vor § 1 Einleitung 10 Richter die Regeln über die Verteilung der Beweislast, welcher Partei er bei ungeklärtem Sachverhalt recht geben muss (→ Leipold 22 § 286 Rdnr. 63). 16 Eine verbindliche gerichtliche Entscheidung ist nur dort erforderlich, wo die Parteien nicht in der Lage oder willens sind, die Rechtsungewissheit durch Abschluss eines Vergleichs zu beseitigen. Deshalb schreibt § 278 Abs. 1 dem Gericht vor, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht zu sein. Ob die Parteien eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits bevorzugen, steht in ihrem Ermessen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, um jeden Preis auf einen Vergleich hinzuwirken, um einen Rechtsfrieden oder eine gestörte Ordnung wiederherzustellen; die Beendigung durch Vergleich ist kein Zweck des Zivilprozesses. Der Vergleich ist vielmehr eine Alternative zur Schaffung von Rechtsgewissheit durch ein Urteil. 16 17 Mit der Bejahung eines Rechtsgewissheitszwecks ist die theoretische Frage, ob Urteile stets einen konstitutiven rechtsschöpfenden Charakter haben oder ob sie lediglich bestehendes materielles Recht widerspiegeln, noch nicht entschieden 22 . In welchem Umfang der Richter die Rechtssätze des materiellen Rechts zu ergänzen hat, hängt von deren Ausgestaltung ab 23 . Das Urteil schafft aber stets eine individuelle Norm wie die Regelung durch Rechtsgeschäft oder Verwaltungsakt 24 , die nicht Bestandteil des generellen Normengefüges der Rechtsordnung ist (→ auch Rdnr. 24). 17 5. Rechtssicherheit und Rechtsfortbildung Literatur: Adomeit Rechtsquellenfragen im Arbeitsrecht (1969) 37 ff.; A. Arndt Gesetzesrecht und Richterrecht, NJW 1963, 1273; Arndt/Heinrich/Weber-Lortsch Richterliche Rechtsfortbildung (1970); Bachof Grundgesetz und Richtermacht (1959); Badura Grenzen und Möglichkeiten des Richterrechts, Schriftenreihe des dt. Sozialgerichtsverbandes 10 (1973) 40 ff.; Bär Praxisänderungen und Rechtssicherheit, FS Meier-Hayoz (1982) 21; Baur Sozialer Ausgleich durch Richterspruch, JZ 1957, 193; Brehm Rechtsfortbildungszweck des Zivilprozesses, FS Schumann (2001) 57; Biaggini Verfassung und Richterrecht (1991); Biedenkopf Die Betriebsrisikolehre als Beispiel richterlicher Rechtsfortbildung (1970); Bockelmann Gesetz und Richter, FS Smend (1952) 30 ff.; G. Boehmer Grundlagen der bürgerlichen Rechtsordnung 2, 2. Abt. (1952); Brugger Konkretisierung des Rechts und Auslegung der Gesetze, AöR 119 (1994) 1; Franz Bydlinski Richterrecht über Richterrecht, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof Bd. 1 (2000) 3; ders. Hauptpositionen zum Richterrecht, JZ 1985, 149; ders. Gegen die »Zeitzündertheorien« bei der Rechtsprechungsänderung nach staatlichem und europäischem Recht, JBL. 2001, 2; Canaris Die Feststellung von Lücken im Gesetz (1964); ders. Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz (1969) 67 ff.; Danz Richterrecht (1912); F. Dietrich Präjudizien im Zivilrecht (2004); Diederichsen Die Haftung des Warenherstellers (1967) 345 ff.; ders. Die Flucht des Gesetzgebers aus der politischen Verantwortung im Zivilrecht (1974); ders. Zur Begriffstechnik richterlicher Rechtsfortbildung im Zivilrecht, FS Wieacker (1978) 325 ff.; Dreier Probleme der Rechtsquellenlehre, FS Hans J. Wolff (1973) 3 ff.; Engisch/Würtenberger/Otto Einführung in das juristische Denken 11 188 ff., 235 ff.; Esser Richterrecht, Gerichtsgebrauch und Gewohnheitsrecht, FS v. Hippel (1967) 95; ders. Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts 2 (1964); ders. Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung 2 (1972) 177 ff.; W. Fikentscher Methoden des Rechts Bd. 3 (1976) 701 ff.; Christian Fischer Topoi verdeckter Rechtsfortbildung im Zivilrecht (2007); R. Fischer Die Weiterbildung des Rechts durch die Rechtsprechung (1971); Flume Richter und Recht, 46. DJT (1967) II K 5; Forstmoser/Honsell/ Wiegand (Hrsg.) Richterliche Rechtsfortbildung in Theorie und Praxis, FS Hans Peter Walter (2005); 22 Zu theoretischen Ansätzen, die dem Urteil konstitutive Wirkung beimessen → Leipold 22 § 322 Rdnr. 31 ff.; Bülow Gesetz und Richteramt (1885) Bd 3, 45; Pawlowski ZZP 80 (1967) 363; Sauer Allgemeine Prozeßrechtslehre (1951) § 1 I – dagegen Henckel (vor Rdnr. 5) 52 ff. und Schumann Fehlurteil und Rechtskraft, FS Bötticher (1969) 307 mwN; Wach, ZPR I § 1 III 1 und 2; Rödig (vor Rdnr. 5) 36 ff. 23 Wo der Richter lediglich angewiesen wird, »billig« zu entscheiden (vgl. § 1361a Abs. 2 BGB), kommt ihm notwendig eine eigene Regelungsaufgabe zu. 24 Kelsen Reine Rechtslehre 2 (1960) 242. Wolfgang Brehm
131 Buch 1 Allgemeine Vorschriften Herbert Roth