PDF (873 KB) - Mohr Siebeck Verlag
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§ 3 Gerichte<br />
226<br />
III. Schätzung nach § 3 ZPO<br />
1. Objektive Wertberechnung<br />
14 Kommt § 3 ZPO direkt oder mittelbar (→ Rdnr. 12) zur Anwendung, so setzt das Gericht<br />
den Wert nach »freiem Ermessen« fest. Gemeint ist damit eine Wertfestsetzung nach<br />
objektiven Gesichtspunkten und nicht nach »freiem Belieben« 17 . Vor dem 1.EheRG war<br />
das im Wortlaut der Bestimmung verdeutlicht, wo es hieß »Wert des Streitgegenstandes«<br />
(→ Gesetzesgeschichte). Die Ersetzung durch den Begriff »Wert« brachte aber keine Änderung<br />
in der Sache, sondern sollte lediglich § 3 ZPO auch für andere Wertberechnungen<br />
öffnen (→ H. Roth § 2 Rdnr. 3) 18 .<br />
14<br />
2. Verkehrswert<br />
15 Nach § 3 ZPO ist der wahre Wert i. S. d. Verkehrswerts zu ermitteln. Das ist in der Sache<br />
unbestritten, wenngleich die ZPO im Gegensatz zu anderen Prozessordnungen den Begriff<br />
»Verkehrswert« vermieden hatte 19 . Dadurch sollte lediglich ermöglicht werden, dass<br />
im Ausnahmefall auch einmal ein anderer Wert maßgebend sein kann 20 . Bei marktgängigen<br />
Waren bedeutet der Verkehrswert der Handelspreis, bei Wertpapieren der Kurswert.<br />
Ansonsten ist der Wert zu ermitteln, den der Gegenstand unter den besonderen Verhältnissen<br />
des Einzelfalles für jedermann hat 21 . Auch für nichtvermögensrechtliche Ansprüche<br />
muss der Wert nach § 3 ZPO geschätzt werden, auch wenn sie keinen Geldeswert<br />
haben (→ H. Roth § 1 Rdnr. 46, 52). Deren Wertberechnung unterliegt Besonderheiten (→<br />
Rdnr. 19 ff.). Nicht maßgebend ist der Kaufpreis für die zurückerlangte Sache oder eine<br />
sonstige Gegenleistung im konkreten Fall 22 . Häufig wird aber der vereinbarte Preis wenigstens<br />
ein Indiz für den Wert der Sache sein (→ H. Roth § 6 Rdnr. 16) 23 . Der nach § 3<br />
ZPO festzusetzende Wert kann verschieden sein von dem wirtschaftlichen Nutzen, den<br />
der Kl durch einen Prozesssieg erreicht 24 , wie z. B. der Nutzen bei Besitz der herausverlangten<br />
Maschine i. S.e. Gewinnerwartung des Kl 25 . Auch können festzusetzender Wert<br />
und der wirtschaftliche Schaden, den der Bekl bei einem Unterliegen erleidet, auseinandergehen.<br />
Unmaßgeblich sind die steuerliche Bewertung (→ H. Roth § 6 Rdnr. 16) 26 wie<br />
z. B. der Einheitswert eines Grundstücks, sowie der Liebhaber- oder Affektionswert 27 .<br />
Nicht ausgeschlossen ist aber die Mitberücksichtigung von affektiven und ideellen Interessen<br />
. Wird dagegen ausdrücklich ein Streit um Liebhaber- oder Affektionsinteressen<br />
unterbreitet, so muss das Gericht den Wert nach den Vorstellungen des Kl bemessen. Zum<br />
einen können Liebhaber- zu Marktpreisen werden, zum anderen muss ein Prozess um<br />
derartige Interessen ablaufen können 29 . So wird sich etwa die Beschwer (§ 511 Abs. 4 Satz<br />
15<br />
17<br />
Gegen ein Ermessen vor allem Stickelbrock 408 ff., 420.<br />
18<br />
BT-Drucks 7/650, 191 zu Art. 6 Nr. 3.<br />
19<br />
Hahn 147.<br />
20<br />
Hahn 147; Endemann § 2 Anm.<br />
21<br />
OLG Köln JMBlNRW 1967, 93; LG Lübeck NJW 2001, 82 (Kontosperrung eines NPD-Kontos).<br />
22<br />
Dazu RG JW 1902, 181.<br />
23<br />
BGH WM 1997, 643.<br />
24<br />
OLG Köln JurBüro 1980, 244; JMBlNRW 1967, 93; Hellwig Lb 2 S. 198; Wach 381 f.<br />
25<br />
OLG Koblenz JurBüro 1994, 738.<br />
26<br />
OLG Hamm Rpfleger 1964, 23; OLG Nürnberg JurBüro 1963, 170; 1961, 508; OLG Hamburg<br />
Rpfleger 1949, 419; a. A. OLG Frankfurt a. M. Rpfleger 1952, 512.<br />
27<br />
RGZ 48, 382; Hillach/Rohs 9 188 f.; Wach 382 f.<br />
28<br />
BGH FamRZ 1991, 547, 548; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1221 (¼).<br />
29<br />
Hahn 147; Endemann § 2 Anm.; Wach 383.<br />
Herbert Roth