Die Stille atmen - Kirchenblatt
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<strong>Die</strong> <strong>Stille</strong> <strong>atmen</strong> –<br />
Ein Besuch im Kloster Hauterive<br />
RETO STAMPFLI<br />
Thema<br />
Wer von einer klösterlichen<br />
Gesellschaft spricht, weist<br />
auf eine Menschengruppe<br />
hin, die aus dem Rahmen<br />
fällt, nicht nur hinsichtlich<br />
ihrer eigenen Organisation,<br />
sondern auch aufgrund des<br />
Motivs, das ihre Mitglieder<br />
vereint. Abgeschieden und<br />
doch mitten in unserer umtriebigen<br />
Welt lebt in Hauterive<br />
eine kleine Mönchsgemeinschaft,<br />
die auf eine<br />
über 800-jährige Tradition<br />
zurückblicken kann.<br />
Joos Paul<br />
Leben im Kloster Hauterive<br />
128 Seiten<br />
104 Schwarz-Weiss-Fotos<br />
Paulusverlag, 2006<br />
ISBN 978-3-7228-0690-7<br />
Es gibt verschiedene Wege, wie man<br />
nach Hauterive gelangen kann. Am eindrücklichsten<br />
ist wohl eine frühmorgendliche<br />
Wanderung von Fribourg aus, wo<br />
man über Abschnitte des Jakobsweges<br />
vorbei an Villars-sur-Glâne und Posieux<br />
ins Tal an der Flussschlaufe der Saane gelangt,<br />
in dem sich seit dem 12. Jahrhundert,<br />
eingebettet in einen Talkessel, das<br />
Zis terzienserkloster befindet. Für diesen<br />
Weg benötigt man knapp zwei Stunden<br />
und kommt bei guter Planung gerade<br />
rechtzeitig zur stimmungsvollen Laudes<br />
in der bewusst kargen Klosterkirche. Man<br />
kann sich jedoch auch mit dem Bus nach<br />
Posieux chauffieren lassen, wo sich die<br />
freiburgische Landwirtschaftsschule befindet,<br />
um dann nach einem kurzen Fussmarsch<br />
vor der Klosterpforte zu stehen.<br />
Auch mit dem Auto ist Hauterive über<br />
eine Nebenstrasse erreichbar. Eindrücklich<br />
ist die Lage der Abtei, da man sich im<br />
beschaulichen Tal weit weg von jeglicher<br />
Zivilisation wähnt, obwohl sich die nächs -<br />
te Stadt nur wenige Kilometer entfernt<br />
befindet. Das Kloster und seine Umgebung<br />
ist ein geheimnisvoller Ort, wo man<br />
sich in eine längst vergangene Zeit zurück -<br />
versetzt fühlt.<br />
Flucht in die Einsamkeit<br />
<strong>Die</strong> Zisterzienser sind ein benediktinischer<br />
Reformorden, der nach dem im Jahr 1098<br />
gegründeten Kloster Cîteaux im Burgund<br />
benannt wurde. <strong>Die</strong> Abtei Notre-Dame<br />
wurde 1138 vom adligen Wilhelm von<br />
Glâne gegründet, indem er seine Lände-<br />
reien verschenkte. Seine Grabstätte kann<br />
man noch heute im Chor der Kirche bewundern.<br />
<strong>Die</strong> Gemeinschaft fusste in den<br />
Gründungsjahren auf einem neuen religiösen<br />
Armutsbegriff, der die Mönche<br />
weg vom Besitz zur Flucht in die Einsamkeit<br />
trieb. Anders als die Benediktiner und<br />
Cluniazenser verzichtete man grundlegend<br />
auf Reichtum jeglicher Art. <strong>Die</strong> neu<br />
errichteten Klöster befanden sich oft in<br />
entlegenen Tälern, jedoch immer in der<br />
Nähe des Wassers. <strong>Die</strong> Zweckmässigkeit<br />
bestimmte die Bauweise und Ausgestaltung<br />
ihrer Gebäude und ihrer Kirchen.<br />
Jede ästhetische Ausschmückung oder figürliche<br />
und farbige Darstellung lenkte<br />
ihrer Meinung nach nur vom eigentlichen<br />
Ziel, Gott zu dienen, ab. <strong>Die</strong> einzelnen<br />
Abteien standen in einem Abhängigkeitsverhältnis<br />
zueinander, waren jedoch mehr<br />
oder weniger autonom. Damit trotz allem<br />
die Ordenseinheit gewahrt wurde, trafen<br />
sich die Äbte einmal im Jahr mit dem Abt<br />
von Cîteaux, um in einem gemeinsamen<br />
Kapitel zusammen die Probleme und Ordensfragen<br />
zu behandeln.<br />
Klöster in der Schweiz<br />
Der Zisterzienserorden erfuhr vor allem<br />
durch das Wirken Bernhards von Clairvaux<br />
eine rasche Ausbreitung. Der bekannte<br />
Kirchenlehrer und Kreuzzugsprediger<br />
war für die Satzungen und Lehr -<br />
schriften zuständig. 1115 schickte man<br />
ihn mit einigen Mönchen als Gründungsabt<br />
eines neuen Tochterklosters in ein<br />
nahe gelegenes Tal. Hier war er dann bis<br />
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KIRCHENBLATT 24 2011