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Kosmetik - Gemeinde Kirkel

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- Wie waren die Fakten?<br />

Im ganzen Reich, auch im Saarland, hatte sich herumgesprochen,<br />

außerdem konnte es jedermann in der Presse nachlesen, dass Hitler<br />

unmittelbar nach dem Reichstagsbrand am 27.2.1933 die „Verordnung<br />

des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“<br />

zum Anlass nahm, die Grundrechte bis auf Weiteres (faktisch bis<br />

zum Ende des 2. Weltkrieges) auszusetzen. In der Folge kam es zu<br />

Massenverhaftungen der Gegner, insbesondere von Anhängern der<br />

KPD und SPD, sodass am 23. März das Ermächtigungsgesetz, womit<br />

die gesetzgebende und die exekutive Gewalt in einer Hand lagen,<br />

problemlos verabschiedet werden konnte. Diesen Fakten zum<br />

Trotz war Hitler für die Rechte ein würdiger Ehrenbürger.<br />

Dass Hitler zum Verhängnis Deutschlands werden würde, konnte<br />

1933 trotz der Behauptung der Linken, Hitler bedeute Krieg, niemand<br />

wissen. Wenn man aber tagtäglich mit ansah, wie die Schlägertrupps<br />

der SA in Berlin den politischen Gegner terrorisierte, bekam<br />

man einen Vorgeschmack auf das, was kommen würde, wenn<br />

Hitler an der Macht war. Dennoch hat Hindenburg, der unmittelbare<br />

Augenzeuge dieser Straßenkämpfe, Hitler am 30.1.1933 zum<br />

Reichskanzler ernannt.<br />

Was waren seine Beweggründe? Zwar verachtete der Sieger von<br />

Tannenberg den „böhmischen Gefreiten“, aber die NSDAP war zur<br />

stärksten politischen Kraft geworden. An Hitler, so glaubte er, führte<br />

kein Weg mehr vorbei, außerdem hatte Hindenburg persönliche<br />

Motive: Sein Renommee hatte in den letzten Jahren wegen Korruptionsvorwürfen<br />

und Spenden aus der Wirtschaft in Millionenhöhe<br />

gelitten. Hindenburg brauchte Hitler.<br />

Folgende Beispiele mögen dies beleuchten:<br />

- 1927, als die Familie Hindenburg Gut Neudeck in Ostpreußen aus<br />

finanziellen Gründen nicht mehr halten konnte, ließ sich der<br />

Reichspräsiden den Betrag von 1 Million Reichsmark, den Gönner<br />

für ihn sammelten, überreichen. Um Erbschaftssteuern zu sparen,<br />

wurde es gleich auf seinen Sohn Oskar übertragen.<br />

- Dieses im Prinzip legale Verhalten schädigte sein Ansehen, ebenso<br />

die Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Ostpreußengesetz,<br />

das die Junker, seine Standesgenossen, begünstigte.<br />

- 1933 ließ ihm die Reichsregierung unter Hitlers Reichskanzlerschaft<br />

und die Preußische Regierung unter Görings Ministerpräsidentenschaft<br />

Dotationen von insgesamt 1 Million Reichsmark<br />

zukommen (all das nachzulesen in wikipedia.org./wiki/Paul von<br />

Hindenburg).<br />

Hinzu kommt seine fiese Rolle, die er bei der Dolchstoßlegende spielte.<br />

Vor dem Untersuchungsausschuss der Weimarer Nationalversammlung<br />

hat Hindenburg behauptet, der deutsche Soldat sei, im<br />

Felde unbesiegt, von hinten, von den Novemberverbrechern „erdolcht“<br />

worden. Hindenburg und Hitler waren sich in ihrer Verachtung<br />

gegenüber der Weimarer Republik einig.<br />

All das – Hindenburg, der Dienen mit Verdienen verwechselte, der<br />

Erfinder der Dolchstoßlegende, der Steigbügelhalter Hitlers, der<br />

schon in den ersten Wochen seines Machtantritts unter den Augen<br />

Hindenburgs auf den Menschenrechten herumtrampelte - war in<br />

der Öffentllchkeit bekannt, auch unter den Limbachern <strong>Gemeinde</strong>räten,<br />

manches ist sicherlich in der Sitzung vom 26.5.1933 zur Sprache<br />

gekommen, aber die Fronten waren mittlerweile so verhärtet,<br />

dass man für die Gegenseite kein Ohr mehr hatte. Die Verleihung<br />

der Ehrenbürgerschaft an Hindenburg und Hitler war zweitrangig,<br />

wichtiger war, die Gegenseite vorzuführen. Das war der neue Umgang<br />

im Limbacher <strong>Gemeinde</strong>rat.<br />

Die Limbacher NSDAP-<strong>Gemeinde</strong>ratsfraktion befand sich im übrigen<br />

in „guter Gesellschaft“: Am 8.4.1933 hatte die „Ortsgruppe<br />

Niederbexbach der NSDAP“ unter Punkt 12 den gleichen Antrag<br />

gestellt. „Dem Antrag wurde einstimmig entsprochen“. In Kleinottweiler<br />

wurde am 17.7.1933 dem Antrag der Ortsgruppe der NSDAP,<br />

Hitler (nicht Hindenburg) das Ehrenbürgerrecht zu verleihen,<br />

ebenfalls einstimmig entsprochen. In Altstadt war am 5.12.1933 die<br />

deutsche Front der Antragsteller. Mit 8 gegen 4 Stimmen erhielten<br />

Hindenburg und Hitler das Ehrenbürgerrecht. Auch In <strong>Kirkel</strong>-Neuhäusel<br />

wurden Hitler und Hindenburg Ehrenbürger. Beleg ist hier<br />

kein <strong>Gemeinde</strong>ratsprotokoll, sondern die Danksagung beider: Hindenburg<br />

schreibt am 11. August 1933: „Sehr geehrter Herr Bürgermeister!<br />

Für die Ehrung, die mir der <strong>Gemeinde</strong>rat <strong>Kirkel</strong> Neuhäusel<br />

durch die Verleihung der Ehrenbürgerrechte erwiesen hat und für<br />

die Übersendung des kunstvollen Ehrenbürgerbriefes spreche ich<br />

meinen aufrichtigen Dank aus. Hitler schreibt am 30. August 1933:<br />

„Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts von <strong>Kirkel</strong>-Neuhäusel erfüllt<br />

mich mit aufrichtiger Freude.“ (s. D. Ecker: <strong>Kirkel</strong>-Neuhäusel<br />

und seine Burg 1938, S. 165)<br />

Dass der Limbacher Antrag, wie gesagt, als Provokation und Affront<br />

gegen die Linke gedacht war, zeigen die zwei Zusatzanträge,<br />

der der Straßenumbenennung und der der Nichtveröffentlichung von<br />

amtlichen Sitzungsberichten in der „Volksstimme“.<br />

Dieses Konfrontationsklima war im <strong>Gemeinde</strong>rat Limbach ungewohnt.<br />

Tradition war, dass die Mitglieder, obwohl sie verschiedenen<br />

Parteien angehörten, einvernehmlich, der Sache verpflichtet<br />

(nicht einstimmig) abstimmten. Das hatte sich mit der <strong>Gemeinde</strong>ratswahl<br />

vom 13.11.1932 fundamental geändert: Im neuen <strong>Gemeinde</strong>rat<br />

standen sich zwei Blöcke gegenüber: die Linke und die Rechte,<br />

wobei diese, die nationale Einheitsliste (NSDAP und Bürgerpartei)<br />

ihre gewonnene Mehrheit rücksichtslos ausübte. So heißt es z.<br />

B. in der Sitzung vom 19.9.1933 (Vorsitz: Bürgermeister Grub, Adjunkt:<br />

Weiler) unter Punkt 7: „Freiwilliger Arbeitsdienst. Der <strong>Gemeinde</strong>rat<br />

beschließt mit 9 gegen 7 Stimmen dem Volksbund für<br />

saardeutschen Arbeitsdienst als Mitglied beizutreten. Jahresbeitrag<br />

6. Fr.“ Am 30.11. 12. 1933 (Vorsitz: Bürgermeister Grub, neuer Adjunkt:<br />

Otto Bach) hatte unter Punkt 6 die SPD beantragt, „allen Erwerblosen<br />

eine einmalige Unterstützung (wie bei Arbeitsdienstlern)<br />

zu gewähren“, was die Rechte mit 9 zu 7 Stimmen ablehnte.<br />

Die Wahl am 13.11.1932 ist eine Zäsur im Limbacher <strong>Gemeinde</strong>rat:<br />

so nach und nach kam es seither zur „Machtergreifung“ - in Etappen<br />

erfolgte sie:<br />

Erste Etappe: In dieser Sitzung Ende des Jahres 1933 fungierte als<br />

Vorsitzender noch Bürgermeister Fritz Grub, sein Adjunkt Wilhelm<br />

Weiler, SPD, ist aber durch Otto Bach, NSDAP, abgelöst. Der nächste<br />

auf der „Abschussliste“ wird Grub sein.<br />

Zweite Etappe: Dass er am 24.1.1935 noch die nationale Karte spielte<br />

bzw. spielen durfte, brachte ihm eine kleine Verschnaufpause<br />

ein. An diesem Tag, der ersten Sitzung nach der Saarabstimmung<br />

des 13. Januar, eröffnete der Bürgermeister die Sitzung „mit dem<br />

deutschen Gruß „Heil Hitler“. U.a. führte er aus: „Die Sitze der Linken<br />

sind heute leer. Der denkwürdige 13. Januar hat ihnen nun endgültig<br />

die Lehre gegeben. Die Schlacht ist geschlagen, die Entscheidung<br />

gefällt.…Die Stimme des Blutes, die Stammesverwandtschaft<br />

hat gesiegt, trotz der ungeheuren Gegenarbeit der Anhänger des<br />

„Status quo“. Was wir hier in Limbach von den Anhängern des „Status<br />

quo“ zu erdulden hatten, das wissen Sie alle. Mit Lug und Trug,<br />

den gemeinsten Verleumdungen und Verletzungen wurde gearbeitet,<br />

eine wahre Flut von Flugblättern, auch solcher mit persönlichen<br />

Beleidigungen allerschlimmster Art wurden verbreitet, finanziert<br />

von der franz. Bergwerksdirektion und Frankreich selbst. In<br />

der Hauptsache waren es Emigranten, die aber meistens keine politischen,<br />

sondern kriminelle Flüchtlinge waren. Es waren Leute der<br />

allerübelsten Sorte, von denen die meisten ein großes Strafmaß auszuweisen<br />

hatten und denen im Reich der Staatsanwalt auf den Fersen<br />

war. Bedauerlicherweise haben die Anhänger des „Status quo“<br />

mit diesen Leuten gemeinsame Sache gemacht und friedliche Bürger<br />

bedroht. Das Schicksal hat sie ereilt. Nur der glänzenden Disziplin<br />

der „Deutschen Front“ war es zu verdanken, dass es keinen<br />

Mord und Totschlag gegeben hat. Ich danke deshalb der „Deutschen<br />

Front“ und ihren Führern, die an der mustergültigen Organisation<br />

des Wahlkampfes mitgewirkt haben. der Völkerbundsrat hat schon<br />

die letzte Entscheidung getroffen. Bereits am 1. März werden wir<br />

zu unserem Vaterlande zurückkehren, was unser aller sehnlichster<br />

Wunsch ist, denn auch wir wollen nicht zurückstehen bei dem großen<br />

Werk des Wiederaufbaus unseres Vaterlandes. Ich schließe<br />

meine Ausführungen mit dem Rufe: Eds lebe unser Deutschland<br />

und unser unvergleichlicher Führer“.<br />

Wir sehen: Bürgermeister Grub, der kein Hitlerist war, beugte sich<br />

dennoch mit „Heil Hitler“ dem neuen Geist. Auch die Sprache der<br />

Nazis übernahm er, wenn er sagt, am 13. Januar habe die Stimme<br />

des Blutes, die Stammesverwandtschaft gesprochen. Wer diese Stimme<br />

des Blutes nicht hört, die Statusquoler nämlich, ist undeutsch,<br />

hat sich vom Ausland finanzieren lassen bzw. hat mit den Emigranten,<br />

kriminellen Elementen, gemeinsame Sache gemacht. Bald werden<br />

auch sie das Schicksal der Emigration erleiden.<br />

Wie Grub die Emigration bzw. die Emigranten erwähnt, zeigt, dass<br />

er für dieses Phänomen keinen Sensus besitzt. Die Vorstellung, für<br />

seine Überzeugung die Emigration, ob innere oder äußere, auf sich<br />

zu nehmen, ist ihm fremd. Wer in seiner Heimat, hat sich still zu<br />

verhalten, wird ins Abseits gedrängt, wird von der Mehrheit gemieden,<br />

teils verlieren sie ihre Arbeit oder werden im KZ interniert;<br />

wer den Mut hat, ins Ausland zu gehen, gibt seine Familie auf,<br />

schlägt sich immer auf der Suche nach Arbeit durch, lebt ständig<br />

unter Existenzängsten. Beides, die innere oder die äußere Emigration,<br />

ist gleich schlimm.<br />

Zum Schluss macht Grub noch einen Kotau, wenn er dem „unvergleichlichen<br />

Führer“ - noch einmal - seine Aufwartung machte. Es<br />

nützte ihm nichts, wie wir gleich sehen werden.<br />

Anschließend verlas er eine Erklärung der sozialdemokratischen<br />

<strong>Gemeinde</strong>ratsfraktion, welche folgenden Wortlaut hatte:<br />

„Limbach, den 24.I.35 Erklärung.<br />

Die sozialdemokratische <strong>Gemeinde</strong>ratsfraktion erklärt hiermit, dass<br />

sie ihre Mandate in der <strong>Gemeinde</strong>vertretung sowie in sämtlichen<br />

Ausschüssen u. Kommissionen niederlegt. Wir haben in der Vergangenheit<br />

uns wiederholt von Einflüssen, die auf Illusionen beruhten,<br />

verleiten u. zu unsachlichen Äusserungen hinreissen lassen.<br />

So vor allem gegen den verstorbenen Reichspräsidenten von<br />

Hindenburg. Wir bedauern alle diese Ausführungen und nehmen<br />

sie hiermit wieder zurück. Ferner betonen wir den neuen Verhältnissen<br />

gegenüber uns loyal und aufgeschlossen verhalten zu wollen.<br />

Sozialdemokratische <strong>Gemeinde</strong>ratsfraktion Limbach<br />

I.A. R. Bach“<br />

Die Erklärung ist eine menschliche Tragödie: Mitbürger zwangen<br />

Mitbürger zur vollkommenen Kapitulation, indem die Linke den<br />

neuen Herren durch ihr Ausscheiden aus der (Kommunal-) Politik<br />

den Weg freimachte, „unsachliche Äußerungen“ in der Vergangenheit<br />

bedauern sie. Ihre Hoffnung, durch die Versicherung gegenüber<br />

den neuen Verhältnissen ihre Loyalität zu beweisen und so die<br />

neuen Machthaber gnädig zu stimmen, ist, wie sich in Kürze zeigen<br />

wird, ein Trugschluss, eine Illusion. Man nimmt ihnen diese Kehrwende<br />

nicht ab. Sich wegducken, ist daher der einzige Ausweg.<br />

Zehn Jahre später ist der Spuk zu Ende, das Blatt hat sich gewendet,<br />

die Zeit der Normalität kehrt langsam zurück, Wunden heilen.<br />

KIRKELER NACHRICHTEN NR. 11/2013 Seite 17

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