IKZ Haustechnik Trinkwasserhygiene (Vorschau)
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SANITÄR<br />
Biokorrosion<br />
Mikrobielle Korrosion<br />
Vorkommen – Mechanismen – Identifizierung<br />
Biokorrosion oder mikrobiell beeinflusste Korrosion (MIC, vom englischen microbiologically influenced corrosion) umfasst alle Arten<br />
von Korrosion, die von Mikroorganismen ausgelöst oder beeinflusst werden. Die Verhinderung von Biokorrosion stellt eine große<br />
Herausforderung dar, da Kenntnisse in verschiedenen Disziplinen nötig sind – von Materialwissenschaften über Chemie und Mikrobiologie<br />
bis zur Biochemie.<br />
Dies wird auch daran deutlich, dass in<br />
der entsprechenden Literatur viele verschiedene<br />
Begriffe für Biokorrosion verwendet<br />
werden, beispielsweise Biodeterioration,<br />
biologischer Abbau oder Biomineralisierung.<br />
Obwohl sie alle dasselbe<br />
grundlegende Phänomen beschreiben,<br />
besitzen sie doch einen<br />
unterschiedlichen<br />
Fokus: Biodeterioration<br />
z. B. wird<br />
verwendet, wenn<br />
ein schädlicher Einfluss<br />
von Mikroorganismen<br />
auf verschiedene Materialien,<br />
vom Plastik bis zum Beton, beschrieben<br />
werden soll. Die Begriffe „biologischer Abbau“<br />
und Biomineralisierung gehen noch<br />
weiter und beschreiben die Verwendung<br />
eines (meist organischen) Werkstoffes als<br />
Nährstoff bis hin zu seinem vollständigen<br />
Abbau zu anorganischen Endprodukten<br />
wie CO 2 oder Wasser.<br />
Praktisch alle Materialoberflächen<br />
werden von Mikroorganismen<br />
besiedelt.<br />
Mikroorganismen und Biofilme<br />
Um Biokorrosion bzw. Biodeterioration<br />
besser zu verstehen, muss man sich zuerst<br />
einmal mit den beteiligten Mikroorganismen<br />
auseinandersetzen. Der Begriff<br />
Mikroorganismus bezieht sich hauptsächlich<br />
auf die Größe (etwa 0,5 bis 10 μm) und<br />
umfasst einzellige Organismen wie Bakterien<br />
über Mehrzeller wie Algen, Flechten,<br />
Hefen oder Pilzen bis hin zu den Protozoen<br />
(einzellige Organismen). Mikroorganismen<br />
besitzen ein enormes biologisches<br />
Potenzial. So sind z. B. Bakterien durch<br />
ihre Vielzahl verschiedener Stoffwechselwege<br />
in der Lage, nahezu alle bekannten<br />
natürlichen oder künstlichen (Bau-)Materialien<br />
einschließlich Metall, Holz, Beton<br />
und verschiedene Polymere abzubauen<br />
oder (negativ) zu<br />
verändern. Ein weiteres<br />
Merkmal ist<br />
ihre enorm hohe<br />
biologische Aktivität.<br />
Einzelne Zellen<br />
sind in technischen<br />
Systemen harmlos, sie vermehren sich<br />
aber sehr schnell (exponentiell). Escherichia<br />
coli z. B. verdoppelt sich unter optimalen<br />
Bedingungen alle 20 Minuten und<br />
kann Zellzahlen von bis zu 10 12 Zellen pro<br />
Milliliter erreichen. Bei typischen Zelldimensionen<br />
von höchstens 1 μm 3 kann die<br />
spezifische Oberfläche, die den Stoffaustausch<br />
zwischen Zellen und Umgebung<br />
kontrolliert, schnell 6 m 2 pro Milliliter erreichen.<br />
Praktisch alle Materialoberflächen<br />
werden von Mikroorganismen besiedelt.<br />
Selbst technische Systeme mit extremen<br />
Bedingungen bilden keine Ausnahme,<br />
da Mikroorganismen Temperaturen von<br />
-20 bis +116 °C, pH-Werte von 0 bis 14, extreme<br />
Drücke von 1000 bar und mehr, sauerstofffreie<br />
oder sauerstoffreiche Bedingungen,<br />
toxische, mutagene oder karzinogene<br />
Stoffe und selbst starke ionisierende<br />
Strahlung (wie sie z. B. in den Abklingbecken<br />
von Atomkraftwerken vorkommt)<br />
ertragen und ihnen widerstehen können.<br />
Sie bilden komplexe, in eine stabile Matrix<br />
aus extrazellulären polymeren Substanzen<br />
(EPS) eingebettete Lebensgemeinschaften<br />
– die sogenannten Biofilme. Ihre Struktur<br />
und Zusammensetzung wird sowohl<br />
von den beteiligten Mikroorganismen<br />
selbst als auch von externen Faktoren bestimmt.<br />
Die Mikroorganismen beeinflussen<br />
sie unter anderem durch die Ausscheidung<br />
von EPS unterschiedlicher an den<br />
Werkstoff angepasster Zusammensetzung.<br />
Chemische Hauptbestandteile der EPS sind<br />
Kohlenhydrate, Uronsäuren, Eiweiße, Fette<br />
und Nukleinsäuren. Zusätzlich können<br />
Exoenzyme, Detritus und Korrosionsprodukte<br />
vorkommen. Äußere Faktoren sind<br />
z. B. das Substratum, das umgebende Medium<br />
und das Nährstoffangebot. Durch<br />
die Bildung von Konzentrationsgradienten<br />
einzelner Stoffe bietet der Biofilm einen<br />
Lebensraum für viele verschiedene<br />
vergesellschaftete Arten von Mikroorganismen<br />
und besitzt damit ein hohes biochemisches<br />
Potenzial sowie eine enorme<br />
Widerstandsfähigkeit gegen externe Faktoren<br />
wie Austrocknung, aber auch Biozide<br />
und Desinfektionsmittel. Dies macht<br />
die Bekämpfung von Biofilmen schwer bis<br />
nahezu unmöglich. Einzig eine gründliche<br />
mechanische Reinigung mit anschließender<br />
Desinfektion des Systems sowie<br />
ein massiver Einsatz von Oxidationsmit-<br />
Die Identifizierung von MIC stellt sich häufig als problematisch dar. In den meisten Fällen sind die Schadensbilder auch durch klassische Korrosionsmechanismen<br />
erklärbar, die den meisten mit der Schadensanalyse befassten Personen zudem vertraut sind.<br />
Bilder: MiC Europe BV<br />
8 <strong>IKZ</strong>-FACHPLANER März 2014