geschriebenen<br />

und vier DIN-A5-Seiten umfassenden handschriftlichen Chronik, die uns<br />

1989 Frau Hanna Schauff (Iserlohn), Fritz Schauffs inzwischen hochbetagt verstorbene<br />

Schwester, zukommen ließ. Titel dieser Arbeit: „Die kirchlichen Verhältnisse<br />

Deilinghofen“, Zitat dort: S.2.<br />

56


Eßbaum (Iserlohn) freundlicherweise geschenkt erhielten 3 , waren<br />

für uns der Ausgangspunkt, von wo aus unsere Aufmerksamkeit in<br />

eine sehr interessante Richtung gelenkt wurde:<br />

Wer war dieser Dümpelmann? Was hat es mit jenem Zinzendorfschen<br />

herrnhutischen Erbe auf sich, für das sich Dümpelmann in<br />

Deilinghofen und darüber hinaus engagierte? Wie stand unser<br />

Dümpelmann zu dem berühmten Iserloöner Pfarrer Johann Abraham<br />

Strauß (1754-1836)? Inwiefern war der Bau <strong>des</strong> Alten Pastorats<br />

in jener Zeit eine wichtige Sache? Und neugierig gemacht auf<br />

Dümpelmann hat uns schließlich auch ein kurzer Satz von Pastor<br />

Gobrecht, den er 1949 zur Deilinghofer Stephanuskirche schrieb 4 :<br />

„Es kann uns nicht ohne tiefen Eindruck lassen, zu wissen, daß unter den Steinplatten,<br />

auf denen wir stehen, die alten Adelsgeschlechter und der selige Pastor<br />

Dümpelmann dem jüngsten Tag entgegen=schlafen“.<br />

Wer also war dieser Pastor, von dem erzählt wird, daß er in der Kirche<br />

beerdigt liegt?<br />

Neben Schauffs genannten Akten gaben uns ortskirchengeschichtlichen<br />

Forschungen, die Herbert Schulte (Iserlohn) in seiner großen<br />

Pfarrerschronik zusammenstellte 5 , einen ersten guten Einblick in<br />

3 Eine wertvolle Mappe aus dem Nachlaß <strong>des</strong> in Deilinghofen geborenen späteren<br />

Seminarlehrers und Wuppertaler Rektors erhielten wir dankenswerterweise im<br />

März 1991 im Zusammenhang mit der großen kirchengeschichtlichen Ausstellung<br />

in Deilinghofen von Frau Lehrerin Wilhelmine Eßbaum, die mit Hanna<br />

Schauff sehr engen Kontakt hatte. Die Mappe umfaßt 23 numerierte heimatkundliche<br />

bzw. ortskirchengeschichtliche Sammelstücke, u.a. das im vorigen Zitat von<br />

Fritz Schauff angegebene „Stück Nr. 9“, das auf 11 Schreibmaschinenseiten<br />

Texte zu Dümpelmann (und u.a. Pastor Johann Abraham Strauß) bietet, auf die<br />

wir im Folgenden zurückkommen werden. Erwähnenswert ist hier, daß die<br />

Schauffs familiär und glaubensmäßig mit der Familie Rentzing-Alberts (Sundwiger<br />

Mühle) und dem dort bis nach dem 2. Weltkrieg tagenden Kreis der von<br />

Herrnhut Geprägten verbunden waren.<br />

4 Carl Gobrecht, Die St. Stephanuskirche von Deilinghofen, in der von Pastor<br />

Alfred Ravenschlag hg. kleinen Festschrift: Ein Gruß- und Erinnerungswort zur<br />

40-jährigen Gründungs-Feier der Evangelischen Frauen-Hilfe am 27.Februar<br />

1949, Hemer 1949; der Gobrecht-Aufsatz, in dem sich das Zitat findet, umfaßt<br />

dort die erste Druckseite <strong>des</strong> Heftes.<br />

5 H.Schulte III (vgl. Literatur-Verzeichnis).<br />

57


Leben und Werk <strong>des</strong> Deilinghofen Pfarrers Nr.10. Viele weitere<br />

wichtige theologische und historische Informationen über unseren<br />

Dümpelmann bot ferner die 1948 maschinenschriftlich erschienene<br />

theologische Dissertation <strong>des</strong> aus Hemer stammenden Pfarrers<br />

Siegfried Schunke über die Bedeutung der Herrnhuter in der Grafschaft<br />

Mark 6 .<br />

Aber damit hatte für die Herausgeber das ‘Dümpelmann-Fieber’<br />

erst begonnen. Weitere wichtige Funde bei einer Forschungsreise<br />

im Archiv der Brüder-Unität Hernnhut in der Oberlausitz, im<br />

Staatsarchiv Münster sowie im Burg-Archiv Iserlohn ergänzten das<br />

Bild, wobei weitere Materialien aus Neuwied (vom dortigen Archiv<br />

der Herrnhuter Brüdergemeine) das Ganze abrundeten, aber auch<br />

6 Siegfried Schunke, Beziehungen der Herrnhuter Brüdergemeine zur Graf-schaft<br />

Mark, Inaugural-Dissertation zur Erlangung <strong>des</strong> Doktor-Gra<strong>des</strong> der Evangelisch-<br />

Theologischen Westfälischen Lan<strong>des</strong>-Umiversität zu Münster, 1948, Promotion<br />

und Datum <strong>des</strong> Doktor-Diploms 22. Februar 1949, 154 Seiten maschinenschriftlich<br />

(Kopie der Ausgabe, die an der Universitätsbibliothek Münster archiviert ist;<br />

jetzt in Kopie auch vorhanden beim Stadtarchiv Hemer; diese Version wird bei<br />

uns als Schunke zitiert). Eine zweite Version dieser Arbeit, die aber nur 145<br />

Seiten umfaßt, ist, unter der Signatur W IV 72/1 am theologischen Fachbereich<br />

der Universität Münster im Institut für Westfälische Kirchengeschichte vorhanden.<br />

Eine Kopie dieser Arbeit stellte uns Herr Friedrich Wilhelm Bauks (Münster),<br />

der beste Kenner westfälischer Pfarrer-Bio-graphien, dankenswerterweise<br />

zur Verfügung. Neben Herrn Bauks haben wir Herrn Dr. Georg Gudelius (Gießen),<br />

dem Ex-Schulleiter <strong>des</strong> Woeste-Gymna-siums Hemer, zu danken, der uns<br />

durch seine diversen Schlüssel-Aufsätze zum Thema Herrnhut und Hemer und<br />

durch fernmündliche Auskünfte viele Anregungen gab und uns auch auf Schunke<br />

brachte. Gudelius zitiert in seinen Aufsätzen übrigens - im Gegensatz zu uns - die<br />

zweitgenannte Schunke-Version. - Telefonisch erfuhren wir von Pfr.i.R. Dr.<br />

Schunke kurz vor seinem Tode aus Esens, seinem Alterssitz, wie sehr er sich mit<br />

Deilinghofen und mit Pastor Gobrecht als junger Theologe verbunden gefühlt<br />

hatte: Er habe dort vor seiner Ordination in der Stephanuskirche im Auftrag<br />

Gobrechts die allererste Predigt seines Lebens gehalten, eine nicht sonderlich<br />

geglückte Weihnachtspredigt. Außerdem habe er durch Zufall, als der Kirchenofen<br />

einmal defekt war in jener Zeit, mit Gobrecht, seinem väterlichen Freund<br />

zusammen, das Abbrennen der Stephanuskirche in letzter Minute verhindern<br />

können. Er meinte am Telefon wörtlich: „Daß die Kirche noch steht, haben Sie<br />

Gobrecht und mir zu verdanken!“<br />

58


ausweiteten. Nicht zu vergessen die Harald Korsch-Ger<strong>des</strong> maßgeblich<br />

zu verdankende erneute sorgsame Durchsicht <strong>des</strong> Deilinghofer<br />

Kirchenarchivs 7 . Das Gesamtergebnis aller dieser Recherchen<br />

soll später einen größeren kirchenhistorischen Aufsatz oder ein<br />

separates Buch ergeben, in dem die Herrnhuter Erweckungsbewegung<br />

und der Zinzendorfsche Einfluß im Raum Hemer, Sundwig,<br />

Westig, Deilinghofen und Iserlohn von 1740 bis in die Mitte <strong>des</strong><br />

19. Jahrhunderts nachgezeichnet wird.<br />

Kurzum: Große Mengen von Archiv-Staub haben wir durcheinandergewirbelt,<br />

um Pastor Dümpelmann auf die Spur zu kommen.<br />

Das Interessante aber dabei ist, daß Gottfried Wilhelm Andreas<br />

Dümpelmann kein bißchen angestaubt ist, daß da viel Frisches und<br />

Unverstaubtes ans Licht kam, was wir hier - der Zielsetzung der<br />

<strong>BDKG</strong> entsprechend - so allgemeinverständlich wie möglich einem<br />

breiteren Leserkreis in Deilinghofen und ringsum erzählen wollen.<br />

Die angedeutete Materialfülle legt uns dabei von vornherein Beschränkungen<br />

auf: Vollständigkeit ist mitnichten angestrebt. Es<br />

geht lediglich um sachgerechtes und zusammenhängen<strong>des</strong> Erzählen,<br />

in der von der Faszinationskraft dieses Dümpelmann ein wenig<br />

‘rü-berkommt’.<br />

Dabei wird im nachfolgenden 2. <strong>Unter</strong>abschnitt von Dümpelmanns<br />

ganz jungen Jahren (1741 bis 1765) und von seinem ‘Vätererbe’<br />

berichtet, bevor im 3. <strong>Unter</strong>abschnitt die ersten Deilinghofer Amtsjahre<br />

(ab 1765) dargestellt werden. Schwerpunktmäßig geht es da<br />

um Pastor Dümpelmann als Deilinghofer ‘Heimatfreund’, der in<br />

diesem Dorf das interessanteste Wohnhaus errichtete, das heute<br />

7 Harald Korsch-Ger<strong>des</strong>’ höchst umfangreiche Recherchen im hiesigen Kirchenarchiv<br />

(vgl. auch S.55 A.1) brachten als Ergebnis zu ‘Dümpelmann als Pietist<br />

bzw. Herrnhuter’ eine erstaunliche Enttäuschung: Die mannigfaltigen heimischen<br />

Akten aus der Dümpelmann-Zeit geben zu diesem wichtigen Aspekt kaum etwas<br />

her; da sind wir auf Archivmaterial aus der Brüdergemeine und auf weiteres<br />

Schrifttum von dorther angewiesen. Allerdings lassen sich dann - auf dem Hintergrund<br />

von Schrifttum von und zu Herrnhut - von den auch im Deilinghofer<br />

Archiv auftauchenden Namen her (Rentzing, Stürmann usw.) manchmal indirekte<br />

interessante Rückschlüsse ziehen und Querverbindungen herstellen.<br />

59


denkmalsgeschützte Alte Pastorat (das mit seinem schönen Fachwerk<br />

Deilinghofen heute wieder und immer noch zur Zierde gereicht),<br />

und der darüber hinaus hier am Ort andere interessante<br />

‘Denkmäler’ hinterließ, auf die wir kommen werden. Der 4. <strong>Unter</strong>abschnitt<br />

behandelt dann die ‘mittlere Zeit’ Dümpelmanns in Deilinghofen,<br />

den Zeitraum der 70er Jahre bis 1782. Vor allem da sein<br />

zur Blüte kommen<strong>des</strong> bemerkenswertes Wirken als Pastor herrnhutischer<br />

und Zinzendorfscher Prägung (das reichte von Deilinghofen<br />

und Sundwig bis in die Niederlande!) hat uns im Blick auf diesen<br />

Zeitraum besonders zu beschäftigen. Schließlich - last not least -<br />

kommen wir (auf dem Vorangehenden aufbauend) im 5. <strong>Unter</strong>abschnitt<br />

über die letzten Amtsjahre 1782 bis 1791 auf das enge Verhältnis<br />

Dümpelmanns zu Pastor Johann Abraham Strauß zu sprechen,<br />

dem großen Iserlohner Pfarreroriginal, und auf das viel zu<br />

frühe Ende, daß der (im Doppelsinn!) ‘große Erbauer der Gemeinde’<br />

Gottfried Dümpelmann in seinem Alten Pastorat fand.<br />

2. Vätererbe und Vatererbe. Zu Dümpelmanns jungen Jahren<br />

(1741 bis 1765)<br />

Die Chronik von 1700 bis 1765 im Einleitungsteil dieses Heftes der<br />

„Blätter“ hat es zum Jahr 1741 bereits angeführt: Im Haus <strong>des</strong> damals<br />

30jährigen Pfarrers von Hemmerde, Johann Caspar Dümpelmann,<br />

und seiner Ehefrau Catharina Elisabeth geb. Meyer wurde<br />

am 21. Juli 1741 zum ersten Mal Taufe gefeiert! Der ‘Stammhalter’<br />

war da; zwei Tage zuvor hatte das „Söhnlein“ - so schrieb der stolze<br />

Vater in das Hemmerder Kirchenbuch - in jenem Pfarrhaus das<br />

Licht der Welt erblickt. Gleich zwei Pastoren waren bei jener Taufe<br />

8 zugegen; der Vater natürlich und sein enger Vertrauter, Amtsbruder<br />

und Kampfgefährte Johann Gottfried Westhoff aus dem<br />

Nachbarort Bausenhagen bei Fröndenberg. Westhoff durfte nicht<br />

nur Taufpate sein für das Dümpelmann-Baby. Er konnte auch sicherlich<br />

mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, daß der Kleine sei-<br />

8 Vgl. das in der Chronik zu 1741 im Blick auf die Taufe Dargestellte.<br />

60


nen Vornamen als Rufnamen erhielt: Gottfried Dümpelmann; der<br />

zweite und dritte Vorname entstammte dem anderen Taufpaten, den<br />

Pastor Dümpelmann im Kirchenbuch nannte: „mein Schwager Wilhelm<br />

Andreas“. Mit diesen wenigen Zeilen zur Taufe <strong>des</strong> Gottfried<br />

Wilhelm Andreas Dümpelmann sind wir direkt mitten drin in der<br />

Geschichte der Herrnhuter Brüdergemeine in der Grafschaft Mark.<br />

Denn zwei der vier ‘Hauptsäulen’ dieser Bewegung, eben Dümpelmann<br />

aus Hemmerde und Westhoff aus Bausenhagen, waren bei der<br />

Taufe <strong>des</strong> kleinen Jungen anwesend und sollten im Weiteren die<br />

Hauptverantwortung für die christliche Erziehung und die geistliche<br />

Prägung dieses Kin<strong>des</strong> übernehmen. Schunke hat in seiner Dissertation<br />

gezeigt, welch eine exponierte Stellung das Pfarrergespann<br />

Dümpelmann/Westhoff innerhalb der märkischen Pfarrerschaft<br />

innehatte; die beiden wurden zusammen mit Dümpelmanns<br />

Freund und Bun<strong>des</strong>genossen, dem Hemeraner Pfarrer Johann Diedrich<br />

Angelkorte, und <strong>des</strong>sen geistlichen Vater, dem Solinger Pfarrer<br />

Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (der vor Angelkorte in Hemer<br />

war) oft in einem Atemzug genannt 9 . Man muß sich vor Augen<br />

führen, in welch einem geistlichen ‘Klima’ Gottfried Wilhelm Andreas<br />

Dümpelmann in jenem Hemmerder Zuhause aufwuchs.<br />

Der Vater war ein sehr engagierter und reger Pfarrer, dem es um<br />

Erweckung der Gemeinde zu tun war. Da suchte er nach neuen<br />

Wegen und steckte manchmal nach Meinung von einigen im Dorf<br />

‘sei-nen Kopf zu forsch aus dem Fenster hinaus’. Der Protestbrief<br />

Hemmerder Bürger an den Preußischen König, 1740 kurz vor der<br />

Geburt Gottfrieds abgeschickt 10 , ist diesbezüglich ein beredtes<br />

Zeugnis. Es war diesen Hemmerder Dorfleuten ein Greuel, daß ihr<br />

Pfarrer Dümpelmann (sen.) seine geistliche Pflicht zu ernst nahm:<br />

eine besondere Schwurformel der zu konfirmierenden Kinder, genaues<br />

Erfragen persönlicher Sünden, auch der sexuellen, vor der<br />

9 Was Dümpelmann sen. angeht, vgl. in der vorangestellten Chronik zu 1711,<br />

1740,1741,1743,1747,1748 und zu 1751; im Blick auf Westhoff ebd. zu 1711,<br />

1741,1743,1746,1747 und zu 1748 (oder vgl. Personennamen-Register).<br />

10 Vgl. zum Folgenden auch in der vorangestellten Chronik zu 1740.<br />

61


Beichte und vor dem Abendmahlsempfang, all das gefiel ihnen<br />

nicht, ganz zu schweigen von Dümpelmanns Verhalten an Sterbebetten,<br />

wo der Hemmerder Pfarrer genausowenig die heute noch<br />

übliche allversöhnlerische Wattebausch-Seelsorge (‘Der Herrgott<br />

wird schon ein Auge zudrücken!’) zu treiben gewillt war. Typisch<br />

auch für den Vater Dümpelmann ist das, worüber sich jene Hemmerder<br />

Dorfleute in ihrem Schreiben an den preußischen König<br />

entrüsteten: Ihr Pfarrer konnte es 11<br />

„nicht unterlassen, bei Austeilung <strong>des</strong> h. Abendmahls die ungewöhnliche und<br />

hiesiger Orten niemals in usu gewesene Formel bei der Darreichung: ‘Bekehret<br />

euch!’ aus einem nichtigen Fundamente einzuführen“.<br />

11 Theodor Wotschke, VI. Urkunden zur westfälischen Kirchengeschichte, in:<br />

Jahrbuch <strong>des</strong> Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, 40./41 (1939/40),<br />

S.209-293; dort als Nr.64 der Brief „Gemeinde Hemmerde an den König“ S.268-<br />

272, Zitat S.270.<br />

62


Die ‘Taufkirche’ Gottfried Dümpelmanns in Hemmerde, dem zentralen Wirkungsort<br />

der Freunde Herrnhuts. Gottfrieds Vater und sein Bruder waren in dieser Kirche Pfarrer.<br />

Auf dem Hintergrund von alledem braucht es nicht viel Phantasie<br />

dazu, sich vorzustellen, daß es natürlich auch im Elternhaus <strong>des</strong><br />

kleinen Gottfried diesen Frömmigkeitsstil als ein ungemein prägen<strong>des</strong><br />

Element in der Erziehung gab. Als der Kleine anderthalb<br />

Jahre alt war, erhielt er ein Brüderchen, das - am 16.Januar 1743<br />

geboren - auf den Namen Johann Gisbert getauft wurde. Auch von<br />

Johann Gisbert Dümpelmann wissen wir, daß er sehr deutlich in<br />

die Fußstapfen seines von Herrnhut her geprägten Vaters trat: Er<br />

wurde später <strong>des</strong>sen Amtsnachfolger in Hemmerde und trug wesentlich<br />

mit dazu bei, daß neben dem Raum Hemer das Dorf Hemmerde<br />

für die Herrnhuter Bewegung in der Mark mehr und mehr<br />

ein ganz zentraler und missionarisch bedeutsamer Ort wurde Wir<br />

wissen ja bereits aus der einleitenden Chronik 12 , daß z.B. ziemlich<br />

bald nach der Ge-burt <strong>des</strong> zweiten Dümpelmann-Sohnes Johann<br />

Gisbert ‘hoher Besuch’ im Jahr 1743 ins Hemmerder Pfarrhaus<br />

kam: Johann Gangolf Wilhelm Forstmann höchstselbst hatte sich<br />

auf die Wanderung begeben und von Solingen aus erst den Hemeraner<br />

Freund und Amtsnachfolger Angelkorte besucht (was<br />

übrigens einen Gegenbesuch von <strong>des</strong>sen Aufenthalt in Solingen<br />

sechs Wochen zuvor zusammen mit Stephan Diedrich Rentzing aus<br />

Sundwig darstellte). Vom Freund in Hemer ging es stracks zu den<br />

beiden anderen wichtigen Gesinnungsgenossen: zuerst nach Bausenhagen<br />

zum genannten Taufpaten Gottfrieds Dümpelmanns, dem<br />

12 Vgl. oben in der Chronik zu 1743.<br />

63


dem dortigen Pfarrer Westhoff, und von da zielstrebig „weiter auf<br />

Hemmerde ... zu Pastor Dümpelmann“ (bei<strong>des</strong> am 3. März 1743) 13 .<br />

Gut kann man sich vorstellen, daß der kleine Gottfried schon von<br />

frühester Kindheit an wußte, wer die wichtigsten Streiter für das<br />

Reich Gottes waren, wie sein Vater sie schätzte. Zusammen mit<br />

dem Vatererbe war ihm das ‘Vätererbe der Herrnhuter Brüdergemeine’<br />

gleichsam in die Wiege gelegt. Und was für einen Forstmann<br />

galt, galt sicherlich umso mehr in jenem Hemmerder Pfarrhaus<br />

für die verehrungswürdige Gestalt <strong>des</strong> Grafen Zinzendorf, den<br />

ja ein Forstmann und viele andere Christen, die im Sinne Herrnhuts<br />

geprägt waren, zärtlich ‘Papa’ nannten. Weiter können wir uns lebhaft<br />

vorstellen, daß etwa die Hemeraner Querelen um Pastor Angelkorte<br />

1751 mit seiner drohenden Amtsenthebung und seinem direkt<br />

darauffolgenden plötzlichen Tod wohl schon ins Bewußtsein dieses<br />

in-zwischen zehnjährigen Kin<strong>des</strong> Gottfried Dümpelmann dringen<br />

konnten. Immerhin hatte ja Gottfrieds Vater die Trauerrede in Hemer<br />

gehalten, eben jene Rede, die dann gedruckt nach London zum<br />

Grafen Zinzendorf geschickt wurde 14 .<br />

Nicht minder interessant ist es, den Studiengang <strong>des</strong> jungen Gottfried<br />

Dümpelmann nachzuverfolgen. Im großen Pfarrerbuch von<br />

Bauks 15 lesen wir, daß das Theologiestudium dieses späteren Deilinghofer<br />

Pfarrers mit seiner Immatrikulation am 7.November 1757<br />

an der (N.B. reformierten) Fakultät in Duisburg begann, und daß er<br />

- wie alle märkischen Pfarrer damals - an der theologischen Fakultät<br />

der Universität Halle an der Saale zu studieren hatte, wo sich<br />

nach Bauks unser Dümpelmann am 2.Mai 1759 immatrikulierte -<br />

übrigens genau einen Tag vor dem Tod <strong>des</strong> großen Forstmann in<br />

Solingen. In Halle blieb der stud.theol. Gottfried Dümpelmann zwei<br />

Jahre lang im Studium. Das letzte halbe Hallenser Jahr studierte<br />

Gottfried dort mit seinem jüngeren Bruder zusammen, dem oben<br />

genannten Johann Gisbert.<br />

13 Belegstelle oben in der Chronik zu 1743.<br />

14 Vgl. zu all dem die vorangestellte Chronik zu 1751.<br />

15 Bauks, S.107, Nr.1371.<br />

64


Zwischen den Studienstationen Duisburg und Halle soll Gottfried<br />

Dümpelmann (bis 1759) nach Schunke noch in Berlin studiert haben,<br />

wie aus einem heute nicht mehr vorhandenen Berliner Akademie-Zeugnis<br />

aus dem Deilinghofer Kirchenarchiv hervorging 16 .<br />

Leider ist ebenso das Zeugnis (vom 26.April 1761), das der große<br />

Hallenser Theologe der Aufklärungszeit, Johann Salomo Semler<br />

(1725-1791), unserem Dümpelmann ausstellte, trotz langen Suchens<br />

im hiesigen Kirchenarchiv heute nicht auffindbar. Kurz nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg hatte Siegfried Schunke dieses bemerkenswerte<br />

Dokument aus dem Deilinghofer Archiv in Händen, und<br />

Schunke zitiert in seiner theologischen Doktorarbeit, was der große<br />

Semler in lateinischer Sprache über den theologischen Schüler<br />

Dümpelmann zu berichten hatte 17 .<br />

Immerhin kann man sich leicht vorstellen, daß der fromme junge<br />

Dümpelmann als Student bei dem aufklärerisch ausgerichteten Johann<br />

Salomo Semler, diesem Gelehrten von hohem Rang, oft in<br />

Glaubensnot kam und sicherlich diese wissenschaftliche Theologie<br />

häufig als Anfechtung erlebte. Einige Jahre danach studierte Johann<br />

Abraham Strauß beim gleichen Semler in Halle, und von<br />

Strauß, Dümpelmanns späterem Iserlohner ‘Busenfreund’ und<br />

Kampfgefährten, haben wir ein Selbstzeugnis, das andeutet, daß es<br />

für fromme Studiosi schwer war, unbeschränkt durch die Hallenser<br />

Einflüsse, die von Semler ausgingen, hindurchzukommen 18 .<br />

16 S.o. in der Chronik zu 1759-1761.<br />

17 Schunke, S.162: „Decanus, Senior et ceteri Professores orinis Theologici in<br />

Regia Friedericiana Sequentibus Salutem!<br />

Godofr. Wilhelm Andreas Dümpelmann Hemmerde Marc. quo phiol. beiennium<br />

hic apud nos ita vixit, ut nihil nobis de eo innotuerit,quod a vita honest ratione<br />

abhorreret. Interfuit etiam assiduus auditor Lectionum quorundam ex nostro<br />

ordine ex quibus ad multum emolumenti ad se aliosque referat, optamus eumque<br />

hortamus ut eum augendae cognitionis Studio ingenuam pietatem vita semper<br />

conjugat. Dab. Hala d 26ten April 1761<br />

Joh. Salomo Semler<br />

ordin Theol : ha T.A.Decan.“.<br />

18 Vgl. Frommel, S.50.<br />

65


Nach dem Examen kam Gottfried Dümpelmann nach Deilinghofen.<br />

Das Kirchenbuch vermerkt: Er „wurde 1765 einhellig zum hiesigen<br />

Prediger erwählet und d. 30ten May a.c. ordinirt“. Auch Dümpelmanns<br />

Deilinghofer Berufungsurkunde lag Schunke noch vor, und<br />

er zitierte daraus 19 ; sie ist wie das genannte Semler-Zeugnis und das<br />

Berliner Zeugnis inzwischen aus unserem Archiv verschollen.<br />

Die skandalöse Affäre <strong>des</strong> Amtsvorgängers Mollerus III (angeblich<br />

Ehebruch und Verbrennen <strong>des</strong> Pfarrarchivs) lag in Deilinghofen<br />

nun weit über ein Jahr zurück. Der blutjunge, knapp 24jährige<br />

Theologe Dümpelmann hatte sicherlich einen schwierigen Start im<br />

Dorf am Felsenmeer. Hinzu kam die Belastung, daß es in jener Zeit<br />

Beschwerden um den Deilinghofer Küster und Lehrer Caspar<br />

Diedrich Schnetger gab, der jedenfalls in seiner Eigenschaft als<br />

Schulmeister offenbar ungeeignet war. So wurde gleich auf der<br />

ersten märkischen Synode (am 9./10.Juli 1765 in Hagen), an der<br />

„H.Dümpelmann“ als „novit(ius)“ im Protokoll vermerkt wurde,<br />

das Schnetger-Thema offiziell aufgegriffen 20 . Die Akten der Synode<br />

vermelden, daß „deputati <strong>des</strong> Deilinghofischen Consistoriums<br />

gegen den Schulmeister Schnetger wegen offenbarer neuerlicher<br />

Ärgerniße Klage führen“ 21 . Zwei Jahre später, im Juli 1767, dauern,<br />

wie ebenfalls die Synodalakten belegen 22 , diese Klagen <strong>des</strong> Deilinghofer<br />

Consistoriums (= Presbyteriums) im Blick auf Schnetger<br />

19<br />

Schunke, S.100: Dümpelmann habe „‘Gottes heiliges Wort, inhalts der prophetischen<br />

und apostolischen Schriften, der ungeänderten augsburgischen Confession<br />

und allen übrigen in unserer Evangelisch-Lutherischen Kirche recipierten<br />

symbolischen Bücher gemäß rein und unverfälscht’ zu lehren und zu predigen...,<br />

‘die heiligen Sakramente nach Christi Einsetzung [zu] verwalten, [und zu] catechisieren’<br />

... Weiter habe er den Kranken und Trostbedürftigen ohne Ansehen der<br />

Person und <strong>des</strong> Stan<strong>des</strong> Trost zu spenden und sie treulich zu besuchen, alles zu<br />

tun, ‘was eines getreuen und aufrichtigen Evangelischen Predigers und Seelenhirten<br />

Amt mit sich führet, und wie es an jenem Tage vor dem Erzhirten Jesu Christo<br />

wird zu verantworten sein’“.<br />

20 Göbell I, Zitat S.366; das Schnetger-Thema in §7, S.369f.<br />

21 Göbell I, S.369.<br />

22 Vgl. Göbell I, S.385.<br />

66


noch an. Er wurde 1767 als Deilinghofer Lehrer amtsentsetzt, blieb<br />

aber weiter Küster und Organist.<br />

3. Aus Dümpelmanns ersten Amtsjahren von 1765 bis in die<br />

70er Jahre: Zum Baubeginn am Alten Pastorat und zu einigen<br />

weiteren bis heute heimatgeschichtlich interessanten Ereignissen<br />

aus der frühem Amtszeit in Deilinghofen<br />

Kehren wir zurück nach 1765 ins erste Amtsjahr Gottfried Dümpelmanns<br />

am neuen Wirkungsbereich Deilinghofen. Der junge<br />

Pfarrer, zeitlebens Junggeselle, war mit seiner Schwester gekommen,<br />

der „Jfr. Louisa Ernestina Dümpelman“, wie sie bereits als<br />

Patin am 5.August 1765 in unserem Kirchenbuch in einem Taufeintrag<br />

genannt wird; später taucht im Kirchenbuch als zweite hier<br />

wohnende Dümpelmann-Schwester Catharina Elisabeth Dümpelmann<br />

häufiger auf . Wo die Geschwister zuerst wohnten, ist nicht<br />

ganz klar, da sich das Domizil, in dem der Pfarrer unterkommen<br />

sollte, bei Amtsantritt in <strong>des</strong>olatem Zustand befand.<br />

Dazu muß man sich zur Baugeschichte <strong>des</strong> Alten Pastorats Folgen<strong>des</strong><br />

vor Augen halten: Wie wir in „Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte“,<br />

Heft 2, vermerkten, war es 1655 Pastor Hülshoff<br />

gewesen, der als erster evangelischer Pfarrer den Vorgängerbau <strong>des</strong><br />

heutigen Alten Pastorats als Wohnhaus bezog 23 . Dieses Vorgängerhaus<br />

war eben das mysteriöse frühere ‘Nonnenkloster’ oder der<br />

‘Nonnenhof’, wie er auch bezeichnet wurde, jenes Haus, in dem<br />

bis in den Dreißigjährigen Krieg Nonnen (waren es schon schon<br />

evangelische?) gelebt haben sollen bis zum Pestjahr 1636, als die<br />

Insassinnen von der Seuche dahingerafft sein sollen. Diese Fragen<br />

der grauen Vorzeit lassen wir hier auf sich beruhen im Wissen, daß<br />

es zu diesen Fragen zwar Hypothesen und Spekulationen, aber bislang<br />

keine beweiskräftigen Quellen gibt.<br />

23 <strong>BDKG</strong> 2, S.42.<br />

67


Das alte Pastorat von der Sparkasse aus (rechts das Viehhaus)<br />

Was sicher ist: Nach Hülshoff nutzten die drei Mollerus-Pfarrer<br />

diesen Nonnenhof in den Jahren ab 1680 für über acht Jahrzehnte<br />

als ihr Pfarrhaus. Aus unserer vorangestellten Chronik geht bereits<br />

hervor, daß - wie die von Pastorin Sigrun Valentin-Bette aufgefundene<br />

Balkeninschrift belegt - Mollerus I im Jahr 1718 die untere<br />

Stube ausgebaut und Mollerus II 1744 die oberste Kammer verfertigt<br />

hatte. 1756 ließ Mollerus III das Viehhaus <strong>des</strong> Predigers wieder<br />

aufrichten, statt <strong>des</strong> damals abgebrochenen. Dieses Viehhaus ist<br />

heute der zur Pastoratstraße hin sichtbare ‘Vorbau’ mit der schönen<br />

Deele, über <strong>des</strong>sen Tor die Gebrüder Bär 1991 im Zuge ihrer Renovierung<br />

die heutige Inschrift angebracht haben.<br />

68


Die neue Balkenunschrift (während der Renovierung von 1991)<br />

Als aber unser Dümpelmann nach Deilinghofen kam, war das<br />

Viehhaus mehr schlecht als recht fertig: „nichts weiteres als ein<br />

Dach und Fach nebst einem Beschuß <strong>des</strong> Pferdefutterboden und<br />

eine Tür dafür und eine für Pferde und Kuhställe“, während das<br />

Hauptgebäude „auseinander-gewichen“ war und „einstürzen“ wollte.<br />

Erst einmal wurde für Dümpelmann das Viehhaus „zum einstweiligen<br />

Aufenthalt <strong>des</strong> Predigers und seines Gesin<strong>des</strong> zurechtgemacht“<br />

24 .<br />

Wenn wir heute am Viehhaus <strong>des</strong> Alten Pastorats auf der Inschrift<br />

lesen: „1765 Pastorat“, so deutet die Jahreszahl auf das Hierherkommen<br />

<strong>des</strong> entscheidenden Umgestalters <strong>des</strong> Alten Pastorats<br />

hin:Vom Vorgänger-Pastorat, dem ‘Nonnenkloster’, wurde unter<br />

Dümpelmann 1768 alles abgerissen. Nur der frühere Anbau - das<br />

Viehhaus - wurde nach 1765 Dümpelmanns erstes Domizil und<br />

damit sozusagen die Keimzelle <strong>des</strong> ‘neuen’ Alten Pastorats.<br />

Im Blick auf Bauverlauf und Baufinanzierung <strong>des</strong> Alten Pastorats<br />

ist die Quellenlage im Deilinghofer Kirchenarchiv ausgesprochen<br />

gut. Uns liegen weit über hundert Handwerkerrechnungen vor, aus<br />

denen man ableiten kann, wie das Werk im Einzelnen vor sich ge-<br />

24<br />

Alle drei Zitate nach: Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte N14, Bd.1: Rechnungen<br />

und Belege zum Bau <strong>des</strong> Pfarrhauses 1768-1789, dort die Beantwortung<br />

eines Monitoriums <strong>des</strong> Landgerichts Altena von 1788, Pastorathaus-Baurechnungen<br />

betreffend. Dieses Schriftstück wurde von Dümpelmann am 24.Januar<br />

1789 im Konzept erstellt, aber erst nach seinem Tod am 7.Juni 1796 vom Amtsnachfolger<br />

Müller übersandt Wohl bezeichnend für Dümpelmanns Spätzeit ist,<br />

daß Dümpelmann das Schreiben nie abgeschickt hatte.<br />

69


gangen ist. Den Inhalt einiger der interessanteren Rechnungen 25<br />

möchten wir dem Leser hier vor Augen führen:<br />

20.Dezember 1766 Lieferung von 29.118 Nägeln unterschiedlichster Sorte von<br />

Johann Diedrich Rentzing aus Heppings Kotten in Sundwig (wohlgemerkt dem<br />

Sohn <strong>des</strong> großen Förderers der hiesigen Brüdergemeine, Stephan Diedrich Rentzing,<br />

1704-1792, der in der Chronik bereits vorkam und uns später noch ausführlich<br />

beschäftigen wird);<br />

5.April 1767 kaufte der Schulte zu Riemke in Rödinghausen 3057 Fuß Eichenbretter;<br />

am 28.Juni 1768 Kontrakt mit dem Maurermeister Evert Schweppert wegen<br />

Erbauung und Mauerwerk <strong>des</strong> Pastorat-Hauses;<br />

2.Juli 1768 „Maurer Ribbeau“ und „einem Franzosen für Anlegung einer Hecke<br />

um den Pastorath Garten gezahlet 2 Rthl. 30 st“;<br />

20.Januar 1769 Rechnung Diedrich von Diecken wegen Zimmerlohnes; derselbe<br />

arbeitete dann vom 11. August 1769 bis zum 3. November 1771 136 Tage<br />

am Pastorat und wurde laut Beleg von Dümpelmann beköstigt;<br />

„1769 bezahlte mir der Herr Dümpelmann zu Deilinghofen für 4 behauene<br />

Steine zum Feuer an den Schornstein und zwey Nasensteine, da der Hohlbaum<br />

auflieget, so veraccordirt ist mit 5 Reichsthaler Cassengeld, so ihm hiermit quittiere<br />

Hemmerde, den 7ten Mertz 1772 Peter Steinheuer [?, letzteres schlecht<br />

leserlich]“;<br />

15.Juni 1771 Rechnung über Lieferung von 19 Wagen Schiefer von Antfeld;<br />

nachträgliche Eigenquittung Dümpelmanns vom 5.Juli 1772: „Daß mir die für<br />

Bier und Brantwein beym Hausaufrichten ausgelegten 16 st. fordere“ und „für die<br />

Steine zum Herdfeuer von Hemmerde Amts Unna zu holen 1.12 [Rth.]“;<br />

März 1788 hat das „Mauerwerk durch Schlagreg gelitten“ (Auseinandersetzung<br />

mit Rechnung Schwepperts von 1777, der schlecht gearbeitet habe).<br />

25 Alle im Folgenden aufgeführten Handwerkerrechnungen sind enthalten in der<br />

Akte, die S.69 A.24 genannt wurde.<br />

70


Dümpelmanns Schmierzettel auf der linken Seite eines seriösen Dokuments<br />

Bis hin zum Bier und Schnaps beim Richtfest <strong>des</strong> Alten Pastorats<br />

reicht also das Spektrum der heute noch vorliegenden Handwerkerrechnungen.<br />

Sogar ein Schmierzettel Dümpelmanns ist darunter,<br />

auf dem er das „D“ seiner <strong>Unter</strong>schrift mit der Feder schwungvoll<br />

übte und offenbar mit schwerem Kopf und zittriger Hand Additionen<br />

(wohl spätabends) vorgenommen hatte (vgl. Abb, vorige Seite).<br />

Die Rechnungen sind eine kulturgeschichtlich sehr reizvolle Quelle,<br />

aus welcher sich der Vorgang damaligen Häuserbauens gut rekonstruieren<br />

läßt; sie sollten später in einem eigenen heimatgeschichtlichen<br />

Aufsatz genauer unter die Lupe genommen werden.<br />

Für uns reicht folgen<strong>des</strong> Fazit: Im Frühsommer 1768 riß Dümpelmann,<br />

wie aus dem Gesamtbestand der Rechnungen hervorgeht,<br />

das Vorgängerpastorat ab. Anschließend begann der Maurermeister<br />

mit seinen Arbeiten. Während <strong>des</strong> Jahres 1769 wurde das Bruchsteinmauerwerk<br />

errichtet. Ende 1769 bis 1770 begann man mit dem<br />

Fachwerk über dem Bruchsteinteil <strong>des</strong> Hauses. Schiefer wurde<br />

1769 geliefert. Danach vollzog sich der Innenausbau. Spätestens<br />

1772 dürfte das Haus provisorisch bewohnbar gewesen sein. Sein<br />

71


Leben lang hat Dümpelmann an diesem Haus weitergebaut; bis zu<br />

seinem Ende gingen Fertigstellungs- und Reparaturarbeiten ineinander.<br />

Interessant ist, nachzuvollziehen, woher das Geld kam, das die<br />

Gemeinde und ihr Pastor für diesen Hausbau aufzubringen hatten.<br />

Dazu muß man wissen, daß das Alte Pastorat zur Hälfte aus vorhandenen<br />

Kirchenmitteln und zur anderen Hälfte über zu erbringende<br />

Beiträge der Gemeinde (Holzlieferungen, Hand- und Spanndienste)<br />

zu finanzieren war.<br />

In der Praxis sah das so aus: Nach dem Siebenjährigen Krieg war<br />

die Deilinghofer Gemeinde bitter arm, und Dümpelmann, der die<br />

Bauleitung hatte, mühte sich, die Finanzierung auf die Reihe zu<br />

bekommen. Zunächst konnte er die Lan<strong>des</strong>regierung in Kleve dazu<br />

bewegen, Kollekten zugunsten seiner Kirchengemeinde zu genehmigen.<br />

Aus den Bauernschaften <strong>des</strong> Kirchspiels Deilinghofen wurde<br />

20 Reichstaler gesammelt, weitere 150 Reichstaler kamen von<br />

den Kirchengemeinden der näheren und weiteren Umgebung zusammen<br />

(aus Hemer, Iserlohn-Stadt, Iserlohn-Kirchspiel, Altena,<br />

Werdohl, Dortmund, Witten, Lüdenscheid, Meinerzhagen, Halver,<br />

Essen, Ummingen, Langendreer u. a.) 26 . An anderen Kirchenmitteln<br />

wird in Belegen <strong>des</strong> Deilinghofer Kirchenarchivs etwa der<br />

Verkauf eines Baumes, der fünf Taler erbrachte, oder „aus dem<br />

Kaufschilling der sogenannten Dorne Delinghofer Waldgemein 38<br />

Rth“ genannt.<br />

Was hatten darüber hinaus die Bewohner der Deilinghofer Bauernschaften<br />

aufzubringen? 6000 Fuß Holz, berichtet das Kirchenarchiv<br />

(drei Fuß sind knapp ein Meter, also knapp zwei Kilometer Holz,<br />

der Länge nach aneinandergelegt), ferner 52 Taler Sonderumlage<br />

für Schieferfuhrlohn. Ein Sonderdarlehen von 200 Reichstalern<br />

hatte Dümpelmann für die Bauernschaft laut Kontrakt vom 26. Juni<br />

1768 aufzunehmen. An Handdiensten wurde mit Befehl <strong>des</strong> Landgerichtes<br />

Altena vom 30. August 1768 gefordert, daß jeder „Ein-<br />

26 Aus der Abrechnungszusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben in der<br />

Akte, die oben in S.69 A.24 genannt wurde.<br />

72


gepfarrte ... zwey doppelte Wände“ für das Pastoratshaus herzustellen<br />

hätte.<br />

Bezeichnend war für Dümpelmann, da das mit der Verpflichtung<br />

der Leute zu den Handdiensten nicht funktionierte, daß er weitgehend<br />

darauf verzichtete, auch wenn er sich damit großen Ärger mit<br />

dem Landgericht einhandelte. Lieber führte der Pastor viele Arbeiten<br />

selber aus; er betätigte sich vor allem als Fuhrmann, karrte<br />

höchstselbst Lehm, Stein, Holz zum Pastorat. So habe er etwa<br />

„1774 d. 24ten Sptbr den gantzen Tag Lehmen herbey gefahren 1<br />

Rhtl.“, 1777 vom Oktober bis November Holz vom Langenbruch<br />

und Deinsberg geholt, eine Kanne Kalk von Tümenas Ofen geholt<br />

usw. 27<br />

So wie Dümpelmann mit dem Bauen nie wirklich zu Ende kam, so<br />

wird man mit seinen hinterlassenen Baurechnungen und dem<br />

Nachrechnen der Finanzierungsunterlagen nie vollständig klarkommen.<br />

Akten zeigen deutlich: Dümpelmann war es nicht so<br />

wichtig, ganz genau buchzuführen, dem Altenaer Amtsgericht aber<br />

doch, und so konnten noch zwei Amtsnachfolger sich etwa zehn<br />

Jahre lang mit diesem Schlamassel auseinandersetzen.<br />

Aber wir sind hier in unserem Abschnitt weiter bei den ersten<br />

Amtsjahren unseres Pastors. Aus Dümpelmanns früher Zeit hier<br />

haben wir hier abschließend vier heimatgeschichtlich besonders<br />

interessante Jahreszahlen zu behandeln, mit denen sich Dümpelmann<br />

- neben dem Alten Pastorat - am Ort gleichsam ‘ein Denkmal<br />

setzte’. Es sind die Jahreszahlen (1) 1766, (2) 1768 sowie (3) und<br />

(4) jeweils 1769, auf die hier am Ende <strong>des</strong> Abschnitts einzugehen<br />

ist.<br />

(1) 1766: Diese Jahreszahl steht bis heute auf Tausenden von Deilinghofer<br />

Dokumenten. Es ist die Zahl, die über 200 Jahre lang<br />

27 Alle bis hierher genannten Zitate und Sachverhalte sind wieder der S.69 A.24<br />

genannten Akte zu entnehmen. - Dabei könnte es hier sich bei „Tümenas Ofen“<br />

durchaus um den Kalkbrennbetrieb handeln, <strong>des</strong>sen Reste Harald Korsch-Ger<strong>des</strong><br />

am Nieringser Weg nur wenige Meter südlich der Tümenaschen Besitzung (zum<br />

Gedenkstein am Grundstück Tümena s.o. in der Chronik zu 1755) fand, was in<br />

Schl. 2/1994, S.42 erwähnt wird.<br />

73


Bestandteil <strong>des</strong> amtlichen Kirchensiegels ist. Wir folgen in unserer<br />

Dar-stellung der Einfachheit halber Günther Schulte, der zur Jahreszahl<br />

1766 auf dem Siegel Folgen<strong>des</strong> im „Schlüssel“ ausführt:<br />

„Als der 24jährige G.W.A. Dümpelmann am 30. Mai 1765 in Deilinghofen den<br />

Pfarrdienst antritt, liegt auf seinem Schreibtisch eine Verfügung der Regierung zu<br />

Kleve. Sie übermittelt einen 'Königlich Allergnädigsten Befehl', und zwar ‘Die<br />

Verordnung de Dato Berlin d. 16. nov. 1764; Cum Schemate’... Darin macht der<br />

Lan<strong>des</strong>herr, König Friedrich II. von Preußen, den Pfarrern zur Pflicht, bestimmte<br />

Formalien bei einem Kirchenbuch-Eintrag ... zu beachten; es seii ‘nach dem<br />

gegebenen Schemate’ hinsichtlich Trauung, Taufe, To<strong>des</strong>, Verwandtschaft,<br />

Alters, To<strong>des</strong>ursache u. a. zu handhaben. Ein knappes Jahr später bedient sich<br />

Dümpelmann eines Pfarramts-Siegels mit der Jahreszahll ‘1766’. Um diese Zeit<br />

... nach dem Siebenjährigen Krieg (1763) ... wird eine straffer bürokratische<br />

dirigistische Tendenz sichtbar, die auf reglementierte Statistik, gesiegelte Beurkundung,<br />

Amtspflichten und auf politisch wichtige Aussagen im friderizianischen<br />

Staatsinteresse abzielt“ 28 .<br />

Genau in dieser Zeit also entschloß sich der neue Pastor Dümpelmann,<br />

das Kirchensiegel von 1766 anzuschaffen. Im weiteren Verlauf<br />

<strong>des</strong> zitierten „Schlüssel“-Artikels wird von Günther Schulte<br />

oberlehrerhaft und in der ihm eigenen epischen Breite „das eben<br />

erwähnte Siegel von 1766 behandelt; es ist 1934 erneuert und ähnlich<br />

nachgestaltet worden“ 29 . (Dabei übersieht Schulte freilich, daß<br />

das von ihm abgebildete alte Siegel mit der lateinischen Umschrift<br />

„SIGILL ECLE DEILINGHOFIANAE“ auch nicht identisch ist mit<br />

dem ganz alten Siegellack-Siegel aus der Zeit Dümpelmanns, auf<br />

dem der junge Mann mit dem Zweig in der Hand - für Schulte ist es<br />

der Heilige Stephanus - in sehr anderer Weise dargestellt wird als<br />

auf den hier gezeigten Abbildungen, wie sie auch Schulte vor Augen<br />

hatte.<br />

28 Schl.2/1983, S.64 (vgl. den <strong>gesamten</strong> Abschnitt: S.64-69).<br />

29 Schl.2/1983, S.64.<br />

74


Dreimal ‘Deilinghofer Kirchensiegels mit der Jahreszahl 1766’;<br />

rechts das erneuerungsbedürftige aktuelle Siegel<br />

Wir möchten uns hier nicht auf eine weitere Diskussion der Siegelabbildung<br />

einlassen und konstatieren nur, daß es sicherlich in<br />

Westfalen und darüber hinaus ein Kuriosum sein dürfte, daß in Deilinghofen<br />

beim kirchlichen Siegeln noch fast 230 Jahre nach Anschaffung<br />

<strong>des</strong> ersten Siegels die Jahreszahl dieser Anschaffung<br />

je<strong>des</strong>mal ‘mit-reproduziert’ wird. So kann uns dieses Siegel als ein<br />

ziemlich merkwürdiges ‘Denkmal’ bis heute an die erste Amtszeit<br />

<strong>des</strong> Deilinghofer Pfarrers Dümpelmann erinnern.<br />

(2) 1768: Humorvoll und selbstkritisch schrieb Dümpelmann die<br />

beiden Zeilen:<br />

„Die schlechten Verse sind gemacht<br />

Siebzehnhundertsechzigacht“.<br />

Diese Zeilen mit der Jahreszahl 1768 stehen am Ende eines uns<br />

überlieferten ellenlangen Heimatgedichtes <strong>des</strong> Deilinghofer Pastors<br />

Dümpelmann. Unlängst hat der Deilinghofer Konrektor Gerd Herchenröder<br />

in seinem Heft ‘300 Jahre Schule Deilinghofen’ ein wenig<br />

aus diesem Dümpelmann-Gedicht zitiert und auch den vom<br />

Deilinghofer Lehrer Johann Melchior Marcks nach Dümpelmanns<br />

Tod gereimten Schluß <strong>des</strong> Gedichts wiedergegeben 30 . Dieses heimatkundliche<br />

Gedicht, das die damalige hiesige Flora und Fauna<br />

umfassend beschreibt und auf die Situation der Deilinghofer Dorfbewohner<br />

sowie die Kirche und die Schule im Dorf am Felsenmeer<br />

und vieles andere (z.B. auch auf ‘die [!] Pastorat’) eingeht, ist so<br />

schön zu lesen, daß wir es im Anhangsteil dieses Heftes in voller<br />

Länge abgedruckt haben. So verweisen wir hier lediglich darauf,<br />

30 Herchenröder, S.9; Heer hatte 1933 in seiner Jahresarbeit das gesamte Gedicht<br />

veröffentlicht: S.27-33.<br />

75


daß in diesem hinten nachzulesenden Gedicht einige interessante<br />

Geschichtszahlen von Dümpelmann genannt werden. Neben dem<br />

oben angeführten Abfassungsjahr 1768 sind es: 1. 1565 Einführung<br />

der Reformation durch Pastor Lange, 2. 1768 Pastorats-Neubau (Es<br />

ist das Jahr, in dem - siehe oben - der Pastoratsbau richtig angefangen<br />

wurde; wohlgemerkt das Jahr, in dem das Gedicht abgeschlossen<br />

wurde: „siebzehn-hundert-sechzigacht“ kommt in dem Gedicht<br />

zweimal vor!), 3. 1687 Schule in Betrieb genommen, 4. 1751 Fertigstellung<br />

<strong>des</strong> Küsterhauses, 5. 1353 Gründung Klusenstein, 6.<br />

1791 Tod Dümpelmanns, 7. 1800 neue Schule (bei<strong>des</strong> von Marcks<br />

hinzugefügt), 8. das Jahr, in dem Marcks sein Gedicht fertigstellte.<br />

(Verraten wir nicht: Rätseln Sie doch selber!)<br />

Dieses Gedicht, das uns die Zeit um 1768 lebhaft vor Augen führt,<br />

ist ähnlich wie das vorher genannte Kirchensiegel ein interessantes<br />

‘Denkmal’ der frühen Zeit Dümpelmanns in seiner neuen Wirkungsstätte<br />

Deilinghofen, die er offenbar auch als ‘Heimatfreund’<br />

liebte. Dabei wollen wir eine Vermutung nicht unterschlagen: Vielleicht<br />

war Dümpelmann gar nicht der Gedichtverfasser, sondern der<br />

genannte Lehrer Johann Melchior Marcks. Man könnte vermuten,<br />

daß dieser den Grundbestand der Verse 1768 vollendete und den<br />

Rest später anhängte. Einige Dümpelmann betreffende Passagen<br />

scheinen in diese Richtung zu weisen, daß man sie eher von einem<br />

anderem erzählt vorstellen könnte, und am besten vom Lehrer im<br />

Dorf. Da mag sich der Leser im Blick auf die Verfasserfrage aus<br />

dem in der Beilage abgedruckten Wortlaut <strong>des</strong> Gedichts, das Friedrich<br />

Schauff seinerzeit dem Pastor Dümpelmann zuschrieb, seinen<br />

eigenen Reim daraus machen.<br />

(3) 1769: Diese Jahreszahl 1769 befand sich auf einer Inschrift am<br />

Alten Pastorat über der Pfarrhaustür. Aus mündlicher Überlieferung<br />

wissen wir von Inge Kutschelis, der Tochter Willy Römers aus der<br />

Bautenheide (1907-1982), was ihr als Kind der Vater vom früheren<br />

Wortlaut der Inschrift erzählt hat. Sie kann den Wortlaut bis heute<br />

auswendig:<br />

„Das Nonnenkloster, so hier stand, ist abgebrochen wie bekannt. Drum es zum<br />

andern Zwecke hier, da setzte ihm der Tod die Tür, Dümpelmann, Pastor.“<br />

76


Die ganz alten Deilinghofer kannten also noch aus eigner Anschauung<br />

die Inschrift am Pastoratshaus und eben auch jenen Namen, der<br />

da geschrieben stand: „Dümpelmann, Pastor“... Daß noch eine Jahreszahl<br />

dabei stand, das hatte seinerzeit Vater Römer seiner kleinen<br />

Tochter nicht überliefern können.<br />

Neben dieser mündlichen Fassung gibt es noch zwei voneinander<br />

abweichende Versionen dieser Inschrift. Die erste geht auf Woeste<br />

und Pastor Limborg zurück und steht im alten Lagerbuch der Kirchengemeinde<br />

Deilinghofen. Da liest man im Zusammenhang der<br />

Chronik der Gemeinde unter dem Paragraphen 10 „Kloster“ 31 :<br />

„Außerdem gab es im Dorf Deilinghofen ein Nonnenkloster erbaut im Jahre<br />

1564. Die letzten Klosterfrauen starben 1636 an der Pest. Dieses Gebäude stand<br />

wie die Inschrift über der Thür <strong>des</strong> Pfarrhauses . ‘Das Nonnenkloster, so hier<br />

stand ist abgerissen wie bekannt G.Dümpelmann 1769. Bequemt man sich am<br />

besten hier, so weiset uns der Tod die Thür.’ besagt, an der Stelle <strong>des</strong>selben“ .<br />

Ein Wort ist bei dieser Lagerbuchversion versehentlich ausgelassen<br />

worden, denn in der wiederaufgefundenen Woesteschen Urschrift<br />

der Chronik hatte Woeste geschrieben: „G.Dümpelmann Pastor<br />

1769“ („Dümpelmann, Pastor“ hatte sich ja bis in unsere unmittelbare<br />

Gegenwart ins Gedächtnis eingeprägt.) Wir möchten annehmen,<br />

daß Woestes Version die historisch zuverlässige ist.<br />

Merkwürdigerweise gibt es eine andere Langversion der Hausinschrift<br />

von 1769. Dieses findet sich z.B. in dem Buch ‘Kunst- und<br />

Geschichtsdenkmäler im Märkischen Kreis’ 32 :<br />

31 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte K4, Führung <strong>des</strong> Lagerbuches, Bd. II, 1861-<br />

1868.<br />

32 Dieses Zitat steht ohne Quellenangabe gleichsam als ‘Mottowort’ über dem<br />

entsprechenden Artikel in:Ulrich Barth/Elmar Hartmann/August Kracht/Heinz<br />

Störing (Hg.), Kunst- und Geschichtsdenkmäler im Märkischen Kreis, (=Veröffentlichungen<br />

<strong>des</strong> Heimatbun<strong>des</strong> Märkischer Kreis), 3., überarbeitete Auflage<br />

Balve 1993, S. 160. - Aus der dortigen Darstellung <strong>des</strong> Alten Pastorats ist hier<br />

ferner die ‘architektonische Beschreibung’ <strong>des</strong> Hauses nennenswert: „Das Sockelmauerwerk<br />

an der allein unterkellerten nördlichen Haushälfte ist außergewöhnlich<br />

dickwandig und von Schlitzscharten durchbrochen. Von ebenso altertümlicher<br />

Bauart ist das einschiffige tonnenförmige Kellergewölbe. Die unverputzte,<br />

in einer groben Mauertechnik errichtete Westwand <strong>des</strong> mehrfach erneuerten<br />

Hauses zeigt verschiedene Baunäthe und Flickstellen und am Fuß vermauerte<br />

77


„Das Nonnenkloster, das hier stand,<br />

Ist abgebrochen bis auf den Rand.<br />

Bequemt man sich am besten hier,<br />

Kommt der Tod und weist die Tür.<br />

40 Nonnen starben an der Pest.<br />

Was übrig blieb ein kleiner Rest.<br />

Die lobten Gott und Jesu Christ,<br />

Daß er ihnen gnädig gewesen ist.“<br />

In einem Aufsatz Günther Schultes wird auch in einem Zeitzeugnis<br />

auf die Inschrift über der Pastorats-Tür eingegangen, wo vom „Mittelstein<br />

über dem Eingang, heute geputzt und gekälkt“ gesprochen<br />

wird und von der kürzeren Version die Rede ist 33 . Die verstorbenen<br />

Deilinghofen Heimatforscher Herbert Schulte und August Busch<br />

aber hielten die eben zitierte Langversion für die echte. In einem<br />

Brief Herbert Schultes vom 29.Juli 1978 (im Schulte-Nach-laß, im<br />

Besitz von F.G.) an Frau Erika Bär, die damalige Besitzerin <strong>des</strong><br />

Alten Pastorats, betont Schulte, die längere Version sei die richtige.<br />

Sein Hauptargument:<br />

„Dieser Spruch wurde von dem Deilinghofer Heimatfreund, Sippenforscher,<br />

Taxator und Oberamtssekretär a.D. August Busch (gest. 1938) hinterlassen, von<br />

dem man annehmen kann, daß seine Angaben auf Gründlichkeit beruhen“.<br />

So oder so: Auf jeden Fall hat „G.Dümpelmann, Pastor 1769“ mit<br />

auf jenem Mittelstein gestanden, und min<strong>des</strong>tens über 150 Jahre<br />

lang war dank dieser Inschrift der Name Dümpelmann an prominenter<br />

Stelle am ungewöhnlichsten Wohnhaus <strong>des</strong> Ortes vielen im<br />

Ort geläufig. Im Zusammenhang mit unserem Überblick über die<br />

Abflußöffnungen, die auf einen Graben schließen lassen. Aufgrund der genannten,<br />

auf mittelalterliche Baugewohnheiten zurückgehenden Merkmale darf für das<br />

ursprüngliche Haus mit allen Vorbehalten die Vermutung einer vorklösterlichen<br />

Baugeschichte gewagt werden. ... In den 60er Jahren <strong>des</strong> 18.Jh. wurde das schon<br />

wieder baufällige Haus unter dem Pastor Dümpelmann auf den Resten <strong>des</strong> Vorgängerhauses<br />

als zweigeschossiges fünfachsiges Traufenhaus mit Krüppelwalm<br />

und einläufiger Freitreppe auf der Hofseite neu errichtet und durch ein Viehhaus<br />

mit Längsdeele erweiter. Dieser Vorbau dürfte die vorerwähnte nach der Regel<br />

geostete Kapelle verdrängt haben. Das Obergeschoß und die östlichen Stirnseiten<br />

<strong>des</strong> Haupthauses und <strong>des</strong> Anbaus wurden in Fachwerk ausgeführt“ (S.160f.).<br />

33 Schl.3/1971, S.25.<br />

78


Dümpelmannsche Baugeschichte <strong>des</strong> Alten Pastorats kann man<br />

dieser Inschrift jedenfalls entnehmen, daß der junge Pastor eben in<br />

jenem Jahr 1769 das Haus im ‘erweiterten Rohbau’ hochgezogen<br />

hatte.<br />

(4) 1769: In genau dem gleichen Jahr 1769 war Dümpelmann auch<br />

mit dem Innenausbau <strong>des</strong> Pastoratshauses einen gewaltigen Schritt<br />

nach vorne gekommen: Schornstein und Herd wurden fertiggestellt.<br />

Auch daran erinnert eine Jahreszahl - in diesem Fall bis heute. Zwei<br />

Teil der (früher dreiteiligen?) Herdplatte sind bis heute (jetzt in<br />

einem sehr schmalen Nebenraum im Erdgeschoß, der als eine Art<br />

Rumpelkammer dient) am alten Herd zu sehen 34 .<br />

Wir wollen dieses geschichtsträchtige heimische Kunstwerk, hier<br />

kurz vorstellen. Vom Betrachter aus links oben befindet sich auf<br />

34 Vgl. die Beschreibung in dem Band „Kunst- und Geschichtsdenkmäler im<br />

Märkischen Kreis“ (vgl. oben, A.32), S.161: „Bemerkenswert ist ein Küchenkamin<br />

im Erdgeschoß, der mit drei Herdplatten in Form eines Tryptichons bestückt<br />

war, von denen jetzt nur noch die Abgüsse der Seitenplatten vorhanden sind. Der<br />

Kamin war ein sog. Bibelofen: die Hauptplatte stelte die Taufe Jesu dar, die<br />

Seitenplatten zeigen Johannes den Täufer und den gekreuzigten Heiland.<br />

Inschriftliche Bibelzitate verdeutlichen das zugrundegelegte christologische Programm<br />

in altarmäßiger Anordnung. Die rechte Seitenplatte trägt die Jahresbezeichnung<br />

1769.“ Inwiefern diese Platteninschriften ein „christolo-gisches Programm“<br />

sind, soll unsere weitere Darstellung zeigen. - Die Deilinghofer Herdplatten<br />

<strong>des</strong> Alten Pastorats werden ferner beschrieben in: Schl. 3/1971, S.24-26<br />

(mit Abbildungen), vgl. aber die Korrektur in: Schl. 4, S.27, ferner von Pastorin<br />

Sigrun Valentin-Bette, in: Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde<br />

Deilinghofen , April bis Juni 1980, S.16f.<br />

79


Deilinghofer Herdplatte (schwierig zu photographieren): Gebets-Inschrift linke Seite<br />

einem Halbreliefbild, von Ornamenten umrankt, Jesus am Kreuz,<br />

an dem auch die Kreuzesinschrift INRI angebracht ist, und als <strong>Unter</strong>schrift<br />

dieses Halbreliefs liest man: ‘JESU LAS / DEINER<br />

WUN / DEN BLUT UNS / SUNDERN KOMME / ZU GUT.<br />

ANNO’. Auf diesem linken Herdplattenteil ist die Jahresangabe<br />

nicht mehr zu lesen.<br />

Rechts oberhalb <strong>des</strong> ehemaligen Her<strong>des</strong> finden wir, ebenfalls von<br />

Ornamenten umrankt, auf der anderen Halbreliefplatte die Figur<br />

von Johannes dem Täufer, wie er die Rechte ausstreckt und mit<br />

dem Finger - an den Isenheimer Altar <strong>des</strong> Mattias Grünewald in<br />

Colmar erinnernd - von sich selbst weg aufs Kreuz hinzeigt. <strong>Unter</strong><br />

dieser Täufer-Figur befindet sich eine nicht minder interessante<br />

Inschrift, die wie folgt lautet: ‘SIEHE DAS IST / GOTTES LAMM<br />

/ WELCHES DER / WELT SÜNDE TRÄ / GET 1769’. Es handelt<br />

80


Herdplatte rechte Seite (schwer zu photographieren): unten rechts die Jahreszahl 1769<br />

sich bei beiden hier beschriebenen Platten um Gipsabdrucke, während<br />

die früher in der Mitte befindliche Platte mit einem Bild von<br />

einem Pferd, das an das Westfalenroß erinnert 35 (so wie die anderen<br />

beiden Platten in der ursprünglichen Form) aus Gußeisen ist.<br />

Uns interessieren hier die beiden äußeren alten Platten. Wir haben<br />

auf dieser zweiteiligen Herdplatte zwei Inschriften vor uns, denen<br />

Dümpelmann in jenem Jahr 1769 für seine Amtsführung programmatische<br />

Bedeutung zugemessen hatte. Diese beiden Inschriften,<br />

das Gebet links am Herd und der Täuferhinweis aufs Lamm, stellten<br />

für Dümpelmann gleichsam Motto-Worte für sein Leben als<br />

35 Die gußeiserne Original-Platte mit dem Pferd befindet sich heute als Erbstück<br />

in Gießen bei den Ingrid Tonner-Schulte; die originalen äußeren Herdplatten<br />

wurden an ein Museum der Soester Gegend veräußert. Den Kontakt mit Tonners<br />

verdanken wir Siegfried Heß, Deilinghofen.<br />

81


Pfarrer und Christ dar. Der Mann am Kreuz und seiner Wunden<br />

Blut, das uns Sündern zugute komme und Gottes Lamm, das der<br />

Welt Sünden trägt (vgl. in Johannes 1,29-34 die dort eigentümlich<br />

erzählte Geschichte von Jesu Taufe 36 , bei der der Täufer Johannes<br />

in V.29 Letztgenanntes wörtlich ausspricht) - das war zusammengenommen<br />

für den jungen Dümpelmann sein theologisches Programm!<br />

Im folgenden Hauptabschnitt 2 <strong>des</strong> Dümpelmann-Kapitels<br />

wird uns seine theologische Orientierung an Herrnhut und Zinzendorf<br />

beschäftigen. Zinzendorf hatte unentwegt und je und dann bis<br />

zum Exzeß und bis an die Grenzen <strong>des</strong> guten Geschmacks (‘Blutund<br />

Wundentheologie’ Zinzendorfs), vom ‘Blut’ und vom ‘Lamm<br />

mit den Wunden’ gesprochen. Man darf mit Fug und Recht davon<br />

ausgehen, daß in jenem Jahr 1769 unser Dümpelmann nicht irgend<br />

ein christliches Motiv sich auf seine Herdplatte fertigen ließ, sondern<br />

eben bewußt jenen biblischen Aspekt, der für Zinzendorf, den<br />

Theologen <strong>des</strong> Kreuzes, und die Herrnhuter grund-legend wichtig<br />

war: den Kruzifixus, das Lamm mit blutigen Wunden, das die Sünden<br />

der Welt trägt.<br />

Auch der Verfasser <strong>des</strong> Schlüsselartikels „1769. Dreiteilige Herdplatte?“,<br />

Günther Schulte, sah, daß im Alten Pastorat die beiden<br />

„nicht-gußeisernen Platten ... motivisch eine Einheit bilden“ 37 . Daß<br />

diese Einheit eine theologisch qualifizierte ist und sicherlich mit<br />

Herrnhut zusammenzusehen ist, das haben weder Günther Schulte<br />

noch sein Bruder Herbert Schulte in ihren Heimatforschungen<br />

hier von ihren Fragestellungen her in Betracht ziehen können.<br />

Uns aber gibt gerade die von uns erforschte Verbindung <strong>des</strong> Deilinghofer<br />

Pastors Dümpelmann mit der Herrnhutischen Erwe-<br />

36 Daß nach Frommel, S.46, auf den Deilinghofer Herdplatten die Taufe Jesu zu<br />

sehen war, veranlaßt Sigrun Valentin-Bette (vgl. A.34) und andere zu der Annahme,<br />

als drittes Bild in der Mitte wäre früher ein Bild von Jesu Taufe zu sehen<br />

gewesen. U.E. meint Frommel mit der ‘Taufe Jesu’ das rechte Bild mit dem Täufer<br />

in der Szene von der Taufe Jesu Joh. 1,29-34. (Die ‘Taufgeschichte Jesu’ ist<br />

da bei Johannes indirekt erzählt, ganz anders als bei den drei anderen Evangelisten.)<br />

37 Schl. 3/1971, 25.<br />

82


ckungsbewegung und Zinzendorfschem Erbe Hinweise an die<br />

Hand, wie aus jener Zeit nicht nur Inschriften auf einmal zu sprechen<br />

beginnen. Das hier beschriebene Dümpelmannsche ‘Denkmal’<br />

mit der Jahreszahl 1769 führt uns damit auf das Folgende: Dümpelmanns<br />

Beziehungen zur Herrnhuter Brüdergemeine genauer zu<br />

betrachten und darzustellen.<br />

4. Gottfried Dümpelmann als Freund und Förderer der Herrnhuter<br />

Brüdergemeine in Deilinghofen und Sundwig und darüber<br />

hinaus... (Zu Pastor Dümpelmann als Zinzendorfianer in<br />

seinen ersten Deilinghofer Jahren und in der ‘Blütezeit’ der<br />

mittleren Jahre von 1770 bis 1782)<br />

In diesem <strong>Unter</strong>abschnitt wenden wir uns im Teil a) nochmals der<br />

ersten Amtszeit in Deilinghofen zu, um aufzuzeigen, welche Verbindungen<br />

Dümpelmann in diesem Zeitraum (zwischen 1765 und<br />

dem Anfang der 70er Jahre) zur Herrnhuter Brüdergemeine unterhielt.<br />

Im Teil b) betrachten wir dann die zweite Hälfte der Amtszeit<br />

Dümpelmanns, den Zeitraum der 70er und frühen 80er Jahre <strong>des</strong><br />

18. Jahrhunderts, in dem der Pastor vollends sein Amt als Zinzendorfianer<br />

im Geiste der Brüdergemeine führte. Zwei wichtige Jahreszahlen<br />

sind da erstens 1778/79, als Dümpelmann sich im bedeutenden<br />

holländischen Brüderort Zeist geistlich zurüsten ließ, und<br />

zweitens 1782, als Dümpelmann in Deilinghofen eine umfangreiche<br />

Verteidigungsschrift für die (vom Pastor Müller aus Unna) angegriffene<br />

Herrnhuter Brüdergemeine verfaßte. Ziemlich genau auf<br />

der Hälfte seiner Deilinghofer Amtszeit war Dümpelmann mit jenem<br />

Holland-Aufenthalt von 1778/79, der in seinem Leben und<br />

Wirken einen be-deutsamen Einschnitt darstellte, im Vollsinn zum<br />

entschiedenen Pastor Herrnhuter Prägung herangereift, einem<br />

Theologen, der seine Favorisierung der von Herrnhut und Zinzendorf<br />

stammenden geistlichen Einsichten dann, wie die Verteidigungsschrift<br />

von 1782 belesehr eigenständig, souverän und überlegt<br />

darzustellen wußte. Darauf ist um <strong>Unter</strong>abschnitt b) später näher<br />

einzugehen.<br />

83


a) Dümpelmanns ‘herrnhutisches Engagement’ in der ersten<br />

Amtszeit bis zum Anfang der 70er Jahre:<br />

Der eben beschriebene Einschnitt war natürlich alles andere als eine<br />

schlagartige ‘Bekehrung’. Denn bereits die Zeit davor war mehr eine<br />

fließende Entwicklung auf die Brüdergemeine hin, hatte doch<br />

Dümpelmann in seinen Kinder- und Jugendtagen schon in jenem<br />

be-sonderen Pfarrhaus in Hemmerde das herrnhutische Frömmigkeitserbe<br />

gleichsam ‘gleichsam mit der Muttermilch in sich aufgesogen’.<br />

Was diesbezüglich in Deilinghofen sich entfaltete, kann<br />

man am be-sten mit dem Dichterwort beschreiben: ‘Was du ererbt<br />

von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen’.<br />

In diesem Sinn gab es schon von den allerersten Amtsjahren an<br />

ganz wesentliche, sehr interessante Kontakte zu Herrnhut. Aus den<br />

Akten, die im Herrnhuter Archiv der Brüdergemeine lagern, wissen<br />

wir, daß es im März 1767 schon die ersten (wenn auch wenigen)<br />

Er-weckten Herrnhuter Prägung in Deilinghofen gab. Mitten in<br />

seinem Baustreß hatte der große Baumeister der Gemeinde, der<br />

junge Dümpelmann, immerhin Zeit, sich für ‘Gemeindeaufbau nach<br />

Art der Brüdergemeine’ einzusetzen. Jene Deilinghofer Ereignisse,<br />

die in Herrnhut archiviert sind, hatte der für die Grafschaft Mark<br />

zuständige Diaspora-Arbeiter der Brüdergemeine, Johann Heinrich<br />

Ernst (1717-1796), in seinem Diasporabericht für das Jahr 1767<br />

überliefert.<br />

Dieser Diaspora-Arbeiter Ernst war eigentlich Schneider. Er war<br />

mündlich und schriftlich mit Zinzendorf persönlich in Kontakt gewesen,<br />

zudem auch persönlich bekannt mit dem zeitweise umstrittenen<br />

Sohn <strong>des</strong> Grafen, mit Christian Renatus Zinzendorf (1727-<br />

1752; Dichter <strong>des</strong> Lie<strong>des</strong> ‘Da wir uns allhier beisammen finden’,<br />

EKG Nr. 476); und Ernst erhielt nach dem Tod <strong>des</strong> Grafen (1760),<br />

wie er in seinem uns gedruckt vorliegendem Lebenslauf beschreibt,<br />

im „Jahr 1762 ... einen Ruf zur Bedienung der auswärtigen Ge-<br />

84


schwister im Bergischen und in der Mark“ 38 , was dann in endlosen<br />

Wanderungen durch die hiesige Gegend seinen Lebensinhalt bis zu<br />

seinem To<strong>des</strong>jahr ausmachte. Auf dem Friedhof von Hemmerde,<br />

seinem märkischen Lieblingsort, wurde der sog. ‘westfälische<br />

Pilgrim’ von Johann Gisbert Dümpelmann begraben, Gottfried<br />

Dümpelmanns jüngerem Bruder 39 .<br />

Zum Frühjahr 1767 schilderte dieser Johann Heinrich Ernst in seinem<br />

Rechenschaftsbericht einerseits wesentliche günstige Weichenstellungen<br />

für die Arbeit der Brüdergemeine bei den Pastoren<br />

Dümpelmann Vater und Sohn in Hemmerde und andererseits gute<br />

38 Zur Lebensgeschichte von Ernst vgl. auch in der voranstehenden Chronik zu<br />

1762, dort auch die Fundstellen mitsamt bibliographischen Angaben, auf die wir<br />

uns beziehen.<br />

39 In Steineckes Darstellung heißt es zu Johann Heinrich Ernst: „1762 wurde als<br />

Diasporaarbeiter für den niederrheinischen Bezirk J.H.Ernst angestellt, der zu<br />

den verdienstvollsten Vertretern seines Stan<strong>des</strong> zählt. ... Von Beruf ein Schneider,<br />

durchzug er im Leinwandkittel den ihm anvertrauten Landstrich. Mit dem<br />

Geringsten fürlieb nehmend und soweit möglich, sich durch Ausübung seiner<br />

Profession ernährend, trug er einfach und würdig überall das Zeugnis herum, daß<br />

Gott Mensch geworden und für uns gestorben ist. Obwohl das Klima <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong><br />

und die Kost der Bewohner seinem Körper wenig zusagte, pilgerte er unermüdlich<br />

Sommer und Winter von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf, von Gehöft zu<br />

Gehöft, dehnte seine Wanderungen immer weiter aus und sandte seelsorgerliche<br />

Briefe dorthin, wohin er nicht persönlich gelangte. Sein Absteigequartier hatte er<br />

in Hemmerde, wo er regelmäßig mit den übrigen Gemeindegliedern zusammen<br />

das heilige Abendmahl genoß. Dort ereilte den neunund siebenzigjährigen Greis<br />

mitten in seiner Berufstätigkeit nach kurzer Krankheit am 21.März 1796 der Tod.<br />

Die Inschrift auf seinem Leichenstein nennt ihn den westfälischen Pilgrim. Pastor<br />

Dümpelmann, der ihm über II.Kor.1,12 die Grabrede hielt, faßte in einem Bericht<br />

an die [Brüder-]Unität seine Trauer in die Worte zusammen: ‘Wir haben viel an<br />

ihm verloren.’<br />

1766 besuchte Ernst 188, 1788 gegen 300, 1792 über 400 Personen. Meistens<br />

begnügte er sich mit Einzelbesuchen, doch hielt er an Orten, wo mehr Erweckte<br />

beisammen waren, auch Erbauungsstunden. Im Anfang fanden diese Versammlungen<br />

nu bei Ernsts Anwesenheit statt, bürgerten sich aber allmählich auch bei<br />

seiner Abwesenheit ein.<br />

Daß von Anfeindungen wenig berichtet wird, mag in dem bescheidenen und<br />

besonnenen Auftreten Ernsts und in dem allem schwärmerischen Wesen abholden<br />

Charakter der Märker begründet sein“ (Steinecke, S.96f.).<br />

85


Kontakte zum anderen Dümpelmann in Deilinghofen. Wir zitieren<br />

Ernsts Ausführungen zum Frühjahr 1767, die in unserem Zusammenhang<br />

natürlich sehr wichttig sind, etwas ausführlicher und bedienen<br />

uns der Einfachheit halber der Darstellung in Siegfried<br />

Schunkes Doktorarbeit über den Einfluß der Brüdergemeine in der<br />

Grafschaft Mark:<br />

Von Kamen machte sich Ernst auf, „um dann nach dem nahe gelegenen Hemmerde<br />

zu gehen.In Dümpelmanns Hause, in dem die Versammlungen immer abgehalten<br />

werden, kommt diesmal ein Häufchen von 40 Personen zusammen.<br />

Ernst liest erst einen Abschnitt aus den Gemeindenachrichten vor und hält anschließend<br />

die Andacht über die Losung <strong>des</strong> Tages, die ihm die Gelegenheit gibt,<br />

‘von der Erscheinung in dem Marterbilde ein Wörtchen zu reden’. Dabei stellt er<br />

fest, daß ein ‘hübsch Gefühl unter dem Volk war’. An dieser Versammlung haben<br />

auch der alte Pastor Dümpelmann und sein Sohn [Johann Gisbert] teilgenommen<br />

und haben sich dabei ‘ganz einfältig unter die anderen Leutchen’ gesetzt, ‘welches<br />

sie noch nie getan. Sie waren beide recht offenherzig gegen mich. Der Alte<br />

sagte, er wolle von jetzt an nichts ohne der Rat der Brüder unter den erweckten<br />

Seelen tun’. Bei dieser Gelegenheit sind auch einige neue Seelen von Ernst ‘angefaßt’<br />

worden. - Am 17.März wandert er mit dem jungen [Johann Gisbert]<br />

Dümpelmann zu <strong>des</strong>sen Bruder [Gottfried] nach Deilinghofen, der dort das<br />

Pfarramt innehat. Derselbe ist sehr über diesen Besuch erfreut und bekennt, daß<br />

er in der Welt nichts lieber hört, als von dem Brüdervolk. Jedoch erweckte Seeln<br />

hat er noch nicht viele. Nur ‘ein paar gutgesinnte Leutchen’. Beinahe 14 Tage<br />

bleibt Ernst bei Dümpelmann in Deilinghofen. - Am 29. März ist er bei dem<br />

Häufchen in Sundwig, das inzwischen 50 Seelen stark geworden ist. Am 4.April<br />

geht er dann durchs Siegerland ins Nassauische.“ 40<br />

Das ist, soweit wir sehen, die erste Erwähnung von Spuren der<br />

Herrnhuter Brüdergemeine im Dorf Deilinghofen. Trotzdem ist<br />

sogar weit früher schon die Geschichte der Deilinghofer Gemeinde<br />

eng mit Entwicklungen der Herrnhuter Erweckungsbewegung im<br />

hiesigen Raum verbunden.<br />

[Exkurs zu den ‘Erweckten’ in Sundwig] Dazu müssen wir uns hier in einem<br />

Einschub klarmachen, daß die im Sinne der Brüdergemeine Erweckten im Ort<br />

Sundwig, nur einen Katzensprung von Deilinghofen entfernt, in der Zeitspanne<br />

zwischen 1760 und 1767 (und dann auch danach; die Sundwiger erhielten immer<br />

ganz gute Noten in den Berichten <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters Ernst) für die Brüder-<br />

40 Schunke, S.75.<br />

86


gemeine eine recht beträchtliche Rolle spielten. Daß und inwiefern der 1765 nach<br />

Deilinghofen gekommene Freund der Brüdergemeine, Pastor Gottfried Dümpelmann,<br />

auch in Sundwig dann ‘mitmischte’ und bei den Frommen dort sogar ein<br />

besonderes ‘Hausrecht’ hatte, ist hier aufzuzeigen.<br />

Nach der Hemeraner Blütezeit der hiesigen Brüdergemeine (in der ersten Hälfte<br />

der 40er Jahre bis 1743 und besonders im großen Erweckungsjahr 1745), in der<br />

die zwar zahlenmäßig eher kleine Schar der Erweckte die ‘erste Liebe’ zur Brüdergemeine<br />

in Hemer intensiv zum Ausdruck brachte und nach Angelkortes Tod<br />

1751 war durchaus ein Erkalten dieser ersten Liebe in Hemer festzustellen. Die<br />

hiesigen Erweckten fanden in dieser Phase sich im neuen Sammelort Sundwig<br />

zusammen. Schunke schreibt zu Recht von „Sundwig im Kirchspiel Hemer“ im<br />

Blick auf die Zeit um 1765: „Hierhin hatte sich der Schwerpunkt <strong>des</strong> Häufchens<br />

nach Angelkortes Tod verlagert“, und er setzt hinzu: „vor allem seitdem der<br />

Schneidermeister Dirk dort wohnt“ 41 , eben jener Sundwiger „Schneider Jan Dirk,<br />

der auch Herrnhaag besucht hatte“ 42 , also mit einem berühmten Brüderort eng<br />

verbunden war.<br />

Aber sicherlich mehr noch als dieser Dirk war Stephan Diedrich Rentzing (1704-<br />

1792) auf Heppings Kotten, dem Anwesen der heutigen Sundwiger Mühle, der<br />

‘große alte Mann’ dort beim erweckten ‘Häuflein’ in Sundwig. Zu diesem Nagelschmied<br />

Stephan Diedrich Rentzing genannt Hepping sind hier einige wichtige<br />

Fakten zusammenzustellen, die schon in der vorangestellten Chronik an mehreren<br />

Stellen anklangen.<br />

Dieser ‘Mann der ersten Stunde’, fast gleichaltrig mit dem Grafen Zinzendorf und<br />

etwas weniger als vier Jahrzehnte älter als der Deilinghofer Pastor Dümpelmann,<br />

war ein Stück personifizierte Kontinuität der Brüdergeschichte, so wie das Hepping/Rentzing/Alberts’sche<br />

Anwesen ja auch über zwei Jahrhunderte - von Zinzendorfs<br />

Zeiten bis kurz nach dem Zweiten Weltkrieg - ein ganz kontinuierlicher,<br />

in allem Wandel sich letztlich im Kern gleichbleibendender zentraler Ort der<br />

hiesigen Brüdergeschichte blieb. In den Ursprüngen ging auch dieser Charakter<br />

<strong>des</strong> Anwesens auf die Art <strong>des</strong> Stephan Diedrich Rentzing zurück. Dieser Mann,<br />

der also ein Urahn <strong>des</strong> heutigen Sundwiger Müllers Peter Alberts 43 war, hatte<br />

41 Schunke, S.71.<br />

42 Schunke, S.71.<br />

43 Zum großangelegten ‘1.Deutschen Mühlentag’, der am Pfingstmontag, 23.Mai<br />

1994, auf dem Gelände der Sundwiger Mühle stattfand gab P.Alberts eine kurze,<br />

eine DIN-A4-Seite umfassende gedruckte „Chronik der Sundwiger Mühle“ heraus,<br />

die mit folgenden Zeilen beginnt:<br />

„1724[zu korrigieren: 1726!] Stephan Diedrich Ren[t]zing (1704 - 1792) aus<br />

Oberhemer pachtet Heppings Kirchenkotten von der ev. Kirche Deilinghofen.<br />

Durch Nagelschmieden und Brotbacken bringt er den abgewirtschafteten Kotten<br />

wieder hoch. (lt. Gutachten von Pastor Dümpelmann vom 9. May 1780)“; in<br />

87


schon der in der früheren Geschichte der Herrnhuter Bewegung im hiesigen<br />

Raum als Laie eine nicht zu unterschätzende Schlüsselstellung innegehabt: Er<br />

war, wie wir aus dem Rentzing-Lebenslauf wissen, den Johann Heinrich Ernst<br />

ihm posthum schrieb, gerade in der berühmten ‘Sichtungszeit’ 44 im Jahr 1747 im<br />

Brüderort Herrnhaag, also in der Hochburg der sich damals schwärmerisch radikalisierenden<br />

Herrnhuter Bewegung gewesen. Und Stephan Diedrich Rentzing<br />

war, wie in der Chronik schon mehrfach bemerkt wurde, ein enger Vertrauter <strong>des</strong><br />

Hemeraner Pastors Angelkorte, dem sein Herrnhuter Engagement im Ort am<br />

Felsenmeer beinahe Berufsverbot eingebracht hätte, und er hatte mit Angelkorte<br />

zusammen enge Bindungen zu dem eigentlichen Begründer der Herrnhuter Bewegung<br />

in und um Hemer, Johann Gangolf Wilhelm Forstmann in Solingen, der<br />

in Hemer geboren, seinerzeit von 1727 bis 1732 auch Pfarrer an der Vituskirche<br />

gewesen war und danach als Zinzendorfianer von Solingen aus massiv auf den<br />

früheren Wirkungsort Hemer einwirkte.<br />

Friederike Rentzing, die Schwester <strong>des</strong> Stephan Diedrich Rentzing, soll sogar<br />

den großen Forstmann und seinen Hemeraner Schüler und Amtsnachfolger Angelkorte<br />

wesentlich beeinflußt und an der Erweckung beider Pastoren Anteil<br />

gehabt haben 45 ! Faktum ist auch, daß dieser Stephan Diedrich Rentzing, der<br />

Nagelschmied aus Sundwig, noch weit mehr leistete für die Brüdergemeine:<br />

Seinem Engagement war es zuzuschreiben, daß nach Angelkortes versuchter<br />

Amtsenthebung und <strong>des</strong>sen Tod (bei<strong>des</strong> im Jahr 1751) die Brüdergemeine dennoch<br />

in ‘Heppings Kotten’, der späteren Alberts’schen Mühle’ in Sundwig, Fuß<br />

faßte. <strong>Unter</strong> der Regie Rentzings wurde im Jahre 1762 - allem Hemeraner Wüten<br />

gegen die Brüdergemeine zum Trotz - ein Betsaal angebaut 46 , nur zu dem Zweck,<br />

daß sich die Erweckten dort sammeln konnten. Das Erstaunliche dabei ist, daß<br />

Rentzing gar nicht der Eigentümer <strong>des</strong> Kottens war: Heppings Kotten war ein<br />

Deilinghofer Kirchenkotten, und über diesen existiert eine dicke Akte im Deilinghofer<br />

Kirchenarchiv, in der <strong>des</strong> öfteren der Name <strong>des</strong> Stephan Diedrrich<br />

Rentzing vorkommt, eben auch in den verschiedenen Verträgen zwischen der<br />

Kirchengemeinde und der Familie Rentzing 47<br />

Von daher wissen wir, daß jenes angebaute Betsälchen von 1762 (wenn man so<br />

will: das erste ‘Martin-Luther-Haus’ oder besser ‘Zinzendorf-Haus’ auf heutigem<br />

dieser Kurzchronok kann man auch nachzählen, daß das Rentzing/Alberts’sche<br />

Anwesen seitdem zur Zeit in der 7.Generation in der Hand dieser Familie ist:<br />

Peter Alberts’ Urgroßmutter (Johanna Wilhelmine Alberts, geb. Rentzing) war<br />

Urenkelin <strong>des</strong> genannten Stephan Diedrich Rentzing.<br />

44 Zur Sichtungszeit der Brüdergemeine vgl. in der Chronik die Bemerkungen zu:<br />

1743-1750.<br />

45 Vgl. dazu oben in der vorangestellten Chronik zu 1742.<br />

46 Vgl. in der voranstehenden Chronik zu 1762.<br />

47 Vgl. die genannten Belege in der voranstehenden Chronik zu 1725 und 1761.<br />

88


Hemeraner Stadtgebiet), das uns nur aus Herrnhuter Archiv-Akten und aus Akten<br />

der Brüdergemeine in Neuwied bekannt ist (in Schunkes Arbeit kommt davon<br />

übrigens nichts vor, und auch die gegenwärtige Familie Alberts in Sundwig wußte<br />

nichts von dieser spektakulären Aktivität ihres Vorfahren) eben gleichsam auf<br />

‘Deilinghofer Kirchengrund in Sundwig’ vollzogen wurde. Wir dürfen annehmen,<br />

daß dieses Anbauprojekt mit ‘klammheimlicher’ Duldung der Deilinghofer<br />

Gemeinde geschah; interessanterweise zeigte sich nämlich bei einem ähnlichen<br />

Anbauprojekt bei Dümpelmann in Hemmerde, wie politisch und kirchenpolitisch<br />

brisant solch ein <strong>Unter</strong>nehmen war: Ein paar Jahre später hatten die Geistlichen<br />

zu fürchten, bei der Regierung in Kleve wegen eines Betsaal-Baus ‘verpfiffen’ zu<br />

werden 48 .<br />

Der Hof, auf dem sich das erste Gemeindehaus Hemers befand: Sundwiger Mühle<br />

Jene oben genannten immerhin 50 (!) Erweckten, die Diaspora-Arbeiter Ernst im<br />

März 1767 in Sundwig nach seinem 14tägigen Deilinghofen-Aufenthalt besuchte<br />

(das waren mehr als in der sich herausbildenden märkischen Zentrale in Hemmerde)<br />

sind, im weiteren Sinn verstanden, der ‘Deilinghofer Kirchengeschichte’<br />

zuzurechnen. Sie versammelten sich auf einem Hof, der zum Deilinghofer Kirchenbesitz<br />

gehörte. Und der 1765 neu nach Deilinghofen gekommene Pfarrer<br />

Dümpelmann war ganz anders als der Hemeraner Amtsnachfolger Angelkortes,<br />

Davidis I, kein scharfer Gegner der Zinzendorfianer, sondern ihr warmer Förderer,<br />

Freund und Bruder, der übrigens auch bei Bosheiten der reichen Familie von<br />

48 Vgl. Schunke, S.88 (vgl. auch S. 83).<br />

89


der Becke, die sich Teile von Heppings Hof unter den Nagel reißen wollte, in<br />

seinem Gutachten vom 9.Mai 1780 über ‘seinem’ Mann Stephan Diedrich Rentzing<br />

fürsorglich und schützend die Hand hielt 49 . Daß, wie im vorigen <strong>Unter</strong>abschnitt<br />

zu den Baurechnungen vermerkt, - Dümpelmann 1767 beim Pastoratsbau<br />

jene 29188 Nägel verschiedener Sorte für das Viehhaus von der Nagelschmiede<br />

auf Heppings Kotten bei Johann Diedrich Rentzing, dem Sohn von Stephan<br />

Diedrich Rentzing, gekauft hatte, spricht auch dafür, daß sich die im Glauben<br />

besonders verbundene Brüder auch in ‘weltlichen Angelegenheiten’ hilfreich in<br />

Anspruch nahmen.<br />

Kurzum: Wo in den Akten der Brüdergemeine von Sundwig die Rede ist, da ist<br />

zu beachten, daß ab 1765 Einfluß und Autorität <strong>des</strong> neuen Deilinghofer Pfarrers,<br />

der so der Brüdergemeine zugetan war, sehr wohl auch bis zu dem Häufchen der<br />

Erweckten in Sundwig reichte.<br />

So wollen wir auf dem Hintergrund dieses Exkurses zum Thema<br />

‘Erweckte in Sundwig in ihrer Beziehung zu Deilinghofen’ anhand<br />

der Schunkeschen Dissertation die Berichte <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters<br />

Ernst ab jenem geschilderten Besuch in Deilinghofen und Sundwig<br />

im Frühjahr 1767 verfolgen und die weitere Entwicklung kurz betrachten.<br />

Schon ein Jahr später konnte der Berichterstatter Ernst der<br />

Brüdergemeine Gutes aus Deilinghofen vermelden. Schunke beschreibt<br />

zum Ende <strong>des</strong> Jahres 1768 50 :<br />

„Erfreulich ist der Aufenthalt Ernsts in Deilinghofen, wo er am 2. Weihnachtstag<br />

ist und wo etwas von neuem Leben zu spüren ist. Es kommt dort ein Häuflein von<br />

10 Personen zusammen, vor dem er ‘Gelegenheit hatte, ein Wörtchen anzubringen<br />

von sehr heiligen Menschen’“.<br />

Das war also just der 26.Dezember, im Kirchenjahr der ‘Stephanustag’.<br />

Ob da wohl Ernst „von sehr heiligen Menschen“ aus der<br />

Tradition der Brüdergemeinde geredet hat oder vielleicht vom biblischen<br />

Stephanus, dem Erzmärtyrer, im Dorf, in dm die<br />

Stepanuskirche steht!?<br />

Außer diesem zweiten Besuch bei Dümpelmann hören wir aus den<br />

Reiseberichten der 60er Jahre und frühen 70er Jahre nur noch, daß<br />

Ernst Mitte September 1772 „in Hemer ... beim Schulmeister“ 51<br />

einen Besuch abstattete und übernachtete. Es ist wohl jener Küster<br />

49 Vgl. in der voranstehenden Chronik zu 1726.<br />

50 Schunke, S.78.<br />

51 Schunke, S.81<br />

90


und Lehrer Johann Hermann Landfermann, welcher der Vor-<br />

Vorgänger <strong>des</strong> Vaters von Friedrich Leopold Woeste war 52 . Landfermann<br />

war ein Freund der Brüdergemeine und sollte später am<br />

23. August 1793 die Anklage gegen Pastor Davidis II mit unterschreiben<br />

(der sog. ‘dicke Davidis’ hatte die hier wohnenden<br />

Freunde der Brüdergemeine in unvorstellbarer Grobheit beleidigt;<br />

darauf kommen wir unten im Müller-Kapitel).<br />

b) Gottfried Dümpelmann als ein ‘gestandener’ Vertreter der<br />

herrnhutischen Richtung in seinem Wirken in den 70er Jahren<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrhunderts bis 1782:<br />

Wenn man die Deilinghofer Kirchengeschichte in den 70er Jahren<br />

<strong>des</strong> 18. Jahrhunderts betrachtet, hat man auch auf Stephanopel einzugehen.<br />

Ob die 1775 erfolgte kirchliche Eingemeindung <strong>des</strong> Hauses<br />

und Ortsteils Stephanopel nach Deilinghofen vom Ursprung her<br />

etwas mit dem Thema ‘Dümpelmann und die Brüdergemeine’ zu<br />

tun hatte, ist hier zu fragen. Viele in unserer Gegend wissen von<br />

dem ‘222-Jahres-Fest’ in Stephanopel im Juni 1993 her, daß Stephanopel<br />

laut königlich-preußischer Genehmigung seit dem Jahr<br />

1771 amtlich diesen Namen tragen durfte 53 und daß Stephanopel<br />

auf Wunsch der Einwohner vier Jahre später nach Deilinghofen<br />

kam. Der Hausverwalter bzw. Faktor Christian Gottlieb Caspari<br />

(1735-1814) 54 hatte den Antrag bei Pastor Dümpelmann eingereicht.<br />

52 Vgl. die Belege oben in der Chronik zu 1742.<br />

53 Vgl. zur Gründung Stephanopels Dossmann, S.71f.<br />

54 Zu den Daten vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Parochial Verhältnisse<br />

<strong>des</strong> Hofes Stephanopel“ (dazu vgl. Beilage 4). Drei Jahre jünger gemacht wird<br />

Caspari in Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte A10, Kirchenbuchkladde: „Auf<br />

dem 1 Osterfesttage nachmittags d 10 April [1814] wurde H Gottlieb Caspari von<br />

Stephanopel beerdigt alt über 76 Jahr. Er war gebürtig aus Sachsen u wurde v<br />

Edelhoffs-Hofe abgeholt.“<br />

91


Von diesem Caspari haben wir in unserem Kirchenarchiv auch eine<br />

präzise Aussage zu dem seltsamen Namen Stephanopel 55 :<br />

„Stephanopel ist vor dem Besitz <strong>des</strong> verstorbenen Joh.D.Lürmann nie unter<br />

diesem Namen bekannt gewesen. Seinem Sohn Stephan, der zu Bremen gestorben<br />

ist, zu Ehren hat es den Namen Stephanopel erhalten. Sonst hieß diese Besizung<br />

Linnewert und es waren eigentlich keine Bewohner da“.<br />

In Beilage 4 dieses Heftes ist anhangsweise aus dem von Korsch-<br />

Ger<strong>des</strong>/Groth zusammengestellten „Gemeindebrief der evangelischen<br />

Kirchengemeinde Deilinghofen, Sonderausgabe Sonntag,<br />

20.Juli 1993 zum 222-Jahres-Fest zum Bestehen von Stephanopel“<br />

ein kleiner Aufsatz (überarbeitet) wiederabgedruckt: „‘Gebohren zu<br />

Stephanopel...’ - Eine Gewerbeansiedlung <strong>des</strong> 18.Jahrhunderts<br />

kommt zum Kirchspiel Deilinghofen“, in dem die Argumente zusammengefaßt<br />

sind, die dafür sprechen, daß Einfluß von der Brüdergemeine<br />

her einen Teil der ersten Anwohner prägte und von<br />

diesen her eine besondere Beziehung zu Dümpelmann bestand.<br />

Daß der aus Sachsen stammende und mit Dümpelmann sehr verbundene<br />

Faktor Caspari Freund der Brüdergemeine war, ist so gut<br />

wie sicher. Dazu gibt es auch eine weitere wichtige Aussage im<br />

Deilinghofer Kirchenarchiv. Als 1822 zwischen Hemer und Deilinghofen<br />

gestritten wurde um die kirchliche Zugehörigkeit der<br />

Bewohner Stephanopels, bemerkt Deilinghofens Pastor Basse in<br />

den Akten, den Hemeraner Superintendenten Wulfert widerlegend:<br />

„Es konnte nicht in der persönlichen Zuneigung <strong>des</strong> verstorbenen Factor Caspari<br />

zu dem verstorbenen Dümpelmann liegen, dann würden sich gewiß damals mehrere<br />

Hemersche Gemeindeglieder hierhin gehalten haben.“<br />

Gemeint ist damit, daß Wulfert zu Unrecht argumentiert hatte, Stephanopel<br />

wäre nur aus Gründen ‘frommen Klüngels’ und wegen<br />

der besonderen Bruderschaft zwischen Caspari und Dümpelmann<br />

zu Deilinghofen gekommen. Basse führt im obigen Zitat Wulfert ad<br />

absurdum: ‘Wenn alle, die in Westig, Sundwig und Hemer eine<br />

55 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte G1, Bd.I. Protokollbuch <strong>des</strong> Presbyteriums<br />

1817-1824: Carl Franz Friedrich Basse schreibt da im Frühjahr 1822, als es<br />

Streit um die Zugehörigkeit Stephanopels gab, an den Superintendenten Wulfert<br />

und gibt eine Aussage <strong>des</strong> damals bereits verstorbenen Faktors Caspari von Stephanopel<br />

in wörtlicher Rede wieder.<br />

92


esondere Beziehung zu Dümpelmann und der Brüdergemeine gehabt<br />

hatten, dann hätten doch allüberall Hemeraner ‘Umpfarrungsanträge’<br />

stellen können... Man sieht hier, daß Basse über das besondere<br />

Charisma Dümpelmanns gut informiert war und <strong>des</strong>sen<br />

großen Ausstrahlungen auf die ‘Erweckten’ dieser Gegend durchaus<br />

kannte.<br />

Übrigens hatte auch jener ‘Stephan’, nach dem die ‘Stephans-Stadt’<br />

den Namen bekam, Beziehungen zu Herrnhut. Von Dr. Wilfried<br />

Reininghaus (Schwerte-Geisecke), dem Verfasser eines wertvollen<br />

historischen Aufsatzes über Stephanopel 56 , erhielten wir die Information,<br />

daß eine Reihe von Briefen <strong>des</strong> in Bremen gestorbenen<br />

Stephan Lürmanns (1764-1816), Sohn <strong>des</strong> Stephanopel-Gründers<br />

Johann Stephan Diedrich Lürmann, genannt Johann Theodor, im<br />

Archiv Herrnhut lagern 57 . Es sind Briefe im Zusammenhang mit<br />

Lürmanns Geschäftsverbindungen zur Lausitz.<br />

Sicher ist, daß in Stephanopel min<strong>des</strong>tens seit Anfang unseres<br />

Jahrhunderts bei einer Reihe von Anwohnern eine deutliche pietistisch-erweckliche<br />

Strömung zu beobachten ist: So wurden die alljährlichen<br />

Missionsfeste der Gemeinde Deilinghofen, die bis 1953<br />

stattfanden, nicht nur wegen der schönen Gegend nach Stephanopel<br />

gelegt, und neben den Missionaren der Rheinischen Mission, die zu<br />

diesen Festen eingeladen wurden, wird von einem Missionar der<br />

Herrnhuter Brüdergemeine namens Saul erzählt, der oft außerhalb<br />

dieser Feste nach Stephanopel kam und dort Erbauungsstunden im<br />

Betsaal <strong>des</strong> Giese’schen Hauses hielt...<br />

Noch heute wohnen im Stammhaus Stephanopels mit dem bekannten<br />

Relief ‘Zum Vorgebirge der guten Hoffnung’ Familienangehörige<br />

der Familie Rohländer, die von einer pietistisch-erwecklichen<br />

Familientradition geprägt sind.<br />

56 Wilfried Reininghaus, Johann Theodor Lürmann und die Garnbleiche von<br />

Stephanopel bei Hemer, in: Der Märker 41 (1992), S.147-162.<br />

57 Leider haben wir diese Briefe bei unserm Archivbesuch in Herrnhut übersehen<br />

und können hier (noch) nichts Weiteres zum genauen Inhalt ausführen.<br />

93


Wir kommen nach diesem ‘Ausflug nach Stephanopel’ zurück auf<br />

die Frage, was uns in den Diasporaberichten in den 70er Jahren <strong>des</strong><br />

18. Jahrhunderts über die hiesigen Erweckten geschildert wurde.<br />

Außer dem oben angesprochenen Besuch Ernsts bei Lehrer Landfermann<br />

in Hemer (1772) beziehen sich alle weiteren Erwähnungen<br />

der Orte Deilinghofen und Sundwig in den Diasporaberichten nach<br />

der Arbeit von Schunke auf die Zeit ab Ende der 70er Jahre, eine<br />

Zeit, die für Dümpelmanns theologische Entwicklung besonders<br />

wichtig war.<br />

Man schrieb das Jahr 1779. Der letzte Besuch <strong>des</strong> Johann Heinrich<br />

Ernst in Deilinghofens Altem Pastorat bei Pastor Dümpelmann lag<br />

inzwischen elf Jahre zurück. Umso erfreuter war der Diaspora-<br />

Arbeiter Ernst Ende Juni jenes Jahres, Gottfried Dümpelmann in<br />

seinem Pfarrhaus erneut besuchen zu können und zu sehen, wie<br />

erfreulich sich dieser geistlich entwickelt hatte.<br />

Schunke schildert diesen Besuch und das für Dümpelmann persönlich<br />

Bittere, was dicht darauf folgte, so:<br />

Der Diaspora-Arbeiter Johann Heinrich Ernst kehrte nach „elfjähriger <strong>Unter</strong>brechung<br />

... zum ersten Mal wieder Ende Juni oder Anfang Juli 1779 in Deilinghofen<br />

bei Pastor Dümpelmann, der im Vorjahre in Amsterdam und Zeist gewesen<br />

ist, ein. So verbunden ist Dümpelmann mit der Brüdergemeine, daß er diese<br />

weite Reise unternimmt, um Brüderorte kennen zu lernen. Aber diese Reise, so<br />

berichtet er, ist ihm zum Segen geworden. So kann es auch Ernst nur feststellen,<br />

denn Dümpelmann predigt jetzt auch vom Heiland. Schon nach kurzem Aufenthalt<br />

verläßt er Deilinghofen und eilt nach Hemmerde, wohin ihn die Nachricht<br />

von der Erkrankung <strong>des</strong> Vaters Dümpelmann ruft. Am 5.Juli trifft er dort ein. Am<br />

11. feiert er noch einmal mit dem alten Dümpelmann zusammen das Abendmahl.<br />

Am 19. stirbt dann dieser langjährige treue und bewährte Vorkämpfer und<br />

Freund der Brüdergemeine, den wir noch aus der Erstlingszeit als den Mitkämpfer<br />

um Freund Angelkorte kennen“ 58 .<br />

In dem Zusammenhang ist als Anmerkung anzufügen, daß heute an<br />

der alten Kirche in Hemmerde eine Grabplatte nahe dem Kircheneingang<br />

(links um die Ecke) am Gemäuer aufgehängt ist, die an das<br />

Leben, das Wirken und den Heimgang dieses ungewöhnlichen Gottesmanns<br />

Johann Caspar Dümpelmann erinnert. Das Bibelwort aus<br />

58 Schunke, S.84.<br />

94


Hebräer 13,7, das dort zu lesen ist (und das übrigens sein „Leichentext“<br />

in Inspektor von Steinens Begräbnisansprache war 59 ), mahnt<br />

den Betrachter, die Vergangenheit nicht zu vergessen: Gedenket an<br />

eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben... Von den<br />

Hemmerdern mit ihrer streckenweise ungewöhnlich interessanten<br />

Ortskirchengeschichte kann man normalerweise wirklich nicht sagen,<br />

daß sie die Vergangenheit vernachlässigen: Uns liegen zwei<br />

umfangreiche, sehr solide erarbeitete Hefte vor, die chronikmäßig<br />

aus der Hemmerder Kirchengeschichte erzählen 60 . Kurioserweiseweise<br />

aber wird in beiden Heften von Johann Caspar Dümpelmann<br />

und seinem Sohn Johann Gisbert Dümpelmann, die beide ja sehr<br />

wichtige Pfarrer <strong>des</strong> Ortes waren, außer den Lebensdaten so gut wie<br />

nichts geschildert...<br />

59 Schunke, S.33.<br />

60 1100 Jahre Hemmerde 872-1972, hg. vom ‘Heimatkreis Hemmerde’, Hemmerde<br />

1972; Beiträge zur Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Hemmerde. Festschrift<br />

anläßlich der ersten urkundlichen Erwähnung der Hemmerder Kirche am<br />

24.August 1290, hg. vom Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde<br />

Hemmerde, [Hemmerde] 1990.<br />

95


Vater Dümpelmanns Grabplatte an der Kirche in Hemmerde (Name vertikal)<br />

Jene Ereignisse <strong>des</strong> Jahres 1779 in Deilinghofen und Hemmerde<br />

tre-ten uns aber noch deutlicher vor Augen als in der summarischen<br />

Darstellung von Schunke, aus der wir oben zitierten, wenn man die<br />

Herrnhuter Originalakten aus dem Archiv hinzuzieht. Die zugrundeliegende<br />

Quelle, aus der auch Schunke ‘schöpfte’, ist ein 22-<br />

seitiges Manuskript, geschrieben am 19.Oktober 1779 im Brüderort<br />

Neuwied mit dem Titel: „Diarium von meinem Besuch im Bergischen,<br />

Märkischen und Cleveschen“ 61 , in dem von Ernst die Besuchsreise<br />

<strong>des</strong> letzten halben Jahres beschrieben wird, die im April<br />

1779 in Köln begann und u.a. auch nach Solingen (3. und<br />

4.Textseite) zur Witwe <strong>des</strong> verstorbenen Pastors Forstmann führte.<br />

Nach den Besuchen im Bergischen Land ging es ins Märkische, wo<br />

er dann in Iserlohn (6.Textseite) bei „Giesens“ 62 Aufnahme fand.<br />

Im Blick auf Iserlohn bedauerte er, daß es bislang in dieser großen<br />

Stadt nur neun erweckte Seelen gab, die im Sinne der Brüdergemeine<br />

Gemeinschaft hielten (was sich in den Jahren darauf unter<br />

Pastor Strauß rasant in positiver Richtung veränderte). Eine Text-<br />

61 Archiv Herrnhut, R19 Bi4.Nr.24. Das Diarium ist ohne Seitenzahlen.<br />

62 Gieses in Iserlohn werden als Erweckte im Sinne der Brüdergemeine öfters<br />

genannt, vgl. z.B. Schunke, S.65, wo der Drahtzieher „Joh. Giese“ hervorgehoben<br />

wird; der gleiche Joh. Giese wird von Johann Abraham Strauß in einem<br />

Brief an die Brüdergemeine (Schunke, S.134) als <strong>des</strong>sen älterer geistlicher Ratgeber<br />

genannt; zum Letzteren vgl. auch Steinecke, S.100. Im Umkreis von Strauß<br />

spielte später im Rahmen der Freunde der Brüdergemeine die „Familie von<br />

Scheib[e]ler“ eine gewisse Rolle (Schunke, S.121).<br />

96


seite später folgt dann vom 26. und 27.Juli 1779 der Bericht, wie<br />

Ernst „nach Westich in Stürmanns Haus“ kam, wo am 27. morgens<br />

eine biblische Kinderunterweisung der neun Stürmann-Kinder (unter<br />

ihnen auch der im Raum Hemer bekannte Missionar Samuel<br />

Stürmann 63 ) stattfand und nachmittags eine Zusammenkunft der<br />

Erweckten aus der umliegenden Gegend, bei der sich immerhin<br />

„ohne die Kinder über 40 Seelen“ versammelten an diesem „begnadeten<br />

Tag“, wie Ernst (7.Textseite) schrieb. Es handelte sich um<br />

jenen Johann Heinrich Stürmann, den Vater <strong>des</strong> genannten Samuel,<br />

der in den folgenden Jahrzehnten bis weit in das 19.Jahrhundert<br />

hinein auf den in Westig eingerichteten wichtigen regelmäßigen<br />

‘Gehilfenkon-ferenzen der Brüdergemeine’ zusammen mit Pfarrer<br />

Johann Abraham Strauß eine wichtige Rolle spielen sollte 64 .<br />

Von Westig aus ging es nach diesem Bericht direkt nach Deilinghofen.<br />

Im Original <strong>des</strong> von Schunke zitierten Berichts (s.o.) lesen wir<br />

hier bei Ernst präziser, daß „Pastor Dümpelmann ... vorigen Winter<br />

Amsterdam und Zeist“ besuchte (8.Textseite), also im Winter<br />

1778/79, und auch die Zahl <strong>des</strong> kleinen Häufchens um Pastor<br />

Dümpelmann ist da angegeben: „es waren 9 Persohnen. Es war mir<br />

recht wohl unter ihnen“. Auch zur Frömmigkeitssituation Deilinghofens<br />

gibt Ernst da sein Urteil ab:<br />

„In dem Ort hat man Seit Mannesalter keine Seele gewußt, die sich nach dem<br />

Heyld. [sc. Heiland] umgesehen hätte“.<br />

Direkt danach (gleiche Textseite) kam Ernst am 3.Juli 1779 „in <strong>des</strong><br />

alten Rentzings Hauß, wo es viele Jahre nicht gut gegangen ist“,<br />

und es wird dort aus Heppings Kotten der interne Familienstreit der<br />

älteren gegen die jüngeren Rentzings beschrieben. Ernst vermeldet:<br />

63 Zu Samuel Stürmann, dem Grönlandmissionar und Sohn <strong>des</strong> Johann Heinrich<br />

Stürmann vgl. Schl. 2/1973, S.9-20. In Dümpelmanns Akten taucht schon unter<br />

dem Datum vom 19.Dezember 1775 „Stürmann zu Westig“ in Deilinghofen auf<br />

(dieser sollte als Taxator die Schadenshöhe nach einem Holzdiebstahl schätzen,<br />

nach: Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte L4, Bd.1, Bestrafung wegen Waldfrevel<br />

1775-1829).<br />

64 Stürmann wird bei Schunke sehr viel genannt, z.B. S.104, 115f. u.ö.; zu den in<br />

Westig stattfindenden Gehilfenkonferenen vgl Schunke, S.112-117, S.130-133<br />

u.ö.<br />

97


„Ich sagte ihnen mit mitleydigem Herzen, was für ein Schaden für ihre Herzen es<br />

wäre, wenn sie sich nicht liebhaben könnten, u. was sie vor Anstoß den ganzen<br />

Häufchen gegeben“ (9. Textseite).<br />

Ernst verstand, den Streit zu schlichten, was dann auch den Erweckten<br />

in Sundwig „vor über 50 Seelen“ (9. Textseite) verkündigt<br />

wurde. Anlaß zu dieser seelsorgerlichen Aussprache und zu der<br />

Bereinigung der Angelegenheit war ein Besuch <strong>des</strong> Stephan Diedrich<br />

Rentzing im Brüderort Neuwied, wo „er auf sein Herz gekommen“<br />

war (8. Textseite).<br />

Im Winter 1778/79 also, etwa ein halbes Jahr vor dem Tod seines<br />

Vaters, hatte die bedeutende Hollandreise <strong>des</strong> Gottfried Wilhelm<br />

Andreas Dümpelmann stattgefunden. Amsterdam und Zeist waren,<br />

wie wir hörten, die Stationen gewesen. Dazu ist anzumerken, daß<br />

die große Zinzendorfsche Siedlung in Zeist (in der Nähe war übrigens<br />

das Domizil <strong>des</strong> letzten deutschen Kaisers Wilhelm II., nachdem<br />

er abgedankt hatte) auch heute noch durchaus eine Reise wert<br />

ist. Dort kann man sich sehr anschaulich klarmachen, wie seit dem<br />

18.Jahrhundert in der Brüdergemeine für die Geschwister geistliches<br />

Leben in einer kommunitären Lebensform und berufliches<br />

Arbeiten, ora et labora in christlicher Gemeinschaft, zusammengehörten.<br />

Dieser Brüderort Zeist war neben Amsterdam auch immer<br />

wieder der wichtige Anlaufpunkt gewesen, den seinerzeit Angelkorte,<br />

der Hemeraner Vorkämpfer der Herrnhuter Bewegung, verschiedentlich<br />

aufgesucht hatte, der ja dann familiär ganz eng mit<br />

der ‘Amster-damer Szene’ verbunden war: Die Tochter <strong>des</strong> führenden<br />

Herrnhuters in Amsterdam, Isaak Lelong, war ihm von der<br />

Brüdergemeine als Frau zugeteilt worden, in der Sprache Herrnhuts<br />

als ‘Ehe-schwester’.<br />

In der Familienchronik der Rentzings in Sundwig (Heppings Kotten)<br />

sind dann Hollandaufenthalte von Familienmitgliedern, die<br />

längere Zeit in Zeist verbrachten, vermerkt 65 . Auch in den vielen<br />

Briefen, die im Archiv Herrnhut über die Brüdergemeine in und um<br />

Hemer gesammelt sind, ist oftmals von Aufenthalten Hiesiger in<br />

65 Vgl. Rentzing-Alberts-Chronik, S.1.<br />

98


Amsterdam und Zeist die Rede. Eine ähnliche Orientierung nach<br />

Holland hin muß auch unseren Gottfried Dümpelmann zur Reise<br />

nach Zeist und Amsterdam im Jahr 1778 veranlaßt haben. Interessant<br />

ist, daß im eben zitierten „Diarium“, im Reisebericht <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters<br />

Ernst im Jahr 1779, dieser auch anläßlich <strong>des</strong> To<strong>des</strong><br />

Johann Caspar Dümpelmann in einer kurzen Lebensbeschreibung<br />

<strong>des</strong> Heimgegangenen anmerkte; „von seinen drei Töchern ist<br />

eine in der Gemeinde zu Zeist“ (15.Textseite). Zwei Töchter <strong>des</strong><br />

alten Dümpelmanns hatten ja zeitweise in Deilinghofen gelebt und<br />

offenbar im Alten Pastorat den Haushalt geführt.<br />

Daß der Bruder Gottfried Dümpelmann aus Holland großen Segen<br />

mitbrachte und sein Amt fortan offenbar viel entschiedener nach<br />

Herrnhuter Weise führte, ist oben angeklungen. Für Ernst war Gottfried<br />

Dümpelmann erst jetzt ein ‘richtiger’ Mann der Brüdergemeine:<br />

Dümpelmann „predigt auch vom Heyld., welches auch Segen<br />

hat“, war seine Formulierung ganz wörtlich nach dem Original-<br />

Reisebericht von 1779 (8.Textseite). Dieses karge und für Außenstehende<br />

wohl etwas sonderbar klingende Lob wird man nach dem<br />

Sprachgebrauch der Brüdergemeine verstehen müssen, wo es z.B.<br />

ein ähnliches geistliches Lob ist, wenn sich ein Mensch vom (normalen<br />

Kirchen-)Christen zum ‘armen Sünder’ oder zur ‘armen<br />

Sünderin’ verändert und bekehrt hat.<br />

Aber nicht nur geistlichen Segen brachte Dümpelmann mit aus den<br />

Niederlanden, sondern auch einen beträchtlichen ‘Geldsegen’ zum<br />

Bauen an seinem Alten Pastorat. Der erste, der dieses aufgrund<br />

gründlich erforschter Deilinghofer Kirchenarchiv-Akten zur Kenntnis<br />

nahm und veröffentlichte, war Herbert Schulte, der verstorbenen<br />

Iserlohner Fachmann der hiesigen Heimatgeschichte. Deswegen<br />

wollen wir ihm hier nach der von ihm erstellten „Dokumentation<br />

zur Geschichte der evangelisch-lutherischen Pfarrer der Stephanuskirche<br />

zu Deilinghofen“, 3. Teil, zu Worte kommen lassen:<br />

„Die lobenswerteste Leistung erbrachte Dümpelmann durch eine beschwerliche<br />

Reise nach Holland, wo er bei seinen pietistischen Freunden um Spenden zur<br />

Fortführung der Bauarbeiten in Deilinghofen vorsprach. In Den Haag, Rotterdem,<br />

Amsterdam und Zaandam sammelte er 977 Gulden ein, von denen er nach<br />

99


Abzug der Reisekosten der Kirchenkasse Deilinghofen 271 Reichstaler und 30<br />

Stüber zur Verfügung stellte“ 66 .<br />

Welch immense Arbeit Schulte zur Erforschung <strong>des</strong> Lebens von<br />

Dümpelmann (und auch seiner Kollektenreisten) geleistet hatte,<br />

konnten wir im Nachhinein aus einem Aktenorder „Deilinghofer<br />

Pastorat“ entnehmen, den uns Schulte (mit einer Reihe anderer in<br />

einem langen Leben gesammelter heimatgeschichtlicher Ordner)<br />

kurz vor seinem Tod hinterließ. Darin befinden sich viele überaus<br />

gründlich abgeschriebene ‘Übersetzungen’ und Exzerpte sämtlicher<br />

Belege <strong>des</strong> Kirchenarchivs zum Alten Pastorat. So liest man auf<br />

einem der dortigen Zettel, wie genau sich die 977 Gulden aus Holland<br />

zusammensetzten, von denen schließlich 277 Reichstaler für<br />

die Kirchenkasse übrig blieben:<br />

„aus Holland<br />

Den Haag 65 Gulden 5 Stüber<br />

Rotterdam 146 Gulden<br />

Amsterdam 703 Gulden 8 Stüber<br />

Zaandam 21 Gulden 5 Stüber<br />

Utrecht 41 Gulden 10 Stüber<br />

[addiert] 977 Gulden 8 Stüber“.<br />

Um die Größenordnung dieses Kollektenergebnisses aus Holland<br />

zu erfassen, muß man dagegenhalten, daß (wie auf gleichem Blatt<br />

zu lesen ist) eine Kollektenreise in heimische Gefilde, nämlich in<br />

die Gegend, wo Dümpelmann herkam, nach Unna, Dorf Hemmerde,<br />

Kirchspiel Hemmerde, Kirchspiel Bausenhagen und Dorf Westick<br />

lediglich gut 37 Reichstaler ergeben hatte; und bei der vorne<br />

schon genannten großen auswärtigen Kollekte hatte Dümpelmann<br />

es fertiggebracht, wie Schulte schreibt 67 ,<br />

„von den Kirchengemeinden in Meinerzhagen, Homberg, Gummersbach, Lüdenscheid,<br />

Halver, Essen, Altena, Iserlohn, Hemer, Werdohl, Dahl, Hörde, Dortmund,<br />

Brakel, Ummingen, Langendreer und Witten insgesamt 224 Reichstaler<br />

als Spenden hereinzuholen“.<br />

Das Resultat von nur fünf holländischen Orten und Gemeinden war<br />

also etwa genauso hoch wie das Resultat all der vielen genannten<br />

66 H.Schulte III.<br />

67 H.Schulte III.<br />

100


märkischen Gemeinden zusammengenommen (und es war in Holland<br />

brutto weit höher sogar als aus den Gemeinden der Mark,<br />

wenn man die recht reichlich bemessenen Reisespesen, die Dümpelmann<br />

abzog, mit in Anschlag bringt), ein Hinweis darauf, wie<br />

gut und intensiv die Kontakte zu den Brüdergemeine-Freunden in<br />

Holland waren: Sicherlich besser als zu vielen Amtsbrüdern in der<br />

Mark. Wenn man die Riesensumme von 703 Gulden als Kollekte<br />

allein aus Amsterdam ‘abschleppen’ konnte, dort in der Ferne gesammelt<br />

für ein Pfarrhaus im Sauerland, dann mußte man in Amsterdam<br />

zumin<strong>des</strong>t sehr gut bekannt sein und als ein vertrauenswürdiger<br />

und wichtiger Bruder angesehen werden! So hat selbst der<br />

‘schnöde Mammon’ hier eine theologische Aussagekraft. Und aus<br />

Dümpelmanns Perspektive gehörte sicherlich bei<strong>des</strong> untrennbar<br />

zusammen: der pekuniäre Nutzen, den die Hollandreise für sein<br />

Projekt in Deilinghofen mit sich brachte und der oben von Diasporaarbeiter<br />

Ernst beschriebene geistliche Ertrag dieser Reise, daß<br />

er jetzt ‘vom Heiland predigte’ und von da an als ein ‘richtiger'<br />

Brüdergemeine-Mann anzusehen war.<br />

Wie sah das nun aus: ‘vom Heiland predigen’? Anders als von<br />

mehreren anderen Deilinghofer Pastoren liegt uns von Dümpelmann<br />

leider keine handgeschriebene oder gedruckte Predigt vor.<br />

Aber just aus der hier beschriebenen Zeit haben wir ein eindrucksvolles<br />

Echo auf eine Predigt, die Dümpelmann in der Stephanuskirche<br />

hielt, und die als umwerfend eindrucksvoll empfunden wurde.<br />

Es war im Jahre 1780. Ein 16jähriger Junge aus Niederhemer wanderte<br />

eines Sonntags hoch nach Deilinghofen, um Dümpelmann zu<br />

hören, und über 60 Jahre später schrieb er in seiner Lebensbeschreibung<br />

von seiner Deilinghofer Predigterfahrung. Wir zitieren,<br />

damit das Charakteristische deutlicher wird, etwas umfangreicher:<br />

„Den 3ten April 1779 brannte unser ganzes Dorf ab, außer ein paar Häusern, da<br />

es eine große Trockenheit war... Den ersten November zogen wir in unser neues<br />

Haus ein. - Mein lieber Vater hatte nicht viel Freude an diesem Einzug, wie es<br />

wohl zu denken ist. 1780 ging mein lieber Vater aus diesen Leidenstagen in die<br />

frohe Ewigkeit über.<br />

Dieser Heimgang war im Winter - im Frühjahr 1780 wurde ich confirmiert. Den<br />

anderen Tag genoß ich das heilige Abendmahl mit einer wahren Aengstlichkeit,<br />

101


ich würde es unwürdig genießen, und weiß nicht, wie ich an den Altar kam, auch<br />

nicht, was der Pastor dabei gesagt hat, sondern ich dachte an die Worte: wer<br />

unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber das Gericht. Diese<br />

Worte sind mir zum Segen gewesen, daß ich nicht so leichtsinnig und gleichgültig<br />

mich hinzu genähert, sondern Hochachtung dafür gehabt habe. - - Nun war ich<br />

zu Hause, trieb den Ochsen und lernte von meinem Bruder die Schuhmacherei,<br />

da mein Vater auch Schuhmacher gewesen ist. Da wir auch hölzerne Absätze<br />

unter die Frauenzimmer-Schuhe machten - so schickte mich meine Mutter auf<br />

einem Sonntag nach Deilinghofen, ein Stück Holz zu den hölzernen Absätzen zu<br />

bestellen und sagte zu mir, ich könnte in Deilinghofen in die Kirche gehen. Ich<br />

tat das. Der selige Pastor Dümpelmann predigte über die Worte in unserem lutherischen<br />

Cathechismus: Hoffest du auch, selig zu werden? antworte: ja, ich hoffe<br />

es. Der Pastor sagte, es wäre töricht, wenn einer sich mit Hoffen läßt begnügen,<br />

z.B., es hoffe einer ein großes Kapital zu kriegen und hätte kein Dokument in den<br />

Händen und kriegte auch keine Interessen usw.; man müßte seiner Seligkeit gewiß<br />

sein. Dies machte einen großen Eindruck auf mich. Soviel weiß ich jetzt<br />

noch, daß ich vergnügt nach Hause kam“ 68 .<br />

Zwei Gottesdiensterfahrungen von 1780: in Hemer in der heute<br />

nicht mehr vorhandenen Vituskirche und in Deilinghofen in der<br />

Stephanuskirche, direkt hintereinandergestellt. Was aus Deilinghofen<br />

in jener Zeit aus der Kirche mitzunehmen war, kommt für den,<br />

der mit Sensibilität zu lesen versteht, klar zum Ausdruck: Dümpelmann<br />

war ein Geistlicher, der das lutherische und besonders pietistische<br />

Zentralthema der persönlichen Heilsgewißheit eindringlich in<br />

den Mittelpunkt zu stellen vermochte, und jener junge Mann, der<br />

diese Predigt 1842, Jahrzehnte später, am Ende seines Lebens, so<br />

gut zu referieren verstand, war wirklich einer, den in seinem Herzen<br />

die Frage nach Heil und Verlorengehen in dieser besonderen<br />

Lebens-phase und insgesamt als Kernfrage seines Glaubenslebens<br />

umtrieb. Wen wundert es, daß er dann in der <strong>gesamten</strong> Ausbildungszeit<br />

sich in Iserlohn bewußt den Pastor Johann Abraham<br />

Strauß, den Busenfreund und Geistesverwandten Dümpelmanns, als<br />

geistlichen Mentor und Seelsorger aussuchte, daß er etwa in den<br />

genannten Skrupeln beim Abendmahl sich Strauß als ‘Ersatzvater’<br />

68 Schl.1/1991, S.4f.<br />

102


und Vorbild aus-wählte, was in jener Lebensbeschreibung einmal<br />

so zum Ausdruck gebracht wird:<br />

„Ich ging nun alle Sonntag nach dem lieben Pastor Strauß zur Kirche und ging<br />

einen Zeitlang einen seligen Gang. Einmal sah ich den Pastor Strauß zum A-<br />

bendmahl gehen, und ich wünschte mir, daß ich auch so könnte hingehen“ 69 .<br />

Jener Mann, der von Dümpelmann seit 1780 und dann von Strauß<br />

so beeinflußt wurde, war einer der bedeutendsten Menschen, die<br />

Hemer hervorgebracht hat: der berühmte heimische Mühlenbauer<br />

und Papierformenhersteller Johann Hermann Stindt (1763-1864),<br />

der auch als Baumeister der Ebbergkirche anzusehen ist, und der<br />

schließlich auch zum Hemeraner Kirchenvorstand gehörte. Aber<br />

die eigentliche innere Prägung hatte er (der übrigens Vorfahr <strong>des</strong><br />

Deilinghofer Gastwirts Helmut Stindt und auch <strong>des</strong> Hemeraner<br />

Heimatkenners Ernst Dossmann war) deutlich nach der Weise, wie<br />

sie von je einem Pastoren-Original in der Bauernkirche in Iserlohn<br />

und in der Stephanuskirche in Deilinghofen vertreten wurde... Daß<br />

Stindt als seinen engen Freund einen Caspari nennt 70 (die Casparis<br />

aus Stephanopel als Freunde der Brüdergemeine haben wir ja o-<br />

ben 71 schon erwähnt), paßt genau in dieses Bild.<br />

Aus dem gleichen Jahr 1780 liegt uns von Pastor Dümpelmann ein<br />

wichtiger ‘weltlicher’ Text vor, in dem er soziales Engagement und<br />

zusammen mit den Rentzings von Heppings Hof in Sundwig Zivilcourage<br />

beweist. Es ist ein Text, der freilich zwischen den Zeilen<br />

auch von den intensiven geistlichen Bindungen zwischen dem Zinzendorfianer<br />

Dümpelmann und den gleich ausgerichteten Rentzings,<br />

die in Sundwig auf Deilinghofer Kirchenbesitz saßen, eine Menge<br />

aussagt.<br />

69 Schl. 1/1991, S.8.<br />

70 Stindt in Schl.1/1991, S.9: „Nach diesem kam Caspari von seiner Wanderschaft<br />

in der Westigerbach in Arbeit. Da wir gute Freunde waren und auch hernach<br />

Brüder (Schwäger) wurden, so lehrte mich Caspari die Zirkelrechnung. Ich<br />

kam in kurzer zeit so weit, daß ich alles rechnen konnte, was zu meinem Handwerk<br />

notwendig war.“<br />

71 Vgl. oben, S.90f.<br />

103


Was war geschehen als Anlaß dieses Dümpelmann-Textes? Die<br />

reiche Industriellen-Familie von der Becke im Dieken hatte versucht,<br />

Heppings Kotten zu erhalten; sie hatten dafür auch die dreifache<br />

Pacht geboten: 12 Taler statt 4 Taler. Sie wollten unbedingt<br />

das Grundstück in die Hand bekommen, um dort einen Obergraben<br />

für ein Wasserrad darüber legen zu können. Bei der Fabriken-<br />

Commis-sion hatten sie dieses Projekt beantragt und dabei behauptet,<br />

sie hätten zu ihrem Vorgehen die älteren Rechte. Daraufhin<br />

kam es zu einem langen Prozeß, der erst im Jahr 1820 zugunsten<br />

der Rentzings entschieden wurde 72 . Dümpelmanns zehnseitiges<br />

Gutachten in dieser Angelegenheit vom 9.Mai 1780 stellte die Situation<br />

<strong>des</strong> Kottens und <strong>des</strong> Pächters ausführlich dar und kam dann<br />

auf die zwischen den von der Beckes und Rentzings umstrittenen<br />

Positionen zu sprechen:<br />

„So ungern wirs auch thun, so forderts der Gehorsam in Gemässheit <strong>des</strong> geforderten<br />

Gutachtens uns schlechterdings ab, hier zu weisen, daß obgleich wahr die<br />

von der Becke bei anderer Gelegenheit von einer niedrigen Denkungsart sich<br />

nicht beherrschen lassen, sie doch in diesem Falle einer edlen und großmüthigen<br />

Art zu handeln ganz weit aus dem Wege gehen“, und Dümpelmann fütgte hinzu,klar<br />

Partei nehmend für die Rentzings: „Der Kleine lebt so gern in Ruhe als<br />

der Große“. Dümpelmann schloß sein Gutachten mit eindrucksvollen Worten:<br />

„ob es recht sei, durch der von der Becke vorgeschlagenen Weg zur Kirche 8<br />

Rthl. zu gewinnen, ob es recht sei ein paar alte Ehleute von 70-80 Jahren mit<br />

ihren Kindern, die auf Hoffnung gearbeitet, die Früchte ihrer Arbeit zu geniessen,<br />

ohne Rücksicht den empfindlichsten Undank fühlen zu lassen, oder ob es recht<br />

sei, die Von der Becke ... abzuweisen, müssen wir lediglich einem Wohllöbl.<br />

Landgericht und weiter der Lan<strong>des</strong>väterlichen unpartheilichen Gesinnung Seiner<br />

Köngl. Maj. anheimstellen“ 73 .<br />

Wohlgemerkt: Dem 80jährigen Mann, dem der Deilinghofer Pfarrer<br />

hier die Hand über den Kopf hielt, das war kein anderer als der<br />

Sundwiger Patriarch der Herrnhuter Erweckungsbewegung, Stephan<br />

Diedrich Rentzing, von dem die Lebensbeschreibung und<br />

andere Akten im Herrnhuter Archiv liegen, und der seinerzeit mit<br />

72 Die Prozeßakten finden sich bei Peter Alberts in der Sundwiger Mühle.<br />

73 Kirchenarchiv Deilinghofen Akte L1 ‘Heppings Gut zu Sundwig 1761- 1843’,<br />

dort: Gutachten Dümpelmanns vom 9. Mai 1780.<br />

104


Angelkorte zusammen 1743 den großen Forstmann besucht 74 hatte<br />

in jenem Solinger Haus, in dem 1738 auch Graf Zinzendorf übernachtet<br />

75 hatte.<br />

Predigten haben wir von Dümpelmann nicht (im Gegensatz zu einer<br />

ganzen Reihe von anderen Pastoren, die in der Stephanuskirche im<br />

Laufe der Geschichte predigten); wir haben uns da auf das oben<br />

genannte Predigt-Echo und die Kurz-Inhaltsangabe <strong>des</strong> jungen<br />

Stindt aus dem Jahre 1780 zu beschränken.<br />

Wie aber nun unser Pastor Gottfried Dümpelmann theologisch gedacht<br />

hat, darüber gibt es dann doch ein gewichtiges Selbstzeugnis,<br />

das zwei Jahre später zu Papier gebracht wurde: jene genannte Verteidigungsschrift<br />

aus dem Jahr 1782, die sich im Original im Archiv<br />

der Herrnhuter Brüdergemeine befindet. Die Schrift von 1782<br />

umfaßt 16 große handgeschriebene Seiten und trägt den (nachträglich<br />

in Herrnhut hinzugefügten) Titel: „Past. Dümpelman’s zu Deilinghofen<br />

bey Iserlohn Entwurf einer Antwort zu Nr. 3“ 76 . Nr. 3<br />

bezieht sich auf ein im gleichen Jahr herausgekommenes Manuskript<br />

<strong>des</strong> Unnaer Pfarrers Friedrich Christoph Müller (1751-<br />

1808). Er war Pfarrer in Unna von 1782 bis 1785, danach in<br />

Schwelm 77 ; von ihm stammt aus dem Jahr 1791 jene berühmte<br />

Landkarte der Grafschaft Mark, die in und um Hemer vielen Heimatfreunden<br />

bestens bekannt ist. Dieser auf vielen Gebieten begabte<br />

Pfarrer Müller hatte also 1782 ein kritisches Manuskript gegen<br />

die Brüdergemeinde verfaßt, das heute im Herrnhuter Archiv lagert<br />

und den Titel trägt: „P.Müller’s zu Unna Unpartheyisches Urtheil<br />

über die sogenannten Brüder Gemeinden in der Diaspora“ 78<br />

Das 1911 in Halle erschienene entsprechende Standardwerk von O.<br />

Steinecke, „Die Diaspora (Gemeinschaftspflege) der Brüdergemei-<br />

74 Vgl oben in der Chronik zu 1743.<br />

75 Vgl. oben in der Chronik zu<br />

76 Archiv Herrnhut, Signatur R19 Bi Nr.6a4. Eine Kopie dieses wichtigen Dokumentes<br />

haben wir in Deilinghofen.<br />

77 Vgl. Bauks, S.342, Nr.4298.<br />

78 Archiv Herrnhut, Signatur R19 Bi Nr.6a3. (20 handgeschriebene Seiten, von<br />

denen uns die Kopie vorliegt).<br />

105


ne in Deutschland. Ein Beitrag zu der Geschichte der evangelischen<br />

Kirche in Deutschland“, widmet dieser Auseinandersetzung Müllers<br />

mit der Brüdergemeine und der in Deilinghofen geschriebenen<br />

Antwort Dümpelmanns eine ganz Druckseite. Wir zitieren diesen<br />

umfangreichen Text Steineckes hier aus zwei Gründen: Erstens,<br />

weil es ein singulärer Fall ist, daß ein Deilinghofer Ereignis in der<br />

überregionalen Kirchengeschichte vorkommt, und zweitens, weil<br />

Steinecke den Inhalt beider Schriften, die uns in Kopie vorliegen,<br />

aufs Trefflichste zusammenfaßt:<br />

„1782 wohnte in Unna der Ortspfarrer Müller einer Versammlung der Diasporageschwister<br />

bei und tadelte, ohne sonst etwas an ihrer Zusammenkunft auszusetzen,<br />

die ausliegenden Bücher, namentlich das herrnhutische Gesangbuch und<br />

die ‘trockene’ idea fidei fratrum. Einige Tage vorher hatte er sich in einer Predigt<br />

gegen die sinnliche Verehrung Christi ausgesprochen, den man mit klarem Verstande<br />

anbeten müsse, und nun verfaßte er eine Schrift gegen das Diasporawesen.<br />

Zwar konnte er den Diasporageschwistern nichts Nennenswertes vorwerfen,<br />

insbesondere mußte er anerkennen, daß sie sich treu zur Kirche hielten. Doch<br />

betrachtete er ihre besonderen Erbauungsstunden neben dem öffentlichen Gottesdienst<br />

als überflüssig und sah vor allem darin eine Gefahr, daß sie in die Blutund<br />

Wundentheologie der Brüdergemeine hineingezogen würden. Auf Bitten der<br />

Diasporageschwister setzte Pastor Dümpelmann in Deilinghofen eine Rechtfertigungsschrift<br />

auf, worin er den gläubigen und kirchlichen Standpunkt der Diasporageschwister<br />

ernst und würdig darlegte. Ohne über Zinzendorf ein Urteil abgeben<br />

zu wollen, so führte er aus, nehmen die Freunde Herrnhuts für sich das Recht<br />

und die christliche Freiheit in Anspruch, Bücher, die ihnen zusagen, wie die Losungen,<br />

Reichels Denksprüche u. dgl., zu lesen und sich neben dem fleißigen<br />

Besuch <strong>des</strong> öffentlichen Gottesdienstes noch zu besonderen Erbauungsstunden zu<br />

vereinigen. Die Blut- und Wundentheologie ist ihnen gerade recht, und sie<br />

schließen sich an die Brüdergemeine gerade <strong>des</strong>halb an, weil sie an dem Bekenntnis<br />

von Christi Kreuz und Tod festhält. Wenn dabei etwa einmal eine unpassende<br />

bildliche Redewendung mit unterlaufen sollte, so spielt dies keine Rolle.<br />

Im übrigen soll, um Mißverständnissen vorzubeugen, hervorgehoben werden,<br />

daß sie Christum nicht nur in seiner Erniedrigung, sondern auch in seiner Erhöhung<br />

anbeten, daß nach ihrer Ansicht die Bekehrung nicht mit einem Male und<br />

auf einerlei Weise geschieht, und daß nach ihrer Überzeugung der Glaube zwar<br />

allein seligmacht, aber gerade der rechte Glaube zur Heiligung treibt.<br />

106


Auf Ernsts Rat übergaben die Diasporageschwister diese Gegenschrift dem Ortsgeistlichen<br />

nicht, sondern ließen alle Angriffe ohne Gegenwehr ruhig über sich<br />

ergehen; infolge<strong>des</strong>sen verlief die Sache im Sande“ 79 .<br />

Zum Letzteren ist anzumerken, daß mitnichten etwa mangelnde<br />

Qualität der Arbeit <strong>des</strong> Deilinghofer Dümpelmann zum Nicht-Veröffentlichung<br />

dieser Verteidigungsschrift führte, sondern lediglich<br />

die kirchenpolitische Taktik <strong>des</strong> vorsichtig-bedächtigen Diaspora-<br />

Arbeiters Johann Heinrich Ernst, der dann später auf diesen Unnaer<br />

Pfarrer Müller auch wieder zuging, wie seine Berichte zeigen 80 .<br />

Liest man Müllers Schrift von 1782 im Ganzen, zeigt sich, daß das<br />

kein unsachliches Pamphlet gegen die Frommen im Lande war,<br />

keine polemische Streitschrift mit Hieben unterhalb der Gürtellinie,<br />

sondern eine durchaus mit viel gründlicher Kenntnis der Brüdergemeine<br />

geschriebene Anfrage in Richtung Herrnhut, die ja durchaus<br />

ein nicht wegzuwischen<strong>des</strong> Grundproblem der Herrnhuter Bewegung<br />

ansprach, nämlich die Blut- und Wundentheologie, die<br />

zumal in der Sichtungszeit von 1743 bis 1750 81 in sinnlich und<br />

erotisch übersteigerter Weise Jesu und sein Blut ins Zentrum gerückt<br />

hatte. Auch wurde von Müller in kluger Weise nicht Zinzendorf<br />

selbst angegriffen (auf der ersten Seite unten schrieb er sogar:<br />

„Der Graf von Zinzendorf war ein Genie“), aber wie die von ihm<br />

und Herrnhut ausgehenden ‘sinnlichen Auswüchse’ sich aufs einfache<br />

Volk auswirkten, das war die letztlich von Müller gestellte Frage.<br />

Es ging also um das Kernproblem, wie sich frommes Gefühl<br />

und Sinnlichkeit mit Rechtgläubigkeit zusammen vertragen: Ob da<br />

nicht die Diaspo-rageschwister ‘auf der Kippe zur Schwärmerei’<br />

wären?<br />

Bezeichnend für die Art <strong>des</strong> Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann<br />

und auch für seine Stellung zu Zinzendorf und Herrnhut war<br />

es, mit welcher weisen und verständigen Gelassenheit und mit welcher<br />

Klugheit er auf diese theologisch hochkarätige Anfrage seines<br />

gebildeten Unnaer Amtsbruders reagierte. Uns ist kein märkisches<br />

79 Steinecke, S.97f.<br />

80 Vgl. Schunke, S.86f.<br />

81 Dazu s.o. in der Chronik 1743-1750.<br />

107


Dokument aus der Bewegung der Brüdergemeine im<br />

18.Jahrhundert bekannt, das theologisch so klar wie die Schrift<br />

Dümpelmanns zu den grundsätzlichen Fragen Auskunft gibt, die sie<br />

aufwarfen für einen Geistlichen, der einerseits auf die lutherischen<br />

Bekenntnisschriften ordiniert war und auf der anderen Seite sich zu<br />

den von Zinzendorf ausgehenden Strömungen bekannte.<br />

Ein paar Textauszüge und Einzelzitate aus Dümpelmanns Schrift<br />

von 1782 können dieses über das oben von Steinecke Referierte<br />

hinaus verdeutlichen.<br />

Der erste ‘Gegenstrich’, den der gelehrte Müller von Dümpelmann<br />

abkriegte (bzw. abkriegen sollte), lag darin, daß Dümpelmann dem<br />

anderen gerne zustimmte, daß Zinzendorf ein Genie und ein Werkzeug<br />

der göttlichen Vorsehung gewesen wäre, aber das wäre gar<br />

nicht der entscheidende Punkt, der ihn an der Brüdergemeine interessierte,<br />

statt<strong>des</strong>sen ginge es ihm, Dümpelmann, und seinen Leuten<br />

um Folgen<strong>des</strong>:<br />

„Unsere Bekanntschaft mit der Brüder-Unität und deren Endzweck gründet sich<br />

auf den Inhalt <strong>des</strong> Gebälks: Dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme; und<br />

auch auf das theure Bekenntniß dieser Brüder Unität von Jesu Kreutz und Tod“<br />

(1.Textseite).<br />

Was mit anderen Worten heißt, daß Dümpelmann streng von sich<br />

abwies, er wäre in menschlicher Weise Parteigänger eines faszinierenden<br />

Mannes, dem er hinterherliefe. Nein, ihm ging es bloß insofern<br />

um Zinzendorf, weil es ihm um Jesus und das kommende<br />

Reich ging im Rahmen der ‘theologia crucis’, der Theologie vom<br />

Kreuz und Tod Jesu auf Golgatha. Auch die diversen Komplimente,<br />

die Müller den Leuten der Brüdergemeine gemacht hatte wegen<br />

ihres Gemeinschaftslebens, daß sich dieses Christsein auch vom<br />

‘nor-malen Christentum’ positiv abhöbe, nahm Dümpelmann wieder<br />

dankend entgegen, um sie gleich wieder nach dem gleichen<br />

Schema relativierend abzuweisen: Es käme doch auf das kommende<br />

Reich und <strong>des</strong>sen Ausbreitung an und damit auf Mission. Es<br />

ginge darum, „daß das Reich Gottes durch die Annahme der Evangelii von<br />

Jesu Kreutz und Tod, unter den Heiden ausgebreiteter, und das Christenthum den<br />

Christen heller und ächter würde. Wer macht sich um die Bekehrung der Heiden,<br />

und um die einzogenen Nachrichten verdienter als aber die Brüder-Unität? Pro-<br />

108


testantische Gottesgelehrte haben dies zur Steuer der Wahrheit längstens anerkannt“<br />

(2.Seite unten und 3.Seite oben).<br />

Das theologische Profil genauso wie das geschickte kirchenpolitische<br />

Taktieren Dümpelmanns in Deilinghofen ist u.E. bereits aus<br />

diesem Anfang der Schrift schön zu erkennen. Er war nicht ein Radikaler<br />

wie seinerzeit in Hemer der Pfarrer Angelkorte, der sich im<br />

Einsatz für die Herrnhuter Sache Unbill ohne Ende zuzog. Der Deilinghofer<br />

war da von sehr anderer Art: ein kluger und weiser Verteidiger<br />

der Brüdergemeine aus dem Hintergrund, wohl so eine Art<br />

‘graue Eminenz’ und damit zugleich jemand, der im märkischen<br />

Umkreis als ‘Spitzenmann’ der Brüdergemeine ins Feld geschickt<br />

wurde, um die Müllerschen Angriffe zu entkräften. Wie geschickt<br />

Dümpelmann zu taktieren verstand, zeigt sein Argument, daß doch<br />

ein Zwiespalt darin bestände, daß man in jedem Buchladen die radikalen<br />

aufklärerischen Schriften eines „Voltaire“ oder eines<br />

„Bahrdt“ z.B. kaufen dürfte, daß man sich nach dem staatskirchenrechtlichen<br />

Vorgehen gegen Herrnhuter Schrifttum erheblich mehr<br />

‘anstellte’; Dümpelmann berief sich da auf sein Lesen von „Brüderschriften“,<br />

daß er und die Seinen „einen Reichel und Spangenberg“<br />

lesen, auf „Gewißensfreiheit“: So plädierte er dafür, daß neben<br />

allen möglichen „Comödien oder Tragödien“ man eben die<br />

Bibel oder<br />

„etwa eine Missionsgeschichte, oder die Postille von Pastor Reichel, auch wohl<br />

Ideam Fidei Fratrum, ein Buch, das unseres Erachtens, ohne andere gering zu<br />

schätzen, alles enthält, was uns von der Glaubens- und Sittenlehre zu wißen<br />

nothwenig ist“, frei lesen dürfen müßte (alle Zitate 4.Textseite).<br />

Auch das „Büchlein, die Losung genannt“ gehörte hierher: „wir freuen uns, daß<br />

wir täglich mit einer Menge Menschen unter Heiden und Chirsten einerlei Betrachtung<br />

zum Gegenstand haben“ und „täglich einen besondern jedoch einerlei<br />

Spruch lesen“ (5.Textseite).<br />

Das Wort <strong>des</strong> Paulus: Prüfet alles, und das Gute behaltet, müßte<br />

auch hier gelten (6.Textseite), was sich auch auf die besonderen<br />

Erbauungsstunden und das Beherbergen von reisenden Brüdern der<br />

Brüdergemeine bezöge.<br />

Dann kam Dümpelmann zum alles entscheidenden Kontroverspunkt<br />

mit Müller:<br />

109


„Was endlich den Hauptpunct unserer Erklärung betrifft: so können wir nicht<br />

bergen, daß die Kreutz-, Blut- und Wundentheologie nach der lutherischen Lehre,<br />

den Grundsätzen der Bibel“ als legitim zu betrachten wäre (6.Textseite): „es<br />

ist dies auch einer der wichtigsten Beweggründe mit, warum wir die Bekanntschaft<br />

der Brüder-Unität unterhalten, weil sie ganz fest an dem reinen biblischen<br />

Bekenntniß von Jesu Kreutz und Tode hält“ (7.Textseite).<br />

Dümpelmann ging hier geschickt oder arglos so vor, daß er die<br />

Kreuzestheologie von Paulus, Luther, den Bekenntnisschriften und<br />

Herrnhuts völlig in eine Linie stellte (und alle sinnlichen Fehlformen<br />

in der Zinzendorfschen Tradition als Bagatellen am Rande<br />

abtat). So wurde der Begriff ‘Blut- und Wundentheologie’ von einem<br />

fragwürdigen Schimpfwort umgedreht zu einem Ehrentitel<br />

gemacht, der gleichbedeutend wäre mit: (lutherischer) Theologie<br />

<strong>des</strong> Kreuzes. So konnte er sagen, daß „die Kreutz und Blut Theologie<br />

unser einziger Haupt- und Glaubensgrund ist“, was mit folgendem<br />

Glaubensbekenntnis erhärtet wurde:<br />

„Wir glauben, daß der Sohn Gottes, um der Menschen Heil und Seligkeit willen,<br />

aus Liebe und freiem Triebe, ist Mensch geworden, und durch sein Leiden und<br />

Sterben mit Gott ausgesöhnet, und nach vollbrachter Versöhnung der Glaube an<br />

ihn und sein Verdienst die einzige Ursache unserer Seligkeit worden ist“ (beide<br />

Zitate 7.Textseite). Dümpelmann fuhr fort: „Wir glauben als Lutheraner, daß<br />

dieser Sohn Gottes zwar sichtbar gen Himmel gefahren ist, aber unsichtbar, wiewohl<br />

nicht natürlich als ein jeder ander Mensch, jedoch nach seiner Gottheit, und<br />

auch nach seiner Menschheit, bei uns ist alle Tagen, bis an der Welt Ende, denn<br />

in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig Col.II, 9.<br />

Wir glauben, daß dieser Gottmensch Jesus Christus, wie der Herr Pastor Müller<br />

mit allen Gründen anführet, muß ganz geehret und angenommen werden; nicht<br />

nur nach seiner menschlichen, sondern auch nach seiner göttlichen Natur; nicht<br />

nur nach seiner Erniedrigung, sondern auch nach seiner Erhöhung, nicht nur sein<br />

Blut und seine Wunden, sondern auch seine Lehre und sein Beispiel, worin er uns<br />

ein Vorbild gelassen, daß wir sollen nachfolgen seinen Fußstapfen. Es ist auch<br />

solche Verehrung in der Kreutz und Blut Theologie gegründet und folget daraus,<br />

denn wir haben nur einen Mittler, nur einen Christum nach Eph:IV,10“ (8. Textseite).<br />

Dem gelehrten Pastor Müller, der die Kritik angebracht hatte, die<br />

Diasporageschwister und die, die sie lehrten, ließen nicht genug<br />

Aufklärung zu, wurde von Dümpelmann souverän entgegengehalten:<br />

110


„Wir ehren auch jede menschliche gute Wissenschaft, und auch die Vernunft,<br />

insofern sie nach dem 18.Art. der Augsburg. Confession ein Hilfsmittel ist ... Wir<br />

halten auch dafür, daß einem Christ nichts weniger gezieme als ein unvernünftiger<br />

Gottesdienst oder ein so genannter blinder Köhlerglaube“ (beide Zitate:<br />

9.Textseite), z.B. mochte Dümpelmann „gern jedem Heiden und allen außerchristlichen<br />

Parteien gönnen, daß sie durch Betrachtung der erstaunenden Werke<br />

der Schöpfung, oder was die Schrift beiläufig davon sagt, das unsichtbare Wesen<br />

Gottes und seine ewige Kraft und Gottheit suchen kennen zu lernen“, „wie Plato,<br />

Seneca und Cicero, auch Mahomed und Confucius auf dieser Spur gewesen sind“<br />

(beide Zitate 12.Textseite), doch käme es mit „Phil. III,8“ darauf an, „daß ich<br />

Christum gewinne; in welchem nach Col.II,3 verborgen liegen alle Schätze der<br />

Weisheit und Erkenntnis. Und da Christus uns gemacht ist von Gott zur Weisheit,<br />

Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung nach 1 Cor.I,30, so ist kein Zweifel, daß<br />

ein begnadigter Christ zur Fortsetzung seines Gnadenstan<strong>des</strong> bei Christo und aus<br />

seiner Fülle dazu nehmen dann Gnade un Gnade“, wobei wir, wie Dümpelmann<br />

ausführte, uns nicht „bloß aus den Werken der Schöpfung, sondern vorhaupts als<br />

Christen aus der Erlösung nach der Schrift uns suchen empfindbar und hochachtend<br />

zu machen“ (beide Zitate 13.Textseite).<br />

So wie hier Schöpfung und Erlösung, Vernunft und Glaube, erster<br />

und zweiter Artikel <strong>des</strong> Glaubensbekenntnisses, aufeinander bezogen<br />

wurden, so ging im Folgenden Dümpelmann nach gleichem<br />

Grundansatz im Blick auf die Frage nach den guten Werken („wenn<br />

etwa ein Heide all seine Naturkräfte anspannet, um die natürlich<br />

erkannte Pflichten gegen Gott zu erfüllen“, 14.Textseite) und in<br />

ihrem Verhältnis zur lutherischen Rechtfertigung allein aus Glauben<br />

vor. Gegen Ende seiner Schrift liest man auf der 15.Textseite:<br />

„Hiermit wollen wir schließen. Aus Hochachtung gegen den Herrn Pastor Müller,<br />

haben wir uns nun ein für alle mahl hiermit schriftlich erklären wollen, versichern<br />

aber, daß wir hierüber mit keinen weiteren Äußerungen noch mit Dispüten uns<br />

abgeben werden. Unsere Sache ist nur durch die heilsame Erkenntniß Jesu Christi<br />

selig zu werden, und zu diesem Ende die Kraft seines Bluthes und To<strong>des</strong> an unseren<br />

Herzen zu erfahren. Dabei wollen wir uns befleißigen, <strong>des</strong> Königs getreue<br />

<strong>Unter</strong>thanen, der Stadt und ihrer Obrigkeit gehorsame und nutzbare Bürger, <strong>des</strong><br />

Herrn Pastoris und seiner Herrn Collegen fleißige Zuhörer und ordentliche Gemeindeglieder<br />

zu seyn“.<br />

Hier am Ende machte sich Dümpelmann also erneut ‘klein’, so als<br />

hätte er seine ganze dogmatische Schrift zur Ehrenrettung der angegriffenen<br />

Diasporageschwister nicht als ordinierter evangelischer<br />

Geistlicher geschrieben, sondern stellvertretend für die Angegriffe-<br />

111


nen, die sich nicht so gebildet ausdrücken und verteidigen konnten.<br />

Uns tritt in diesem nun wahrlich bemerkenswerten Dokument ein<br />

Pastor vor Augen, der seine Blut- und Wundentheologie Zinzendorfscher<br />

Prägung mit ihrer enormen missionarisch-ökumenischen<br />

Weite als gut lutherische Theologie <strong>des</strong> Kreuzes auszugeben verstand,<br />

was u.E. eine theologische Meisterleistung darstellte. Daß<br />

der Horizont dieses Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann weit<br />

über das Dorf Deilinghofen hinausreichte - eben: bis nach Halle<br />

zur Universität hin, wo er bei einem Semler gehört hatte, und bis<br />

nach Amsterdam und Zeist hin, wo er im Herrnhuter Sinn weiter<br />

gereift war - das ist aus diesen Blättern von 1782 deutlich zu ersehen.<br />

5. Die letzten Jahre Pastor Gottfried Dümpelmanns von 1782<br />

bis 1791: Der Deilinghofer Pfarrer als väterlicher Freund <strong>des</strong><br />

Iserlohner Pfarreroriginals Johann Abraham Strauß<br />

In eben jenem Jahr 1782, von dem zuvor die Rede war, wurde auch<br />

Johann Abraham Strauß nach Iserlohn an die Bauernkirche berufen.<br />

Die Hagener Synodalakten vermerken im Protokoll: „H. Johann<br />

Abraham Strauß ist d. 14 Merz 1782 als Kirchspiels=Prediger<br />

zu Iserlohn ordinirt“ 82 .<br />

Es legt sich für unsere Darstellung nahe, die letzten Amtsjahre<br />

Düm-pelmanns von 1782 bis zu seinem Tod im Jahr 1791 unter<br />

besonde- rer Berücksichtigung der sich entwickelnden väterlichen<br />

Freundschaft und engen christlichen Bruderschaft zu Strauß darzustellen.<br />

Wir müssen hier auch etwas breiter auf diesen ungewöhnlichen<br />

Pfarrer und Christen Strauß eingehen, über den es (soweit wir<br />

wissen) bisher keinerlei neuere Literatur gibt, und der zu Unrecht<br />

ein fast Vergessener in dieser Gegend geworden ist.<br />

82 Göbell III, S.554.<br />

112


Pfarrer Johann Abraham Strauß (1754-1836) - der originelle Pastor der Bauernkirche<br />

Sinnigerweise wurden die beiden, die bald darauf als ein gutes Duo<br />

geistlich Hand in Hand arbeiteten, nämlich Dümpelmann und<br />

Strauß, schon direkt nach der Ordination von Strauß in den Hagener<br />

Synodalakten vom 2. und 3.Juli 1782 bei der Synode als abwesend<br />

registriert.<br />

„Aus dem Amte Iserlohn“ liest man da in der Anwesenheitsliste: „H. P. Dümpelmann<br />

zu Deilinghofen läßt sich entschuldigen und wird bezahlen, H. P. Straus als<br />

113


Nov(itius) entschuldigt sich wegen Amtsarbeit, da die anderen Herren Prediger<br />

krank sind“ 83 .<br />

Daß die beiden hier Genannten in einer gewissen Distanz zu kirchenpolitischen<br />

und theologischen Tendenzen, wie sie auch auf der<br />

Synode vertreten wurden, später viel miteinander zu tun hatten in<br />

geistlichen Angelegenheiten, die aber auf der Synode seit Zeiten<br />

von Forstmann, Angelkorte, Westhoff und Dümpelmann Vater umstrittener<br />

Diskussionsstoff waren, wird die weitere Darstellung zeigen.<br />

Der 1782 nach Iserlohn gekommene Strauß trat dort in der Kirchspiel-Gemeinde<br />

ein schweres Erbe an. Straußens Biograph Emil<br />

Frommel beschrieb die Situation so:<br />

„Sein Amtsvorgänger hatte 28 Jahre dort amtiert und gewirtschaftet und mit aller<br />

Welt im Prozeß gelebt. Die Kirche war verfallen und verschuldet, die Gemeinde,<br />

wenn auch äußerlich kirchlich, innerlich tot. Was von Licht und Wärme da war,<br />

stammte teils von der Brüdergemeinde her, die dort Glieder ihrer Diaspora hatte,<br />

teils aus dem äußersten südlichen Winkel der Pfarrei, dem sogenannten Sauerlande,<br />

unter <strong>des</strong>sen Drahtziehern reges, christliches Leben herrschte. Dies kleine<br />

Häuflein war <strong>des</strong> jungen Pastors Trost und Halt in seiner schweren Arbeit, die,<br />

abgesehen von dem Herzensboden, schon um ihres weiten Umkreises willen eine<br />

sehr mühevolle war“ 84 .<br />

Man muß sich dazu vor Augen halten, welch großes Gebiet das<br />

Kirchspiel umfaßte, nämlich<br />

„mehrere Bauernschaften im Amte Iserlohn, einige Höfe im Amt Altena sowie<br />

eine Bauernschaft und mehrere Höfe im Amt Limburg (insgesamt Calle, Lössel,<br />

Grüne, Kesbern, Ihmert, Dröschede, Leckingsen, Bredenbruch, Stenglingsen und<br />

bis 2.Mai 1803 die Dorfgemeinde Evingsen)“ 85 .<br />

Schon sehr bald nach dem Amtsantritt von Johann Abraham Strauß<br />

in der Bauernkirche zeigte sich <strong>des</strong>sen beginnender Kontakt mit der<br />

Herrnhuter Diasporaarbeit, und es erschien ein positives Echo über<br />

Strauß im Reisebericht <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters Ernst. Wir zitieren<br />

zur ersten Begegnung zwischen Ernst und Strauß nach Schunke:<br />

„In Iserlohn, wohin Ernst am 2.Juli 1783 kommt, scheint auch neues Leben zu<br />

entstehen. Es ist ein neuer Prediger namens Strauß dort hingekommen, der sei-<br />

83 Göbell III, S.551<br />

84 Frommel, S.42.<br />

85 Göbell III, S.555 A.5.<br />

114


nerseits dem Diaspora-Arbeiter der Brüdergemeine, von dem er schon gehört hat,<br />

als erster seinen Besuch macht. Es entwickelt sich sogleich ein recht freundschaftliches<br />

Verhältnis zwischen den Beiden. Ernst hört den jungen Pfarrer während<br />

seines Aufenthalts ein paar Mal mit großer Zufriedenheit predigen. Ernst<br />

schickt ihm auch die Predigerkonferenz von 1782 zu, über die sich Strauß sehr<br />

gefreut hat. Dann besucht Ernst den Prediger und ‘unterhielt sich ein paar Stunden<br />

recht lieblich mit ihm. Er bat sich meine Freundschaft aus’. Das, was Ernst<br />

an diesem Prediger zu rühmen hat, ist die Tatsache, daß er ‘vom Heiland predigt’.<br />

Das Häuflein in Iserlohn hat Strauß sehr lieb, und durch seine Tätigkeit<br />

sind auch schon ein paar Seelen erweckt worden und neu zum Häuflein hinzugekommen,<br />

so daß die dortige Aufmerksamkeit mehr und mehr aus das Häuflein<br />

gelenkt wird“ 86 .<br />

In ähnlicher Richtung referiert Schunke über Diaspora-Arbeiter<br />

Ernsts Aufenthalt zum Jahreswechsel 1783/1784 in dieser Gegend<br />

Folgen<strong>des</strong>:<br />

„Zum Jahresschluß ist er wieder wie im Vorjahr in Sundwig, wo er diesmal etwas<br />

länger bleibt. Am 26.1.1784 finden wir ihn aber in Iserlohn“ bei Strauß, der in<br />

dem Zusammenhang von Ernst nochmals als ein hervorragender Mann gelobt<br />

wurde, und von dem berichtet wurde, daß in seinem Kreis nicht nur aus der Stadt,<br />

sondern auch aus dem Kirchspiel „oft mehr als 30 Personen zusammen“ kommen.<br />

Bei Strauß, der sich „auch freundschaftlich ... eingelassen“ hatte mit Ernst,<br />

bezog dieser auch sein „Winterquartier“ 87 .<br />

Wer war nun dieser Johann Abraham Strauß? 1782, als er an die<br />

Iserlohner Bauernkirche kam, war er 27 Jahre alt; Dümpelmann war<br />

damals 41. Strauß war am zweiten Weihnachtstag 1854 in Elberfeld<br />

geboren worden. Sein Vater war der aus Hürnheim bei Nördlingen<br />

in Schwaben stammende Posamentier Johann Leonhard<br />

Strauß, geb.1714; seine Mutter Katharina Strauß war eine geborene<br />

Müller und wuchs in der Nähe von Schwelm auf. Nach der<br />

Gymnasialzeit in Herford wurde Johann Abraham Strauß ab 1776<br />

Theologiestudent in Halle (wo er wie zuvor Dümpelmann auch bei<br />

Johann Salomo Semler studierte) und dann in Berlin. Daran schloß<br />

sich eine kurze Zeit als Hauslehrer in Eisleben und als Hilfsprediger<br />

in Barmen-Wupperfeld an. Bald nach seinem Umzug nach Iserlohn<br />

heiratete Johann Abraham Strauß am 17.Juni 1783 die Iser-<br />

86 Schunke, S.86.<br />

87 Alle Zitate: Schunke, S.87.<br />

115


lohner Kaufmannstochter Katharina Sophie Overhoff, mit der er<br />

schließlich Goldene Hochzeit feierte, und die ihm in den gut 50<br />

Jahren der Pfarramtszeit in Iserlohn (1782-1832; gestorben ist er<br />

am 2.Juni 1836 in Iserlohn) eine treue Begleiterin blieb 88 .<br />

Aus dieser Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen der berühmte<br />

Sohn der Oberhofprediger Gerhard Friedrich Abraham Strauß<br />

(1786-1863) war, über den es einen eigenen Artikel in der „Allgemeinen<br />

Deutschen Biographie“ gibt und der sogar im renommierten<br />

Theologenlexikon „Die Religion in Geschichte und Gegenwart“<br />

zweimal erwähnt wird 89 . Am preußischen Hofe machte Oberhofprediger<br />

Strauß seinen Vater als westfälisches Pfarreroriginal auch<br />

beim König Friedrich Wilhelm III. bekannt 90 und sorgte indirekt<br />

dafür, daß sein Vater sogar 1830 in Iserlohn <strong>des</strong> öfteren Be-such<br />

aus dem preußischen Herrscherhaus erhielt und im Alter den<br />

88 Alle vorangegangenen Daten und Fakten nach Frommel und Bauks, S.499,<br />

Nr.6190.<br />

89 Daß wahrlich Strauß Sohn kein unbedeutender Kirchenmann war, geht aus:<br />

G.Frank, Art.:.Strauß, in: ADB 36, S.532-534 hervor, ferner aus seinem Genanntwerden<br />

bei M.Doerne (im Artikel:Predigt) als führender Berliner Prediger<br />

der Erweckungsbewegung (RGG, 3. Aufl., Bd.V, Sp. 526). Es kann hier nur am<br />

Rande erwähnt werden, daß Strauß (zusammen mit dem unten im Basse-Ka-pitel<br />

ausführlicher vorzustellenden Bischof Eylert, dem persönlichen Freund <strong>des</strong> Deilinghofer<br />

Pastors Basse) auf König Friedrich Wilhelm III. religiös und kirchenpolitisch<br />

einen gewissen Einfluß ausübte. Vgl. dazu etwa Stamm-Kuhl-mann,<br />

S.478-486, wo auch vermerkt ist, daß bezeichnenderweise Strauß ein Dankeschön<br />

vom König nach der von ihm vollzogenen Konfirmation <strong>des</strong> Kronprinzen<br />

Albert erhielt dafür, daß Albert es, geprägt durch Straußens <strong>Unter</strong>richt, „wagte,<br />

in einem jahrzehntelang vom Rationalismus geprägten Berlin wieder vom Teufel<br />

zu sprechen“ (S.478).<br />

90 Zu G.F.A.Strauß und seiner Stellung am preußischen Hof vgl..Frommel, S.8,<br />

S.34f. und S.105f.<br />

116


Johann Abraham Strauß auf dem Ritt (vielleicht) nach Deilinghofen<br />

Roten Adlerorden <strong>des</strong> Königs und die Ehrendoktorwürde der Universität<br />

Berlin empfing.<br />

Wir dürfen aus Deilinghofer Sicht hier hinzufügen, daß es bei uns<br />

am Orte noch Nachfahren von Johann Abraham Strauß gibt: Am<br />

Iserbach wohnt Hartung Becker, Sohn <strong>des</strong> verstorbenen Pfarrers<br />

und Akademiegründers und -leiters in Hemer und Iserlohn, Wilhelm<br />

Becker (1903-1973) 91 , der ein Ur-Ur-Ur-Enkel von Johann Abra-<br />

91 Vgl. auch Bauks, S.27 Nr.335 und s.o. in der Chronik zu 1754.<br />

117


ham Strauß war. Aus dem Nachlaß <strong>des</strong> Pfarrers Wilhelm Becker<br />

stellte uns seine in Iserlohn wohnende Witwe viel Material zu<br />

Strauß zur Verfügung..<br />

Um das Pfarreroriginal Johann Abraham Strauß in seiner Art hier<br />

ein wenig zu charakterisieren, zitieren wir aus einem Text <strong>des</strong> Becker-Nachlasses.<br />

Da schreibt Pfarrer Stenger im Jahr 1936 zum<br />

100. To<strong>des</strong>tag von Strauß:<br />

„Ein Original war der westfälische Pfarrer Johann Abraham Strauß, <strong>des</strong>sen Leben<br />

Emil Frommel mit dem ihm eigenen Humor beschrieben hat. ... Vom Vater, einem<br />

Schwaben, hatte er [Strauß] den Humor, von der Mutter, einer westfälischen<br />

Bauerntochter von einem Hofe bei Schwelm, die ernste westfälische Art. In Iserlohn<br />

pastorierte er die weitverzweigte Außengemeinde, die sich 16 Stunden weit<br />

über die in Bergen und Schluchten liegenden Bauern- und Drahtzieher-Häuser<br />

erstreckte. Bei den schlechten Wegen der damaligen Zeit ... war es dem Pastor<br />

nur möglich, reitend die Gemeinde bei den durchgängig üblichen Haushandlungen<br />

zu besuchen. Und sein alter Schimmel hat ihn lange getragen, bis er endlich<br />

müde geworden, seinen alten Reiter noch abwarf, daß er einen Arm brach und<br />

das Reiten aufgab.<br />

Der Pastor wurde, weil er zu reiten pflegte, schwarzer Husar genannt. Als Strauß<br />

hinkam, war er ein schmächtiges Männlein, von dem man meinte, dass er an<br />

Schwindsucht leide, aber das Reiten in der kräftigen Gebirgsluft und das tägliche<br />

Trinken von Ziegenmilch haben seine Gesundheit dermassen gestärkt, dass er bis<br />

ins hohe Alter ... gesund und kräftig war, dass er sogar im harten Winter keinen<br />

Überzieher oder Handschuhe trug, sondern nur einen Schneeball in der Hand trug<br />

gegen den Frost.<br />

Seine Stimme war so stark und durchdringend, dass als er einst auf freier Höhe<br />

am 18.Oktober ein Kreuz zum Gedächtnis der in den Freiheitskriegen Gefallenen<br />

einweihte, tief unten im Tale ein ½ Stunde weit seine Stimme wie eine Geisterstimme<br />

hörbar war“.<br />

Wir nehmen aus diesem Text Pfarrer Stengers ein zweites, für<br />

Strauß charakteristisches Zitat vom Ende <strong>des</strong> Artikels hinzu:<br />

„Strauß war es vergönnt, das goldene Amtsjubiläum zu feiern, wozu ihm der<br />

König das Kreuz zum Roten Adlerorden und die Universität Berlin die Würde<br />

eines Doktors der Theologie verlieh. Scherzend sagte er: Heute habe ich von<br />

meinem König das Kreuz bekommen. Sonst hängt der Schächer am Kreuz, hier<br />

aber das Kreuz am Schächer“.<br />

Zig solcher Anekdoten zum Leben <strong>des</strong> Pfarreroriginals J.A.Strauß<br />

sind in dem Büchlein von Emil Frommel gesammelt, das den Titel<br />

118


trägt „Johann Abraham Strauß. Ein westfälisches Pfarroriginal“ 92<br />

und in erster Auflage bei Steinkopf in Stuttgart 1879 und in zweiter<br />

Auflage 1883 herauskam, und das später - mit Zeichnungen versehen<br />

- nach dem Zweiten Weltkrieg im Verlag der St. Johannes-<br />

Druckerei in Lahr (Baden) in mehreren Ausgaben neu herausgebracht<br />

wurde.<br />

Thomas Baumann, der Lektor <strong>des</strong> letztgenannten Verlags und<br />

selbst ein promovierter Pietismusforscher, gestattete uns für dieses<br />

Heft dankenswerterweise die Wiedergabe der Strauß-Zeichnungen.<br />

Erwähnenswert ist, daß Emil Frommel, der bekannte Erbauungsschriftsteller<br />

(1828-1896) 93 , seinerseits auf zunächst nicht für die<br />

Veröffentlichung bestimmte Strauß-Texte <strong>des</strong> pietistisch-erwecklichen<br />

Erbauungsschriftstellers und sog. ‘Brosamenmannes’ Ludwig<br />

Carl Josephson (1809-1877) 94 , der beim alten Strauß in Iserlohn<br />

Hilfsprediger gewesen war, zurückgriff. Dieser ‘Brosamenmann’<br />

und spätere pommersche Superintendent Ludwig Carl Josephson<br />

(der übrigens auch in der Stephanuskirche mehrfach aushilfsweise<br />

predigte) war ein gleichaltriger Vetter <strong>des</strong> späteren Deilinghofer<br />

‘Beinahe-Pfarrers’ Carl Ludwig Josephson (1811-1888),<br />

dem wir am Ende dieses Buches ein eigenes Kapitel widmen.<br />

Ein weiteres schönes längeres Zitat kann uns die Art <strong>des</strong> Johann<br />

Abraham Strauß hier zusammengefaßt nahebringen. Im Werk von<br />

Heppe über die Kirchengeschichte der Grafschaft Mark lesen wir<br />

zu Strauß’ Amtsführung in der Iserlohner Kirchspielsgemeinde:<br />

„Sein langes Wirken in der Gemeinde war ein sehr segensreiches. Er lebte und<br />

waltete in derselben, wie ein Vater in seinem Familienkreise. Sein kindlichgläubiges<br />

Gemüth blieb von der rationalistischen Neologie der Zeit unberührt. Seine<br />

Predigten waren populär, nicht selten in eigenthümlicher Weise originell, und<br />

immer practisch und eingreifend. Noch heute lebt manches treffende Wort aus<br />

seinen Predigten und sonstigen Amtsreden im Munde der Gemeinde fort ... Um<br />

92 Bei uns immer nach der zweiten Auflage 1883 als Frommel zitiert.<br />

93 Zu ihm als bedeutenden Erbauungsschriftsteller (1828-1896), der übrigens<br />

gerade in Württemberg sehr bekannt ist, vgl. E.Mülhaupt, Art.: Frommel, Emil,<br />

in: E.Geldbach/H.Burkhardt/ K.Heimbucher (Hg.), Evangelisches Gemeindelexikon,<br />

Wuppertal 1973, S.181.<br />

94 Bauks, S.236 Nr.2994.<br />

119


echt verständlich zu werden, sprach er in seinen Predigten und Casualreden<br />

häufig plattdeutsch, was aber durchaus keinen Anstoß erregte. - Seine Gemeinde<br />

ist durch ihn geradezu über die Periode <strong>des</strong> Rationalismus hinweggehoben und in<br />

der Mehrzahl ihrer Glieder in dem evangelischen Glauben an das Eine, was noth<br />

thut, bewahrt worden.“ 95 Heppe versäumte es nicht, folgende deftige Kostprobe<br />

einer Strauß-Anekdote den Lesern seines Werkes „aus der Tradition der Gemeinde“<br />

in der Anmerkung mitzuteilen: „Als Strauß eines Sonntags vor dem<br />

Altar von der erforderlichen Zurüstung zur Beichte und zum Empfange der Absolution<br />

gesprochen hatte, kündigte er die letztere mit den Worten an: ‘Euch, denen<br />

die Sünden leid sind, die bei Christo Gnade suchen und sich bekehren wollen,<br />

sage ich, daß euch die Sünden vergeben sind. Euch anderen sage ich es nicht.<br />

Denn was kann es helfen, wenn man einem todten Schaf eine Hand voll Heu vor<br />

das Maul hält? Es frißt es doch nicht! Amen’“ 96 .<br />

Damit ist das Pfarreroriginal Strauß für unseren Zusammenhang in<br />

seiner Art hinreichend charakterisiert, und wir können uns wieder<br />

seiner Frühzeit in Iserlohn zuwenden. Wir haben uns da die Frage<br />

zu stellen: Wie wurde Strauß in seiner frühen Zeit ein solch ungewöhnlicher<br />

Pfarrer, der in seiner pietistisch-erwecklichen Ausrichtung<br />

hier die ganze Gegend bis hin in das Gebiet <strong>des</strong> heutigen Hemers<br />

prägte? Wir möchten hier zeigen, daß sein früher Kontakt<br />

zum Deilinghofer Gottfried Dümpelmann, der ihm zum väterlichen<br />

Freund wurde, auf dem Glaubensweg <strong>des</strong> Johann Abraham Strauß<br />

eine wichtige und prägende Station war, und daß dieses ‘Pfarroriginal’<br />

im Deilinghofer Alten Pastorat und im Umgang mit Dümpelmann<br />

Entscheiden<strong>des</strong> empfangen hat. Es gibt Andeutungen, die<br />

darauf hinauslaufen, daß Strauß bei Dümpelmann so etwas wie eine<br />

Bekehrung erlebte.<br />

Strauß selbst ging einmal in einer Beichtrede auf das Thema seiner<br />

eigenen Bekehrung ein und auf die Prägungen, die er in seinem<br />

Leben in geistlicher Hinsicht empfangen hatte. Bei Frommel liest<br />

man das so:<br />

95<br />

Bädeker/Heppe, S.9f.<br />

96 Bädeker/Heppe, S.10 in der Anmerkung. Da wird dazu noch folgende Straußsche<br />

Kostprobe genannt: „Als er einst auf der Kanzel das Unser Vater betete und<br />

bis zur Bitte: ‘Vergib uns unsere Schuld gekommen ist’ gekommen ist, hält er ein<br />

und sagt dann: ‘Lieber Gott, thue es nicht, wir thuen es auch nicht’“.<br />

120


„... Nach diesem Beichtbekenntnis fuhr Strauß fort: ‘ja, sagen kann man’s nicht,<br />

was ein Kind Gottes alles beim Heiland genießt, kann einem auch kein Mensch<br />

sagen.’ ‘Aber Herr Pastor’ - hier unterbrach er sich selbst - ‘wie haben denn Sie<br />

es, da niemand es ihnen gesagt, gelernt?’ ‘Ich will es euch sagen. Ich - ‘ja sagt ihr<br />

- ‘Sie sind aus dem frommen Elberfeld!’ Ich sage aber, wo Gott eine Kirche hat,<br />

da baut der Teufel eine Kapelle. Dort hab ich’s nicht gelernt.’ ‘Danach waren sie<br />

auf der lateinischen Schule zu Herford.’ - ‘Ja, sag ich, da lernte ich lateinisch<br />

sündigen und griechisch irre gehn. Da hört ich wenig von dem Herrn Jesu.’ ‘Aber<br />

dann waren sie auf der hohen Schule zu Halle.’ ‘Ja, aber Lutherus sagt: Hohe<br />

Schulen sind hohe Pforten <strong>des</strong> Satans. Ich habe es dort nicht gelernt.’ ‘Dann<br />

wurden sie Hilfsprediger in Wupperfeld!’ ‘Ja, aber mir selber war nicht geholfen.<br />

Ich mußte’ - ‘sie mußten nach Iserlohn kommen, da predigten sie und hielten<br />

Beichte und saßen zu Hause hinter ihren vielen Büchern.’ ‘Ach, lieben Kinder,<br />

ich habe es wahrhaftig nicht im Sitzen gelernt, sondern im Knieen. So lang ich<br />

aus den Büchern mein Heil, Frieden und Leben suchen wollte, fand ich es nicht.<br />

Da warf ich mich auf mein Angesicht in den Staub, beugte mich vor dem Herrn.<br />

Der Herr beugte sich auch zu mir, und als ich von der Welt und ihrer Weisheit<br />

nichts mehr wissen wollte noch hören, siehe, da kam der Herr Jesus Christus und<br />

ließ mich sein Wort hören. Da ward alles neu, alles ruhig, alles friedlich, alles<br />

süß, ein Segen im Leben. ... Seitdem bin ich der glücklichste Mensch der Welt“ 97 .<br />

Nach Frommels Darstellung wuchs Strauß diese neue Glaubenssicht<br />

in der Iserlohner Zeit zu, denn als Hilfsprediger in Wupperfeld<br />

war Strauß von solchem Frieden noch weit entfernt, denn im Blick<br />

auf die Wupperfelder Zeit galt von Strauß noch:<br />

„Ich bin in tausend Ängsten gewesen, wenn ich so ein alt Mütterlein vor mir hatte<br />

und sah, daß es tausend Meilen weiter sei als ich. Ich war ein Schüler Semlers<br />

und konnte nicht mehr geben als mein Lehrherr: nämlich altbackene Semmeln.<br />

Die wollten aber Brot <strong>des</strong> Lebens. Ich habe oft Angst geschwitzt, wenn ich mit<br />

dem Kranken beten sollte, und mehr für mich als für sie zum Herrn geschrien“ 98 .<br />

Der glaubensmäßige Umschwung, der sich dann nach 1782 in der<br />

Iserlohner Zeit vollzog, wird auch schon in Frommels Darstellung<br />

mit auf den Deilinghofer Pastor Dümpelmann zurückgeführt, wenn<br />

der Biograph folgende Motive zu diesem Umschwung erwägt und<br />

gleichsam wieder in den Hintergrund rückt:<br />

„Wie viel die Krankheit der seligen Mutter, wie viel die Brüder aus Kirchhemmerde,<br />

wie viel der selige Dümpelmann und die Drahtzieher aus dem Sauerlande<br />

97 Frommel, S.51f.<br />

98 Frommel, S.50.<br />

121


mit hineingewirkt, steht droben in den Akten Gottes, doch nicht in dem vergilbten<br />

Manuskript <strong>des</strong> Brosamenmannes“ 99 .<br />

Daß dann unser Deilinghofer Dümpelmann an Strauß geistliche<br />

Hebammendienste tun durfte, wird bei Steinecke im zuvor genannten<br />

Standardwerk über die Geschichte der Herrnhuter Diaspora in<br />

ähnlicher Weise erwogen. Steinecke beschreibt, daß<br />

„der originelle Pastor Johann Abraham Strauß in Iserlohn ... der Brüdergemeine<br />

sein innerliches Leben zu verdanken“ hatte und fährt fort: „Wir müssen dabei<br />

auch an den Einfluß denken, den Strauß’ innigster Freunde, der treue Pastor<br />

Dümpelmann in Deilinghofen ohne Zweifel ausgeübt hat“ 100 Steinecke nennt<br />

neben Dümpelmanns Einfluß weiter „den vertrauten Umgang mit den Diasporageschwistern<br />

in Iserlohn und dem nahen Westig, wo der blühenden Diasporagemeinschaft<br />

der allgemein geachtete Drahtzieher Johann Heinrich Stürmann<br />

vorstand“, aber auch die zum Teil langen Besuche <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters Ernst<br />

im Pfarrhaus an der Bauernkirche, von denen wir in der Darstellung dieses Heftes<br />

oben schon etwas hörten.<br />

In unserem Zusammenhang sehr interessant ist ein bei Steinecke<br />

zitierter Brief von Strauß vom 15.Mai 1796 an die Predigerkonferenz<br />

in Herrnhut, in dem sich der Pfarrer über seine Anfänge in<br />

Iserlohn ausläßt, in typisch herrnhutischer Sprache:<br />

„Daß ich ein recht armer Sünder bin, ist eine eigene alte Erfahrung seit meinem<br />

neunten Lebensjahr. Daß ich es aber gerne bin, diese Erfahrung habe ich der<br />

Bekanntschaft mit dem Brüdervolke zu verdanken“. Im „warmen Eifer, alles zu<br />

bekehren“, sei er ins Predigtamt gekommen, die „hiesigen Brüder, unter ihnen<br />

der selige J.Giese, sahen mein mühsames Bestreben und guten Willen in der<br />

Sache <strong>des</strong> Herrn, Sie bemitleideten aber meine Luftstreiche und vergebliche<br />

Arbeit, suchten meinen Umgang. Da erst lernte ich ein Volk <strong>des</strong> Herrn kennen, ...<br />

da bekam ich Aufschluß und Licht über das herrliche Evangelium, unsers Gottes,<br />

der der Heiland ist“ 101 .<br />

In der Dissertation von Siegfried Schunke kommt schön heraus, wie<br />

sich da seit Mitte der 80er Jahre zwischen Heppings Hof in Sundwig,<br />

dem Stürmannschen Haus in Westig, dem Alten Pastorat in<br />

Deilinghofen und dem Straußschen Pfarrhaus in der Kirchspielgemeinde<br />

ein für die hiesigen im Herrnhuter Sinn Erweckten ein<br />

99 Frommel, S.53.<br />

100 Steinecke, S. 99.<br />

101 Steinecke, S.100.<br />

122


wichtiges Viereck herausbildete. Zum Beispiel schildert Schunke<br />

die diesbezüglichen Entwicklungen in der Passions- und Osterzeit<br />

1784 aus der Sicht <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters Ernst so:<br />

„Während der ‘Marterwoche’ ist er in Sundwig, wo man auch jeden Abend zusammenkommt.<br />

Er liest bei dieser Gelegenheit aus der ‘Harmonie auf jeden Tag<br />

der Woche’. Es ist fast immer ein Häuflein von 20 Personen zusammen, denen<br />

das verlesene nach ihrer eigenen Äußerung recht wichtig ist. ‘Am<br />

Wie in der Bauern-, so in der Stephanuskirche: Strauß temperamentvoll predigend<br />

123


Ostermorgen wurde die [herrnhutische] Osterlitanei gebetet und der Seelen gedacht,<br />

die in diesem Jahr zum Heiland gegangen waren. Nachmittags Verlesung<br />

der Ostergeschichte. Am Abend Abendsegen’. - Am 2.Ostertag ist das ganze<br />

Häuflein in Deilinghofen, wo Pastor Strauß vor einer zahlreichen Menge predigt.<br />

- Über Iserlohn und Schwerte kann er endlich seine Reise ins Bergische fortsetzen“<br />

102 .<br />

J.A.Strauß’ Bruderschaft zu Dümpelmann hatte sich da also schon<br />

so intensiv entwickelt, daß Strauß bei uns in Deilinghofen am Oster-montag<br />

1784 predigen durfte - in einem Gottesdienst, zu dem<br />

die Erweckten aus dem ganzen Umkreis zusammenströmten. Wir<br />

haben da eine Art ‘Evangelische Allianz’ vor uns, die damals in<br />

Dümpelmanns Deilinghofen die Frommen im Lande mit den ‘Kirchenchristen’<br />

<strong>des</strong> Dorfes zusammenführte. Und man kann sich lebhaft<br />

vorstellen, wie der Iserlohner Pfarrer mit der lauten Stimme<br />

und der ungewöhnlichen Predigtgabe die in der Stephanuskirche<br />

Versammelten ansprach und beeindruckte...<br />

Im Jahr darauf wurde ein Thema aus Deilinghofen auf der Märkischen<br />

Synode in Hagen aktenkundig. Die Synode, die am 5. und<br />

6.Juli 1784 tagte, nahm zur Kenntnis, was im Protokoll wie folgt<br />

ausgeführt wurde:<br />

„Die Iserlohnische Classe zeigte klagend an, daß der catholische Pastor zu Hemern<br />

dem lutherischen Prediger zu Deilinghofen verschiedene Eingriffe in seine<br />

Rechte thäte und allerhand Neuerungen machte. Die Iserlöhnische Classe würde<br />

zu seiner Zeit diese Eingriffe näher melden und alsdann den Synodum um <strong>Unter</strong>stützung<br />

ersuchen. In Absicht der Beschwerden <strong>des</strong> Herrn Prediger Dümpelmanns,<br />

daß ihm bei Vertheilung der Berggerechtigkeit seine Einkünftgeschmälert<br />

worden, wurde Dom(inus) Inspector ersucht, für denselben eine Fürbitte bey der<br />

Hochlöblichen Regierung zu ersuchen“ 103 .<br />

Hinter diesen Zeilen verbergen sich - wie das Kirchenarchiv Deilinghofen<br />

aufs Ausführlichste belegt - eine ganze Menge Sorgen<br />

finanzieller und kirchenrechtlicher Art, die unser Dümpelmann für<br />

seine Deilinghofer Gemeinde hatte, und die weit vor 1784 anfingen.<br />

Hier ist ganz summarisch auf diesen Problemkomplex damaliger<br />

Gemeindearbeit einzugehen.<br />

102 Schunke, S.87f.<br />

103 Göbell II, S.480.<br />

124


So gibt ein Blick ins Archiv beste Auskunft darüber, was Dümpelmann<br />

Kopfschmerzen bereitete in der Kontroverse mit jenem katholischen<br />

Amtsbruder aus Hemer, der Raerbach hieß. Die Angelegenheit<br />

reichte vom Ursprung her bis ins Jahr 1772 zurück. Dümpelmann<br />

war der Rechtsauffassung, die Katholiken <strong>des</strong> Dorfes seien<br />

von ihm zu taufen, zu trauen und zu beerdigen, daß mithin alle<br />

im Kirchspiel zu seiner Gemeinde gehörten und die Gemeinde auch<br />

finanziell mitzutragen hätten, eine Sicht der Dinge, die der Hemeraner<br />

Amtskollege katholischen Bekenntnisses von 1772 nicht teilen<br />

konnte. 1783 spitzte sich der Streit erneut zu (so in einem Brief<br />

ans köngliche Gericht in Altena vom 13.Juli 1783), als Raerbachs<br />

Adjunct, H.Feldmann<br />

„wider alle alte Observanz in seiner Römischen Priesterkleidung, Zeigung der<br />

Monstranz, Licht, Schellen und Küsterbegleitung sowohl in Hemer als in Deilinghofen<br />

zur großen Unzufriedenheit der Lutheraner, Kranke bedient, welches<br />

von jeher hierselbst in aller Stille geschehen. Verbietet hiesigen Catholiken den<br />

Besuch der lutherischen Kirche und Schule. Wenn dieses auch geschehen könnte,<br />

so werden doch dadurch ... Sr. königl. Maj. Absichten vereitelt, indem die Kinder,<br />

wenn sie stundenweit nach Hemer in die Schule gehen sollen, ihnen das<br />

Lernen erschweret, ja unmöglich gemacht wird, mithin dumme <strong>Unter</strong>thanen bleiben<br />

müssen. Wie doch den Catholischen Kinder in der Lutherischen Schule hierselbst<br />

wegen ihrer Bücher und Lehrsätze nichts in den Weg gelegt wird. Kurz: es<br />

zeigt daß´gantze Verfahren ein sehr intolerantes bigottisches Gemüth an, so daß<br />

nicht Freundschaft unter beyden Religions Verwandten erhalten. Vielmehr Verbitterung<br />

angezettelt wird“ 104 .<br />

Wir halten das für einen sehr reizvollen und instruktiven Briefausschnitt,<br />

der auch für die von Gerd Herchenröder erforschte Geschichte<br />

der Deilinghofer Schule wichtig ist und das ‘Thema Gemeinschaftsschule’<br />

in damaliger Zeit auf interessante Weise illustriert.<br />

Aus Sicht von Dümpelmann war „die alte Observanz“, zu der<br />

er sich hielt, gar nicht bloß eine konservative Besitzstandswahrung,<br />

sondern auch ein Rahmen dafür, daß das ökumenische Miteinander<br />

sinnvoll funktionieren konnte. Hier zeigt sich aber auch der für<br />

104 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte D1, Parochialverhältnisse der Katholiken<br />

1772-1833, hier: „Acta, die Einpfarrung der katholischen Eingesessenen der<br />

evangelischen Gemeinde Deilinghofen zu Hemer betreffend 1792“.<br />

125


Dümpelmann typische Zug, geschickt mit Worten taktieren zu können,<br />

wie er uns auch in seiner Verteidigungsschrift der Brüdergemeine<br />

aufgefallen ist. An den König zu appellieren, daß die Strategie<br />

der heimischen Katholiken nicht nur unsozial und für katholische<br />

Kinder schlimm war, sondern dem König auch dumme <strong>Unter</strong>tanen<br />

beschert, ist eine Argumentationsform, die darauf hinweist,<br />

daß Dümpelmann auch in rechtlich-politischen Problemen sehr<br />

genau wußte, was er wollte.<br />

Dazu gehört, daß sich der Pastor bei seinem Kirchenoberen, Inspektor<br />

von Steinen, in dieser Sache Rat holte. Mit dem in der märkischen<br />

Kirchengeschichte bedeutenden von Steinen aus Frömern, der<br />

je länger, je mehr auch ein entschiedener Anhänger der Brüdergemeine<br />

geworden war 105 , hatte unser Dümpelmann einen sehr vertraulichen<br />

Umgang. Diesmal ging es um die Frage der angeblich<br />

illegalen Copulation, also kirchlichen Verheiratung, <strong>des</strong> katholischen<br />

Edmund Bentzler mit einer Deilinghofer Stenner-Tochter<br />

evangelischen Bekenntnisses, die freiwillig bei Dümpelmann sich<br />

hatten trauen lassen. Der Inspektor aus Frömern antwortet am 2.Juli<br />

1783 auf Dümpelmanns diesbezüglichen Brief, er danke zwar „für<br />

die schöne Portion Erdbeeren“, die er aus dem Garten am Alten<br />

Pastorat zusammen mit dem Brief erhalten habe, und die „eine ganze<br />

Gesellschaft“ in seinem Haus versorgt habe, aber kirchenrechtlich<br />

sei vorerst wenig zu machen 106 . 1784 brachten die Pfarrer<br />

Dümpelmann (Deilinghofen) und Davidis (Hemer) dann im Juli<br />

1784 diese Streitfrage vor die Synode, aus deren Verhandlungen<br />

wir oben schon den Deilinghofen betreffenden Protokoll-Vermerke<br />

zitierten.<br />

Was dort ferner von der Einkunftsschmälerung Dümpelmanns „bey<br />

Vertheilung der Berggerechtigkeit“ 107 berichtet wird, stellt auch ein<br />

105 Schunke, S.100-102.<br />

106 Der Brief vom 2.Juli 1773, der die Passage mit den Erdbeeren vom Alten<br />

Pastorat beinhaltet, entstammt der gleichen Akte, die oben A.104 angegeben<br />

wurde.<br />

107 Göbell II, S.580.<br />

126


ganzes Problemknäuel dar, das hier nicht entwirrt, sondern nur<br />

summarisch angedeutet werden soll.<br />

Die Deilinghofer Kirchenakten berichten, daß Dümpelmann für<br />

seine Gemeinde und sich selbst von Anfang seiner Tätigkeit in Deilinghofen<br />

an finanzielle Einbußen aufgrund der Teilung der ‘Hemer<br />

Mark’, <strong>des</strong> Waldgebietes um Deilinghofen, und durch die Neuorganisation<br />

der alten Markengenossenschaften zu beklagen hatte.<br />

Das war ein Umstand, der seinen Bauplänen am Alten Pastorat<br />

immer wieder Grenzen setzte. Über die den Sachverhalt und die<br />

Auswirkungen der Teilung der ‘Hemer Mark’ befinden sich in unserem<br />

Archiv viele Dokumente aus der Dümpelmann-Zeit 108 , die<br />

nach einer genauen Aufarbeitung durch einen heimatkundlichen<br />

Forscher rufen. Dabei wären zu den hier angesprochen Rechts- und<br />

Finanzfragen der Deilinghofer Kirchengemeinde-Akten hinzuzuziehen,<br />

die das Staatsarchiv Münster enthält, und die wir hier zur<br />

Darstellung der Spätzeit Dümpelmanns bloß in einer unvollständigen<br />

Auflistung charakterisieren können:<br />

Akte Staatsarchiv Münster, Kriegs- und Domänenkammer Hamm, Nr.827 unter<br />

dem Titel: „Einen freidigen Beytrag zum Pastorat Haus bau zu Deilinghoven<br />

Amtes Iserlohn zwischen den Bauernschaften Deilinghofen und Brockhausen<br />

1785 - 1788“, wo von der Brockhauser Bauernschaft gefordert wird, über 384<br />

Reichstaler für das Alte Pastorat zu berappen.<br />

Akte Nr.828, in der es u.a. in einem Schreiben von der preußischen Regierung<br />

am 14.Oktober 1788 um eine erneute Bewilligung einer Kirchenkollekte ging,<br />

die vom Deilinghofer Presbyterium am 23.September 1788 schriftlich beantragt<br />

worden war. Diese Kollekte wurde im Januar 1789 urkundlich von Berlin aus<br />

genehmigt.<br />

Akte Nr.829 a, in der im Juli 1785 aus Deilinghofen die Bitte enthalten ist, die<br />

abgebrannte Küsterswohnung und das verfallene Schulgebäude wieder aufbauen<br />

zu können (zwei wunderschöne alte Baupläne für diese beiden Gebäude liegen<br />

dem bei; wir haben sie für Interessierte auch als Kopie in Deilinghofen),<br />

ferner Aktenstücke aus der früheren Dümpelmann-Zeit:<br />

Akte Nr.387 aus dem Jahr 1778, die den „vom Prediger Dümpelmann zu Deilinghoven<br />

umgehauenen Grentz-Baum ... am königlichen Gravensundern“ betreffen<br />

und dem Deilinghofer Pastor u.a. beschieden, daß „die Rhodungen der Bäu-<br />

108<br />

Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte L2, Teilung der Hemerschen Mark 1767-<br />

1786.<br />

127


me zwischen dem Gravensundern und der Marck ganz irregulair“ gewesen wären.<br />

Wir wenden uns nach diesem exkursartigen Zusammenfassungen<br />

zur finanziellen und rechtlichen Situation der Gemeinde in der späten<br />

Zeit Dümpelmanns (und z.T. davor) weiter der Mitte der 80er<br />

Jahre zu, um zu verfolgen, wie es neben diesen wichtigen äußeren<br />

Lebensproblemen in christlicher Hinsicht beim Gemeindeaufbau<br />

hier weiterging auf dem Gebiet, wo Dümpelmanns Herz mit Sicherheit<br />

viel mehr schlug als beim Bauen, Einkommen und Kosten.<br />

1786, im Jahr <strong>des</strong> Regierungsantritts <strong>des</strong> preußischen Königs<br />

Friedrich Wilhelm II., in dem auch dem Ehepaar Strauß der berühmte<br />

Sohn geboren wurde, der spätere Oberhofprediger, waren<br />

die beiden engen Freunde Strauß und Dümpelmann auf der Hagener<br />

Synode im Juli gemeinsam als Deputierte der Iserlohner Classe<br />

anwesend und hatten dort aus dem neuen Berliner Gesangbuch zu<br />

singen, nicht aus dem traditionsreichen Märkischen Gesangbuch 109 .<br />

Im gleichen Jahr 1786 stattete Diaspora-Arbeiter Ernst Sundwig<br />

wieder einen Besuch ab, wo er „ab 15.Oktober ... diesmal sein<br />

Standquartier aufschlägt“ 110 . Im Blick auf diese Besuchszeit wurde<br />

zum ersten Mal von der Zusammenkunft von Gehilfen, der späteren<br />

Westiger Gehilfenkonferenz, der dann Strauß vorstand, erzählt, und<br />

von Sundwig/Deilinghofen/Iserlohn hören wir Folgen<strong>des</strong> 111 :<br />

„Jeden Abend hält er [Ernst] während seines diesmaligen Aufenthalts in Sundwig<br />

eine Versammlung, zu der auch die Geschwister, die in der Nähe wohnen, recht<br />

fleißig kommen. Er ließ bei diesen Zusammenkünften je<strong>des</strong> Mal einen Abschnitt<br />

aus den Gemeindenachrichten vor. -- Während dieser Zeit empfängt er auch den<br />

Besuch der Prediger Dümpelmann, Deilinghofen und Strauß, Iserlohn, ‘die doch<br />

das Volks <strong>des</strong> Herrn liebhaben’“.<br />

Viel mehr ist aus der ganz späten Zeit Dümpelmanns nach den uns<br />

vorliegenden <strong>Unter</strong>lagen nicht zu berichten. Die Aktenlage aus der<br />

letzten Zeit ist im Deilinghofer Kirchenarchiv auch deutlich schmaler,<br />

sicherlich eine Folge der nachlassenden und dann aufgebrauch-<br />

109 In Göbell II werden Dümpelmann und Strauß im Blick auf 1786 gemeinsam<br />

genannt: S.599; die Sache mit dem neuen Gesangbuch steht auf S.588.<br />

110 Schunke, S.89.<br />

111 Schunke, S.90.<br />

128


ten Kräfte <strong>des</strong> Pfarrers, der zwar noch keine 50 Jahre alt war, aber<br />

sich doch schon ‘kaputtgeschuftet’ hatte. Oder gibt es da auch noch<br />

andere innere Gründe, daß die letzte Zeit Dümpelmanns etwas im<br />

Nebel verschwimmt?<br />

Um diese letzte Zeit vor dem Tod Dümpelmanns mit dem dazugehörigen<br />

Lokalkolorit dieser Gegend zu illustrieren, stellen wir hier<br />

eine schöne Szene vor, die sich 1788 in Iserlohn abspielte und auch<br />

das Kirchspiel <strong>des</strong> Dümpelmann-Freun<strong>des</strong> Strauß direkt betraf. In<br />

der Schmöleschen Chronik lesen wir:<br />

„1788, den 8ten Juny, ist unser König Friedrich Wilhelm samt dem Kron-Printz<br />

in unsere Stadt allhier angekommen, die gantze Kaufmannschaft ist ihm mit Unniform<br />

bis in der Grüne entgegengezogen und alle Fabricanten mußten ihre<br />

Fabricaten in der Hand vom Thore an biß auf die halbe Galge stehen und die<br />

hand-Werker stunden in der Stadt im Gewehr; blieb aber nicht länger als 2 stunden<br />

hier, so balt er die Fabriecken besehen hatte, nahm er seine Reise wiederum<br />

nach Altena vor, wohin ihn dan unsere Kaufmannschaft wieder um begleitete“<br />

112 .<br />

Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, wie Ernst Dossmann, der heutige<br />

Heimatpfleger <strong>des</strong> Märkischen Kreises, die Verbindung zwischen<br />

damaliger Bevölkerung im hiesigen Raum und dem König<br />

dargestellt hat. Dossmann schreibt 113 schreibt, daß die<br />

„Märker ... von seiner [<strong>des</strong> Königs] Leibesfülle wie auch von seiner Prunksucht<br />

während seines Aufenthalts in ihrer Grafschaft besonders beeindruckt“ waren und<br />

fortan sprichwörtlich bis zum heutigen Tag vom „‘dicken Willem’“ reden, den<br />

einer ‘macht’, der gerne angibt.<br />

Im Namen eben dieses Königs war die Bewilligung der Kirchenkollekte<br />

für die Deilinghofer Gemeinde knapp ein halbes Jahr zuvor<br />

unterschrieben worden, doch konnte sich Dümpelmann wohl aufgrund<br />

der angedeuteten ‘Spätkrise’ nicht wieder auf eine Kollektenreise<br />

begeben. Auch 1789, im großen Revolutionsjahr in Frankreich,<br />

muß mit unserem Pastor nicht mehr viel losgewesen sein.<br />

Zumin<strong>des</strong>t gibt es da keine überlieferten Ereignisse, die für unseren<br />

Zusammenhang etwas hergeben. Ein Jahr später, 1790, wurde<br />

Dümpelmanns Fehlen am 6. und 7.Juli bei der Tagung der Märki-<br />

112 W.Schulte II, S.385.<br />

113 Dossmann, S.74.<br />

129


schen Synode in Hagen bemängelt. Aber da wurde vermerkt, daß er<br />

sich entschuldigen ließ und die Strafe zahlte 114 .<br />

Nur kurze Zeit später, im Frühjahr 1791, machte J.A.Strauß seinen<br />

letzten Besuch im Alten Pastorat, bevor Gottfried Dümpelmann<br />

sterben sollte. Hierüber wiederum sind wir durch Emil Frommels<br />

Beschreibung über Strauß’ Leben besonders gut informiert. Im Anhang<br />

dieses Büchleins haben wir Emil Frommels Schilderungen in<br />

Beilage 2 abgedruckt zum letzten Abend und zur letzten Nacht, die<br />

die beiden Herren im Alten Pastorat gemeinsam verbrachten an<br />

jenem „Montag nach Epiphanien <strong>des</strong> Jahres 1791“, also nach unseren<br />

Ausrechnungen am 6.Januar 1791. Hier beschränken wir uns<br />

auf das Nötigste. Zu bedenken ist, daß Frommel in erzählerischer<br />

Freiheit die Szene in seinem Text ausgestaltet und ausgeschmückt<br />

hat. Was Frommelsche Ausmalung sein mag, und was der historische<br />

Kern nach den Straußschen Quellen ist, wird hier offengelassen.<br />

Soll es doch der Leser selbst entscheiden.<br />

Auf jeden Fall stellt Frommel seinem Leser ein stimmungsvolles<br />

Bild vor Augen, das er da von der engen Freundschaft zwischen<br />

Dümpelmann und Strauß zeichnet. Auch das Pastoratshaus, das<br />

Dümpelmann seit 1765 gebaut und umgebaut hatte, wird aus der<br />

Innenansicht eindrucksvoll beschrieben: „Dort am westfälischen<br />

Herd mit seinem Bild, die Taufe <strong>des</strong> Herrn in den Herdstein gebrannt,<br />

saßen die beiden ...“.<br />

Dieses Herdplatten-Bild mit der Inschrift ‘Siehe, das ist Gottes<br />

Lamm’ kann man ja vorne in diesem Buch betrachten.<br />

Als wir die Arbeit über Dümpelmann begannen, gingen wir davon<br />

aus, daß die Frommelsche Darstellung der historischen Wahrheit<br />

ziemlich genau entspräche. Aber uns sind da an einer Stelle gewichtige<br />

Zweifel gekommen, die dann auch ein Licht werfen auf<br />

die Freundschaft Strauß/Dümpelmann in dieser Spätzeit unseres<br />

Deilinghofer Pfarrers.<br />

Um diese Zweifel erklärlich zu machen, müssen wir etwas weiter<br />

ausholen. Frommels Darstellung hat dieser gefertigt aus <strong>Unter</strong>lagen<br />

114 Göbell II, 634.<br />

130


über Strauß, die ihm Ludwig Carl Josephson lange nach Straußens<br />

Tod übergab. Diese aber sind zensiert und gefiltert, wie man aus<br />

dem ersten Kapitel <strong>des</strong> Frommel-Büchleins 115 zwischen den Zeilen<br />

erahnen kann.<br />

Frommel stellt Strauß in seiner Schrift mit erbaulicher Abzweckung<br />

durchgängig als kernigen pietistischen Erweckungsprediger<br />

dar, wobei seine Verbindungen zum Erbe Zinzendorfs und Hernnhuts<br />

gebührend herausgestrichen werden. Ein wesentlicher Aspekt<br />

der Theologie <strong>des</strong> Johann Abraham Strauß, der damaligem (und<br />

heutigem) ‘frommen’ Lesepublikum zu Recht fragwürdig und<br />

zweideutig vorgekommen wäre, wird bei Frommel mit keinem<br />

Wort erwähnt: daß nämlich ab Mitte der 80er Jahre das hochgeachtete<br />

Iserlohner Pfarroriginal, der Chef der Westiger Gehilfen-<br />

Konferenzen der Brüdergemeine, sich in extreme theologische<br />

Bahnen durch den Einfluß der Werke <strong>des</strong> berühmten schwedischen<br />

Universalwissenschaftlers, Visionärs und christlichen Esoterikers<br />

Emanuel Swedenborg (1688-1772) hatte (ver-)führen lassen:<br />

Strauß, schon im Jahr 1786 zu Swedenborg bekehrt, wie er selbst<br />

bekennt, stand - allerdings ca. zwei Jahrzehnte später - als sehr<br />

überzeugter Jünger Swedenborgs und (geheimes) Mitglied der<br />

Swedenborgianer-Gemeinschaft mit dem ‘Chefideologen’ der deutschen<br />

Swedenborgianer Immanuel Tafel in Tübingen in enger Verbindung<br />

und eben auch mit dem Haupt-Multiplikator Swedenborgschen<br />

Gedankenguts in dieser Gegend, dem Iserlohner Landrat und<br />

Schwiegervater Tafels Peter Eberhard Müllensiefen, auf den wir<br />

unten noch kommen werden.<br />

Alle diese delikaten kirchlich-theologischen Sachverhalte haben<br />

wir - als Seitenforschungs-Strang zu dieser Arbeit - weiterverfolgt<br />

und im Sommer 1994 in einem Aufsatz über ‘Tafel und Müllensiefen’<br />

verarbeitet und belegt; dieser über 30 Seiten umfassende Aufsatz<br />

wird voraussichtlich 1995 als ‘Geburtstagsgabe’ für einen<br />

Theologen veröffentlicht.<br />

115 Gemeint ist das Kapitel „Wie’s zu diesem Büchlein kam“, Frommel, S.7-12.<br />

131


Für unseren Zusammenhang reicht hier zu konstatieren, daß Strauß<br />

wohl seinen Weg vom braven Zinzendorfianer (wie es auch Frommel<br />

durchgängig darstellt) hin zum Swedenborgianer (von letzterem<br />

hat er in Iserlohn nie was direkt unter die Leute und auf die<br />

Kanzel gebracht!) nicht ohne seinen väterlichen Freund und Mentor<br />

Dümpelmann gegangen ist. Es ist eher zu unterstellen, daß Dümpelmann<br />

jene unermeßlich kostbaren Originalausgaben der Swedenborg-Wer-ke,<br />

die Strauß besaß und eifrigst las 116 , dem Freund<br />

aus Amsterdam, dem Druckort vieler Swedenborg-Werke, mitgebracht<br />

hatte.<br />

Daß auch Dümpelmann, sich in seiner letzten Zeit zum Swedenborgianer<br />

radikalisiert hat, kann man durchaus erwägen. Es würde jedenfalls<br />

zur oben genannten ‘Spätkrise’ Dümpelmanns zeitlich<br />

ganz genau passen.<br />

Dabei würde uns sehr interessieren, wer jener geheimnisvolle „alte<br />

M.“ ist, von dem in der Dümpelmann-Passage <strong>des</strong> Strauß-Buches<br />

in der Szene kurz vor dem Tod <strong>des</strong> Deilinghofer Pfarrers die Rede<br />

ist, jener „M.“, von dem Dümpelmann bekennt, ihm verdanke er<br />

sein inneres Leben.<br />

Jedenfalls läßt sich nur sagen, daß die ganze Spätzeit Dümpelmanns<br />

sehr geheimnisumwittert ist, und daß die letzte Nacht, die<br />

Dümpelmann und Strauß da - in diesem später übrigens auch als<br />

Spukhaus 117 angesehenen - Alten Pastorat verbrachten, in Vielem<br />

dazu paßt.<br />

116 Das kommt in dem genannten Aufsatz zu ‘Tafel und Müllensiefen’ aufs deutlichste<br />

zur Darstellung.<br />

117 In Schauffs oben, S.56f. A.3 genannten Akten liest man in Stück 10 auf der<br />

Titelseite über das Alte Pastorat: „Das Haus wird jetzt von drei Familien bewohnt,<br />

die aber noch nichts von dem Spuk gemerkt haben, der in den alten Mauern<br />

sein Unwesen treiben soll. selbst ein Pastor Limborg soll daran geglaubt<br />

haben, und der nüchterne Lehrer, Historiker und Geograph Jansen war fest überzeugt<br />

davon. Auch sie waren Kinder ihrer Zeit.“ Es handelt sich wohl um den<br />

Deilinghofer Schullehrer Wilhelm Jansen, der von 1881 bis 1898 unterrichtete<br />

(Herchenröder, S.32) und mit der Familie Schulte-Riemke verwandt ist.<br />

132


Dümpelmann starb 49jährig am 26.Februar 1791, wobei das Deilinghofer<br />

Kirchenbuch als To<strong>des</strong>ursache ‘faules Fieber’ angibt, was<br />

gut zu Frommels Darstellung paßt, der ja hervorhebt wie überraschend<br />

und erschreckend die Kunde vom Tod <strong>des</strong> Deilinghofer<br />

Freun<strong>des</strong> auf Strauß wirkte.<br />

Strauß hielt nach dem Heimgang Dümpelmanns in der Stephanuskirche<br />

die Leichenpredigt über die Geschichte von Simeons<br />

Abschied (Lukas 2,29f.), eine Predigt, die gewaltig gewesen sein<br />

muß. Frommel überliefert, daß von dieser Beerdigungsansprache,<br />

deren Gliederung von in Schauffs Akten abschriftlich erhalten<br />

ist 118 , die Leute noch ein halbes Jahrhundert später sprachen. Düm-<br />

118 Im oben S.56 A.3 genannten Stück 9 steht folgende Disposition der Strauß-<br />

Predigt:<br />

„ Text: Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast;<br />

denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen. Lukas 2, 29+30<br />

Thema: Dass man sich <strong>des</strong> To<strong>des</strong> nicht anders als in seinem Heiland erfreuen<br />

könne.<br />

1.) So lehrt es uns die Freude Simonis über seine Hinfahrt, weil seine Augen den<br />

Heiland gesehen.<br />

2.) So ists offenbar, dass man sich seines Lebens=Ende einzig und allein in der<br />

Vereinigung mit Christo erfreuen kann und muß.<br />

Sanft ruh du Lieb im Erdenschoss<br />

Bis er einst wird entstehen<br />

Die Seele aller Mängel los<br />

Und wird Gottes Antlitz sehen<br />

Auf Erden hast du nun vollbracht<br />

Drum lieber Bruder, gute Nacht,<br />

Wenn einst auch uns die Stimme ruft<br />

Wollen wir, wir, die es hören<br />

Dir folgen in die finstere Gruft<br />

Des Reichs niemand wird stören<br />

Dann heißt’s auch uns<br />

Es ist vollbracht:<br />

Ihr müden Pilger: gute Nacht.“<br />

Fast wortgleich werden die letzte der beiden Liedstrophen und die davorstehenden<br />

Leichenpredigt-Disposition auch zitiert bei: Schunke, S.91.<br />

133


pelmann wurde - wie schon erwähnt - in der Stephanuskirche beigesetzt.<br />

II. Johann Daniel Müller (11. evangelischer Pfarrer in Deilinghofen<br />

nach der Reformation; Amtszeit von 1791 bis 1797) -<br />

Der Pastor, der mit „schwacher Brust“ zum Gastwirt wurde<br />

1. Die Herkunft und der Entwicklungsgang Johann Daniel<br />

Müllers bis 1791<br />

Über den nächsten Pfarrer, der ins Pastoratshaus in Deilinghofen<br />

einzog, sind nicht so gute Informationen zugänglich wie über seinen<br />

großen Vorgänger Dümpelmann. Das gilt schon für Kindheit,<br />

Jugend und theologische Ausbildung dieses Johann Daniel Müller.<br />

Soviel steht jedoch fest: Er wurde am 22.Januar 1763 in Voerde bei<br />

Schwelm als Pfarrerssohn geboren. Sein Vater war Johann Theodor(us)<br />

Müller sen. (geb. 16.Februar 1730 in Eichlinghofen; gest.<br />

23.Juli 1775 in Voerde). Seine Mutter war die aus Gevelsberg<br />

stammende Eva Katharina Müller geb. Bertram 119 . Übrigens amtierte<br />

auch schon Johann Daniel Müllers Großvater väterlicherseits,<br />

Johann Müller (geb. 10.Januar 1688 in Ründeroth im Bergischen<br />

Land; gest. am 29.Juli 1763 in Brakel), als Pfarrer, und zwar in<br />

119 Die Mutter Pfarrer Müllers könnte in den ersten zwei oder drei Jahren bei<br />

ihrem Sohn in Deilinghofen gewohnt haben, da sie mehrmals als Taufzeugin im<br />

Geburtsregister <strong>des</strong> Kirchenbuchs aufgeführt wird.<br />

134


Eichlinghofen. Und Johann Daniel Müllers älterer Bruder Johann<br />

Theodor Müller, d. J. (geb. 28. September 1761 in Voerde; gest. am<br />

20. Februar 1809 in Harpen im Amt Bochum) studierte Theologie<br />

und wurde Pfarrer in Harpen - 20 Jahre lang bis zu seinem Tod. So<br />

wuchs unser Johann Daniel auf in der Atmosphäre eines Pfarrhauses<br />

als Sproß einer alten Pastorenfamilie. Sein Theologiestudium<br />

absolvierte er - wie in der Mark erforderlich - an der Theologischen<br />

Fakultät der Universität Halle an der Saale, wo er sich am 15.Mai<br />

1783 einschrieb 120 . Auf der Märkischen Synode in Hagen am 8.<br />

und 9. Juli 1788 wurde von unserem Johann Daniel Müller bekanntgegeben,<br />

daß er als examinierter Kandidat das Zeugnis der<br />

Wahlfähigkeit erhalten hatte 121 .<br />

2. Johann Daniel Müllers Zeit als Pfarrer in Deilinghofen<br />

Als der 28jährige Johann Daniel Müller im April oder Mai 1791 in<br />

Deilinghofen zum Pfarrer gewählt wurde, war die Vakanzzeit seit<br />

dem Tod <strong>des</strong> Amtsvorgängers Dümpelmann ungewöhnlich kurz<br />

gewesen. Das Consistorium, also das Presbyterium der Kirchengemeinde,<br />

hatte sich recht schnell auf die drei Kandidaten geeinigt,<br />

die damals der Gemeinde zur Wahl präsentiert werden mußten.<br />

Diese Eile sollte wohl Streitigkeiten vorbeugen. Denn es meldete<br />

ein adliger Herr Patronatsrechte im Blick auf diese Pfarrerswahl an,<br />

die erstaunlicherweise zuvor noch nie jemand geltend gemacht hatte.<br />

Dieses wissen wir aus Akten im Staatsarchiv Münster 122 : Es war<br />

kein Geringerer als Freiherr von Brabeck, der katholische Besitzer<br />

der Deilinghofer Adelssitze Apricke und Klusenstein, der durch<br />

seinen Verwalter Erckels Stimmrechte zur Pfarrerswahl in Deilinghofen<br />

erwirken wollte. Als Grund gab Erckels vor, daß „die Gemeinde<br />

... noch in sehr vielen Verwirrungen verwickelt, und diese<br />

120 Alle bisher genannten Daten und Ereignisse sind entnommen von: Bauks,<br />

S.342f. (Nr.4290, Nr.4295, Nr.4299 und Nr.4301).<br />

121 Göbell II, S.619f.<br />

122 „Depositum Haus Hemer“, Nr. 253 im Staatsarchiv Münster.<br />

135


ey jetzigem Vorfall noch vergrößert werden würden“, wobei er<br />

das Stichwort „Markenteilung“ eigens nannte. Der wahre Grund<br />

dürfte aber darin liegen, daß der Vorgänger Dümpelmann dem<br />

Freiherrn von Brabeck und seinen Verwaltern und dem katholischen<br />

Pastor zu Hemer einige Male derbe auf die Füße getreten<br />

ist 123 . Einen solchen Pfarrer wollte man katholischerseits bloß nicht<br />

wieder haben! Doch das Deilinghofer Presbyterium schmetterte das<br />

von Brabecksche Ansinnen, wie aus jener Akte hervorgeht, sauber<br />

begründend ab.<br />

Trotz der kurzen Zeitspanne dürfte es ein interessantes und heftiges<br />

‘Kandidatenkarussell’ mit diversen Probepredigten in Deilinghofen<br />

gegeben haben. Der zum Schluß seines Lebens stark der Brüdergemeine<br />

zugeneigte Inspektor der Märkischen Synode, Johann Dietrich<br />

Franz Ernst von Steinen aus Frömern (derjenige, der von<br />

Dümpelmann Erdbeeren erhalten hatte...), hatte selbst Kandidatenwünsche,<br />

aber auch „von vielen Heilswünschenden Freunden“, wie<br />

es in den Deilinghofer Kirchenakten heißt 124 , wurde damals ein<br />

Pastor mit (wahrscheinlich doch ‘erwecklich-pietistischem’) Profil<br />

gewünscht.<br />

Erwähnenswert ist da auch, daß in der ganzen Karwoche 1791 -<br />

also nach Dümpelmanns Tod und mitten in der Vakanz -, der Dias-<br />

123 Vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte D1, Parochialverhältnisse der Katholiken<br />

1772-1838, Bd. 1; vgl. dazu oben im Dümpelmann-Teil <strong>des</strong>sen Auseinandersetzung<br />

mit dem katholischen Amtsbruder Raerbach: S.122-124.<br />

124 Im vier Jahrzehnte späteren Schreiben der Gemeinde Deilinghofen an den<br />

Superintendenten Dr. Hülsemann vom 15.Juli 1833 ist die Rede davon, daß<br />

„nach den Acten von der Dümpelmannschen und Müllers [gemeint ist J. D. Müller]<br />

Vacanz von 1791 u. 1797 [d. h. vor und nach der Amtszeit <strong>des</strong> hier vorzustellenden<br />

Pfarrers Johann Daniel Müller] ... sich sehr viele Bekanntmachungen<br />

gepriesener Herrn Candidaten [finden], sowohl bei erster Vacanz von Herrn<br />

Inspector von Steinen selbst, als von vielen Heilswünschenden Freunden, so auch<br />

dies in zweiter Vacanz von Freunden der Religion und der Gemeinde, aber jetzt<br />

kamen keine Nachrichten wo, wer und wie sie sind, ein... Der Herr Inspector<br />

Stein[en] wirket in seinen ... Briefen an daß damalige hiesige Consistorium auf<br />

Einigkeit“ (Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers<br />

zu Deilinghofen“, P. I).<br />

136


pora-Arbeiter Ernst von der Brüdergemeine in Sundwig einen Besuch<br />

machte 125 , wo ja das ‘Häuflein’ der Erweckten ‘auf Deilinghofer<br />

Boden’ in ihrem Anbau auf dem Kirchenkotten von Stephan<br />

Diedrich Rentzing gen. Hepping zusammen kamen. Ob dort jene<br />

„heilswünschenden Freunde“ zu suchen sind?<br />

Jedenfalls gewann Müller das Deilinghofer Kandidatenrennen. War<br />

er nun so, wie ihn jene „Heilswünschenden Freunde“ haben wollten?<br />

Die Antwort muß offen bleiben. Welche theologische und kirchenpolitische<br />

Richtung Müller vertrat, ist nicht bekannt. Immerhin<br />

wurde er erst einmal einstimmig gewählt.<br />

Blicken wir auf das Deilinghofer Alte Pastorat in jenem Frühjahr<br />

1791, als Müller kam. Das Haus war in der Vakanzzeit vor Müllers<br />

Einzug von einem gewissen Johann Diedrich Lente bewacht worden.<br />

Der bekam sogar Geld dafür! Lente versorgte „Pastorath-<br />

Hauß, Berg und Feld-Früchte“; er kümmerte sich um die Fütterung<br />

der Pferde von „denen die Vacanz bedienenden Predigern“. Bei<strong>des</strong><br />

oblag ihm bis zum 11.Mai 1791. Die „Dümpelmannsche Halbscheidt“<br />

- was auch immer das sein mag - versorgte er bis zum 10.<br />

Juli 1791. Und für diese seine Dienstleistungen im Pastoratshof<br />

wollte er 9 Reichstaler und 41 Stüber haben. All das steht in den<br />

Kirchenakten in einer Rechnung vom 6. Mai 1793 126 . Auch liest<br />

man dort, daß das Presbyterium in Deilinghofen damals schon sehr<br />

‘auf den Pfennig achtete’, denn erst 1795 erhielt Hausmeister Lente<br />

sein Geld - ziemlich genau die Hälfte <strong>des</strong> geforderten Betrags...<br />

Jedenfalls kann man aufgrund dieser Rechnung das Datum vermuten,<br />

wann Müller das Alte Pastorat bezog: im Mai 1791 wird wohl<br />

die Wahl stattgefunden haben und der Einzug ins Alte Pastorat im<br />

Juli. Die ‘richtige’ Amtseinführung folgte am 13. Juli 1791 127 . Aus<br />

125 Vgl. Schunke, S. 91.<br />

126 Vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte O3, Belege zu den Kirchenrechnungen<br />

1793/94-1794/95, dort: (1.) Rechnung vom 6. Mai 1793 und (2.) Vergleich<br />

vom 6.Januar 1795.<br />

127 Vgl. Göbell II, S.661. Dort ist zu lesen, daß Müller an jenem Tag von „Herrn<br />

Inspectore von Steinen... ordiniert und introducirt“ wurde. Es war am 13. Juli<br />

137


unseren eigenen Kirchenakten in Deilinghofen geht hervor, daß<br />

diese Einführung sehr teuer wurde: 17 Reichs-Taler und 18 Stüber<br />

wurden zuviel ausgegeben, monierte das ‘Rechnungsprüfungsamt’<br />

in Altena später 128 .<br />

Diese für Prüfung der Rechnungen zuständige Behörde, das Altenaer<br />

Landgericht, beschäftigte unseren Pastor von Anfang an und<br />

seine ganze Amtszeit lang: Papierkram ohne Ende 129 ! Alle ‘alten’<br />

damals ungeklärten Fragen über Kirchenrechnungen seines Amtsvorgängers<br />

hatte Müller zusammen mit dem Presbyterium zu klären.<br />

Vollständig gelang das erst seinem Amtsnachfolger Basse.<br />

Auch ein Kirchenbuch mußte angelegt werden. Wenn wir schon<br />

theologisch nichts über Müller wissen, so ist doch zu diesem Pastor<br />

zu sagen, daß ihm jedenfalls heutige Familienforscher dankbar sein<br />

können: Er rettete die ‘fliegenden Blätter’ von Dümpelmann, der ab<br />

1781 (da war das alte Kirchenbuch voll!) seine Amtshandlungen<br />

nicht mehr ordnungsgemäß ins bereits angeschaffte neue Kirchenbuch<br />

eingetragen hatte. Müller holte dies alles fein säuberlich nach.<br />

Zum Beispiel vermerkte er im Kirchenbuch:<br />

„Ich fand bei meiner Hierherkunft über die Todten von 1781 - 1791 nur ein Concept,<br />

aber nicht eingetragen. Wenn daher mein künftiger Successor meiner Hand<br />

in frühere Zeiten, als ich hier erwählet wurde, in diesem Buche bemerkt; so wird<br />

er sich dies hieraus erklären können“ 130 .<br />

Viel Charakteristisches zur Zeit Müllers haben wir darüber hinaus<br />

nicht zu vermelden. Das besondere Jahr 1792 aber ist hier unbedingt<br />

zu nennen. Es ist das Jahr, in dem (1) zwei uns bestens bekannte<br />

Männer starben; (2) in Deilinghofen ein schrecklicher Brand<br />

passierte; (3) etwas Positives geschah: daß der Deilinghofer Pastor<br />

1791 in Deilinghofen das Einführungsfest mit den hohen Kosten, von dem die<br />

nächste Anmerkung berichtet.<br />

128 „Fasciculus betreffend die Abnahme der Kirchen Rechnungen zu Deilinghofen<br />

de 1791/92“, Akte <strong>des</strong> Amtsgerichts Altena, vorhanden im Kirchenar- chiv<br />

Deilinghofen.<br />

129 Zur Genüge ersichtlich aus der in der vorigen Anmerkung genannten Akte.<br />

130 Als Notabene von Müller eingetragen auf der ersten Seite <strong>des</strong> „Sterbe-<br />

Register 1781 bis 1818“ im Deilinghofer Kirchenbuch.<br />

138


Müller heiratete und (4) schließlich, daß er bei der Märkischen Synode<br />

zu predigen hatte. Aber der Reihe nach:<br />

Ad (1): Auf dem Deilinghofer Kirchenkotten in Sundwig, genannt<br />

‘Heppings Hof’, starb am 26.April 1792 fast 88jährig der alte Patriarch<br />

Stephan Diedrich Rentzing 131 , der eine führende Stellung für<br />

die hiesigen Erweckten der Brüdergemeine innegehabt hatte und<br />

zur ‘alten Garde’ der Leute der ‘ersten Stunde’ gehörte, die noch<br />

innigen Kontakt mit Forstmann und Angelkorte unterhalten hatten,<br />

den ‘Vätern’ der Herrnhuter Erweckung in Hemer. (Wir wüßten zu<br />

gerne, ob Pastor Müller aus Deilinghofen zu Rentzings Beerdigung<br />

in Hemer anwesend war. Und wenn ja: was er zu diesem alten<br />

Mann für ein Verhältnis besaß...)<br />

Zweiter To<strong>des</strong>fall in jenem Jahr: Am 18.Juni 1792 starb in Hemmerde<br />

132 der - trotz allem - „ehrlich und honett“ beerdigte Deilinghofer<br />

Ex-Pfarrer Caspar Gerhard Möller, jener Möller III, den man<br />

wegen „vorgeblichen Ehebruchs“ aus dem Dorf verjagt hatte. Die<br />

Beerdigung geschah dort in Hemmerde in Verantwortung eines<br />

frommen Mannes, nämlich Johann Gisbert Dümpelmanns, <strong>des</strong><br />

Bruders von J. D. Müllers Amtsvorgänger.<br />

131 Zu Stephan Diedrich Rentzings Tod vgl. Schunke, S. 92, ferner Kirchenbuch<br />

der evangelischen Kirchengemeinde Hemer: Am „28., April [sc. 1792] wurde<br />

der alte Wittwer Stephan Diederich Rentzing gndt. Hepping aus Sundwig begraben,<br />

so 88 Jahr weniger 5 Monat u 25 Tage alt war“. „Am hohen Alter gestorben“,<br />

heißt es da zu Rentzings To<strong>des</strong>ursache. Zusätzlich vgl. die kurze Lebensbeschreibung<br />

zu Rentzings Leben (nach dem Bericht <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters Johann<br />

Heinrich Ernst, in: Nachrichten aus der Brüdergemeine, Jahrgang 1793,<br />

Wochen, 3. Quartal, 8; in: Brüdergemeine-Archiv Neuwied): „Er verschied in<br />

seinem 88ten Jahre. Er hat 41 Enkel und einen Urenkel erlebt“. In den Herrnhuter<br />

Originalakten <strong>des</strong> Diaspora-Arbeiters Ernst erahnen wir im Reisebericht von<br />

1792/93 zusätzlich, daß der alte Rentzing zum Schluß „in seinem Alter ... ein<br />

bischen Kindisch so daß seine Leute viel Geduld mit ihm haben mußten. Doch<br />

machte es der Heild. [sc. Heiland] so schön mit ihm, daß er nur 8 Tage bettlägerich<br />

war“ (nach: Sign. R 19 Bi 5, Nr. 32, Archiv der Bruder-Unität Herrnhut).<br />

132 Vgl. <strong>BDKG</strong> 2, S. 52.<br />

139


Die große Brandkatastrophe von 1792: Balkeninschrift am Haus Ziegenhirt, Balver Weg<br />

Ad (2): Die zeigenswerte Abbildung oben kann unser Pastor-<br />

Müller-Kapitel illustrieren. Es handelt sich um die bis heute in Deilinghofen<br />

zu sehende Balkeninschrift, wo man am Hause Ziegenhirt<br />

(Balver Weg) lesen kann:<br />

„MARTZ SECHSUNDZWANTZIG WAR, EIN TAG FÜR UNS MIT<br />

SCHRECKEN /<br />

DA GOTT DURCH BRANDGERICHT, <strong>HIER</strong> VIERZEHN HAUS<br />

WEGNAHM [/]<br />

HERR JESU GIB UNS GENADE LAS UNSER HERTZ ERWECKEN /<br />

DAS WIR FUR SUNDE THUEN UNS SCHEUEN WIE FUR SCHLAMM:<br />

JOST DIEDERICH ZIEGENHIRT : UND DEREN SOHN CASPAR<br />

DIEDERICH<br />

1792 DEN XXX AUGUSTI“.<br />

So schlimm das Unglück war, so hatte der Deilinghofer Pastor Müller<br />

gottlob nach diesem Feuer keine Beerdigungen zu halten. Unser<br />

Kirchenbuch belegt, daß bei dem Brand Menschenleben wohl nicht<br />

zu Schaden gekommen waren - im Gegensatz zum Brand 1740 bei<br />

Schulte-Riemkes, von dem wir oben in der Chronik berichteten.<br />

Vermutlich aufgrund dieser Brandkatastrophe von 1792 wurden<br />

noch in Pastor Müllers Zeiten Lehren für die Zukunft daraus gezogen:<br />

Deilinghofen erhielt im Jahre 1794 seine erste Feuerspritze -<br />

sozusagen der ‘richtige’ Anfang <strong>des</strong> Feuerwehrwesens im Ort.<br />

140


Am 22.Juli 1794 schrieb dazu das Landgericht Altena an das Deilinghofer<br />

Presbyterium:<br />

Es „ist eine Feuerspritze überhaupt, für das Dorf selbst sowohl, als auch für die<br />

Kirche insbesondere eine nützliche, und nothwendige Sache, da das Dorf Deilinghofen,<br />

von Iserlohn der nächsten Stadt, beynahe zwey Stunden entfernt ist,<br />

und also, bey Feuersgefahr die zur Rettung erforderliche Spritze immer zu spät<br />

ankommen müßte“ 133 .<br />

Nun brauchte man eine <strong>Unter</strong>stellmöglichkeit für die erste Spritze.<br />

Man nahm das ‘Leichenhaus’ an der Kirche, womit nichts anderes<br />

gemeint ist als der Vorbau, durch welchen man heute in die Stephanuskirche<br />

hineinkommt. Umbaukosten entstanden, die man der<br />

‘Armenkasse’ entnahm, und die einkommende Pacht für dieses<br />

‘kommunale’ Spritzenhaus sollte dann wieder der Armenfürsorge<br />

zugutekommen: zwei Reichstaler pro Jahr 134 . Doch zuerst ließ das<br />

Geld auf sich warten, und schon im Jahre 1800 konnte man die<br />

Sache wieder zu den Akten legen, da man ganz in der Nähe das<br />

erste `richtige’ Spritzenhaus <strong>des</strong> Dorfes gebaut hatte<br />

Ad (3): Schließlich stand in jenem Jahr 1792 für den jungen Pfarrer<br />

die Hochzeit an. In unserem Kirchenbuch, Abteilung „Verzeichnis<br />

der Copulirten ab 1781“, berichtete Pastor Müller in eigener Sache:<br />

„1792 d. 22ten May Geh[eiratet] Joh. Dan. Müller, zeitlicher Prediger mit Cathr.<br />

Mar. Feldhoff aus Langerfeld Gerichts Schwelm“ 135 .<br />

In seinem bemerkenswerten Forscherehrgeiz hat sich Herbert<br />

Schulte (Iserlohn) die Mühe gemacht, zusätzlich das Langerfelder<br />

Kirchenbuch zu bemühen, um herauszubekommen, daß das Paar<br />

dort dreimal aufgeboten und am genannten Termin eben am Wohnort<br />

der Braut (die eine Tochter <strong>des</strong> Langerfelder Kaufmanns Johann<br />

Henrich Feldhoff war) getraut wurde 136 .<br />

133 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Faciculus betreffend die Abnahme der Kirchen<br />

Rechnungen zu Deilinghofen de 1791/92“.<br />

134 Vgl. die in der vorigen Anmerkung genannte Akte. Man liest dort zusätzlich,<br />

daß „das Leichenhaus ... ein unnütz Gebäude, welches von der Kirche gar nicht<br />

gebraucht wird“, war, so daß die zwei Reichstaler nach Meinung <strong>des</strong> Amtsgerichtes<br />

der bedürftigen Gemeinde finanziell guttäten.<br />

135 Aus dem „Trau-Register 1781 bis 1818“ im Kirchenbuch Deilinghofen.<br />

136 Vgl. H.Schulte III (zu Müller).<br />

141


Ad (4): Der gerade verheiratete Johann Daniel Müller hatte die<br />

Ehre, auf der Märkischen Synode (die am 10. und 11.Juli 1792 in<br />

Hagen stattfand und auf der sein älterer Bruder, der Pfarrer Müller<br />

aus Harpen, anwesend war) die ‘Novizenpredigt’ zu halten. Aus<br />

den Synodalakten geht hervor, daß Inspektor von Steinen den Predigttext<br />

für J.D.Müller vorgeschrieben hatte, und einen Hinweis<br />

zum Predigtinhalt kennen wir auch. Der Text war „2.Cor.I,24...:<br />

nicht daß wir Herren seyn über euren Glauben, sondern wir sind<br />

Gehülfen eurer Freude“.<br />

Die Hagener Synodalakten vermerken zu jener Predigt:<br />

„Er [sc. unser Pastor Müller] trug daraus die Frage vor: Was soll eigentlich ein<br />

christlicher Religionslehrer seyn?<br />

1. Er soll nicht Herr seyn über den Glauben seiner Zuhörer; sondern:<br />

2. der Gehülfe ihrer Freude.<br />

Welches er zur Zufriedenheit aller Zuhörer ausführte“ 137 .<br />

Kommen wir zurück aus Hagen und stellen wir uns vor, wie es<br />

nach jenem Jahr 1792 im Alten Pastorat in Deilinghofen aussah.<br />

Was Müllers Familiensinn dort angeht, müssen wir Herbert Schultes<br />

oben gelobte „Dokumentation“ zu Müller an einer entscheidenden<br />

Stelle korrigieren, denn nicht zutreffend ist seine folgende Feststellung:<br />

„Es ist bemerkenswert, daß trotz dieser bereits 1792 geschlossenen Ehe ein regulärer<br />

Hausstand erst 1797 in Langerfeld errichtet wurde und erst ab 1798 Kinder<br />

geboren wurden“ 138 .<br />

Statt <strong>des</strong>sen hatte der liebe Gott dem Pfarrer und seiner Frau schon<br />

am 20.Januar 1793 um 2 Uhr morgens in Deilinghofen einen Acht-<br />

Monats-Sohn geschenkt, der am 29.Januar auf den Namen Johann<br />

Carl Müller getauft wurde.<br />

Bereits ein Jahr später folgte der zweite Sohn: Johann Friedrich<br />

Müller (geboren am 15.März 1794 um 1 Uhr morgens; getauft am<br />

21.März 1794). Dieser Junge starb am 25.Mai 1795 als einjähriges<br />

137 Göbell II, S.658.<br />

138 H. Schulte III (zu Müller).<br />

142


Kleinkind wegen „Abzehrung“ und wurde vom Hemeraner Pfarrer<br />

Davidis II, dem ‘dicken Davidis’, in aller Stille beerdigt. Diese Daten<br />

entnehmen wir allesamt dem Deilinghofer Kirchenbuch, in das<br />

Pfarrer Müller die Daten seiner Familie eingetragen hatte.<br />

Da steht auch, daß unseren Eheleuten Müller am 18.März 1796<br />

morgens um 9 Uhr ein kleines Mädchen geboren wurde, das am<br />

23.März 1796 getauft wurde auf den Namen Johanna Sophia Maria<br />

Müller. Den zweiten Namen Sophia erhielt das Kind von ihrer<br />

Tauf-patin „Jungfer Anna Sophia v. d. Beck[e]“ in Sundwig.<br />

Auffällig ist, daß der Pfarrer Johann Daniel Müller es mit dem<br />

Vornamen ‘Johann’ hatte, dem Namen, den - wie gezeigt - in seiner<br />

Familie schon Johann Daniels Großvater, Vater und Bruder trugen.<br />

Müllers in Deilinghofen geborenen Kinder hießen alle Johann bzw.<br />

Johanna. In Langerfeld wurden zwischen 1798 und 1810 noch weitere<br />

fünf Jungen und vier Mädchen geboren, und da war noch einmal<br />

eine Johanna Hermine dabei 139 . (Insgesamt sollte Müller zwölf<br />

Kinder zeugen.)<br />

Wenn wir also in den 90er Jahren ins Alte Pastorat blicken, dann<br />

war dort erstmals richtiges Familienleben mit Kinderlachen usw. zu<br />

finden, nachdem der Vorgänger Dümpelmann als Junggeselle ja ohne<br />

Nachkommen geblieben war.<br />

Am Rande erwähnt sei hier mit einem Seitenblick nach Hemer ein<br />

Ereignis aus dem Jahre 1795, daß eben jener ‘dicke Davidis’, der<br />

den im Alten Pastorat geborenen und gestorbenen kleinen Sohn der<br />

Eheleute Müller beerdigt hatte, in Hemer kirchendisziplinarisch<br />

angeklagt wurde. In einer „Anklageschrift einiger Erweckter aus<br />

Hemer vom 23.8.1795“ heißt es gegen den ‘dicken Davidis’ - hier<br />

im ausführlichen Zitat 140 :<br />

„Vor einigen Jahren, als der P. Davidis Beichte gehalten hat, waren auch einige<br />

Gemeinde-Glieder, welche er für Herrnhuter gehalten, erschienen, hat derselbe<br />

folgende frevelhafte, staatsverfassungswidrige und jene Mitglieder insbesondere<br />

beschimpfende merkwürdige Wörter öffentlich in der Kirche gesprochen: Nun<br />

139 Vgl. den sorgfältig erarbeiteten und gezeichneten Stammbaum der Pfarrersfamilie<br />

Müller in: H.Schulte III (zu Müller).<br />

140 Schunke, S.105f.<br />

143


wende ich mich zu euch, Ihr Herrnhuter, Ihr Heuchler! Ihr seid vielleicht auch<br />

hier, das Wort der Absolution oder Vergebung der Sünden zu empfangen! Anstatt<br />

<strong>des</strong>sen wünsche ich Euch Heuchlern Fluch, Hölle und ewige Verdammnis,<br />

welche über Euch kommen wollen.<br />

Diese nemlichen Worte hat er am darauffolgenden Sonntag vor der Einsetzung<br />

<strong>des</strong> heiligen Abendmahls vor der ganzen Gemeinde mit erhobener lauter Stimme<br />

wiederholt. Diesen Vorgang werden der Küster Landfermann[ 141 ], der Johann<br />

Melchior Winterhoff zu Oberhemer und der Heinrich Stürmann zu Westig bekunden<br />

müssen. An das Wohllöbliche Landgericht zu Altena“.<br />

Eine Aktennotiz zu diesem Davidis-Skandal fanden wir viele Hundert<br />

Kilometer von Hemer entfernt im Archiv Herrnhut. Da ist (als<br />

Schlußanmerkung von fremder Hand) zu lesen am Ende <strong>des</strong> langen<br />

Berichtes <strong>des</strong> Westiger Johann Heinrich Stürmann „Bemerkungen<br />

von der hiesigen Erweckung in der Umgegend von Iserlohn und<br />

Westig bis auf das Jahr 1818“ 142 :<br />

„Prediger Davidis, welcher näml. in einer Beichtrede sagte: zu Euch, ihr<br />

Herrnh.[uter] u. Pietisten, euch verkündige ich ewigen Fluch u. ewige Verdamniß“.<br />

Von Pastor Müller in Deilinghofen und seiner Zeit bis 1797 ist<br />

noch zu berichten, daß er am Ende seiner Deilinghofer Zeit<br />

schwerkrank war oder sich zumin<strong>des</strong>t so fühlte. Der 11. evangelische<br />

Pfarrer von Deilinghofen, der hier am Felsenmeer seine erste<br />

und einzige Pfarrstelle innehatte, gab als 34jähriger Mann auf. Der<br />

Rest von Müllers Lebensgeschichte ist im letzten Abschnitt zusammenzufassen<br />

unter der Überschrift:<br />

3. Johann Daniel Müller als Gastwirt in Langerfeld<br />

Herbert Schulte (Iserlohn) faßte Müllers Berufs- und Ortswechsel<br />

nach Langerfeld folgendermaßen 143 zusammen:<br />

„1797 im April legte er sein Amt in Deilinghofen nieder. Das Deilinghofer Pfarrarchiv<br />

spricht von ‘schwacher Gesundheit’ (Brust). Am 14.Mai hielt er seine<br />

141 Zu Landfermann s.o., S.37 und S.89f.<br />

142 Archiv Herrnhut, Sign. R 19 Bi 8<br />

143 H.Schulte III. Woher hat Schulte die Information von der Abschiedspredigt<br />

Müllers über Apg. 20, 25? Leider können wir ihn nicht mehr fragen...<br />

144


Abschiedspredigt in Deilinghofen über Apostelgeschichte <strong>des</strong> Lukas, Kapitel 20,<br />

Vers 25“.<br />

Im Neuen Testament ist in diesem Vers Apg.20,25 zu lesen, daß<br />

Paulus beim Abschied von den Ältesten der Gemeinde zu Ephesus<br />

sagt: Und nun siehe, ich weiß, daß ihr mein Angesicht nicht mehr<br />

sehen werdet, ihr alle, zu denen ich hingekommen bin und das<br />

Reich Gottes gepredigt habe.<br />

Über den Weggang, der ihn und seine Familie nach Langerfeld<br />

führte, an den Herkunftsort der Ehefrau, könnte man nun in verschiedenen<br />

Richtungen spekulieren. War es wirklich nur die<br />

‘schwa-che Brust’? Daß der ehemalige Pfarrer vital genug war, um<br />

in Langerfeld mehrmals Vater zu werden, klang bereits an. Und<br />

dort in Langerfeld - so schreibt es Bauks in seinem Standardwerk -<br />

trat der zuvor Schwerstkranke, der nun wohl doch wieder fit für<br />

eine zweite Karriere war, „in das Kaufmannsgeschäft seines<br />

Schwiegervaters ein, wirkte dort als Handelsmann, Weinschenker<br />

u[nd) Bäckereibesitzer“ 144 , was Schulte nach dem Langerfelder<br />

Kirchenbuch so bestätigt fand:<br />

Müller „übernahm ... eine Gastwirtschaft in Langerfeld“. Schulte<br />

fand diesen Zusatz „Gastwirt“ erst bei den Geburtseintragungen der<br />

Müller-Kinder ab 1807, während zuvor in den Kirchenbüchern bloß<br />

„Kaufmann“ zu lesen ist 145 . Wie schlimm es in Müllers To<strong>des</strong>jahr<br />

1815 in seinem Hause in Langerfeld zuging, läßt sich auch aus<br />

Schultes Forschungen dort entnehmen: Am 19.September 1815<br />

verstarb Müllers vermutlich jüngstes Kind August „an der Roten<br />

Ruhr. 5 J u 7 ½ M. alt. Hinterläßt Vater und 6 Geschw. von denen<br />

erst eines mündig“, wobei das mündige Kind der in Deilinghofen<br />

geborene Johann Carl Müller, geb.1793, war. Die Frau Müller wird<br />

dort wohlgemerkt nicht erwähnt; sie muß wenige Jahre zuvor gestorben<br />

sein. Knapp einen Monat nach seinem kleinen Sohn raffte<br />

die gleiche schreckliche Seuche auch unseren Deilinghofer Ex-Pastor<br />

hin: Johann Daniel Müller starb im Alter von 52 Jahren am<br />

144 Bauks, S.342f. Nr.4301.<br />

145 Informationen nach: Schulte III.<br />

145


3.Oktober 1815 - wie das Langerfelder Kirchenbuch sagt, „als Eigentümer<br />

und Gastwirt an der Roten Ruhr“ 146 .<br />

Wir geben hier als Schlußpunkt der Lebensbeschreibung von Johann<br />

Daniel Müller und am Übergang zur Beschreibung <strong>des</strong> Lebens<br />

von Pastor Basse das Foto der Balkeninschrift am Hof Stenner-Borghoff<br />

bei. Diese Inschrift, zu sehen in naher Nachbarschaft<br />

zur Katastrophen-Inschrift von 1791 am Ziegenhirt-Haus (s.o. im<br />

Müller-Kapitel, S.137), stellt ein eindrückliches Glaubensbekenntnis<br />

aus der frühen Basse-Zeit dar. Mögen das viele im Dorf auch<br />

heute noch erkennen können!<br />

146 Alle Informationen dieses Abschnitts nach: Schulte III.<br />

146


Am Ende <strong>des</strong> Perückenzeitalters: Pastor Carl Franz Friedrich Basse (1767 -1833)<br />

Der erste Deilinghofer Pfarrer, von dem wir eine Abbildung haben ...<br />

III. Carl Franz Friedrich Basse (1767-1833; 12. Pfarrer in Deilinghofen<br />

nach der Reformation, Amtszeit von 1797 bis 1833) -<br />

ein Pastor aus einer bedeutenden Familie, aber: “Glück blüht<br />

nicht jeglichem ...”<br />

147


1. Der Sproß einer einflußreichen Kaufmanns- und Beamtenfamilie:<br />

Herkunft und Lebenslauf Basses in der Zeit vor Deilinghofen<br />

„1767 den 14. Sept. bin ich Carl Franz Friedrich Basse in Altena<br />

geboren”. Mit diesen Worten beginnt ein im Kirchenarchiv Deilinghofen<br />

sich befindlicher und jüngst von Harald Korsch-Ger<strong>des</strong><br />

aufgefundener eigenhändiger Lebenslauf, der zuvor niemals beachtet<br />

wurde, geschrieben von Pastor Basse am 27.März 1833, also nur<br />

gut 11 Wochen vor dem Tod <strong>des</strong> Mannes, der von 1797 an für 36<br />

Jahre Pfarrer der hiesigen Gemeinde war 147 .<br />

Zu Basse, dem 12. Deilinghofer Pastor nach der Reformation, liegt<br />

ein durchaus lesenswerter Aufsatz vor, den Günther Schulte 1970<br />

im “Schlüssel” veröffentlichte und der sich im wesentlichen auf die<br />

Eintragungen Basses im Deilinghofer Kirchenbuch stützt 148 .<br />

Weit profunder und fundierter aber ist eine zweite, nicht veröffentlichte<br />

Arbeit eines Basse-Nachfahren, nämlich <strong>des</strong> Holzwickeder<br />

Lehrers Horst Bendrat, der uns für das Basse-Kapitel sein familiengeschichtliches<br />

15-seitigesTyposkript 149 , das er nach langen Vorarbeiten<br />

1991 vollendete und uns nebst vielen anderen Materialien<br />

über Basse uneigennützig zur Verfügung stellte.<br />

Wir sind jetzt in der glücklichen Lage, im folgenden (ohne es im<br />

Einzelnen zu kennzeichnen) im Blick auf familiengeschichtliche<br />

und biographische Aspekte ganz und gar der sorgfältigen Arbeit<br />

Ben-drats zu folgen, sie aber nachhaltig zu ergänzen, einmal durch<br />

jenen genannten Lebenslauf und eine weitere (ebenfalls bisher un-<br />

147 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“. Dieser Lebenslauf vom 27.März 1833 ist das zweiseitige<br />

Original, geschrieben von Pastor Josephson und eigenhändig unterschrieben<br />

von Pastor Basse. Außerdem liegt uns ein Entwurf zu diesem Lebenslauf vor<br />

(Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte E1, Pfarrstelle 1797-1885), den die Ehefrau<br />

Basses geschrieben hat.<br />

148 Günther Schulte, Carl Basse aus Altena. Pastor im Kirchspiel Deilinghofen<br />

1797 / 1833, in: Schl. 4 /1970, S. 10-19.<br />

149 Hier als Bendrat zitiert; vgl. Literaturverzeichnis.<br />

148


eachtete) biographische Skizze, die Basses Frau verfaßte, zum<br />

anderen durch weitere Funde im Deilinghofer Kirchenarchiv, aufgrund<br />

derer das theologische und kirchenpolitische Profil Basses<br />

klarer sichtbar wird, als es bei Bendrat nach <strong>des</strong>sen Fragestellung<br />

geschieht.<br />

Carl Franz Friedrich Basses Eltern, der Königlich Preußische<br />

Rent-meister Gerhard Caspar Basse (1738-1812) und Johanna Wilhelmine,<br />

geb. Pollmann (1739-1778), stammten beide aus Iserlohn,<br />

der Vater aus der alten Kaufmanns-, <strong>Unter</strong>nehmer- und Ratsherren-<br />

Sippe Basse. Eigentlich hießen die Vorfahren Everts. Deren frühester<br />

greifbarer Namensträger war Henrich Everts, genannt Basse<br />

(ca.1600-1669), Kaufmann und Ratsherr in Iserlohn. Das Wappen<br />

der Familie Basse 150 zierte ein mächtiger Keiler. Vermutlich<br />

stammt das Wort ‘Everts’ von Eber, und auch Basse bedeutet laut<br />

Duden: niederdeutsche Jägersprache für älterer, starker Keiler.<br />

Älteste direkt erkennbare Vorfahren Basses waren Balthasar Than<br />

(Zahn), 1569/70 Bürgermeister in Iserlohn, und der um 1600 in<br />

Köln lebende Hugenotte Pierre Le Gran.<br />

Carls Eltern heirateten 1761 mitten im Siebenjährigen Krieg; danach<br />

trat der Vater unter Landrat von Holtzbrink sein Amt als<br />

Rentmeister in Altena an. Die Basses dürften nicht unvermögend<br />

gewesen sein, denn im Jahr nach Carls Geburt, 1768, konnten sie<br />

das Gut Berentrop 151 bei Neuenrade (bis ins 17.Jahrhundert Prämonstratenserkloster)<br />

in Erbpacht erwerben. Sie errichteten 1771<br />

das noch heute vorhandene Herrenhaus und betrieben dort auch<br />

150 Dieses Familienwappen mit dem Keiler ist abgebildet auf der ersten Seite <strong>des</strong><br />

Aufsatzes: Rolf Oventrop, Die Iserlohner Familie Basse. Pfarrer, Bürgermeister,<br />

Seidenfabrikanten, Kaufleute, Soldaten, in: Förderkreis Iserlohner Mussen e.V.<br />

(Hg.), Jahresschrift 1986/87, Nr. 7/8 (Jubiläumsausgabe 750 Jahre Iserlohn und<br />

950 Jahr Letmathe, Iserlohn 1986, S.63-78.<br />

151 Zum Gut Berentrop wies uns auch Horst Bendrat hin auf das kürzlich erschiene<br />

Buch: Dieter Stievermann, Neuenrade. Die Geschichte einer sauerländischen<br />

Stadt von den Anfängen bis zur Gegenwart, herausgegeben von der Stadt Neuenrade,<br />

Neuenrade 1990, dort zu Berentrop insgesamt: S. 366 ff., zu Berentrop in<br />

der Zeit der Familie Basse: S.373 ff.<br />

149


eine Garnbleiche. Wegen seines offenbar recht großzügigen Lebensstils<br />

wurde Carls Vater auch scherzhaft ‘Ritter Basse’ genannt.<br />

In Berentrop erlebte der spätere Pfarrer eine vermutlich wohlbehütete<br />

Kindheit im Kreise seiner Geschwister. Er war der fünfte Sohn,<br />

doch außer dem ein Jahr älteren Ferdinand verstarben die anderen<br />

bereits vor seiner Geburt. Es folgten ihm aber noch einige jüngere<br />

Schwestern und Brüder.<br />

Hier - zwischen Feldern, Wiesen und Fischteichen - könnte er vielleicht<br />

Sinn und Neigung zur Landwirtschaft gefunden haben, für<br />

die er später in Deilinghofen noch gerügt werden sollte. Als Carl<br />

zehn Jahre alt war, überschattete der Tod einige Male das Familienleben.<br />

Erst starben die zwei jüngsten Schwestern als Säuglinge und<br />

darüber die Mutter Johanna Wilhelmine. Mit 39 Jahren und nach<br />

elf Geburten beerdigte man sie am 10.Februar 1778 in Neuenrade.<br />

Danach starben noch 1783 die Großmutter und 1784/85 zwei Brüder.<br />

Vielleicht waren diese Schicksalsschläge mit ein Grund für den<br />

jungen Carl Franz Friedrich Basse, den Beruf <strong>des</strong> Pfarrers zu wählen,<br />

der in seiner Kaufmanns- und Beamtenfamilie keine Tradition<br />

hatte. Es könnte aber auch sein, daß Carl Basse von seinem Hauslehrer<br />

auf Berentrop, dem reformierten(!) Friedrich Wilhelm Wedag<br />

(1758-1799) 152 , einem recht ungewöhnlichen Mann, der in Halle<br />

Theologie studiert hatte und am dortigen Waisenhaus in der Hoch-<br />

152 Zu Wedag vgl. Bauks, S.538 Nr. 6685, ferner auch die Passage über Friedrich<br />

Wilhelm Wedag, im Werk Stievermanns, das wir in der vorigen Abmerkung<br />

nannten, S.182-184. Das Kirchenarchiv Deilinghofen belegt, daß Wedag für<br />

Basse eine große Rolle gespielt haben dürfte. Im Jahr 1804 vermerkt der Lehrer<br />

Marcks schlicht im gewöhnlichen Umfang in der „Kirchenbuchkladde“ (Kirchenarchiv<br />

Deilinghofen, Akte A10) den Tod der Ehefrau <strong>des</strong> Schneiders Johann<br />

Diedrich Schulte. Als dieser Entwurf ins amtliche Sterberegister übertragen wurde,<br />

war dieser Eintrag um einige wichtige Punkte von Basse ergänzt: „Ihr Name<br />

war: Maria Catharina Wedag. Ihre Aeltern waren: Joh. Adolph Wedag, weyland<br />

Bürger und Kufhändler zu Neuenrade und Frau Catharina Elisabeth geb. Büsche.<br />

Ihr Bruder war: Zollikofers Nachfolger[,] der Prediger Fried. Wilh. Wedag in<br />

Leipzig“. Was diese zwei Jahre jüngere Schwester Wedags (aus Herscheid kommend)<br />

nach Deilinghofen verschlagen hatte und ob es am Basses lag, wissen wir<br />

nicht.<br />

150


urg <strong>des</strong> Pietismus tätig gewesen war, im Blick auf die Prägung<br />

seines Glaubens etwas mitbekommen hatte. Einfluß auf diesen Entschluß,<br />

Theologie zu studieren, hatte eventuell auch noch ein<br />

Onkel. Des Vaters Schwester Gertrud war nämlich mit dem Pfarrer<br />

Johann Arnold Mönnich (1736-1814) 153 aus Schwefe bei Soest<br />

verheiratet, der übrigens - wie Horst Bendrat in seinen familiengeschichtlichen<br />

Forschungen herausfand - mit der Pastorensippe Mollerus<br />

weitläufig verwandt war, von der drei Mitglieder ja so lange<br />

in Deilinghofen gewirkt hatten.<br />

Als der Vater Basse 1786 das Gut Berentrop an Johann Hermann<br />

Löbbecke verkaufte, um als Kaufmann nach Hamburg zu ziehen,<br />

war Carl schon aus dem Haus. Welche Schule er vor seinem Studium<br />

besuchte, ist uns aus einer biographischen Skizze bekannt, die<br />

‘Frau Pastorin Basse’ zum Werdegang ihres Mannes verfaßte: “zuerst<br />

... die höhere Schulen in Iserlohn, späterhin das Gynasium zu Soest, wo er<br />

bei einer Schwester <strong>des</strong> Vaters, die Fr. Bürgermeisterin Rocholl, vier bis fünf<br />

Jahre im Hause war. Seine Lehrer kann ich nicht nennen, weil mir ihre Namen<br />

entfallen sind” 154<br />

Bendrat, dem dieser Text nicht bekannt war, vermutete in seiner<br />

Arbeit im Blick auf den Besuch <strong>des</strong> altehrwürdigen Archigymnasiums<br />

genau das Richtige: daß Carl bei Tante Rocholl unterkam, und<br />

er begründete diese Vermutung damit, daß selbst nach Carl Basses<br />

Tod seine Familie noch gute verwandtschaftliche Beziehungen in<br />

Soest pflegte.<br />

Über Basses Studienzeit kann man ihn wieder selber sprechen lassen:<br />

“In den Jahren 1787 bis 1790 habe ich in Halle und Leipzig<br />

Theologie studiert” 155 . Im Standardwerk von Bauks findet sich dazu<br />

die Bemerkung, daß sein Immatrikulationsdatum in Halle der<br />

17.Oktober 1787 war und daß er zweieinhalb Jahre dort studierte<br />

153 Bauks, S.339 Nr.4252.<br />

154 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“, hier: Schreiben vom 4.September 1833.<br />

155 Gleiche Akte wie vorige Anmerkung, aber hier: Lebenslauf Basses vom<br />

27.März 1833.<br />

151


vor dem Wechsel nach Leipzig 156 . In Leipzig kann er nur kurz im<br />

Jahr 1790 studiert haben. Ob die Wahl <strong>des</strong> Studienortes Leipzig mit<br />

seinem ehemaligen Hauslehrer Friedrich Wilhelm Wedag zusammenhing,<br />

wäre zu erwägen. Inzwischen war nämlich dieser (der<br />

übrigens seit 1786 mit der Familie von Basses Mutter verwandt<br />

war 157 ) vom Jahr 1788 an Prediger in der reformierten Gemeinde in<br />

Leipzig.<br />

Danach finden wir unseren Basse erstaunlicherweise als Hauslehrer<br />

in der Familie <strong>des</strong> Erb- und Gerichtsherrn Friedrich Ladiges auf<br />

dem Gut Barnekow in Mecklenburg. Ob ihm sein Vater aus Hamburg<br />

die Stelle vermittelt hatte, läßt sich wieder nur vermuten. Zu<br />

den Ladiges unterhielt Basse aber auch in seiner Deilinghofer Zeit<br />

gute Kontakte.<br />

Es wäre denkbar, daß Carl Franz Friedrich Basse noch wankelmütig<br />

war, welchem Beruf die Zukunft gehören sollte: Lehrer, Kaufmann,<br />

Landwirt oder halt Pfarrer. Wie sich später herausstellte,<br />

hatte er in allen vier Sparten seine Qualitäten. Einen eindeutigen<br />

Beschluß muß er dann für sich 1793 getroffen haben. Er kehrte in<br />

seine alte Heimat zurück, legte am 1793 das theologische Examen<br />

ab und erwarb damit die Wahlfähigkeit für das Predigeramt, die<br />

ihm auf der Hagener Synode vom 8. und 9.Juli 1794 zugesprochen<br />

wurde 158 . Seine Ehefrau bemerkte dazu in der eben genannten biographischen<br />

Skizze: Der Kandidat Basse “wurde endlich von dem<br />

seligen Inspektor von Steinen zu Frömern examiniert” 159 .<br />

Schon 1794 wählte ihn eine Kirchengemeinde zum Pfarrer. Dazu<br />

bemerkte Basse:<br />

156 Bauks, S.23 Nr.276.<br />

157 Wedags Frau Johanna Wilhelmine Pollmann war (nach mündlichen Auskünften<br />

Bendrats) eine Cousine von Carl Basse und in Berentrop aufgewachsen;<br />

Carls Basses Mutter gleichen Namens war Patentante von Wedags Frau.<br />

158 Göbell II, S.679.<br />

159 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“, hier: Schreiben vom 4.September 1833.<br />

152


„Den 3. Advent [21.12.1794] wurde ich von dem verstorbenen Generalinspektor<br />

und Consistorialrath v. Stein[en] zu Frömern als Prediger zu Königssteel[e; heute<br />

Essen] ordiniert” 160 .<br />

Diese Kirchengemeinde war nicht sehr finanzstark. An der nächsten<br />

Synode (12./13.Juli 1796 in Hagen) nahm er nämlich nicht teil. Das<br />

Protokoll vermerkt lapidar: „H. P. Basse zu Steele als Novitius zum<br />

ersten Male, ist auf Collecte” 161 . Details über diese Kollektenreise<br />

wissen wir heute nicht. Seine Reisen müssen ihn jedenfalls auch<br />

Basses „Lotte“, das Jugendbildnis einer schönen Frau:<br />

160 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“, hier: Lebenslauf vom 27.März 1833.<br />

161 Göbell II, 689.<br />

153


Agate Elisabeth Charlotte Basse, geb. Rohrschneider (1777-1855)<br />

Der Familienüberlieferung nach haben an der Original-Federzeichnung, die im<br />

Besitz von Max Basse (Lüdenscheid) war, die Worte gestanden:<br />

„Die edelste ihres Geschlechts“<br />

nach Hamburg geführt haben, wo er vermutlich bei seinem Vater<br />

vorsprach, was ein Wendepunkt in seinem Leben werden sollte,<br />

denn dort lernte er ‘seine Lotte’ kennen: Agathe Elisabeth Charlotte<br />

Rohrschneider, geboren am 8. April 1777 in Hamburg als Tochter<br />

<strong>des</strong> Königlich Preußischen Elbschiffahrtsinspektors Michael<br />

Rohrschneider und seiner Frau Sophie, geb. Brüning, die beide aus<br />

Berlin stammten. Ob die Väter etwas arrangiert hatten oder ob es<br />

die ganz große Liebe war - vielleicht bei<strong>des</strong>: Schon zwei Monate<br />

später, einen Tag nach seinem 29.Geburtstag, wurden beide am<br />

15.Sep-tember 1796 vom Pfarrer Johann Albert Kindler auf dem<br />

Gut Barnekow in Mecklenburg getraut. Basse hatte auf jeden Fall<br />

eine äußerst bemerkenswerte Frau geheiratet, was man in Deilinghofen<br />

zur Genüge merken sollte.<br />

2. Umzug nach Deilinghofen - Die neue Heimat der Basses im<br />

Alten Pastorat und die Entwicklung der Großfamilie<br />

Mit Datum vom 25.Mai 1797 erhielt Carl Franz Friedrich Basse<br />

einen Brief vom Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde Deilinghofen<br />

Es war die Vokation zum hiesigen Pfarrer 162 . Man teilte<br />

ihm ausführlich mit, daß sich der Vorgänger Müller im März <strong>des</strong><br />

Jahres vom Amt losgesagt hatte, woraufhin Pastor Varnhagen und<br />

Inspektor von Steinen einen Wahltermin festgelegt hatten, nämlich<br />

den 18.Mai 1797, den Tag, an dem die Gemeinde Basse zu ihrem<br />

Pastor gewählt hatte. Übrigens ist neben diesem Schreiben auch ein<br />

Wahlprotokoll 163 erhalten geblieben, aus dem hervorgeht, daß vier<br />

Kandidaten (wenigstens drei waren vorgeschrieben) zur Wahl stan-<br />

162 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte E1, Pfarrstelle 1797-1885.<br />

163 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“.<br />

154


den und daß unser Basse bis auf eine Gegenstimme alle Stimmen<br />

auf sich vereinigte. Dieses gute Ergebnis dürfte damit in Zusammenhang<br />

stehen, daß Basse schon vor seinem Amtsantritt irgendwie<br />

für die Gemeinde tätig und vermutlich in ihr bekannt war; jedenfalls<br />

schrieb die Witwe Basse am 24.Januar 1835 (im Zusammenhang<br />

eines Brie-fes, in dem es um ‘Pastoratshafer’ im Jahre<br />

1797 ging): “... da überdem mein Mann lange vorher in dieser Gemeinde<br />

die Dienste versah, ehe er eingesetzt wurde ...” 164<br />

Das eben genannte Vokationsschreiben, in dem genau festgelegt<br />

war, nach welchen lutherischen Grundsätzen er sein Amt zu führen<br />

hatte, sollte in späteren Auseinandersetzungen bei der Einführung<br />

der neuen Agende drei Jahrzehnte danach eine erhebliche Rolle<br />

spielen. Da der preußische König schon seit langer Zeit das ‘Kollationsrecht’,<br />

also das Stellenbesetzungsrecht speziell in Deilinghofen<br />

besaß, bekam auch die königliche Regierung eine Abschrift der<br />

Vokation, und zur Besiegelung der Amtseinführung erhielt Basse<br />

mit Datum vom 4.Juli 1797 ein prachtvolles „Confir-mations Patent“<br />

165 , das im Deilinghofer Kirchenarchiv die Zeiten überdauerte.<br />

Wie aus einem Vermerk auf der Urkunde zu ersehen ist, wurde es<br />

ihm am 14.Juli 1797 durch den Beamten Lecke ausgehändigt. Als<br />

offizielles Antrittsdatum gilt jedoch (wie auch auf seinem in Deilinghofen<br />

erhaltenen Grabstein angegeben) der 27.Juli 1797. Das ist<br />

auch der Tag, an dem die Familie ins Deilinghofer Alte Pastorat<br />

umzog. Ein erhaltenes „Inventarium” 166 gibt Auskunft darüber, was<br />

die Basses vorfanden: mehrere Öfen, zwei Leitern, in der Küche<br />

einen Schrank, ein Bücherregal, eine Brunnenrolle usw., alles verfault,<br />

beschädigt oder zerbrochen. Wie aus weiteren Akten zu entnehmen<br />

ist, war der übrige Zustand <strong>des</strong> Pastoratshauses auch nicht<br />

164 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25sten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

zu Deilinghofen“.<br />

165 Vorhanden in: Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte E1, Pfarrstelle 1797-1885.<br />

166 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Fasciculus betreffend die Abnahme der Kirchen<br />

Rechnungen zu Deilinghofen de 1791/92“.<br />

155


viel besser, obwohl das Haus erst gerade dreißig Jahre stand. Basse<br />

selbst beschrieb den Zustand <strong>des</strong> Alten Pastorats so:<br />

“Als ich im Jahr 1797 im July hierselbst mein Amt antrat, fand ich das Haus in<br />

einem solchen verwüsteten Zustande, daß mir bange wurde, dasselbe zu bewohnen;<br />

ich hielt jedoch einige Zeit mit meiner Familie darin aus, zumal dieselbe<br />

156


Das königliche Confirmations-Patent Basses (vgl. vorige Seite)<br />

damals noch eingeschränkt und das übrige Personale noch klein war. Die eigentliche<br />

Wohnstube <strong>des</strong> vorigen Predigers Müller war in einem solchen Zustande,<br />

daß man beständig befürchten mußte, die Decke würde herunter fallen, welches<br />

auch ... zum Theil geschah” 167 In dieser Weise geht in der zitierten Akte die<br />

Mängelbeschreibung noch drei Seiten weiter.<br />

Dort einzuziehen war für das junge Ehepaar wahrlich nicht einfach,<br />

vor allem, weil sie einen 24 Tage alten Säugling nach Deilinghofen<br />

mitbrachten, ihr erstes Kind Eduard Wilhelm Basse. In seinem von<br />

uns gefundenen eigenhändigen Lebenslauf 168 bemerkt Pastor Basse<br />

zwar, dieser wäre in Deilinghofen geboren worden. Es ist erstaunlich,<br />

daß sich das Ehepaar hier geirrt hat, denn Eduard wurde in<br />

Wirklichkeit - wie auch Basse ausführlich zur Taufe Eduards ins<br />

Deilinghofer Kirchenbuch eingetragen hatte - am 3.Juli 1797 in<br />

Iserlohn geboren, wo die Familie Basse im Pfarrhaus <strong>des</strong> Pastors<br />

Johann Friedrich Gottschalk untergekommen war. Dieser taufte<br />

das Baby auch am 6.Juli in der Obersten Stadtkirche.<br />

Über Basses große Familie, die sich im Alten Pastorat kontinuierlich<br />

erweiterte, gibt der schöne Schlüssel-Aufsatz von Günther<br />

Schulte 169 Auskunft, in dem die (zum Teil auffällig üppig gehaltenen)<br />

familiären Kirchenbucheintragungen Basses dargestellt und<br />

analysiert werden.<br />

167 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte N14, Bd.2 Reparatur <strong>des</strong> Pfarrhauses 1804<br />

-1806, dort: Fortsetzung der “Deilinghofer Pastorath Bau Kosten Rechnung”,<br />

Schreiben vom 20.Dezember 1804.<br />

168 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“, Lebenslauf vom 27.März 1833.<br />

169 Schl. 4/1970, S.10-19.<br />

157


Wir halten uns zur Darstellung <strong>des</strong> Familienlebens an Basses Lebenslauf,<br />

in dem er aus der Sicht <strong>des</strong> Jahres 1833 folgen<strong>des</strong><br />

schreibt:<br />

„1. Eduard Wilhelm Basse wurde den 3.Juli 1797 in Deilinghofen [richtig: Iserlohn<br />

s.o.] geboren. Er hatte sich der Theologie gewidmet, war zudem auch zwei<br />

Jahre in Soest auf dem Gymnasium und zwar in der obersten Klasse. Der Krieg<br />

brach aus 1815. Der Aufruf an die Vaterländische Jugend ergriff ihn und beseelte<br />

seine Wahl und Kräfte. In einem Alter von beinahe 18 Jahren nahm er Abschied<br />

von Eltern und Geschwistern und ging als freiwilliger Jäger in die Schlacht. Bei<br />

Ligny endete er sein Leben. Kein To<strong>des</strong>schein kam zu uns. Statt<strong>des</strong>sen wurde in<br />

unsserer Kirche eine eiserne Tafel mit goldenen Buchstaben aufgehangen [heute<br />

rechts neben der Eingangstür, früher hinter dem Altar; vgl unten Abbildung<br />

S.168], welche so lautet:<br />

Aus diesem Kirchenspiel starb für König und Vaterland 1815 der freiwillige<br />

Jäger Eduard Basse.<br />

2. Friedrich Basse wurde 1799 den 10.Mai geboren. Er widmete sich der Handlung,<br />

diente freiwillig als Füselier. Etablierte sich später in Lüdenscheid und hat<br />

bis hierhin sein Brot.<br />

3. Carl Wilhelm Basse wurde 9.April 1802 geboren, erlernte ebenfalls die Kaufmannschaft,<br />

diente auch als Musketier freiwillig. Errichtete vor einigen Jahren<br />

eine Töpferei und eine Pfannenbäckerei [im Turm, ehemals zur Megede, Adjutantengut]<br />

und kämpft mit den Beschwerden, welche solche Anlagen ohne eigenes<br />

Vermögen unumgänglich zur Folge haben.<br />

4. Stephan Heinrich Wilhelm Basse wurde den 9.Oktober 1804 geboren. Er<br />

widmete sich dem Studium der Theologie. Er erfreute sich der Gnade <strong>des</strong> Königs<br />

durch eine <strong>Unter</strong>stützung von 300 Rtl. während seiner zwei Universitätsjahre und<br />

wurde 1831 d. 27.Feb. als Pfarrer in Erndtebrück in Wittgenstein erwählt. Verheiratete<br />

sich mit der Tochter <strong>des</strong> Herrn Pfarrer Quentel in El-soff[ 170 ] und muß<br />

sich einschränken.<br />

5. Meine Tochter Helena Basse wurde 1807 am 14.Juni geboren. Sie heiratete<br />

meinen ehemaligen Knecht, eines zurückgekommenen Bauernsohnes, übrigens<br />

fleißig und brav. Er hat drei Jahre dem König gedient und muß sich mit seiner<br />

Familie von seiner Hände Arbeit ernähren.<br />

6. Ludwig Basse wurde 1812 d. 8.Januar geboren. Er erlernte die Lohgerberei,<br />

hat nach geendigten Lehrjahren drei Jahre dem König gedient und will jetzt sein<br />

Handwerk fortsetzen.<br />

170 Nach Bauks war der Heiratsort <strong>des</strong> Basse-Sohnes Elsoff, nach Basses Traueintragung<br />

im Deilinghofer Kirchenbuch müßte die Trauung aber in der Stephanuskirche<br />

Deilinghofen stattgefunden haben. Da wird der Name der Braut als<br />

Charlotte Caroline angegeben (bei Bauks Friederike Charlotte).<br />

158


7. Eduard Basse wurde 1820 d. 14.Juni geboren. Wächst freudig heran und verspricht<br />

bei sorgfältigem <strong>Unter</strong>richt, viel Fassungskraft und gutem Willen, dieselbe<br />

auszubilden” 171 .<br />

Dem Ehepaar Basse wurden noch zwei weitere Kinder geboren,<br />

eine Tochter 1810 (Todgeburt) und eine weitere, Luisa Wilhelmina<br />

Friderica Mathilde, am 11.Januar 1815, die aber auch bereits laut<br />

Kirchenbuch am 7.September 1817 als kleines Kind zur großen<br />

Trauer der Eltern wieder verstarb.<br />

Zu den sieben Sprößlingen Basses, die im Alten Pastorat herangewachsen<br />

waren, seien hier noch einige interessante Anmerkungen<br />

hinzugefügt. Der wohl bedeutendste Sohn war die oben genannte<br />

Nummer 3, Carl Wilhelm Basse. Er (<strong>des</strong>sen Taufpaten übrigens der<br />

Faktor Caspari und Lürmann waren, Namen die wir aus unserem<br />

Stephanopel-Kapitel auch im Zusammenhang mit der Brüdergemeine<br />

kennen 172 ) heiratete nach Basses Tod am 30.August 1833<br />

Theodora Josephson 173 , die Schwester <strong>des</strong> unten in diesem Heft zu<br />

behandelnden Deilinghofer Amtsnachfolgers von Basses, Carl<br />

Ludwig Josephson. Carl Wilhelm Basse muß schon in Deilinghofen<br />

ziemlich geschäftstüchtig gewesen sein, und er dürfte in kürzester<br />

Zeit nicht mehr so unvermögend, wie es oben Vater Basse in<br />

seinem Lebenslauf schrieb. Auch könnte Theodora Josephson einiges<br />

an Geld mitgebracht haben. Auf jeden Fall besaß das Ehepaar<br />

Ende 1833 in Deilinghofen neben dem genannten Megede-Gut zwei<br />

weitere Höfe; außer dem Wiesemann-Hof besaß er das Cor<strong>des</strong>-<br />

Gut 174 . Das ist das alte Bruchsteinhaus hinter dem heutigen Lebensmittelgeschäft<br />

von Martha Ebe. Daß dieser Carl Wilhelm Basse<br />

später (wie sein Bruder Friedrich) nach Lüdenscheid zog und<br />

dort noch mehr Geld verdiente, hatte seine Ursache in den im ‘Ka-<br />

171 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte P.1 N 96a, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong><br />

Pfarrers zu Deilinghofen“.<br />

172 Vgl. oben, S.90-93.<br />

173 Ein Foto von Theodore Josephson und ihrem Ehemann Carl Wilhelm Basse<br />

findet man bei: Rolf Oventrop (s.o., S.146 A.150), S.71.<br />

174 Im Taufregister <strong>des</strong> Deilinghofer Kirchenbuchs heißt es in einer Eintagung<br />

zum 25.November 1832, daß der Basse-Sohn „Col. Cor<strong>des</strong>“ und „Col. Wiesemann“,<br />

d.h. Pächter beider Höfe, war und „Inh. einer Ziegelei und Töpferei“.<br />

159


pitel Josephson I’ noch zu behandelnden Unruhen in Basse-<br />

Nachfolge, bei denen Carl Wilhelm sich auf die Seite seines<br />

Schwagers Carl Ludwig Josephson schlagen sollte, der seinerseits<br />

dann doch nicht ‘richtig’ Deilinghofer Pfarrer werden durfte. Carl<br />

Wilhelm Basse wurde in Lüdenscheid Mitbegründer “<strong>des</strong> weltbekannten<br />

<strong>Unter</strong>nehmens Basse & Selve“. Er starb 1873. Sein Sohn<br />

Carl August Basse war „Mitbegründer der Firma Basse & Uerpmann<br />

zu Iserlohn 1872“, die jeder als B & U kennt 175 . Unser Deilinghofer<br />

Pastor Basse war also über diesen bedeutenden Sohn und<br />

den genauso wichtigen Enkel gewissermaßen der ‘Opa von B & U’!<br />

Und mit B & U ‘verwandt’, wenn man so will, war also auch Basses<br />

Amtsnachfolger Josephson, wie aus dem Voranstehenden hervorgeht.<br />

Auch zur oben genannten Nummer 4 ist noch einiges anzumerken.<br />

Warum dieser Stephan Heinrich Wilhelm Basse als Pfarrer nach<br />

Erndtebrück ging und warum er nicht bei uns Amtsnachfolger seines<br />

alten und kranken Vaters wurde, wissen wir nicht genau. Es<br />

befinden sich aber Akten über diese Erndtebrücker Pfarrerwahl und<br />

auch über die o.g. königliche <strong>Unter</strong>stützung im Deilinghofer Kirchenarchiv<br />

176 . Diese Dokumente belegen, daß der alte Basse sogar<br />

in dieser Sache mit dem Fürsten zu Wittgenstein in Berleburg korrespondierte.<br />

Für Deilinghofen war es vielleicht gut, daß Stephan<br />

Heinrich Wilhelm hier nicht Pfarrer wurde, denn am 8.August 1846<br />

legte er sein Amt nieder und wanderte mit seiner Familie und der<br />

‘halben Gemeinde’ nach Texas (USA) aus 177 und wurde zuerst<br />

Pfarrer in Friedrichsburg, wo er danach als Kaufmann tätig war.<br />

Seit zwei Jahren wartet übrigens in eben diesem Ort Fredericksburg<br />

in Texas (so heißt die Stadt heute) ein Basse-Nachfahre auf dieses<br />

Heft der Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte, nämlich der<br />

175 Zitate aus: Rolf Oventrop (s.o., S.146 A.150), S.72.<br />

176 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte E1 Pfarrstelle 1797-1885, hier: „Acta<br />

betreffend die dem Pfarramts Candidaten Basse in Deilinghofen conferirte Pfarrstelle<br />

in Erndtebrück 1831“, in; zur königlichen <strong>Unter</strong>stützung vgl. unten im<br />

Abschnitt zum Agendenstreit.<br />

177 Vgl. H. Schulte III (zu Basse).<br />

160


Zahnarzt Dr. Adolph Basse, der Deilinghofen aus familiengeschichtlichen<br />

Gründen mehrfach besuchte und diese Publikation im<br />

voraus bezahlte. Wir grüßen auf diesem Wege die Familie Basse in<br />

Texas herzlich. Übrigens gingen auch noch zwei weitere Söhne<br />

(oben Nummer 6 und 7) als Auswanderer nach Amerika 178 .<br />

Last not least ist auf Helena Basse (Nummer 5) einzugehen. Sie<br />

war die einzige Tochter, die erwachsen wurde, und auch die einzige<br />

unter den Kindern, die im Ort Deilinghofen blieb. Der oben im Lebenslauf<br />

genannte fleißige und brave ehemalige Knecht Basses, den<br />

Helena heiratete, war Caspar Diedrich Borgmann. Aus dieser Ehe<br />

gingen drei Kinder hervor: Friederike, Eduard und Carl, die nach<br />

dem Tod der Mutter (1840) von ihrer Oma, der Pastorenwitwe Basse,<br />

bis zu deren Tod (1857) erzogen und versorgt 179 wurden. Dem<br />

Enkel Eduard Borgmann (1834-1900), der übrigens ‘Im Turm’ in<br />

dem bis heute erhaltenen alten Haus (jetzige Bewohner: Familie<br />

Neumann sen.) dort wohnte, wo sein Onkel Carl Basse die Töpferei<br />

betrieben hatte, verdanken wir einige interessante Schriftstücke aus<br />

der Familie Basse 180 , die uns der Basse-Nachfahre Horst Bendrat<br />

178 Vgl. Bendrat, ferner: Schulte III. Aus Briefen, die Bendrat besitzt, läßt sich<br />

erschließen, daß den ausgewanderten Basse-Söhnen die deutsche Heimat zu eng<br />

geworden war und daß sie in der neuen Welt zu Wohlstand gelangen wollten,<br />

was ihnen z.T. glückte. Keiner kehrte je nach Deilinghofen zurück.<br />

179 In Bendrats <strong>Unter</strong>lagen findet sich ein „Kurzer Lebenslauf der Witwe Frau<br />

Pastorin Basse, meiner theuren unvergeßlichen Großmutter“, geschrieben von<br />

(August Limborg und) Eduard Borgmann. Darin liest man: “...eine theure Tochter<br />

ließ der schon hochbetagten Großmutter ihre Kinder zur Erziehung und Pflege<br />

als ein kostbares Vermächtniß zurück. Dieser widmete sich die Entschlafene mit<br />

einer wahrhaft seltenen Liebe und Aufopferung, überzeugt, daß <strong>des</strong> Herrn Rath<br />

und Wille nur darum ihre Tage friste und verlängere, um die Wege ihrer geliebten<br />

Enkel in die Bahn zu leiten”.<br />

180 In den auch in der vorigen Fußnote schon angegebenenen Basse-<strong>Unter</strong>lagen<br />

Bendrats befinden sich einige sehr interessante Briefe, welche die nach Amerika<br />

ausgewanderten Basses an die Borgmannsche Adresse in Deilinghofen geschickt<br />

hatten. Es sind Zeitzeugnisse, die eine gesonderte Veröffentlichung wert wären.<br />

Wir erfahren da viel über die engen und ärmlichen Verhältnisse in Deilinghofen,<br />

weniger über den damals bereits verstorbenen Pastor, von dem aber immerhin<br />

einmal erwähnt wird, er wäre ein totaler „Pferdenarr“ gewesen.<br />

161


zur Verfügung stellte. Horst Bendrat (Holzwickede) und sein Bruder<br />

Hermann Bendrat (Sundwig, Felsenmeerstraße) sind Urenkel<br />

von diesem Eduard Borgmann.<br />

3. Überblick über Basses theologisches und kirchenpolitisches<br />

Wirken von 1797 bis zum Ende <strong>des</strong> Agendenstreites in Deilinghofen<br />

im Jahr 1829<br />

Mit den zuvor zusammengestellten Bemerkungen zu Basses Familiengeschichte,<br />

in denen ja durchaus eine ganz Menge von seinen<br />

privaten Wesenszügen und Lebensumständen zur Sprache kam,<br />

haben wir von der Zeit her erheblich vorgegriffen. Wir kommen<br />

nun in diesem Abschnitt zur ‘pfarramtlichen’ Seite <strong>des</strong> Pastors Carl<br />

Franz Friedrich Basse in seiner Zeit zurück. Die beträchtliche Zeitspanne<br />

von über dreieinhalb Jahrzehnten, die er in Deilinghofen<br />

wirkte, begann mit seiner feierlichen Amtseinführung am<br />

20.August 1797. In den Hagener Synodalprotokollen der Märkischen<br />

Synode lesen wir:<br />

“d. 20 Aug wurde der bisher zu Königssteel gestandene Prediger, Herr Carl Franz<br />

Friedrich Basse als Prediger zu Deilinghofen, wo H. Prediger Müller sein Amt<br />

niedergelegt hatte, eingewiesen” 181 .<br />

Vermutlich wird Basse von dem Hochgefühl seiner Einführungsfeierlichkeiten<br />

in Deilinghofen schnell auf den nüchternen Boden<br />

der Tatsachen heruntergekommen sein. Ihm oblag nämlich die Erledigung<br />

von jahrzehntealtem ‘Papierkram’ seiner beiden Amtsvorgänger<br />

Dümpelmann und Müller. Es ging um jene vom Landgericht<br />

Altena reklamierten Kirchenrechnungen, auf die wir oben schon<br />

eingingen 182 - eine Mammutarbeit, die der Kaufmannssohn (hier<br />

wohl versierter als seine Vorgänger) in relativ kurzer Zeit (bis ca.<br />

1800/1801) erledigt hatte. Hinzu kam natürlich in diesen ersten<br />

181 Göbell II, S.719; auf der gleichen Seite steht als Anmerkung <strong>des</strong> Herausgebers:<br />

„Carl Franz Friedrich Basse ... ist Nachfolger <strong>des</strong> an schwacher Atmung<br />

leidenden Joh. Daniel Müller ..., der dann in Langerfeld eine Gastwirtschaft ü-<br />

bernimmt.“<br />

182 Vgl. dazu oben S.135.<br />

162


Amtsjahren das Problem, in der Gemeinde an der kurkölnischen<br />

Grenze Fuß zu fassen 183 und sich auch im Blick auf die seelsorgerliche<br />

Tätigkeit dort einzugewöhnen. Wie zum Beispiel Basse zu<br />

den Frommen mit Herrnhuter Prägung in Sundwig (auf Heppings<br />

Kotten) und in Deilinghofen theologisch stand, wissen wir nicht.<br />

Fest steht, daß ganz zu Beginn der Herrnhuter Diaspora-Arbeiter<br />

Feiler Basse noch einmal besuchte. Das war bald nach Basses<br />

Amtsantritt im September 1797 184 ; ob es später noch Kontakte in<br />

dieser Richtung gab, bleibt uns unklar.<br />

Ein großes Problem, das den Pfarrer Basse während seiner <strong>gesamten</strong><br />

Deilinghofer Amtszeit beschäftigte, war der schlechte Zustand<br />

der kirchlichen Bauwerke. Wie schlimm damals das Alte Pastorat<br />

heruntergekommen war, das dann um 1805/1806 instandgesetzt<br />

(und nach Aktenlage <strong>des</strong> Deilinghofer Archivs von Basse praktisch<br />

fertiggestellt!) wurde, ist ja schon angeklungen. Um die Kirche<br />

stand es nicht besser. In der notorisch armen Gemeinde hatte man<br />

höchstens Geld für kleinere Reparaturen, und ‘weltliche’ Stellen<br />

mußten sich da einschalten, um der mittellosen Gemeinde unter die<br />

Arme zu greifen.<br />

Der Deilinghofer Schullehrer Johann Melchior Marcks hatte in<br />

seinem Anhang an das Dümpelmann-Gedicht (vgl. Anlage in diesem<br />

Heft) zur Basse-Ära in Deilinghofen folgende Zeilen hinzugesetzt:<br />

“Herr Müller macht in kurzer Zeit<br />

Herr Bassen hier den Platz bereit,<br />

der bleibe lang zu Gottes Ehr<br />

zum Heil der Menschen Prediger.<br />

...<br />

Achtzehnhundert an der Statt<br />

die jetzige Schul errichtet ward.<br />

Das ist’s, was ich zu guterletzt<br />

183 Es war eine eigentlich recht mutige Angelegenheit, im Grenzdorf Deilinghofen<br />

in diesem Jahr eine Pfarrstelle anzunehmen, denn im ‘Nachbarland’ - z.B. in<br />

Balve und Menden standen damals französische Truppen, und auch im relativ<br />

neutralen Preußen konnte man nicht wissen, was die Zukunft bringen würde.<br />

184 Schunke, S.104.<br />

163


in meinem Alter zugesetzt”.<br />

Diese Schule wurde wegen der Finanzknappheit der Kirchengemeinde<br />

aus Kommunalmitteln zu Beginn der Basseschen Amtszeit<br />

im Jahr 1800 erbaut, nachdem die alten Schule von 1687, die auf<br />

dem Kirchhof stand, den Erfordernissen nicht mehr genügte 185 . Das<br />

Fachwerkhaus der neuen Schule von 1800 hatte, wie ein uns erhaltenes<br />

Bild aus dem Jahre 1862 zeigt, seinen Platz dort, wo sich heute<br />

das Ehrenmal befindet. Daß dieser Fachwerkbau nach 1874 in<br />

Apricke wiederaufgebaut wurde und heute ein Teil <strong>des</strong> Wohnhauses<br />

Schule von 1800 auf dem Kirchhof (Bild von 1862)<br />

185 Vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte F1, Verschiedene Schulsachen 1822-<br />

1921.<br />

164


Im Beil 21 (Bewohner: Familie Tuschhoff) darstellt, hat Gerd Herchenröder<br />

auch in seiner schönen Schul-Chronik geschildert 186 .<br />

Im Blick auf diese Zeit haben wir auch auf Basses Projekt der Kirchenrenovierung<br />

einzugehen; dieses begann Anfang <strong>des</strong> Jahrhunderts<br />

und setzte sich die ganze Amtszeit über bis zu seinem Tod<br />

fort 187 . Wie schlecht der bauliche Zustand unserer Stephanuskirche<br />

zu Beginn der Amtszeit war, beschrieb Basse selbst wie folgt:<br />

“Unser verfallenes Gotteshaus zeigt bey Fremden, die uns besuchen an, als wenn<br />

wir gleichgültig gegen Gottesverehrung und Gottesdienst wären” 188 . Besonders<br />

das Kirchen- und das Turmdach waren sehr undicht, so daß der<br />

Regen ins Kircheninnere und ins Gemäuer gelangen konnte und<br />

vielfältige Schäden nach sich zog. In der Kirche sah es verheerend<br />

aus: schadhaftes Gestühl auf Lehmfußboden, Unrat in vielen Bereichen<br />

der Kirche, und auch von außen muß die Gesamtanlage der<br />

Kirche einen jämmerlichen Eindruck gemacht haben. Basse berichtete<br />

etwa, daß die Friedhofsmauer, die er 1802 errichten ließ, nach<br />

kurzer Zeit wieder verfallen war, so daß sogar das Vieh auf dem<br />

Kirchhof weidete 189 .<br />

186 Herchenröder, S.11; Abbildung <strong>des</strong> Apricker Hauses S.10.<br />

187 Erst kurz vor Drucklegung dieser Arbeit fanden wir im Kirchenarchiv Deilinghofen<br />

als bisher unbekannte Beilage im Sterberegister Notizen Basses, aus<br />

denen hervorgeht, daß zwischen 1820 und 1822 die Kirche von innen und außen<br />

neu verputzt und geweißt worden ist. Die Stephanuskirche muß sich damals (ähnlich<br />

wie nach der letzten Renovierung die Iserlohner Oberste Stadtkirche) ‘ganz<br />

in weiß’ dargeboten haben: die weiße Kirche als Wahrzeichen <strong>des</strong> Dorfes! Wir<br />

können uns vorstellen (und haben aus den Akten auch Andeutungen zwischen<br />

den Zeilen), daß Basse, so schick seine Kirche jetzt auch war, doch lieber (wie<br />

Kollege Wulfert in Hemer zur gleichen Zeit) die alte Kirche abgebrochen und<br />

eine neue gebaut hätte.<br />

188 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte N1, Bauten und Reparaturen an der Kirche,<br />

den Pastorath- und Schulgebäuden 1768-1844), hier: „Acta, die Bauten und Reparaturen<br />

an der Kirche, den Pastorath- und Schul-Gebäuden zu Deilinghofen<br />

betreffend, 1768“<br />

189 Fundort wie in A.189.<br />

165


Im gleichen Jahr 1802 kam es bei einer Reparatur <strong>des</strong> Kirchendaches<br />

zu einem tragischen Unfall, der eine Vorgeschichte hatte, die<br />

bis ins Jahr 1800 zurückreichte. Wir zitieren aus den Akten 190 :<br />

“1800 d. 9t Novbr. riß der außerordentliche Sturm uns das Kreutz mit samt einem<br />

Stück <strong>des</strong> Mastbaums von hiesigem Kirchturm. Wir zeigten dieses sofort beym<br />

Wohllöblichen Landgericht auch selbst bey der Königl. Regierung an, baten um<br />

nötige Vorkehrung, die zerstörte Kirchturms Spitze wieder herstellen zu können”.<br />

Im folgenden wird in diesem Dokument beschrieben, wie mühsam<br />

sich man sich das Geld zur Reparatur vom Turm (und von der<br />

Kirchtumsmauer) durch den Verkauf von Kirchenbesitzen und altem<br />

unbrauchbaren Blei zu beschaffen hatte, eine Prozedur, die sich<br />

bis 1802 hinzog. Am 7.Dezember 1801 beauftragte man den Schieferdecker<br />

Peter Trippel aus Iserlohn mit der Reparatur <strong>des</strong> Turmes.<br />

Als diese im April 1802 erfolgte, kam es zu dem schrecklichen Unfall,<br />

über den man in unserem Kirchenbuch folgen<strong>des</strong> lesen<br />

kann 191 :<br />

“den dreißigsten Aprill starb allhier der Schieferdecker Matthias Trippel gebürtig<br />

aus Bonn. Er fiel bey Gelegenheit der Reparatur <strong>des</strong> Thurms von der Spitze <strong>des</strong><br />

Thurms gleich todt zur Erde. Es wurde dem Landgericht davon Anzeige gethan,<br />

welches aber nach genau angezeigten Umständen nicht hierher kam. Er ist 54<br />

Jahr alt geworden. Verehelicht 1777”.<br />

Dies war der amtliche Eintrag. Detaillierter schildert es der Entwurf<br />

in der „Kirchenbuchkladde“ 192 :<br />

„d. 30. April starb Matthias Tripler Leyendecker aus Bonn gebürtig, wohnte zu<br />

Iserlohn. Er fiel hier von der Thurms Spitze alwo er sich auf die Stellase [sc.<br />

Stellage, Gerüst] gesetzet hatte, um zu ruhen, aber engeschlafen war, und gleich<br />

wie auf die Erde kam, war sein Körper entseelt, 1777 hat er Barbara ... getrauet<br />

u. 2 Kinder gezeugt, von welches der Sohn 3 Tage nach den Begräbniß die Spitze<br />

wieder bestieg[,] die Stange, Knopf u. Creuz aufsetzte. Sein Alter 54 Jahr-“<br />

In der Anfangsphase der Basseschen Tätigkeit fiel auch der Lehrerwechsel<br />

in Deilinghofen: der Vater Johann Melchior Marcks,<br />

der Mit-Verfasser <strong>des</strong> Dümpelmann-Gedichtes, gab das Amt um<br />

1804, wie Gerd Herchenröder beschreibt 193 , an seinen Sohn Cas-<br />

190 Fundort wie in A.189.<br />

191 Sterberegister 1781-1818.<br />

192 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte A10, Kirchenbuchkladde.<br />

193 Herchenröder, S.11.<br />

166


par Diedrich Marcks weiter, der übrigens seit 1797 seinem Vater<br />

„adiungirt“ 194 war.<br />

Die Kirchenbuchkladde unseres Deilinghofer Archivs enthält eine<br />

Chronik der Lebensdaten von Marcks Vater und Sohn und deren<br />

Familie 195 .<br />

Diese Lehrer Marcks hatten in Deilinghofen eine überaus wichtige<br />

Stellung. Wir zeigen das an einem Beispiel, das trefflich in Gerd<br />

Herchenröders Schul-Chronik gepaßt hätte: Im Jahr 1803 wurde<br />

sogar auf der Märkischen Synode in Hagen öffentlich das Thema<br />

Marcks behandelt. Wir erfahren aus den Protokollen, daß vom Deilinghofer<br />

Lehrer Marcks geradezu revolutionäre Neuerungsvorschläge<br />

gemacht wurden:<br />

“ Der Herr Inspektor Baedecker ... erzählte, wie der Schullehrer Marcks in Deilinghofen<br />

bey der Regierung darauf vorgetragen hat,<br />

(a) daß den Schullehrern erlaubt werden möge, öffentliche Examina in den Kirchen<br />

anzustellen, und bey Gelegenheit die Eltern zu ermahnen, die Kinder fleißig<br />

zur Schule zu schicken.<br />

(b) Daß die Schullehrer auch düften eine Synode gemeinschaftlich halten und die<br />

Kosten dazu aus dem Kirchen-Vermögen erhalten.<br />

(c) Daß eine Witwen-Casse für die Schullehrer möge errichtet werden.<br />

(d) Daß Rendanten angeordnet werden mögen, die das Schul-Geld für die Schullehrer<br />

erheben und ihnen auszahlen.<br />

194 Eintrag zum Tod <strong>des</strong> Johann Melchior Marcks (20.September 1811) im Sterberegister<br />

1781-1818 <strong>des</strong> Deilinghofer Kirchenbuchs.<br />

195 Kirchenarchiv Deilinghofen Akte A10, Kirchenbluchkladde zum Tod <strong>des</strong><br />

alten Marcks, verfaßt von seinem Sohn: „d 29 Septb starb mein lieber Vater der<br />

Schullehrer Joh: Melch: Marcks an der Wassersucht. Er war 1746 d 28 Feb von<br />

der Aeltern Joh Died Marcks u Anna Elis Stephans in Ober Hemer gebohren<br />

1763 unterrichtet er am Beckmerhagen 1764 wurde er Adinterims Schullehrer in<br />

Delinghofen 1766 wurde er Schullehrer in Fröndenberg. 1767 ordentlich berufener<br />

Schullehrer in Deilinghofen 1769 d 17 Octb verehelichte er sich mit der<br />

Witwe Wunenberg <strong>des</strong> ehemalig Schullehrers Frau zu Hemerde Ann Louisa<br />

Marg GrevingSchulte von dort. 1770 d 8 Jann starb diese. 1771 d 9 April verehelichte<br />

er sich mit meiner Mutter Cath Maria Liening. 1797 wurde ich ihm wie<br />

ich von Ohle zurück kam Adjungirt. 1798 d 23. Jann erlaubte er meinem 2ten<br />

Bruder sich mit der Cath. Elis Winterhoff Col in Hemer trauendürfen. 1809 wurde<br />

mein 3ter Bruder Prediger im Herzkampe und also sah er seine Kinder alle<br />

drey vor seinem Tode versorgt. Er wurde d 2. Octb beerdigt. recht feyerl[lich] “.<br />

167


(e) Daß die Schullehrer dispensirt werden möchten, die Anzeige, was gesungen<br />

werden soll, bey den Predigern selbst abzuholen, und daß die Prediger angehalten<br />

werden möchten, den Schullehrern diese Anzeige schriftlich zuzuschicken. Der<br />

Herr Inspector hat darüber berichten müssen, und darauf ist dem Marcks ‘die<br />

Forderung sub Nr. (a), (b) und (e) völlig abgeschlagen worden; wegen (c ) und<br />

(d) soll zu seiner Zeit näher resolviret werden” 196<br />

Der Deilinghofer Pastor Basse war auf jener Synode in Hagen zugegen<br />

(es war seine dritte Synode), bei der dieses brisante von<br />

Marcks angestoßene Thema, das ja auch ihn selbst tangierte, diskutiert<br />

wurde. Basse konnte also darauf bestehen, daß der Lehrer die<br />

Angaben über die sonntags zu singenden Lieder schön brav weiter<br />

im Alten Pastorat abzuholen hatte, und daß der Lehrer auch die<br />

anderen angestrebten Kompetenzen nicht erlaubt bekam.<br />

Im Zusammenhang mit der Deilinghofer Kirchengeschichte durchaus<br />

erwähnenswert ist, daß in den Hagener Synodalakten der Name<br />

Marcks (später umgewandelt in: Marx) noch <strong>des</strong> öfteren zu lesen<br />

ist. Der oben genannte Deilinghofer Lehrer Johann Melchior<br />

Marcks hatte nämlich noch einen jüngeren Sohn (der zehn Jahre<br />

jünger war als sein Bruder, der Schullehrer Caspar Diedrich<br />

Marcks) namens Johann Melchior Diedrich Marcks (geb. 14.April<br />

1784 in Deilinghofen, noch von Dümpelmann getauft), der dann<br />

zum gestandenen Pfarrer in Herzkamp (von 1809 bis 1856; gestorben<br />

1858) heranreifte und als Mitglied der Synode dort oft mit dem<br />

Synodalen Basse zusammentraf 197 .<br />

Kurz vor der Franzosenzeit 198 in dieser Gegend wurde am Bauernhof<br />

Stenner-Borghoff 1805 eine Hausinschrift angebracht, die man<br />

dort noch heute lesen kann (vgl. die Abbildung oben, S.143):<br />

196 Göbell III, S.870f. (War es eigentlich der alte Marcks oder der junge? Wir<br />

nehmen an es war der alte, der dann 1804 - vielleicht wegen dieses Streites - das<br />

Handtuch warf.)<br />

197 Zum Pastor Marcks vgl. Bauks, 314 Nr.3951; zu seinen synodalen und andeen<br />

kirchlichen Aktivitäten vgl. Göbell III, S.945, S.959f.,S.1005,S.1007, S.1100 und<br />

S.1123.<br />

198 Auch private Familienforschung kann mit unserem Kirchengeschichteprojekt<br />

in Deilinghofen sich gut verbinden. Z.B. macht uns Frau Irmgard Teves, geb.<br />

Beckmann, Deilinghofen (die Mutter einer der beiden Schwiegertöchter von<br />

168


“GOTT . LEBET . NOCH . WAS . SORG . ICH ./<br />

DENN . SOLANG . ICH . GOTT . DENN . VATER ./<br />

KENN . SETZ . ICH . DIE . SORGE . AN . DIE . SEIT . UND ./<br />

SINGE . FRÖLICH . ALLEZEIT . GOTT . LEBET . NOCH /<br />

ANNO . 1805 . DEN . 29 . MAY”.<br />

Solches Gottvertrauen hatten Basse und seine Gemeinde gerade in<br />

der ‘Franzosenzeit’ (1806 bis 1815) bitter nötig. Aus diesem Zeitraum<br />

sind praktisch keine Akten im Deilinghofer Kirchenarchiv<br />

vorhanden. Wir zitieren hier alles, was zu Basse in dieser Zeit<br />

wichtig erscheint, nach der Darstellung seiner Nachfahren, <strong>des</strong><br />

Holzwickeder Lehrers Horst Bendrat, der in seiner Arbeit das Wesentliche<br />

und Charakteristische trefflich einfängt 199 :<br />

“Die folgenden Jahre, ... die ‘Franzosenzeit’ von 1806 bis 1815, wurden auch<br />

von den Deilinghofern und ihrem Pastor als in vieler Hinsicht schwer und bedrückend<br />

erlebt. Deilinghofen gehörte seit November 1808 (Napoleons Dekret zur<br />

Neuordnung <strong>des</strong> Großherzogtums Berg) zur Mairie Hemer im Kanton Iserlohn,<br />

Arrondissement Hagen im Departement Ruhr (Praefektur in Dortmund). Der<br />

‘Maire’, mit dem Pastor Basse dienstlich viel zu tun hatte, war Joh. Friedrich von<br />

der Becke (1750-1836), unverheirateter Fingerhutsmühlenbesitzer (heute Sundwiger<br />

Messingwerk) in Sundwig, dem Hauptort der Mairie, später preußischer<br />

Bürgermeister. Die Sorge ums tägliche Brot, d.h. um ausreichende Ernten, die P.<br />

Basse mit den Deilinghofer Bauern unmittelbar teilte, waren selten grundlos, wie<br />

er selbst in einer Kirchenbuch-Eintragung zu 1805 überdeutlich bezeugt:<br />

‘Bemerkung: In diesem verflossenen Jahre hatten wir sehr theure Zeiten. Die<br />

Erndte verspätete sich wegen der kalten Witterung so sehr, daß um Bartholomai<br />

(24. Aug.) noch niemand mähen konnte. Erst mit dem 6 oder 7ten September<br />

fingen die Leute hier an, Roggen zu mähen, welcher aber gewiß noch beynahe<br />

einen ganzen Monat naß in der Bahre war und ehe man ihn in die Mühle schicken<br />

konnte, in dem Ofen gedörrt werden mußte.’<br />

Pastor Ravenschlag) darauf aufmerksam, daß in ihrem Stammbaum einer ihrer<br />

Vorfahren, Johann Diederich Friedrich Marks, gnt. Winterhof, geb. 12.Februar<br />

1803 in Oberhemer, in der Vituskirche am 19.Februar 1803 getauft wurde und<br />

unseren Pastor Basse nach dem Kirchenbuch Hemer als ersten Paten hatte. (Dieser<br />

Herr Winterhof[f] aus Oberhemer ist lt. Frau Teves übrigens auch ein Vorfahr<br />

von Dietrich Fritzlar, unserem Kirchmeister; übrigens kam ein Winterhoff aus<br />

Oberhemer oben schon im Zusammenhang mit der Brüdergemeine vor: vgl.<br />

S.141).<br />

199 Bendrat, S. 6 und 7.<br />

169


Wenn G.Schulte ihn ‘König im Kirchspiel’ oder ‘Lan<strong>des</strong>vater im Kirchspiel’<br />

nennt, dann gilt das allenfalls im preußisch kargen Sinne <strong>des</strong> Dienens. Reich<br />

konnte man als Deilinghofer Pfarrer gewiß nicht werden, wie es eine Notiz <strong>des</strong><br />

Sundwiger Maire von der Becke von 1809 ausweist, der es gut fände, ‘wenn der<br />

Herr Prediger Basse zu Deilinghofen sich weniger mit dem Ackerbau beschäftigte,<br />

wozu ihn, wie er sagt, seine schlecht besoldete Pfarrei zwingt, um seine zahlreiche<br />

Familie zu unterhalten’ (damals waren bereits fünf Kinder geboren, später<br />

kamen noch drei hinzu). Nach einer Anmerkung in Eduard Borgmanns Familienchronik<br />

brachte ‘die Pastorath zu Deilinghofen zufolge <strong>des</strong> Hebezettels 420 Thaler<br />

ein’, jährlich versteht sich. Hatte Deilinghofen unter dem allgemeinen Niedergang<br />

der Gewerbe infolge der Kontinentalsperre von 1806 wohl weniger zu leiden<br />

- in Iserlohn brach beispielsweise die gesamte Textil-Branche zusammen und<br />

kam nie wieder auf - so wurden die von Frankreich erhobenen Grundsteuern als<br />

besonders drückend, ja für manche Höfe ruinös empfunden. Hinzu kamen indirekte<br />

wie Salz- und Tabaksteuern. So ist es begreiflich, daß in den Berichten <strong>des</strong><br />

Maire an die Präfektur immer wieder von Diebstählen die Rede ist. In Sundwig<br />

wurde damals ein Gefängnis, Wachhaus genannt, errichtet, das als ‘Spritzenhaus’<br />

noch Anfang <strong>des</strong> 20.Jahrhunderts vorhanden war. Auch Nachtpatrouillen mußten<br />

eingerichtet werden. In Deilinghofen war besonders zu klagen über ‘Feld- und<br />

Obsträuberei sowie Bestehlung der Ackergeräte’, 1810 sei dem ‘Municipalrath<br />

Mollerus ein großer kupferner Braukessel gestohlen worden’ und im Juli <strong>des</strong>selben<br />

Jahres seien ‘dem Prediger Basse in Deilinghofen boshafterweise <strong>des</strong> nachts<br />

seine sämtlichen Kappeskraut mit der Sense abgemäht worden’. Verdächtigt, oft<br />

auch gefaßt und vom Richter Kleinschmidt auf Haus Hemer abgeurteilt, wurden<br />

meist auswärtige Landstreicher und Bettler. In Niederhemer gar war in die Vituskirche<br />

eingebrochen worden, der Inhalt <strong>des</strong> Armenkastens und eine neue Altardecke<br />

geraubt worden. Im Kirchspiel Deilinghofen kamen auch Holzdiebstähle<br />

im Balver Wald vor, nächtens sogar mit Pferdegespannen.<br />

Andererseits brachte die ‘Franzosenzeit’ die Bauernbefreiung. Abgaben, die in<br />

Hypothekenbücher einzutragen waren, konnten durch einmalige Geldzahlung<br />

abgelöst werden. Darüber kam es 1813 in Deilinghofen sogar zu einem Prozeß.<br />

Der Colon E. aus Brockhausen und ebenso der Colon K. aus Apricke hatten sich<br />

schon zwei Jahre geweigert, die aus Hafer, Mettwurst und Eiern bestehende<br />

‘Pastorath und Küster Revenue’ zu entrichten, mit der seltsamen Begründung,<br />

diese sei früher die Bezahlung einer Frühmesse mit Predigt gewesen, die es ja<br />

nun nicht mehr gebe. Schon hofften auch andere Bauern <strong>des</strong> Kirchspiels, auf<br />

ähnliche Weise um die Ablösesumme herumzukommen. Das ‘Consistorium’<br />

(=Presbyterium) wandte sich daraufhin an den Praefekten von Romberg in Dortmund.<br />

Diesem mußte P. Basse sogar das alte Kirchenbuch vorlegen, um zu beweisen,<br />

daß die seit mehr als hundert Jahren geleisteten Abgaben rechtens seien.<br />

Daraufhin mußte gezahlt werden ‘zum Vortheil der Lutherischen Schule und<br />

Küsterei zufolge eines unbedenklichen Besitzes’”<br />

170


Hören wir weiter 200 aus Horst Bendrats schöner Darstellung <strong>des</strong><br />

Lebens seiner Vorfahren Carl Franz Friedrich Basse zwei weitere<br />

Episoden aus der Franzosenzeit in Deilinghofen und dann, wie diese<br />

Zeit zu Ende ging:<br />

“Mit welchen weiteren ‘weltlichen’ Aufgaben Pfarrer damals befaßt werden<br />

konnten, zeigt ein Erlaß <strong>des</strong> Innenministers <strong>des</strong> Großherzogtums Berg in Düsseldorf<br />

vom 9.8.1809 zur Bekämpfung der Blattern durch Schutzimpfung. Der dafür<br />

zuständige Arzt, der Kantons-Medicus Dr. Gottfried de Weys in Iserlohn (mit<br />

Carl Basse freundschaftlich verbunden), konnte diese Impfung natürlich nicht<br />

allein durchführen, sondern mußte in Hebammen, Lehrern und eben auch Pfarrern<br />

ehrenamtliche Helfer/innen finden. Wie eifrig sich P. Basse der Aufgabe<br />

widmete, seine Pfarrkinder zu impfen, zeigt ein Schreiben <strong>des</strong> Maire nach Hagen,<br />

‘es sei zu wünschen, daß der Herr Prediger Basse zu Deilinghofen und der Schullehrer<br />

Woeste (Joh. Ludolf Woeste, Niederhemer, Vater <strong>des</strong> bekannten Germanisten<br />

Friedr. Leopold W.), welche das mehrste Impfen in der hiesigen Municipalität<br />

bewirken, von Herrn Arrondissement Physikus mit Lymphe versehen würden’,<br />

außerdem schlägt er für diese Tätigkeit ein gewisses Entgelt vor. Übrigens<br />

hatte sich P. Basse zuvor einer entsprechenden Ausbildung mit Prüfung unterziehen<br />

müssen, um die ‘Autorisation’ zum Impfen zu bekommen. Kein Lehrherr<br />

durfte nach dem Erlaß Lehrlinge ohne Impfzeugnis annehmen.<br />

Ein anderes, fast makabres Erlebnis berichtete P. Basse selbst im Kirchenbuch:<br />

‘1815, Den 19. Nov. starb plötzlich an der Colique zu Sundwig Joh. Diedrich S.<br />

[irringhaus]. ... Alt 38 Jahr 4 Monath. Sein plötzlicher To<strong>des</strong>fall veranlaßte verschiedene<br />

Gerüchte. Man sprach von Scheintodt. Er wurde daher am 2ten Decbr.<br />

Nachmittags drey Uhr in Beyseyn <strong>des</strong> Herrn ... v.d. Becke, <strong>des</strong> Predigers Basse<br />

hieselbst, <strong>des</strong> Secretaers Wienecke, Herrn D. de Weys und vieler Zeugen wieder<br />

aufgegraben, wo man sich dann von seinem wirklichen Tode oder vielmehr, daß<br />

er nicht scheintodt gewesen war, überzeugte.’<br />

Für dasselbe denkwürdige Jahr 1815 konnte Carl Basse ins Kirchenbuch eintragen:<br />

‘Wieder Einführung <strong>des</strong> Preußischen Gesetzbuches.’ - gewiß nicht ohne<br />

tiefe Bewegung: der Befreiungskrieg, der die ‘Franzosenzeit’ beendete, hatte ihm<br />

und Lotte den erstgeborenen Sohn entrissen. Eduard Basse war kurz vor seinem<br />

18. Geburtstag als Freiwilliger Märkischer Jäger in der für Preußen verhängnisvollen<br />

Schlacht von Ligny (Belgien), zwei Tage vor dem Sieg von Waterloo,<br />

gefallen. Der Vater mußte ins Kirchenbuch schreiben:<br />

200 Bendrat, S.9f.<br />

171


Stephanuskirche: Gedenktafel für den 1815 bei Ligny gefallenen Pastorensohn Eduard<br />

‘1815. Den Sechszehnten Juny blieb in der Schlacht bey Ligny mein innigst geliebter<br />

Sohn Eduard Wilhelm Basse als freywilliger märkischer Jäger. Er war der<br />

einzige, der von unsern theuren Kindern, die ihr Leben für König und Vaterland<br />

aufopfern wollten, vermißt wurde. Er war den 3ten July 1797 in Iserlohn geboren.<br />

Muthig und froh ging er in den Kampf, nach dem Zeugnis seines Obern. Er<br />

hatte sich in seiner kurzen Dienstzeit die Liebe und Achtung derselben erworben.<br />

Er wird mir ewig theuer und werth bleiben. Zum unvergeßlichen Andenken an<br />

ihn schrieb das sein um ihn trauernder und innigst betrübter Vater C. Basse. Vor<br />

Gottes Thron werd ich einst dich wieder finden, innigst geliebter Sohn!, da wo<br />

keine Trennung, kein Scheiden mehr sein wird; dort werd ich deiner mich freuen.<br />

So lange ich hier als Pilger noch walle, vergeß ich deiner nicht!”.<br />

Eine Geschichte mit typisch Hemeraner Lokalkolorit vom Ende der<br />

Franzosenzeit, die auch von Patriotismus handelt, wollen wir unseren<br />

Lesern nicht vorenthalten; sie entstammt einem plattdeutschen<br />

Text von Woeste 201 :<br />

“Im Gasthaus Benzler in Niederhemer saßen am Abend <strong>des</strong> 22. Oktober 1813<br />

zahlreiche Gäste zusammen. Das Gerücht einer großen Niederlage Napoleons<br />

bewegte aufs stärkste die Gemüter - sehr zum Leidwesen <strong>des</strong> vorsichtigen Wirtes.<br />

Ein Faß Bier wurde von einem der patriotischen Gäste gestiftet. Dem Wirt wurde<br />

bedeutet, wenn das Gerücht sich bewahrheite, könne er das geplante Schild<br />

‘Gasthof zum Kaiser Napoleon’ am Schweinestall anbringen. Ein aus Iserlohn<br />

201 Schl. 2/1958, S.20 Anm.<br />

172


eintreffender Reisender bestätigte die Siegesnachricht. Hochs auf Blücher,<br />

Scharnhorsts und Gneisenau wurden ausgebracht. Aus dem allgemeinen Jubel<br />

sprang der Ruf auf, von der Mairie (Bürgermeisteramt) den ‘Kuckuck’, d.h. den<br />

französischen Adler herunterzuholen. Etwa 20 Mann machten sich auf den Weg<br />

und kamen bald mit der Trophäe zurück. In einer Gerichtssitzung wurde das<br />

französiche Hoheitszeichen zum Feuertode verurteilt, vorher sollte es Kopf und<br />

Krallen verlieren. Der erste Teil <strong>des</strong> Urteils wurde mit der Axt vollstreckt, anschließend<br />

kam der Vogel in die Küche unter den Stilmustopf”<br />

In einer Hemeraner Chronik liest man zum Ende der französischen<br />

Fremdherrschaft:<br />

“1815, 2. Juni wird nach dem Sturz Napoleons I. die preußische Provinz Westfalen<br />

gegründet. Die mairie Hemer wird Bürgermeisterei im Kreis Iserlohn, Regierungsbezirk<br />

Arnsberg. Die Bürgermeisterei Hemer hat 3 ‘Steuergemein-den’:<br />

Hemer mit Becke, Landhausen, Nieder- und Oberhemer, Westig und Sundwig,<br />

Deilinghofen mit Apricke, Brockhausen, Deilinghofen und Riemke, Evingsen mit<br />

Evingsen, Frönsberg, Ihmert und Kesbern” 202<br />

Kurz nach der Franzosenzeit, nämlich 1816, wurde übrigens auf<br />

‘Heppings Kotten’ in Sundwig, dem oft genannten Deilinghofer<br />

Kirchenbesitz, den seit 1800 203 Gottfried Rentzing bewirtschaftete,<br />

202 Schl. 1 und 2 / 1972, S.3.<br />

203 Vgl. die Chronik von Peter Alberts zum 1.Deutschen Mühlentag (s.o., S.36 A<br />

43): „1816: Bau einer Getreidemühle durch den Mühlenbauer Joh. Hermann<br />

Stinst. Gottfried Ren[t]zing schreibt in sein Tagebuch: 1816 Am 9.August haben<br />

wir unsere längst angefangene Mühle so weit gebracht, daß wir am vorerwähnten<br />

Tage mit einem Mahlgange haben mahlen können“. Zwei Einträge in dies Tagebuch<br />

aus der Franzosenzeit zitieren wir hier nach der mit dem Jahr 1800 beginnenden<br />

Rentzing-Alberts-Chronik, S.1f.: „1808 am 25ten Oktb. morgens 10 Uhr<br />

hatten wir den Schmerz, zu sehen, daß unser Wohn- und Backhaus ein Raub der<br />

Flammen wurde, auf ersten war viele Frucht, welche mit eingeäschert wurde. Die<br />

Losung [der Herrnhuter Brüdergemeine für jenen Tag] hieß aus Jes.40 v.15<br />

Siehe die Völker sind gerechnet vor Ihm wie ein Tropfen, so im Eimer bleibt.<br />

Ganz unermessen ist Deine Macht, fort geschieht, was Dein Will hat bedacht,<br />

wohl uns <strong>des</strong> feinen Herren. Text Ebräer 10v.13 Jesus hat ein Opfer für die Sünder<br />

geopfert, das ewiglich währt. Was Freude wird man da erleben.<br />

1810 am 7ten Juli haben wir unser neues Wohnhaus wieder aufgerichtet, und am<br />

22ten Sept. wieder so weit durch die Hilfe <strong>des</strong> Herrn fertig, daß wirs zur Not<br />

bezogen, wir mußten uns aber vorerst sehr behelfen und im Keller wohnen. Das<br />

Mauern und Steinebrechen hatte ich mit Meister Mücker gearodiert ...<br />

Bei Anfang <strong>des</strong> Baues war ich sehr besorgt, wo ich das Geld zu demselben hernehmen<br />

sollte, aber der Heiland hat mich sehr beschämt, er hat mir über erwarten<br />

173


die Mühle und eine Bäckerei eingerichtet, nachdem die vorher da<br />

bestehende Nagelschmiede aufgegeben worden war. Dieser Gottfried<br />

Rentzing hatte in bewundernswerter Initiative zuvor 1810 in<br />

kürzester Zeit (und ungeachtet <strong>des</strong> von 1780 bis 1820 schwelenden<br />

Prozesses mit den von der Beckes) das zuvor 1809 abgebrannte<br />

Wohnhaus neu gebaut, eben jenes Haus, das die Familie <strong>des</strong> Müllers<br />

Peter Alberts bis heute bewohnt.<br />

Von einer Reihe von Neuordnungen nach der Napoleonzeit im<br />

heimischen Raum ist im folgenden in Kürze zu berichten.<br />

Ein Datum von kirchengeschichtlicher Bedeutung war in der altpreußischen<br />

Kirche der 27.September 1817: der Zusammenschluß<br />

der Lutheraner und Reformierten in der Union. Das theologische<br />

Standardwerk ‘Die Religion in Geschichte und Gegenwart’ bemerkt<br />

dazu 204 :<br />

“Die EKU [sc. Evangelische Kirche der Union] verdankt ihre Entstehung der<br />

Kabinettsorder <strong>des</strong> preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. vom 27.9.1817,<br />

durch die eine ‘Vereinigung’ der luth. und ref. Kirche zu einer ‘neu belebten ev.<br />

christlichen Kirche im Geiste ihres Stifters angeregt wurde’”.<br />

Es war damals im Jubiläums-Lutherjahr, als man die 300 Jahre seit<br />

Luthers Thesen von 1517 feierte; vor kurzem im Jahr 1992 wurde<br />

ja die EKU schon 175 Jahre alt.<br />

Die Synodalakten der ersten Hagener Gesamtsynode (von Lutheranern<br />

und Reformierten) 205 belegen, daß im denkwürdigen Jahr 1817<br />

unser Pastor Basse aus Deilinghofen nicht dabei war. Aber ein anderer<br />

(Ex-)Deilinghofer war anwesend: der Sohn von Lehrer<br />

Marcks, der Herzkamper Pfarrer und Synodale Johann Melchior<br />

Diedrich Marcks. Und als auf dieser Synode (die vom 16. bis zum<br />

18.Sep-tember tagte) eine Reihe der Pfarrer ‘Hausaufgaben’ aufbekamen:<br />

sie sollten zum Reformationsjubiläum biblische, kirchengeschichtliche<br />

und dogmatische Themen schriftlich behandeln, da<br />

erhielt der Deilinghofer Lehrersohn die Aufgabe, es wären: „Einige<br />

durchgeholfen, und ließ mich Freunde finden, die mir zu dem fehlenden von<br />

ihrem Geld gaben.“<br />

204 RGG VI, 3.Auflage, Sp. 1138.<br />

205 Protokoll dieser Sitzung der „Gesammt Synode“ in: Göbell III, S.1096-1132.<br />

174


Bemerkungen über die Geschichte der Reformation ...von Marcks,<br />

Prediger in Herzkamp” theologisch zu bearbeiten 206 .<br />

1993 wurde dann auch der Kirchenkreis Iserlohn 175 Jahre alt. In<br />

einem interessanten Vortrag vor der Kreissynode gedachte aus diesem<br />

Anlaß Pfarrer Wilhelm Gröne (Hemer) der Anfänge dieses<br />

Kirchenkreises, und er kam auch auf die Gründungsversammlung<br />

in der „Sakristey der Stadtkirche“ Iserlohn zu sprechen, die am am<br />

5.No-vember 1818 einige Pfarrer aus dem hiesigen Raum zusammenführte,<br />

unter ihnen auch „Basse Prediger zu Deilinghofen“ und<br />

„Strauß Iserlöhnischer Landprediger“, die beide schwungvoll ihre<br />

<strong>Unter</strong>schrift unter das Sitzungsprotokoll gaben 207 .<br />

Weitere ‘weltliche’ Neuordnungen aus jener Zeit, die auch den<br />

Raum Hemer/Deilinghofen betrafen, sind hier kurz anzuzeigen. Im<br />

Band 1 der Hemeraner Heimatkundereihe ‘Die Fibel’ hat Erich<br />

Lülff durch die Veröffentlichung eines Teil der Autobiographie <strong>des</strong><br />

206 Göbell, S.1123.<br />

207 Zitate nach dem Sitzungsprotokoll, das W.Gröne im Archiv <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>kirchenamts<br />

Bielefeld fand und uns dankenswerterweise in Kopie zur Verfügungstellte.<br />

Bei der o.g. ‘Jubiläums-Kreissynode’ erzählte übrigens Superintendent<br />

i.R. Dr. Ottbrecht Weichenhan in einem zweiten kirchengegeschichtlichen<br />

Vortrag unter anderem Einiges aus dem Leben <strong>des</strong> Johann Abraham Strauß.<br />

175


Der Iserlohner Landrat Peter Eberhard Müllensiefen (1786-1846)<br />

lohner Landrats Peter Eberhard Müllensiefen (1786-1846; Landratszeit<br />

von 1818 bis 1836) auf die große Bedeutung dieses Mannes<br />

für die hiesige Region hingewiesen 208 . Der rührige Müllensiefen,<br />

von dem auch sehr viel in Akten unseres Kirchenarchivs zu finden<br />

ist, war es zum Beispiel, der den Grundstein legte zum ‘Eisernen<br />

Kreuz’ in der Grüne, jenem auffälligen alten Kriegerdenkmal, das<br />

unter geistlicher Mitwirkung von Pfarrer Johann Abraham Strauß<br />

am 18.Oktober 1816, dem dritten Jahrestag der Völkerschlacht von<br />

208 Erich Lülff, Landrat Peter Eberhard Müllensiefen im Dienste der Öffentlichkeit.<br />

Aus der Autobiographie <strong>des</strong> zweiten Iserlohner Landrats (1818-1836) (=<br />

Die Fibel. Schriftenreihe der Heimat, Band 1), Hemer (1964).<br />

176


Leipzig, feierlich eingeweiht wurde. In seiner Landratszeit im (seit<br />

1817) neuentstandenen Landkreis Iserlohn, zu dem zunächst auch<br />

Balve (bis 1832) gehörte, war Müllensiefen federführend etwa bei<br />

dem Bau diverser ‘Kunststraßen’ im hiesigen Raum. So war 1818<br />

bei Müllensiefens Amtsantritt die heutige B7 gerade schon chausseemäßig<br />

ausgebaut, und um den Bau vieler weiterer Straßen im<br />

<strong>gesamten</strong> Kreis hatte sich Müllensiefen jahrelang engagiert zu<br />

kümmern, wobei lediglich sein ‘Lieblingsprojekt’, die Rotehausstraße<br />

als Verbindungsstraße zwischen Iserlohn und Schwerte,<br />

nicht erfolgreich verwirklicht werden konnte. Daneben lag ein<br />

Schwerpunkt der amtlichen Tätigkeit <strong>des</strong> Landrats Müllensiefen in<br />

dem Bau bzw. der Renovierung von Kirchen dieser Gegend, wobei<br />

er sogar als ‘Retter’ der Iserlohner Bauernkirche, die er vor dem<br />

Abriß bewahrte, bezeichnet werden kann 209 .<br />

Was uns an diesem Mann aber theologisch und historisch interessiert,<br />

ist bei Lülff in der Müllensiefenschen Lebensbeschreibung leider<br />

nur in Spurenelementen zu finden: daß nämlich dieser Peter<br />

Eberhard Müllensiefen - wie oben schon angedeutet - eine Person<br />

von kirchengeschichtlicher Bedeutung war und im vorigen Jahrhundert<br />

einer der bedeutendsten Jünger <strong>des</strong> berühmten schwedischen<br />

Geistersehers Emanuel Swedenborgs (1688-1772) genannt<br />

werden kann, wobei dem Vater sein in Iserlohn geborener Sohn<br />

Theodor Müllensiefen (1802-1879), später einflußreicher Glasfabrikant<br />

in Witten und preußischer Politiker, an Rang als hochkarätiger<br />

Förderer der ‘Neuen Kirche’ der Swedenborgianer ebenbürtig<br />

war. Von Deilinghofen her interessiert uns der Vater Müllensiefen<br />

besonders, denn in der uns zugänglich gewordenen Urfassung der<br />

Müllensiefenschen Autobiographie (die wir bei den Müllensiefen-<br />

Nachkom-men Familie Schemann, Plettenberg, einsehen konnten)<br />

finden sich mehrere Hinweise darauf, daß der Pastor der Bauernkirche,<br />

Johann Abraham Strauß, das ‘Ziehkind’ und der frühere Bu-<br />

209 Vgl. Lülff (vorige Anmerkung), S.157-160. Dabei wollte der Landrat auch<br />

seine Swedenborgianer-Beziehungen nach England zur Rettung der Kirche nutzbar<br />

machen.<br />

177


senfreund von Pastor Dümpelmann aus Deilinghofen, insgeheim<br />

auch zum Swedenborgianer sich entwickelt hatte, ein Verdacht, der<br />

sich später durch weitere Arbeit an diiesem Thema unwiderleglich<br />

bestätigte. Als Swedenborg-Jünger - so zeigt es der fertiggestellte<br />

oben genannte Deilinghofer Aufsatz, der 1995 erscheinen wird 210 -<br />

waren Müllensiefen und Strauß jahrzehntelang in enger und besonderer<br />

Bruderschaft verbunden.<br />

Wir kehren zurück zu kirchlichen Angelegenheiten im Raum Hemer.<br />

Vom Jahr 1818 an war die Stephanuskirche, in der Basse Gottesdienste<br />

hielt, die älteste evangelische Kirche der näheren Umgebung,<br />

denn die alte Vituskirche in Niederhemer wurde 1818 abgerissen,<br />

und die Kirche auf dem Ebberg wurde dann gebaut. Bekanntlich<br />

hatte die Ebbergkirche ursprünglich nach den Plänen <strong>des</strong><br />

großen Baumeisters Schinkel anders aussehen sollen 211 , doch wegen<br />

Geldmangels mußten sich die Hemeraner bescheiden. Daß ein<br />

Sympathisant der Herrnhuter Brüdergemeine, nämlich der bekannte<br />

Mühlenbauer Johann Hermann Stindt, der maßgebliche Baumeister<br />

der Ebbergkirche war, ist oben in dieser Arbeit bereits angeklungen<br />

212 . Bei der Grundsteinlegung der Ebbergkirche am 14.April<br />

1819 war der eben genannte Landrat Müllensiefen (wie er selbst<br />

schreibt, zum ersten Mal in seiner “überreichen Galauniform” 213 )<br />

maßgeblich mit von der Partie, und im Jahr 1820 konnte die neue<br />

Kirche eingeweiht werden. Woeste schreibt in seiner Chronik zur<br />

neuen Kirche:<br />

“Der Abbruch <strong>des</strong> alten Gebäu<strong>des</strong> begann im Jahre 1818, und am 26. April dieses<br />

Jahres ward zum letzten Male in demselben gepredigt. Während <strong>des</strong> Neubaus<br />

wurde den Evangelischen die Mitbenutzung der katholischen Kirche vergönnt. ...<br />

Am 14. April 1819 ward der Grundstein zu der neuen Kirche gelegt, und am 13.<br />

August 1820 konnte dieselbe eingeweiht werden” 214<br />

210 Vgl. oben im Dümpelmann-Kapitel, S.129.<br />

211 Vgl. Schl.4/1963, S.14-26, ferner Schl.3/1970, S.17-23.<br />

212 Vgl. etwa oben, 52f. und die dort zu Stindt angegebene Literatur.<br />

213 Lülff (s.o. A.208), S.119.<br />

214 Schl. 2/1970, S.9.<br />

178


Zu der Zeit übrigens muß auch die katholische Kirchengemeinde<br />

Hemer als selbständige Kirchengemeinde (und nicht mehr als private<br />

‘Eigenkirche’ <strong>des</strong> Hauses Brabeck/Haus Hemer) entstanden<br />

sein. Dies ist ein typisches Beispiel für die Eigenständigkeit der<br />

‘Reli-gionsparteien’ wie sie in jener Reformzeit vom preußischen<br />

König gewährt war. Gut für die katholische Kirche in Hemer war<br />

ein Akt, der unter Anwesenheit <strong>des</strong> oben genannten Landrats am<br />

30.August 1825 in der Kirche St. Peter und Paul in Niederhemer<br />

stattfand, als sich der größte Teil der damals ca. 100 Deilinghofer<br />

Katholiken sich auf eigenen Antrag in Hemer einpfarren ließen 215 .<br />

Die ‘All-Zu-ständigkeit’ der Deilinghofer und Hemeraner evangelischen<br />

Pastoren für beide Konfessionen hatte damit ein Ende.<br />

Bei diesem Blick hinüber in die evangelische und die katholische<br />

Nachbargemeinde Hemer darf der in unserer Region bis heute bekannte<br />

Namen der damaligen Pfarrer Wulfert Vater und Sohn (Wulfert-Schule<br />

und Wulfertstraße in Hemer) nicht fehlen. Der verdienstvolle<br />

Hemeraner Pastor Johann Friedrich Wilhelm Wulfert<br />

(1760-1847; in Hemer seit 1803 216 ) war gleichsam der Bauherr der<br />

Ebbergkirche. Ihm wurde, während der Ebberg-Kirchen-Bau im<br />

vollen Gange war, im Juli 1819 sein Sohn Carl Friedrich Franz<br />

Wulfert (1791-1871 217 ) als Adjunkt (Hilfsprediger) beigegeben.<br />

Niemand konnte damals, wie Gudelius in seinem Wulfert-Aufsatz<br />

schreibt, “ahnen und voraussehen, daß diese Adjunktenzeit 28 Jahre<br />

dauern und der Sohn ein Gut Teil seines Lebens im Schatten <strong>des</strong><br />

Vaters würde stehen müssen” 218 . Jedenfalls wurde Wulfert Vater,<br />

der sich auch für den Bau hiesiger Schulen maßgeblich einsetzte<br />

(1805 Westig, 1828 erweitert, 1822 Frönsberg, 1846 Ohlschule<br />

Niederhemer) und zur Gründung der evangelischen Kirchenge-<br />

215 Vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte B1, Umfang der Kirchengemeinde und<br />

Parochialverhältnisse 1775-1916. Bezeichnenderweise unterschrieben die katholischen<br />

Deilinghofer diesen Umpfarrungsantrag - <strong>des</strong> Schreibens unkundig - fast<br />

alle mit drei Kreuzen...<br />

216 Vgl. zu ihm Bauks, S.573 Nr.7122.<br />

217 Vgl. zu ihm Bauks, S.573 Nr.7123<br />

218 Schl. 4/1971, S. 8.<br />

179


meinde Menden (1835) beitrug, ab 1821 zum Superintendenten der<br />

Kreissynode Iserlohn und 1824 zum Substituten <strong>des</strong> kränklichen<br />

Generalsuperintendenten und Synodalpräses Bädecker gewählt.<br />

Daß zwischen Basse in Deilinghofen und den Hemeraner Nachbarpfarrern<br />

Wulfert die ‘Chemie’ nicht besonders gut war, wird im<br />

folgenden etwa bei Deilinghofer Agendenstreit anklingen, wie es ja<br />

übrigens zum ‘Streit um Stephanopel’ oben auch schon erwähnt<br />

wurde 219 .<br />

Die verwaltungsmäßigen Änderungen und Reformen der nachnapoleonischen<br />

Zeit spiegeln sich auch deutlich im Deilinghofer<br />

Kirchenarchiv wider. Wir fügen hier drei instruktive Beispiele aus<br />

den 20er Jahren <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts an, die (1) die Schule, (2) das<br />

Presbyterium und (3) die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinde<br />

betreffen.<br />

219 Siehe oben, S.91. Übrigens bekommt Wulfert 1809 in der Franzosenzeit vom<br />

Maire (Bürgermeister) Hemers in einem amtlichen Bericht deutlich bessere Noten<br />

als sein Deilinghofer Amtsbruder Basse, wenn es da heißt: „Was das Benehmen<br />

der Geistlichen betrifft, so sind darüber keine Klagen, in<strong>des</strong>sen würde es gut<br />

sein, wenn der Herr Prediger Basse zu Deilinghofen sich weniger mit dem A-<br />

ckerbau beschäftigte, wozu ihn, wie er sagt, seine schlecht besoldete Pfarrei<br />

zwingt, um seine zahlreiche Familie zu unterhalten.<br />

Der Herr Prediger Wulfert gibt aber in allen und jeder Hinsicht ein Muster für<br />

Prediger ab, der nicht allein Humanität und Moralität mit Gelehrsamkeit verbindet,<br />

sondern auch als Staatsmann in Betracht kommen kann. Seine große Gemeinde<br />

war vor dem nicht gut besorgt und geriet in äußerste Verwirrung. Seit<br />

seines Daseins näherte sich Ordnung und gute Sitten und man hat Hoffnung, daß<br />

die alten Schäden bald nicht mehr zu fühlen sein werden“; zitiert nach: IlsaTreude/Friedhelm<br />

Treude, Der Raum Hemer unter französischer Fremdherrschaft. Die<br />

Mairie Hemer (= Die Fibel. Schriftenreihe der Heimat, Band 4), Hemer 1973,<br />

S.88. Von dem hier relativ ‘schlecht wegkommenden’ zu viel als Bauern sich<br />

betätigenden Basse gab es im Volksmund auch das Gerücht (z.B. von seinem<br />

Nachfahren Horst Bendrat uns erzählt), Pastor Basse habe auf dem Feld gearbeitet<br />

und habe während<strong>des</strong>sen seine Lotte ihm die Predigt schreiben lassen. Daran<br />

mag soviel stimmen, daß Lotte wirklich ihrem Mann geistig und geistlich ebenbürtig<br />

war. Aber der Eindruck, den man auch gewinnen könnte, daß mit Basse<br />

‘nicht viel los’ war, der stimmt ganz sicherlich nicht: Er hatte, wie unten zu zeigen<br />

ist, allerwichtigste Kontakte und Beziehungen - wie sie ein Wulfert sicherlich<br />

nicht aufweisen konnte...<br />

180


Ad (1): In seiner verdienstvollen Schulchronik hat Gerd Herchenröder<br />

leider eine ganz wichtige umfangreiche Akte nicht berücksichtigt.<br />

Sie behandelt Schulsachen von 1822 bis 1921, darunter ist<br />

aus der Basse-Zeit die “Acta Wegen der Schule zu Deilinghofen,<br />

1822” 220 Die wichtigste Neuerung findet sich dort am Anfang,<br />

nämlich eine vom Schulinspektor Florschütz am 15.Mai 1822 ausgefertigte<br />

Schulordnung für die heimische Dorfschule. Man liest<br />

dort:<br />

Ҥ.1.<br />

Die Schule zu Deilinghofen umfaßt die sämtliche Schuljugend der Evang. Gemeinde<br />

daselbst, so daß die Parochie zugleich auch der Schulbezirk ist.<br />

§.2.<br />

Alle Kinder in diesem Schulbezirke vom zurückgelegten 6 bis zum zurückgelegten<br />

14 Jahre sind schulpflichtig, und muß von denselben das Schulgeld entrichtet<br />

werden, sie mögen die Schule besuchen oder nicht.<br />

§.3.<br />

Die Aufsicht über die Schule führt zunächst der Schulvorstand. Er besteht aus<br />

dem Prediger als Präses, aus dem zeitlichen Kirchmeister und aus zwey Vorstehern,<br />

die auf zwey Jahre gewählt werden.”<br />

Die Paragraphen 4 und 5 regelten dann, wie der Schulvorstand zu arbeiten und zu<br />

kontrollieren hatte; der abschließende § 6 aber ist sehr interessant, auch für heutige<br />

Schulkinder:<br />

“Die festgesetzten öffentlichen Schulstunden sind vormittags von 9 bis 12 und<br />

nachmittags von 1 bis 4, ausgenommen mittwochs und sonnabends, wo nur vormittags<br />

Schule ist.<br />

Als eigentliche Schulferien werden bestimmt und festgesetzt 8 Tage in der Roggen<br />

und 8 Tage in der Kartoffel Ernte.”<br />

Direkt dahinter angehängt finden sich zwei umfangreiche Listen<br />

aus den Jahren 1824 und 1825 über den Schulbesuch der 166 bzw.<br />

158 schulpflichtigen Deilinghofer Kinder. Sie enthalten u.a. den<br />

Namen, das Alter, das Betragen und die Regelmäßigkeit <strong>des</strong> Schulbesuchs.<br />

Mit letzterem war es bei vielen nicht weit her: einige kamen<br />

gar nicht, die meisten wenig und nur sehr wenige regelmäßig.<br />

Daß erklärt auch, weshalb die große Kinderschar in einer Schule<br />

unterkommen konnte, die nur 90 Plätze hatte.<br />

220 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte F1, Verschiedenen Schulsachen.<br />

181


Um diese Schulbesuchs-Listen gab es 1829 noch einen interessanten<br />

Streit, der in der gleichen Akte dokumentiert ist: Während Lehrer<br />

Marcks nur die fehlenden Kinder der ärmeren Deilinghofer<br />

vermerken und melden wollte, setzte sich Basse beim Bürgermeister<br />

Wiesemann dafür ein, daß alle Kinder gemeldet werden sollten.<br />

Basse konnte Marcks’ Vorgehensweise - wie er betonte - nämlich<br />

nicht mit seinem Gewissen vereinbaren.<br />

Auch einen langen tagebuchartiger Bericht <strong>des</strong> ‘Schulpraktikanten’<br />

und Pfarrerssohnes cand.theol. Stephan Heinrich Wilhelm Basse,<br />

enthält diese Akte. In diesem Bericht wird auch eine Schulvisitation<br />

in Deilinghofen protokolliert. Die Arbeit <strong>des</strong> Pfarrersohns gibt aufs<br />

detaillierteste Auskunft über Schulpraxis und Schulalltag vor 170<br />

Jahren.<br />

Ad (2): Während über die früheren Sitzungen <strong>des</strong> Consistoriums<br />

in Deilinghofen keine geordneten Protokolle vorlagen, brachte unser<br />

Pfarrer Basse im Jahr 1817 Ordnung in die Sache, und es wurde<br />

ein Protokollbuch für das Presbyterium angeschafft; schon 1824<br />

wurde der Band 2 <strong>des</strong> Protokollbuchs begonnen 221 . Übrigens finden<br />

wir seit der Union von 1817 (siehe oben) in diesen Presbyteriumsprotokollen<br />

nach und nach die heute kirchlich gebräuchlichen Begriffe<br />

wie Presbyterium, Kreissynode und Superintendent.<br />

Die ersten Seiten <strong>des</strong> Buches von 1824 wurden durch viele neue<br />

Ordnungen gefüllt, die Basse in seiner fast unleserlichen Schrift<br />

niederzulegen hatte, so z.B. mit einem Entwurf zu einer Presbyterial-Ordnung,<br />

einer Kirchenvisitations-Ordnung und dem Plan zu<br />

einer Witwenversorgungsanstalt. Weiter folgen auf ca. 200 engbeschriebenen<br />

Seiten aufschlußreiche Sitzungsprotokolle sowie kirchliche<br />

Vorschriften und Abschriften von Synodalprotokollen. Könnte<br />

man Basses Schrift besser lesen, würde uns ein gutes Bild der<br />

presbyterialen Kleinarbeit bis zum Jahr 1836 vor Augen geführt.<br />

Wir belassen es dabei, aus diesem Buch zu zitieren, daß das Pres-<br />

221 Seit 1817 liegen bis heute alle Presbyteriumsprotokolle in Deilinghofen lückenlos<br />

vor.<br />

182


yterium „in Kirche, Pfarrhaus oder Schulstube zu tagen hatte, aber<br />

nie in einem Wirtshause“.<br />

Ad (3): Im Jahr 1829 wurde die evangelische Gemeinde Deilinghofen<br />

vom Landrat Peter Eberhard Müllensiefen aufgefordert, endlich<br />

ein Lagerbuch nach den inzwischen gültigen Normen anzufertigen.<br />

Dabei handelt es sich um ein genaues Verzeichnis <strong>des</strong> Kirchenvermögens<br />

und der kirchlichen Einkünfte. Man kam dem umgehend<br />

nach, fertigte einen Entwurf an und sandte ihn zur Genehmigung<br />

an den Landrat. Müllensiefen schickte eine Mängelliste zurück, die<br />

insofern interessant ist, als die dritte und vierte Seite für den Beginn<br />

einer Deilinghofer Chronik benutzt wurde 222<br />

Das Fragment enthält eine phantastische, sagenhafte Herleitung <strong>des</strong><br />

Ortsnamens Deilinghofen (von ‘drei Höfen’ her), eine relativ zutreffende<br />

Ausführung über mittelalterlichen Bergbau und Gewerbefleiß<br />

hier am Orte und eine Deutung der damaligen drei Bezeichnungen<br />

für das Felsenmeer (Helle, Graun und 3. - vermutlich 223<br />

Felsenmeer). Es ist bedauerlich, daß von dieser Chronik nur zwei<br />

Seiten zufällig erhalten blieben.<br />

Im Zusammenhang mit dem Lagerbuch von 1829 stand eine generelle<br />

Sortierung aller kirchlichen <strong>Unter</strong>lagen und Archivalien, die<br />

im gleichen Jahr zur Einrichtung <strong>des</strong> Kirchenarchivs in der heute<br />

noch bestehenden Form führte. Dazu ist aus dem Protokollbuch <strong>des</strong><br />

Presbyteriums unter dem 16.Juni 1829 zu lesen, daß die „schriftlichen<br />

Nachrichten und Dokumente der Gemeine ... in bester Ordnung<br />

im Archiv der Kirche niedergelegt“ waren und daß dafür „ein<br />

eigener Schrank in 24 Abtheilungen ... in diesem Jahre angeschafft“<br />

wurde 224 .)<br />

222 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte K4, Führung <strong>des</strong> Lagerbuches und Veränderungsnachweise,<br />

Bd.1 , hier: “Acta die Anfertigung und Fortführung <strong>des</strong> Lagerbuches<br />

der Gemeinde Deilinghofen betreffend“.<br />

223 Vgl. die entsprechenden Artikel im Hemeraner Lokalteil <strong>des</strong> IKZ vom 14. und<br />

16.Oktober 1993.<br />

224 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte G1, Protokollbuch <strong>des</strong> Presbyteriums 1824-<br />

1836, Bd. 2.<br />

183


Die theologisch wesentliche Neuerung in der Nach-Franzosenzeit<br />

ist hier am Schluß <strong>des</strong> Basse-Kapitels zu nennen: die Neueinführung<br />

der königlichen Agende und der daran sich entzündende A-<br />

gendenstreit in Deilinghofen. Eine ‘Agende’, das wissen kirchlich<br />

Eingeweihte, ist das Buch, das in evangelischen Kirchen die Gottesdienstordnung,<br />

die Liturgie <strong>des</strong> Gottesdienstes, enthält mit Eingangs-psalm,<br />

Gebeten, vorgeschriebenen Lesungen usw. für jeden<br />

Sonn- und Feiertag im Kirchenjahr. Wie nun in der Zeit vor Pastor<br />

Basse der evangelische Gottesdienst in Deilinghofen gestaltet worden<br />

war, wissen wir leider nicht. Eher schlicht und einfach dürfte er<br />

gewesen sein, so, wie der jeweilige Pfarrer es mochte oder konnte.<br />

Basse führte dazu aus 225 :<br />

„Ich habe beym Antritt meines Amtes keine Agende vorgefunden. Nach den<br />

Jahren 1804 habe ich mit unter die Schleswig=Holsteinische Kirchen=Agende<br />

vom Jahre 1797 gebraucht, jedoch nicht immer“.<br />

Aber genau dieser Ist-Zustand war nicht im Sinne <strong>des</strong> damaligen<br />

preußischen Königs Friedrich Wilhelm III 226 . Sein Ziel war es,<br />

kirchliche Dinge einheitlich zu ordnen, man könnte fast sagen als<br />

eine Art ‘preußischer Papst’, der - wie in der katholischen Kirche<br />

üblich - alles zentralisiert und ‘von oben her’ dirigiert. Ein erster<br />

Schritt in dieser Richtung war die oben angeführte Union von Lutheranern<br />

und Reformierten seit 1817. Sein anderer ‘Lieblingsplan’<br />

war die von ihm erlassene und selbstgestaltete Agende für einen<br />

einheitlichen besonders feierlichen Gottesdienst in ganz Preußen.<br />

Aber gerade diese Agende wurde im <strong>gesamten</strong> Land auf's heftigste<br />

befehdet, und das Stichwort ‘Agendenstreit’ gehört seitdem zum<br />

Standardwissen eines jeden Studenten, der sich mit preußischer<br />

Kirchengeschichte befaßt hat.<br />

225 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta die liturgische Angelegenheiten der Gemeinde<br />

Deilinghofen betreffend, No 44.“, entstammend aus dem Superintendentur-Archiv.<br />

226 Zu Friedrich Wilhelm III. und seinem Umgang mit Kirchenangelegenheiten<br />

im Gesamtrahmen seiner damaligen preußischen Politik vgl. Stamm-Kuhlmann.<br />

184


In dem renommierten Fachlexikon ‘Die Religion in Geschichte und<br />

Gegenwart’ liest man unter ‘Agendenstreit’ folgen<strong>des</strong> 227 :<br />

„Der A[gende]. hängt eng zusammen mit der Einführung der kirchlichen ... Union<br />

in Preußen, die nach dem Willen Friedrich Wilhelms III., angesichts der seit<br />

der Aufklärung verwilderten Verhältnisse, von einer Reform der Liturgie begleitet<br />

sein sollte. Sein auf straffe gottesdienstliche Ordnung gerichteter Sinn ertrug<br />

es nicht, daß ‘jeder unverständige Priester seine ungewaschenen Einfälle zu<br />

Markte bringt, modeln und ändern will, was die unsterblichen Reformatoren<br />

Luther und Melanchthon gemacht und angeordnet haben’. Was im Heer die Parade,<br />

das war ihm im Gottesdienst die Liturgie, deren Ordnung nach seiner Auffassung<br />

vom Kirchenregiment zu den Rechten <strong>des</strong> ev. Landsherrn gehöre. Aber<br />

schon die 1816 und 1817 aufgestellten Entwürfe erfuhren den lebhaftesten Widerspruch<br />

... Der Widerstand verstärkte sich, als der König durch Kabinettsordre<br />

vom 19.2.1822 die Verteilung der Weihnachten 1821 veröffentlichte 'Kirchenagende<br />

für die Königl. Preuß. Armee' an alle Geistlichen der Lan<strong>des</strong>kirche<br />

anordnete. Der Einspruch richtete sich u.a. gegen die Spendeformeln, sodann<br />

gegen den katholisierenden Gesamtcharakter der Agende, die Predigt und Gemeindegesang<br />

in den Hintergrund dränge. ... Der ausbrechende Streit wurde in<br />

einer großen Zahl von Flug- und Denkschriften ausgetragen. Der von so viel<br />

Widerspruch überraschte König griff selbst mit anonymen Flugschriften in den<br />

Kampf ein“.<br />

Während man im größeren östlichen Teil von Preußen die neue<br />

Agende weitgehend akzeptierte, lehnte man sie in unserer Gegend<br />

ab. Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, daß zur<br />

Annahme der Agende nur die Synoden und die einzelnen Pfarrer<br />

zuständig waren, nicht aber die Gemeinde.<br />

Die Deilinghofer ‘Spezialität’ im Agendenstreit war nun, daß hier<br />

Pfarrer Basse ein ‘Ja mit Einschränkungen’, ein ‘Jein’ zur königlichen<br />

Agende sagte. Die erste Umfrage wegen der Agende fand<br />

1822 statt. Basse schrieb später dazu 228 :<br />

„Schon bey der ersten Aufforderung durch den damaligen Kreis=Superintendenten<br />

Herrn Pastor Wulfert, hatte ich mich für die Annahme der berliner Agende<br />

erklärt, mit dem Zusatz: so weit die Ausführung derselben in hiesiger Gemeine<br />

thunlich sey“.<br />

227 K.Kupisch, Art. Agendenstreit, in: RGG III, 3.Auflage, (Sp.173f.), Sp.173.<br />

228 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta die liturgische Angelegenheiten der Gemeinde<br />

Deilinghofen betreffend, No 44.“, entstammend aus dem Superintendentur-Archiv.<br />

185


Wulfert, der Hemeraner Kollege, verwarf Basses Vorstellung und<br />

erklärte, daß es nur ein Ja oder Nein geben könnte, wofür Basse<br />

aber kein Verständnis zeigte 229 .<br />

Basse hatte - das war der Hintergrund seiner Position - überaus<br />

enge Beziehungen nach Potsdam. Der außer dem König wichtigste<br />

Mann in preußischen Agendenangelegenheiten, nämlich der Bischof<br />

Dr. Rulemann Friedrich Eylert (1770-1852) 230 , ein immerhin<br />

eines Lexikonartikels in ‘Religion in Geschichte und Gegenwart’<br />

gewürdigter Theologe und Kirchenpolitiker, war mit Basse persönlich<br />

befreundet. Der aus Hamm stammende Bischof Eylert besuchte<br />

Basse auch <strong>des</strong> öfteren in Deilinghofen, wobei meist der Anlaß<br />

war, daß Eylerts Ehefrau einen Besuch in ihrem Iserlohner Elternhaus<br />

machte. Bemerkenswert ist dabei durchaus, daß die Frau von<br />

Bischof Eylert, Friederike Löbbecke (1751-1854) Tochter jenes<br />

Johann Hermann Löbbecke war, der das von den Basses gepachtete<br />

Gut Berentrop 1786 übernommen hatte.<br />

Dieser mit unserem Basse befreundete Rulemann Friedrich Eylert<br />

war also mit einiger Sicherheit der bisher prominenteste Besucher<br />

<strong>des</strong> Alten Pastorats, dieses besonderen Hauses, das der Dümpelmann-Freund<br />

Johann Abraham Strauß Jahre zuvor zu seinem Segen<br />

besucht hatte, also der Vater <strong>des</strong> Oberhofpredigers Strauß, der<br />

mit Eylert in Potsdam eng verbunden war.<br />

Auf Eylert als Gewährsmann berief sich Basse gegenüber Wulfert,<br />

als Basse diesem entgegnete, „daß meine Erklärung wäre hinreichend<br />

gewesen“ 231 . Die Sache ruhte nun bis zum Jahre 1826, als<br />

sich das königliche Ministerium dann nicht mit Basses Modifikationen<br />

anfreunden konnte. Der damalige Superintendent Rauschen-<br />

229 Gleicher Fundort wie vorige Fußnote.<br />

230 K.Kupisch, Art. Eylert, in: RGG II, 3.Auflage, Sp.843f. Zu Eylert vgl. ferner:<br />

Bauks, S.125 Nr.1587, H.Heim, Aus dem Leben und Wirken <strong>des</strong> Bischofs Rulemann<br />

Friedrich Eylert, in: Der Märker, 13 (1964) S. 121-126, beonders aber die<br />

instruktive Darstellung bei: Stamm-Kuhlmann, S.444ff., S.477ff. u.ö.<br />

231 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta die liturgische Angelegenheiten der Gemeinde<br />

Deilinghofen betreffend, No 44“, hier Schreiben vom 12.September<br />

1825.<br />

186


usch aus Altena erhielt vom königlichen Consistorium in Münster<br />

die Aufforderung, einen Bericht über Basses Modifikation, sein o.g.<br />

‘Jein’, zu erstellen. Eylert höchstselbst schrieb aus Potsdam fast<br />

zeitgleich an Basse und informierte den Freund über den Bericht<br />

<strong>des</strong><br />

187


Rulemann Friedrich Eylert (1770-1852), Bischof , Königsberater und Basses Freund<br />

Consistoriums in Münster an die Regierung. Eylert widersprach in<br />

diesem Brief vom 11.April 1826 den Auffassungen Basses 232 :<br />

„Dabei muß nothwendig ein Mißverständniß obwalten, denn dergleichen schriftliche<br />

Verhandlungen haben zwischen uns nie statt gefunden; und wenn ich mich<br />

gleich erinnere, bei meiner letzten Anwesenheit im Vaterlande [gemeint ist: die<br />

Grafschaft Mark!], in Deiner Gegenwart gesagt zu haben: es komme bei der<br />

Einführung der neuen Kirchenagende, vorzüglich auf die Lehrweisheit <strong>des</strong> je<strong>des</strong>maligen<br />

Pfarrers an, so kann ich doch nimmermehr gesagt haben - es sei ihm<br />

gestattet die Agende unter willkürlichen Modificationen anzunehmen und einzuführen,<br />

weil dies dem ausdrücklichen Befehl S. Majestät <strong>des</strong> Königs zuwider,<br />

und nach meiner eigenen Überzeugung unstatthaft ist. - Ich muß Dich daher,<br />

mein lieber Freund, bitten, über die in Rede stehende seltsame Äußerung, der<br />

Hochehrwürdigen Conistorii zu Münster mit umgehender Post mir Auskunft zu<br />

geben, und zwar so, daß ich von Deinem Schreiben einen offiziellen Gebrauch<br />

machen kann. Im Voraus bin ich überzeugt, daß Du keine Unwahrheit hast sagen<br />

können, und bleibe ich mit herzlichen Empfehlungen an Dich und Deine liebe<br />

Frau<br />

Dein<br />

aufrichtiger Freund<br />

Dr. Eylert“.<br />

In diesem äußerst denkwürdigen Brief, einem der hochkarätigsten<br />

Dokumente in unserem Archiv, ging es also offensichtlich um einen<br />

seltsamen Eiertanz um die Wahrheit, wobei sich dem Betrach-<br />

232 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte H2, Agende und Gesangbuch, in: Acta H2,<br />

Agende und Gesangbuch 1822-1931. Darin: „Acta Die Annahme und Einführung<br />

der neuen Kirchen Agende zu Deilinghofen betreffend, 1825“.<br />

188


ter von außen der Eindruck nahelegt, daß Basses prominenter<br />

Freund in Potsdam ein wenig die Wahrheit zu seinen Gunsten hinbiegen<br />

wollte und - aus Staatsräson-Gründen - das in Abrede stellt,<br />

was zuvor vermutlich wirklich zwischen den Freunden besprochen<br />

worden war. Man könnte nach der Aktenlage unseres Archivs und<br />

besonders nach diesem Eylert-Brief auch begründet annehmen, daß<br />

der mit der Durchsetzung der Agende maßgebliche befaßte Bischof<br />

aus Potsdam mit dem ‘kleinen Landpfarrer’ Basse schon lange vor<br />

dem Bekanntwerden der Agende in unserem Alten Pastorat über<br />

höchst sensible Religionsplanungen <strong>des</strong> Königs diskutiert hatte.<br />

Dieser Brief ist in dem Sinne ein ganz faszinieren<strong>des</strong> Beispiel dafür,<br />

wie im<br />

Verhältnis von Basse und Eylert Informell-Persönliches ganz dicht<br />

mit höchst Politischem verbunden war. Eylerts in der Deilinghofer<br />

Angelegenheit sich zeigende Art, ‘sein Fell zu retten’, erinnert uns<br />

sehr an den einschlägigen Lexikonartikel über ihn, in dem sein Wesen<br />

so charakterisiert wird:<br />

„Seine geschmeidige und anpassungsfähige Natur, die eigene Konturen nicht<br />

aufwies und die Entscheidungen lieber im Kompromiß suchte, machte ihn zum<br />

Hofprälaten geeignet“ 233 Woanders heißt es von Basses Freund, daß „der<br />

schmiegsame und eitle Friedr. Eylert ... weder Tiefe der Bildung noch Festigkeit<br />

<strong>des</strong> Charakters genug besaß, den König recht zu beraten“ 234 .<br />

Vermutlich wäre im Blick auf Schmiegsamkeit und Geschmeidigkeit<br />

Basse aber nicht viel anders zu beschreiben. Das zeigte damals<br />

im April 1826 sein umgehen<strong>des</strong> Antwortschreiben an den Superintendenten<br />

Rauschenbusch. Er gab an, sich keine willkürlichen Modifikationen<br />

erlauben zu wollen und redete sich weiter damit heraus,<br />

seine Gemeinde hätte lediglich Schwierigkeiten bei der vorgeschriebenen<br />

Einrichtung eines vierstimmigen Chores. Mehr hätte er<br />

233 RGG II, Sp. 844.<br />

234 Horst Stephan/Hans Leube, Handbuch der Kirchengeschichte, 4.Teil, Die<br />

Neuzeit, 2.Auflage, Tübingen 1931, S.332. Vgl auch die gelegentliche Kritik <strong>des</strong><br />

‘Kirchenvaters <strong>des</strong> 19.Jahrhunderts’, Friedrich Daniel Schleiermachers, es hätte<br />

„der Eylert ein erbärmliches Geschwätze von der Kanzel gemacht“ und daraufhin<br />

habe der König „sich ... wieder ... sehr prostituiert“ (Zitation nach: Stamm-<br />

Kuhlmann, S.445).<br />

189


nie ändern wollen, und mehr hätte er mit Eylert zuvor auch nicht<br />

besprochen 235 .<br />

Am 21.Juni 1826 erklärte Basse 236 :<br />

„Sobald ich im Besitz der neuesten Agende bin, werde ich sie sofort einführen<br />

und bey Amtsverrichtungen gebrauchen“.<br />

Mit Post vom 9.September erhielt er aus Münster das gewünschte<br />

Agendenexemplar, und am 8.Oktober wurde in Deilinghofen die<br />

neue Agende eingeführt.<br />

Doch zuvor noch zeigte Dr. Eylert aus Potsdam dem Freund Basse<br />

seine Dankbarkeit (wobei wir es so deuten möchten, daß er dankbar<br />

war für Basses kleine Mogelei, daß dieser Eylerts ursprüngliche<br />

Stützung der Basseschen Modifikationen schließlich ‘heruntergespielt’<br />

hatte). Basse, der übrigens schon seit 1820 eine jährliche<br />

außerordentliche Gehaltszulage von 50 Talern erhalten hatte, bekam<br />

in einem Brief Eylerts vom 3.August 1826 237 in Anlage das<br />

königlich-preußische Bewilligungsschreiben über eine <strong>Unter</strong>stützung<br />

von 100 Talern. Aus dem amtlichen Schreiben geht nicht hervor,<br />

wofür das Geld gedacht war. Eylert aber in dem dazugehörigen<br />

persönlichen Brief an Basse nannte die ‘<strong>Unter</strong>stützung’ sinnigerweise<br />

„Gratification“ (!), und er selbst setzte in Klammern eine<br />

‘amtliche’ plausible Begründung hinzu: „Zur Fortsetzung der Studien<br />

Deines Sohnes“. In diesem Brief kündigte er an, den Freund<br />

Basse sehr bald besuchen zu wollen, und er schloß den Brief mit<br />

den warmen Worten: „Von Herzen Dein alter treuer Freund Eylert“,<br />

und er setzte unter das Datum an das Ende <strong>des</strong> Briefes ein<br />

kerniges „vivat Rex!“<br />

235 Brief Basses vom 26.4.1826 in: Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte H2, Agende<br />

und Gesangbuch, in: Akte H2, Agende und Gesangbuch 1822 - 1931, hier:<br />

„Acta Die Annahme und Einführung der neuen Kirchen Agende zu Deilinghofen<br />

betreffend, 1825“.<br />

236 Fundort wie in der vorigen Fußnote.<br />

237 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte E1, Pfarrstelle 1797-1885, hier: „Acta: Die<br />

Prediger Stelle zu Deilinghofen wie auch dem Prediger Basse bewilligte <strong>Unter</strong>stützung<br />

betreffend 1797“.<br />

190


Durch diesen Erfolg ermuntert (und vielleicht auch durch Dr. Eylerts<br />

dann - vermutlich - folgenden Besuch im Alten Pastorat bestärkt),<br />

versuchte Basse nach der Agendeneinführung am 8.Oktober<br />

1826 vollends die Gunst der Stunde zu nutzen und sein Wohlverhalten<br />

in ‘klingende Münze’ umzusetzen. Basse entwarf bereits am<br />

22.Oktober jenes Jahres ein vier Seiten umfassen<strong>des</strong> Gesuch, das er<br />

aber erst am 12. Februar 1827 238 an den preußischen König richtete.<br />

Es ging um die dringlich nötige Reparatur der Stephanuskirche, von<br />

der die Kosten auf 3000 Taler veranschlagt wurden. Basse bezeichnete<br />

die Stephanuskirche in dem Schreiben an den König als eine<br />

der ältesten Kirchen der Umgebung, noch aus dem 11.Jahrhundert<br />

stammend. Basses Bitte lautete dann:<br />

238<br />

Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte H2, Agende und Gesangbuch 1822-1831,<br />

hier: „ Acta die Annahme und Einführung der neuen Kirchen Agende zu Deilinghofen<br />

betreffend 1825“.<br />

191


Eylerts Brief vom 3. August 1826 an ‘seinen lieben Basse’ in Deilinghofen<br />

„Der hiesigen Gemeinde, die zum größten Theil arm ist, eine Kirchen= und Haus<br />

Collekte zu bewilligen, wenn auch nicht in der ganzen Monarchie, doch wenigstens<br />

in den Provinzen diesseits der Weser“.<br />

Basse berichtete dem König noch, wie die Agende eingeführt wurde<br />

und wie wertvoll und zweckmäßig sie wäre, wobei er die Begeisterung<br />

der Deilinghofer über die Agende in buntesten Farben<br />

schilderte, eine Darstellung, die, wie zu zeigen ist, mit den Tatsachen<br />

nicht sehr viel zu tun hatte.<br />

Während wir im Vorigen sozusagen ‘Pastor Carl Basses Agendenstreit’<br />

nachgezeichnet haben, seinen Weg von ‘Jein’ zum ‘Ja’ im<br />

Blick auf die Agende, ist nun auf den eigentlichen Deilinghofer<br />

Agendenstreit einzugehen.<br />

192


Am 20.Mai 1827 beschwerten sich 35 Deilinghofer ‘Eingesessene’<br />

(am 6.Juni folgten noch sieben weitere) beim Superintendenten und<br />

forderten die sofortige Einstellung <strong>des</strong> Gebrauches 239 :<br />

Sie „verlangten daß nach rein Lutherischen Lehrsätzen und Gebrauch so wie es<br />

von alten Zeiten her geschehen ist, gelehret und gepredigt werde so wie es dem<br />

Prediger in seiner Vocation vorgeschrieben ist und die Kinder auf das reine Lutherische<br />

Glaubensbekenntniß verpflichtet [werden], die Agende wollen wir nicht<br />

eher in unserer Kirche haben, bis daß ein Königs Befehl da ist, daß alle Gemeinen<br />

im Preußischen Lande sie annehmen müssen“. Praktisch alle Honoratioren<br />

und Alteingesessenen Deilinghofens unterschrieben diese Forderung.<br />

Ganz sicherlich sprach aus diesem Protest nicht bloß das Glaubensargument,<br />

bitteschön beim Althergebrachten zu bleiben, sondern<br />

auch sozusagen ‘die Kirche von unten’, die sich vom Alleingang<br />

ihres Pastors, der mit dem Potsdamer Hof so ‘gut konnte’, übergangen<br />

fühlte.<br />

Basses Verteidigung folgte am 7.Juni 1827 240 , wobei er sich geradezu<br />

in Rage schrieb und vor dem ‘Waschen schmutziger Wäsche’<br />

nicht zurückschreckte. U.a. warf er darin dem Küster und Schullehrer<br />

Marcks vor, dieser würde die Kirche nicht richtig sauberhalten,<br />

was sogar der Landrat Müllensiefen schon bemängelt hätte, und er<br />

pochte darauf, „daß ich Pfarrherr bin; daß ich das unveräußerliche<br />

Recht habe, nicht bloß die Erwachsenen, sondern auch die Jugend<br />

in der Kirche zu unterrichten“. Daß damals die ‘Chemie’ zwischen<br />

Lehrer und Pfarrer nicht gut war, sieht man daraus, daß der Schullehrer<br />

Marcks seinen am 8.Juli 1811 geborenen Sohn Gottfried<br />

Adolph Marcks 1827 aus dem genannten <strong>Unter</strong>richt nahm, was<br />

Basse zu einem bitterbösen Beschwerdebrief an den Lehrer veranlaßte<br />

241 . Das Fazit von Basses Entgegnung war, daß er im Blick auf<br />

die Agende bei seinem Standpunkt bleiben wollte, und zwar so<br />

239 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta die liturgische Angelegenheiten der Gemeinde<br />

Deilinghofen betreffend, No 44“. Superintendentenakte.<br />

240 Akte wie vorher. Hier schmutzige Wäsche 1827 - Erweckung 1827 in Ihmert,<br />

wozu Pastor Strauß sagte, daß die ‘Immen schwärmen’ (Schunke, S.127).<br />

241 Vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte G1, Protokollbücher <strong>des</strong> Presbyteriums,<br />

Bd.2, 1824-1836.<br />

193


lange, „bis mich unser geliebter König und Lan<strong>des</strong>vater davon<br />

dispensirt“.<br />

Am 24.Juni 1827 versuchte Carl Franz Friedrich Basse noch einmal,<br />

die Wogen zu glätten und sich zu rechtfertigen, nämlich in<br />

seiner großen öffentlichen Rede 242 , die wir im Anhangsteil dieses<br />

Heftes als Beilage 3 zugegeben haben und <strong>des</strong>halb hier nicht weiter<br />

charakterisieren müssen. Doch sie half nichts mehr. Drei Tage später,<br />

am 27.Juni 1827, fand eine Versammlung statt, an der der synodale<br />

Vorstand <strong>des</strong> Kirchenkreises, ferner Vertreter der streitbaren<br />

Agendengegner und eben Pfarrer Basse in Iserlohn über den<br />

Gebrauch der Agende in Deilinghofen verhandelten mit dem Ergebnis<br />

243 :<br />

„Der über die Einführung der Agende erhobene Streit, wurde nach langer und<br />

vielseitiger Beredung der Sache dahin befriedigt, daß der Herr Pfarrer Basse<br />

erklärte von künftigem Sonntag ab die Berl. Agende nicht weiter zu gebrauchen<br />

und den alten Kirchenritus wieder einzuführen“.<br />

Damit saß Basse zwischen allen Stühlen: von oben bekam er Druck<br />

vom König (und sicherlich auch von seinem Freund, <strong>des</strong>sen ‘Lieblingskind’<br />

genauso die Agende war), und von unten sah er der sich<br />

mit der ‘Gemeinde-Basis’ konfrontiert, die gegen ihren Pastor den<br />

Sieg davongetragen hatte.<br />

Irgendwann aber muß sich Basse dann doch wieder durchgerungen<br />

haben, seinem König zu folgen und die Agende zu gebrauchen, was<br />

zu einer riesengroßen Verbitterung in der Gemeinde führte, wie die<br />

Kirchenakten ausführlich belegen. Daß nicht nur Lehrer Marcks<br />

und seine Frau, sondern auch zwölf andere Elternpaare ihre Kinder<br />

aus diesem Grund 1828 sogar woanders konfirmieren lassen woll-<br />

242 Die Rede haben wir im Kirchenarchiv Deilinghofen zweimal: in Akte H2,<br />

Agende und Gesangbuch 1822-1831, hier: „ Acta die Annahme und Einführung<br />

der neuen Kirchen Agende zu Deilinghofen betreffend 1825“ und - 2. - in „Acta<br />

die liturgische Angelegenheiten der Gemeinde Deilinghofen betreffend, No 44.“,<br />

entstammend aus dem Superintendentur-Archiv.<br />

243 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta die liturgische Angelegenheiten der Gemeinde<br />

Deilinghofen betreffend, No 44.“, entstammend aus dem Superintendentur-Archiv.<br />

194


ten 244 , gehörte in diesem Gemein<strong>des</strong>kandal hinein. Während ‘von<br />

unten’ die Gemeinde mit Streik und Gewaltaktionen reagierte, war<br />

Basse natürlich auf der Seite der Stärkeren, die ihm ‘von oben her’<br />

außergewöhnliche finanzielle <strong>Unter</strong>stützungen zusagten und 1829<br />

auch gewährten. Wie überall in Preußen setzte sich auch hier am<br />

Ort die neue Agende <strong>des</strong> Königs durch, und vermutlich beruhigten<br />

sich die Gemüter allmählich - oder besser, wie wir zum Nachfolger<br />

Josephson sehen werden: vorübergehend etwas ...<br />

Doch in Deilinghofen wurde es für Basse niemals mehr, wie es<br />

vorher war. Der Amtsnachfolger August Limborg vermerkte in einer<br />

Ergänzung der Deilinghofer ‘Woeste-Chronik’ im Lagerbuch<br />

von 1841 zu Basses Situation aufgrund <strong>des</strong> Agendenstreits an diesem<br />

Ort Folgen<strong>des</strong> 245 :<br />

„Die Einführung der neuen Agende beim Gottesdienst in der guten Absicht, der<br />

dürftigen Gemeinde zur Reparatur ihrer verfallenen Institutengebäude eine <strong>Unter</strong>stützung<br />

aus Staatsmitteln zuzuwenden, verwickelte ihn in Streitigkeiten mit<br />

der Gemeinde, die von benachbarter Seite genährt einen so gehässigen Charakter<br />

annahmen, daß ihm Nachts die Gartenfrüchte zerstört wurden. Die sogenannten<br />

‘Kappsmäher’ mußten ihr Verbrechen mit Geld und Zuchthausstrafen büßen“,<br />

wobei in einer späteren Auflage dieser Chronik in den 50er Jahren dieses Jahrhunderts<br />

Lehrer Schauff den Text dahingehend interpretierte, daß die Streitigkeiten<br />

von der benachbarten Gemeinde in Hemer, von Pfarrer Wulfert, genährt wurden<br />

246 .<br />

244 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte H2, Agende und Gesangbuch 1822-1831,<br />

hier: „ Acta die Annahme und Einführung der neuen Kirchen Agende zu Deilinghofen<br />

betreffend 1825“.<br />

245 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte K3, Lagerbuch 1841.<br />

246 Schauff-Aktenordner (s.o. S.56f. A.3), Stück 2, S.5.<br />

195


Gearbeitet hat Pastor Basse in seiner Zeit <strong>des</strong> Streites (um 1829) auch noch:<br />

z.B. hat er das Edelhoff-Mädchen am 7.Juni 1829 in Deilinghofen konfirmiert...<br />

4. „Glück blüht nicht jeglichem ...“. Zu Pastor Basses letzten<br />

Jahren, seinem Tod und seinem Grabstein<br />

196


Unser Deilinghofer Kirchenarchiv gibt für die letzten vier Jahre der<br />

Basse-Zeit nicht allzu viel her. Das dürfte bedingt sein durch die<br />

genannten Streitigkeiten Basses mit Lehrer Marcks, der auch als<br />

Privatschreiber für Basse fungiert hatte und seine Tätigkeit nicht<br />

mehr so wahrnahm wie früher.<br />

Wir wissen aber, daß es in diesen Jahren zu einigen größeren Reparaturen<br />

am Kirchengebäude kam. Wir zitieren dazu aus den Akten<br />

von Lehrer Friedrich Schauff, die wir von Wilhelmine Eßbaum erhielten,<br />

einen Text aus den 20er Jahren dieses Jahrhunderts, in dem<br />

es nach einer damaligen Turmrenovierung um 1923 heißt:<br />

Bei der kürzlichen Abnahme <strong>des</strong> Wetterhahnes „fand man in dem sogenannten<br />

Turmknauf der Kugel eine Bleiplatte mit Inschriften aus dem Jahr 1833. Diese<br />

Inschriften beziehen sich auf die damals erfolgte durchgreifende Reparatur der<br />

Deilinghofer Kirche durch den Zimmermeister Johann Dietrich Ebberg daselbst.<br />

Aus der Zeit um 1833 ist noch Folgen<strong>des</strong> bekannt: ... [Es folgt ein langer Abschnitt<br />

über den Agendenstreit, der eine vorzeitige Reparatur ständig herausgeschoben<br />

hatte.] So verzögerte sich die Sache weiter bis zu dem Jahre 1831/32.<br />

Als nun nochmals eine neue Lokalrevision die ganze Kirche als der Auflösung<br />

nahe bezeichnete, drang die Aufsichtsbehörde auf eine durchgehende Reparatur.<br />

Die Arbeiten wurden in den Jahren 1832 und 1833 in Angriff genommen und<br />

vollendet. Die Instandsetzung, Abbruch <strong>des</strong> alten Kirchendaches und Herstellung<br />

eines neuen, ferner Abbruch <strong>des</strong> alten und Bau eines neuen Turmdaches und<br />

Reparatur am Mauerwerk <strong>des</strong> Turmes wurde zu 1145 Talern veranschlagt. Durch<br />

kommunale Umlage waren vorhanden 245 Taler. Der Rest von 900 Talern wurde<br />

von der damaligen Provinzialhilfskasse in Münster angeliehen, gegen eine Tilgung<br />

in 16 Jahren. Die Arbeiten wurden dem Zimmermeister Johann Dietrich<br />

Ebberg zu Deilinghofen übertragen, der sie für 1380 Taler insgesamt ausführt<br />

hat. Das Defizit von 235 Talern wurde durch kommunale Umlage aufgebracht.<br />

Diese Instandsetzung, durch die das Gebäude die heute Form erhalten hat [sic!!!],<br />

hat sich bis zur Gegenwart erhalten.<br />

Der Turm mußte, da das obere Mauerwerk durch das Eindringen <strong>des</strong> Regenwassers<br />

fast gänzlich zerstört war, damals - um einige Meter verkürzt werden“ 247 .<br />

247 Schauff-Aktenordner (s.o., S.56f. A.3), Stück 15, S.39; die spektakulär klingende<br />

Aussage von der früher viel höheren Stephanuskirche ist aber so neu gar<br />

nicht: Der Deilinghofer Pennäler Diedrich Heer kannte den oben zitierten Text<br />

1933 schon, und er zitierte die gesamte Passage in seiner Jahresarbeit: Heer,<br />

S.19f.<br />

197


Es handelt sich bei dem in diesem Zitat Beschriebenen um die<br />

größte für jedermann sichtbare ‘kirchliche Veränderung’ in Basses<br />

Zeit. Es muß dem alten und kranken Pastor Basse schwergefallen<br />

sein, diese Veränderung mitanzusehen und wahrscheinlich gar nicht<br />

mehr viel Einfluß darauf gehabt zu haben. Die Reparatur war nichts<br />

anderes als ein Notprogramm, das von Basses einstigen Renovierungsträumen<br />

248 weit entfernt war.<br />

Noch heute fallen dem aufmerksamen Betrachter die unausgewogenen<br />

Proportionen <strong>des</strong> Kirchengebäu<strong>des</strong> auf. Vergleiche mit Höhenangaben<br />

vom Turm und vom Kirchendach aus der ältesten Kirchenbeschreibung<br />

im Lagerbuch von 1829, ergeben, daß heute die<br />

Kirchturmspitze sage und schreibe zehn Meter niedriger ist als damals<br />

und daß das eigentliche Kirchendach heute etwa fünf Meter<br />

niedriger ist. Es ist auch fraglich, ob damals schon, wie das heute<br />

der Fall ist, das Dach über dem Kirchenschiff genauso hoch war<br />

wie das Dach über dem Chor. Wir nehmen an, daß das Chordach<br />

damals die heutige Höhe bereits hatte und der Rest der Kirche eben<br />

jene fünf Meter höher war. Der bemerkenswerte eben zitierte Text<br />

aus den Schauff-Akten wirft für uns freilich eine Frage der historischen<br />

Datierung auf: Laut dem damaligen Protokollbuch <strong>des</strong> Presbyteriums<br />

lassen sich Reparaturarbeiten nur für 1830 belegen und<br />

auch Limborg ergänzt Woestes Deilinghofer Kirchenchronik zu<br />

diesem Punkt mit dem gleichen Jahr 1830 249 .<br />

Über tatsächliche Reparaturarbeiten haben wir erst für das Jahr<br />

1832 einen Aktenbeleg gefunden. Basse führt aus, daß Anfang Juli<br />

1832 mit dem Abbruch <strong>des</strong> Kirchendaches begonnen wurde. Danach<br />

erneuerte man den Dachstuhl, und der Schieferdecker „Joh.<br />

Rau schlug [am 22.September] den ersten Nagel: das Werk ging<br />

rasch von Statte“ 250 .<br />

248 Vgl. oben, S.161f. A.187.<br />

249 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte G1, Bd. II, Protokollbuch <strong>des</strong> Presbyteriums<br />

1824-1836.<br />

250 In Basses Notizen am Ende <strong>des</strong> Sterberegisters <strong>des</strong> Kirchenbuchs von 1781-<br />

1818.<br />

198


Daß dann 1833, jenes Jahr, das im Turmknauf <strong>des</strong> Wetterhahns auf<br />

der Bleiplatte eingraviert sein soll (man müßte mal nachgucken, ob<br />

1833 noch darinsteht ...), den absolut letzten Reparaturabschluß mit<br />

Draufsetzen <strong>des</strong> neu vergoldeten Hahnes, markiert, ist anzunehmen.<br />

Das gesamte Renovierungsprogramm, die Kirche so ‘tieferzulegen’,<br />

zog sich über drei Jahre von 1830 bis 1833 hin; aus dem Jahre<br />

1833 jedenfalls haben wir ein Zeugnis 251 ,<br />

„daß sie [die Deilinghofer Gemeinde] jetzt mit dem Neubau <strong>des</strong> Thurmes daselbst<br />

belästiget ist“.<br />

Wie aus den Akten <strong>des</strong> Deilinghofer Kirchenarchivs zu ersehen ist,<br />

muß unser Pastor Basse schon seit Ende der 20er Jahre unter einem<br />

sich ständig verschlechternden Gesundheitszustand gelitten haben.<br />

Am 4.Mai 1833 schreibt dazu der Superintendent Hülsemann 252 ,<br />

daß<br />

„nach dem beiliegenden Zeugnisse ... seine Engbrüstigkeit seit zwei Jahren zunahm<br />

und er in diesem Jahre nicht mehr im Stande war, alle seine Amtsgeschäfte<br />

zu versehen“ und fährt fort: “allein mehrere Besuche, die ich dem kranken Bruder<br />

machte, überzeugten mich, daß seine Krankheit zugenommen" habe und daß<br />

er „aller Wahrscheinlichkeit nach das Ende dieses Jahres nicht erleben wird“.<br />

Interessant ist, daß diese Krankheit sich just - wie Hülsemann hier<br />

schrieb - 1831 bereits verschlechtert hatte, in dem Jahr, als Basse<br />

(wie bereits erwähnt) seinen Sohn als Pfarrer nach Erntebrück ziehen<br />

lassen mußte, den er vielleicht im Stillen als einen Nachfolger<br />

erhofft hatte.<br />

Aus einem Schreiben vom 9.Mai 1832 geht hervor, daß Basse bereits<br />

bettlägerig war. Eine schon damals angestrebte Pensionierung<br />

auf Gemeindekosten scheiterte an der Armut der Gemeinde, weswegen<br />

ein langwieriges Verfahren betrieben wurde, daß der König<br />

die Kosten zahlen möchte. In dieser Zeit schon wurde in jenem<br />

Schreiben die Nachfolgefrage gestellt (was freilich Basses Pensionierung<br />

zur Voraussetzung hatte), und auch der Name <strong>des</strong> Kandidaten<br />

Josephson tauchte hier das erste Mal auf: daß damals bereits<br />

251 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a.<br />

252 Gleiche Akte wie vorige Fußnote.<br />

199


„der Candidat Josephson ... den Pfarrer Basse in Deilinghofen unterstützt“<br />

hat! Es handelte sich um jenen Carl Ludwig Josephson<br />

(1711-1788), der später als 13.Pfarrer nach der Reformation in Deilinghofen<br />

gewählt wurde und dann aber nicht bestätigt, wie im letzten<br />

Kapitel dieses Heftes auszuführen sein wird.<br />

In seinem kurz vor dem Tode geschriebenen Lebenslauf liest man<br />

sogar, daß der sehr gebrechliche Gemeindepfarrer Basse in den<br />

letzten Jahren vom Alten Pastorat in die Stephanuskirche gefahren<br />

werden mußte 253 , wo er bis zum letzten auch noch versuchte, Gottesdienst<br />

zu halten und für seine Gemeinde dazusein. So schrieb er<br />

in seinem Pensionierungsantrag vom 8.April 1833 wenige Tage vor<br />

seinem Tod folgen<strong>des</strong>:<br />

„Die äußeren Umstände, in welchen ich mich befinde, ... haben sich nicht mehr<br />

geändert - aber die Last <strong>des</strong> Alters ist mir schwer geworden, seitdem ... zunehmende<br />

Engbrüstigkeit mich an das Haus - wohl an das Bett gefesselt und mir<br />

schon seit einigen Wochen die Kanzel verboten wird. Ich muß auch ungern freilich,<br />

das Band zwischen mir und der Gemeinde lösen das mir 36jährige Gemeinschaft<br />

meiner Herzen theuer und werth machte“; der todkranke Basse bat in diesem<br />

Brief weiter um Regelung der Finanzen nach der Pensionierung und „daß der<br />

Herr meine Wünsche erhören werde, mir einen treuen Nachfolger zu geben“.<br />

Das Interessanteste an diesem Gesuch vom 8.April 1833 aber ist,<br />

womit der sieche Pastor Basse seinen Brief einleitet:<br />

„Hochwohlgeborener Freiherr!<br />

Hochgebietender Herr Oberpräsident!<br />

Ew. Excellenz lege ich nachstehende Bitte mit dem Vertrauen vor, welches mir<br />

die Erinnerung an Ehrw. freundliche Gewogenheit der ich schon so Vieles verdanke,<br />

einflößt“, und zu dieser Gewogenheit gehörte es, daß jenem Freiherrn die<br />

oben erwähnten äußeren Umstände bestens bekannt waren, denn dazu lesen wir<br />

in Basses Brief weiter: diese „habe ich Ew. Excellenz schon vor mehreren Jahren,<br />

als ich mich Pfarrhause Ihrer Gegenwart erfreuen durfte, vorzutragen die<br />

Ehre gehabt“ 254 .<br />

Adressat dieses Briefes ist kein Geringerer als der bedeutende<br />

Mann, nach dem die Vincke-Straße in Iserlohns Fußgängerzone<br />

(und die Westiger Straße am Stadtrand von Iserlohn) benannt ist:<br />

253 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a., hier: Lebenslauf vom 27.März 1833.<br />

254 Gleiche Akte.wie vorher, hier: Schreiben vom 8.April 1833.<br />

200


der Oberpräsident der Provinz Westfalen Freiherr Ludwig von Vincke<br />

(1774-1844), der also auch höchstselbst im Deilinghofer Alten<br />

Pastorat, <strong>des</strong>sen Geschichte wir hier beschreiben, zugegen gewesen<br />

war. Freiherr von Vincke, mit dem übrigens auch Pastor Johann<br />

Abraham Strauß in Iserlohn besten Kontakt hatte und der wie<br />

Strauß den westfälischen Bauernkittel bewußt als eine Art Markenzeichen<br />

trug, darf sich nun mit Bischof Eylert darum streiten, wer<br />

der prominenteste Mann war, der seinen Fuß über die Schwelle <strong>des</strong><br />

Alten Pastorats setzte (das - nur am Rande bemerkt - in diesem<br />

Brief zum ersten Mal mit dem Begriff „Pfarrhaus“ bezeichnet wird,<br />

soweit wir sehen).<br />

Allen Pensionierungsbemühungen Basses machte schließlich sehr<br />

bald der Tod ein Ende. Am To<strong>des</strong>tag, dem 25.Mai 1833, teilte der<br />

Helfer, Kandidat Carl Ludwig Josephson, dem Superintendenten<br />

mit:<br />

„Mit wenigen Worten erfülle ich die traurige Pflicht, Ihnen den diesen Morgen<br />

drei Uhr erfolgten Tod <strong>des</strong> geliebten Pastors Basse zu melden. Schon seit einigen<br />

Tagen waren wir auf denselben vorbereitet, da das Wasser bereits bis in den<br />

Kopf gestiegen war. Sein Ende war übrigens ruhig und ohne Leiden, wofür wir<br />

dem Herrn nicht genug danken können. Gelobet sei sein großer Name! Das Leichenbegräbnis<br />

ist auf Pfingsten Montag Nachmittag 2 - 3 Uhr festgesetzt“ 255 .<br />

Basses bemerkenswerte Witwe Charlotte beschrieb das gleiche<br />

Ereignis und den vorangegangenen Leidensmonat aus ihrer Sicht<br />

so:<br />

„Den 29ten April 1833 besuchte uns auf Verlangen <strong>des</strong> Vaters unser Sohn, der<br />

Pfarrer zu Erdtebrück, nebst unserm kleinen Sohn Eduard. Sie fanden den Vater<br />

sehr krank, und wir trauerten gemeinschaftlich <strong>des</strong> kranken Vaters. Am 4ten Mai<br />

reichte uns unser Sohn auf Verlangenen <strong>des</strong> Vaters gemeinschaftlich, nemlich<br />

Vater, Mutter, Carl, Ludwig und Heinrich selbst, das heilige Abendmahl, wobei<br />

de Vater ganz sich bewußt und ruhig und heiter war. Beim Anfang dieser Handlung<br />

war der Sohn so angegriffen, daß er eine Viertelstunde nötig hattr, um sich<br />

zu fassen, wobei er unter lautem Schluchzen und weinen zubrachte. Hierauf ging<br />

es ganz gut, und ohne <strong>Unter</strong>brechung stramm und feierlich von statten. Den 8ten<br />

Mai reisten die beiden Söhne wieder ab, mit schwerem Herzen eingedenk <strong>des</strong><br />

kranken Vaters. Bis den 22ten trug sich nichts bemerkenswertes zu, bis dahin<br />

255 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a.<br />

201


hatte sich der Zusatnd <strong>des</strong> Vaters so wieder gebessert, daß er mit Hülfe auf die<br />

Treppe ging, wo er dann gewöhnlich eine Stunde saß und sich <strong>des</strong> Frühlings<br />

freute. Wir sind die meisten Nächte bei ihm gewesen, er war bei seinen gänzlich<br />

schlaflosen Nächten höchst geduldig und ließ uns gern schlafen. Den 22ten verschlechterte<br />

sich sein Zustand merklich, die Geschwulst zog sich immer höher,<br />

und er konnte nicht mehr aufstehen, wir ahnten den schlimmen Zustand, er behauptete,<br />

es sei besser mit ihm. Am 23ten wurde der Vater immer schwächer, die<br />

Stimme verließ ihn gänzlich.Den 24ten, war sein letztes Wort, was ich im ganzen<br />

von ihm gehört habe, auf meine Frage, wie er sich befinde, gut! Er soll noch<br />

später zwei mal meinen Namen genannt haben, außerdem lag er ohne besondere<br />

Besinnung schlummernd. Den 25ten Mai Morgens, 3-4 Uhr verschied er ruhig<br />

und sanft in meinen Armen. Wie er sein ganzes Bestreben auf das Wohl seiner<br />

Kinder gerichtet hat, weiß jeder. Wir, die Hinterbliebenen, ehren sein Andenken,<br />

und noch spätere Enkel haben Ursache, den Tod <strong>des</strong> Biedermannes zu betrauern“<br />

256 .<br />

Der Pfingstmontag <strong>des</strong> Begräbnisses von Basse war der 27.Mai<br />

1833. Wulfert sen. aus Hemer hielt die Leichenpredigt, Pastor Ludwig<br />

Hülsmann aus Iserlohn (dort später dann 1848 Superintendent),<br />

übrigens ein guter Freund der Familie Basse, hielt dann die Grabrede,<br />

und sein ‘Beinahe-Namensvetter’, der derzeit amtierende Superintendent<br />

Peter Melchior Wilhelm Hülsemann aus Elsey sprach am<br />

Ende wohl auch noch einige Worte am Grab, wie aus einem Zirkularschreiben,<br />

das sich im Deilinghofer Kirchenarchiv befindet, hervorgeht<br />

257 .<br />

Es muß eine große Beerdigung gewesen sein, für die sich sogar<br />

noch die Kirchengemeinde einige Tage vorher noch in Unkosten<br />

gestürzt hatte: „Es wurde noch beschlossen, daß ein neues schwarzes<br />

Leichentuch, welches bei Begräbnissen über die Särge gelegt<br />

wird, angeschafft werden solle“, liest man zum 4.Mai 1833 im Protokollbuch<br />

<strong>des</strong> Presbyteriums, im Blick auf eine Sitzung übrigens,<br />

die Basses Sohn, der Pfarrer aus Erndtebrück leitete!<br />

Carl Franz Friedrich Basse wurde auf dem Friedhof an der Stephanuskirche<br />

beerdigt. Da ist der Grabstein heute noch an der<br />

Kirchhofsmauer (neben dem Grabstein Pastor Limborgs) zu finden.<br />

256 Zitiert nach: Bendrat, S.14f.<br />

257 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a.<br />

202


Ganz falsch ist das früher oft zu hörende böse Wort, daß in Deilinghofen<br />

noch kein Pastor beerdigt wurde. Nach dem, der vor Basse<br />

als Amtsvorgänger in Deilinghofen starb und in der Kirche beerdigt<br />

wurde, nämlich Pastor Dümpelmann, war Basse der erste Pfarrer,<br />

der in Deilinghofen nicht mehr in der Kirche, sondern auf dem<br />

Friedhof an der Kirche beerdigt werden mußte. Grund für diese<br />

Änderung war ein Beerdigungsverbot innerhalb von Kirchen durch<br />

die preußische Regierung in den 90er Jahren <strong>des</strong> 18.Jahrhunderts.<br />

Bis dahin muß es in Deilinghofen Recht und Usus gewesen sein,<br />

daß die hier gestorbenen Pastoren (wie die Adeligen) in der Kirche<br />

beerdigt wurden (denn nach dem Grabstättenverzeichnis hatten die<br />

in Deilinghofen gestorbenen Pastoren Mollerus I und II - im Gegensatz<br />

zu ihrem Verwandten, Küster Mollerus - keine Grabstätte<br />

.Von Basses Ehefrau Lotte, die bis in die Zeit Limborgs hinein 258<br />

prägende Spuren in der hiesigen Gemeindearbeit hinterließ und<br />

besonders auch - wie zu zeigen ist- den Kandidaten Carl Ludwig<br />

Josephson als ausersehenen Nachfolger ihres Mannes unterstützte,<br />

haben wir (über ihre eben zitierten Worte zum Sterben Basses hin-<br />

258 Nach dem Tod Charlotte Basses im Jahr 1857 hielt Pastor August Limborg für<br />

sie die Trauerrede und führte zum früheren Wirken ihres Ehemannes dabei sehr<br />

Bemerkenswertes aus: „Aber wie es vielfach das Loos der Treuen und Frommen<br />

ist, daß ihr Herz verkannt und ihre heilsbringenden Bemühungen nicht verstanden<br />

werden und gemißdeutet werden und erst die spätere, ruhigere und leidenschaftslosere<br />

Nachwelt ihnen die Anerkennung darbringt, die die Gegenwart und<br />

Mitwelt ihnen versagte, so ging es dem würdig heimgegangen Seelsorger dieser<br />

Gemeinde. Unwissenheit und Beschränktheit, Vorurtheil und falscher Glaubenseifer<br />

boten einseitigen und leidenschaftlichen Bestrebungen, die mehr von<br />

außen in die Gemeinde gepflanzt als in ihr sebst entstanden waren, die Gelegenheit,<br />

ein jahrzehntelanges gesegnetes Wirken ihres würdigen und gewissenhaften<br />

Seelsorgers zu verdächtigen und den Samen der Zwietracht in die Gemeinde zu<br />

streuen, der reichlich aufging und um sich wucherte und die letzten Lebensjahre<br />

<strong>des</strong> Seligen trübte und verbitterte. Hier aber war es, wo die Entschlafene ihrem<br />

Gatten als die treue Gehülfin, als die christliche Lebensgefährtin, berufen, in den<br />

trüben Stunden <strong>des</strong> Lebens, beruhigend und erheiternd ihm zur Seite zu stehen,<br />

sich bemühte. Ihr frommer und glaubensstarker Sinn und die stille Heiterkeit <strong>des</strong><br />

Gemüthes richtete den Gatten auf in jenen Tagen schwerer Heimsuchung“ (zitiert<br />

nach: Bendrat, S.13).<br />

203


aus) einen weiteren eindrucksvollen Kommentar zum Leben und<br />

Sterben ihres Mannes. Es ist der recht ungewöhnliche und überaus<br />

nachdenkswerte Text auf dem Basseschen Grabstein, den Lotte<br />

wohl verfaßte, und den man bis heute dort an der Kirchhofsmauer<br />

lesen kann:<br />

„C. F. F. BASSE<br />

gebo. in Altena d. 14. Septbr.<br />

1767 gest. d. 25. Mai 1833.<br />

Hier Pfarrer vom 27.<br />

Juli 1797 bis an sein Ende.<br />

Wer in den Tagen der Zukunft<br />

den Friedhof besuchend <strong>des</strong> Todten<br />

gedenket bei diesem einfachen<br />

Stein, dem diene zur Nachricht:<br />

Glück blühet nicht<br />

jeglichem, doch droben, wo guter<br />

Wille für That gilt, da wird<br />

er als Saat erblühen und reifen.“<br />

204


205


Charlotte Basse, hier nun als alte Frau und Pfarrerswitwe.<br />

„Lotte“, im spannungsreichen Jahr 1834 (nächstes Kapitel) Parteigängerin <strong>des</strong> jungen<br />

Josephson, hat bis noch in Pastor Limborgs Zeiten in Deilinghofen Spuren hinterlassen<br />

(Gründung <strong>des</strong> ‘Frauen-Enthaltsamkeitsvereins).<br />

IV. Carl Ludwig Josephson (1811-1888) - als Pfarrer in Deilinghofen<br />

1834 gewählt, aber nicht angenommen. Der verhinderte<br />

hiesige Pastor, der dann in den Kerker mußte...<br />

1. Carl Ludwig Josephson - Zur Geschichte seiner Herkunftsfamilie<br />

und zu seiner Zeit vor Deilinghofen<br />

In Hennen fing diese Geschichte 259 an. Dem Juden Joseph Meyer<br />

aus Hennen (das war Carl Ludwig Josephsons Großvater) wurden<br />

in den Jahren 1766 und 1773 zwei Söhne geboren, die gemeinsam<br />

später als Kaufleute in Unna ‘Karriere machten’; beide Söhne <strong>des</strong><br />

Juden Joseph Meyer nannten sich beziehungsreich Josephson,<br />

‘Söh-ne <strong>des</strong> Joseph’: Simon und Aron hießen sie mit Vornamen.<br />

Dort in Unna gab es am 31.August 1805 dann eine sehr aufsehenerregende<br />

und ganz ungewöhnliche Taufe: Die ganze Sippe Josephson<br />

hatte dort als Taufvorbereitung Katechumenenunterricht genommen.<br />

Sie wollten Christen werden, und am 31.August 1805<br />

wurde der 39jährige Kaufmann Simon Josephson christlich getauft;<br />

er nannte sich seit der Taufe Gustav Simon Josephson. Ebenso<br />

wurde seine Ehefrau Frommette geb. Levi an diesem Tag durch die<br />

Taufe in die christliche Gemeinde aufgenommen; sie nannte sich<br />

von da an Juliane Frederice Josephson. Desgleichen wurde bei<br />

dieser Taufe auch der genannte sieben Jahre jüngere Bruder Aron<br />

Josephson Christ und hieß von da an Carl Aron Josephson; auch<br />

Carl Aron Josephsons Frau, Rosette geb. Simon, ließ sich am gleichen<br />

Tag christlich taufen. Doch das war noch nicht alles: Dieser<br />

259 Die wichtigsten Informationen dieses <strong>Unter</strong>abschnitts entnehmen wir dem<br />

schönen Aufsatz: Willy Timm, Unnaer Judentaufen zu Beginn <strong>des</strong> 19. Jahrhunderts,<br />

in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 84 (1990), S. 227-233 (im<br />

folgenden mit Timm zitiert).<br />

206


jüngere Bruder Carl Aron und seine Frau hatten zwei Töchter, Caroline<br />

und Fanny, die ebenfalls an jenem Tag getauft wurden, während<br />

der ältere Bruder, Gustav Simon, mit seiner Frau an diesem<br />

Riesen-Tauftag in Unna sogar vier Töchter - Juliane, Jeanette,<br />

Francisca und Charlotte - sowie den gerade einen Monat alten<br />

kleinen Sohn Gustav zur Taufe brachte. Elf Taufen in einem Gottesdienst!<br />

Pastor Wilhelm Krupp in Unna hatte Hochbetrieb!<br />

Doch diese Judentaufe in Unna wirbelte riesigen Staub auf. Schon<br />

einen Monat nach der Taufe erhielten alle Josephsons das Bürgerrecht<br />

in Unna, ein Recht, das damals Juden nämlich vorenthalten<br />

war. Und die Gerüchteküche in Unna brodelte wie wild! Da nur<br />

richtige ‘Bürger’ in der Stadt Grundeigentum z.B. erwerben konnten,<br />

haben Unnas ‘Poahlbürger’ den Sinneswandel der Familie Josephson<br />

in Zweifel ziehen wollen. Ihnen war anscheinend klar, was<br />

der wirkliche Grund <strong>des</strong> Übertritts war: wirtschaftliche Motive natürlich,<br />

so meinten die Leute in Unna...<br />

Doch Zeitungsleser wissen mehr, und am 22.September jenes Jahres<br />

1805 - einen Tag nachdem die Josephsons den Bürgereid geleistet<br />

hatten - kam es an den Tag. Eine große Erklärung <strong>des</strong> Ortspfarrers<br />

Krupp 260 wurde da in der Unnaer Lokalzeitung ‘Westphälischer<br />

Anzeiger’ veröffentlicht. Über seine Erklärung hatte der Pfarrer<br />

zwei Bibelstellen gesetzt: ‘Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet<br />

werdet’ (Matth.7,1f. aus der Bergpredigt) und das Pauluswort<br />

Röm. 14,4: ‘Wer bist du, daß du einen fremden Knecht richtest?’.<br />

Jener wichtige Zeitungsartikel soll hier in voller Länge zitiert<br />

werden:<br />

„Daß die Herren Gebrüder Josephson hieselbst mit ihren Ehegattinnen und Kindern<br />

- zusammen 11 an der Zahl - am Ende <strong>des</strong> vorigen Monaths förmlich zum<br />

Christenthum übergetreten sind, ist in unserer Gegend weit und breit, hin und her<br />

so häufig herumerzählt worden, daß ich eine öffentliche Anzeige über diesen,<br />

obgleich in unserer Gegend seltenen Vorfall für überflüßig erachte und auch<br />

umso lieber zurückhielt, damit man uns Christen nur ja nicht <strong>des</strong> elenden und<br />

260 Nach Bauks, S.280 Nr.3521 müßte es Wilhelm Christoph Georg Theodor<br />

Krupp (1761-1811) gewesen sein, der von 1785 an dort die erste Pfarrstelle innehatte.<br />

207


kleinlichen Gedankens beschuldigte, als wenn wir in dergleichen Acquisition<br />

überhaupt eine Art von Triumph setzten. Da ich aber jetzt hören muß, daß manche,<br />

zur empfindlichsten Kränkung dieser Familie, so dreist und laut über diesen<br />

ihren Schritt absprechen, als wenn es ausgemacht wäre, daß sie ihn aus unlauteren<br />

Absichten gethan hätten, so halte ich mich verpflichtet, zur Ehre dieser Familie<br />

- die sich mir in dieser so wichtigen Angelegenheit ihres Lebens anvertrauten -<br />

und zum Theil auch selbst zur Ehre der Menschennatur hiemit öffentlich, und<br />

zwar auf Amt und Pflicht, zu bezeugen: Ich war auch, als sie sich mir zuerst entdeckten,<br />

über ihre Absichten, die sie leiteten, vorab ungewiß; aber nach den sorgfältig<br />

und auf mancherley Art mit ihnen angestellten <strong>Unter</strong>suchungen habe ich<br />

mich, soweit es in solchen Fällen möglich ist, überzeugt, daß sie diesen wichtigen<br />

Schritt nicht aus unlauteren Nebenabsichten gethan haben. Nach den besonderen<br />

Datis, die sie mir anführten, haben sie dabey mehr zeitlichen Verlust als Vortheil<br />

zu erwarten. Ihr Schritt war nicht das Werk eines augenblicklichen Einfalls, sondern<br />

einer langjährigen Prüfung und Ueberlegung, ob sie gleich gegründete wichtige<br />

Ursachen hatten, ihr Vorhaben bis zu dem Tage, wo sie getauft wurden, zu<br />

verheimlichen. Mit Bedachtsamkeit hatten sie schon vorher mehrere wichtige<br />

Schriften, die sie hierbey leiten konnten, z.B. Reinhardts Versuch über den Plan<br />

Jesu etc. etc. gelesen und geprüft. Bey den häufig mit ihnen angestellten umständlichen<br />

<strong>Unter</strong>redungen zeigten sie nicht allein ein prüfen<strong>des</strong> Nachdenken,<br />

sondern auch ein so offenes reges Gefühl für Wahrheit, daß mir oft selbst die<br />

Thränen in die Augen traten, wenn ich sah, wie ihnen bey der simplen Erzählung<br />

von den Lehren und Thaten unsers Erlösers Thränen der Freude und der Rührung<br />

aus den Augen quollen. Sie zeigten bey der Taufhandlung einen Ernst und eine<br />

Rührung, die jedem Anwesenden tief ins Herz griff. Noch jetzt hören sie nicht<br />

auf zu lesen, zu forschen; besuchen so gern und mit wahrer Theilnehmung <strong>des</strong><br />

Herzens den öffentlichen Gottesdienst, fragen mich noch immer so gern nach<br />

allem, was ihnen noch nicht ganz hell ist, und zeigen noch überall, daß es ihnen<br />

mit dieser heiligen Sache heiliger Ernst war und ist. - Und über diese Menschen<br />

und über ihren gethanen Schritt wagt man es, so dreist und zuversichtlich blindweg,<br />

bloß auf allgemeine Muthmaßungen hin abzusprechen? - Denkt man denn<br />

nicht daran, wie tief man ein fühlen<strong>des</strong> Herz dadurch kränkt? Fühlt man denn<br />

nicht, wie wenig man sich selbst und seine Religion durch solche voreilige harte<br />

Urtheile ehrt und empfiehlt?“ 261<br />

261 Timm, S.229 f.<br />

208


Diese Taufe aber zog Kreise, und daß die Josephsons wirklich ganz<br />

überzeugte Christen geworden waren, sollte sich bald vollends herausstellen.<br />

Anscheinend hatten die beiden Josephson-Brüder auch<br />

in der eigenen Familie missioniert, denn 1806 zog die Schwester<br />

der Josephsons als drittes Kind jenes Hennener Juden Joseph Meyer<br />

nach; sie ließ sich zusammen mit ihrem Verlobten von Pastor<br />

Krupp taufen und trat damit vom Judentum zum christlichen Glauben<br />

über. Aus den Unnaer Kirchenbüchern kann man nach Willy<br />

Timm entnehmen, daß die bekehrten Judenfamilien Josephson viel<br />

Kontakt hatten mit pietistisch-erwecklich geprägten Christen am<br />

Ort. (Daß es in Unna Erweckte im Sinne der Brüdergemeine gab,<br />

wie es ja auch oben schon anklang, wird bei Schunke oft vermerkt<br />

262 .) Jedenfalls sind es in den Taufregistern immer Bürger aus<br />

diesen Kreisen, die die Paten bei den Josephson-Nachfolgern sein<br />

durften.<br />

Zwei der Nachkommen haben wir hier besonders herauszugreifen:<br />

Der oben genannte jüngere Bruder Carl Aron Josephson und seine<br />

Frau Rosette freuten sich am 17.Januar 1811 - sechs Jahre nach<br />

jener denkwürdigen Taufe - über die Geburt <strong>des</strong> Sohnes Carl Ludwig<br />

Josephson, <strong>des</strong>sen Taufpate sogar der Unnaer Pfarrer und spätere<br />

Superintendent Trippler 263 war. Vielleicht hatte dieser Geistliche<br />

mit einen Einfluß darauf, daß Carl Ludwig nach Abitur und<br />

Theologiestudium selber Pfarrer wurde, und was für einer, wie wir<br />

in diesem Kapitel hören werden! Denn die Spur dieses Josephsons<br />

führte später nach Deilinghofen, wo er der 13. gewählte evangelische<br />

Pfarrer nach der Reformation werden sollte.<br />

Und der zweite, der hier zu nennen ist, hat den Vornamen umgedreht:<br />

Es ist Ludwig Carl Josephson, Sohn <strong>des</strong> genannten älteren<br />

der Josephson-Brüder, und im Jahr 1809, also zwei Jahre früher<br />

geboren als sein Vetter Carl Ludwig Josephson. Diesen Ludwig<br />

262 Vgl. etwa Schunke, S.75, S.77, S.83, S.86, S. 88 u.ö.<br />

263 Georg Heinrich Gottlieb Trippler (1761-1836), 2.Pfarrstelle Unna 1791 angetreten,<br />

1.Pfarrstelle Unna 1811-1831, zugleich Superintendent in Unna 1817-<br />

1821 (nach Bauks, S.515 Nr. 6368).<br />

209


Carl finden wir nach seinem Theologiestudium zunächst wieder als<br />

Hilfsprediger an der Iserlohner Bauernkirche, dann dort ab 1832 als<br />

Amtsnachfolger <strong>des</strong> von uns oft erwähnten berühmten Iserlohner<br />

Pfarreroriginals Johann Abraham Strauß. Ludwig Carl Josephson<br />

wurde - wie oben geschildert - als großer christlicher Schriftsteller<br />

von Erbauungsliteratur (‘Brosamenmann’), und von ihm stammte<br />

auch das Material, das Emil Frommel zur Lebensbeschreibung von<br />

Strauß verarbeitete).<br />

210


Ludwig Carl Josephson (1809-1877) war ein ganz gewichtiger Gottesmann,<br />

der später Direktor eines Lehrerseminars und dann so-gar<br />

Superintendent in Pommern wurde 264 . Daß dieser ‘Brosamenmann’<br />

den Deilinghofer Pastor Dümpelmann aus Straußens<br />

Erzählungen bestens gekannt hat, versteht sich nach unseren Ausführungen<br />

im Dümpelmann-Kapitel von selbst. Bei Dümpelmann,<br />

dem Erbauer <strong>des</strong> Alten Pastorats, war der alte Strauß ja - wie oben<br />

gezeigt - ‘richtig’ zum Glauben erweckt worden. Daß es in der<br />

Verwandtschaft <strong>des</strong> ‘Josephson-Clans’ noch eine ganze Reihe von<br />

Nachkommen gab, die wackere Pfarrer wurden, und daß einer der<br />

Nachkommen sogar ein berühmter allseits bekannter Theologieprofessor<br />

wurde, der Gründer der sog. ‘Greifswalder Schule’, Prof.<br />

Hermann Cremer, <strong>des</strong>sen Mutter eine Josephson war, ist hier nur<br />

anzudeuten 265 . Uns interessiert der andere, der nach Deilinghofen<br />

gekommene Vetter <strong>des</strong> Brosamenmannes, der oben genannte 1811<br />

geborene Pfarrer Carl Ludwig Josephson.<br />

Zu <strong>des</strong>sen spannender Geschichte, die hier zu skizzieren ist, sei<br />

einleitend im Blick auf seine Zeit vor Deilinghofen erwähnt, daß<br />

Carl Ludwig, deutlich geprägt in diesem besonderen Elternhaus<br />

und in diesem Familienverband, nach der Gymnasiastenzeit in<br />

264 Vgl. Bauks, S.236 Nr.2994.<br />

265 Vgl. Zu den Verwandtschaftsverhältnissen Josephson-Cremer Willy Timm,<br />

S.232f. Zu H.Cremers Wirken vgl. Robert Stupperich, Hermann Cremer aus<br />

Unna. Westfälischer Pfarrer und Greifswalder Professor, in: Jahrbuch für Westfälische<br />

Kirchengeschichte 84 (1990), S.235-248.<br />

211


Hamm im Herbst 1828 mit knapp 17 Jahren sein Abitur machte,<br />

anderthalb Jahre in Halle, ein Jahr in Berlin und drei Monate (vom<br />

2.Mai bis 2.August 1831) in Bonn Theologie studierte 266 , wobei<br />

Herbert Schulte aus dem Bonner Abgangszeugnis Folgen<strong>des</strong> 267<br />

zitiert:<br />

„Hinsichtlich seines Verhaltens ist in sittlicher und in ökonomischer Rücksicht<br />

nichts Nachteiliges bekannt geworden“. „Einer Theilnahme an verbotener Verbindung<br />

unter Studirenden ist derselbe nicht verdächtig geworden. Der Studiosus<br />

C.L.J. hat für folgende Vorlesungen sich gemeldet.<br />

Religionsphilosophie: )<br />

Logik:<br />

) mit vielem Fleiß und Eifer<br />

Geschichte der Philosophie: ) (Brandis 28.7.31)<br />

Homiletik (Predigtlehre): sehr rühmlicher Fleiß bezeugt<br />

(Dr. Sack, 27.7.1831)<br />

Moral:<br />

) mit sehr erwünschtem Fleiße<br />

Enzyklopädie der Theologie: ) und erfreulicher Theilnahme<br />

(Nitsch, 26.7.1831)<br />

Seminar:<br />

in Bezug auf das Seminar<br />

dasselbige, Dr. Sack, 27.7.1831“.<br />

Von den hier genannten Theologieprofessoren, die unserm Josephson<br />

solch ein ausgezeichnetes Zeugnis ausstellten, war im vorigen<br />

Jahrhundert eine ziemlich prominente ‘Kapazität’: Professor Carl<br />

Immanuel Nitzsch (1787-1868, von 1882 bis 1847 Professor in<br />

Bonn) 268 , einer der führenden Theologen der sog. Vermittlungstheologie<br />

im 19. Jahrhundert.<br />

Der Chronist von Carl Ludwig Josephsons Pfarrerleben, August<br />

Witteborg (auch Pfarrer in Deilinghofen gewesen, und zwar von<br />

1885-1894), beschreibt den Studienverlauf und -inhalt so:<br />

„Carl studierte in Halle, Berlin und Bonn in einer Zeit, da die Auseinandersetzung<br />

zwischen dem Rationalismus und der bibelgläubigen Theologie im vollen<br />

Gange war. Den jungen Studenten zogen mächtig an die Bannerträger der letzten<br />

Richtung: Tholuck, Schleiermacher, Neander, Sack und Nitzsch“ 269<br />

266 Bauks, S.236 Nr.2995.<br />

267 H.Schulte III (zu Josephson).<br />

268 Vgl. K.Scholder, Art. Carl Immanuel Nitzsch, in RGG IV, Sp.1500.<br />

269 Witteborg, S.161.<br />

212


Während sich Josephson in seiner Bonner Studienzeit (wie eben<br />

erwähnt) im Blick auf Studentenverbindungen zurückhielt, vielleicht<br />

um seine Prüfungen nicht zu gefährden, war er zuvor in der<br />

Zeit an der Hallenser Universität bei der Allgemeinen deutschen<br />

Burschenschaft aktiv gewesen. Herbert Schulte erläutert deren Ziele<br />

folgendermaßen:<br />

„diese bezeichnete als ihre Hauptaufgabe die Christlich-deutsche Bildung einer<br />

jeden geistigen und leiblichen Kraft zum Dienste <strong>des</strong> Vaterlan<strong>des</strong>“ 270 .<br />

Man muß sich dabei vor Augen halten, daß die ersten Burschenschaften<br />

die mutigen und engagierten Vordenker eines freien, demokratischen<br />

und einigen Deutschlands waren, basierend auf Gedankengut<br />

der Französischen Revolution und eigenen Erfahrungen<br />

aus den Befreiungskriegen. Mit dem verstaubten Muff und der<br />

stockkonservativen Prägung vieler späterer Studentenverbindungen<br />

bis in die heutige Zeit hatte die Studentenbewegung der Burschenschaften<br />

wenig gemeinsam. Es war vielmehr eine fortschrittliche<br />

und vom preußischen Staat als gefährlich eingestufte Bewegung,<br />

die ja dann nach dem Wartburgfest von 1817 und der Ermordung<br />

Kotzebues (1819) als - man würde heute sagen - ‘revolutionär und<br />

links’ angesehen und bis zum Jahr 1848 verboten wurde. Obwohl<br />

die Burschenschaften im Prinzip nicht gewalttätig vorgingen, waren<br />

Preußens Reaktionen auf sie äußerst hart und brutal, wie der spätere<br />

Deilinghofer Pastor Josephson am eigenen Leibe schmerzlich erfahren<br />

sollte.<br />

Witteborg vermerkt dazu, daß die<br />

„allgemeine[n] deutsche[n] Burschenschaft ... damals bei der preußischen Regierung<br />

ungerechterweise wegen angeblicher umstürzlicher Bestrebungen verdächtigt<br />

worden ist, ein Umstand der unserm Josephson wie vielen andern wackern<br />

jungen Leuten, z,B. Karl Schurz, Fritz Reuter und andern, unendlich viel Herzeleid<br />

bereiten sollte“ 271 .<br />

Von diesem Herzeleid haben wir im zweiten <strong>Unter</strong>abschnitt ausführlich<br />

zu erzählen.<br />

270 H.Schulte III (im Josephson-Kapitel).<br />

271 Witteborg, S.161.<br />

213


2. Kandidat C.L.Josephson: in Deilinghofen gewählt und bald<br />

drauf in den Kerker<br />

Wie wir zuvor im Basse-Kapitel bereits ausführten 272 , war Carl<br />

Ludwig Josephson im letzten Lebensjahr <strong>des</strong> Pastors Basse schon<br />

in Deilinghofen. Er wird wahrscheinlich mit der Pastorenfamilie<br />

Bewohner im Deilinghofer Alten Pastorat gewesen sein. Der genaue<br />

Zeitpunkt, wann der junge Theologe ins Dorf kam, ist nicht<br />

bekannt. Es muß aber zwischen dem Ende seines Studiums am<br />

2.August 1831 und dem 9.Mai 1833 gewesen sein, denn in jenem<br />

oben im Basse-Kapitel zitierten 273 Dokument vom 9.Mai 1833 wird<br />

ja schon vom „Candidaten Josephson“ gesprochen, der als Hilfe<br />

<strong>des</strong> schwerkranken Basse in Deilinghofen wirkte.<br />

Man könnte fragen, in welcher kirchenrechtlicher Stellung sich der<br />

gerade Examinierte in Deilinghofen während jener eineinhalb Jahre<br />

hier betätigen durfte. Amtlicher Hilfsprediger, Adjunctus, jedenfalls<br />

war er wohl nicht. Fest steht, daß Josephson einer der befähigsten<br />

Kandidaten war, die es weit und breit gab 274 . Nach Aktenlage<br />

im Deilinghofer Kirchenarchiv wird er von Superintendent<br />

Hülsemann als Nachfolger <strong>des</strong> kranken Basse ausersehen und favorisiert,<br />

wohl mit der Maßgabe: „Geh du mal nach Deilinghofen, wo<br />

ja eine Pensionierung betrieben wird, und wo bis dahin dringend<br />

Hilfe geleistet werden muß!“<br />

Auf jeden Fall war das Verhältnis <strong>des</strong> jungen Josephson zur großen<br />

Familie Basse auffallend positiv. Sehr wahrscheinlich war die be-<br />

272 Vgl. oben, S.194f.<br />

273 Vgl. oben, S.194f.<br />

274 „Was die Persönlichkeit <strong>des</strong> Candidaten Josephson betrifft: so ist gegen die<br />

Qualifikation <strong>des</strong>selben bisher von keiner Seite etwas erinnert worden, und er<br />

gehört sowohl hinsichtlcih seines Talents zum Kanzelvortrage, als auch seiner<br />

Kentnisse zu den ausgezeichneten Candidaten in der hiesigen Provinz“. Das steht<br />

in einem Schreiben der ‘Königlichen Regierung <strong>des</strong> Innern’ vom 8.De-zember<br />

1833 an den Superintendenten Grevel (Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen<br />

über die Wiederbesetzung der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrer Basse am<br />

25.May 1833 erledigten Pfarrstelle zu Deilinghofen“; ‘Fremdakte’ <strong>des</strong> Superindendenten<br />

Grevel).<br />

214


deutende Kaufmannssippe Basse mit der Kaufmannssippe Josephson<br />

schon zuvor bekannt gewesen. Und es läßt sich auch denken,<br />

daß der Iserlohner Kirchspielpfarrer Johann Abraham Strauß, der<br />

sich den Vetter Ludwig Carl Josephson als überaus befähigten Adjunc-tus<br />

‘an Land gezogen hatte’ 275 , es gerne sah, daß ein Frommer<br />

und Engagierter (im Sinne <strong>des</strong> verstorbenen Freun<strong>des</strong> Dümpelmann)<br />

aus dem Hause Josephson in Deilinghofen Einfluß bekam.<br />

Jedenfalls waren die Vorgänge vor Basses Tod - wie im vorigen<br />

Kapitel gezeigt - kirchenpolitisch eben höchst brisant, und Josephsons<br />

Kommen nach Deilinghofen muß in diesem Rahmen gesehen<br />

werden.<br />

Was Josephson in jener Zeit in Deilinghofen ‘durfte’ und auf welchen<br />

Arbeitsfeldern er wirkte, wird in den Kirchenakten genauestens<br />

beschrieben: Er hat „gepredigt, katechisiert, die Kranken<br />

besucht, das Kirchenbuch geführt“ 276 .<br />

Reizvoll wäre sich vorzustellen, wie Carl Franz Friedrich Basse<br />

und sein Helfer Carl Ludwig Josephson dort im Alten Pastorat über<br />

theologische und politische Angelegenheiten miteinander diskutiert<br />

haben mögen. Auf der einen Seite der durch die pietistisch-erweckliche<br />

Richtung der Großfamilie Josephson geprägte, überaus kluge<br />

Jungtheologe Carl Ludwig, der soviel politisch Gären<strong>des</strong> im Kopf<br />

hatte, auf der anderen Seite der kranke und verbrauchte, zudem<br />

theologisch wohl eher blasse Pastor Basse, der, was politische Gesinnung<br />

betraf, zeitlebens eher ein zum Opportunismus neigender<br />

275 Es ist aber auch denkbar, daß beide Josephsons über die ‘Schiene’ <strong>des</strong> Landratsohnes<br />

Julius Müllensiefen (später Pfarrer an St. Marien in Berlin und Beichtvater<br />

der Kaiserin Augusta) nach Iserlohn bzw. Deilinghofen kamen. Julius Müllensiefen<br />

(1811-1893) und unser Josephson waren in Halle Verbindungs-Brüder<br />

in der deutschen Burschenschaft, zusammen mit dem Woeste-Vetter und späteren<br />

Rektor der Höheren Stadtschule Iserlohn, Johann Jakob Kruse (1809-1873).<br />

Zum Ganzen vgl.: Wilhelm Schulte, Johann Jakob Kruse (1809-1873), in: Der<br />

Märker 29 (1980), S.178-185.<br />

276 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a., hier Brief <strong>des</strong> Superintendenten Hülsemann vom 1.Juni<br />

1833.<br />

215


obrigkeitsergebener Typ 277 mit besonderen Beziehungen zum preußischen<br />

Hof gewesen war. Irgendwie muß es gegangen sein mit<br />

dieser Kommunikation, vielleicht unter Vermittlung der bemerkenswerten<br />

Pfarrersfrau Charlotte, die es sehr gut mit Carl Ludwig<br />

konnte, und die sich in ihrem Deilinghofer Engagement - etwa<br />

durch den später von ihr gegründeten Frauen-<br />

Enthaltsamkeitsverein 278 - als eine frömmigkeitsmäßig Geistesverwandte<br />

Carl Ludwig Josephsons vorstellen läßt. Diese Lotte sollte<br />

sich nach dem Tod ihres Mannes für Josephson wie für einen Sohn<br />

einsetzen.<br />

Sehr gut waren auch die Beziehungen Josephsons zum Basse-Sohn<br />

Carl, dem späteren Vater <strong>des</strong> Gründers von B & U! Daß es eine<br />

enge Beziehung zwischen den beiden Carls war, erkennt man daran<br />

(wie oben im Basse-Kapitel gezeigt 279 ), daß Carl Basse dann Carl<br />

Ludwig Josephsons Schwester Theodora heiratete, die er vermutlich<br />

durch Josephson kennengelernt hatte, womit dann seitdem die<br />

Familien Basse und Josephson auch verwandtschaftlich verbunden<br />

waren.<br />

Nachdem Basse am 25.Mai 1833 gestorben und - wie oben beschrieben<br />

280 - am Pfingstmontag beerdigt worden war, begann man<br />

von allen Seiten, die Wiederbesetzung der Pfarrstelle möglichst<br />

schnell und unbürokratisch zu betreiben. Man hatte die Zeit von<br />

277 Vielleicht war Basse aber auch ‘sozialer’, als wir es hier dargestellt haben,<br />

Man denke etwa an seine Gewissensskrupel beim Umgang mit den Schulbesuchs-<br />

Listen (s.o., S.178).<br />

278 Dokumente zum ‘Frauenenthaltsamkeits-Verein’ (gegründet 1849) haben wir<br />

vom Basse-Nachfahren Horst Bendrat aus dem Eduard-Borgmann-Nachlaß,<br />

darunter auch den Brief der Pfarrerswitwe Basse (vom 27.Oktober 1846), der<br />

diese Vereinsgründung beim Ortspfarrer Limborg beantragte. Darin schreibt „die<br />

verwittw. Pfarrerin Basse“ zu dieser ‘Fraueninitiative’ z.B.: „Hatte ja nicht das<br />

Weib ihren Mann zur ersten Sünde verführt, warum sollte es im entgegengesetzten<br />

Fall nicht ebens so gut möglich sein, daß das Weib den Mann zum Besserwerden<br />

anfeuern könnte?“ Zum Männerenthaltsamkeits-Verein in Deilinghofen<br />

(ab 1843) vgl. Schl. 4/1979, S.147-151.<br />

279 Vgl. oben, S.156f.<br />

280 Vgl. oben, S.197.<br />

216


vier Wochen ins Auge gefaßt, in der Josephson Pfarrverweser zu<br />

sein hatte, bis dann eine Wahl stattfinden sollte. Normalerweise<br />

war damals eine Wahl erst ein Jahr nach dem Tod <strong>des</strong> Amtsinhabers<br />

möglich, weil, wenn eine Witwe vorhanden war, ihr das Recht<br />

<strong>des</strong> sogenannten ‘Nachjahrs’ zustand. Das hieß im Fall von Charlotte<br />

Basse, daß ihr noch ein Jahr lang das Pastorat mit seinen sämtlichen<br />

Einkünften alleine zustand. Ein neugewählter Pfarrer hätte<br />

demnach keine eigenen Einkünfte gehabt. Auf Wunsch <strong>des</strong> Superintendenten<br />

ermittelte das Presbyterium den Wert dieses Nachjahres<br />

und 488 Taler und 22 ½ Silbergroschen 281 .<br />

Charlotte Basse nun erklärte sich am 8.Juni 1833 bereit, daß sie,<br />

um die Angelegenheit zu beschleunigen, sich das Nachjahr für „300<br />

Taler als Entschädigung“ vom Amtsnachfolger abkaufen lassen<br />

wollte 282 . Aber man hatte die Rechnung ohne einige notorisch<br />

streit- und prozeßsüchtige 283 Deilinghofer Kirchenälteste gemacht!<br />

Sollten hier die kaum verheilten schweren Wunden <strong>des</strong> Agendenstreites<br />

wieder aufbrechen?<br />

Am 6.Juni 1833 beschwerten sich die Kirchenältesten Hackstroh<br />

und Feldhoff beim Superintendenten Hülsemann. Dabei führten sie<br />

unter anderem aus, es wäre doch sehr auffallend, daß die Deilinghofer<br />

schon so kurz nach ihres Pfarrers Tod zur Wahl eines neuen<br />

Pfarrers genötigt werden sollten. Die Presbyter verwiesen auf die<br />

Kirchenordnung, nach der erst verschiedene Kandidaten „gepredigt<br />

281 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a.<br />

282 Gleiche Akte wie vorige Anmerkung.<br />

283<br />

Zur Prozeßsucht und Trinksucht der Deilinghofer schreibt Pastor Limborg:<br />

„Seit den beiden verflossenen Jahrhunderten waren die Bewohner der Grafschaft<br />

Ravensberg und Mark wegen ihrer Prozeßsucht ... verrufen. ... Bis ins erste Viertel<br />

<strong>des</strong> 19. Jahrhunderts war dieser traurige Hang zum Prozessen in Deilinghofen<br />

besonders vorherrschend. ... Das Laster <strong>des</strong> übermäßigen Branntweingenusses<br />

hat der Gemeinde die tiefsten Wunden geschlagen, die Teilung vieler Bauernhöfe<br />

verursacht und zur Verarmung derselben hauptsächlich beigetragen“; zitiert nach:<br />

Schauff-Aktenmappe, Stück 2, S.7.<br />

217


und catechisiert haben“ müßten 284 , daß außerdem drei Kandidaten<br />

da sein müßten, von „welchen dann der liebe Gott erwählet“: „der<br />

wird unser Pastor“. Man sollte sich lieber Zeit nehmen, gegen keine<br />

Vorschriften verstoßen und außerdem möge der Superintendent<br />

„die Güte haben uns das Verzeichnis der Classenpredigten zukommen<br />

zu lassen“. Mit letzterem war gemeint, daß die beiden Presbyter<br />

nicht wünschten, daß Josephson weiter die Stelle versah, sondern<br />

daß (wie üblich) Nachbarpfarrer die Vakanzvertreter würden.<br />

Außerdem wollte man Verfügungen <strong>des</strong> Superintendenten direkt<br />

zum Presbyterium geschickt haben und nicht an den Kandidaten<br />

Josephson, wie es in der Praxis geschah.<br />

Damit waren in der Kirchengemeinde Deilinghofen die Weichen<br />

gestellt für einen Konflikt ersten Ranges, der in dem vorangegangenen<br />

Agendenstreit noch an Schärfe übertreffen sollte. Daß schon<br />

damals das Presbyterium gespalten war in zwei Parteien, ersieht<br />

man daraus, daß etwa zur gleichen Zeit ein anderes Schreiben <strong>des</strong><br />

Presbyteriums Deilinghofen beim Superintendenten eintraf, nämlich<br />

ein Presbyteriumsprotokoll vom 2.Juni 1833, das am 12.Juni<br />

bei Hülsemann in Elsey ankam, in dem das Gegenteil als Meinung<br />

der ganzen Gemeinde vertreten wurde 285 : Man wünschte eine baldige<br />

Wahl! Dieses Protokoll hatten die Presbyter Küperloh I und<br />

Küperloh II, Schäfer und Wienecke, ferner die Witwe Basse und der<br />

Kandidat Josephson unterschrieben - mit einem zusätzlichen Vermerk<br />

<strong>des</strong> bei der Sitzung anwesenden Bürgermeisters Wiesmann,<br />

daß die ‘Dissi-denten’ Hackstroh und Feldhoff sich geweigert hatten,<br />

das Protokoll zu unterzeichen.<br />

Vermutlich hatte Josephson dieses Protokoll dem Superintendenten<br />

selber überreicht, denn er war für einige Tage nach Elsey gereist,<br />

um dort bei seinem Gönner Hülsemann für seine Sache einzutreten.<br />

Außerdem sollte am 17.Juni 1833 in einem Hohenlimburger Gasthof<br />

ein Treffen aller Pfarrer und Kandidaten wegen der Deilingho-<br />

284 Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“,<br />

P.1. N 96a.<br />

285 Akte wie in der vorigen Anmerkung.<br />

218


fer Pfarrstellenbesetzung stattfinden. Dort nach Elsey erhielt Josephson<br />

auch eine Deilinghofer <strong>Unter</strong>schriftenliste von Presbyter<br />

Fritz Schä-fer zugeschickt, in der 51 der 73 stimmberechtigten Colonen<br />

(Inha-ber der Bauernhöfe) sich mit Josephson und der Witwe<br />

Basse solidarisierten und den offenbar aufgabewilligen Kandidaten<br />

Josephson flehentlich um Dableiben in Deilinghofen baten 286 .<br />

Wohlgemerkt war jener Initiator der <strong>Unter</strong>schriftenliste Fritz Schäfer,<br />

von Beruf Bergmann und kein alteingesessener Deilinghofer.<br />

Davon gab es eine ganze Menge in Deilinghofen, die sog. ‘Häusler’,<br />

die zwar auf fremden Grund ein Häuschen bewohnten und als<br />

Tagelöhner, Fabrikarbeiter und Bergleute ihr Geld verdienten. Und<br />

unser Presbyter und Bergmann Schäfer versäumte es nicht, zu erwähnen,<br />

daß auch „die Häusler ... alle für die Sache“ waren. Hier<br />

deutete sich beretis an, welche sozialpolitische Brisanz der Josephson-Streit<br />

noch bekommen würde.<br />

Postwendend beschwerte sich Presbyter Hackstroh über das illegale<br />

Stimmensammeln in Deilinghofen beim Bürgermeister Wiesmann,<br />

der es dem Presbyter Schäfer unter Androhung von Strafe zu verbieten<br />

hatte.<br />

Das Ergebnis der Hohenlimburger Pfarrersversammlung vom<br />

17.Ju-ni 1833 in Sachen Deilinghofer Amtsnachfolge war ein<br />

Kompromiß, der Forderungen beider Parteien erfüllte: Josephson<br />

durfte Pfarrverweser bleiben, das Abkaufen-Dürfen <strong>des</strong> Nachjahres<br />

wurde bestätigt, und die Wahl wurde nach hinten verzögert, wobei<br />

Probepre-digten zuvor gehalten werden sollten. Überdies war aufgrund<br />

der Hohenlimburger Beschlüsse ein Presbyteriumsvorsitzender<br />

zu wählen. Der Bergmann Fritz Schäfer erhielt durch Wahl am<br />

22.Juni 1833 dieses Präses-Amt.<br />

Einen Monat blieb in Deilinghofen für Josephson alles beim alten,<br />

daß nämlich der Kandidat seine Predigten und Wochenkatechesen<br />

hielt und sein Amt wie ein richtiger Pfarrer innehatte. In<strong>des</strong> bröckelte<br />

aber die Zahl der Josephson-Befürworter ab, denn der nächste<br />

Beschwerdebrief vom 15.Juli 1833 war schon von erheblich<br />

286 Akte wie vorher.<br />

219


mehr Kritikern <strong>des</strong> Verfahrens unterschrieben, nämlich von 16 alteingesessenen<br />

Bauern.<br />

In der Zwischenzeit hatte die Witwe Basse am 8.Juli 1833 eine von<br />

Josephson aufgesetzte Erklärung unterschrieben, daß sie zugunsten<br />

eines neuen Pfarrers auf ihre Haushaltung im Alten Pastorat und<br />

auf das Gnadenjahr verzichtete 287 . Aber dieses konnte den Gang<br />

<strong>des</strong> Verfahrens nicht wirklich beschleunigen; dazu waren die Kontroverspunkte<br />

mittlerweile zu viele. So stritt man wochenlang darüber,<br />

wer überhaupt den Pfarrer in Deilinghofen zu wählen durfte:<br />

nur die Colonen, also die Alteingesessenen? Oder alle Dorfbewohner<br />

mitsamt den Häuslern?<br />

Carl Ludwig Josephson muß den Gegenwind im Dorf zu spüren<br />

bekommen haben, denn er gab vorläufig auf und zog am 7. September<br />

1833 zurück in seine Heimatstadt Unna 288 . Damals ging es<br />

hoch her in Deilinghofen. So melden die Akten für diese Zeit Folgen<strong>des</strong>:<br />

„a. In der Nacht von sieben auf den 8ten September mehrern Personen, welche<br />

für Kirchenordnungsgang und nicht für eine Person oder Parthey sich erklären,<br />

daß die Fenster eingeworfen sind.<br />

b. 22 September Nachts zur Sicherheit gegen stark gerüchtlich gedrohte Angriffe<br />

einem Gendarmen requiriert worden.<br />

c. Eine Schmähschrift in plattdeutschen Knittelversen auf mehrere Personen, die<br />

nicht für den Herrn Candidat Josephson gestimmt und Lachen und Spotten erwägt<br />

[lies: erweckt], über a. b. c. ist Fiscal Anzeige bei dem Herrn Bürgermeister<br />

in Hemer gemacht.“ 289<br />

In jenem Herbst fanden dann in Deilinghofen die Probepredigten<br />

statt; und auch Carl Ludwig Josephson in Unna bereitete sich auf<br />

die seine vor, die er am 21. Sonntag nach Trinitatis, am 27.Oktober<br />

287 Die bis hierhin genannten Schreiben entstammen alle: Kirchenarchiv Deilinghofen,<br />

„Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“, P.1. N 96a.<br />

288<br />

Mehrere Belege dafür , z.B. Brief der Anti-Josephson-Partei vom 11.Oktober<br />

1833 an den Superintendenten (Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen<br />

der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers zu Deilinghofen“, N 96c.).<br />

289<br />

Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Vol. IV, Akte <strong>des</strong> Superintendenten Grevel.<br />

220


1833, in der Deilinghofer Kirche zu halten hatte. Für den Abend<br />

vor dieser Probepredigt liegt uns ein Protokoll <strong>des</strong> neben dem Alten<br />

Pastorat wohnenden C.D.Sirringhaus vor, der darin die älteste bisher<br />

bekannte Demonstration im Dorf Deilinghofen beschrieb, die<br />

auch eindeutig politische Züge trug. Der Nachbar <strong>des</strong> Alten Pastorats<br />

faßte seine Aussage wie folgt 290 :<br />

„Am Samstage Abend vor dem Tage, wo der H Candidat Josephson vor 26[st]en<br />

in Deilinghofen sein Probepredigt hielt, ging ich mit einigen meiner Freunde um<br />

Jagdschutzung außerhalb Deilinghofen; kam um Mitternacht mit Bernadt Schulte<br />

und Wiethöft nach dem Dorfe zurück, ich bemerkte schon von weitem in dem<br />

Pastorath Haus Licht, hierüber wurde ich nebst meinen beiden Gesellschafts-<br />

Männern aufgebracht indem ich wußte, daß das Pastorathhaus schon seit einiger<br />

Zeit nicht mehr von der Wittwe Basse bewohnt warm ging also näher um zu<br />

untersuchen, wo das Licht in dem Pastorathause herkömme bei dem Annähern<br />

<strong>des</strong> Hauses hörete ich, daß großer Tumult und viele Menschen in und vor dem<br />

Hause auf dem Hofe waren und fortwährend passasige von Carl Bassen Hause<br />

nach der Pastorath und von da zurück sich wechselten; mittlerweile ging die<br />

ganze Versammlung von da weg nach dem Kirchhofe, wir traten wiederum näher<br />

und fanden daselbst eine für die Nacht unzählbare Anzahl von Menschen beiderlei<br />

Geschlechts, die unter Lärm und Taumeln mit dem Aufrichten eines Ehrenbogens<br />

worinnen ein Kranz mit einer Herzfigur hing beschäftigt waren, es waren<br />

diese Menschen größtentheils aus Deilinghofen, auch aus Apricke und einige<br />

wenige auswärtige Fabrickarbeiter von der Oese, ich habe noch dabei zu bemerken,<br />

daß mehrere Frauenzimmer [.] davon liefen als wir auf den Kirchhoff kamen,<br />

denen ich zurief sie sollten sich unserenthalben an ihrer Arbeit nicht stören<br />

worauf dieselben zurück kamen -<br />

Der folgende Morgen also am Tage wo der bemerkte H Candidat seine Probepredigt<br />

verrichtete, versammleten sich einige Kinder vor dem Pastorathhaus diese<br />

wurden von der Wittwe Basse ins Haus gerufen, über eine Weile standen dieselben<br />

Kinder vor Carl Basses Hause, aus diesem kam der H Candidat Josephson<br />

empfing die Kinder mit einem Drückelhändchen und ging mit denselben in Geleitschaft<br />

zur Kirche.<br />

Am Abende aber versammelten sich wiederum eine Menge Menschen die mit<br />

Klaenetblasene und Taumeln durchs Dorf gingen und die Worte ausstießen<br />

Pattrioten heraus, auch unter dieser Musik zum Kirchhofe gingen, und den am<br />

vorigen Abend gesetzten Ehrenbogen nebst Kranz wegnahmen und unter vorbemerkten<br />

Blasen damit nach Carl Bassen gingen, wo der Herr Candidat Josephson<br />

von Unna in logis war. Dieselbe daselbst unter Lärmen Fluchen und schmtzigen<br />

290 Fundstelle gleiche Akte wie vorige Anmerkung.<br />

221


Liedersingen ans Haus richteten und sodann mit dem vor erwähnten Klaenetblasen<br />

sich zurück ins Dorf begaben.<br />

Weiter ist mir von dieser Sache nichts bekannt die Wahrheit <strong>des</strong>selben kann ich<br />

auf Verlangen bestätigen C D Sirringhaus“.<br />

Kenner der preußischen Geschichte können aus diesem überaus<br />

bemerkenswerten Bericht ersehen, daß es sich bei dieser Demonstration<br />

pro Josephson um so etwas wie die Anfänge <strong>des</strong> Parteienwesens<br />

im 19. Jahrhundert handelte.<br />

Nachdem im November jenes Jahres die Reihe der verschiedenen<br />

Probepredigten in der Deilinghofer Kirche gehalten worden waren,<br />

sollte im Dezember 1833 die endgültige Wahl <strong>des</strong> künftigen Amtsinhabers<br />

stattfinden. Am 19.November bestimmte man (wie vorgeschrieben)<br />

im Deilinghofer Presbyterium die ‘Dreizahl’ der Kandidaten,<br />

die zur eigentlichen Wahl zugelassen wurden: die jungen<br />

Theologen Hammerschmidt 291 , Wilsing 292 und Carl Ludwig Josephson.<br />

Josephson schaffte es gerade so eben mit drei Stimmen<br />

seiner Anhänger im Presbyterium, zu dieser ‘Dreizahl’ für die Endausscheidung<br />

dazu zu gehören 293 .<br />

Doch die Gegenpartei im Presbyterium wollte sich nicht an die demokratischen<br />

Spielregeln halten. Am 29.November 1833 schrieb<br />

man an den inzwischen neugewählten Superintendeten Johann<br />

Wilhelm Friedrich Grevel (1792 -1863; reformierter Pfarrer in Iserlohn<br />

und von 1833 bis 1841 dort Superintendent 294 ) mit vielleicht<br />

neuen Hoffnungen und forderte ihn auf, Josephson aus der Dreizahl<br />

zu entfernen. Die Gegner Feldhoff und Hackstroh fuhren schwere<br />

Geschütze auf und versuchten zu beweisen, daß Josephson sich<br />

291 Es kann sich nur um den reformierten Benjamin Gustav Hammerschmidt<br />

(1807-1843), den späteren Pfarrer in Hagen gehandelt haben (Bauks, S.S. 179<br />

Nr.2278).<br />

292 Es kann sich nur um den ebenfalls reformierten Conrad Friedrich Gustav<br />

Wilsing (1807-1895), später Pfarrer in Altena und zuletzt Hofprediger in Stargard<br />

in Pommern, gehandelt haben (Bauks, S.562 Nr.6979).<br />

293 Schreiben an den Sup. Hülsemann vom 19.November 1833 mit Protokoll der<br />

Sitzung, in: Kirchenarchiv Deilinghofen, „Acta in Sachen der Wahl <strong>des</strong> Pfarrers<br />

zu Deilinghofen“, N 96c.<br />

294 Bauks, S.164 Nr.2084.<br />

222


entgegen der Kirchenordnung vom 6.August 1687 ein Amt durch<br />

Eigennutz, Betrug, Menschengunst, List und Gewalt erschleichen<br />

wollte. So hätte er unter anderem 295<br />

„durch fleißige Hausbesuche mit der Wittwe Basse ... sich der Liebe und die<br />

Gunst der Gemeindeglieder zu erwerben getrachtet“.<br />

Die „ganz ungwöhnlichen öffentlichen Ehrenbezeugungen“ vor und<br />

nach seiner Probepredigt hätten dem Kandidaten imponiert, und er<br />

hätte nichts getan, daß sie unterblieben. Außerdem wurden alle<br />

bereits genannten ‘Vergehen’ wie unzulässige Amtsfortführung<br />

durch Josephson, unerlaubtes Stimmensammeln oder die Verschafflung<br />

<strong>des</strong> Wahlrechts für die Häusler erneut angeführt. Auch<br />

gegen Carl Basse und seine Mutter wurden in diesem Brief schwere<br />

Anschuldigungen erhoben. Die Familie Basse hätte nur ein persönliches<br />

Interesse an der Wahl Josephsons haben können, wobei<br />

man ausdrücklich darauf hinwies, daß die Witwe Basse die<br />

Schwiegermutter der Schwester Josephsons wäre. Auch Präses<br />

Schäfer aus dem Deilinghofer Presbyterium warf man Eigennutz<br />

vor, denn einen „Einlieger“ wie ihm, also einem zur Miete Wohnenden,<br />

könnte ein solch ehrenvolles Amt ja gar nicht zustehen.<br />

Dann vergaß man auch die Schmähschriften nicht und machte<br />

letztendlich für alles Josephsons angeblichen Egoismus verantwortlich.<br />

<strong>Unter</strong> all diesen fragwürdigen Bedenken fand sich aber auch ein<br />

gewichtigeres Problem, nämlich<br />

„daß der Herr Candidat Josephson dem zur Wahlfähigkeit das Canonische Alter<br />

fehlt / 1 Jahr und zwei Monate / dennoch in die Zahl der Wahl Subjecte gesetzt<br />

wird“ 296 .<br />

Damit war die geplante Wahl erst einmal wieder geplatzt. Superintendent<br />

Grevel mußte alle Anschuldigungen untersuchen und der<br />

295 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Vol. IV, Akte <strong>des</strong> Superintendenten Grevel.<br />

296 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Vol. IV, Akte <strong>des</strong> Superintendenten Grevel, immer noch der<br />

denunziatorische Brief vom 29.November 1833.<br />

223


Regierung in Arnsberg berichten. Die hatte dabei festgestellt, daß<br />

bis zum Ablauf <strong>des</strong> Nachjahres - der Verzicht der Witwe Basse war<br />

demnach nicht wirksam geworden - noch viel Zeit wäre 297 . So legte<br />

man erneut für das erste Halbjahr 1834 die ‘Classenprediger’ fest,<br />

d.h. die Nachbarpfarrer kamen zum Gottesdienst-Halten ins Dorf.<br />

Bemerkenswert dabei ist, daß am Sonntag Judica der Candidat<br />

Friedrich Leopold Woeste den Gottesdienst in der Stephanuskirche<br />

zu halten hatte 298 . Ob ‘Hemers großer Sohn’ wirklich während der<br />

Basse-Vakanz hier aushalf, wissen wir leider nicht, denn am<br />

26.März 1834 beschwerte sich das Presbyterium beim Superintendenten,<br />

daß diese Vertretungen <strong>des</strong> öfteren ausgefallen waren. In<br />

diesen Fällen fand der Gottesdienst trotzdem statt. Dann sprang<br />

nämlich der Dorflehrer als Ersatzlektor ein:<br />

Es „hat der H Lehrer Mar[c]ks aus einem Buche Vorlesung gehalten, worin Predigten<br />

auf Sonn= und Festtag enthalten, welches ihm von dem seligen H Pastor<br />

Basse zu Theil geworden“ 299 .<br />

Über Arnsberg hatte der Superintendent Grevel beim Ministerium<br />

in Berlin zwar umgehend um einen Dispens vom Canonischen Alter<br />

im Falle Josephsons nachgesucht, er erhielt aber am 9.Februar<br />

1834 von dort die Antwort, daß man sich dort erst entscheiden<br />

könnte, wenn alle Anschuldigungen der Josephson-Gegner widerlegt<br />

wären 300 . In dem Rahmen kam es dann zu den <strong>Unter</strong>suchungen<br />

wegen der Vorfälle vor und nach der Probepredigt, als<br />

C.D.Sirringhaus seine oben zitierte bemerkenswerte Zeugenaussage<br />

machen mußte.<br />

Auch die Presbyteriumsmitglieder, die mit Josephson solidarisch<br />

waren, gingen am 3.März 1834 ebenfalls ausführlich auf alle Anschuldigungen<br />

ein. Sie versuchten klarzustellen, daß zwar vieles<br />

stimmen würde, man dafür aber nicht den Kandidaten Josephson<br />

297 Gleiche Akte, aber hier: Schreiben von der Regierung Arnsberg am<br />

8.Dezember 1833 an Grevel.<br />

298 Gleiche Akte, Schreiben <strong>des</strong> Superintendenten Grevel vom 7.Januar 1834.<br />

299 Gleiche Akte, Schreiben vom 26.März 1834.<br />

300 Gleiche Akte, hier: Schreiben von der Regierung an den Superintendenten<br />

vom 9.Februar 1834.<br />

224


verantwortlich machen könnte. In diesem Brief an den Superintendenten<br />

Grevel liest man zum Beispiel zu den Vorgängen bei der<br />

Probepredigt:<br />

„So kann es nur lächerlich erscheinen, dem Cand. Josephson zur Last zu legen,<br />

daß ihn die Kinder, die er früher unterrichtet hatte, und die ihn sehr liebten, Blumen<br />

auf den Weg streuten“ 301 .<br />

Tatsächlich nutzte, wie sich aus den Akten herausstellt, die Witwe<br />

Basse immer noch die Einkünfte aus ihrem Nachjahr. Sie beschwerte<br />

sich nämlich im Frühjahr 1834 bei dem Superintendenten<br />

Grevel, daß man ihr Witwenrechte streitig machen wollte, weil sie<br />

im Alten Pastorat „keine Haushaltung mehr habe“, und man würde<br />

ihrem Sohn Carl „das nicht mehr gönnen“; demgegenüber wollte<br />

sie auf den Wald erst nach Ablauf <strong>des</strong> Nachjahres verzichten 302 .<br />

Und dann drohte dieses Nachjahr im Mai 1834 abzulaufen, ohne<br />

daß ein Nachfolger eingesetzt war. Man wollte aber auf Josephson<br />

nicht verzichten. Da mit dem Ende <strong>des</strong> Nachjahrs auch die ‘Classen-predigten’,<br />

also die kostenlosen Vakanzvertretungen aus der<br />

Nachbarschaft, ausliefen, hätte die Gemeinde von da ab auf eigene<br />

Kosten einen Aushilfsprediger beschäftigen müssen.<br />

Um die Zeit noch etwas herauszögern zu können, fiel dem Presbyterium<br />

auf einmal ein, daß nach alter Observanz angeblich die<br />

„Gnadenzeit in dieser Gemeinde ein Jahr und sechs Wochen“ dauerte,<br />

wie in einem Brief vom 7.Mai 1834 303 ins Feld geführt wurde,<br />

was aber wahrscheinlich nur ein typisch Deilinghofer Schlitzohren-<br />

Trick war. Man wollte eben dem Kandidaten Josephson nicht die<br />

Chancen verbauen, doch noch Basse-Nachfolger zu werden, und<br />

die Pro-Josephson-Partei wußte wahrscheinlich, daß der amtliche<br />

Dispens vom Canonischen Alter in aller Kürze zu erwarten wäre.<br />

301 Gleiche Akte, hier: Schreiben der Josephson-Befürworter an den Superintendenten<br />

vom 3.März 1834.<br />

302 Gleiche Akte, Brief Charlotte Basses an den Superintendenten vom 11.März<br />

1834.<br />

303 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Vol. IV, hier: Brief vom 7.Mai 1834.<br />

225


Auch Charlotte Basse schrieb am 16.Mai in gleicher Angelegenheit<br />

an den Superintendenten von dem nach Deilinghofer Sitte um sechs<br />

Wochen längeren Nachjahr 304 .<br />

Glücklicherweise traf schon einen Tag später am 17.Mai das amtliche<br />

Schreiben mit dem Dispens beim Superintendenten in Iserlohn<br />

ein 305 . Darin wurde auch angeordnet, daß die Abhaltung der Wahl<br />

unverzüglich einzuleiten wäre. Die ‘Josephson-Contras’ kochten<br />

vor Wut! Erneut mußte eine Dreizahl gebildet werden. An dieser<br />

Auswahl nahmen die Feinde Josephsons nicht teil. So erhielt unser<br />

Carl Ludwig Josephson am 3.Juni 1834 wieder seine drei Stimmen;<br />

das waren aber dieses Mal mehr Stimmen als seine Mitbewerber<br />

erreichten. (Es waren bei dieser Auswahl jetzt Wilsing 306 aus Hörde<br />

und Schütz 307 aus Arnsberg.)<br />

Da die Josephson-Gegner im Presbyterium bei dieser Dreier-Auswählung<br />

nicht zugegen waren, versuchten sie im Juni 1834 ihren<br />

letzten Coup: Die Bestimmung der Dreizahl durch das Presbyterium<br />

solle wegen ihrer Abwesenheit für ungültig erklärt werden 308 ,<br />

doch darauf ließ sich keiner mehr ein. Das letzte Gefecht war verloren.<br />

Übrigens hatte die Gemeinde Deilinghofen inzwischen im Juni<br />

1834 - auf den ersten Blick ist das verwirrend - in dem ‘Vicarius<br />

Varnhagen’ (Karl Friedrich Ferdinand Varnhagen, 1800-1841 309 )<br />

einen neuen Pastor bekommen. Aber hier handelte es sich nur um<br />

einen Stellvertreter in der Zeit der Vakanz bis zur Amtseinführung<br />

<strong>des</strong> Basse-Nachfolgers, und dieses Einsetzen eines Vakanz-Pfarrers<br />

304 Gleiche Akte, Brief Charlotte Basses vom 16.Mai 1834.<br />

305 Gleiche Akte, Schreiben der Arnsberger Regierung vom 17.Mai 1834 an Grevel.<br />

306 Vgl. zu ihm oben, S.216 A.292.<br />

307 Vgl. zu Johann Philipp Schütz aus Arnsberg (1808-1878) Bauks, S. 460<br />

Nr.5695.<br />

308 Gleiche Akte, Brief vom 20.Juni 1834.<br />

309 Vgl. Bauks, S.521 Nr.649.<br />

226


war eben im Juni 1834 310 nach Ablauf <strong>des</strong> Nachjahrs der Charlotte<br />

Basse erforderlich geworden, nachdem der Deilinghofer Trick mit<br />

der sechswöchigen Verlängerung nicht verfangen hatte.<br />

Nun wurde es aber nach allen Verzögerungen doch ernst mit der<br />

Wahl. Die Regierung in Arnsberg gab am 9.Juli 1834 grünes<br />

Licht 311 . Und am 7. August 1834 war endlich der Wahltag!<br />

Vor dem Deilinghofer Kircheneingang war auch an diesem Tage<br />

wieder Spektakuläres zu beobachten. Dort hatten sich zwei „handfeste<br />

Bauernburschen“ aufgepflanzt, die „zwischen sich hocherhoben<br />

ein Schild“ zeigten,<br />

„auf dem weithin zu lesen war:<br />

Ueb immer Treu und Redlichkeit<br />

bis an dein kühles Grab<br />

und weiche keinen Finger breit<br />

vom Josephsone ab!“<br />

Die Quelle dieser denkwürdigen Anekdote aus Deilinghofen ist ein<br />

biographischer Artikel im ‘Deutschen Pfarrerblatt’ 312 , den der Konsistorialrat<br />

Hermann Carl Eduard Josephson (1864-1949), das<br />

16.(!) Kind unseres Carl Ludwig Josephson, verfaßte 313 . Und für<br />

Deilinghofen interessant ist durchaus, was Hermann Josephson aus<br />

dem Leben seines Vaters als zweite Deilinghofen betreffende A-<br />

nekdote beisteuerte 314 :<br />

„Als ... 45 Jahre später, am 19.November 1879, sein [sc. Carl Ludwig Josephsons]<br />

25jähriger Sohn Johannes als Pastor in Deilinghofen eingeführt wurde, und<br />

Vater beim Festessen jene lustige Wahlgeschichte erzählte, da meldete sich ein<br />

ehrwürdiger Greis und rief mit Begeisterung: ‘Ich war einer von den beiden!’“<br />

Man stelle sich das einmal vor: 1879, als Josephson II., Max Johannes<br />

Josephson (1854-1928 315 , der Gründungsvater und 1.Vorsitzender<br />

<strong>des</strong> 1881 gegründeten CVJM Deilinghofen, der damals<br />

310 Vgl. in der hier immer genannten Akte die Schreiben aus Arnsberg an den<br />

Superintendenten Grevel vom 5.Juni und 23.Juni 1834.<br />

311 Gleiche Akte, Arnsberger Schreiben vom 9.Juli 1834.<br />

312 Im folgenden immer als H.Josephson zitiert (vgl. Literaturverzeichnis).<br />

313 Zu Hermann Carl Eduard Josephson vgl. Bauks, S.237 A.299.<br />

314 H.Josephson, S.392.<br />

315 Zu Max Johannes Josephson vgl. Bauks, S.236f. Nr.2998.<br />

227


noch ‘Jünglingsverein’ hieß) als 16.Pfarrer von Deilinghofen (hier<br />

im Amt von 1879 bis 1885) eingeführt wurde, da war auch der spätere<br />

Konsistorialrat Hermann Josephson „als Sekundaner und Festgenosse“<br />

316 im Alten Pastorat beim Festessen nach der Einführung<br />

seines ‘großen Bruders’ dabei. Und dieser fromm-geprägte Schüler<br />

Hermann, der die Jünglingsvereins-Entwicklung im Pastoren-<br />

Eltern-haus in Barmen-Wupperfeld sicherlich aus nächster Nähe<br />

verfolgt hatte 317 , konnte hier in Deilinghofen indirekt mitkriegen,<br />

wie politisch umstritten sein Vater Carl Ludwig Josephson in diesem<br />

Deilinghofen einmal gewesen war.<br />

Kommen wir zurück zum Wahltag. Unser Carl Ludwig Josephson,<br />

um den hier im Dorf so viel Staub aufgewirbelt worden war, dieser<br />

erst „23jährige Kandidat“, wie sein Sohn Hermann in seinen Erinnerungen<br />

betonte, „wurde ... mit 44 gegen 20 Stimmen zum Pfarrer<br />

der Gemeinde gewählt“ 318 . Erwähnenswert ist, daß wir dieses<br />

Wahlergebnis im Deilinghofer Kirchenarchiv nicht auffinden konnten;<br />

aber sicherlich ist es korrekt, da es in der Tat - ohne die Häusler<br />

- 64 Wahlberechtigte gab.<br />

Nun sollte man meinen, daß nach vollzogener Wahl deren Bestätigung<br />

durch die Regierung reine Formsache gewesen wäre. Doch es<br />

sollte ganz anders kommen. Den jungen Theologen Carl Ludwig<br />

Josephson holte seine Vergangenheit als Burschenschaftler ein. Wir<br />

zitieren dazu seinen Sohn Hermann Josephson:<br />

„Soeben hatte er [der Vater] sich ... mit Julie Kuchen aus Neuenrade in Westfalen<br />

verlobt, soeben war er in dem westfälischen Dorfe Deilinghofen bei Iserlohn zum<br />

Pfarrer gewählt worden ..., als ein ihm nahestender Freund ihn heimlich davon in<br />

Kenntnis setzte, daß er wegen seiner Teilnahme an der Burschenschaft verhaftet<br />

werden solle und ihm zur Milderung der bevorstehenden Strafe riet, sich freiwillig<br />

zur <strong>Unter</strong>suchung zu stellen. Sofort reiste er nach Berlin“ 319 .<br />

316 H.Josephson, S.392.<br />

317 Nach Bauks, S.237 Nr.2999, wurde Hermann Josephsons Festpredigt zum<br />

50jährigen Bestehen <strong>des</strong> Wupperfelder CVJM in Barmen 1899 gedruckt. Im<br />

dortigen Jünglingsverein, also um 1849 gegründet, wird der Pfarrersohn doch<br />

wohl auch gewesen sein.<br />

318 H.Josephson, S.392.<br />

319 H. Josephson, S.392.<br />

228


Dazu würden die letzten zwei Briefe Carl Ludwig Josephsons im<br />

Deilinghofer Kirchenarchiv passen. Gleich nachdem der Superintendent<br />

ihn aufgefordert hatte, einige „nötige Papiere“ zu übersenden,<br />

unternahm Josephson nämlich, wie er im ersten Brief vom<br />

22.Au-gust 1834 aus Unna ausführte, eine Reise, die sich unerwarteterweise<br />

verlängerte 320 . Anschließend begab er sich gleich zum<br />

Superintendenten nach Iserlohn, wie auch aus diesem ersten Brief<br />

hervorgeht, um ihn zu sprechen. Dieser Kontakt war nicht zustandegekommen,<br />

da Grevel zu der Zeit in einer Sitzung gewesen war.<br />

Es dürfte sich bei dieser Reise nicht um die Reise nach Berlin gehandelt<br />

haben. Vielleicht war er bei seiner Braut in Neuenrade und<br />

wollte <strong>des</strong>halb den Superintendenten aufsuchen, weil er mit sich<br />

noch uneins war, wie er weiter vorgehen sollte. Wenige Tage später<br />

suchte ihn der Presbyter Schäfer in Unna auf und überbrachte ihm<br />

das Berufungsschreiben, das Josephson dann unterschrieben dem<br />

Supterintendenten zurücksenden sollte 321 .<br />

Den zweiten Brief - es ist auch der letzte, den wir in unserem Archiv<br />

von Josephson haben - schickte unser Josephson aus Unna<br />

zusammen mit dem unterschriebenen Berufungsschreiben nach<br />

Iserlohn zum Superintendenten. Der letzte Absatz dieses Briefs<br />

vom 26.Au-gust 1834 zeigt uns andeutend die Sorgen, die sich Josephson<br />

für die Zukunft machte:<br />

„Möge mir der Herr nun ferner seinen Segen geben zu dem Amte, <strong>des</strong>sen schwere<br />

Pflichten sich oft so bange und verzagt machen wollen. Indem ich dazu um<br />

Ihre fernere Liebe und gütigen Rath bitte, empfiehlt sich Ihnen ergebenst<br />

C.Josephson“ 322 .<br />

320 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Brief Josephsons an Grevel.<br />

321 Laut Schreiben Schäfers (gleiche Akte wie vorher andauernd) an den Superintendenten<br />

vom 25.August 1834, in dem auch steht, er wollte „bemerken ... noch<br />

hierbei, daß sich der Küster Herr Lehrer Marcks geweigert hat, dem Kandidaten<br />

den Brief zu bringen und bath mich namentlich Schäfer in Güte das führ ihn zu<br />

besorgen“.<br />

322 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

229


Zu Verzagtheit war wirklich aller Anlaß, denn nur wenige Tage<br />

später muß Josephson nach Berlin gefahren sein, um sich den Ermittlungsbehörden<br />

zu stellen. Ob der ‘gute Freund’, der ihm das<br />

geraten hatte, wirklich ein guter war, wäre zu fragen. Jedenfalls lief<br />

Josephson in Berlin in offene Messer. Und während man in Deilinghofen<br />

noch auf ihn wartete und sogar das wieder geeinigte<br />

Presbyterium einstimmig (!) 323 am 21.Oktober 1834 um dringende<br />

Bestätigung der Wahl in Arnsberg nachsuchte, kam von dort eine<br />

lapidare Absage. Am 5.November 1834 teilte die Regierung ohne<br />

Angabe von Gründen mit, daß „Carl Ludwig Josephson aus Unna<br />

als solcher die Bestätigung nicht erhalten kann“, und man teilte<br />

dem Superintendenten weiter mit:<br />

„Beauftragen Sie <strong>des</strong>halb schleunigst die nöthigen Einleitungen zur Abhaltung<br />

einer neuen Predigerwahl bey der Gemeinde zu Deilinghofen zu treffen“ 324 ; inzwischen<br />

sollte der Vicarius Varnhagen die Pfarrstelle weiter verwalten.<br />

Was genau war in Berlin geschehen? Hermann Josephson gibt dazu<br />

Auskunft 325 :<br />

„Obschon der Hofprediger Strauß sich seiner [sc. C.L.Josephsons] annahm ‘wie<br />

ein Vater’ und für ihn einzutreten suchte, obwohl die <strong>Unter</strong>suchungsrichter ihm<br />

persönlich gewogen zu sein schienen und ihn ‘menschenfreundlich behandelten’,<br />

obschon irgendwelche Beweise von Umsturzideen u. dgl. gegen ihn nicht aufzubringen<br />

waren, konnte er es doch nicht hindern, daß die einfache Tatsache, daß<br />

er der vom Staate verbotenen Burschenschaft angehört hatte, ihn wie viele andere<br />

ins Gefängnis brachte. Am 1.November 1834 trat er seine Haft in der Hausvo[i]gtei<br />

(in Berlin) an, eine ‘harte Gefangenschaft’, wie er schreibt. Mitte April<br />

1835 wurde er wieder entlassen, aber nicht dauernd, sondern nur so lange, bis das<br />

Endurteil in seiner Sache gefällt sein würde.“<br />

Was aber tat sich in der Berliner Gefängniszeit von November 1834<br />

bis April 1835 in Deilinghofen? Hatte man Josephson einfach abgeschrieben<br />

oder gar als Häftling geächtet? Oder galt dort immer<br />

in Deilinghofen“, Brief Josephsons an den Superintendenten vom 26.August<br />

1834.<br />

323 Gleiche Akte, Presbyteriumsschreiben vom 21.Oktober 1834.<br />

324 Gleiche Akte, Brief der Arnsberger Regierung an den Superintendenten vom<br />

5.November 1834.<br />

325 H.Josephson, S. 392.<br />

230


noch das, was damals auf dem Wahlplakat gestanden hatte: ‘Weiche<br />

keinen Finger breit vom Josephsone ab?’<br />

Die Josephson-Gegner jedenfalls hatten wieder Aufwind bekommen.<br />

Schon am 23.November 1834 stellten sie in einer Presbyteriumssitzung<br />

eine neue ‘Dreizahl’ auf, wobei ausdrücklich vermerkt<br />

wurde, daß der Präses Schäfer das zwar genehmigt hatte, aber mit<br />

der <strong>Unter</strong>schrift gezögert hatte 326 .<br />

Bemerkenswert ist zu Josephson noch ein Brief von <strong>des</strong>sen Mutter<br />

an den Superintendeten Grevel vom 22.November 1834, der Pro-<br />

Josephson-Aktivitäten in Deilinghofen belegt hatte 327 .<br />

„Von Seiten der evangelischen Gemeinen zu Deilinghofen ist man mit einer Immediat=Vorstellung<br />

bey Pr Majestät dem Könige dahin eingekommen, daß Allerhöchst<br />

gestattet werden möge, daß diese Pfarrstelle zu Deilinghofen bis zur<br />

Freilassung meines dorthin berufenen Sohnes von dem Herrn Vicarius Varnhagen<br />

verwaltet werde.“<br />

Dieses Gesuch der Josephson-Befürworter war am 21. November<br />

zur Post gegeben worden, also ziemlich zeitgleich mit der genannten<br />

Bildung der ‘Dreizahl’ durch die Gegner. Bis König Friedrich<br />

Wilhelm III. darüber entschieden hätte, so schreibt die Witwe 328 ,<br />

„dürfte eine billige und in den bestehenden Gesetzen begründete Bitte seyn, wenn<br />

ich Euer Hocherwürden hierdurch ergebenst ersuchen, mit der Einleitung einer<br />

anderweitigen Wahl gütigst Abstand zu nehmen“.<br />

Von oben aber war man vermutlich die ewigen Querelen um und<br />

aus Deilinghofen gründlich leid. Es deutet alles darauf hin, daß man<br />

‘von oben’ darauf drängte, daß hier im Dorf umgehend ein Pfarrer<br />

<strong>des</strong> Ausgleichs und der Ruhe eingesetzt würde. Kein Geringerer als<br />

Konsistorialrat Wilhelm Bäumer (1783-1846 329 ), seines Zeichens<br />

Regierungs- und Schulrat bei der Königlichen Regierung in Arnsberg<br />

und Mitglied der Regierung, zuvor Präses der Märkischen<br />

326 Gleiche Akte, Brief <strong>des</strong> Presbyteriums-Präses an den Superintendenten vom<br />

23.November 1834.<br />

327 Gleiche Akte, Brief von Rosette Josephson an den Superintendenten vom<br />

22.November 1834.<br />

328 Gleiche Akte, Brief von Charlotte Basse an den Superintendenten.<br />

329 Vgl. Bauks, S.17 Nr.200.<br />

231


Generalsynode, forcierte das Hierherkommen seines Günstlings 330 .<br />

Die-ser hieß August Limborg und wurde schnellstens in Deilinghofen<br />

zum Pfarrer gemacht, dem 14. nach der Reformation, auf <strong>des</strong>sen<br />

Leben und Wirken wir im nächsten Heft <strong>BDKG</strong> 4 eingehen<br />

wollen. Hier sei zu Limborg noch eine pikante Anmerkung gemacht,<br />

die auf den Fall Josephson ein bezeichnen<strong>des</strong> Licht wirft:<br />

Limborg hatte als Ex-Burschenschaftler 331 ganz ähnliche Probleme<br />

wie Josephson, aber man konnte ihm nichts nachweisen. Daß Limborg<br />

(anders als Josephson) Günstling der staatlichen Obrigkeit in<br />

Arnsberg war und das Intrigenspiel geradezu zum Himmel stank,<br />

ließe sich an vielen Tatsachen weiter belegen, die wir dem Limborg-Kapitel<br />

vorbehalten. Doch zum Abschluß <strong>des</strong> Kapitels Jo-<br />

330 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Brief Bäumers an Grevel vom 9.November 1834.<br />

331 Vgl. H.Schulte IV (zu Limborg). - Interessant ist zur Verurteilung unseres<br />

Josephson die ins Auge fallende biographische Parallele seines Schicksals mit<br />

dem Schicksal seines Hallenser Verbindungs-Bruders Johann Jakob Kruse, <strong>des</strong><br />

Vetters von F.L.Woeste und späteren Rektors der Höheren Stadtschule in Iserlohn.<br />

Kruse und Josephson waren fast gleichaltrig, studierten in Halle zur gleichen<br />

Zeit Theologie, wobei Kruse sogar Sprecher der Hallensischen Verbindung<br />

der Deutschen Burschenschaft war. Die beiden beendeten auch gleichzeitig ihr<br />

Studium 1830 und wurden dann beide im September 1834 vom Berliner Gericht<br />

gesucht. Bei beiden gab es erst einen vorläufigen Freispruch und später eine<br />

Verurteilung wegen Teilnahme an der Burschenschaft, wobei die Strafen auch<br />

etwa gleich ausfielen. Schließlich waren beide zur gleichen Zeit in der Berliner<br />

Hausvogtei in <strong>Unter</strong>suchungshaft ‘eingelocht’. Aus diesen Parallelen kann man<br />

doch eigentlich nur schließen, daß Josephson sich <strong>des</strong> gleichen ‘Verbrechens’<br />

verdächtig gemacht hatte wie Kruse. Von Letzterem aber wissen wir, daß er 1830<br />

Vertreter seiner Verbindung beim Nürnberger Burschentag war. Dort formulierten<br />

süddeutsche Delegierte das Ziel, Demokratie und staatliche Einheit gewaltsam<br />

durchzusetzen. Obwohl sich Kruse von diesem Ansinnen von vornherein<br />

distanzierte, lautete die Anklage bei ihm nicht nur auf Burschenschafts-<br />

Teilnahme, sondern auf Hochverrat. Wir können fragen, ob der Fall Josephson<br />

etwa auch im Letztgenannten ganz parallel liegt. Diese Informationen zu Kruse<br />

entnehmen wir: Wilhelm Schulte, Johann Jakob Kruse (1809-1873), in: Der Märker<br />

29 (1980), S.178-185. Schulte geht auf Josephson leider nicht ein.<br />

232


sephson in Deilinghofen noch ein Satz der Regierung in Arnsberg<br />

vom 1.Mai 1835 (da war Limborg schon zwei Wochen in Deilinghofen<br />

tätig und Josephson gerade Haftentlassener), der lapidar so<br />

lautet 332 :<br />

„Auch ist hinsichtlich <strong>des</strong> Kandidaten Josephson uns noch eine Nachricht zugekommen,<br />

daß derselbe in der gegen ihn obschwebenden <strong>Unter</strong>suchung freygesprochen<br />

sey.“<br />

Daß dieser Freispruch später revidiert wurde und nicht zu einer<br />

Begnadigung wie bei Limborg führte, paßte in die ungerechte Politik<br />

der Obrigkeit.<br />

Zuvor haben wir den Lebensweg eines jungen Mannes beschrieben,<br />

der in einem sehr erwecklich ausgerichteten Elternhaus, das den<br />

Herrnhutern nahestand, groß wurde, und der sich auf diesem Grund<br />

seit seinen Studentenzeiten auch politischen Idealen öffnete. Freilich<br />

war das auch ein tragischer Weg, in dem er sich direkt nach<br />

seiner Deilinghofer Zeit innerhalb von Kerkermauern wiederfand.<br />

Von seinem Sohn Hermann haben wir in <strong>des</strong>sen mehrfach zitierten<br />

Aufsatz ergreifende und geradezu erschütternde Selbstzeugnisse<br />

Carl Ludwig Josephsons aus der Haftzeit, in dem die einsetzende<br />

Läuterung und auch Glaubensvertiefung bei Josephson ausdrucksstark<br />

beschrieben wird. Wir wollen diese Zeugnisse, die ja auch<br />

indirekte Früchte der Deilinghofer Erfahrungen waren, unseren<br />

Lesern nicht vorenthalten.<br />

An seinen 24.Geburtstag schrieb Josephson in der Hausvogtei in<br />

Berlin folgenden Lebensrückblick:<br />

„Mein Auge blickt sinnend in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Und<br />

mancher Geburtstag ist mir vergangen, wo ich auch sann und schaute, aber ach!<br />

Wie war das Licht, das mir die Gegenstände beleuchtete, wie war Zweck, Beziehung,<br />

Gegenstand meines Sinnens so trübe, eitel, nichtig. O brünstiger Dank, daß<br />

ich in seinem Lichte, im Lichte <strong>des</strong> Wortes Gottes nun alles sehen kann, daß ich<br />

beim Vorwärts= und Rückwärtsschauen stets auch aufwärts schaue und alles<br />

beziehe auf sein Reich. Und wenn ich nun heute, wo ich vor 24 Jahren das Licht<br />

erblickte, betrachtend verweile bei der Vergangenheit, o dann beugen sich die<br />

332 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte „Verhandlungen über die Wiederbesetzung<br />

der durch den Tod <strong>des</strong> Pfarrers Basse am 25ten May 1833 erledigten Pfarrstelle<br />

in Deilinghofen“, Schreiben der Arnsberger Regierung vom 1.Mai 1835.<br />

233


Kniee meines Herzens von Dank, Demut, Scham und Reue, dann rufe ich zerbrochenen<br />

und doch freudigen seeligen Herzens mit Jakob aus: 'Ach Herr! Ich bin zu<br />

gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mir, deinem unwürdigen<br />

Knechte getan hast! ....<br />

Und ich soll noch sagen, was die Gegenwart mir gibt, die Zukunft mir noch bringen<br />

wird? I c h h a b e F r i e d e n, den Frieden, den mein Jesus auch mir hinterlassen,<br />

als er sprach: ‘Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich<br />

euch; nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und<br />

fürchte sich nicht!’ Was kümmert’s mich, daß ich, von Menschen verlassen,<br />

einsam weile im Gefängnis? Die Schuld, durch die ich selbst es mir zugezogen,<br />

die ist vergeben, <strong>des</strong> gibt der Geist mir Zeugnis. Drum ist nicht Strafe das Gefängnis<br />

mir, sondern liebende Zucht <strong>des</strong> Herrn. Und seine Liebesabsicht habe ich<br />

deutlich schon erkannt und werde noch deutlicher sie einst erkennen. - Daß mir<br />

so manche schöne irdische Hoffnung, so manche Freude entschwunden? ‘Unser<br />

keiner lebt ihm selber, und unser keiner stirbt ihm selber. Leben wir, so leben wir<br />

dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum wir leben oder sterben,<br />

so sind wir <strong>des</strong> Herrn’. - Daß ich so manches entbehren, so manches mir entsagen<br />

muß? Der Herr hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegte und - will der Jünger über<br />

seinen Meister sein? - Daß es scheinen will, als ob mich Gott vergessen habe?<br />

Daß man etwas von mir will, wovon ich nichts weiß? Daß man meinen Worten<br />

nicht Glauben schenken will? ‘Um Jerusalem her sind Berge; und der Herr ist um<br />

sein Volk her von nun an bis in Ewigkeit.’ Er wird es mir, dem Aufrichtigen,<br />

gelingen lassen, er wird mir durchhelfen, er wird Recht und Gerechtigkeit ans<br />

Licht bringen, es wird schon wieder helle werden. Er da droben heißt: Wunderbar,<br />

Rat, Kraft, Held, Ewigvater, Friedefürst, er ist der Treue und Gerechte, er<br />

hilft mir, wenn ich unterliege. Ich habe Frieden tief im Herzen, wenn es oben<br />

auch wohl stürmt und tobt, ich schau aufs Kreuz, von dort strahlt Gottes ewige<br />

Liebe und Treue hell und leuchtend mir entgegen“ 333 .<br />

An anderer Stelle in Hermann Josephsons Beschreibung der Haftzeit<br />

seines Vaters bedenkt der in Berlin Gefangene seine Haftsituation<br />

und läßt seine trostlosen Überlegungen in ein Gebet ausmünden:<br />

„Die Wellen der Trübsal umgeben mich. Einsam sitze ich hier, verlassen in meinem<br />

Kerker. Einförmig läuft die Zeit mir hin, den Gruß der Liebe hör ich seufzend<br />

nicht am Morgen; die Schwestern und die Brüder, die teure Mutter ... und<br />

die holde Braut, sie weilen fern, und mit den ihren hebt mein Auge tränennaß<br />

sich oft zum Himmel ... seufzend schau ich in der Zukunft dunkle Ferne. Wo<br />

finde ich Trost? Wo Stärke? Wo Geduld? O, ich finde die - Halleluja! Auf Gol-<br />

333 H.Josephson, S.392f.<br />

234


gatha strahlt leuchtend mir das Kreuz <strong>des</strong> Herrn. Auf Jesu totenbleichem Angesicht<br />

ruht der höchsten Liebe größte Fülle. Da glaube ich, da erkenne ich meine<br />

Gnadenwahl. Da steht <strong>des</strong> Vaters Herz mir offen, und gläubig bittend als sein<br />

Gnadenkind, find ich dort Trost, Stärke, Hoffnung und Geduld. ... Gott ist die<br />

Liebe! Und wenn er züchtigt, die größte Liebe. Und wen er züchtigt, den hat er<br />

lieb. O Vater, laß mir deine Liebe! Dann will ich gerne dulden, fröhlich leiden,<br />

dann will ich stille harren, gläubig beten, dann will ich mutig kämpfen, standhaft<br />

ringen, bis deine Liebe mir <strong>des</strong> Kerkers Tore öffnet. Anbetend fall ich nieder vor<br />

dem Thron deiner Gnade. Herr, gib mir neue Lieder in den Mund! Amen!“ 334<br />

Solch ein neues Lied wäre etwa das Wallfahrtslied von dem Herrn,<br />

der die Gefangenen Zions befreien wird, daß sie dann sein werden<br />

wie die Träumenden, weil sie, die mit Tränen säen und mit Freuden<br />

ernten, Psalm 126,1-6. Ein Trostbrief, den der gefangene Carl<br />

Ludwig Josephson im Kerker von einem Freund erhielt und der von<br />

diesem 126. Psalm handelt, ist hier noch zu dieser ersten Haftzeit in<br />

Berlin nennenswert. Hermann Josephson führt dazu aus:<br />

„In dem Buch, in das er [der Vater] seine Aufzeichnungen zu machen pflegte,<br />

liegt ein loses Blatt, auf dem ein ergreifen<strong>des</strong> Gedicht aus jener Haftzeit steht.<br />

Einige von <strong>des</strong>sen Strophen lauten:<br />

Hüter, wird die Nacht der Leiden nicht bald scheiden?<br />

Hüter, ist die Nacht schier hin?<br />

Will es nimmer, nimmer tagen? Soll verzagen?<br />

ach! vor Angst mein schwacher Sinn?<br />

Einsam sitz ich und verlassen. O mit nassen<br />

Augen weil’ im Kerker ich;<br />

schon drei Monde sind vergangen, und mit bangen.<br />

Blicken naht die Zukunft sich ....<br />

Soll vergebens ich denn bauen, gläubig schauen<br />

auf dein Wort, das ewig ist?<br />

Soll ich denn vergebens flehn, nimmer sehn,<br />

daß du, Gott, mein Helfer bist?<br />

Herr, o meiner dich erbarme! Deine Arme<br />

breite liebend nach mir aus!<br />

Herr, ach laß mich nicht verzagen, hilf mir tragen,<br />

334 H.Josephson, S.393<br />

235


führ es herrlich bald hinaus!<br />

Auf der Rückseite <strong>des</strong> Blattes stehen Worte der Liebe und Teilnahme, die ihm<br />

ein Freund gesandt. Dieser schreibt u.a.: ‘Ich suchte nach etwas Tröstlichem für<br />

Sie und fand nichts Erquicklicheres als den Psalm 126. Singen und spielen sie ihn<br />

in dem Herrn in Ihrem Herzen. Selbst kein Ignorant auf dem Kreuzeswege, weiß<br />

ich, daß jener Psalm mir schon manche Träne gespart. Möge er in bangen Stunden<br />

die Ihrigen trocknen oder, was noch besser ist, in Freudentränen verwandeln.<br />

Gott sei mit Ihnen und Ihrem ....<br />

v.Rappard“ 335 .<br />

Hermann Josephson schildert in seinem Aufsatz über das Gefangenenschicksal<br />

seines Vaters, wie nach der <strong>Unter</strong>suchungshaft in Berlin<br />

und dem (vorläufigen) Freispruch die Situation Carl Ludwig<br />

Josephsons aber noch erheblich zuspitzte, so daß man davon sprechen<br />

kann, daß „Vater ... den Leidenskelch bis zur Hefe austrinken“<br />

336 mußte. Dazu führt Hermann Josephson aus:<br />

„Da seine [<strong>des</strong> Vaters] nicht ganz unbemittelte Braut nach dem Verlust ihrer<br />

Mutter ganz allein auf der Welt stand und seine Zukunft völlig ungewiß und<br />

unübersehbar war, so gründete er nach seiner Rückkehr von Berlin in der Stille<br />

mit ihr in Neuenrade den eigenen Herd, am 10.November 1835. Es folgte eine<br />

schwere Zeit <strong>des</strong> Schwankens zwischen Furcht und Hoffnung um so schwerer, als<br />

er ohne Amt und Beruf, ohne irgendwelchen festen Aussichten für die Zukunft<br />

war. ...<br />

Fast 1½ Jahre gingen so dahin. Endlich traf das Urteil ein; es war mehr als erschütternd,<br />

es war vernichtend. Der angehende Pfarrer wurde ‘wegen Teilnahme<br />

an der Burschenschaft in Halle’ - so heißt es wörtlich in der am 11.Februar 1837<br />

veröffentlichten Entscheidung <strong>des</strong> Berliner Kammergerichts - zu sechsjähriger<br />

335 H.Josephson, S.392. Ob der Verfasser jenes wunderbaren Trostbriefes, den<br />

Josephson in seiner Haft so in Ehren hielt, verwandtschaftlich etwas mit Carl-<br />

Heinrich Rappard, dem Inspektor von St.Chrischona (1837-1909) und seiner<br />

Frau Dora Rappard, geb. Gobat, der bekannten christlichen Schriftstellerin<br />

(1842-1923) zu tun hat, wissen wir nicht. Zum genannten Ehepaar Rappard vgl.<br />

E.Geldbach/H.Burkhardt/K.Heimbucher (Hg.), Evangelisches Gemeindelexikon,<br />

Wuppertal 1973, S.429. - Nach Witteborg, S.162, der das Gedicht „Hüter, wird<br />

die Nacht der Leiden...“ auch zitiert, war es von Josephson selbst auf das Blatt<br />

geschrieben; nach H.Josephson, S.393, könnte man es evtl. auch so verstehen,<br />

daß eher ihm das Gedicht von Rappard zugeschickt gewesen wäre.<br />

336 H.Josephson, S.393.<br />

236


Festungshaft und zu lebenslänglicher Unfähigkeit, ein öffentliches Amt zu bekleiden,<br />

verurteilt.<br />

Nach unendlichen Bemühungen gelang es ihm, die Gnade <strong>des</strong> Königs dahin zu<br />

erweichen, daß die sechsjährige Festungshaft in eine halbjährige, die lebenslängliche<br />

Unfähigkeit, ein öffentliches Amt zu bekleiden, in eine dreijährige verwandelt<br />

wurde.<br />

Und doch war der Schlag noch schwer genug. Im Herbst 1837 verließ Vater seine<br />

leidende Frau und sein einjähriges Söhnchen Paul ..., um auf der Festung Wesel<br />

seine Strafe abzubüßen“ 337 .<br />

In dieser unvorstellbar harten „Kreuzesschule“, so schildert es der<br />

Sohn 338 , sind mitten aus der Bedrängnis in Wesel „in gebundener<br />

und ungebundener Form ergreifende Lieder und Worte“ <strong>des</strong> Carl<br />

Ludwig Josephson entstanden, von denen der Konsistorialrat <strong>des</strong><br />

Vaters Gedicht mit der „Ueberschrift ... Hoffnung“ mitteilt:<br />

Was wird’s doch sein, wenn ich euch wiedersehe,<br />

o du mein teures Weib, o liebes Kind;<br />

was wird’s doch sein nach allem bittern Wehe,<br />

wenn ich euch dankend, jubelnd wiederfind’! .....<br />

Ach! einsam muß ich und verlassen wallen,<br />

kein freundlich Auge grüßet liebend mich,<br />

ich höre nicht <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> süßes Lallen,<br />

und hart vermisse, teures Weib ich dich.<br />

Nicht kann ich mit dir, o Geliebte, beten,<br />

wie wir’s gewohnt am traulich stillen Herd,<br />

nicht Hand in Hand mit dir zum Herren treten --<br />

o Gott, was hab ich alles nicht entbehrt .....<br />

Vereine wieder, was du, Herr, getrennt,<br />

vereine wieder, was so treu sich liebt,<br />

vereine, was vereint in sich dir nennt,<br />

vereine, was zerrissen und betrübt .....“.<br />

337 H.Josephson, S.393.<br />

338 Alles hier Zitierte aus: H.Josephson, S.393.<br />

237


3. Die Verbindung zwischen Deilinghofen und Wupperfeld - Zu<br />

C.L.Josephsons späterem Wirken<br />

In einem Schlußausblick haben wir hier darzustellen, wie es mit<br />

diesem jungen Mann Carl Ludwig Josephson nach 1834 weiterging,<br />

der - wie schon angedeutet - erst nach seiner Haftentlassung<br />

in Wesel (1838) ein Pfarramt anstreben durfte. Ganz kurz nach der<br />

Weseler Festungszeit war er - was zu allem Schlimmen hinzukam -<br />

im April 1838 zum ersten Mal zum Witwer geworden. Anschließend<br />

heiratete er die aus Lüdenscheid stammende Pfarrerstochter<br />

Emilie Philipps, und als Pfarrer in Heedfeld bei Lüdenscheid wirkte<br />

er von 1839 bis 1842, danach als Pfarrer an St.Pauli in Soest von<br />

1842 bis 1845 339 , bevor die entscheidende Station: Pfarramt in<br />

Barmen-Wupperfeld erreicht war, die Stelle, an der er jahrzehntelang<br />

sehr segensreich bis zu seiner Pensionierung Pfarrer war.<br />

Wenn dieses Buch vom Titel her auch nur ‘bis 1834 geht’, so muß<br />

dieser Ausblick auf Josephsons Wupperfelder Wirken hier aus gutem<br />

Grund doch etwas umfangreicher ausfallen, als man erwarten<br />

könnte. Schon angedeutet wurde im vorigen <strong>Unter</strong>abschnitt, daß die<br />

evangelische Gemeinde Barmen-Wupperfeld 340 eine gewisse innere<br />

Verbindung zur Deilinghofer Gemeinde besaß, nämlich dadurch,<br />

daß Wupperfeld der langjährige Wirkungsort unseres Carl Ludwig<br />

339 Alle bisherigen Angaben nach Bauks, S.236 Nr.2995, und aus H.Josephson.<br />

340 Die Gemeinde Barmen-Wupperfeld wurde oben <strong>des</strong> öfteren genannt. Z.B. war<br />

auch der berühmte Pastor der Bauernkirche Johann Abraham Strauß, der ja aus<br />

Elberfeld stammte, 1780 in Barmen-Wupperfeld Hilfsprediger gewesen. Auch<br />

von der Bauernkirche aus gehen mehrere Verbindungslinien nach Wuppertal:<br />

Straußens Adjunkt, der ‘Brosamenmann’ Ludwig Carl Josephson war ja Vetter<br />

<strong>des</strong> Ex-Deilinghofer und nun Wupperfelder Pfarrers, und Straußens berühmter<br />

Sohn Gerhard Friedrich Abraham hatte 1809 die lutherische Pfarrstelle in<br />

Ronsdorf bekommen (wo Witteborg 1894 eingeführt wurde vor der Zeit in Wupperfeld,<br />

vgl. Bauks, S.568 Nr.7054).<br />

238


Josephson bis zu seinem Ende wurde und auch der Geburtsort seines<br />

Sohnes Max Johannes Josephson, <strong>des</strong> späteren Deilinghofer<br />

Pfarrers, der dann ja als Gründungsvater <strong>des</strong> hiesigen CVJM bei<br />

uns wichtige Entwicklungen einleitete. Aber eigentümlicherweise<br />

gibt es noch eine weitere innere Verbindungslinie zwischen Wupperfeld<br />

und Deilinghofen, auf die wir hier zu kommen haben:<br />

Über die restliche Entwicklung unseres Carl Ludwig Josephson<br />

(nach den dramatischen Ereignissen der Festungshaft) gibt nämlich<br />

am besten sein Deilinghofer und Wupperfelder Amtskollege August<br />

Witteborg in seiner 1927 geschriebenen „Geschichte der evang.-lutherischen<br />

Gemeinde Barmen-Wupperfeld“ Auskunft. Pastor Witteborg<br />

(1860-1944) war in Deilinghofen (übrigens ein sehr angesehener)<br />

Pfarrer von 1885 bis 1894, und zwar direkter Amtsnachfolger<br />

<strong>des</strong> genannten CVJM-Gründers Josephson II. August Witteborg<br />

war nach einem Zwischenspiel als lutherischer Pfarrer in Ronsdorf<br />

Pfarrer in Barmen-Wupperfeld (von 1899 bis 1930); in Barmen<br />

starb er auch 1944 341 .<br />

In Witteborgs oben genannter ‘Kirchengeschichte Wupperfelds’ -<br />

die sorgfältig erstellte Arbeit erschien zum 150jährigen Bestehen<br />

der Gemeinde -ging dieser auch ausführlich auf die Aktivitäten <strong>des</strong><br />

Carl Ludwig Josephson ein 342 , der also nach seiner Gefangenschaftsszeit<br />

dann schließlich Pfarrer in Wupperfeld wurde. Im<br />

Rahmen der „Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte“ ist es aus<br />

den genannten Gründen höchst interessant, hier über 1834 hinauszugreifen<br />

und einiges aus der Feder <strong>des</strong> Ex-Deilinghofer Witteborg<br />

über den Ex-Deilinghofer Carl Ludwig Josephson mitsamt seinem<br />

familiären Umkreis und seiner Theologie und kirchlichen Wirksamkeit<br />

zu erfahren.<br />

Witteborg schreibt aus seiner guten Kenntnislage heraus zur Zeit<br />

nach der Haft und zu den zu den schon genannten Wirkungsstationen<br />

von Josephson in Heedfeld und Soest:<br />

341 Zu den Lebensstationen und Daten vgl. Bauks, S.568 Nr.7054.<br />

342 Witteborg, S.160-168.<br />

239


„Als er [sc. C.L:Josephson] 1838 entlassen wurde, starb in demselben Jahre, am<br />

24.April seine Frau und hinterließ ihm zwei kleine Kinder. Und er konnte auch<br />

dieses Leid aus der Vaterhand Gottes annehmen und tragen. Dann erhielt er am<br />

26.April 1839 die Pfarrstelle in Heedfeld bei Lüdenscheid, verheiratete sich, um<br />

seinen Kindern eine Mutter zu geben, mit Emilie Philipps in Lüdenscheid und<br />

entfaltete dann die Kraft der ihm von Gott im tiefen Leid geschenkten Gnade<br />

vom 30.Juni 1842 an als Pastor der St.Pauligemeinde in Soest, wo durch seine<br />

und Pastor Wiesmanns Tätigkeit eine Erweckung entstand, da sie die einzigen<br />

Pastoren dort waren, die Gottes Wort mit Beweisung <strong>des</strong> Geistes und der Kraft<br />

verkündigten.<br />

Bald kam ein neuer Schlag: am 18.März starb seine zweite Frau auch an der<br />

Schwindsucht. Vier Kinder waren zu erziehen, am 14.Sept. 1844 reichte ihm die<br />

Schwester der verstorbenen Sophie Philipps die Hand zum Ehebündnis. Noch<br />

indemselben Jahre erfolgte seine Wahl nach Wupperfeld. Aber erst am 6. März<br />

konnte er eingeholt werden, in Vogelsang von einer Menge Wagen und Reitern<br />

abgeholt“ 343 .<br />

Die schweren Schicksalsschläge waren für Josephson noch nicht<br />

zuende 344 :<br />

„Am 9.November 1861 starb seine dritte Frau, nachdem sie an demselben Morgen<br />

einen Sohn geboren hatte, der zwei Monate später seiner Mutter folgte. Fünf<br />

Kinder waren auswärts, aber sechs noch zu Hause. Wer sollte sie erziehen? Da<br />

heiratete er zum vierten Mal und zwar Anna von der Schulenburg, Tochter <strong>des</strong><br />

General-Leutnants Hermann von der Schulenburg, eine Diakonisse vom Hause<br />

Bethanien in Berlin, am 1.Oktober 1863. (Der Volksmund sagt, er habe zuerst<br />

die reiche, dann die schöne, dann die kluge und dann die vornehme Frau gehabt.)<br />

Noch drei Kinder wurden ihm geboren, aber zwei ältere starben am 19. und<br />

21.März 1867, vier Jahre später eine Schwiegertochter und ein Sohn, 1878 eine<br />

Tochter, 1879 wieder ein Schwiegersohn, 1881 ein Sohn. Welch eine Summe<br />

von Leid!“<br />

Für Deilinghofen ist daraus wichtig, daß Max Johannes Josephson,<br />

der spätere hiesige CVJM-Gründer, geboren in Wupperfeld am<br />

2.Januar 1854 Sohn der ‘Klugen’ der vier Frauen war: Sohn der<br />

dritten Frau Marianne Sophie Theodore Philipps 345 . Und bedeut-<br />

343 Witteborg, S.162f.<br />

344 Witteborg, S.164f.<br />

345 Vgl. Bauks, S.236 Nr.2995; sie und ihre Schwester, Josephsons zweite Frau,<br />

waren Töchter <strong>des</strong> Lüdenscheider Pfarrers und Superintendenten Peter Kaspar<br />

Heinrich Philipps (1795-1849; vgl. Bauks, S.382 Nr.4737), <strong>des</strong> Stammvaters der<br />

stattlichen Pfarrerdynastie der Philipps’ (vgl. Bauks, S.382f. Nr.4738 bis<br />

240


samer noch ist, daß dieser Deilinghofer Josephson II in seiner<br />

Kindheit und Jugend all dies familiäre Leid als Erbteil mit auf seinen<br />

Weg bekam, aber sicherlich auch die Glaubensstärke und die<br />

missionarische Engagiertheit seines Vaters.<br />

Was letzteres betrifft, war Deilinghofens Josephson I in seinem<br />

langen Wirken in Wupperfeld ein ebenso ungewöhnlicher Mann!<br />

Liest man Witteborgs Arbeit zu Carl Ludwig Josephson läßt sie<br />

keinen Zweifel daran, und man könnte sich dabei klagend fragen,<br />

was alles der evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen durch<br />

die verhinderte Anstellung dieses Mannes geistlich verloren ging<br />

im vorigen Jahrhundert...<br />

Einige das theologische Profil <strong>des</strong> Wupperfelder Pfarrers Carl Ludwig<br />

Josephson charakterisierende Abschnitte sind hier nach Witteborg<br />

anzufügen. Bezeichnend ist schon, daß die Gemeinde Wupperfeld<br />

in ihrer ‘Pfarrerwahl-Politik’ durchaus anspruchsvoll war,<br />

denn bevor unser Josephson dort Pfarrer wurde, hatten sie sich keinen<br />

Geringeren als Philipp Spitta (1801-1859), den bekannten Liederdichter<br />

(‘Es kennt der Herr die Seinen’, ‘O komm du Geist der<br />

Wahrheit’ u.v.a.), als ihren Pastor auserkoren. Spitta aber mußte<br />

absagen,<br />

„weil ihm sein streng konfessioneller Standpunkt nicht gestatte, ein Amt an einer<br />

zwar lutherischen, aber doch der Union zugehörigen Gemeinde zu übernehmen“<br />

346 .<br />

Als dann in Wupperfeld gewählt wurde am 28.November 1844, da<br />

schaffte es unser Josephson, der Ex-Häftling, der in Berlin und Wesel<br />

hinter Gittern gesessen hatte, seinen Konkurrenten, „Pastor<br />

Möller in Diesfort“, einen hochkarätigen Mann, der immerhin später<br />

zum „Generalsuperintendenten in Magdeburg“ 347 wurde, im<br />

Nr.4746). Der gute Kenner der Unnaer Geschichte, Willy Timm, führt aus, daß<br />

dieser aus Opherdicke stammende Pfarrer „Kaspar Philipps ... auch dem Kreis<br />

der Unnaer Erweckten zugerechnet wird“ (Unnaer Judentaufen 19.Jahrhundert,<br />

in: Jahrbuch für Westfälische Kirchengeschichte 84 (1990), S.231. (In Unna war<br />

ja der Vater dieses Josephson 1805 zum Christentum übergetreten).<br />

346 Witteborg, S.160f.<br />

347 Beide Zitate nach: Witteborg, S.161.<br />

241


zweiten Wahlgang mit 42:29 Stimmen aus dem Rennen zu schlagen.<br />

Ebenso war Josephson ja genau zehn Jahre zuvor bei der beschwerlichen<br />

und dann schließlich gescheiterten Wahl in Deilinghofen<br />

als ein äußerst befähigter und viele andere überragender<br />

Theologe ins Rennen gegangen.<br />

Inhaltlich vermerkt Witteborg, einen Zeitzeugen zitierend, zur Art<br />

<strong>des</strong> Josephsonschen Wirkens Folgen<strong>des</strong> 348 :<br />

„Ob er den ganzen Schatz alt- und neutestamentlicher Wahrheit vor der Gemeinde<br />

ausbreitete ..., ... ob er über Bergpredigt [ 349 ], Ehe, Kindererziehung, das Verhältnis<br />

der Herrschaften und Dienstboten, die Pflichten gegen die Obrigkeit, den<br />

Eid redete, aus allem tönte der Glauben an den Gekreuzigten. Dabei war und<br />

blieb er selbst demütig, weil er ein lebhaftes Gefühl seiner Sünden hatte und die<br />

ständigen Kämpfe gegen sie duchmachte. Er hatte ein hohes Amtsbewußtsein,<br />

duldete keinen Widerstand und leitete die Gemeinde. ... Das Köstlichste in seinem<br />

Leben war es Sünder selig zu machen. Darum war er ein Priester in seinem<br />

Haus und in der Gemeinde.“<br />

Aus eigner Sicht setzt Witteborg da hinzu 350 :<br />

„Und ... er war eine geheiligte Persönlichkeit, vor der jedermann Ehrfurcht hegte.<br />

Es ist bezeichnend, daß der Barmer Witz, der sonst so leicht keinen verschont,<br />

sich an ihn nicht heranwagte.“<br />

Witteborg erzählt weiter zur ‘kirchlichen Karriere’ und zur Wupperfelder<br />

Art der Amtsführung bei Josephson 351 :<br />

„1855 wurde er zur Teilnahme an einer Generalkirchenvisitation in der Synode<br />

Minden und 1856 in Stralsund und Rügen von der obersten Kirchenbehörde<br />

aufgefordert. Bis in sein hohes Alter hat er jede Predigt aufgeschrieben und memoriert.<br />

Seine Reden waren kraftvoll und klar, wurden mit wohllautendem Organ<br />

lebhaft vorgetragen und weckten das Gewissen auf. In der späteren Zeit nahmen<br />

sie mehr den Charakter einer Bibelstunde an. Oft las Josephson längere Bibelstellen<br />

vor, deren Aufschlagen immer einige Zeit in Anspruch nahm, aber auch diese<br />

Art der Rede war packend und ergreifend. Für die geschäftliche Seite <strong>des</strong> Pfarramts<br />

hatte er wenig Neigung, auch nicht für Kindergottesdienste, Vereinspflege,<br />

Gemeinschaftspflege und dergleichen.“<br />

Ob Josephson dem in Wupperfeld bereits um 1849 gegründeten<br />

‘Jünglingsverein’ (im Blick auf den sein in Wupperfeld geborener<br />

348 Witteborg, S.163.<br />

349 Von C.L..Josephson kam um 1860 ein Bergpredigt-Buch raus ;Bauks, S.236.<br />

350 Witteborg, S.163.<br />

351 Witteborg, S.162.<br />

242


o.g. Sohn Hermann 1899 die später gedruckte Festpredigt hielt 352 )<br />

auch skeptisch gegenüberstand, wissen wir nicht, und ob er, der ja<br />

auch noch im Alter in Deilinghofen war, den dort von seinem Sohn<br />

Max Johannes gegründeten ‘Jünglingsverein’ mit Wohlgefallen zur<br />

Kenntnis nahm, ist uns genauso unbekannt.<br />

Josephson starb am 7.Juli 1888 in Bielefeld, und wie bei Dümpelmanns<br />

Heimgang seinerzeit wurde von einem der Amtsbrüder Josephsons,<br />

Pastor Frick, beim Beerdigungsgottesdienst in Wupperfeld<br />

über Lukas 2, 29f. (‘Simeons Abschied’) gepredigt. Auf seinem<br />

Grabstein stand das Wort <strong>des</strong> anderen ‘Leichenpredigers’,<br />

Pastor Kirschstein: 1.Tim.1,15 353 . Es paßt bestens zu Josephsons<br />

„Lebens-programm: nichts als Christum den Gekreuzigten wollte er<br />

verkündigen, und er hat sein Vorhaben und Versprechen gehalten“<br />

354 . So kann 1.Tim.1,15 hier auch als treffliches Abschlußwort<br />

dieses Kapitels stehen. Der da - anstelle von Menschen - gepriesen<br />

wird, soll auch in Deilinghofen, Wupperfeld, Hemer, Iserlohn,<br />

Hemmerde und anderswo heute und alle Zeiten das letzte Wort<br />

haben:<br />

352 Vgl. oben , S.222 A.317.<br />

353 Vgl. dazu H.Josephson, S.391: daß Superintendent Kirschstein „vor Tausenden<br />

Gedächtnispredigt über 1.Tim.1,15“ hielt, und das war „das Wort, der Entschlafene<br />

schon in jungen Jahren unter sein Bild gesetzt und es als die Losung<br />

seines Lebens bezeichnet hatte“.<br />

354 Witteborg, S.163.<br />

243


Das ist gewißlich wahr und ein teuer wertes Wort, daß<br />

Christus Jesus in die Welt gekommen ist, die Sünder<br />

selig zu machen, unter denen ich der Vornehmste bin.<br />

1. Timotheus 1, Vers 15<br />

C. SCHLUSSTEIL<br />

1. Nachwort zu diesem Buch<br />

In der Einleitung hatten wir von jenem krisenzerrissenen Hans Lennacker<br />

gehört, der nach zwölf Fiebernächten wie im Traum die<br />

Lebensgeschichten seiner Vorfahren, der Pfarrer Lennacker, erschaut<br />

hatte, und der nach allem innerlich geläutert und genesen<br />

war.<br />

Viel mehr als zwölf Nächte mit fieberhafter Arbeit brauchte das<br />

Herausgeber-Team, um diesen recht umfangreich gewordenen<br />

Band der „Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte“ in der vorliegenden<br />

Form zu veröffentlichen. Aber vielleicht geht es einigen<br />

Lesern so wie uns: Wir waren oft fasziniert von dem, was uns da<br />

von früher her entgegentrat. Bei der Arbeit an diesen Texten haben<br />

wir an vielen Stellen einfach nur noch gestaunt darüber, was hiesige<br />

Heimat- und Kirchengeschichte zu bieten hat, und was alles mit<br />

den Lebensgeschichten der ersten Bewohner <strong>des</strong> Alten Pastorats<br />

verbunden war. Zwar nicht ‘innerlich genesen und geläutert’, aber<br />

immerhin sehr bereichert, beenden wir kurz vor der Adventszeit<br />

1994 diese Arbeit, die wir 1991 begonnen hatten.<br />

244


Daß man Gott als Herrn der Geschichte erkennen und preisen kann<br />

- mitten in den verworrenen Linien menschlicher Biographien -, das<br />

hatte Ina Seidel in ihrem Roman ‘Lennacker’ gezeigt. Das Gleiche<br />

mag man - mit den rechten Augen gesehen - auch im Kleinen im<br />

Blick auf unsere vier Deilinghofer Pfarrer wahrnehmen.Und viele<br />

Erfahrungen aus der Deilinghofer Kirchengeschichte (man denke<br />

da besonders an Dümpelmann und Josephson) sind Verpflichtung<br />

und Ansporn, die gegenwärtige schreckliche Krisenzeit unserer<br />

Kirche mit entsprechendem Gottvertrauen und Engagement zu<br />

durchstehen und da Zeugnis zu geben von Jesus Christus.<br />

Recht verstanden macht Kirchengeschichte aber auch demütig und<br />

tröstet zugleich: Man merkt, daß man selbst nicht der ‘Nabel der<br />

Welt’ ist, und daß all’ das mit den Chancen und Nöten <strong>des</strong> Glaubens<br />

nicht mit mir selbst ‘beim Punkt Null’ beginnt, sondern daß<br />

ich in einer Kette von Menschen stehe, die vor mir an entscheidenden<br />

Punkten ähnlichen Herausforderungen <strong>des</strong> Glaubens begegnen<br />

mußten.<br />

Wenn wir im folgenden Abschnitt: ‘Herbert Schulte und Siegfried<br />

Schunke in memoriam’ zweier alt gewordener Männer gedenken,<br />

die 1991 noch das Erscheinen von <strong>BDKG</strong> 1 und 2 mit Freuden erlebten<br />

und dann beide im Frühjahr 1992 aus dieser Welt abberufen<br />

wurden, tun wir das in Dankbarkeit für alles das, was diese beiden<br />

an Vorarbeit zum Zustandekommen unserer vorliegenden Arbeit<br />

geleistet haben. An vielen Stellen <strong>des</strong> Textes klingt das ja an (im<br />

Blick auf Herbert Schulte besonders S.98f. im Blick auf Siegfried<br />

Schunke besonders S.58 A.6).<br />

Wir wollen im nächsten Abschnitt zwei kleine Skizzen zum Leben<br />

beider darbieten, wie sie auf unseren Wunsch von den nächsten<br />

Angehörigen, Superintendent Remmer Schunke, Dortmund, und<br />

Heidemarie Schweer, Westig, aufgeschrieben wurden.<br />

Unser Dank gilt darüber hinaus vielen, die uns halfen: Cordula<br />

Bartmann (Deilinghofen) für viel Schreibarbeit, Peter Alberts,<br />

(Sundwig) und Dr. Georg Gudelius (Gießen) stellvertretend für viele<br />

anderen kirchengeschichtlichen Informanten, den Archivarinnen<br />

und Archivaren, die uns halfen (namentlich seien Pfr. Hans-Martin<br />

245


Herbers vom Burg-Archiv Iserlohn, Eberhard Thomas vom Stadtarchiv<br />

Hemer sowie Herrn Krieg vom Neuwieder Archiv der Brüdergemeine),<br />

den inserierenden Firmen, die man bitte beachten<br />

möge, und last not least unseren toleranten Frauen, die uns sehr viel<br />

Freiraum zum Forschen und Schreiben ließen.<br />

Deilinghofen, am 1. Advent 1994<br />

Im Namen <strong>des</strong> Herausgeber-Teams<br />

Groth, Pfr.<br />

2. Siegfried Schunke und Herbert Schulte in memoriam<br />

Zum Leben von Pfarrer Dr. Siegfried Schunke<br />

246<br />

Mein Vater Siegfried Schunke wurde<br />

am 18. Mai in Hemer geboren, wo er<br />

auch seine Jugendzeit verbrachte.<br />

Durch viele Besuche in der Sundwiger<br />

Mühle erhielt mein Vater schon als<br />

Heranwachsender Zugang zur Brüdergemeine<br />

- später wurde das das Thema<br />

seiner Doktorarbeit.<br />

Mein Vater war von 1937 bis 1955 in<br />

Gelsenkirchen-Rotthausen in einer<br />

typischen Bergarbeiter-Gemeinde <strong>des</strong><br />

Ruhrgebiets. Ich denke, man darf sagen,<br />

daß mein Vater die Sprache der<br />

Leute sprach, direkt und herzlich. Geradeaus.<br />

Er galt bei vielen als der<br />

"Kumpelpastor"...<br />

1955 ging mein Vater nach Unna-<br />

Königsborn; es war ein teils ländlich,


teil von der Industrie geprägter Gemeindebezirk. Auch hier war es vor<br />

allem der Besuchsdienst, die Verkündigung und die Seelsorge, durch die<br />

mein Vater schnell Kontakt zu den Gemeindegliedern fand. Er hat unendlich<br />

viele Besuche gemacht. Im Nachruf der Gemeinde heißt es u. a.:<br />

"Von 1955 bis 1971 war er Seelsorger an der Christuskirche zu Unna-<br />

Königsborn. Die Spuren seines treuen Wirkens sind noch heute deutlich<br />

zu erkennen."<br />

Mit Eintritt in den (vorzeitigen) Ruhestand (wegen Krankheit) ging mein<br />

Vater in die Heimat meiner Mutter. Nach rascher Erholung hat er neben<br />

heimatkundlichen Studien (Herausgabe einer Stadtgeschichte von Esens)<br />

schon bald zahlreiche Vertretungsdienste in den Kirchengemeinden Ostfrieslands<br />

übernommen. Bis zum seinem 80. Geburtstag stand er fast<br />

Sonntag für Sonntag auf der Kanzel. Im Nachruf <strong>des</strong> Kirchenkreises für<br />

das Harlingerland heißt es: "Seit Beginn seines Ruhestan<strong>des</strong> hat er in<br />

den Gemeinden <strong>des</strong> Harlingerlan<strong>des</strong> im Pfarrdienst mitgeholfen. Viele<br />

Jahre hindurch wirkte er als Prediger und Seelsorger im früheren Esenser<br />

Krankenhaus und später im Seniorenzentrum... Er weckte Verständnis für<br />

die örtliche Kirchengeschichte durch eigene Forschungen und Veröffentlichungen."<br />

Außerdem hat er im ‘Arbeitskreis Juden und Christen’, den er mitgegründet<br />

hatte, gearbeitet. Selbstverständlich auch im Heimatverein, in <strong>des</strong>sen<br />

Nachruf es u.a. hieß:´"Mit Liebe und Engagement hat er insbesondere für<br />

die Forschung und Bewahrung <strong>des</strong> geschichtlichen Lebens seiner zweiten<br />

Heimat gearbeitet."<br />

Sie sehen, Gemeindearbeit und Heimatforschung (wo immer er gerade<br />

gelebt und gearbeitet hat), ziehen sich wie ein roter Faden von Hemer<br />

über Rotthausen (dort entstand seine Doktorarbeit), Unna-Königsborn<br />

(Hier u.a. sine Schrift über Philipp Nicolai, den Liederdichter) bis nach<br />

Esens/Ostfr., wo meine Eltern noch 21 gemeinsame glückliche Jahre<br />

verbracht haben. Gestorben ist mein Vater am 5. März 1992 (nach kurzer<br />

Krankheit) in Wittmund-Esens.<br />

Remmer Schunke, Dortmund<br />

Zum Leben von Herbert Schulte, Iserlohn<br />

247


Herbert Schulte wurde am 30. Juni 1906 in Westig, Frönsberger Straße 9<br />

(heute Rückertstr.) geboren.Nach dem Besuch der Westiger Volksschule<br />

und der Höheren Schule zu Iserlohn absolvierte er eine kaufmännische<br />

Lehrer bei der Firma Otto<br />

Kuhlmann, Westig. Ein anschließen<strong>des</strong><br />

Sprachstudium<br />

führte ihn nach London. Von<br />

dort ging er nach Berlin und<br />

arbeitete bei den Bergmann-<br />

Elektrizitätswerken und den<br />

Dürener Metallwerken als<br />

Fremdsprachekorrespondent.<br />

1942 heiratete er Lieselotte<br />

Roßbach. 1943 wurde die<br />

einzige Tochter Heidemarie<br />

geboren. 1943 wurde die Familie<br />

in Berlin ausgebombt<br />

und zog zunächst ins Ruhrgebiet,<br />

später 1944 ins Elternhaus<br />

nach Westig.<br />

1943 wurde Herbert Schulte<br />

eingezogen und diente als<br />

Schütze bis Juli 1945 in Polen,<br />

Frankreich, Belgien und Jugoslawien. Nach Kriegsende arbeitete er<br />

bei der Britischen Besatzungsmacht als Dolmetscher und Bürovorsteher.<br />

Später fand er bei verschiedenen Firmen im hiesigen Raum Arbeit als<br />

Industriekaufmann.<br />

In seiner zweiten Lebenshälfte widmete sich Herbert Schulte leidenschaftlich<br />

der Familienforschung. Die Linie seiner Ahnen väterlicherseits, die<br />

aus Deilinghofen stammt (sein Vater Gustav Dietrich Schulte wurde am<br />

30. 1. 1881 in Deilinghofen an der Hönnetalstraße geboren) verfolgte er<br />

bis ins 15. Jahrhundert.<br />

Bei seinen Recherchen verbrachte mein Vater viel Zeit im Deilinghofer<br />

Pastorat. Aufgrund dieser intensiven Familienforschung befaßte er sich<br />

ebenso gerne mit der Heimatgeschichte, besonders der <strong>des</strong> Deilinghofer<br />

Kirchspieles. Er studierte die Kirchenbücher, erfaßte alte Bauernhöfe<br />

(Ermittlung der Größen, Pachten und Abgaben, legte Namensregister an<br />

usw..)<br />

Familien- und Heimatforschung betrieb Herbert Schulte nicht nur im heimischen<br />

Raum, sondern viele Dokumente sah er in Archiven auswärtiger<br />

Städte bis ins benachbarte Ausland ein.<br />

248


Herbert Schulte starb am 21. Januar 1992 und fand seine letzte Ruhestätte<br />

auf dem Waldfriedhof in Hemer-Westig.<br />

Heidemarie Schweer, Westig<br />

Beilage 1:<br />

Dümpelmann als Dichter<br />

[Das hier abgedruckte Deilinghofer Heimatgedicht von 1768 haben wir in zwei<br />

leicht voneinander abweichenden maschinenschriftlichen Abschhriften, und zwar<br />

von Fritz Schauff (Schauff-Aktenordner, Stück Nr. 9, vgl. oben S.56f A.3) und<br />

von Diedrich Heer (Heer, vgl Literaturverzeichnis, S.27-33). Wir drucken es hier<br />

in der Schauff-Fassung ab, und wo beide Versionen voneinander abweichen,<br />

fügen wir in eckigen Klammern die Variante, die Heer bietet ein. Sinnabschnitte<br />

und Stropheneinteilung - Ausnahme: ‘Marks-Varianten’ - wurden redaktionell<br />

hinzugefügt.]<br />

Wenn alle Welt was schreiben will,<br />

So tu ich auch dran nicht zuviel;<br />

Wenn ich die Gegend meines Orts<br />

Ohn jemandem zu bieten Trutz<br />

249


In ihrem Umfange beschreib,<br />

Doch immer bei der Wahrheit bleib,<br />

Auf dass nicht jemand sagen kann,<br />

Der hat dem Werk zuviel getan.<br />

Deilinghofen, ein Dorf im Amt<br />

Zu Iserlohn gar wohl bekannt,<br />

Ist’s ziemlich gross in sein’m Bezirk<br />

[Heer: ist ziemlich groß]<br />

An Wohnungen nebst Schul und Kirch.<br />

Der Haushaltung sind sechzig Acht<br />

Er Einleger hiermit bedacht.<br />

[der Einleger hiermit bedacht.]<br />

Liegt an der Strasse welche schier<br />

Von Iserlohn nach Balve führ.<br />

Nach Süden, Osten liegt der Wald<br />

Daraus man hat Brand <strong>Unter</strong>halt;<br />

Zur Viehzucht ist er wohl gelegt<br />

Deshalb versorget und verpflegt.<br />

[Dasselb versorget und verpflegt]<br />

Das Feld hierselbsten gleich und gut<br />

Des Jahrs sein Früchte bringen tut.<br />

Der Weiz, Roggen, Hafer, Gerste<br />

Wächst fürwahr hier [auch] aufs Beste.<br />

Äpfel, Birnen, Pflaum, Morellen,<br />

Kühling, Grunlen, Pier, Forellen,<br />

Wurzeln, Rüben, Wicken, Bohnen,<br />

Klee, Erdäpfeln, Erbsen, Schonen,<br />

Zwiebeln, Hirse, Kohl, Salat,<br />

Kapps, Rettig und Rübesaat,<br />

Knoblauch, Schleen, Quitten, Flechse,<br />

Hanf, Kastanien, Blumgewächse,<br />

Erdbeern, Himbeern, Brombeern, Nüsse,<br />

Heidelbeern, Buch, Engesüsse,<br />

Eicheln, Holderbirnen, Mispeln,<br />

Linden, Eschen, Weiden, Espeln,<br />

Sind die Früchte, welche man<br />

Zu seinem Nutz hier brauchen kann.<br />

Ist’s schon nicht im Überfluss<br />

So wächst soviel man haben muss.<br />

250


Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen,<br />

Hasen, Füchse, Dächse, Igel,<br />

Hirsche, Rehe, wilde Schweine,<br />

Marder, Iltis, Hermeleine,<br />

Esel, Kuynen, Hunde, Katzen,<br />

Kröte, Frösche, Mäuse, Ratzen,<br />

Hühner, Gänse, Enten, Raben,<br />

Kann man überflüssig haben;<br />

Geitling, Drossel, Eulen, Sprahlen,<br />

Lerche, Sperling, Finken, Dohlen,<br />

Tauben, Wachteln, Schnarren, Habicht,<br />

Schwalbe, Fledermaus, Zaunkönig,<br />

Nachtigall, Feldhuhn und Elster,<br />

Bachstelz, Rundgant, Rotbrust, Hexter,<br />

Spechte, Krähen, - - - - -<br />

Schneppen, Bohmer und Hoetmuden,<br />

Wiederhopf, Kuckuck und Baumkleiber,<br />

Meisen, Backen und so weiter<br />

Das sind Vögel welche hier<br />

Hecken und sich mehren schier.<br />

[leben und sich mehren schier]<br />

Davon einge kein geacht<br />

Von Unrein wird gar nichts gemacht,<br />

Den Reinen tut man Stricke hangen/ Unreinen<br />

Drin sie sich selbst viele fangen.<br />

Man brät dieselbe gut in Butter<br />

So wahrlich ist kein schlechtes Futter.<br />

Regenmörder, Hummeln, Fliegen,<br />

Mucken, Läuse, Flohe, Bieggen,/ Mücken/ Flöhe<br />

Vermollen, Wespen, Hornissen, Bienen,<br />

Bremsen, Molkentöfer, Spinnen,<br />

Raupen, Schlicken, Käfer, Schnaken,<br />

Maulwürf, Schlangen und Heuschrecken<br />

Sind auch Tierlein welche all<br />

Hier sich mehren ohne Zahl,<br />

Doch sind sie - - - - -<br />

Nichts als lauter Ungeziefer.<br />

251


Gewerbe ist hier Ackerbau.<br />

Und Handwerker macht allerlei;<br />

[auch der Handwerker macht allerlei]<br />

Das Dorf durch Vorsteher wird regiert<br />

Nebst Bauerbote zu Dienst geführt.<br />

Weltöffentlich Gebäud sind hier kein,<br />

Die Wohnung sind von Holz und Stein.<br />

Widrig Schicksal und Herzeleid<br />

Als: Pest, Brand, Krieg und teure Zeit,<br />

Darin hat’s hier garnicht gefehlt.<br />

Ist mancher Vater worden arm<br />

Von Geld entblösst, das[s] Gott erbarm.<br />

Religion<br />

Es ist bekannt, das[s] vormals hier<br />

Die ganz Gemein papistisch schier<br />

Gewesen ist; doch nach der Zeit<br />

Empfangen hat ein ander Kleid,<br />

Sodass dieselb nun lutherisch heisst<br />

Wie solches genug die Lehr ausweist.<br />

Nach Christ Geburt tausend Jahr<br />

Fünfhundertsechzig fünfe war,<br />

Die Zeit da das Papsttum so gross<br />

Hier litt einen harten Stoss.<br />

So gar das[s] jetzt kaum Zehne sind,<br />

Die man noch recht papistisch find’. [sind]<br />

Herr Lange war der erste Mann,<br />

Dies grosse Werk zu fangen an,<br />

Er schaffte ab die Ohrenbeicht,<br />

Die Mess, das Fegefeuer gleich.<br />

Er lehrt, man würd’ durch Christi Blut<br />

Selig und nicht durch Werke gut.<br />

Er liess sich nicht die Augen blenden<br />

Die Gemeinde grade hin zu wenden<br />

Zur Wahrheit, die das Wort zum Grund’,<br />

Jetzt dass Gott selbst red durch seinen Mund.<br />

Ob ihm schon geschah stark Widerstand<br />

252


So behielt er doch die Oberhand.<br />

[So hielt er doch die Oberhand]<br />

Ihm folgte Herr Satorius [Sitorius] nach<br />

Was nach [noch]verschlossen, der zerbrach<br />

Jahn Störing lehrt an diesem Ort<br />

Und sein Successor Osterport<br />

Wie auch H. Hülshoffs Mollers Ehrn<br />

Die evangelisch luthersch Lehrn.<br />

Herr Gottfried Wilhelm Dümpelmann<br />

Der stifte noch viel schönes an.<br />

Den Fried mit Gott sein ganzer Will<br />

Hält seinem Jesu allzeit still’.<br />

Er sparet garnicht seine Kräfte<br />

Das ist allzeit sein Geschäfte.<br />

Zu sorgen über Seelensachen<br />

Ob er sie könn’ noch glücklich machen.<br />

Die Jugend er wohl unterricht,<br />

Den alten Sünder schont er nicht,<br />

Zu sagen, dass sie würden verdammt<br />

Wofern sie nicht ihr Sündenamt<br />

Ganz niedergetan und von Herzen<br />

Beweinten ihre Seelenschmerzen<br />

Und suchten Gott um Gnade an,<br />

Der ihren Sachen [Schaden] raten kann.<br />

Er selbst hilft beten, bitten, flehen,<br />

Gott wolle doch das Best ansehen,<br />

Die armen Sünder niederdrücken<br />

Und sie mit Gnaden doch annehmen.<br />

Die Kirche hierselbst von alter Frist<br />

Deren Ursprung nicht verzeichnet ist<br />

Ist klein, jedoch ist selbig noch<br />

Mit vier Glocken im Turme hoch<br />

Versehen, damit man, Ton und Klang<br />

Zum Gottesdienst und fröhlich Gesang<br />

Tut jeder anbei, ist nichts verborgen<br />

Ist Taufstein, Altar, Kanzel, Orgel.<br />

Pastorat.<br />

253


Die Pastorat, die vormals gar/so<br />

Mit Nonnen wohl besetzet war;<br />

Deswegen es ein Kloster hiess,<br />

Wie auch die alt Kapelle wies.<br />

Ist abgebrochen an deren Statt<br />

Ein neues Haus erbauet ward’.<br />

Siebzehnhundertsechzigacht<br />

Von Holz und Steinen schön gemacht<br />

Das bewohnt jetzt Herr Dümpelmann,<br />

Der schon viel Arbeit dran getan.<br />

Gott gebe, dass in diesem Haus<br />

Er werde ein rechter alter Greis.<br />

Und treibe rein zu Gottes Ehr<br />

Die evangelisch Luthersch Lehr.<br />

Gott segne sein Amt zu jeder Zeit<br />

Dass er viel bringt zur Seligkeit.<br />

Schule.<br />

Die Schul auf dem Kirchhof behend<br />

Ist aufgerichtet zu dem End<br />

Damit der Jugend dieser Ort<br />

Auch lehre, was sei Gottes Wort.<br />

Und wie sie darnach leben sollen<br />

Wenn sie dereinsten erben wollen<br />

Das Himmelreich, die Seligkeit<br />

Die Gott uns allen hat bereit.<br />

Das Schulgebäude ist betrieben<br />

Sechzehnhundertachtzigsieben<br />

Sie [hat] jetzund den sechsten Diener<br />

Auch wohl bei hundertzwanzig Kinder.<br />

Des Winters, wenns regnet, und schneit<br />

Das Vieh zu Haus in Ställen steht.<br />

Die Küsterei hier wohlbestallt/bestellt<br />

Von Stein gebaut ist garnicht alt.<br />

Siebzehnhundertfünfzigeins,<br />

[Siebzehnhundertfünfzigundein]<br />

Da ward gelegt der erste Stein.<br />

An adeligen Häusern findet sich<br />

In Deilinghofen nur ein Aufricht<br />

254


Von Duith gehörig, sonst noch sind/doch<br />

Zwei Alber-Stellen wüst und blind.<br />

Der Borghof und <strong>des</strong> Bindels Gut<br />

Die grösste man noch schauen tut.<br />

Sonst sind in Aprick auch noch zwei<br />

Ein noch bebaut, ein wüst dabei.<br />

In Riemke sonst der Pütthof Platz<br />

Davon verschwand der ganze Schatz.<br />

Das wohlbebaute Klausenstein [Klusenstein]<br />

Liegt allenthalben ganz allein.<br />

Es sieht da wirklich greulich aus<br />

Auf hohen Felsen steht das Haus.<br />

Es hat gebaut eintausend Jahr<br />

Dreihundertfünfzig Dreie gar<br />

Nach Christi Geburt Gert Plettenberg<br />

Zu Dienst <strong>des</strong> Grafen der Mark und Berg.<br />

Vorjetzt gehört’s dem Brabeck an<br />

Der Ruschenburg dafür genug getan.<br />

Auch ist sonst noch ein Hof allein<br />

Zu Baingsen [Bäingsen] liegt in unsrer Gemein.<br />

Da stehet noch ein alt Kapell/steht<br />

Hoch in dem Turme überschwell,<br />

Hing eine Glocke mit welcher schon<br />

Man zum Gebet gab hellen Ton,<br />

Die aber gar vor kurzer Frist / Von Dieben weggestohlen ist<br />

.Merkwürdigkeiten.<br />

Hierselbst viel Eisen wird gesucht<br />

Im Perik [Perick] zwischen Felsenkluft<br />

Der Kalkstein ist hier garnicht rar,<br />

Doch leid’ das Brennen groß Gefahr.<br />

Zumal da es verboten ist<br />

Vom König noch vor Jahresfrist.<br />

In Deilinghofen sind von Alten<br />

Zwei Jahrmärkte schon gehalten,<br />

Die welche beide auch so lange<br />

Als Kauf vom [und] Kaufwert bleiben im gange<br />

255


Es findet sich ein Steinbruch hier<br />

Damit man Küche und Keller schier<br />

Kann pflastern auf das Allerdreiste<br />

Und kostet nicht just das Allermeiste.<br />

Sonst ist auch der Schulenstein<br />

Im Bäingser[ge]hölz nicht ganz allein.<br />

Von ander[e]n Felsen aber doch<br />

Zu merken als ein Wunderloch.<br />

Die schlechten Verse sind gemacht<br />

Siebzehnhundertsechzigacht.<br />

Varianten von Lehrer Marks senior.<br />

Herr Gottfried Wilhelm Dümpelmann<br />

Der hat das Seinige hier getan<br />

Siebzehnhundertneunzigein<br />

mit Tod er ging von der Gemein;<br />

Herr Müller macht in kurzer Zeit<br />

Herr Bassen hier den Platz bereit,<br />

Der bleibe lang zu Gottes Ehr<br />

Zum Heil der Menschheit Prediger.<br />

Die Kirch hierselbst ein alt Gebäu<br />

Ihr Ursprung tausendfünfzigzwei<br />

Ist klein, jedoch ist selbig noch<br />

Mit vier Glocken im Turme hoch<br />

Versehen, damit man Ton und Klang<br />

Zum Gottesdienst und Trauergesang<br />

Tut geben, auch ist nicht verborgen<br />

Der Taufstein, Kanzel, Altar, Orgel.<br />

Achtzehnhundert an der Statt<br />

Die jetzige Schul errichtet ward.<br />

Das ist’s, was ich zu guterletzt<br />

In meinem Alter aufgesetzt.<br />

Ist jemand da, ders besser kann,<br />

der bring was anders auf der Bahn.<br />

Ein Ring von schönen Taschen<br />

Und acht Hengels von einer Flaschen<br />

Ein Taubenfuss und einem I<br />

Ich schrieb dies Jahr kommt wieder Nie.<br />

256


Das Jahr, da dies geschrieben ward,<br />

Steht hier benannt, nach Rätsel Art,<br />

Wers nicht weiss, kann es nicht raten<br />

Und wers weiss, dem sinds leicht[e] Taten.<br />

Beilage 2:<br />

Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann und Johann Abrahan Strauß<br />

[aus Frommel, 2.Auflage, vgl. Literaturverzeichnis, S.45-49]<br />

[S.45] Rings umher lag die Nacht <strong>des</strong> Rationalismus; Strauß stand mit seinem<br />

inneren Leben allein. Nur einen gleichgesinnten älteren Freund hatte er in der<br />

Umgegend. Der war ihm aber auch ein wahrer Jonathan, deß Liebe ihm sonderlicher<br />

war denn Frauenliebe. Das war in Deilinghofen (etwa drei Stunden entfernt)<br />

der Pastor Dümpelmann. Gab’s eine heilige Freundschaft unter Männern, so<br />

war’s diese. Unwillkürlich erinnert sie einen an jenes Rechabiterpaar, davon der<br />

eine sagte: „Ist dein Herz richtig wie mein Herz mit deinem Herzen, so gieb mir<br />

deine Hand.“ Und er ließ ihn auf den Wagen steigen. Des zweiten Antwort aber<br />

lautete: „Komm, siehe meinen Eifer um den Herrn.“ 1 Kön. 10, 15. 16. -<br />

Zehn Jahre nur, bis zum Tode Dümpelmanns, hat die Freundschaft auf Erden<br />

gedauert, denn der Freund ging schon 1791 heim. Aber wenn Strauß nach vierzig<br />

Jahren noch auf ihn zu reden kam, leuchtete das blaue Auge in hellster Begeisterung<br />

und heiligster Freude auf das Wiedersehen im Himmel. Was ist’s doch um<br />

einen solchen Freund!<br />

Dem Verfasser geht’s eigen damit; je älter, <strong>des</strong>to weniger will’s ihm unter den<br />

Pfarrkonferenzen gefallen und <strong>des</strong>to mehr sehnt’s ihn nach den wenigen, mit<br />

denen man Herz an Herz sich ausreden, ausklagen und ausweinen kann. Einen<br />

ganz zu haben und [S.46] sein nennen zu können, ist doch mehr wert als ein paar<br />

Dutzend halb haben oder nur ein viertel.<br />

Wie nahe die zwei einander standen, erhellt aus ihrem letzten Zusammensein.<br />

Strauß war nach Deilinghofen gegangen, seinen Dümpelmann heimzusuchen.<br />

Dümpelmann hatte geschrieben: „Der Hafer ist gesammelt, der Schimmel hat<br />

Futter; Küche und Keller werden Leib versorgen, und unser Leibgericht ist da -<br />

das Wort Gottes - also komm!“<br />

Dort am westfälischen Herde mit seinem Bilde, die Taufe <strong>des</strong> Herrn in den Herdstein<br />

gebrannt, saßen die beiden, rauchten ihre Pfeifen, schauten in die Glut und<br />

257


edeten miteinander. Es war am Montag nach Epiphanien <strong>des</strong> Jahres 1791. xxx<br />

Sie sprachen von Weihnacht und Neujahr, von Getauften und Gestorbenen im<br />

vergangenen Jahre.<br />

„Du glaubst nicht, Strauß,“ sagte Dümpelmann, „wie mir je<strong>des</strong>mal zu Mut ist,<br />

wenn ich von solch einem Kranken weggehe und ihm zum letztenmal die Hand<br />

gebe. Ich gehe dann rückwärts zur Thüre hinaus, um ihn so lange wie möglich im<br />

Auge zu behalten. Zuweilen geht mir unterwegs die Pfeife aus und ich freue<br />

mich, daß ich wieder zurückkehren und ihn noch einmal sehen darf. Aber als ich<br />

letzthin von dem alten M. Abschied nahm, ging mir’s doch durchs Herz; denn<br />

dem hab’ ich’s zu danken, daß ich den Herrn gefunden habe. Wenn ich ihn ansah,<br />

mußte ich immer an das Wort bei St. Markus denken: ,Er ging in ein Haus und<br />

wollte es niemand [S.47] wissen lassen, daß er da war, und konnte doch nicht<br />

verborgen bleiben.’ - So war’s mit dem Alten. Er war ein General, der einen<br />

Bauernkittel übergezogen hatte.“ -<br />

Strauß sagte drauf: „Ja, lieber Dümpelmann, wenn ich die Sterbenden anschaue,<br />

kommen sie mir mit ihrem gebrochenen Auge stets vor wie Leute, die lange in<br />

die Sonne geschaut haben und geblendet die Blicke niederschlagen; die alten<br />

Leute sind Propheten einer großen Vergangenheit und einer nahen Zukunft. Was<br />

werd’ ich mir alles erzählen lassen im Himmel. Von den Hirten zu Bethlehem,<br />

den Noah - und dann die Passionshistorie. Ich glaube, mir wird im Himmel die<br />

Zeit noch viel zu kurz.“<br />

So redeten die beiden und wurden so fröhlich, daß sie am Herdfeuer mitsammen<br />

sangen: „Ach, nimm dies arme Lob auf Erden.“<br />

Die Sonne war längst drunten, das Herdfeuer beleuchtete hell den Spruch, der auf<br />

einem Stein stand: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“<br />

„Sieh, Strauß“, sagte Dümpelmann, „ich hab’ schon oft gedacht, es sei so die<br />

rechte Weise, wie diese Worte auf den angeglühten Steinen stehen, so müsse<br />

je<strong>des</strong> Wort in steinernen Buchstaben mit Flammenzügen drin stehen.“<br />

Da kam schließlich zu den zweien ein dritter, das war der Schlaf. Das Feuer erlosch,<br />

in der Mitternacht wachte Strauß auf. Er konnte sich nicht zurecht finden<br />

und rief nun laut: „Herr Bruder, wo sind wir?“ Da zündete Dümpelmann das<br />

Licht an, sah die Thränen im Auge seines Freun<strong>des</strong> und [S.48] sagte: „Ja, Strauß,<br />

sind wir erst dort, dann werden wir auch die Augen reiben und sagen: Herr Bruder,<br />

wo sind wir! Da wird unser Mund voll Lachens und Rühmens sein.“ „Ja,“<br />

entgegnete Strauß, „aber nicht vor Dunkel, sondern vor lauter Licht!“ -<br />

Des Morgens schieden sie auf - lange. Drei Tage nachher kam ein Mann aus<br />

Deilinghofen zu Strauß und bat ihn, eine Leichenpredigt zu halten. Der Mann sah<br />

tieftraurig und zerschlagen aus.<br />

„Wer ist dir denn gestorben, daß du so weinst?“<br />

Da antwortete der greise Bauer: „Mein Vater.“<br />

Des wunderte sich Strauß, weil der Mann selbst sehr alt war, und sagte plötzlich:<br />

„Dümpelmann, dein geistlicher Vater ist tot!“ Als der Bauersmann nickte, da<br />

258


weinte Strauß wie ein Kind. Strauß hielt ihm die Leichenrede über Simeons Abschied,<br />

daher noch nach 50 Jahren die alten Leute davon redeten. Derselbe Vers<br />

aber, den Strauß damals anführte, klang auch 45 Jahre später über seinem Grab:<br />

Wer mir einst den Nachruf hält,<br />

Rühm’ es noch an meinem Grabe,<br />

Daß ich auf der ganzen Welt<br />

Nichts an mir zu rühmen habe,<br />

Als nur auf Barmherzigkeit<br />

Hoff’ in Zeit und Ewigkeit.<br />

Strauß hat sich nie wieder an einen Menschen so angeschlossen. Es war ihm in<br />

Dümpelmann etwas gestorben, was ihm für diese Zeit und Welt nicht mehr ersetzt<br />

ward. [S.49] Es nimmt ja mancher einem die „Hälfte <strong>des</strong> Herzens“ mit, und<br />

man fühlt dann, daß man keinen andern mit einem halben Herzen abfinden dürfe.<br />

Beilage 3:<br />

Die Basse-Rede zur Agendenreform<br />

Rede, gehalten an meine Gemeinde den 24. Juni 1827 nach einer kurzen Predigt<br />

über das Evangelium zum großen Abendmahl:<br />

Ich fühle mich verbunden, über die Königliche Anordnung (K.A.), die seit dem 8.<br />

Oktober v. J. in unserer Kirche bei allen gottesdienstlichen Handlungen ist eingeführt<br />

worden, einige freundschaftliche Worte hier öffentlich zur Belehrung und<br />

Beherzigung zu sagen, da ich Euch liebe Gemeindeglieder bemerken: daß es der<br />

Wunsch unseres Allergnädigsten Königs und Lan<strong>des</strong>vaters ist, diese K.A. in allen<br />

259


Gemeinden der Königlichen Staaten eingeführt zu sehen, und daß unter den 7000<br />

Gemeinden schon 5000 sind, worunter auch wir gehören, welche dieselbe bereits<br />

angenommen haben. Ich muß Euch bemerken, daß der König als oberster Bischof<br />

das Recht hat, uns in dieser Agende, insofern sie den allerheiligsten Wahrheiten<br />

<strong>des</strong> Christentums nicht entgegenläuft, Gesetze vorzuschreiben und Anordnungen<br />

zu treffen, wodurch mehr Einigkeit, mehr Ehrfurcht und Ehrerbietung<br />

gegen den König aller Könige an den Tag gelegt wird, wodurch wir unsere Demut,<br />

unsere Abhängigkeit dem Erhabenen auch im Äußern an den Tag legen.<br />

Wir verkündigen und predigen Euch in derselben keine neue Lehre: es ist die alte<br />

Evangelisch-christliche Lehre, die durch Luther und die Reformatoren ist verbessert<br />

worden, die zwar lange Zeit vor Ihnen verfinstert und verdunkelt war, die<br />

aber durch den großen Mann Luther und die übrigen Reformatoren vom Irrtum<br />

geläutert und vom Aberglauben gesäubert, in ihrer lieblichen, freundlichen und<br />

herzlichen Gestalt wieder ans Licht getreten ist.<br />

Aus der Vorrede dieser K.A., die ich Euch gleich bei der Einführung derselben<br />

vorgelesen und später wiederum vorgelesen habe, könnt Ihr den hohen christlichen<br />

Sinn unseres erhabenen Königs und gütigen Lan<strong>des</strong>vaters abnehmen; da,<br />

wo er zu befehlen das Recht hat, da wünscht und bittet er. Hört die eigenen Worte<br />

derselben und beherzigt sie. In dieser K.A., die wir auch die unsere nennen,<br />

werdet Ihr Anweisung finden, wie wir uns beim äußeren Gottesdienst zu benehmen<br />

haben. Es wird uns der Gang <strong>des</strong> Gottesdienstes, die Art und Weise <strong>des</strong>selben<br />

vorgezeichnet; es wird uns gezeigt, wie wir unsere Ehrfurcht und Abhängigkeit<br />

gegen Gott beweisen sollen. Sie enthält herrliche Gebete und Lobpreisungen;<br />

sie enthält unser Apostolisches Glaubensbekenntnis, die 10 Gebote Gottes, die<br />

einst Moses den Kindern Israel auf Sinai gab u.s.w. Und wenn darin manches<br />

vorkommt, was Euch bisher fremd war, so ist es doch nicht weniger gut, so ist es<br />

biblisch und stimmt mit dem überein, wie Luther darüber gedacht und was er<br />

darüber gesagt hat. Wenn einige unter Euch es getadelt haben, daß Eure Kinder<br />

bei der Konfirmation in den Knien lagen und das Vaterun÷ser mit mir beteten<br />

und den Segen kniend empfangen, findet Ihr darin etwas Unchristliches und unserer<br />

christlichen Lehre zuwider? Sagt nicht der Apostel P. darum beugt eure<br />

Knie. Im Namen Jesu sollen sich beugen alle deren Knie. Können unsere Kinder<br />

von der Nähe unseres Heilan<strong>des</strong>, von dem wenigen Heil, das es den Menschen<br />

bereitet, wohl lebhafter ergriffen werden, als zu der Zeit, wenn sie ihrem Erlöser<br />

Treue und Glauben geschworen haben; sollen sie es da nicht vorzüglich bekennen,<br />

daß sie ihm ihre tiefste Ehrfurcht und Dankbarkeit beweisen und ihre Anhänglichkeit<br />

auch im Äußeren an den Tag legen wollen? Und wenn wir bedenken,<br />

wie er, der Erlöser für uns gelitten, für uns am Stamme <strong>des</strong> Kreuzes geblutet<br />

hat, soll da die Erinnerung an das Kreuz <strong>des</strong> Erlösers uns nicht allen ehrwürdig<br />

und heilig sein? Sagt nicht Luther, nach <strong>des</strong>sen Namen wir uns Ev. Luth. nennen,<br />

wenn du <strong>des</strong> Morgens aufstehst und <strong>des</strong> Abends dich zu Bette legst, sollst du<br />

260


dich segnen mit dem H. Kreuz, alles deinem Gott vertrauen und dich <strong>des</strong> Gekreuzigten<br />

erinnern. Luther hat uns zum Evangelium wieder hingeführt; es ist aber nie<br />

seine Meinung gewesen, die äußere Ehrerbietung und Hochachtung, die wir Gott<br />

und Jesu schuldig sind, hintanzusetzen. Es ist daher ein ungerechter Vorwurf,<br />

der nur von Unwissenheit zeugt, daß wir durch Annahme der K.A. zur katholischen<br />

Religion übergehen. Ihr wißet wahrlich nicht, was katholisch ist. Es ist<br />

eine ungeziemende Anmaßung, wenn Ihr dazu das Recht hättet, wenn einige<br />

unter Euch sagen, wir wollen den ferneren Gebrauch der Agende nicht, wir wollen<br />

nur die reine lutherische Lehre. Ihr habt die Folgen nicht bedacht, die daraus<br />

entstehen können. Ihr sagt dadurch geradezu: die K.A. enthält Irrtümer, enthält<br />

nicht die reine Evangelisch-Lutherische Lehre. Gehet her, Ihr, die Ihr das behauptet,<br />

zu jedem evangelischen Prediger, und keiner unter ihnen wird sagen, daß<br />

sie Irrtümer enthält, keiner, daß die Evang. luth. Lehre nicht in ihrer vollen Kraft<br />

darin zu finden sei. Sprecht nicht: es sind vielerlei Gebete und Lobpreisungen,<br />

die wir jeden Sonntag beten. Auch dies ist nicht der Fall; es herrscht Verschiedenheit<br />

genug in derselben, und gesetzt es wäre so, sind nicht die wenigen Wahrheiten<br />

<strong>des</strong> Christen÷tums in Verbindung mit den eigenen Worten der Heiligen<br />

Schrift in edler Einfalt und kraftvoller Kürze darin vorgetra÷gen. Ihr alle habt<br />

Eure Bibel lieb, und jeder kraftvolle Spruch in derselben spricht Euer Herz an.<br />

Ihr hängt an Eurem Gesangbuche? Woher kommt es anders: die Gesänge kennt<br />

Ihr; so manches wisset Ihr auswendig; so manches Lied aus demselben stärket<br />

Euch in Euren Leiden, tröstet Euch in den Bekümmernissen; gibt Euch Kraft in<br />

den Unglückstagen; richtet Euch auf bei dem Wechsel der Dinge und gibt Euch<br />

Mut und Stärke, wenn die entscheidende To<strong>des</strong>stunde herannaht. Was soll die<br />

Agende (A:) anders sein; was soll sie anders bei Euch bewirken? Ihr sollet durch<br />

den öfteren Gebrauch immer vertrauter mit ihr werden; die ewigen Wahrheiten<br />

<strong>des</strong> Christentums sollen Euer Gemüt ergreifen und ansprechen; ihr sollet Euch<br />

dieselbe aneigenen. Und so gern und so vertrauensvoll Ihr das Gebet <strong>des</strong> Herrn<br />

<strong>des</strong> Tages mehrmal sprechet, ebensogern und vertrauensvoll sollet ihr die kraftvollen<br />

Gebete, die Ihr aus der A. herlesen höret, mit tiefer Empfindung und Rührung<br />

Eures Herzens nachsprechen. Sie sollen durch den öfteren Gebrauch, Euer<br />

Eigentum werden. Es sind einige wenige unter Euch, die Ihre Abneigung gegen<br />

die Agende dadurch zu erkennen geben wollen, daß sie bei Vorlesung <strong>des</strong> Evangeliums<br />

nicht aufstehen wollen. Seit Ihr dem göttlichen Worte diese Achtung und<br />

Hochschätzung nicht schuldig? Wenn Euer König zu Euch spricht, beweist Ihr<br />

ihm nicht alle mögliche Achtung und Ehrerbietung? Und wenn der König <strong>des</strong><br />

Himmels und der Erden der Herr Zebaoth zu Euch in seinem Worte redet, durch<br />

seinen erhabenen Gesandten Jesum Christum, soll denn diese Achtung, diese<br />

Ehrerbietung nicht die größte sein? Gehet hin in andere Gemeinden, wo die A.<br />

nicht einmal ist eingeführt worden, Ihr werdet da die gebührende Achtung und<br />

Ehrerbietung gegen das göttliche Wort finden. Beinahe 30 Jahre habe ich an<br />

261


dieser Heilsstätte zu Euch geredet; habe Euch die wenigen Wahrheiten <strong>des</strong> Christentums<br />

verkündigt; habe Eure Kinder und gewiß den größten Teil der Gemein(de),<br />

unter denen schon viele wieder Hausväter oder Hausmütter sind, durch<br />

die Heil. Taufe in die seelige Gemeinschaft der Christen aufgenommen; habe<br />

diese alle in den Glaubenswahrheiten unterrichtet, wo sie voll Ehrfurcht, knieend,<br />

voll heiliger Gedanken und Vorsätze am Altar <strong>des</strong> Herrn ihr Glaubensbekenntnis<br />

ablegten und weinend und mit tiefer Rührung und Empfindung dem Jesu, dem<br />

Erzhirten und Bischof unserer Seelen Treue schwuren und Treue gelobten. Ich<br />

habe Euch alle an Christus Statt, durch das H. Predigtamt, die Vergebung Eurer<br />

Sünden angekündigt, wenn Ihr Euren Sinn ändert und Euch bessert; habe Euch an<br />

Euren Kranken- und Totenbetten und am Altar <strong>des</strong> Herrn das Heil. A.(bendmahl)<br />

gereicht. So oft habe ich Euch zugeru÷fen: Tut es zum Gedächtnis <strong>des</strong> Herrn.<br />

Habe Euch zugerufen: Lasset Euch versöhnen mit Gott; habe Euch gesagt: »Es ist<br />

in keinem Anderen Heil.« Und Ihr könnt mich hassen, mich kränken, mich anfeinden<br />

wollen? Doch zur Ehre der Gemein(d)e sei es hier öffentlich gesagt, es<br />

sind nur wenige unter ihnen und ihr könnt glauben, daß Euer guter christlicher<br />

König, der mit mir, wie allen wahren Christen, auf Christum sein Vertrauen setzt,<br />

darauf das Wohl seiner <strong>Unter</strong>tanen auch in dieser Hinsicht vor Augen hat. Ihr<br />

könnt mir Schuld geben, daß ich Euch eine andere Lehre verkündigen werde, als<br />

die <strong>des</strong> Gekreuzigten? Einige wenige unter Euch - mit Betrübnis sage ich es hier -<br />

haben gesetzwidrig gehandelt: Sie haben Zusammenkünfte veranlaßt, sie haben<br />

Stimmen schriftlich aufgenommen, um den Wunsch <strong>des</strong> Königs zu hintertreiben,<br />

obgleich diese Stimmansammlungen und diese Zusammenkünfte aufs strengste<br />

verboten sind. Wer bürgt Euch für die nachteiligen, traurigen Folgen, die noch<br />

für Euch daraus entstehen können, wenn die Sache zur Sprache kommt? Ich<br />

bekenne es Euch frei heraus: ich habe nach der Vorschrift gehandelt; ich habe<br />

den Vorstand zu Rate gezogen; nicht blos haben sie den frommen christlichen<br />

Wunsch <strong>des</strong> Königs unterschrieben, sondern ihn auch mündlich bekräftigt. Ich<br />

habe mehrere aus der Gemeinde damit bekannt gemacht; bei Einführung derselben<br />

am 8. Oktober v. J. habe ich Euch den Wunsch <strong>des</strong> Königs mitgeteilt und<br />

auch keine Stimme erhob sich in der ersten Zeit in der Gemeinde dagegen. Nach<br />

Einführung derselben habe ich am 12. Febr. d. J. nebst einiger Mitglieder <strong>des</strong><br />

Kirchenvorstan<strong>des</strong> es dem Lan<strong>des</strong>vater selbst gemeldet. Würde ich, würden diese<br />

Mitglieder nicht als Lügner vor dem König erscheinen, wenn ich im Gebrauch<br />

derselben nicht fortführe? Wenn ich meinen und Euren König nicht hintergehen<br />

will, darf ich das nicht abschaffen, was ich und Ihr angenommen habt, besonders<br />

noch, wenn ich es als gut für Euch erkenne und wenn es mit meiner Überzeu÷gung<br />

übereinstimmt. Nun mache ich Euch noch darauf aufmerksam: viele<br />

unter Euch haben unterschrieben und wußten nicht, was sie unterschrieben haben.<br />

Einige haben es getan, weil es andere getan hatten, mehrere dauert ihre <strong>Unter</strong>schrift<br />

und haben, indem sie zu mir kamen, es mir selbst bekannt; noch andere<br />

262


sind von Euch überredet worden und der größte Teil der Gemein(d)e hat noch<br />

gar nicht unterschrieben und wird auch wahrscheinlich nicht unterschreiben.<br />

Keiner unter Euch weiß einen vernünftigen Grund anzugeben, warum er die A.<br />

verwirft. Das ist kein Grund, daß sie unsere Nachbarn nicht angenommen haben.<br />

Mancher unter ihnen befürchtet ähnliche Auftritte; mancher unter ihnen<br />

würde sie annehmen, wenn er nicht glaubte, es besser machen zu können. - Viele<br />

machen es gewiß weit schlechter. - Noch andere sind, so wie Ihr eigensinnig.<br />

Und doch haben wir Lehrer an Kirchen und Schulen es so wenig Ursache, da<br />

noch nie ein Monarch auf Preußens Thron gesessen hat, der so, mit unseren verehrten<br />

Obern, auf das wahre Wohl derselben bedacht gewesen wäre. Ich weise<br />

Euch zu einem unserer ältesten und würdigsten Seelsorger hin, der beinahe 50<br />

Jahre das Evangelium <strong>des</strong> Herrn verkündigt hat, dem alten, ehrwürdigen, beliebten<br />

Pfarrer Straus in Iserlohn. Gehet zu ihm hin, beratet und besprecht Euch mit<br />

ihm - Ihr habt ja oft mir von ihm gesprochen - er hat gewiß eine vollgültige<br />

Stimme unter uns. Ihr habt mir den Vorwurf gemacht, ich hätte Euch beim Antritt<br />

meines Amtes versprochen, alles beim Alten zu lassen; Ihr hättet mich als<br />

lutherischen Prediger und nicht als Prediger beider Confessionen berufen. Wer<br />

hat Euch wohl diesen Rat gegeben, wie dieses zu sagen? Hier versichere ich es<br />

Euch bei dem Ewigen und Allwissenden! Ich bin bei Einführung der A. nicht<br />

abgewichen von der Evangelisch Luther. Lehre. Bei dem Wahrhaftigen versichere<br />

ich Euch, unser guter christlicher König und Lan<strong>des</strong>vater hat nur einzig<br />

und allein die Absicht, durch Einführung der A. den christlichen Glauben, den<br />

wir bekennen und den unsere Väter mit Heiterkeit bekannten, rein und unverletzt<br />

zu erhalten. Nun noch dies: Als mich Eure Väter zum H. Lehr- und Predigeramt<br />

beriefen, da verpflichtete ich mich und wurde verpflichtet, das Christentum<br />

rein und unverfälscht zu lehren und zu verkünden. Da bestätigte mich die hohe<br />

Regierung in meinem Amte und gab mir alle Rechte, die einem Evang. Lehrer<br />

gebühren, ich wurde Euer Pfarrherr. Durch dieses wichtige Amt erhielt ich die<br />

Obliegenheit, Euch und Eure Kinder nach meiner besten Überzeugung in Jesus<br />

Lehre zu unterrichten und zu lehren. Ihr habt das Wort Pfarrherr unrecht verstanden.<br />

Ihr gebt mir Schuld: ich wolle Euer Gebieter sein. Nein, ich weiß mich recht<br />

gut zu bescheiden, was der Apostel sagt: Wir sind nicht Herren unseres Glaubens<br />

sonder Gehilfen Eurer Freude, anders will ich es unter Euch nicht sein. Es ist<br />

auch bisher meine Freude gewesen, daß Ihr meinen Anordnungen in geistlichen<br />

Sachen immer Folge geleistet habt und nie unzufrieden murretet. Zum Beweise<br />

diene: ich habe neben Luthers Katechismus andere Katechismen gebraucht; ich<br />

habe beim Gottesdienst andere Lieder gebraucht und gebetet, als in unserem<br />

Gesangbuch stehen. Eure Kinder haben mehrere dieser Verse gelernt, und es ist<br />

auch nicht ein Einziger gewesen, der darüber gemurrt hätte. Ihr hattet das völlige<br />

Zutrauen zu mir, daß ich Euch, daß ich Euren Kindern den richtigen Weg zeigte.<br />

Jetzt ist es anders unter uns, der Same der Zwietracht ist und wird unter uns aus-<br />

263


gestreut, das Mißtrauen gegen mich wird erregt, als wenn ich Euch katholisch<br />

machen wollte, so sehr ich mir auch Mühe gegeben habe, Euch eines Besseren zu<br />

belehren. Gott verzeihe es dem, der Euch in diese Zustände geleitet hat. Ich<br />

gebe Euch ferner zu beherzigen: Als unser König im Jahre 1817 den Befehl<br />

erteilte, einen anderen Amtsrock zu tragen, welcher der Würde <strong>des</strong> Amts mehr<br />

angemessen war, da war auch kein Einziger unter Euch, der dagegen aufgetreten<br />

wäre. Ebenso gewiß, der Mann der nämliche bleibt, wenn er auch einen anderen<br />

Rock trägt, der seinem Amte und Stande entspricht, ebenso gewiß bleibt Christus<br />

Lehre die nämliche, wenn auch die äußere Form beim Gottesdienst durch die A.<br />

verändert wird, wodurch dieselbe mehr Würde, mehr Feierlichkeit erhält. Ich<br />

weiß es noch recht gut, wie in Iserlohn, sie sind zu ihren Vätern versammelt, die<br />

sie gebrauchten, wie ähnliche Agende gebraucht wurde; ich habe selbst beim<br />

Antritt meines Amts eine gefunden, der Gottesdienst soll nur ja nur zur Anbetung<br />

Gottes im Geist und in der Wahrheit hinführen. Je feierlicher, je würdiger, je<br />

anständiger derselbe ist, je mehr wird dieser Zweck erreicht und ist derselbe<br />

wirklich erreicht: dann wird mehr wahre Frömmigkeit, mehr wahre Tugend und<br />

Gottesfurcht unter uns einheimisch werden. Die eine Christus-Lehre, unser<br />

Bestes, über alle Wechsel der Dinge erhabenstes Eigentum, der herrliche Glaube<br />

unse÷rer Vorfahren, wird dann nicht mehr der Willkür ausgesetzt sein und die<br />

ganze Evang. Christenheit in den Königl. Staaten wird dann mit einem Munde<br />

und nach einerlei Gebräuchen und in einem Geiste ihren Gott verehren und mit<br />

ihm, Jesum den Gesalbten, einiger und herzlicher lieben lernen und ihm, dem<br />

Heiligen und Göttlichen die gebührende Achtung und Hochschätzung beweisen,<br />

die wir seinem Verdienste um die ganze Menschheit schuldig sind. Oh liebe<br />

Leute! Ihr habt üble Ratgeber gehabt, die Euch irregeführt haben. Doch Freude,<br />

hohe Freude für mich, daß sie es noch nicht alle sind, daß es nur die wenigen<br />

sind. Ich will Euch nun noch diesen Rat geben: Vermeidet in Zukunft alle Zusammenkünfte,<br />

nehmet keine Stimmen mehr auf in kirchlichen Angelegenheiten<br />

und erwägt es wohl: Bei Annahme der A. kommt es nicht sowohl, nach der Äußerung<br />

unserer verehrten Obern, auf die Gemein(d)e, als vielmehr auf ihren Prediger<br />

an. Höret zu dem Ende das eigenhändig unterschriebene Reskript Sr. Exellenz<br />

<strong>des</strong> Herrn Geheimrats und Oberpräsidenten v. Vincke Münster den 9.<br />

Septbr. 1826. Es lautet wörtlich so: »Nachdem nunmehr der Prediger Basse zu<br />

Deilinghofen sich für die Annahme und Einführung der neuen Agende ohne<br />

Rückhalt erklärt hat, wird Ihnen beiligen<strong>des</strong> Agende-Exemplar zugefertigt, um es<br />

dem Basse sofort zukommen zu lassen.« Zu diesem Reskript, ist von keiner<br />

Gemein(d)e die Rede, sondern nur von ihrem Prediger. Schließlich bemerke ich<br />

noch, was ich in dieser Sache Euch heute gesagt, was Ihr mir und ich Euch geschrieben<br />

habe: das gelangt, wenn es Not tut, zu dem Thron <strong>des</strong> erlauchten Königs<br />

und Lan<strong>des</strong>vaters. Er entscheide zwischen mir und Euch. Das, was ich<br />

Euch heute hier an H. Stätte gesagt habe, das soll dazu dienen, Euch mit der<br />

264


neuen A. bekannter zu machen, damit Ihr nicht sagen könnt: wir wußten es nicht.<br />

Ich will mir auch, wenn Ihr es verlangt, die Mühe geben, Euch von dem Gesagten<br />

eine Abschrift zu geben, wenn Ihr Lust habet, das Gesagte noch weiter zu durchdenken<br />

und zu beherzigen. Ich an meiner Stelle will unermüdet wirken, damit<br />

der Wunsch <strong>des</strong> Königs erfüllt werde und will gerne bei Euch alle zeitliche(n)<br />

Vorteile entbehren, wie dies bisher schon der Fall war, wenn nur das Reich <strong>des</strong><br />

Erlösers erweitert und sein Name geheiligt werde. Ich will mit Paul Gerhard, als<br />

er in der größten Not von Amt und Brot entsetzt, das schöne und kräftige Lied<br />

dichtete: Befiehl du deine Wege: ihn, ihn laß tun und walten, er ist ein weiser<br />

Fürst. Gott der Allbarmherzige gebe, daß ich heute nicht zu Halsstarrigen und<br />

Unbeschnittenen an Herzen und Ohren geredet habe. Laß du allgütiger Gott! die<br />

heilsamen Wahrheiten <strong>des</strong> Evangeliums in unser aller Herzen dringen. Laß uns<br />

Vater, die wir durch das Evangelium deines Sohnes, Boten <strong>des</strong> Friedens sein<br />

sollen, dieser Gottesfrieden, welcher höher ist als aller Engel- und Menschenvernunft,<br />

zum Segen unserer Zuhörer verkündigen, damit er eindringe in die blöden<br />

Herzen, und die Verfinsterten erleuchte. Laß uns nie vergessen, was Luther sagt:<br />

wer aber anders lehret und lebet, denn das Wort Gottes lehret, der entheiliget<br />

unter uns den Namen Gottes; dafür behüt uns lieber himmlischer Vater. Ja, guter<br />

Gott! Bewache uns vor Zwietracht, Zank, Rotten, Hader, Haß und Neid, damit<br />

Gottes Frieden in unser aller Herzen sein und bleiben möge, bis einst im Tode<br />

unser sterbend Auge bricht. Oh Herr! laß alles wohlgelingen. Amen.<br />

Wörtlich gesprochen bescheiniget der Pfarrer Basse.<br />

Harald Korsch-Ger<strong>des</strong><br />

„Gebohren zu Stephanopel ...“ - Eine Gewerbeansiedlung <strong>des</strong> 18. Jahrhunderts<br />

kommt zum Kirchspiel Deilinghofen<br />

[Erstveröffentlicht in einem Sondergemeindebrief der ev. Kirchengemeinde Deilinghofen<br />

zum 222-Jahrs-Fest <strong>des</strong> Bestehens von Stephanopel am 20. Juni 1993 -<br />

hier eine leicht überarbeitete Fassung]<br />

Nachdem der preußische König Friedrich II (der Große) aufgrund eines Antrages<br />

vom 2. Juli 1771 dem Kaufmann Theodor Lürmann aus Iserlohn am 9. Juli <strong>des</strong><br />

gleichen Jahres mit „allergnädigstem Spezial-Befehl“ eine entsprechende Erlaubnis<br />

gab, trägt die nach einem Angehörigen seiner Familie benannte Gewerbeansiedlung<br />

(Garnbleiche und Weberei) am „Sundwicher Bache“ den Namen Ste-<br />

265


phanopel 355 . Vorangegangene Aktivitäten reichten bis in das Jahr 1767 zurück,<br />

und seit 1769 begann man de facto mit dem Betrieb der Bleicherei. Ausführlich<br />

berichtet darüber Wilfried Reininghaus 356 . Er geht dabei umfassend auf die bedeutenden<br />

damit im Zusammenhang stehenden Verdienste der Familien Lürmann,<br />

Romberg, von der Becke und Brune ein. Diese dürften aber nie ihren ständigen<br />

Wohnsitz im 1771 erbauten Fabrikantenhaus mit dem Relief ‘Zum Vorgebirge<br />

der Guten Hoffnung’ gehabt haben. Deshalb soll diese kleine Studie die<br />

Arbeit von Reininghaus ergänzen und dem Leser die tatsächlich ersten Bewohner<br />

Stephanopels näherbringen. Zuerst soll ein Blick auf ihre Kirchenzugehörigkeit<br />

gerichtet werden.<br />

Im Archiv der evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen findet sich eine<br />

aufschlußreiche Akte über die „Parochial Verhältnisse <strong>des</strong> Hofes Stephanopel“<br />

357 . Diese war 1822 angelegt worden, als von Seiten der evangelischen Kirchengemeinde<br />

Hemer ein Streit um die Zugehörigkeit Stephanopels geführt wurde.<br />

Man behauptete, daß sich die Gemeinde von Deilinghofen diese Ansiedlung<br />

rechtswidrig einverleibt hätte. Die Angelegenheit endete 1823 mit einem Vergleich.<br />

Dessen Ergebnis: das Hauptgut blieb bei Deilinghofen, der Rest kam zu<br />

Hemer. Diese Akte enthält nun zwei Dokumente, die bis in die Zeit von 1775<br />

zurückreichen. Mehr <strong>Unter</strong>lagen waren schon damals durch „frühere Sorglosigkeit“<br />

verlorengegangen. Das erste ist ein Schreiben <strong>des</strong> Faktors (Betriebsleiters)<br />

G. Caspari an den damaligen Ortspfarrer Gottfried W.A. Dümpelmann:<br />

„Wohlehrwürdiger hochzuehrender Herr Pastor<br />

Ich habe die Ehre hiermit Euer Wohlehrwürden die Resolution, so von meiner<br />

Obrigkeit aus gethane Anfrage wegen der Kirchspiels Ordnung, a dato erst erhalten,<br />

zu übersenden, Die hiesige[n] Haushaltungen haben sich auf deren Publication<br />

Euer Wohlehrwürden Kirchspiels beyzuwohnen sich entschlossen und mich<br />

ersucht, solches an Euer Wohlehrwürden vorzutragen, da ich nebst einigen, auf<br />

kommenden Sonntag uns bey dem Abendmahl <strong>des</strong> Herrn einfinden wollen, wir<br />

uns der Hoffnung schmeichelnd, daß dieselben uns dabei und auch fernerhin mit<br />

andern Geistl. Administrations Sachen geneigt annehmen werden, in welcher<br />

Erwartung unter höflicher Empfehlung allstets beharren<br />

Stephanopel, d. 16 Mey 1775 Euer Wohlehrwürden ergebener<br />

Diener<br />

G. Caspari<br />

355 Im Deilinghofer Kirchenbuch heißt der Ort anfangs meist Stephanobel, Steffennoble<br />

oder ähnlich. Entweder konnten die ersten Bewohner mit "nobel" statt "nopel" eher etwas<br />

anfangen, oder es lag vielleicht an der sächsischen Aussprache <strong>des</strong> Factors Caspari.<br />

356 W.Reininghaus, Johann Theodor Lürmann und die Garnbleiche von Stephanopel<br />

bei Hemer, in: Der Märker 41 (1992), S.147-162.<br />

357 Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte B1, Umfang der Kirchengemeinde, Parochialverhältnisse,<br />

Umpfarrungen 1775 - 1916.<br />

266


P.S. Anlagen können dieselben ebenfalls behalten, von den übrigen Sachen werde<br />

die Ehre haben mündlich zu beschließen. Es ist mir lieb daß [ich] nun soweit<br />

in Ordnung bin und wird mir sehr angenehm sein, wenn Sie uns die Ehre dero<br />

Zuspruchs gönnen wollen.“<br />

Mit diesem Schreiben Casparis wurde 1822 der Beweis erbracht, daß das 1771<br />

neugegründete Stephanopel bereits ab 1775 zum Kirchspiel Deilinghofen gehörte.<br />

Interessant an dieser Stelle ist die Tatsache, daß damals der Kirchspielspfarrer<br />

auch bei Amtshandlungen wie Taufen, Eheschließungen usw. für Nichtlutheraner,<br />

also Katholiken und Reformierte, zuständig war. Eine durchaus finanzieller Aspekt<br />

übrigens.<br />

Konnten sich die Stephanopeler nun ihre Kirchspielszugehörigkeit frei aussuchen?<br />

Wohl kaum, da dafür, wie aus dem Brief zu entnehmen ist, die Obrigkeit<br />

zuständig war. Sie muß aber dem Wunsch der Bewohner entsprochen haben.<br />

Doch aus welchen Gründen sollte es nun gerade Deilinghofen sein? Einmal war<br />

es die nächstliegende Kirche, zum anderen war Stephanopel mit Deilinghofen<br />

zum Gericht Altena gehörig, nicht zum Gericht Hemer (auch über die Gerichtsgrenzen<br />

gab es damals Streit, wie aus der gleichen Akte <strong>des</strong> Kirchenarchivs zu<br />

ersehen ist); und drittens mag dieser Christian Gottlieb Caspari, der Factor von<br />

Stephanopel, wie Dümpelmann ein Pietist Herrnhuter Prägung gewesen sein. Der<br />

Name ‘Gottlieb’ stellt immerhin eine typisch pietistische Neuschöpfung <strong>des</strong><br />

17./18. Jahrhunderts dar. Außerdem stammte unser Caspari aus Sachsen und<br />

lebte in der Nähe von Herrnhut. (Übrigens kommt in der frühen Geschichte der<br />

Brüdergemeine der Name Caspari auch vor, wo aber noch zu klären sein wird, ob<br />

es sich um Verwandschaft <strong>des</strong> Stephanopeler Faktors handelt). Ob da die Hypothese<br />

gewagt ist, daß evtl. die Reliefinschrift ‘Zum Vorgebirge der Guten Hoffnung’<br />

am (wohl auch von Caspari bewohnten) Fabrikantenhaus auch eine ‘theologische’<br />

und nicht nur ‘merkantile’ Deutung zuläßt: im Sinne <strong>des</strong> weltumspannenden<br />

Zinzendorfschen Pietismus und <strong>des</strong> dort grandios vertretenen Missionsgedankens??!<br />

Wobei auch noch zu erwähnen wäre, daß, wie Herr Reininghaus<br />

mitteilte, die Lürmanns selbst direkten Handel mit Herrnhut betrieben.<br />

Nun zum zweiten der oben erwähnten Dokumente aus dem Deilinghofer Archiv,<br />

einem kleinen Heftchen, das kurz nach 1790 entstanden sein dürfte. Es werden<br />

darin die ersten Bewohner Stephanopels aufgelistet, und es dürfte sicherlich auch<br />

für heutige Bewohner <strong>des</strong> Tales ein interessantes Dokument sein.<br />

Der erste Bewohner Stephanopels war seit 1766 (!) Caspar Winterhof, der dann<br />

1774 unterhalb Stephanopels baute und der Namensgeber <strong>des</strong> Ortsteils Winterhof<br />

wurde. Ähnlich diesem Weber machte es ein Bleicher, Friedrich Ebbinghaus von<br />

Sundwig, mit seiner Frau, geb. Grünschläger: Er verzog ins Kirchspiel Hemer,<br />

„bey Stephanopel angebaut“.<br />

Überliefert ist für 1769 ein erster Betrieb der Bleicherei; im gleichen Jahr siedelten<br />

sich zwei Bleicher an: Heinrich Schulte mit Familie und der Bleichermeister<br />

267


Heinrich Arnold Brinkman, 1710 geboren in Dortmund. Der war immerhin schon<br />

62, als er 1772 eine zweite Ehe einging mit Anna Margar. Thümena, die zwar ein<br />

Namen aus Deilinghofen trug, aber vermutlich aus Hemer oder Iserlohn stammte.<br />

Vielleicht lebte auch kurzfristig eine Schwester von ihr, Maria Margar. Tümena,<br />

in Stephanopel, die auch schon 1772 als Taufzeuge aus Stephanopel im Deilinghofer<br />

Kirchenbuch erwähnt wird. Aus erster Ehe hatte Brinkman fünf Kinder,<br />

die alle schon erwachsen gewesen sein dürften, denn nur Cathr. Margarethe wird<br />

namentlich genannt, da sie 1774 Ehefrau <strong>des</strong> Stephanopeler Bleichers Witte wurde.<br />

Auf diesen Bleicher Witte und seine Frau ist unten noch einzugehen. Dem<br />

o.g. Arnold Brinkman wurden in zweiter Ehe in Stephanopel zwei Kinder geboren:<br />

der älteste Sohn Diedrich Heinrich Brinkman ist der erste gebürtige Stephanopeler.<br />

Das Heft gibt als Geburtsdatum an: Mai 1773, das Kirchenbuch Deilinghofen<br />

vermerkt den 25. Dezember 1773. Der Taufpate war übrigens Theodor<br />

Lürmann höchstselbst!<br />

Die hier genannten Familien Brinkman(n) und Schulte (Familie Schulte-<br />

Nieringsen wurde sie später im Kirchenbuch genannt) waren es, die 1778 Nieringsen<br />

gründeten und dort eine eigene Bleicherei betrieben. Heinrich Arnold<br />

Brinkman war dann bereits 68, doch ein Rentnerdasein im heutigen Sinne gab es<br />

für ihn wohl kaum; er starb am 16.3.1797.<br />

„Gebohren zu Stephanopel ...“ - diese Eintragung findet sich dann in unserem<br />

Heftchen sehr häufig bei den Kindern der genannten Familie Caspari. Fangen wir<br />

zuerst bei den dort zu findenden Personalien <strong>des</strong> Vaters an:<br />

„Christian Gottlieb Caspari, geb 1735 d 30 Septbr, getauft d 1 Oct zu Sebnitz bey<br />

Pirna. Copuliert d 26 Oct 1762 zu Schandau. Kam hierhin 1772 M(onat) Januar.“<br />

Ein Jahr später holte Caspari seine Frau Maria Sophia geb. Knappe, geboren am<br />

17.12.1742 ins Sauerland nach. Mit ihr kam der älteste Sohn Gottlieb Heinrich<br />

Caspari, geboren in Sebnitz am 24.5.1764. Zwei jüngere Kinder holte er erst ein<br />

weiteres Jahr später nach: Christian Gottlieb jun. (geb. 21.12.1776) und Maria<br />

Sophia (geb. 26.3.1769). Nachdem die Familie im Mai <strong>des</strong> Jahres 1774 wieder<br />

komplett war, ging es den 16. Juni mit „gebohren zu Stephanopel“ weiter, nämlich<br />

mit Johann Diedr. Adolph Caspari. Weitere Kinder folgten: am 17.5.1775<br />

Melchior Friedrich, am 25.1.1778 Stephan Friedrich und am 15.9.1781 Catherina<br />

Louisa. Als Paten für die Stephanopeler Caspari-Kinder fungierten nur Angehörige<br />

der Familien Romberg, von der Becke und Brune - mit einer Ausnahme:<br />

bei der kleinen Katherina war 1781 Pfarrer Dümpelmann selbst der Taufpate!<br />

1773 verstärkte ein „Bleichknecht“ das Stephanopeler Team, der später (laut<br />

Deilinghofer Kirchenbuch) zum „Leinfabrikanten“ avancierte: es war Johann<br />

Diedrich Witte, geboren 22.1.1742, der - wie oben erwähnt - Cathr. Marg.<br />

Brinkman, also die Tochter seines Stephanopeler Vorgesetzten ehelichte. Sie war<br />

vermutlich die Witwe <strong>des</strong> Peter Wülffing aus Iserlohn, deren Sohn Peter Engelbert<br />

Wülffing am 18.11.1775 im Alter von 8 Jahren starb. Er war der erste Ste-<br />

268


phanopeler, <strong>des</strong>sen Tod im Kirchenbuch Deilinghofen vermerkt werden mußte.<br />

Den Eheleuten Witte wurden dann in Stephanopel noch fünf Kinder geboren.<br />

Als der Weber Winterhof 1774 aus Stephanopel fortzog, kamen für ihn zwei<br />

neue ‘Facharbeiter’ gleichen Handwerks: einer aus der sächsischen Heimat Casparis,<br />

nämlich Johann Gottfried Richter nebst Frau, einem Sohn und einer Tochter;<br />

„Ihm wurde hier ein Sohn gebohren, der zu Deilinghofen getauft und auch<br />

daselbst begraben“ wurde. 1780 zog die Familie nach Letmathe. Der zweite zugezogene<br />

Weber Wilhelm Zeug (so die Schreibung im Kirchenbuch, in unserm<br />

Heftchen liest man: Ceuck - auch als Bruck interpretierbar); „Ihm wurden zwey<br />

Töchter geboren, so zu Deilinghofen getauft“. Die Familie zog 1783 nach Neuenrade,<br />

der Heimat <strong>des</strong> Mannes. Er dürfte identisch sein mit Wilh. Zum Bruch,<br />

<strong>des</strong>sen Ehefrau Catr. Elis. Wiethoff lt. Kirchenbuch am 24.7.1783 eine Tochter<br />

mit Namen Catr. Sophia Elisabeth zur Welt brachte. „Zeug“ dürfte ein Übertragungsfehler<br />

gewesen sein.<br />

Last not least ist auf drei Bleicher einzugehen, die erst nach 1780 ins Stephanopeler<br />

Tal kamen: ein Casper Diedr. Enselmann gnt. Uhlenhoff von Oberhemer<br />

kam 1781 mit seiner Familie und zog 1784 zurück nach Hemer. Dann ist verzeichnet<br />

ein Melchior Ebbinghaus, ein 32jähriger Bleicher aus Hemer, der mit<br />

seiner Ehefrau Maria Elisabeth geb. Herfeld (einer Reformierten aus Neuenrade)<br />

nach Stephanopel kam und endlich Peter Wilhelm Lohmann, geboren in Volmarstein,<br />

der im November 1786 Catherina Elisabeth Hebbings gnt. Ispey (geb. im<br />

Februar 1760 am Ispey, zu Iserlohn reformiert getauft) heiratete. Kurioserweise<br />

wurden die Lohmanns-Kinder unterschiedlich getauft: Sohn Johann Diedr. Gottlieb<br />

wurde am 16.8.1787 (laut Kirchenbuch, im Heftchen 17.8.) in Deilinghofen<br />

lutherisch getauft, während die Tochter Cathrina Sophia am 12.3.1790 (nach<br />

unserem Heftchen) in Iserlohn reformiert getauft wurde.<br />

Damit sind die ersten Einwohner Stephanopels in den ersten zwei Jahrzehnten<br />

nach Gründung <strong>des</strong> Ortes genannt. Da, wie erwähnt, der Kirchspielspfarrer für<br />

alle Konfessionen zuständig gewesen ist, dürfte es in dieser Zeitspanne keine<br />

Katholiken aber Reformierte in Stephanopel gegeben haben, so daß die Aufstellung<br />

hier vollzählich sein müßte.<br />

Registerteil<br />

(Wir haben für interessierte Forscher ziemlich umfangreich und so sorgfältig es<br />

ging, aber immer noch nicht ganz vollständig und sicherlich nicht ganz genau in<br />

diesem Buch genannte Namen aufgelistet.)<br />

269


a) Register der Personennamen:<br />

Albert, Kronprinz von Preußen: S. 114.<br />

Alberts, Familie: S.57.<br />

Alberts, Johanna Wilhelmine geb.<br />

Rentzing: S. 87.<br />

Alberts, Peter: S. 23, 86f., 102, 169f.,<br />

239.<br />

Alberts, Robert F. E.: S. 13.<br />

Amelung, Friedrich Wilhelm: S. 48.<br />

Angelkorte, Johann Diedrich (Pfarrer<br />

in Hemer): S. 19, 24f., 32, 34f., 38f.,<br />

41, 43f - 46, 50, 52, 61, 63f., 87f., 97,<br />

103, 107, 112, 137,<br />

Augusta, Kaiserin: S. 209.<br />

Bach, Johann Sebastian: S. 18.<br />

Backe, Georg Konrad: S.35f.<br />

Baedeker, Inspektor: S. 164.<br />

Bädeker, E. G. H. I.: S.40, 118.<br />

Bäinghaus, Diedrich Schulze zu: S. 39.<br />

Bär, Erika: S. 78.<br />

Bär, Gebrüder: S. 68.<br />

Bäumer, Wilhelm (Konsistorialrat): S.<br />

225f.<br />

Barth, Ulrich: S. 77.<br />

Bartmann, Cordula: S. 239.<br />

Basse, Adolph: S. 157.<br />

Basse, Agathe Elisabeth Charlotte geb.<br />

Rohrschneider (Lotte): S. 145, 146,<br />

148, 150, 151, 196f., 198, 211, 213,<br />

214, 217f., 219 - 221, 225.<br />

Basse, Carl Franz Friedrich (Pfarrer in<br />

Deilinghofen): Kapitel III ab. S. 144 -<br />

200, ferner S. 23, 28, 90, 91, 114, 135,<br />

143, 208 - 211,<br />

Basse, Carl, Töpferei: S. 158, 215.<br />

Basse, Carl Wilhelm: S. 155f.<br />

Basse, Eduard Wilhelm (geb. 1797, gef.<br />

1815) : S. 154f.<br />

Basse, Eduard: S. 155.<br />

Basse, Friedrich: S. 155f.<br />

Basse, Gerhard Caspar: S. 146 - 148.<br />

Basse, Helene (verh. Borgmann): S.<br />

157f..<br />

Basse, Johanna Wilhelmine geb. Pollmann:<br />

S. 146, 149.<br />

Basse, Luisa Wilhelmina Friederika<br />

Mathilde: S. 155.<br />

Basse, Pfarrer in Erndtebrück: S. 155,<br />

197.<br />

Basse, Stephan Heinrich Wilhelm: S,<br />

155.<br />

Basse, Theodore geb. Josephson: S.<br />

156.<br />

Basse & Selve: S. 156.<br />

Basse & Uerpmann: S. 156, 211.<br />

Baucks, Friedrich Wilhelm: S.19, 23f.,<br />

36, 38, 45, 47 - 50, 52, 58, 64, 104,<br />

114, 116f., 132, 142, 147f., 148, 165,<br />

175, 182, 206, 216f., 220 - 222, 225,<br />

232 - 234, 236.<br />

Baumann, Thomas: S. 117.<br />

Bayer, Oswald: S. 50.<br />

Becke, Adolph v. d.: S. 52.<br />

Becke, Diedrich v. d.: S. 25.<br />

Becke, Familie v. d.: S. 16, 25, 29, 88,<br />

102f., 170, 259, 262.<br />

Becke, Heinrich v. d.: S. 52.<br />

Becke, Johann Bernhard v. d.: S. 14,<br />

25.<br />

Becker, Hartung: S. 47, 115.<br />

Becker, Luise: S. 47.<br />

Becker, Wilhelm: S. 47, 115f.<br />

Bendrat, Hermann: S. 158.<br />

Bendrat, Horst: S.145f., 148, 158, 165,<br />

167, 176, 197, 210,<br />

Bengel, Johann Albrecht: S. 21.<br />

Bentzler, Edmund: S. 124.<br />

Bergmann, Prexbyter: S.213, 223f.<br />

270


Berkemeier, Georg: S. 24.<br />

Beyreuther, Erich: S. 50.<br />

Bleicher, Wilhelm: S. 24.<br />

Bönninghausen v., Lothar: S. 17.<br />

Borgmann, Caspar Diedrich: S. 158.<br />

Borgmann, Eduard: S. 158, 210.<br />

Brabeck, Haus: S. 175.<br />

Brabeck v., Jobst Edmund: S. 21,<br />

Brabeck, Freiherr v.: S. 133.<br />

Brandt, Anna Maria: S. 21.<br />

Brandt, Diedrich: S. 21, 33.<br />

Brinkman, Diedrich Heinrich: S. 261.<br />

Brinkman, Heinrich Albert: S. 261.<br />

Brune: S. 259, 262.<br />

Burkhardt, Helmut: S. 117, 230.<br />

Busch, August: S. 19, 77.<br />

Caspari, Christian Gottlieb: Stephanopel-Kapitel.<br />

Caspari, Catherina Louisa: Stephanopel-Kapitel.<br />

Caspari, Christian Gottlieb, Faktor:<br />

Stephanopel-Kapitel u. S. 90, 156.<br />

Caspari, Christian Gottlieb jun.: Stephanopel-Kapitel.<br />

Caspari, Familie: S. 102.<br />

Caspari, Freund Stindts: S. 102.<br />

Caspari, Johann Diedrich Adolph:<br />

Stephanopel-Kapitel.<br />

Caspari, Maria Sophia: Stephanopel-<br />

Kapitel.<br />

Caspari, Maria Sophia, geb. Knappe:<br />

Stephanopel-Kapitel.<br />

Caspari, Stephan Friedrich: Stephanopel-Kapitel.<br />

Cor<strong>des</strong>, Familie: S. 156.<br />

Cicero: S. 109.<br />

Confucius: S. 109.<br />

Cremer, Hermann, Theologieprofessor:<br />

S. 206.<br />

Davidis, Vater und Sohn: S. 46.<br />

Davidis I, Eberhard Ludolf, Pfarrer in<br />

Hemer:: S. 88.<br />

Davidis II, Johann Diedr. Friedr. Wilh.<br />

(der "dicke Davidis"), Pfarrer in Hemer:<br />

S. 46, 89.<br />

Dirk, Jan: S. 51f., 86.<br />

Dossmann, Ernst: S.23, 25, 28, 44f.,<br />

90, 101, 127,<br />

Dümpelmann, Catharina Elisabeth: S.<br />

66.<br />

Dümpelmann, Catharina Elisabeth geb.<br />

Meyer: S. 60.<br />

Dümpelmann, Familie: S. 38, 47.<br />

Dümpelmann, Gottfried Wilhelm Andreas<br />

(Pfarrer in Deilinghofen): Kapitel<br />

I, S. 55 - 131; S. 14, 18, 24f., 28f., 31,<br />

36, 38, 43, 46 - 49, 51 - 53, 134, 160,<br />

165, 174, 182, 198, 206, 209, 236, 238,<br />

243, 246f., 249 - 252, 259 - 262.<br />

Dümpelmann, Johann Caspar: S. 24f.,<br />

34f., 36, 43f., 46, 50f., 60f., 84f., 88,<br />

93, 97, 112.<br />

Dümpelmann, Johann Gisbert: S. 38.<br />

63, 84f., 94, 137.<br />

Dümpelmann, Johann Wilhelm: S. 36.<br />

Dümpelmann, Louisa Ernestina: S. 66.<br />

Duithe, Familie v.: S. 248.<br />

Duithe v., Witwe: S. 18.<br />

Ebberg, Johann Diedrich: S. 192.<br />

Ebbinghaus, Friedrich: S. 261.<br />

Ebbinghaus, Melchior: S. 262.<br />

Ebe, Martha: S. 156.<br />

Emminghausen, Inspektor: S. 34.<br />

Erckels, Verwalter: S. 133.<br />

Erdmann, Friedrich: S. 43.<br />

Erdmann, Schuster: S. 43.<br />

Ernst, Johann Heinrich, Diaspora-<br />

Arbeiter: S. 42, 51, 83 - 85, 87f., 89,<br />

2


92f., 95f., 97. 99, 101, 105, 113, 120f.,<br />

126, 134.<br />

Eßbaum, Wilhelmine: S. 16, 56, 192.<br />

Exlert, Friederike geb. Löbbecke: S.<br />

182.<br />

Eylert, Rulemann Friedrich (Bischof):<br />

S. 114, 182, 184 - 186, 196.<br />

Everts, Henrich gen. Basse: S. 146.<br />

Fabricius, Prediger: S. 39.<br />

Feiler, Diaspora-Arbeiter: S. 159.<br />

Feldhoff, Johann Henrich: S. 139.<br />

Feldhoff, Presbyter: S. 212f., 217,<br />

Feldmann, kath. Adjunct: S. 123,<br />

Fischer, Bertram (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 17, 56.<br />

Florschütz, Schulinspektor: S. 177.<br />

Forckel, Diaspora-Arbeiter: S. 35, 37,<br />

38..<br />

Forstmann, Johann Gangolf Wilhelm<br />

(Pfarrer in Hemer:) S. 19, 23 - 25, 30 -<br />

32, 34 -36, 40, 41, 46, 48 - 50, 61, 63,<br />

64, 87, 95, 103, 112, 137.<br />

Forstmann, Peter Konrad: S. 35.<br />

Forstmann, Thomas (Pfarrer in Hemer):<br />

S. 23, 26, 27, 30f. 38, 39.<br />

Francke, August Hermann: S. 21.<br />

Frick, Pastor: S. 237.<br />

Friedrich I., König in Preußen: S. 21,<br />

23.<br />

Friedrich II., "der Große": S. 33, 37, 42,<br />

46, 48, 72., 259.<br />

Friedrich Wilhelm I., ´Großer Kurfürst":<br />

25, 33.<br />

Friedrich Wilhelm II., König: S. 126,<br />

127.<br />

Friedrich Wilhelm III., König: S. 114,<br />

170, 180, 225.<br />

Fritzlar, Dietrich, Kirchmeister: S. 165.<br />

Frommel, Emil: S. 65, 81, 112, 114,<br />

117, 116f - 120, 128 - 130, 250.<br />

Garenfeld, Pfarrer in Iserlohn: S. 18.<br />

Gobrecht, Carl (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 57, 58.<br />

Geldbach, Erich: 117, 230.<br />

Giese, Joh. Henr., Drahtfabrikant: S.<br />

92, 95.<br />

Göbell, Walter: S.39, 45, 46f., 66, 122,<br />

124, 126f., 133, 135, 139, 149, 150,<br />

159, 164f., 171.<br />

Gottschalk, Johann Friedrich: S. 154.<br />

Gran, Pierre le: S. 146.<br />

Grevel, Johann Wilhelm Friedrich<br />

(Superintendent): S. 209, 215, 217 -<br />

220, 223, 225, 226.<br />

Gröne, Wilhelm, Pfarrer in Hemer: S.<br />

171.<br />

Groscurth, Friedrich Ernst Reinhard,<br />

Pfarrer in Iserlohn: S. 24,<br />

Groth, Friedhelm: S. 91, 239.<br />

Grünewald, Matthias: S. 79.<br />

Gudelius, Georg: S. 24. 37f., 42, 58,<br />

175, 239.<br />

Haape, Diedrich Schulte zu Riemke: S.<br />

18.<br />

Hackstroh, Presbyter: S. 213, 217.<br />

Hamann, Johann Georg (Philosoph): S.<br />

49f.<br />

Hammerschmidt , Benjamin Gustav<br />

(Kandidat, Pfarrer in Hagen): S. 216.<br />

Hartmann, Elmar: S. 77.<br />

Heer, Diedrich: S. 9, 18, 75, 192f.,<br />

243.<br />

Heimbucher, K.: S. 117, 230.<br />

Hein, H.: S. 182.<br />

Helleman, Johann Diedrich: S. 42.<br />

Helleman, Johan Herman: S. 41f.,<br />

Hebbings, gen. Isbey, Catherina Elisabeth<br />

(Lohmann): Stephanopel-Kapitel.<br />

Heppe, Heinrich: S.40, 117f., 118.<br />

3


Hepping, Familie (Kotten): S.23, 28,<br />

29, 31, 37, 42, 51, 53, 86, 87, 89, 96f.,<br />

102, 120, 134, 136, 169.<br />

Herbers, Hans-Martin, Burgarchiv<br />

Iserlohn: S.239.<br />

Herchenröder, Gerd: S. 74, 75, 123,<br />

130, 161, 163, 164, 177.<br />

Herder, Johann Gottfried: S. 50.<br />

Heß, Siegfried: S. 81.<br />

Hesse, Caspar: S. 21.<br />

Holbein d. J., Maler: S. 16.<br />

Horn, Georg Andreas, Diaspora-<br />

Arbeiter: S. 41, 42.<br />

Horst, Stephan: S. 185.<br />

Hüffel, Johann, Diaspora-Arbeiter: S.<br />

35. - 37.<br />

Hülsemann, Peter Melchior Wilhelm ,<br />

(Superintendent): S. 194, 209, 212,<br />

213, 217.<br />

Hülsmann, Ludwig (Superintendent): S.<br />

197.<br />

Hülshoff, Bernhard (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 17f., 68.<br />

Hundorp, Pfarrer: S. 16.<br />

Josephson, Carl (Aron): S. 201, 204.<br />

Josephson, Carl Ludwig (Beinahe-<br />

Pfarrer in Deilinghofen): Kapitel IV, S<br />

201 - 231; S. 117, 145, 156, 157, 190,<br />

194 - 196, 198,.<br />

Josephson, Gustav (Simon): S. 201.<br />

Josephson, Hermann Carl Eduard,<br />

Konsistorialrat: S. 221 - 224, 228 - 232,<br />

237.<br />

Josephson, Juliane Frederice (Frommette)<br />

geb. Levi: S. 201.<br />

Josephson, Ludwig Carl (‘Brosamenmann’):<br />

S. 117, 128, 204, 206, 209,<br />

232.<br />

Josephson, Max Johannes (Pfarrer in<br />

Deilinghofen): S. 222, 233, 234.<br />

Josephson, Rosette geb. Simon: S. 201,<br />

225.<br />

Josephson, Theodora, spätere Basse: S.<br />

156, 211.<br />

Kaiser, Wilhelm (Pfarrer in Sundwig):<br />

S. 37.<br />

Kindler, Johann Albert: S. 151.<br />

Kirschstein (Pastor u. Superintendent in<br />

Wupperfeld): S. 237.<br />

Korsch-Ger<strong>des</strong>, Harald: S. 15, 55, 58,<br />

72, 91, 145.<br />

Kölsch, Elisabeth: S.42.<br />

Königsdörfer, Diaspora-Arbeiter: S. 51.<br />

Kracht, August: S. 26, 77.<br />

Krafft, Sophie geb. Strauß: S.47.<br />

Krieg, Herrnhut-Archiv Neuwied: S.<br />

239.<br />

Krupp, Wilhelm (Christoph Georg<br />

Theodor): S.202f.<br />

Kruse, Johann Jakob, Rektor in Iserlohn:<br />

S.209, 226.<br />

Küperloh I und II, Presbyter: S.213.<br />

Kupisch, Karl: S.180, 182.<br />

Kutschelis, Inge: S.76.<br />

Ladiges, Friedrich: S. 149.<br />

Lambrecht, Karl: S. 15.<br />

Landfermann, Johann: S. 37, 89, 92,<br />

143.<br />

Lange, Heinrich (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 12, 16, 75.<br />

Langenbach, Mönch: S. 16.<br />

Lappe, Droste: S. 16.<br />

Lecke, Johann Caspar: S. 23, 49.<br />

Ledderhose, K. F.: S. 24.<br />

Lekke, Beamter: S. 152.<br />

Lente, Johann Diederich (Pastoratshaus-Wächter):<br />

S. 134f.<br />

Leube, Hans: S. 185.<br />

4


Limborg, August (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 76, 158, 190, 193, 198, 210f.,<br />

226f.<br />

Lindner, Johann Gotthelf: S. 49.<br />

Löbbecke, Friederike: S. 182.<br />

Löbbecke, Johann Hermann: S. 182,<br />

148.<br />

Long, Isaak le: S. 38f., 97.<br />

Lülff, Erich: S. 171, 173f.<br />

Lürmann: S. 156.<br />

Lürmann, Johann Stephan Diedrich<br />

gen. Johann Theodor: S. 92, 259.<br />

Lürmann, Stephan: S. 92.<br />

Luther, Martin: S. 20, 87, 171.<br />

Marcks, Caspar Diedrich: S. 147, 163 -<br />

165, 178, 188f., 190, 192, 223.<br />

Marcks, Gottfried Adolph: S.189.<br />

Marcks, Johann Diederich Friedrich<br />

gen. Winterhof: S. 165.<br />

Marcks, Johann Melchior: S. 18, 74f.,<br />

160, 163 -165.<br />

Marcks (Marx), Johann Melchior Dietrich<br />

(aus Deilinghofen stammender<br />

Pfarrer in Herzkamp): S.164f., 171.<br />

Maria Theresia, Kaiserin: S.48.<br />

Megede Johann Jakob zur: S.18f., 155f.<br />

Meyer, Joseph: S. 201, 203.<br />

Mönnich, Johann Arnold: S.148.<br />

Mollerus (oder Möller III), Caspar<br />

Gerhard (Pfarrer in Deilinghofen): S.<br />

30, 32, 48, 51, 53, 66, 68, 137.<br />

Mollerus, (oder Möller II) Florens<br />

Gerhard (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S.21, 25 - 27, 68.<br />

Mollerus, Goswin d. Ä.(Pfarrer in<br />

Schwefe): S.17.<br />

Mollerus (oder Möller I):, Goswin d. J.<br />

(Pfarrer in Deilinghofen): S.17f., 21,<br />

25, 68.<br />

Mollerus:; Johann Goswin I, Küster u.<br />

Schulmeister in Deilinghofen: S.21, 25.<br />

Mollerus , Johann Goswin II, Küster u.<br />

Schulmeister (Sohn): S.45, 47.<br />

Mülhaupt, Erwin: S.24, 117.<br />

Müllensiefen, Julius: S. 209.<br />

Müllensiefen, Peter Eberhard (1. Iserlohner<br />

Landrat): S. 129, 172 - 174, 179,<br />

188.<br />

Müllensiefen, Theodor: S. 173f.<br />

Müller, Eva Katharina geb. Bertram: S.<br />

132.<br />

Müller, Friedrich Christoph (Unna): S.<br />

82, 103 - 109.<br />

Müller, Johann: S. 132.<br />

Müller, Johann Carl: S. 140, 143.<br />

Müller, Johann Daniel (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 52, 69, 90, Kapitel II<br />

Müller S. 132 - 143, 159.<br />

Müller, Johann Friedrich: S. 140.<br />

Müller, Johann Theodor: S. 132.<br />

Müller, Johann Theodor d. J.: S. 132.<br />

Müller, Polykarp: S. 35.<br />

Muthmann, G.: S. 24.<br />

Neumann sen., Familie: S. 158.<br />

Nitschmann, Johann: S. 39, 41.<br />

Nitzsch, Carl Immanuel, Theologieprofessor:<br />

S. 207.<br />

Oberfeldhaus, Anna Maria Margaretha:<br />

S. 45.<br />

Oetinger, Friedrich Christoph: S. 21.<br />

Osterport, Diedrich: (Lehrer) 17f., 25.<br />

Osterport, Eberhard (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S. 17<br />

Osterport, Pfarrerswitwe: S. 18.<br />

Oventrop, Rolf: S. 146, 156.<br />

Overhoff, Katharina Sophie (Strauß): S.<br />

114.<br />

5


Pappenheim: S. 17.<br />

Paris, Antonius (Glockengießer): S. 17.<br />

Philipps, Emilie: S. 232.<br />

Philipps, Marianne Sophie Theodore<br />

(Josephson): S. 234.<br />

Philipps, Peter Kaspar Heinrich: S. 234.<br />

Pollmann verh. Wedag, Johanna Wilhelmine:<br />

S. 149.<br />

Raerbach, kath. Pastor in Hemer:<br />

S.124.,133.<br />

Rademacher, Wilhelm: S.30.<br />

Rappard, Dora u. Karl Heinrich: S.230.<br />

Rauschenbusch, Superintendent: S.182,<br />

185.<br />

Ravenschlag, Alfred (Pastor in Deilinghofen):<br />

S.57, 165.<br />

Reininghaus, Wilfried: S 91f., 259,<br />

261.<br />

Rentzing, Familie: S.57, 59, 86f., 102f.,<br />

170.<br />

Rentzing, Friederike: S. 37, 87.<br />

Rentzing, Gottfried: S. 169f.<br />

Rentzing, Johann Gottfried Wilhelm:<br />

S.28.<br />

Rentzing, Johann Melchior: S.28, 31.<br />

Rentzing gen. Hepping, Stephan Diedrich:<br />

S.23, 28, 31, 36f., 38, 42, 51f., 63,<br />

86f., 88f., 96, 136f.,<br />

Rentzing: ,Johann Diedrich: S. 69., 89.<br />

Ribeau, Pierre, Pastorats-Maurer: S.69.<br />

Richter, Johann Gottfried: S.262.<br />

Riemke: (vgl. Schulte-Riemke)<br />

Ritschl, Albrecht: S. 38.<br />

Rocholl, Bürgermeister-Ehepaar<br />

(Soest): S.148.<br />

Römer, Johann Mattias (Pfarrer): S. 47.<br />

Römer, Willy: S.76.<br />

Rohländer, Familie: S.92.<br />

Romberg:, Familie: S. 259, 262.<br />

Roth, Friedrich: S. 50.<br />

Rothert, Hermann: S.24.<br />

Rohrschneider, Michael: S. 151.<br />

Rohrschneider, Charlotte, verh. Basse:<br />

S. 151.<br />

Rohrschneider, Sophie geb. Brüning: S.<br />

151.<br />

Sack, K. H. (Theologieprofessor):<br />

S.207.<br />

Schäfer, Fritz (Presbyter): S.213, 223f.<br />

Schauff, Friedrich (Seminarlehrer u.<br />

Heimatkenner): S.56f., 76.<br />

Schauff, Hanna: S. 56.<br />

Schemann, Familie, Plettenberg: S.174.<br />

Schiller, Friedrich: S.18.<br />

Schinkel, pr. Star-Baumeister: S.174.<br />

Schleiermacher, Friedrich Daniel<br />

(Theologieprofessor u. "Kirchenvater"):<br />

S. 185.<br />

Schmöle, Iserlohner Chronist: S.26, 32,<br />

42, 47.<br />

Schnetger, Caspar Diederich, Küster:<br />

S.47, 66.<br />

Scholder, Klaus: S.207.<br />

Schütz, Johann Philipp, Pfarrer: S.220.<br />

Schulenburg, Anna v. d. (verh. Jospehson):<br />

S.234.<br />

Schulenburg, Hermann v. d. (Generalleutnant):<br />

S.234.<br />

Schulte, Günther: S.21, 30, 33, 73f., 77,<br />

82, 145, 154, 241<br />

Schulte, Gustav Diedtrich: S. 242.<br />

Schulte, Herbert: S. 22, 34, 38, 47, 57,<br />

77f., 82, 98f., 139f., 142f., 157, 206f.,<br />

207, 226, 239.<br />

Schulte, Melchior Diederich, Schneider:<br />

S. 147.<br />

Schulte, Wilhelm: S. 9, 23, 26, 28,<br />

32f., 42, 48f., 127, 209, 226.<br />

Schulte-Riemke, Familie: S. 17, 18, 24,<br />

28, 33, 34, 69.<br />

6


Schulte-Riemke, Dietrich sen.: SS. 33.<br />

Schulte-Riemke, Dietrich jun.: S. 33,<br />

138.<br />

Schulte-Riemke, Hartwig: S. 48.<br />

Schulte-Riemke, Margret: S. 48.<br />

Schulte zu Riemke, Diedrich: S. 23.<br />

Schulze zu Bäinghaus, Diedrich: S. 39.<br />

Schumager, Anton: S. 22.<br />

Schumacher, Diedrich: (Schumager) S.<br />

22.<br />

Schunke, Remmer: S. 238f.<br />

Schunke, Siegfried: S.23, 25, 30f., 33<br />

- 35, 37 - 39, 41, 43, 45f., 49, 51, 52,<br />

58, 61, 64f., 85, - 89, 93 - 96, 105, 113,<br />

120 - 122, 124, 126, 131, 134, 136,<br />

141, 160, 188, 204, 239.<br />

Schweppert, Evert, Pastorats-<br />

Maurermeister: S.69.<br />

Schweer, Heidemarie geb. Schulte: S.<br />

239.<br />

Seidel, Ina: S. 11 -13, 238.<br />

Semler, Johann Salomo: S.49, 64f.,<br />

114.<br />

Sirringhaus, C.D.: S.215, 219<br />

Sirringhaus, Friedrich: S. 49 (Bild).<br />

Sirringhaus, Johann Diedrich: S.<br />

Sluick, Hans (Glockengießer): S.15.<br />

Spener, Philipp Jacob (Begründer <strong>des</strong><br />

luth. Pietismus): S.21.<br />

Spitta, Philipp: S.235.<br />

Stamm-Kuhlmann: S. 114, 180, 182,<br />

185..<br />

Steinen v., Johann Diederich: (Generalinspektor<br />

d. Märk. Synode) S.21,<br />

Steinen v., Johann Diederich Franz<br />

Ernst (Inspektor, Nachfolger): S. 45,<br />

93, 124, 134f., 151.<br />

Steinecke, O.: S. 84, 95, 99, 104f.,<br />

120.<br />

Stenger, Pfarrer in Iserlohn: S.116.<br />

Stenner-Borghoff: S. 143.<br />

Stenner spätere Benzler: S. 124.<br />

Stephan, Horst: S. 185.<br />

Stievermann, Dieter: S.146.<br />

Stindt, Johann Hermann (Mühlen- u.<br />

Ebbergkirchenbauer): S.52., 101 - 103,<br />

174.<br />

Stindt, Helmut: S.52. 101.<br />

Störing, Heinz: S.77.<br />

Störing, Johannes (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S.17.<br />

Strauß, Gerhard Friedrich Abraham<br />

(Oberhofprediger): S.114, 182, 232.<br />

Strauß, Johann Abraham (Iserlohner<br />

Pfarreroriginal): S.47, 57, 65., 95f.,<br />

101, 110 - 118, 122, 126 - 131, 171,<br />

173f., 182, 188, 196, 204, 206, 209,<br />

232.<br />

Strauß, Johann Leonhard: S.113<br />

Strauß, Katharina geb. Müller: S.113.<br />

Strauß, Katharina Sophie geb. Overhoff<br />

Stürmann, Johann Heinrich: S. 59, 95f.,<br />

120, 141.<br />

Stupperich, Robert: S.206.<br />

Stürmann, Samuel : S.95.<br />

Sutorius, Johannes (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S.16.<br />

Swedenborg, Emanuel (von I. Kant<br />

"Geisterseher" genannt): S.129f., 173f.<br />

Tafel, Immanuel: S. 129, 207.<br />

Tersteegen, Gerhard: S. 31.<br />

Teves, Irmgard geb. Beckmann: S. 165.<br />

Than, Balthasar S. 146.<br />

Theves, Catharina: S. 27.<br />

Tholuck, A.: S. 24.<br />

Thom, Karl: S. 10, 31f., 43.<br />

Thomas, Eberhard, Stadtarchivar Hemer:<br />

S. 21, 239.<br />

Timm, Willy: S. 10, 45, 201, 203, 204,<br />

206, 234.<br />

Tümena, Grundstück: S 72.<br />

7


Thümena, M. M.: S. 261.<br />

Tonner,-Schulte, Ingrid :S. 80f.<br />

Treude, Emmi: S. 42.<br />

Treude, Friedhelm: S. 55.<br />

Trippel, Peter, Schieferdecker: S. 162.<br />

Trippler, Georg Heinrich Gottlieb,<br />

Superintendent: S. 204.<br />

Tuschhoff, Familie: S. 161.<br />

Valentin-Bette, Sigrun (Pfarrerin in<br />

Deilinghofen): S. 26f., 39, 68, 78, 81.<br />

Varnhagen, Johann: S. 16.<br />

Varnhagen, Johann Melchior: S. 16.<br />

Varnhagen, Karl Friedrich Ferdinand:<br />

S. 221, 225.<br />

Vicariesmann, Heinz: Titelblatt u.<br />

Deckblatt.<br />

Vincke, Freiherr Ludwig (Oberpräsident):<br />

S. 196.<br />

Voltaire: S. 107.<br />

Waldthausen, Familie v.: S. 21f.<br />

Wedag, Catharina Elisabeth geb. Büsche:<br />

S. 147.<br />

Wedag, Friedrich Wilhelm, Hauslehrer<br />

u. Prediger: S. 147 - 149,<br />

Wedag, Johanna Wilhelmine geb.<br />

Pollmann: S. 149.<br />

Weichenhan, Ottbrecht, Superintendent<br />

i. R.: S. 161.<br />

Westenius, Pfarrer: S. 16.<br />

Westhelle, Margarete: S. 33.<br />

Westhoff, Johann Gottfried, Pfarrer in<br />

Bausenhagen: S. 25, 36, 38, 43, 47,<br />

60f., 63, 112.<br />

Wienecke, Diedrich, Küster u. Kantor:<br />

S. 23.<br />

Wienecke, Johann: S. 21.<br />

Wienecke, Presbyter: S. 213.<br />

Wies(e)mann, Bürgermeister: S. 178,<br />

213,<br />

Wiesemann, Familie: S. 156.<br />

Wilsing (Kandidat): S. 216, 220.<br />

Winterhof(f), Johann Diederich Friedrich<br />

Marks gen. W.: S. 165.<br />

Winterhoff, Johann Melchior: S. 141.<br />

Witteborg, August (Pfarrer in Deilinghofen):<br />

S.207f., 208, 230, 232 - 236.<br />

Wittgenstein, Fürst zu: S. 157.<br />

Woeste, Friedrich Leopold: S. 21, 26f.,<br />

31, 37, 46, 48, 52, 55f., 76, 89, 169,<br />

174, 190, 193, 209, 218, 226.<br />

Woeste, Ludolf: S. 167.<br />

Wotschke, Theodor: S.31- 42, 44, 46,<br />

62,<br />

Wulfert, Carl Friedrich Franz: S. 175.<br />

Wulfert, Johann Friedrich Wilhelm,<br />

Superintendent: S. 91, 162, 175, 176,<br />

181f., 197.<br />

Zellerer, Helmut: S.<br />

Ziesemer, Walther: S. 50<br />

Zinzendorf, Christian Renatus: S. 51.<br />

Zinzendorf Graf v., Nikolaus Ludwig:<br />

S.19f., 24, 30 - 35, 38 - 42, 44, 46, 50,<br />

51, 53, 56, 57, 59, 60, 63, 64, 81 - 83,<br />

86 - 88, 96, 102f., 105f., 108, 110, 129,<br />

137.<br />

b) Register der Ortsnamen:<br />

8


Altena : S. 28, 43, 69, 71f., 99, 112,<br />

123, 127, 135, 138, 141, 145f., 159,<br />

182, 199, 216f., 259.<br />

Amsterdam: S. 93, 96 - 99, 130.<br />

Arnsberg: S. 169, 218 - 221, 224, 226f.<br />

Attendorn: S. 16.<br />

Augsburg: S. 109<br />

Balve: S. 13, 16, 77, 159, 167.<br />

Barmen-Wupperfeld (s. Wupperfeld)<br />

Barnekow, Gut: S. 149, 151.<br />

Bausenhagen: S. 25, 36, 38, 43, 47,<br />

60f., 63, 99.<br />

Becke (Hemer): S.17, 169.<br />

Berleburg: S.157.<br />

Berlin: S. 9, 24, 28, 38, 47, 49f., 64f.,<br />

73, 75, 114f.f., 126, 151, 181, 206f.,<br />

210, 219, 223f.f., 227f.f., 231, 234f.,<br />

241, 241.<br />

Berthelsdorf: S. 29.<br />

Bonn: S. 38, 163f. 207f.<br />

Brakel: S. 99, 132.<br />

Bredenbruch (Hemer): S. 112.<br />

Büdingen: S. 33, 39, 42.<br />

Calle: S. 112.<br />

Colmar: S. 79.<br />

Dahle: S. 51f.<br />

Daubitz: S. 39.<br />

Den Haag: 98f.<br />

Diesfort : S. 235.<br />

Dortmund: S.8, 24, 26, 40, 46, 71, 99,<br />

166f., 239, 241, 260.<br />

Dresden: S. 20, 41.<br />

Dröschede: S. 112.<br />

Düsseldorf: S. 24, 167.<br />

Duisburg: S. 48, 64.<br />

Ebersdorf: S. 50.<br />

Eichlinghofen (Dortmund): S. 132f.<br />

Eisleben: S. 114.<br />

Elberfeld (Wuppertal): S. 47, 113, 119,<br />

232.<br />

Elsey (Hagen-Hohenlimburg): S. 197,<br />

213.<br />

Erndtebrück: S. 155, 157, 194, 196,<br />

198.<br />

Essen: S. 8, 71, 99, 149.<br />

Evingsen (Altena): S. 51, 112, 169.<br />

Fredericksburg (Texas, Friedrichsburg):<br />

S. 157.<br />

Frömern: S. 45f., 124, 134, 149.<br />

Fröndenberg: S. 25, 60.<br />

Fulda: S. 17.<br />

Gelsenkirchen-Rotthausen: S. 240.<br />

Gevelsberg: S. 132.<br />

Gießen: S. 37.<br />

Gramstädt: S. 51.<br />

Greifswald: S. 206.<br />

Grüne: S. 45, 112, 127, 173.<br />

Gummersbach: S. 99.<br />

Hagen: S. 43, 46, 66, 110, 112, 122,<br />

126f., 132, 139, 149f., 159, 164, 166f.,<br />

171, 217.<br />

Halle a. d. S.: S. 9, 21, 35, 45f., 49,<br />

64f., 104, 110, 114, 119, 132, 147f.,<br />

206f., 231,<br />

Halver: S. 71, 99.<br />

Hamburg: S. 148f., 151,<br />

Hamm: S. 125, 182, 206, 217.<br />

Harpen (Amt Bochum): S. 132, 139.<br />

Hemer: 55, 57, 58, 92, 123, 125, 133,<br />

136, 162, 163, 165, 166f., 169, 171,<br />

173, 174f., 176, 179, 181, 191, 197,<br />

215, 218, 237, 240f., 258f., 260, 262<br />

Hemmerde (Unna): S. 24, 25, 34,f., 36,<br />

38, 43, 46, 50 - 53, 60, 62, 63, 65, 70,<br />

83 - 85, 88, 93, 94, 99, 137, 237.<br />

1


Hennen: S. 30, 201, 204.<br />

Herdecke´: S. 39.<br />

Herford: S. 114, 119.<br />

Heerendijk: S. 39.<br />

Herrnhaag bei Büdingen: 38, 42 - 44,<br />

50, 86, 87.<br />

Herrnhut: S. 6, 10, 19f., 24f., 29, 31 -<br />

33, 35 - 39, 41 - 44, 46, 50 - 53, 56, 58<br />

- 60, 62 - 64, 81 - 83, 85 - 87, 91f., 95,<br />

97, 103 - 110, 113, 119 - 121, 137,<br />

141, 159, 174, 227, 259f.<br />

Herscheid: S. 155.<br />

Herzkamp: S. 165, 171.<br />

Hohenlimburg: S. 30, 112.<br />

Homberg: S. 99.<br />

Hörde (Dortmund): S. 24, 99, 220.<br />

Hubertusburg: S. 48<br />

Hürnheim: S. 113.<br />

Ihmert (Hemer): S. 43, 169, 189.<br />

Iserlohn: S. 13, 16, - 28, 33, 35, 42,<br />

43, 45 - 48, 51 - 53, 56 - 60, 65, 71,<br />

95, 98f., 101, 103, 110, 112 - 122, 125<br />

- 127, 129, 138f. 141f., 146, 148, 154,<br />

156, 161f., 163, 166 - 169, 171, 173f.,<br />

176, 182, 189, 196f., 205, 209f., 217,<br />

220, 223f., 226, 237.<br />

Jena: S. 50.<br />

Kamen: S. 85.<br />

Kesbern (Iserlohn): S. 112, 169.<br />

Kleve (Cleve): S. 16f., 47, 71, 73, 88,<br />

95.<br />

Köln: S. 95, 146.<br />

Königsberg/Ostpr.: S. 21, 49.<br />

Königsborn (Unna): S. 240. 240.<br />

Königssteele (Essen): S. 149, 150.<br />

Landhausen (Hemer): S. 17, 169.<br />

Langendreer (Bochum): S. 72, 99.<br />

Langerfeld: S. 7, 139f., 142f.<br />

Leckingsen (Iserlohn): S. 112.<br />

Leipzig: S. 40, 147, 148f., 173.<br />

Letmathe (s.Grüne): S. 45, 146, 148.<br />

Ligny: S. 154, 168.<br />

Lissabon: S. 48<br />

Lössel (s. Letmathe): S. 112.<br />

London: S. 46, 50, 64, 241, 241.<br />

Lüdenscheid: S. 43, 71, 99, 150, 155f.,<br />

232, 234.<br />

Magdeburg: S. 235.<br />

Marienborn: S. 33, 39, 41f.<br />

Meinerzhagen: S. 36, 71, 99.<br />

Minden : S. 236.<br />

Moers: S. 31.<br />

Mülheim/R.: S. 31.<br />

Münster: S.17, 21, 47, 49, 58, 125, 133,<br />

182, 184, 186, 192, 257.<br />

Neuenrade: S. 147, 223, 230, 261, 272.<br />

Neuwied: S. 37, 42, 52, 58, 87, 95, 96.<br />

Nördlingen: S. 113.<br />

Osnabrück: S. 17.<br />

Opherdicke: S. 235.<br />

Oxford: S. 50.<br />

Ravensberg: S. 16, 212.<br />

Riga: S. 50.<br />

Ronsdorf (Wuppertal): S. 232, 233.<br />

Rotterdam: S. 50.<br />

Ründeroth: S. 132.<br />

Schandau: S. 261.<br />

Schwefe (bei Soest): S. 17f., 148.<br />

Schwelm: S. 43, 52, 104, 113, 116,<br />

132, 139.<br />

Schwerte: S. 91,122, 173.<br />

Sebnitz: S. 261.<br />

Speyer: S. 16.<br />

2


Soest: S. 15, 30f., 81, 148, 154, 232 -<br />

234, 269.<br />

Solingen: S. 24, 30 - 32, 34, 36, 38, 50,<br />

63f., 87, 95.<br />

Stephanopel (Hemer): S. 7, 90 - 92,<br />

102, 156, 176, 258, 259, 260ff.<br />

Stralsund: S. 236.<br />

Stenglingsen: S. 112.<br />

Stockholm: S. 36.<br />

Sümmern: S. 16.<br />

Sundwig (Hemer): S. 17, 23, 25, 27 -<br />

29, 31f., 37, 51, 52, 59f., 63, 69, 85 -<br />

89, 91f., 96f., 102f., 113, 120f., 126,<br />

134, 136, 140, 158f., 166, 168f., 260,<br />

240.<br />

Tübingen: S. 50, 129.<br />

Unna: S.16, 24, 45f., 70, 82, 99, 104 -<br />

106, 201f., 204, 215f., 223f., 240.<br />

Ummingen: S. 72, 99.<br />

Utrecht: S. 99.<br />

Voerde: S. 52, 132.<br />

Volmarstein: S. 262.<br />

Waterloo: S. 168.<br />

Werdohl: S. 47, 71, 99.<br />

Wesel: S. 231f., 235.<br />

Westig (Hemer): S. 16f., 20, 23, 27,<br />

59, 91, 96, 120, 126, 129, 141, 169,<br />

176, 196, 241.<br />

Westick (bei Fröndenberg): S. 99.<br />

Witten: S. 71, 99, 174.<br />

Wupperfeld (Wuppertal-Barmen): S.<br />

114, 119, 222, 232 - 237.<br />

Zaandam: S. 98.<br />

Zeist: S. 39, 44, 82, 93, 96f., 110.<br />

3


Bildnachweis<br />

S.4: Das Alte Pastorat nach der Wandfliese aus dem Jahr 1994: Ev. Kirchengemeinde<br />

Deilinghofen.<br />

S.20: Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1770 - 1760); Bild aus dem ehem. Zinzendorf-Haus,<br />

Ev. Kirchengemeinde Hemer, Pfarrbezrik Westig.<br />

S. 22: Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (Bild in der Sakristei der Ebbergkirche; Ev.<br />

Kirchengemeinde Hemer.<br />

S. 29: Reizvolle Ansicht von Heppings Kotten (heute: Alberts' Mühle in Sundwig). Foto:<br />

Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung. (IKZ)<br />

S. 49: Hausinschrift 1759 Haus Sirringhaus, Im Keunenborn. Foto: Zellerer<br />

S. 54: Das Viehhaus <strong>des</strong> Alten Pastorats (von der Pastoratstraße aus gesehen). Foto:<br />

Helmut Zellerer.<br />

S. 62: Die 'Taufkirche' Gottfried Dümpelmanns in Hemmerde, dem zentralen Wirkungsort<br />

der Freunde Herrnhuts. Gottfrieds Vater und sein Bruder waren in dieser Kirche Pfarrer.<br />

Foto: Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung.<br />

S. 67: Das alte Pastorat von der Sparkasse aus (rechts das Viehhaus). Foto: Helmut Zellerer<br />

S. 68: Die neue Balkeninschrift (während der Renovierung von 1991). Foto: Helmut<br />

Zellerer<br />

S. 70: Dümpelmanns Schmierzettel auf der linken Seite eines seriösen Dokuments. Kopie:<br />

Ev. Kirchenarchiv Deilinghofen.<br />

S. 74: Dreimal 'Deilinghofer Kirchensiegel mit der Jahreszahl 1766'; rechts das erneuerungsbedürftige<br />

aktuelle Siegel. Kopie: Ev. Kirchengemeinde Deilinghofen.<br />

S. 79: Deilinghofer Herdplatte (schwierig zu photographieren); Gebetsinschrift linke<br />

Seite. Foto: Helmut Zellerer.<br />

S. 80:Herdplatte rechte Seite (schwer zu photographieren); unten rechts die Jahreszahl<br />

1769. Foto: Helmut Zellerer.<br />

S. 88: Der Hof, auf dem sich das erste Gemeindehaus Hemers befand: Sundwiger Mühle.<br />

Foto: Helmut Zellerer.<br />

S. 94: Vater Dümpelmanns Grabplatte an der Kirche in Hemmerde (Name vertikal). Foto:<br />

Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung.<br />

S. 111 Pfarrer Johann Abraham Strauß (1754 - 1836) - der originelle Pfarrer der Bauernkirche.<br />

Abdruck mit freundlicher Genehmigung <strong>des</strong> Verlages aus der Ausgabe Emil<br />

Frommel: Johann Abraham Strauß, ein westfälisches Pfarroriginal, 7. - 11. Tausend, 2.<br />

Auflage, Druck und Verlag der St.-Johannis-Druckerei C. Schweickhardt Lahr-<br />

Dinglingen (Baden), o. J.<br />

S. 115: Johann Abraham Strauß auf dem Ritt (vielleicht) nach Deilinghofen. Druckgenehmigung<br />

wie bei S. 111.<br />

S. 121: Wie in der Bauern-, so in der Stephanuskirche: Strauß temperamentvoll predigend.<br />

Druckgenehmigung wie bei S. 111.<br />

2


S. 137: Die große Brandkatastrophe von 1792: Balkeninschrift am Haus Ziegenhirt, Balver<br />

Weg. Foto: Helmut Zellerer.<br />

S. 143: Balkeninschrift am Hof Stenner-Borghoff, Balver Weg. Foto: Helmut Zellerer.<br />

S. 144: Am Ende <strong>des</strong> Perückenzeitalters: Pastor Carl Franz Friedrich Basse (1767 - 1833).<br />

Der erste Deilinghofer Pfarrer, von dem wir eine Abbildung haben. Archiv Bendrat,<br />

Repro: Zellerer.<br />

S. 150: Basses "Lotte", das Jugendbildnis einer schönen Frau. Agate Elisabeth Charlotte<br />

Basse, geb. Rohrschneider (1777 - 1855). Der Familienüberlieferung nach haben an der<br />

Original-Federzeichnung, die im Besitz von Max Basse (Lüdenscheid) war, die Worte<br />

gestanden: "Die edelste ihres Geschlechts". Archiv Bendrat, Repro: Zellerer.<br />

S. 153: Das königliche Confirmations-Patent Basses. Archiv Ev. Kirchengemeinde Deilinghofen.<br />

S. 161: Schule von 1800 auf dem Kirchhof (Bild von 1862). Archiv Bendrath, Repro:<br />

Zellerer.<br />

S. 168: Stephanuskirche: Gedenktafel für den 1815 bei Ligny gefallenen Pastorensohn<br />

Eduard. Foto: Iserlohner Kreisanzeiger und Zeitung.<br />

S. 172: Der Iserlohner Landrat Peter Eberhard Müllensiefen (1786 - 1846). Archiv: IKZ<br />

S. 183: Rulemann Friedrich Eylert (1770 - 1852). Bischof, Königsberater und Basses<br />

Freund. Archiv: IKZ.<br />

S. 187: Eylerts Brief vom 3. August 1826 an seinen "lieben Basse" in Deilinghofen. Archiv<br />

Ev. Kirchengemeinde Deilinghofen.<br />

S. 191: Gearbeitet hat Basse in seiner Zeit <strong>des</strong> Streites (um 1829) auch noch: z. B. hat er<br />

das Edelhoff-Mädchen am 7. Juni 1829 in Deilinghofen konfirmiert. Archiv Ev. Kirchengemeinde<br />

Deilinghofen.<br />

S. 200: Charlotte Basse, hier nun als alte Frau und Pfarrerswitwe. "Lotte", im spannungsreichen<br />

Jahr 1834 (nächstes Kapitel) Parteigängerin <strong>des</strong> jungen Josephson, hat bis noch in<br />

Pastor Limborgs Zeiten in Deilinghofen Spuren hinterlassen (Gründung <strong>des</strong> "Frauen-<br />

Enthaltsamkeitsvereins"). Archiv Bendrat, Kopie Zellerer.<br />

S. 240: Porträt Siegfried Schunke. Foto: Privat<br />

S. 241: Porträt Herbert Schulte. Foto: Privat<br />

3


gesehen).<br />

Kirchensiegel<br />

Deilinghofen Dezember 1994<br />

HERBERT SCHULTE UND SIEGFRIED SCHUNKE IN MEMORIAM<br />

4

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