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Grundkurs Tierphysiologie - Institut für Biologie und Neurobiologie ...

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<strong>Gr<strong>und</strong>kurs</strong> <strong>Tierphysiologie</strong><br />

Kursanleitung <strong>für</strong> den Teil <strong>Neurobiologie</strong><br />

Fachbereich <strong>Biologie</strong>, Chemie, Pharmazie<br />

der Freien Universität Berlin<br />

<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Biologie</strong><br />

WS 2006/2007


Inhaltliche Übersicht:<br />

Vorbemerkungen ............................................................................................................ 1<br />

Erfolgskontrolle .............................................................................................................. 5<br />

Literatur .......................................................................................................................... 6<br />

Statistische Gr<strong>und</strong>begriffe .............................................................................................. 7<br />

Ringer-Lösungen ............................................................................................................ 10<br />

Gr<strong>und</strong>lagen der elektrophysiologischen Messtechnik <strong>und</strong> der<br />

Erregungsbildung im Nervensystem ............................................................................... 13<br />

1. Versuchstag:<br />

Extrazelluläre Ableitung von Aktionspotentialen eines identifizierten Neurons vom<br />

Bauchmark der Wanderheuschrecke ............................................................................. 33<br />

2. Versuchstag:<br />

Computersimulation von Nervensignalen ....................................................................... 37<br />

3. Versuchstag:<br />

Auslösung <strong>und</strong> Erregungsleitung von Aktionspotentialen im Bauchmark<br />

des Regenwurms, Lumbricus terrestris .......................................................................... 44<br />

4. Versuchstag:<br />

Funktionsweise eines Mechanorezeptors:<br />

Der Flügelstreckrezeptor der Wanderheuschrecke ......................................................... 53<br />

5. Versuchstag:<br />

Farbensehen (Psychophysische Experimente zum Farbensehen) ................................. 61<br />

6. Versuchstag:<br />

Simulation neuronaler Netzwerke (<strong>für</strong> Bioinformatiker) ................................................... 76


Vorbemerkung<br />

Das Tierphysiologische Gr<strong>und</strong>praktikum mit seinen Teilen Verhaltensbiologie, <strong>Neurobiologie</strong><br />

<strong>und</strong> Stoffwechselphysiologie ist eine integrierte Lehrveranstaltung, die Sie mit verschiedenen<br />

Lern- <strong>und</strong> Lehrformen (Vorlesung, Seminar, Praktikum) mit dem Thema vertraut macht.<br />

Die VORLESUNG "Einführung in die <strong>Neurobiologie</strong>" (Di, Do, Fr, 13.15 – 14.00 Uhr, Großer<br />

Hörsaal der Pflanzenphysiologie, Königin-Luise-Str. 12-16) ist Bestandteil des "<strong>Gr<strong>und</strong>kurs</strong>es<br />

<strong>Tierphysiologie</strong>, Teil <strong>Neurobiologie</strong>", <strong>und</strong> ihr Besuch ist <strong>für</strong> alle Teilnehmer an diesem <strong>Gr<strong>und</strong>kurs</strong><br />

verpflichtend!<br />

Beginn der Vorlesung Teil Verhalten: 19.10.06<br />

Beginn der Vorlesung Teil <strong>Neurobiologie</strong>: 14.11.06<br />

Beginn der Vorlesung Teil Biochemie u. Stoffwechselphysiologie: 09.01.07<br />

Nach einer Einführung in die Morphologie <strong>und</strong> Anatomie von Nervensystemen, Neuronen<br />

<strong>und</strong> Gliazellen werden die wichtigsten physiologischen Gr<strong>und</strong>lagen besprochen. Danach<br />

werden die Phänomene von Membranruhepotentialen <strong>und</strong> Aktionspotentialen sowie die<br />

aktiven <strong>und</strong> passiven Mechanismen elektrischer Fortleitung behandelt. Wichtig <strong>für</strong> die<br />

Funktion des Nervensystems sind die Kontaktstellen zwischen den Neuronen, die Synapsen,<br />

deren Bau sowie Modulierbarkeit ausführlich besprochen werden. Welche intrazellulären<br />

Signalkaskaden durch Transmitter in Zielzellen ausgelöst werden, ist ebenfalls Gegenstand<br />

dieser Vorlesung. Ausführlich werden dann motorische Systeme wie Muskeln <strong>und</strong> ihre<br />

Ansteuerung sowie sensorische Systeme besprochen. Hier werden Schwerpunkte auf<br />

visuelle, mechanorezeptive <strong>und</strong> chemosensorische Systeme gelegt. Abschließend werden<br />

dann die integrativen Funktionen <strong>und</strong> höheren Leistungen des Nervensystems wie Lernen<br />

<strong>und</strong> Gedächtnis besprochen.<br />

Literatur:<br />

Clauss, W., Clauss, C. <strong>Tierphysiologie</strong> kompakt. Elsevier-Spektrum 2007<br />

Dudel, Menzel, Schmidt, Neurowissenschaft, Springer<br />

Kandel, Schwarz, Jessell, Neurowissenschaften, Spektrum<br />

Nicholls, Martin, Wallace, Vom Neuron zum Gehirn, Fischer<br />

Den Nebenfachstudenten <strong>und</strong> den Bioinformatikern empfehlen wir:<br />

Reichert, H., <strong>Neurobiologie</strong>, Thieme Verlag, Stuttgart 2000<br />

Zusätzliche Informationen zu den Vorlesungen inklusive Folienmaterial erhalten Sie über das<br />

Internet. Rufen Sie dazu die Homepage der <strong>Neurobiologie</strong> auf (www.neurobiologie.fuberlin.de)<br />

<strong>und</strong> klicken dann am linken Bildschirmrand unter Wintersemester auf die Infos der<br />

entsprechenden Vorlesung.<br />

1


Die SEMINARE zu jedem Praktikumstag dienen dazu, die <strong>für</strong> die praktische Arbeit dringend<br />

notwendige Mindestkenntnis aus dem in der Vorlesung theoretisch Erarbeiteten noch einmal<br />

zusammenzustellen <strong>und</strong> Ihre Fragen zum Vorlesungsstoff zu beantworten. Außerdem gibt<br />

Ihnen das Seminar darüber hinaus die Möglichkeit, alle Fragen zu behandeln, die sich im<br />

Verlauf der eigenen Beschäftigung mit dem Stoff ergeben haben. Davon sollten Sie regen<br />

Gebrauch machen.<br />

Der Besuch des Seminars ist ebenfalls Pflicht! Die Anwesenheit wird überprüft.<br />

Im PRAKTIKUM werden Sie mit der Experimentierweise der Neuro- <strong>und</strong> Verhaltensbiologie<br />

bekannt gemacht, können selbst elektrische Potentiale von Nervenzellen <strong>und</strong> Sinneszellen<br />

ableiten, Simulationen am Computer durchführen <strong>und</strong> Verhaltensweisen von Tieren<br />

beobachten <strong>und</strong> quantifizieren. Bitte wenden Sie sich bei auftauchenden Problemen an<br />

einen der Betreuer (auch außerhalb des Versuchstages; Zeit vereinbaren!).<br />

Eine Bitte: Verlassen Sie nach Abschluß eines Versuchs den Arbeitsplatz nicht, ohne<br />

ihn gesäubert <strong>und</strong> aufgeräumt zu haben!! Es finden 10 parallele Kurse statt, nicht nur<br />

ihrer.<br />

Einige Gedanken zur Tierversuchsproblematik<br />

Obwohl es heute möglich ist, Experimente zu Lehrzwecken am Computer zu simulieren, was<br />

wir übrigens auch in unserem Praktikum durchführen, hat diese Art der "Praktikumsexperimente"<br />

ihre eigene Problematik. Es entfällt damit nämlich die eigene Erfahrung mit dem<br />

Arbeiten am biologischen Objekt. Es ist daher notwendig, daß die Untersuchung des<br />

Nervensystems eines Tieres auch Experimente am lebenden Organismus beinhaltet. Ein<br />

Ausweichen auf Präparate von Teilen des Nervensystems, die natürlich dem vorher getöteten<br />

Tier entnommen werden müssen, ist in Einzelfällen möglich. Für neurobiologische<br />

Fragestellungen, die das Gesamtsystem betreffen, muß auch am ganzen Tier experimentiert<br />

werden. Oberste Leitlinie <strong>für</strong> den Tierversuch muß sein, den Versuch vor Beginn des Experiments<br />

so gut wie möglich zu planen, um dem Tier möglichst wenig Schmerzen zu bereiten<br />

<strong>und</strong> die Zahl der Tierversuche so gering wie möglich zu halten. Solange die wissenschaftliche<br />

Lehre ein forschendes Lernen ist, halten es die Lehrveranstalter <strong>für</strong> erforderlich, daß<br />

Sie einmal während des Studiums Tierversuche kennenlernen <strong>und</strong> durchführen. Während<br />

des Praktikums machen Sie zwei Tierversuche (am 1. Tag Ableitung eines Interneurons bei<br />

der Heuschrecke <strong>und</strong> am 3. Tag Versuche am Regenwurm), während bei dem übrigen<br />

Versuch (Streckrezeptor bei der Heuschrecke) das Tier vorher getötet wurde. Für diese Tierversuche<br />

werden wirbellose Tiere verwendet, bei denen Schmerzrezeptoren nicht nachgewiesen<br />

<strong>und</strong> trotz intensiver Suche nicht gef<strong>und</strong>en wurden. Vielerlei Gründe, die wir Ihnen<br />

2


dann während des Praktikums gerne ausführlich auseinandersetzen, lassen den Schluß zu,<br />

daß wirbellose Tiere keinen Schmerzsinn bzw. keine Schmerzempfindungen, so wie wir es<br />

verstehen, besitzen. Diesem Umstand ist es u.a. zuzuschreiben, daß Tierversuche an<br />

wirbellosen Tieren nicht genehmigungspflichtig sind. Das Tierschutzgesetz in seiner Neufassung<br />

vom 18. August 1986 verpflichtet Sie <strong>und</strong> uns dennoch, über jeden Tierversuch ein<br />

Protokoll anzufertigen. Im übrigen empfehlen wir Ihnen dringend, sich mit den Bestimmungen<br />

des Tierschutzgesetzes (Fassung vom 18. August 1986) <strong>und</strong> den allgemeinen<br />

Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Tierschutzgesetzes (vom 28. Juli 1987)<br />

vertraut zu machen.<br />

Noch ein Gedanke zum Schluß dieser Vorbemerkung: Zur Präparation können auch wirbellose<br />

Tiere "betäubt" werden. Dies geschieht in unserem Praktikum durch Herabkühlen der<br />

Körpertemperatur (Kühlschrank oder auf Eis; ca. 15 min.). Gelegentlich werden Insekten<br />

auch durch CO 2 -Gabe betäubt.<br />

Der Einsatz von lebenden Tieren <strong>für</strong> Ihre praktische Arbeit verpflichtet Sie <strong>und</strong> uns, den<br />

größtmöglichen Erkenntnisgewinn aus jedem Experiment zu ziehen <strong>und</strong> die größtmögliche<br />

Sorgfalt beim Umgang mit unseren Versuchstieren walten zu lassen. Helfen Sie uns dabei<br />

mit Ihrer konzentrierten Mitarbeit.<br />

Geräte: Bitte Vorsicht bei der Handhabung der z.T. kostspieligen Apparate <strong>und</strong> der<br />

Computer. Lassen Sie sich die Apparate zunächst von den Betreuern erklären. Im Bereich<br />

der <strong>Neurobiologie</strong> dient der erste Kurstag speziell der Einführung in die Benutzung der<br />

wichtigsten Geräte <strong>und</strong> dem Kennenlernen des gr<strong>und</strong>legenden Versuchsaufbaus.<br />

Präparierbesteck: Folgende Utensilien sind mitzubringen: Präparierbesteck (grobe Schere,<br />

feine Schere, grobe <strong>und</strong> feine Pinzette, Stecknadeln), Millimeterpapier, Lineal, Taschenrechner,<br />

Protokollheft DINA4, Bleistifte, Buntstifte, Radiergummi, Spitzer, Filzschreiber.<br />

Protokolle: Über jeden der Praktikumstage fertigen Sie ein Gruppenprotokoll an, das so<br />

knapp wie möglich <strong>und</strong> leserlich abgefaßt werden soll. Da Sie in 3er-Gruppen arbeiten,<br />

raten wir Ihnen dringend, dieses Gruppenprotokoll in wirklicher Gemeinschaftsarbeit anzufertigen<br />

<strong>und</strong> dieses vor Abgabe miteinander zu besprechen. Ungünstig auf die Protokolle<br />

wirkt sich aus, wenn nur eine Person der Dreiergruppe das Protokoll anfertigt, oder die<br />

Erstellung auf die Einzelpersonen aufgeteilt wird <strong>und</strong> das Protokoll dann ohne gemeinsame<br />

Diskussion zusammengesetzt wird. Da das Protokoll eine wesentliche Gr<strong>und</strong>lage unserer<br />

3


Beurteilung Ihrer erfolgreichen Teilnahme am gesamten <strong>Gr<strong>und</strong>kurs</strong> ist, geben wir Ihnen<br />

folgende Anregungen zur Anfertigung eines Protokolls:<br />

Es ist sinnvoll, sich bei der Gliederung des Protokolls an das Schema wissenschaftlicher<br />

Veröffentlichungen zu halten. Es besteht aus:<br />

• Titelseite (Thema des Kurstages, Namen der Gruppenteilnehmer,<br />

Kurstag, Betreuer, Tutor)<br />

• Einleitung zum Thema des Versuchs<br />

• Material <strong>und</strong> Methoden<br />

• Ergebnisse (ausführliche verbale <strong>und</strong> zeichnerische Darstellung)<br />

• Diskussion<br />

In einer Einleitung stellen Sie den theoretischen Hintergr<strong>und</strong> des Experiments dar. Das<br />

Seminar zu dem Praktikumstag, die Zusammenarbeit mit den Tutoren <strong>und</strong> unser Skript<br />

werden Sie darüber informieren, welcher Stoff jeweils dazu gehört. Am Ende der Einleitung<br />

formulieren Sie die Fragen, die Sie mit dem (den) Experiment(en) beantworten wollen.<br />

Denken Sie daran, daß die Experimente kein Selbstzweck sind, sondern dazu dienen, Ihre<br />

praktischen Fähigkeiten zu vergrößern <strong>und</strong> Ihren Erkenntnisgewinn durch praktische Arbeit<br />

zu fördern <strong>und</strong> zu vertiefen. Sie müssen also schon genau wissen, was Sie mit dem Experiment<br />

aufklären wollen. Im Abschnitt Material <strong>und</strong> Methoden beschreiben Sie den Versuchsaufbau<br />

<strong>und</strong> die Hilfsmittel des Experiments (Schaltplan, Geräte, Art der Datengewinnung,<br />

statistische Methoden). Im Ergebnisteil geben Sie ausführlich alle Ergebnisse<br />

wieder, beschreiben den Versuchsverlauf, leiten von einem Teilexperiment zum nächsten<br />

über, beschreiben die Ergebnisse <strong>und</strong> wählen die jeweils günstigste Form der Darstellung<br />

(Zeichnung, Tabellen, Graphik, Säulendiagramm). Ein besonders wichtiger Abschnitt des<br />

Protokolls ist die Diskussion. Hier zeigen Sie, was Sie das Experiment gelehrt hat,<br />

besprechen Fehlerquellen, vergleichen die Ergebnisse mit dem Lehrbuchwissen <strong>und</strong><br />

kritisieren Ihr Vorgehen bzw. den Ansatz des Experiments. Das Protokoll ist damit eine<br />

wichtige Vorübung <strong>für</strong> die Dokumentation <strong>und</strong> Präsentation Ihrer eigenen, zukünftigen<br />

wissenschaftlichen Arbeiten. Die Lehrveranstalter werden Ihr Protokoll sehr genau lesen <strong>und</strong><br />

mit Ihnen besprechen. Mitunter ergibt sich die Notwendigkeit, daß Sie Ihr Protokoll nochmals<br />

überarbeiten oder neu schreiben. Wir raten Ihnen noch einmal dringend, daß jede/r von<br />

Ihnen den Versuchstag während der Experimente protokolliert, <strong>und</strong> Sie daraus in einer<br />

Gruppenarbeit ein gemeinsames Protokoll erstellen, zu dem alle 3 Gruppenmitglieder beigetragen<br />

haben. Dieses Protokoll sollten Sie unmittelbar nach Durchführung des Versuchs<br />

4


(innerhalb von 3 Tagen) erstellen <strong>und</strong> zur Durchsicht dem jeweiligen Lehrveranstalter übergeben.<br />

Um der zunehmenden Unsitte, Protokolle aus sogenannten "Altmeistern" oder aus<br />

Protokollsammlungen abzuschreiben, oder ganze Textpassagen ohne Quellenangabe<br />

aus dem Internet zu kopieren, Einhalt zu gebieten, sind Sie verpflichtet, zusammen<br />

mit einem Ausdruck Ihres Protokolls dieses auch als Worddokument an den/die<br />

jeweilige/n Lehrveranstalter/in zu schicken oder auf einer CD abgespeichert<br />

abzugeben. Wir werden Ihre Protokolle mit geeigneten Suchprogrammen stichpunktartig<br />

überprüfen. Solle Ihnen ein Betrug nachgewiesen werden, führt dies dazu, daß<br />

Ihre Teilnahme am Praktikum sofort beendet wird <strong>und</strong> Sie Gefahr laufen, von der<br />

Universität verwiesen zu werden.<br />

Erfolgskontrolle:<br />

1. Benoteter Schein<br />

2.1 Jedes der Gruppenprotokolle wird benotet, wobei Gelegenheit besteht, nach ausführlicher<br />

Protokollbesprechung mit dem/r Lehrveranstalter/in dieses noch einmal vorzulegen.<br />

Die Gesamtprotokollnote ergibt sich aus dem Mittel der Einzelnoten der 5<br />

Versuchsprotokolle. Jedes einzelne Protokoll muß mit mindestens "ausreichend"<br />

bewertet werden. Die mittlere Note der Protokolle geht in die Endnote mit 30% ein.<br />

2.2 Zusätzlich gibt es am Ende des Teils <strong>Neurobiologie</strong> eine schriftliche Klausur von 1<br />

Std. Dauer. Gegenstand der Klausur sind die Inhalte der Vorlesung, der Seminare<br />

<strong>und</strong> des Praktikums. Diese Prüfung muß mit mindestens "ausreichend" bewertet<br />

werden. Es besteht die Möglichkeit zur Wiederholung der Klausur gemaß den<br />

Bestimmungen des Fachbereichs.<br />

Die Gesamtnote setzt sich dann aus dem Mittel der Gesamtprotokollnote <strong>und</strong> der<br />

Note aus der schriftlichen Klausur zusammen. Bei freiwilliger Wiederholung einer<br />

Klausur gilt: bei zwei Noten Unterschied wird die mittlere Note festgelegt, bei einer<br />

Note Unterschied gilt die bessere Note; <strong>und</strong> wenn die Wiederholungsnote "nicht<br />

bestanden" heißt, gilt diese nicht. Bei Teilnahme an der Nachklausur wegen "nicht<br />

bestanden" gilt die Note der Nachklausur. Im Falle einer Wiederholungsklausur gilt<br />

die vorangegangene Klausur als nicht durchgeführt.<br />

5


Die Gesamtnote des tierphysiologischen Kurses ergibt sich dann aus den jeweiligen<br />

gewichteten Teilnoten (Anteilsgewichtung). Insgesamt ergeben Vorlesung, Seminar<br />

<strong>und</strong> Praktikum des tierphysiologischen Gr<strong>und</strong>praktikums, bestehend aus allen Teilen<br />

(Verhaltensbiologie, <strong>Neurobiologie</strong> <strong>und</strong> Stoffwechselphysiologie) 14 ECTS-Punkte:<br />

Vorlesung:<br />

Praktikum inkl. Seminar:<br />

3 SWS = 6 ECTS<br />

6 SWS = 8 ECTS<br />

Noten:<br />

grade A excellent hervorragend 1,0 - 1,5<br />

grade B very good sehr gut > 1,6 - 2,0<br />

grade C good gut > 2,1 - 3,0<br />

grade D satisfactory befriedigend > 3,1 - 3,5<br />

grade E sufficient ausreichend > 3,6 - 4,0<br />

grade F fail nicht bestanden > 4,1 - 5,0<br />

Der Termin <strong>für</strong> die schriftliche Klausur wird während des Praktikums bekannt<br />

gegeben.<br />

Studenten der Bioinformatik nehmen nur am Teil <strong>Neurobiologie</strong> teil, der um einen 6.<br />

Kurstag <strong>und</strong> weitere Vorlesungsteile erweitert ist. Bioinfromatikstudenten erhalten 2<br />

ECTS <strong>für</strong> die Vorlesung <strong>und</strong> 6 ECTS <strong>für</strong> das Seminar <strong>und</strong> Praktikum. Sie haben<br />

neben der o.g. 1-stündigen Klausur eine weitere ½-stündige Klausur über weitere<br />

Inhalte der Vorlesung abzulegen.<br />

Literatur:<br />

Wir geben Ihnen einige Lehrbücher an, die wir zur eigenen Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung<br />

empfehlen. Sie sollten in jedem Fall auch ein allgemeines Lehrbuch der Zoologie (z.B.<br />

Wehner, Gehring, "Allgemeine Zoologie"; Thieme-Verlag) oder Gr<strong>und</strong>studium <strong>Biologie</strong><br />

(Zoologie, K. Munk, Spektrum Verlag) oder der <strong>Biologie</strong> haben. Darin werden Sie auch<br />

Abschnitte über die Sinnes-, Nerven-, Muskelphysiologie <strong>und</strong> über die Verhaltensbiologie<br />

finden. Beachten Sie auch die Lehrbücher zu diesem <strong>Gr<strong>und</strong>kurs</strong> in der Bereichsbibliothek<br />

<strong>Biologie</strong> im Botanischen Museum (Königin-Luise-Str. 6-8). Die Theorie zum Kurs orientiert<br />

sich an Dudel, Menzel, Schmidt (2001) Neurowissenschaft - Vom Molekül zur Kognition, 2.<br />

Auflage, Springer Verlag Berlin; Eckert, Randall (2002) <strong>Tierphysiologie</strong> (4. Auflage, Thieme)<br />

<strong>und</strong> Nicholls, Martin, Wallace (2002) Vom Neuron zum Gehirn. Spektrum Verlag,<br />

6


Heidelberg; Kandel, Schwartz, Jessell (1996) Neurowissenschaften - Eine Einführung,<br />

Spektrum Verlag.<br />

Den Bioinformatikern emfpehlen wir auch: Reichert, <strong>Neurobiologie</strong>, Thieme-Verlag, Stuttgart<br />

2000.<br />

Wir empfehlen auch die Lehrbücher:<br />

Penzlin, H. (2005): Lehrbuch der <strong>Tierphysiologie</strong>, 7. Auflage, Spektrum-Verlag, Heidelberg.<br />

Schmidt, R.F., Thews, G. (2004): Physiologie des Menschen. 29. Auflage, Springer-Verlag.<br />

Berlin, Heidelberg, New York.<br />

Erkenntnistheoretische <strong>und</strong> historische Fragen werden in folgenden interessanten Büchern<br />

angesprochen:<br />

Florey, E. & Breidbach, O. (1993): Das Gehirn - Organ der Seele? Zur Ideengeschichte der<br />

<strong>Neurobiologie</strong>. Akademie Verlag, Berlin.<br />

Roth, G. (2001): Das Gehirn <strong>und</strong> seine Wirklichkeit. Suhrkamp, Frankfurt/Main.<br />

Noch ein Wort zur Wissenschaftssprache:<br />

Englisch ist mittlerweile das "Latein der Wissenschaftler", <strong>und</strong> ohne Kenntnisse der<br />

englischen Sprache ist wissenschaftliches Arbeiten kaum mehr denkbar. Wir empfehlen<br />

Ihnen deshalb, sich auch ein englisches Lehrbuch zuzulegen (z.B. sind einige der angegebenen<br />

deutschen Lehrbücher Übersetzungen von englischen Ausgaben). Die Lehrveranstalter<br />

werden Ihnen dazu gerne Empfehlungen geben.<br />

Statistische Gr<strong>und</strong>begriffe<br />

Wenn möglich sind alle Messungen mehrfach auszuführen, um einen Begriff von Ihrer<br />

Schwankungsbreite zu bekommen. Meßwerte, die weit aus der Reihe der übrigen herausfallen,<br />

dürfen nicht einfach weggelassen werden. Versuchen Sie durch Diskussion mit einem<br />

Betreuer, die Ursache des Fehlers zu ergründen. Bei Mittelwertbildung ist die Fehlerbreite<br />

durch Angabe des Streuungsmaßes (Standardabweichung) anzugeben. Alle Meßdaten<br />

werden sofort in ein Protokollheft eingetragen (keine einzelnen Schmierzettel benutzen!).<br />

Graphische Darstellungen auf Millimeterpapier auftragen <strong>und</strong> ins Heft einkleben. Alle<br />

Originalaufzeichnungen <strong>und</strong> Zwischenrechnungen mit dem Protokoll abgeben.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Variabilität biologischer Objekte, Schwankungen der Meßbedingungen <strong>und</strong><br />

unvermeidlicher Meßfehler streuen die Meßwerte eines untersuchten Parameters stets in<br />

gewissem Maße. Es ergibt sich eine Häufigkeitsverteilung von Daten einer Stichprobe, die in<br />

7


vielen Fällen einer Normalverteilung (Gauß'sche Kurve) entspricht. Sie kann durch<br />

Berechnung des Mittelwertes X <strong>und</strong> der Standardabweichung s charakterisiert werden.<br />

Beträgt die Anzahl der Meßwerte einer Stichprobe n <strong>und</strong> bezeichnet man die einzelnen<br />

Meßwerte mit x i (<strong>für</strong> i = 1 bis n) so gilt <strong>für</strong> den Mittelwert:<br />

<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Standardabweichung:<br />

(1)<br />

(2)<br />

Bei der Normalverteilung liegen zwischen X ± 3s 99,9% aller Meßwerte, d.h. die Wahrscheinlichkeit<br />

da<strong>für</strong>, daß ein Meßwert, der zu dieser Verteilung gehört, in dem Bereich X ±<br />

3s liegt, ist nahezu p = 1.<br />

Das Verhältnis der Standardabweichung zum Mittelwert wird Variationskoeffizient oder<br />

Variationszahl genannt <strong>und</strong> mit V bezeichnet.<br />

(3)<br />

Der Variationskoeffizient ist ein relatives, dimensionsloses Streuungsmaß mit dem Mittelwert<br />

als Einheit. Da sein Maximum n-1 beträgt, gibt man auch gern den in Prozent ausgedrückten<br />

relativen Variationskoeffizienten V r an:<br />

(4)<br />

Eine häufig ange- wandte Methode, um etwas über die<br />

8


Abhängigkeit zwischen zwei Merkmalen zu erfahren, ist die Korrelations- <strong>und</strong><br />

Regressionsanalyse. Im einfachsten Fall kann zwischen Merkmalen ein linearer funktionaler<br />

Zusammenhang bestehen. Aufgr<strong>und</strong> von Meßfehlern <strong>und</strong> der natürlichen Variabilität<br />

biologischer Merkmale (Meßgrößen) kann statt eines funktionalen meist nur ein<br />

stochastischer Zusammenhang zwischen Merkmalen festgestellt werden, d.h. einem<br />

bestimmten Wert eines Merkmals entspricht nicht immer genau ein Wert des anderen<br />

Merkmals. Die aus solchen Messungen in einem Koordinatensystem entstehende Punktwolke<br />

läßt sich aber häufig durch einen stochastischen linearen Zusammenhang mittels<br />

einer Regressionsgeraden beschreiben. Dabei gibt die Korrelation zwischen den beiden<br />

Merkmalen an, ob ein linearer stochastischer Zusammenhang besteht, während die<br />

Regression beschreibt, welcher Zusammenhang besteht.<br />

Die Korrelation kann durch den Korrelationskoeffizienten r geschätzt werden:<br />

Σxy-1/n(Σx)(Σy)<br />

r = (5)<br />

[Σx 2 -1/n(Σx) 2 ][Σy 2 -1/n(Σy) 2 ]<br />

Für 0 < r < 1 besteht ein positiv-linearer Zusammenhang <strong>und</strong> <strong>für</strong> -1 < r < 0 ein negativlinearer<br />

Zusammenhang. Für r = 0 sind die beiden Merkmale linear-unabhängig. Funktionale<br />

Zusammenhänge führen zu Werten von r = 1 oder r = -1.<br />

Durch die Regressionsanalyse kann an eine beobachtete Punktewolke eine Regressionsgleichung<br />

angepaßt werden. Bei vorausgesetztem linearen Zusammenhang entspricht diese<br />

der Geradengleichung<br />

y = a + bx (6)<br />

mit folgenden Beziehungen <strong>für</strong> die Schätzung der Steigung oder des Regressionskoeffizienten<br />

b = [Σxy-1/n(Σx)(Σy)]/[Σx 2 -1/n(Σx) 2 ] (7)<br />

<strong>und</strong> des Achsenabschnittes<br />

a = (Σy-bΣx)/n (8)<br />

9


Ringer-Lösungen<br />

(Nach Clark: "A practical course in experimental zoology"; Seite 206)<br />

Herstellung:<br />

(1) Man stellt die angegebenen Stammlösungen entsprechender Molarität her (1 molare<br />

Lösung = 1 Mol, Molekulargewicht in Lösung gebracht <strong>und</strong> in Aqua dest. auf 1 Liter<br />

aufgefüllt).<br />

(2) Mischung: Die Stammlösungen werden in den angegebenen Mengen <strong>und</strong> in der<br />

Reihenfolge von oben nach unten <strong>für</strong> die jeweiligen Tierarten gemischt <strong>und</strong> mit Aqua<br />

dest. auf 1 Liter aufgefüllt.<br />

Stammlösungen Frosch Insekt Regenwurm<br />

NaCl<br />

0,54 M (= 31,56 g/l) 210 ml 290 ml 250 ml<br />

KCL<br />

0,54 M (= 40,26 g/l) 6,5 ml 5,0 ml 5,0 ml<br />

MgCl 2<br />

0,36 M (= 34,28 g/l) -- -- 1,0 ml<br />

NaHCO 3<br />

0,54 M (= 45,37 g/l) 4,5 ml -- --<br />

CaCl 2<br />

0,36 M (= 39,95 g/l) 5,0 ml 5,0 ml 5,0 ml<br />

Wichtiger Tip: Erst die angegebenen Mengen von NaCl, KCL, MgCl 2 <strong>und</strong> NaHCO 3<br />

zugeben, dann mit Aqua dest. fast bis auf 1 l verdünnen (z.B. bis ca.<br />

900 ml), dann das CaCl 2 zugeben <strong>und</strong> schließlich bis genau auf die<br />

1l-Eichmarke auffüllen.<br />

10


Gr<strong>und</strong>lagen der elektrophysiologischen Meßtechnik<br />

Bevor Sie mit dem ersten Versuch beginnen, sollten Ihnen drei in der Elektrophysiologie<br />

sehr häufig verwendete Geräte vorgestellt werden, nämlich Oszilloskop, Differenzverstärker<br />

<strong>und</strong> Reizgerät. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit sollten Sie wenigstens die<br />

prinzipielle Funktionsweise dieser Geräte sowie ihre Bedienung kennenlernen. Sie werden<br />

diese Geräte im weiteren Verlauf des Praktikums benutzen.<br />

Seit dem Wintersemester 2002/2003 haben wir neue Versuchsaufbauten, bei denen die<br />

elektrischen Spannungssignale nicht mehr mit einem Oszilloskop aufgezeichnet werden,<br />

sondern mittels eines Analog-Digital Wandlers (AD-Wandler, CED = Cambridge Electronic<br />

Design) sofort in den Computer eingelesen werden. Ein speziell entwickeltes Programm<br />

(Spike II) zeigt dann auf dem Bildschrim des Monitors, ähnlich wie auf dem Bildschrim des<br />

Oszilloskops, den Verlauf der gemessenen Spannungen gegenüber der Zeit. Bis zu 8<br />

Kanäle können so am Computer gleichzeitig aufgezeichnet werden.<br />

Analog-Digital-Wandler<br />

Alle im Kurs zu analysierenden elektrophysiologischen Daten werden differentiell verstärkt.<br />

Der Ausgang des Differenzverstärkers liefert die gemessenen Spannungsänderungen als<br />

analoge Wellenform. Die Datenauswertung soll aber Computer gestützt erfolgen. Daher<br />

müssen die analog akquirierten Daten in einen binären Code übersetzt (digitalisiert) werden,<br />

um sie dann mit Hilfe eines PC einlesen, speichern <strong>und</strong> auswerten zu können. Hierzu wird<br />

im Kurs ein Analog-Digital-Wandler der Firma Cambridge Electronics Design (CED)<br />

verwendet. Mit Hilfe dieses Gerätes können auf 5 parallelen Kanälen (Ports 0 bis 4)<br />

gleichzeitig analoge in digitale Daten umgewandelt werden. Darüber hinaus besitzt das<br />

Gerät Trigger-Eingänge, um die Analog-Digital-Wandlung an ein externes Trigger Signal zu<br />

koppeln.<br />

Bei der Analog-Digital-Wandlung wird die kontinuierliche, analoge Wellenform mit einer<br />

bestimmten Rate (Sampling Rate) in digitale Datenpunkte übersetzt. Je höher die Sampling<br />

Rate, desto mehr digitale Datenpunkte pro Zeiteinheit werden verwendet, um den Verlauf<br />

der analogen Wellenform wiederzugeben. Trotzdem sollte die Sampling Rate nicht zu hoch<br />

eingestellt werden, da die Dateien dann zu viel Speicherplatz einnehmen. Ein guter<br />

Kompromiss <strong>für</strong> extrazelluläre Ableitungen liegt bei Sampling Raten von 10kHz.<br />

11


I. Differenzverstärker<br />

Die auftretenden Spannungsänderungen biologischer Signale sind sehr klein <strong>und</strong> müssen<br />

deshalb verstärkt werden. Bei intrazellulären Messungen, bei denen man mit einer Glasmikroelektrode<br />

in die Nervenzelle einsticht, mißt man die Differenz zwischen dem Potential<br />

innen (Zellinneres) <strong>und</strong> außen (Extrazellularraum bzw. Badflüssigkeit). Ist die Nervenzelle "in<br />

Ruhe", heißt das so gemessene Membranpotential "Ruhepotential". Für solche Messungen<br />

müssen sogenannte Gleichspannungsverstärker (auch DC- oder Mikroelektrodenverstärker)<br />

mit hohem Eingangswiderstand (warum?) benutzt werden. Solche <strong>für</strong> intrazelluläre<br />

Ableitungen geeigneten Verstärker lernen Sie dann kennen, wenn Sie sich zu<br />

einem Fortgeschrittenenpraktikum in der <strong>Neurobiologie</strong> entschließen.<br />

Alle Ableitungen, die in diesem Praktikum vorgenommen werden, sind extrazellulär. Anstatt<br />

Elektroden in einzelne Nervenzellen einzustechen, werden einzelne Nerven oder dicke<br />

Nervenstränge über Hakenelektroden aus Silber-, Kupfer- oder Stahldrähten gelegt <strong>und</strong> die<br />

extrazellulär auftretenden Spannungsänderungen gemessen. Diese Spannungsänderungen<br />

rühren von den Ionenflüssen her, die im extrazellulären Medium dann auftreten, wenn über<br />

die verschiedenen Axone eines Nervens Aktionspotentiale fortgeleitet werden. Gemessen<br />

wird die Summe aller zu einem Zeitpunkt auftretenden Spannungsänderungen, d.h. es<br />

handelt sich dabei um sog. Summenpotentiale. Die auftretenden Spannungsänderungen<br />

bei extrazellulären Ableitungen sind sehr klein (im Bereich von µV) <strong>und</strong> müssen deshalb oft<br />

bis 1000-fach verstärkt werden (Verstärkungsfaktoren gängiger Geräte: 10, 100, 1.000,<br />

10.000). Jede biologische Meßkette stellt dem Stromfluß eine Reihe von Widerständen<br />

entgegen, an denen Spannungen anliegen, z.B. Membranwiderstand, Elektrodenwiderstand<br />

<strong>und</strong> Eingangswiderstand des Meßgerätes.<br />

Gemessen werden kann die Spannung nur über R 2 (= Eingangswiderstand des Meßgerätes),<br />

sodaß es wünschenswert sein muß, daß U 2 möglichst groß <strong>und</strong> U 1 möglichst klein<br />

13


gehalten wird (U o ist ja die Spannung, welche die "biologische Batterie", die Nervenzelle,<br />

liefert <strong>und</strong> die wir messen wollen). Dies erreicht man dadurch, daß R 2 viel größer als R 1<br />

gemacht wird, denn es gilt:<br />

U o = U 1 + U 2 = U o . (R 1 /(R 1 +R 2 ) + R 2 /(R 1 +R 2 ))<br />

(siehe Hilfen Seite 26)<br />

Betrachtet man sich in der Formel die Brüche, so sieht man sofort,<br />

daß bei großem R 2 der erste Bruch R 1 /(R 1 +R 2 ) gegen Null <strong>und</strong> der zweite Bruch<br />

R 2 /(R 1 +R 2 ) gegen 1 geht.<br />

Da der Eingangswiderstand von Oszilloskopen oder dem Analogeingang des A/D Wandlers<br />

(dem Meßgerät, mit dem man Spannungsänderungen sichtbar machen kann) 1MΩ (10 6 Ω)<br />

ist, braucht man Verstärker, welche einen hohen Eingangswiderstand <strong>und</strong> einen niederen<br />

Ausgangswiderstand besitzen. Deshalb sagt man auch, daß die von uns benutzten<br />

Verstärker Impedanzwandler sind. Überlegen Sie sich, was passieren würde, wenn Sie die<br />

biologische Spannung direkt mit dem Oszilloskop ohne Vorschaltung eines Verstärkers<br />

messen wollten (R 1 = 100 MΩ Membranwiderstand + Elektrodenwiderstand, R 2 = 1MΩ<br />

Eingangswiderstand Oszilloskop).<br />

Im Praktikum wird ein sogenannter differentieller AC-Verstärker benutzt, bei dem man zwei<br />

Hakenelektroden (U 1 <strong>und</strong> U 2 ) benutzt, die in den + <strong>und</strong> - Eingang des Verstärkers führen.<br />

Läuft nun ein Aktionspotential über die beiden Hakenelektroden, erhält man als<br />

Ergebnis ein sog. biphasisches Potential<br />

<strong>und</strong> man sagt auch, man mache eine bipolare Ableitung. Benutzt man nur eine Hakenelektrode,<br />

wird der Eingang des Verstärkers auf Masse gelegt (geerdet), so führt man eine<br />

monopolare Ableitung durch <strong>und</strong> erhält ein monophasisches Potential<br />

14


Jeder Verstärker braucht ein Bezugspotential, relativ zu dem alle anderen Potentiale<br />

bestimmt werden: die sogennannte Erde oder Masse. In der Technik werden fast alle<br />

Spannungen gegenüber der tatsächlichen Erde erzeugt <strong>und</strong> gemessen. Das wird im<br />

Versuch realisiert, indem alle Geräte <strong>und</strong> das Präparat auf einen gemeinsamen Erdpunkt<br />

gelegt werden.<br />

Bedingt durch die hochempfindlichen Meßeinrichtungen treten eine Reihe von Störungen bei<br />

den elektrophysiologischen Ableitungen auf, die von anderen elektromagnetischen Quellen<br />

kommen <strong>und</strong> die die Messungen beeinträchtigen. Die Kursräume sind erfüllt von elektromagnetischen<br />

Wechselfeldern hoher (Radiosender) <strong>und</strong> niedriger (Lichtnetz) Frequenzen,<br />

die in allen Leitern, also auch in den Meßleitungen <strong>und</strong> im biologischen Präparat, Wechselspannungen<br />

erzeugen. Solche Spannungen überlagern als "hochfrequentes Rauschen" (HF)<br />

bzw. "Netzbrumm" (50 Hz Wechselstrom) das biologische Signal, das dem Verstärker zugeführt<br />

wird. Weniger aufwendig, als den ganzen Versuchsaufbau in einen Faradaykäfig zu<br />

stellen, ist es, die Meßleitungen abzuschirmen <strong>und</strong> die Abschirmung mit den Gehäusen der<br />

Meß- <strong>und</strong> Reizgeräte, welche ja geerdet sind, zu verbinden. Die trotz der Abschirmung<br />

eingestreuten hochfrequenten Störsignale können durch den im Vorverstärker eingebauten<br />

Tiefpaßfilter weggefiltert werden (Aktionspotentiale werden in ihrer Form kaum verfälscht,<br />

wenn Frequenzen > 10 kHz herausgefiltert werden). Ebenso können auch im unteren<br />

Bereich störende Frequenzen herausgefiltert werden (z.B. < 100 Hz). Durch die Kombination<br />

von Hochpaß- <strong>und</strong> Tiefpaßfilter erhält man einen Bandpaßfilter, der Frequenzen nur innerhalb<br />

des eingestellten Bereiches durchläßt.<br />

Die niederfrequenten 50 Hz Störsignale aus dem Lichtnetz sind oft so stark, daß sie durch<br />

Filter allein nicht beseitigt werden können. Es muß dann differentiell abgeleitet werden, wenn<br />

man nicht in einem Faradaykäfig arbeiten kann (der wie eine große Abschirmung wirkt).<br />

Für den Differenzverstärker gilt also (siehe auch Abb. 4):<br />

U 1 - U 2 = U o (Ausgangsspannung, welche mit dem Oszilloskop aufge-<br />

zeichnet wird)<br />

15


Liegt auf beiden Hakenelektroden die Störung Br (<strong>für</strong> "Brumm") dann gilt:<br />

(U 1 + U Br ) - (U 2 + U Br ) = U o (U Br hebt sich auf, d.h. der "Brumm" wird eliminiert).<br />

Erfolgreiche Ableitungen lassen sich aber nur dann durchführen, wenn gilt U 1 U 2 , d.h. das<br />

zu messende Signal (das Aktionspotential) darf nicht gleichzeitig an U 1 <strong>und</strong> U 2 anliegen.<br />

Praktischerweise muß es also zwischen beiden Haken einen Abstand geben.<br />

16


Abb. 4: - Ableitbedingungen<br />

a) Monopolare Ableitung gegenüber Erde; der Brumm wird verstärkt<br />

b) Differentielle Ableitung; der Brumm wird eliminiert.<br />

Da die Stromflüsse um Hakenelektroden sehr komplex sein können, kann man auch öfters<br />

tri- <strong>und</strong> mehrphasische Potentiale erhalten. Man kann zwar theoretisch ableiten, warum es<br />

zu bestimmten Potentialformen kommt, da aber außer den oben genannten Randbedingungen<br />

noch andere Variablen von Bedeutung sind (z.B. der Zustand des Präparats, die<br />

17


Feuchtigkeit in der Umgebung der Ableitstelle, die Lage der indifferenten Elektrode, die<br />

Übergangswiderstände an den beiden differenten Elektroden), ist es häufig schwierig, im<br />

Experiment einzusehen, warum ein Potential bi- oder triphasisch ist. Unter scheinbar<br />

gleichen Ableitbedingungen treten deshalb im Praktikum alle möglichen Potentialformen auf.<br />

Wir wollen deshalb immer dann von einem extrazellulären Aktionspotential sprechen, wenn<br />

eine abgeleitete Potentialform möglichst reproduzierbar auftritt <strong>und</strong> in der Höhe nicht<br />

graduiert ist (mit Ausnahme von zufällig gleichzeitig auftretenden Signalen, die dann<br />

summiert werden, d.h. die Amplitude ist dann größer).<br />

II. Reizgerät (Stimulus Generator)<br />

Es liefert rechteckige Spannungspulse, deren Amplitude ("Volts"), Dauer ("Duration"),<br />

Frequenz ("Frequency") <strong>und</strong> Polarität ("Polarity") variiert werden können.<br />

Gleichzeitig mit den Rechteckpulsen erzeugt das Gerät sehr kurze (wenige µs lange),<br />

nadelförmige Pulse konstanter Amplitude (> 10 V), die als Triggersignale ("Auslösesignale")<br />

dienen können. So kann zum Beispiel der Strahlenüberlauf auf dem Oszilloskopschirm durch<br />

diese Pulse extern getriggert werden. Es gibt zwei Arten solcher Triggerpulse: "Pulse" <strong>und</strong><br />

"Prepulse". Der Triggerpuls "Pulse" kommt zeitgleich mit dem Rechteckpuls am Ausgang an,<br />

der "Prepulse" kommt vorher. Dabei kann der zeitliche Abstand zwischen dem "Prepulse"<br />

<strong>und</strong> dem "Pulse" mit dem Knopf "Delay" variiert werden. Man kann damit also zum Beispiel<br />

erreichen, daß der Oszilloskopstrahl einige ms vor dem Rechteckpuls (= Reiz) losläuft <strong>und</strong><br />

die Reizantwort auf der Mitte des Bildschirms dargestellt wird.<br />

Bei Doppelpulsen ("Twin Pulses") erscheint ein zusätzlicher Rechteckpuls am Ausgang, <strong>und</strong><br />

zwar synchron zum "Prepulse", so daß nun am Ausgang zwei Pulse erscheinen, deren<br />

Abstand mit "Delay" verändert werden kann (Abb. 5).<br />

18


Abb. 5:<br />

19


III. Analog-Digital Wandler<br />

Um die analogen Signale aus dem Differenzverstärker direkt in den Computer einlesen zu<br />

können, müssen sie digitalisiert werden. Dies bewerkstelligt der Analog-Digital (AD-)<br />

Wandler vom Cambrige Electronic Design (CED).<br />

Um Ihnen trotz der Benutzung eines AD-Wandlers <strong>und</strong> des SPIKE2 Programms am<br />

Computer auch noch die Gr<strong>und</strong>begriffe eines Oszilloskops zu erklären, reproduzieren wir die<br />

folgengen Seiten aus dem alten Versuchsskript:<br />

IV. Oszilloskop<br />

Dieses Gerät dient zur Registrierung sehr schneller Potentialänderungen <strong>und</strong> man muß<br />

zwischen Analog- oder Digital-Geräten unterscheiden. Herzstück ist die Kathodenstrahlröhre<br />

(Abb. 1). Von der Kathode (1) wird ein Elektronenstrahl emittiert <strong>und</strong> von zwei Anoden (2<br />

<strong>und</strong> 3) beschleunigt <strong>und</strong> fokussiert. Anschließend können zwei gegeneinander senkrecht<br />

angebrachte Plattenpaare (4 <strong>und</strong> 5) den Strahl horizontal <strong>und</strong> vertikal ablenken. Schließlich<br />

trifft der Strahl auf einen Fluoreszenzschirm <strong>und</strong> wird dadurch sichtbar gemacht. Der Schirm<br />

ist horizontal in 10 Einheiten ("divisions") <strong>und</strong> vertikal in 8 Einheiten aufgeteilt.<br />

Abb. 1: Schema einer Kathodenstrahlröhre. 1: Kathode zur Emission von Elektronen; 2:<br />

Anode zur Beschleunigung; 3: Anode zur Bündelung (Fokussierung) des Elektronenstrahl; 4:<br />

horizontal ablenkendes Plattenpaar (liefert die "Zeitbasis"); 5: vertikal ablenkendes Plattenpaar<br />

(erhält die Meßspannung); 6: Fluoreszenzschirm.<br />

20


Der Elektronenstrahl vermag (da quasi trägheitsfrei) schnellen Potentialänderungen an den<br />

ablenkenden Plattenpaaren (bis in den MHz-Bereich) leicht zu folgen. Dadurch erreicht das<br />

Oszilloskop eine sehr hohe zeitliche Auflösung, welche es zur Darstellung elektrophysiologischer<br />

Signale (z.B. postsynaptische Potentiale, Aktionspotentiale) geeignet macht.<br />

Legt man an das horizontal ablenkende Plattenpaar eine zeitlich linear ansteigende<br />

Spannung (Abb. 2a), so wandert der Elektronenstrahl mit einer konstanten Geschwindigkeit<br />

von links nach rechts über den Schirm.<br />

Abb. 2: a-c: Zeitlicher Verlauf der Spannung am horizontal ablenkenden Plattenpaar bei<br />

verschiedenen Triggerungsmodi.<br />

a) linearer Spannungsanstieg von U l (Strahl am linken Bilschirmrand) nach U r (Strahl am<br />

rechten Bildschirmrand). b) Sägezahnspannung bei automatischer Triggerung. c)<br />

Spannungsverlauf bei line-Triggerung. d) Meßsignalverlauf; sobald das Meßsignal einen<br />

bestimmten Spannungswert über- oder unterschreitet, wird der Strahlenüberlauf ausgelöst<br />

(interne Triggerung).<br />

Legt man gleichzeitig die Meßspannung an das vertikal ablenkende Plattenpaar, kann diese<br />

in ihrem zeitlichen Verlauf auf dem Schirm dargestellt werden. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten<br />

<strong>für</strong> das Auslösen dieses linearen Spannungsanstiegs am horizontalen Plattenpaar<br />

<strong>und</strong> damit des Überlaufs des Strahls über den Schirm (Triggern)<br />

Die folgende Beschreibung ist auf ein einfaches Analoggerät, zum Beispiel Philips PM3233,<br />

zugeschnitten:<br />

21


Abb.3:<br />

22


a) automatische Triggerung (AUTO): ein vom Oszilloskop intern erzeugtes Signal startet<br />

den linearen Spannungsanstieg an den horizontal ablenkenden Platten <strong>und</strong> damit den<br />

Überlauf des Strahls. Sobald die Spannung einen bestimmten Wert U r erreicht hat <strong>und</strong> der<br />

Strahl am rechten Bildschirmrand angekommen ist, wird die Spannung blitzartig auf den<br />

Ausgangswert U l zurückgesetzt, so daß der Strahl zum linken Bildschirmrand zurückspringt.<br />

Sodann beginnt der lineare Spannungsanstieg von neuem. Auf diese Weise liegt am horizontal<br />

ablenkenden Plattenpaar eine sog. Sägezahnspannung (Abb. 2b) an. Eingeschaltet<br />

wird dieser Trigger-Modus durch Drücken des Knopfes "AUTO TRIG".<br />

Anwendung: Darstellung periodischer Signale, die über längere Zeit andauern; Messung<br />

zeitlich konstanter Spannungswerte (z.B. Messung des Ruhepotentials); kontinuierliche<br />

Darstellung von Ereignissen.<br />

b) mains-Triggerung (oft auch Line): die 50 Hz-Wechselspannung des 220 V-Stromnetzes<br />

stellt die Starterpulse <strong>für</strong> den Überlauf des Strahls im Abstand von 20 ms (= 1/(50<br />

Hz)) zur Verfügung (Abb. 2c). Sobald der Strahl nach einem Überlauf wieder an den linken<br />

Bildschirmrand zurückgesprungen ist, löst der nächste von der Netzspannung abgeleitete<br />

Impuls einen erneuten Überlauf aus. Durch Drücken des Knopfes "LINE" wird dieser Trigger-<br />

Modus eingeschaltet.<br />

c) interne Triggerung: das Meßsignal selbst löst den Überlauf des Strahls aus, sobald es<br />

einen bestimmten, am "Trigger Level" einstellbaren Spannungswert überschreitet (Taste +<br />

gedrückt) oder unterschreitet (Taste - gedrückt, Abb. 2d). Mit Hilfe der Knöpfe A <strong>und</strong> B<br />

bestimmt man, ob das Meßsignal des linken (A) oder des rechten (B) Kanals zur Triggerung<br />

dienen soll.<br />

Anwendung: Darstellung periodischer Signale; Darstellung solcher Signale, deren zeitliches<br />

Auftreten nicht vorhersagbar ist (z.B. Untersuchung von Nervenimpulsmustern beim Streckrezeptor<br />

der Heuschrecke).<br />

d) externe Triggerung (EXT): ein externes Signal, über die Buchse "TRIG" eingespeist,<br />

löst den Überlauf des Strahls aus.<br />

Anwendung: Darstellung von Signalen, die durch eine Reizung (Startpuls) generiert werden<br />

(z.B. Darstellung von Aktionspotentialen beim Regenwurmversuch).<br />

Die Geschwindigkeit des Strahlenüberlaufs wird mit dem Drehschalter an der Zeitbasis des<br />

Oszilloskops ("TIME/cm, oft auch TIME/Div) eingestellt (Bereich 0.2 µs/cm bis 5 s/cm). Die<br />

Angaben auf der Skala stimmen nur dann, wenn der innere dunkelblaue Drehknopf im Uhrzeigersinn<br />

bis zum Anschlag gedreht worden ist (Calibrier- oder Eichknopf).<br />

23


Die vertikale Auslenkung des Strahls geschieht in der Regel durch das Meßsignal. Im allgemeinen<br />

muß dieses Signal, bevor es durch die Kathodenstrahlröhre sichtbar gemacht<br />

werden kann, verstärkt werden. Die zur Verfügung stehenden Oszilloskope besitzen zwei<br />

unabhängige Verstärker (linker <strong>und</strong> rechter Verstärker). Der Verstärkungsfaktor eines jeden<br />

Verstärkers kann an einem Drehknopf (VOLTS/cm, oft auch VOLTS/Div) in einem Bereich<br />

von 2 mV/cm bis 10 V/cm eingestellt werden. Auch hier sollte der innere dunkelblaue Drehknopf<br />

am rechten Anschlag stehen.<br />

Das Meßsignal kann auf zwei verschiedene Arten dem Verstärker zugeführt werden, nämlich<br />

über Gleichspannungskopplung (DC-coupling) oder über Wechselspannungskopplung (ACcoupling),<br />

einstellbar über den Schalter "DC" <strong>und</strong> "AC". Bei der Gleichstromkopplung ist der<br />

Signaleingang direkt mit dem Verstärker verb<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> das Signal wird linear verstärkt <strong>und</strong><br />

angezeigt. Bei der Wechselstromkopplung ist der Eingang kapazitiv (d.h. über einen<br />

Kondensator) mit dem Verstärker verb<strong>und</strong>en. Dadurch werden Gleichspannungsanteile des<br />

Signals (Offset) unterdrückt, <strong>und</strong> nur genügend schnelle Spannungsänderungen (ab 1 Hz)<br />

werden angezeigt. Wenn der Schalter auf O (<strong>für</strong> Gro<strong>und</strong>, GND) steht, wird das Meßsignal<br />

vom Eingang des Verstärkers abgekoppelt <strong>und</strong> der Eingang geerdet. Die vertikale Lage des<br />

Strahls wird in diesem Fall durch das Eingangssignal nicht beeinflußt.<br />

Die Drehknöpfe "Y-POSITION" regeln die vertikale Ausgangsposition des Strahls. Der Drehknopf<br />

an der Zeitbasis (X-Position) dient der horizontalen Verschiebung, <strong>und</strong> die Knöpfe an<br />

den Eingangsverstärkern dienen der vertikalen Verschiebung des Strahls.<br />

Digitalgeräte, die auch im Praktikum vorhanden sind, funktionieren prinzipiell gleich, die<br />

Daten werden aber wie beim AD-Wandler digitalisiert. Die Güte der Abbildung der<br />

Spannungssignale hängt dabei von der "sampling-rate" ab (wie viele Punkte pro Zeiteinheit).<br />

Im Gegensatz zu Analoggeräten werden bei Digitalgeräten die Amplituden von schnell aufeinander<br />

folgenden Aktionspotentialen wegen einer zu geringen "sampling-rate" nicht immer<br />

in voller Höhe aufgezeichnet. Dies kann ein echter Nachteil eines Digitalgerätes sein.<br />

Überprüfung der Genauigkeit des Oszilloskops<br />

Die Erfahrung zeigt immer wieder, daß Geräte - egal, ob neu, ob viel oder wenig benutzt -<br />

ungenau arbeiten. Man muß sich deshalb vor ihrer Verwendung überlegen, welche Meßgenauigkeit<br />

<strong>für</strong> die geplante Untersuchung nötig ist <strong>und</strong> ob das Gerät laut Angabe des<br />

Herstellers hinreichend genau ist.<br />

24


Um die Genauigkeit der Strahlenüberlaufgeschwindigkeit zu überprüfen, verwenden wir den<br />

in das Oszilloskop eingebauten "Calibrator", an dessen Ausgang eine Rechteckspannung<br />

erhältlich ist. Je nach Typ ist dieses Eichsignal verschieden, z.B. <strong>für</strong> das Philips Oszilloskop<br />

ist die Frequenz 2000 Hz <strong>und</strong> die Amplitude 600 mV. Die Überlaufgeschwindigkeit wird in<br />

geeigneter Weise möglichst genau eingestellt. Durch interne Triggerung läßt sich ein<br />

"Stehendes Bild" erzeugen. Die gemessene Periodendauer wird mit der erwarteten<br />

verglichen.<br />

Darstellung von elektrischen Wechselfeldern<br />

Ein Vertikalverstärker am Oszilloskop wird auf 1 mV/div eingestellt <strong>und</strong> ein nicht abgeschirmtes<br />

Kabel an eine Eingangsbuchse angeschlossen, um im Raum vorhandene<br />

elektrische Wechselfelder ("Brumm") darzustellen. Um den Einfluß einer Abschirmung des<br />

Kabels zu demonstrieren, wird der gleiche Versuch mit einem abgeschirmten Kabel<br />

(Koaxialkabel) wiederholt. Sollten Sie ein Tektronix Digitaloszilloskop benutzen, dann<br />

schließen Sie nun zwei nicht abgeschirmte, etwa gleichlange Kabel an die beiden Eingänge<br />

des Verstärkers des digitalen Oszilloskops an. Der "Brumm" wird zunächst bei Erdung<br />

jeweils eines Eingangs registriert (entspricht monopolarer Ableitung) <strong>und</strong> seine Reduzierung<br />

durch gleichzeitige Verwendung beider Eingänge demonstriert (entspricht bipolarer<br />

Ableitung). Halten Sie die beiden Kabel in verschiedene Richtungen zueinander. Beobachtung?<br />

Ein Differenzverstärker verstärkt die an seinen beiden Eingängen anliegenden<br />

Spannungsdifferenzen. Der mit dem Minuszeichen versehene Eingang kehrt die Polarität<br />

des Signals um.<br />

25


Unter den Bedingungen der neuen Versuchsapparatur (AD-Wandler <strong>und</strong> SPIKE2 Programm<br />

am Computer) können Sie den Versuch auch durchführen, wenn Sie ein entsprechendes<br />

Kabel an die Eingangsbuchsen (Input) des Differenzverstärkers legen. Lassen Sie sich vom<br />

Tutor helfen.<br />

Hilfen<br />

Ohmsches Gesetz: U = I . R, wobei U = Spannung, I = Strom <strong>und</strong><br />

einem geschlossenen Stromkreislauf sind.<br />

R = Widerstand in<br />

Für Abb. 6a gilt:<br />

U 1 bzw. U 2 sind dabei die über den Widerständen R 1 bzw. R 2 abfallenden Spannungen.<br />

26


Abb. 6:<br />

a) Einfacher Stromkreis zum Ohmschen Gesetz.<br />

b) Stromkreis mit Widerstand (R) <strong>und</strong> Kondensator (C)<br />

Für den Gesamtwiderstand R ges bei n in Serie geschalteten Widerständen gilt:<br />

R ges = R 1 + R 2 + ... + R n<br />

Für den Gesamtwiderstand R ges bei n parallel geschalteten Widerständen gilt:<br />

1/R ges = 1/R 1 + 1/R 2 + ... + 1/R n<br />

Aufladen eines Kondensators (C): Nach Schließen des Schalters (S) in Abb. 6b gilt <strong>für</strong> den<br />

Stromfluß I <strong>und</strong> <strong>für</strong> die über dem Widerstand R abfallende Spannung U R :<br />

I(t) = I o . exp(-t/RC), U R (t) = U o . (1 - exp(t/RC) mit I o = U/R <strong>und</strong> t = Zeit.<br />

Einige Gerätedaten:<br />

Eingangswiderstand des Oszilloskops: 1 MΩ<br />

Eingangskapazität des Oszilloskops: 47 pF<br />

27


Das Ruhemembranpotential<br />

In Ruhe, d.h. wenn keine Aktionspotentiale ablaufen, zeigt eine Nervenzelle gegenüber dem<br />

sie umgebenden Milieu ein negatives Ruhemembranpotential (meist zwischen -100 <strong>und</strong> –<br />

40mV), d.h. das Zellinnere ist gegenüber Außen negativ geladen. Dies beruht größtenteils<br />

auf einer ungleichen Ionenverteilung (vergl. Tabelle). Wie wir sehen werden, ist besonders<br />

der Unterschied der K + -Konzentration von Bedeutung, wobei diese üblicherweise intrazellulär<br />

deutlich höher ist als extrazellulär (Ausnahme: Endolymphe im Innenohr).<br />

Tabelle: Ionale Zusammensetzung des extra- <strong>und</strong> intrazellulären Milieus beim Tintenfisch-<br />

Riesenaxon:<br />

Ionenart Intrazellulär (mM) Extrazellulär (mM) Gleichgewichtspotential<br />

K + 400 20 -75 mV<br />

Na + 50 440 +55 mV<br />

Cl - 52 560 -60 mV<br />

A - 385 - -<br />

Die selektive Leitfähigkeit der Zellmembran <strong>für</strong> K + -Ionen lässt K + , also positive Ladungen,<br />

entlang seines Konzentrationsgradienten solange aus der Zelle strömen, bis die durch die<br />

Ladungsverschiebung erzeugte Spannungsdifferenz einen weiteren Ausstrom stoppt. Es<br />

einsteht ein elektrochemisches Gleichgewicht. Betrachtet man jede Ionenart <strong>für</strong> sich allein,<br />

so lässt sich mit Hilfe der Nernst-Formel das sich einstellende Gleichgewichtspotential (E)<br />

berechnen:<br />

E x = (R*T) / (z*F) * ln([X a ]/[X i ])<br />

Dabei ist R = 8,315 J*K -1 *mol -1 die Gaskonstante, T die absolute Temperatur in Kelvin (0°C =<br />

273 K), F = 9,648*10 4 C*mol -1 die Faradaykonstante, z die Ladung des Ions, X a <strong>und</strong> X i die<br />

entsprechenden Ionenkonzentration außen bzw. innen. Für K + ergibt sich bei 20°C ein<br />

Nernst-Potential (E K ) von -75mV. Man rechne einmal nach.<br />

Daneben ist die Membran in Ruhe, wenn auch in geringerem Maße, zusätzlich <strong>für</strong> andere<br />

Ionen leitfähig. Für Natrium ergibt sich z.B. aufgr<strong>und</strong> seines entgegengesetzten Konzentrationsgradienten<br />

ein entgegengerichtetes Nernst-Potential (hier E Na = +55mV), welches zu<br />

einem letztendlich leicht positiverem Ruhemembranpotential führt <strong>und</strong> im Verlauf eines<br />

Aktionspotentials die Umpolung der Membran bewirkt. Alle Ionenarten gleichzeitig, ihre<br />

28


Konzentrationsverhältnisse <strong>und</strong> spezifischen Permeabilitäten durch die Membran, berücksichtigt<br />

die Goldmann-Hodgkin-Katz Gleichung:<br />

p K [K + ] a + p Na [Na + ] a + p Cl [Cl - ] i<br />

E m = (R*T) / F * ln ---------------------------------------------------<br />

p K [K + ] i + p Na [Na + ] i + p Cl [Cl - ] a<br />

(Rechnerisch lassen sich <strong>für</strong> pK, pNa, pCl die Relationen (z.B. 1:0,04:0.25) verwenden).<br />

Aktionspotentiale<br />

Spannungsänderungen im dendritischen Eingangsbereich einer (Sinnes-) Nervenzelle, ausgelöst<br />

z.B. durch synaptische Ströme oder einen physikalischen Reiz, führen wenngleich mit<br />

einer von der Entfernung abhängigen Abnahme (Dekrement) zu Spannungsänderungen an<br />

der entfernt liegenden spike-generierenden Zone (Axonhügel), wo eine hohe Dichte<br />

spannungsaktivierter Ionenkanäle die Transformation des bis dahin graduierten Potentials<br />

in Aktionspotentiale bewirkt. Erreicht das Membranpotential hier einen spezifischen<br />

Schwellenwert, so öffnen sich spannungsabhängige Natriumkanäle. Einströmende positive<br />

Na + -Ionen depolarisieren die Membran weiter, so daß sich noch mehr spannungsaktivierte<br />

Kanäle öffnen, der Prozeß eskaliert. Hierbei ändern sich die Permeabilitätsverhältnisse<br />

kurzfristig stark zugunsten von Natrium, <strong>und</strong> nach Goldmann nähert sich das Membranpotential<br />

dem Ausgleichspotential von Natrium (E Na ) an. Eine depolarisierte Membran führt<br />

dann wieder zur schnellen Inaktivierung der Na + -Kanäle. Nach transientem Na + -Einstrom<br />

schließen sich die Kanäle wieder, der transiente Na + -Strom hört auf. Gleichzeitig öffnen<br />

vergleichsweise langsamer reagierende spannungsaktivierte K + -Kanäle. Ausströmendes K +<br />

bringt die Zellmembran wieder auf ein negatives Potential zurück (Repolarisation), bei<br />

welchem die K + -Kanäle wieder schließen. Solange noch nicht alle spannungsabhängien K + -<br />

Kanäle wieder geschlossen sind, kann das resultierende Permeabilitätsverhältnis das<br />

Membranpotential sogar weiter Richtung E K verschieben – es kommt zu einer Nachhyperpolarisierung.<br />

Eine sehr kurze Erregung wird vielleicht nur ein einziges Aktionspotential auslösen, die<br />

Repolarisation bringt das Membranpotential dann wieder auf den Ruhewert. Langanhaltende<br />

Erregung durch andauernde, postsynaptische Transmitterwirkung führt jedoch zu einem<br />

kontinuierlichen depolarisierenden (Ionen-) Einstrom. Je nach Stärke der Erregung <strong>und</strong> dem<br />

29


daraus resultierenden Strom, depolarisiert die Membran wieder mehr oder weniger schnell<br />

überschwellig <strong>und</strong> das nächste Aktionspotential wird ausgelöst. Es entsteht eine Folge von<br />

Aktionspotentialen, deren Frequenz direkt von der Stärke der Depolarisierung, z.B. durch<br />

einen stärkeren Reinz in Rezeptoren, abhängt (Frequenzkodierung). Die Entladungsfrequenz<br />

lässt sich allerdings nicht beliebig steigern. Begrenzt durch die Dauer eines<br />

einzelnen Aktionspotentials, welches meist mehr als 2 ms braucht, um vollständig abzulaufen,<br />

liegen die maximalen Entladungsfrequenzen meist unter 500 Hz. Jedem Aktionspotential<br />

folgt eine Refraktärzeit, in der auch bei noch so hoher Depolarisation die noch<br />

inaktivierten Na + -Kanäle nicht erneut öffnen können, sondern erst durch genügend starke<br />

Repolarisation wieder in einen aktivierbaren Zustand übergehen müssen. Während der<br />

absoluten Refraktärzeit ist kein weiteres Aktionspotential auslösbar. Die relative<br />

Refraktärzeit bestimmt hingegen den darauf folgenden Zeitraum, in dem die Schwelle zur<br />

Auslösung höher liegt <strong>und</strong> die Aktionspotentialamplitude noch nicht den höchsten Wert<br />

erreicht. Daneben können weitere spannungsabhängige Ionenkanäle, welche während <strong>und</strong><br />

zwischen Aktionspotentialen aktivieren bzw. inaktivieren das Entladungsverhalten<br />

modulieren (wie z.B. Ca 2+ -abhängige <strong>und</strong> transiente K + -Kanäle).<br />

Passive Erregungsleitung<br />

Passive elektrische Eigenschaften von Membranen spielen <strong>für</strong> die Erregungsfortleitungsgeschwindigkeit<br />

(z.B. im Axon) bzw. Erregungsintegration (z.B. im dendritischen Bereich)<br />

eine grosse Rolle. Sie lassen sich durch einfache elektrische Modelle beschreiben. Diese<br />

reduzieren die biologischen Vorgänge auf Schaltkreise aus Widerständen, Kondensatoren<br />

<strong>und</strong> Stromquellen. Um diese Vorgänge zu verstehen, müssen Sie sich vor allem das<br />

Ohm'sche Gesetz klar machen (U = R • J). Werden über Membranen<br />

Spannungsänderungen induziert, etwa durch synaptische Ströme oder Strominjektionen, so<br />

ändert sich das Membranpotential mit einer gewissen Zeitverzögerung <strong>und</strong> breitet sich unter<br />

Amplitudenverlust entlang der Membran aus.<br />

30


Ein sehr kurzer Abschnitt einer Nervenzelle kann durch die folgende Schaltung simuliert<br />

werden:<br />

Aussen<br />

Stromgenerator<br />

r m<br />

c<br />

V m<br />

I m<br />

Innen<br />

V m ist das Membranpotential zu einem beliebigen Zeitpunkt. r m ist der Membranwiderstand<br />

<strong>und</strong> c m die Membrankapazität. Fließt ab einem bestimmten Zeitpunkt ein konstanter Strom I<br />

durch die Membran, so ändert sich das Membranpotential nicht sofort, sondern der Zeitverlauf<br />

der Potentialänderung folgt aufgr<strong>und</strong> der Kondensatoreigenschaften der Zellmembran<br />

einer Exponentialfunktion: V m (t) = I * R * (1-e - t/τ ). Dieses Zeitverhalten der<br />

Membran wird durch die Zeitkonstante (τ m ) der Membran bestimmt:<br />

τ m<br />

= r m<br />

. c m<br />

Je größer r m oder c m sind, desto länger dauert es bis das Membranpotential infolge eines<br />

Stromflusses einen neuen Wert erreicht.<br />

Die räumliche Ausbreitung einer Spannungsänderung, z.B. entlang eines Dendriten, lässt<br />

sich durch folgende etwas komplexere Schaltung simulieren. In diesem Modell werden die<br />

Kabeleigenschaften eines zylindrischen Abschnittes einer Nervenzelle dargestellt, indem der<br />

Zylinder in diskrete Abschnitte eingeteilt wird. Jedem Abschnitt wird ein Membranwiderstand,<br />

eine Membrankapazität <strong>und</strong> um Inneren der Zelle ein Längswiderstand zugeordnet.<br />

31


m ist der Membranwiderstand eines Einheitsabschnittes eines solchen Zylinders, c m die<br />

Membrankapazität <strong>und</strong> r i der Längswiderstand des Inneren eines solchen Abschnittes. Wird<br />

in einem zylindrischen Abschnitt einer Zelle eine Spannungsänderung durch einen Strom<br />

induziert, so breitet sich diese elektrotonisch entlang des Zylinders aus. Da pro Einheitsabschnitt<br />

nun ein Teil des Stroms über die Membran in den extrazellulären Raum abfließt,<br />

steht <strong>für</strong> den nächsten benachbarten Abschnitt ein geringerer Strom zu Verfügung, um eine<br />

Spannungsänderung zu induzieren. Die Potentialänderung zeigt daher eine exponentielle<br />

Amplitudenabnahme entlang des Zylinders.<br />

Folgende Gleichung beschreibt den exponentiellen Spannungsabfall der ursprünglichen<br />

Spannung (V 0 ) über die Distanz x: V x = V 0 * e -x/λ<br />

Die Längskonstante (λ)<br />

eines zylindrischen Zellabschnitts bestimmt das Dekrement der Amplitude in Längsrichtung.<br />

Je größer das Verhältnis von r m zu r i<br />

ist, desto größer ist also die Spannungsänderung in<br />

einem bestimmten Abstand vom Ort der Strominjektion (z.B. des postsynaptischen<br />

Stromes). Bezogen auf die Zellfortsätze einer Nervenzelle ist demnach eine gute<br />

Membranisolierung (r m gross) bei gleichzeitig geringem cytoplasmatischen<br />

Innenlängswiderstand (r i klein, z.B. bei großem Axondurchmesser) förderlich <strong>für</strong> eine<br />

möglichst weitreichende verlustarme elektrotonische Ausbreitung von Potentialen.<br />

32


1. Versuchstag:<br />

Extrazelluläre Ableitung von Aktionspotentialen eines identifizierten Neurons vom<br />

Bauchmark der Wanderheuschrecke<br />

Am heutigen Kurstag werden Sie in die Lage eines Neurowissenschaftlers versetzt, der<br />

aufgr<strong>und</strong> experimentellen Vorgehens Erkenntnisse über sein Objekt sammelt. Dazu werden<br />

Sie vom Halskonnektiv extrazellulär Aktionspotentiale eines Neurons ableiten.<br />

Das Vorgehen wird Ihnen erheblich erleichtert, wenn Sie sich im weiteren konsequent an<br />

das Skript halten <strong>und</strong> sich bei Fragen an den/die Tutor/in wenden.<br />

Ein wesentlicher Vorteil der Invertebraten <strong>für</strong> neurophysiologische Untersuchungen ist, daß<br />

einzelne Neurone nach physiologischen <strong>und</strong> morphologischen Gesichtspunkten als Individuen<br />

identifiziert werden können. In diesem Versuch werden Sie von einem solch identifizierten<br />

Neuron extrazellulär aus einem der beiden Konnektive ableiten können. In diesen<br />

Konnektiven verlaufen die Axone von mehreren tausend Neuronen. Aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen<br />

Größe der Aktionspotentiale <strong>und</strong> des spezifischen Antwortverhaltens lassen<br />

sich bei der extrazellulären Ableitung einzelne Neurone oder Gruppen von Neuronen identifizieren.<br />

Man unterscheidet zwischen aufsteigenden Neuronen, die Information von posterior<br />

nach anterior gelegenen Ganglien weitergeben, <strong>und</strong> absteigenden Neuronen, die<br />

Information nach posterior übertragen. Ihre Aufgabe wird es sein, durch das Verabreichen<br />

qualitativ verschiedener Reize zu untersuchen, ob sich an dem vorgegebenen Ableitort<br />

Aktionspotentiale mit hoher Amplitude sich mit einem bestimmten Reiz korellieren lassen. In<br />

der Regel stammen Potentiale gleicher Amplitude von den gleichen Neuronen. Es wird dabei<br />

auch möglich sein, einige Details über die integrativen Eigenschaften eines solchen Neurons<br />

(Antwortverhalten, rezeptives Feld, Verschaltung, Lage im ZNS) zu erfahren.<br />

Abbildung: Die Abbildung (a) zeigt eine schematische Zeichnung des "Strickleiter"-Nervensystems<br />

vom Kopf <strong>und</strong> Thorax einer Wanderheuschrecke (Gehirn <strong>und</strong> Ganglion). Eingezeichnet<br />

ist die morphologische Struktur ("Gestalt") zweier identifizierter Neurone: DCMD:<br />

descending contralateral movement detector <strong>und</strong> LGMD: lobular giant movement detector.<br />

In (b) ist dargestellt, daß jedes vom Konnektiv abgeleitete Aktionspotential des DCMD (unter<br />

Spur) ein erregendes postsynaptisches Potential (EPSP = exzitatorisches postsynaptisches<br />

Potential) in einem Motorneuron (FETi, obere Spur) hervorruft. Das FETi-Motorneuron ist<br />

das schnelle Motorneuron des Sprungmuskels des Wanderheuschrecke (FETi = fast extensive<br />

tibiae motorneurone).<br />

33


Präparation (Halskonnektiv)<br />

Eine durch Kühlung betäubte Heuschrecke (15 min. im Kühlschrank oder auf Eis) mit der<br />

Ventralseite nach oben auf einer Wachsschale so festlegen, daß der Kopf den Rand der<br />

Schale überragt. Die Beine mit Plastilin (Knetmasse) befestigen <strong>und</strong> den Kopf so nach vorne<br />

ziehen, daß die ventral liegende dünne Kutikulamembran des Halses sichtbar wird <strong>und</strong><br />

etwas gestreckt ist. Die Halsmembran seitlich einritzen, so daß die beiden Halskonnektive,<br />

die zwischen zwei silbrig glänzenden Tracheen liegen, sichtbar werden (nicht mit der<br />

Pinzette quetschen!). Mit dem Mikromanipulator die zwei Hakenelektroden unter eines der<br />

beiden Konnektive fahren <strong>und</strong> vorsichtig anheben. Um Kurzschlüsse zu vermeiden <strong>und</strong><br />

dadurch gute extrazelluläre Ableitungen zu erzielen, muß die Hämolymphe zwischen den<br />

beiden Hakenelektroden <strong>und</strong> zwischen angehobenem Konnektiv <strong>und</strong> Tier mit einem Papiertuch<br />

abgetupft <strong>und</strong> der Ableitort mit Vaseline bedeckt werden.<br />

Aufgaben<br />

1. Damit Sie sich mit der Apparatur etwas vertraut machen können, notieren Sie, was<br />

passiert, wenn Sie:<br />

- die Zeit- <strong>und</strong> Vertikalablenkung im Spike II Programm (Bildschirm des PC)<br />

verändern<br />

- die beiden Filter (Highpass and lowpass) am Extrazellulärverstärker ändern<br />

- einen der beiden Stecker vom Elektrodenkabel aus dem Verstärker ziehen <strong>und</strong><br />

auf Masse legen<br />

- eine Hand in die Nähe des Präparates legen <strong>und</strong> mit der anderen zuerst das<br />

Lampengehäuse, danach die Erde am Analog-Digital-Wandler berühren<br />

2. Beschreiben Sie die Aktivität im Konnektiv, wenn Sie verschiedene Körperregionen<br />

mit einem Glasstab oder mit Windreizen aus einer Pasteurpipette mechanisch reizen,<br />

oder wenn Sie laute Schnalz- oder Klatschgeräusche machen, oder wenn Sie einen<br />

optischen Reiz benutzen. (Markieren Sie die Reize mit dem Eventmarker im Spike II<br />

Programm.)<br />

3. Weshalb sind die zu beobachtenden Aktionspotentiale verschieden groß?<br />

4. Lassen sich bestimmte Reize mit bestimmten Aktionspotentialen korrellieren (Besonders<br />

die größeren Aktionspotentiale beobachten)? Welches ist der zu ihrer Auslösung<br />

erforderliche spezifische Reiz?<br />

Beispiel: Berührungs- oder Windreiz, optischer, akustischer Reiz<br />

5. Handelt es sich um aufsteigende oder absteigende Neurone? Verlaufen die Axone<br />

ipsi- oder contralateral zum Reizort?<br />

35


6. Wenn Sie ein Neuron oder eine Gruppe von Neuronen aufgr<strong>und</strong> ihres Antwortverhaltens<br />

auf einen speziellen Reiz hin identifizieren konnten, untersuchen Sie<br />

genauer; z.B. wie verändert eine andere Reizintensität das Antwortverhalten. Wie<br />

könnten Sie die Größe des rezeptiven Feldes des untersuchten Neurons bestimmen?<br />

7. Halten Sie die Amplitude der Aktionspotentiale (in Volt) <strong>und</strong> ihre etwaige Frequenz (in<br />

Hertz) fest!<br />

8. Verändert sich die Antwort, wenn der Reiz mehrfach hintereinander in konstanten<br />

Zeitabständen verabreicht wird (z.B. alle 5 s)? Läßt sich damit eine Habituation<br />

(Gewöhnung) ggf. Dishabituation durchführen? Sie müssen sich vorher im klaren<br />

über die Versuchsdurchführung sein un dann jeden Reizdurchgang mit dem Eventmarker<br />

markieren.<br />

9. Wo könnte man die entsprechenden Aktionspotentiale noch ableiten? Warum tun wir<br />

es an diesen Stellen?<br />

Fragen<br />

Die Antworten auf diese Fragen sollten Sie im Protokoll in der Diskussion Ihrer Ergebnisse<br />

einbauen:<br />

- Wovon hängt die Größe extrazellulär abgeleiteter Aktionspotentiale ab?<br />

- Wie sieht die Form eines extrazellulär abgeleiteten Aktionspotentials im Vergleich zu<br />

einem intrazellulär abgeleiteten aus?<br />

- Durch welche Ionenströme wird die Form eines Aktionspotentials bestimmt?<br />

- Welche Funktion mag das untersuchte Neuron <strong>für</strong> das Verhalten des Tiers haben?<br />

- Was versteht man unter Habituation <strong>und</strong> Dishabituation?<br />

Zum Nachdenken<br />

Wozu werden Experimente in den Naturwissenschaften <strong>und</strong> insbesondere in der <strong>Neurobiologie</strong><br />

durchgeführt?<br />

Literatur:<br />

Rowell, C.H.F. (1971) The orthopteran descending movement detector (DMD) neurons: A<br />

characterisation and review. Z.verg.Physiol. 73:167-194<br />

Burrows, M. & Rowell, C.H.F. (1973) Connections between descending visual interneurons<br />

and metathoracic motoneurons in the locust. J.Comp.Physiol. A 85:221-234<br />

36


2. Versuchstag:<br />

Computersimulation von Nervensignalen<br />

Die genaue Messung von Spannungs- oder Stromsignalen an Nervenzellen erfordert<br />

meistens eine aufwendige Präparation <strong>und</strong> Apparatur. Die mathematische Beschreibung<br />

experimentell gewonnener Daten ermöglicht jedoch oftmals, ein Modell zu entwickeln, das<br />

die Eigenschaften des natürlichen Systems simuliert <strong>und</strong> Voraussagen über das elektrische<br />

Verhalten eines Neurons oder eines ganzen Netzwerks von Neuronen zulässt.<br />

An diesem Kurstag werden Sie mit einem Computerprogramm (Neurosim, Biosoft) arbeiten,<br />

das die Simulation der elektrischen Eigenschaften einer Nervenzelle erlaubt. Die zugr<strong>und</strong>e<br />

liegenden mathematischen Funktionen wurden bereits 1952 aus den bahnbrechenden<br />

Arbeiten von Hodgkin & Huxley abgeleitet. Ihre<br />

intrazellulären Ableitungen von Aktionspotentialen<br />

am Tintenfisch-Riesenaxon zeigten<br />

den weit ins Positive überschiessenden<br />

Spannungsverlauf (s. Abb.2.1). Durch<br />

Veränderungen der Ionenkonzentrationen (z.B.<br />

durch Ionensubstitution) zeigten sie, dass die<br />

zugr<strong>und</strong>e liegenden Ströme <strong>und</strong> Leitfähigkeitsänderungen<br />

der Membran ionenspezifisch sind. <br />

<br />

!"#!$%&'(<br />

Messungen mit der Voltage-Clamp Methode (Abb.2.2) erlaubten die kontrollierte Anwendung<br />

von Testspannungen zur genauen quantitativen Charakterisierung der Ionenströme sowie<br />

ihrer Zeitverläufe (Kinetik).<br />

Diese Methode zeigt z.B., dass eine plötzliche starke Depolarisierung der Membran einen<br />

schnellen Na + -Einwärtsstrom <strong>und</strong> einen langsamer aktivierenden K + -Auswärtsstrom auslöst.<br />

Die Ionen fliessen dabei rein passiv <strong>und</strong> unabhängig voneinander durch die Membran,<br />

angetrieben allein von einer ionenspezifischen Spannungsdifferenz, der elektromotorischen<br />

Kraft (EMK ion = V m - E ion ). Die EMK <strong>für</strong> eine Ionenart ergibt sich jeweils aus der Abweichung<br />

der tatsächlichen Membranspannung (V m ) vom entsprechenden (Nernst-) Gleichgewichtspotential<br />

(E ion ), das daher je nach Ionenverteilung allein die Richtung des Ionenstromes<br />

vorgibt.<br />

37


Abb. 2.2: Voltage-Clamp Methode: Die Membranspannung wird durch eine adäquate Strominjektion<br />

auf einer experimentell vorgegebenen Sollspannung gehalten (geklemmt). Die über Elektrode (E1)<br />

gegenüber dem geerdeten Außenmedium anliegende Membranspannung (Vm) wird am Differenzverstärker<br />

(A1) gemessen <strong>und</strong> mit einer vorgegebenen Sollspannung (V soll ) am VC-Verstärker (A2)<br />

verglichen. Abweichungen der Membranspannung von der Sollspannung führen zu einem Stromfluß<br />

(I) am Verstärkerausgang, der stark verstärkt über Elektrode (E2) als Ausgleichsstrom ins Zellinnere<br />

fließt bis das Membranpotential dem Sollwert (V m =V soll ) angeglichen ist. Ionenströme durch die<br />

Membran, die das Membranpotential z.B. während eines Aktionspotentials verändern würden, können<br />

so indirekt über die zur Aufrechterhaltung der Sollspannung nötige Strominjektion gemessen werden.<br />

Die Leitfähigkeit G der Membran, die bei gegebener EMK einen Stromfluss erlaubt, resultiert<br />

aus der Anzahl geöffneter Kanäle <strong>für</strong> die jeweilige Ionenart. Die maximale Leitfähigkeit G max<br />

ist entsprechend erreicht, wenn alle Kanäle geöffnet sind. Dabei ist die Offen-Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>für</strong> einzelne Kanäle <strong>und</strong> damit die Gesamtleitfähigkeit sowohl spannungs- als auch<br />

zeitabhängig.<br />

Ein sigmoider Anstieg der Kaliumleitfähigkeit (g K ) im Verlaufe einer Membrandepolarisation<br />

führte zu der Vorstellung, dass im spannungsaktivierten K + -Kanal vier unabhängig voneinander<br />

öffnende Bereiche (n-Tore) vorliegen müssen. Für jedes einzelne dieser n-Tore steigt<br />

die Offenwahrscheinlichkeit mit zunehmender Membranspannung, jedoch müssen alle vier<br />

Tore gleichzeitig offen sein, um einen Ionenfluss durch den K + -Kanal zu ermöglichen. Die<br />

Offenwahrscheinlichkeit des K + -Kanals ermittelt sich entsprechend aus dem Produkt der vier<br />

Einzelwahrscheinlichkeiten der n-Tore (n 4 ). Für die K + -Leitfähigkeit <strong>und</strong> den K + -Strom bei<br />

gegebenem Testpotential (V m ) gilt dann:<br />

(1) g K = n 4 * g K(max) (2) I K = n 4 * g K(max) * (V m - E Na )<br />

Bei Spannunsänderung stellt sich <strong>für</strong> jedes n-Tor die neue Offenwahrscheinlichkeit zeitabhängig<br />

im Sinne einer einfachen Exponentialfunktion ein (n = 1 - e -t/(n) ). Die Zeitkonstante<br />

(n) verhält sich dabei ebenfalls spannungsabhängig. Je positiver die anliegende Spannung,<br />

desto schneller die Änderung ( (n) 1 ms bei Depolarisation auf 0 mV).<br />

Natriumströme fliessen bei konstanter Depolarisierung der Membran nur <strong>für</strong> kurze Zeit. Zu<br />

Beginn steigt die Leitfähigkeit ebenfalls sigmoid an (Aktivierung), wenn auch etwa 10x<br />

schneller als die <strong>für</strong> Kalium. Innerhalb von Millisek<strong>und</strong>en fällt die Leitfähigkeit jedoch wieder<br />

exponentiell ab (Inaktivierung). Dies beruht auf der Existenz von verschiedenartig auf eine<br />

Spannungsänderung reagierender Bereiche im Na + -Kanal (drei m- <strong>und</strong> ein h-Tor). Vergleichbar<br />

den n-Toren des K + -Kanals, erhöht eine Depolarisierung der Membran die Offenwahrscheinlichkeit<br />

der m-Tore. Umgekehrt reagiert jedoch das h-Tor, dessen Offenwahrscheinlichkeit<br />

durch Hyperpolarisierung erhöht wird.<br />

38


Leitfähigkeitsänderung <strong>und</strong> Natriumstrom folgen entsprechend dem Produkt aus der<br />

maximalen Leitfähigkeit, den drei aktivierenden, das m-Tor regelnden Prozessen <strong>und</strong> dem<br />

inaktivierenden, das h-Tor regelnden Prozess.<br />

(3) g Na = m 3 * h * g Na(max) (4) I Na = m 3 * h * g Na(max) * (V m - E Na )<br />

Der zeitlich exponentielle Anstieg der Offenwahrscheinlichkeit <strong>für</strong> das m-Tor (m = 1 - e -t/(m) )<br />

ist durch eine vergleichsweise viel kürzere Zeitkonstante ( (m) 0.1 ms bei 0 mV) charakterisiert<br />

als die des Inaktivierungsprozesses (h = e -t/(h) , mit (h) 1 ms). Dadurch ist gewährleistet,<br />

dass der Na + -Kanal bei Depolarisierung kurzfristig vollständig öffnen kann, wenn<br />

nämlich die m-Tore schneller öffnen als das h-Tor schliesst (Abb. 2.3).<br />

+ , <br />

<br />

1<br />

<br />

1<br />

. , <br />

<br />

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<br />

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-/ (-<br />

!$ - / (0 <br />

-". , + <br />

" % 1<br />

*"0<br />

<br />

1<br />

Das Computerprogramm errechnet mit den gegebenen Funktionen <strong>für</strong> die Kalium- <strong>und</strong><br />

Natriumleitfähigkeit den Verlauf des Aktionspotentials. Ausgehend von einem überschwelligen<br />

Startpotential wird in kleinen Zeitschritten die jeweilige Leitfähigkeitsänderung,<br />

der dadurch ausgelöste Strom <strong>und</strong> die resultierende Membranspannung bestimmt.<br />

39


Durch Variationen der Parameter lässt sich das Programm mit seinen implementierten<br />

Funktionen nutzen, um deren Auswirkungen auf das Modellsystem zu testen <strong>und</strong> Erkenntnisse<br />

über das modellierte System zu bekommen. Änderungen der Ionenkonzentrationen,<br />

sprunghafte Änderungen der Membranspannung <strong>und</strong> artefizielle Strominjektionen sind nur<br />

einige Beispiele testbarer Modifikationen.<br />

Versuchsanleitung zum ersten Kurstag:<br />

Starten Sie in der Programmsammlung NEUROSIM (Biosoft) das Unterprogramm<br />

GOLDMAN<br />

Dieser Programmteil beschäftigt sich mit den Parametern Ionenkonzentration <strong>und</strong> –leitfähigkeit,<br />

welche das Ruhemembranpotential bestimmen.<br />

Laden Sie die Ionenverteilung <strong>für</strong> einen Tintenfisch (squid values)<br />

• Umstellung der Chloridverteilung ("switch Cl - distrib") auf "passiv"<br />

• Ändern Sie die K + -Konzentration des Außenmediums "K outside" (zwischen 800 <strong>und</strong> 0.1<br />

mM) <strong>und</strong> ermitteln Sie das resultierende Gleichgewichtspotential <strong>für</strong> K + (E k , Equilibrium<br />

potential) sowie das tatsächlich resultierende Membranpotential (V m = membrane potential).<br />

Tragen Sie beide in einer Grafik jeweils gegen die K + -Konzentration (x-Achse, logarithmisch)<br />

auf <strong>und</strong> erklären Sie die Abweichungen.<br />

• Stellen Sie <strong>für</strong> folgende Ionenverteilungen die jeweiligen Nernst´schen Gleichgewichtspotentiale<br />

bei 20°C auf <strong>und</strong> ermitteln Sie mit Hilfe der Goldmann-Gleichung das resultierende<br />

Membranpotential:<br />

Ion Permeabilität rel. Permeabilität Konz. intrazellulär Konz. extrazellulär<br />

(cm ⋅ s -1 ⋅ 10 -7 )<br />

K + 18 1,0 124 4<br />

Na + 0,7 0,04 50 470<br />

Cl - 7,9 0,4 55 580<br />

40


Programm HH.<br />

Dieser Programmteil simuliert die Generierung <strong>und</strong> die Verläufe von Aktionspotentialen.<br />

Ausgelöst werden die Aktionspotentiale durch eine direkte Strominjektion.<br />

Laden Sie die Parameter PARAM2 <strong>und</strong> starten Sie das Experiment (load parameters F10).<br />

• Verringern Sie erst die Stromamplitude des Stimulus ("set stimulus"), bis gerade kein<br />

Aktionspotential mehr auftritt. Erhöhen Sie schrittweise die Stimulationsintensität <strong>und</strong><br />

messen <strong>und</strong> notieren Sie die Dauer (in ms) bis zum Maximum des Aktionspotentials<br />

sowie den Spannungswert des Maximums (in mv). Im Grafikmodus über "measure" den<br />

Cursor (Kreuz) auf den gewünschten Punkt setzen <strong>und</strong> Werte ablesen. Stellen Sie die<br />

Ergebnisse grafisch dar <strong>und</strong> erklären Sie die Ergebnisse. Beantworten Sie dabei<br />

folgende Fragen: Wo liegt die Schwelle zur Auslösung eines Aktionspotentials, wodurch<br />

ist sie charakterisiert, was ist der Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die Abnahme der maximalen Aktionspotentialamplitude<br />

<strong>und</strong> wie erklärt sich die verzögerte Auslösung eines Aktionspotentials<br />

bei schwachen Reizströmen?<br />

Laden Sie die Parameter IFCURVE <strong>und</strong> starten Sie das Experiment<br />

• Steigern Sie den Reizstrom (unter "stimulus, amplitude" Wert eingeben) bis ca. 100µA<br />

(10 Werte reichen meist, erst in kleinen dann in grossen Schritten) <strong>und</strong> bestimmen Sie<br />

die resultierende Entladungsfrequenz jeweils bei 6°C <strong>und</strong> 20°C. Tragen Sie diese als<br />

Grafik („I-F-Kurve“) zusammen gegen die jeweils verwendete Stimulusintensität auf.<br />

Welchen Einfluss hat die Temperatur auf die maximale Entladungsfreqzenz? Was<br />

beobachten Sie insbesondere bei stärkeren Strominjektionen hinsichtlich der ersten<br />

Aktionspotentialhöhen <strong>und</strong> des Entladungsverhaltens über die gesamte Stimulusdauer?<br />

Woran kann das liegen? Versuchen sie durch Erhöhung der internen K + -Konzentration<br />

sowie durch Anwendung von Giften (TTX, TEA) ein Verständnis zu entwickeln.<br />

Aktivierung:<br />

Laden Sie die Parameter PARAM4 <strong>und</strong> wechseln Sie in den Voltage-Clamp-Modus (toggle<br />

clamp)<br />

• Setzen Sie die Haltespannung auf –70mV ("holding pot") <strong>und</strong> die Klemmspannung auf<br />

+30mV ("clamp pot"). Starten Sie den Spannungssprung durch „Experiment“ <strong>und</strong> lassen<br />

Sie sich dabei vorerst den ausgelösten Gesamtstrom zeigen. Wie verläuft der Stromfluss<br />

in Abhängigkeit von der Zeit?<br />

• Stellen Sie sich den K + -Strom bzw. den Na + -Strom unter Anwendung selektiver Kanalblocker<br />

("apply drugs", TTX bzw. TEA anwählen) isoliert dar. Beschreiben Sie kurz den<br />

zeitlichen Verlauf.<br />

41


• Testen Sie ausgehend vom Haltepotential (–100mV) verschiedene Klemmspannungen<br />

(von -100 bis +50 mV in 10mV Schritten) <strong>und</strong> bestimmen Sie jeweils den maximalen<br />

Stromfluss von Kalium bzw. Natrium-Ionen. Beachten Sie dabei, dass die Maxima zu<br />

unterschiedlichen Zeiten erreicht werden. Tragen Sie (zuhause) die gemessenen<br />

maximalen Stromstärken, I Na <strong>und</strong> I K , in Abhängigkeit von der Klemmspannung als I-V-<br />

Kurve auf <strong>und</strong> vergleichen <strong>und</strong> diskutieren Sie kurz die Verläufe. Wo liegt jeweils das<br />

Umkehrpotential <strong>für</strong> jeden Strom?<br />

• Errechnen Sie mit Hilfe der Beziehung: g = I / EMK (da<strong>für</strong> müssen die Ionenkonzentrationen<br />

notiert werden) aus den Strommaxima die Leitfähigkeiten gK + <strong>und</strong> gNa + <strong>und</strong> tragen<br />

Sie diese in Abhängigkeit von der Klemmspannung auf. Beschreiben <strong>und</strong> erklären Sie<br />

kurz den Verlauf.<br />

Inaktivierung:<br />

Die Gleichgewichtsinaktivierung von Na + -Kanälen bei verschiedenen Spannungen lässt sich<br />

durch Veränderung der Haltespannung, von der aus ein Sprung auf eine immer gleiche<br />

Klemmspannung (–10mV) folgt, bestimmen.<br />

• Variieren Sie unter TEA (s.o.) die Haltespannung ausgehend von -100mV bis -10mV in<br />

10mV-Schritten <strong>und</strong> bestimmen Sie das Maximum des jeweils anschliessend durch einen<br />

Spannungssprung auf die Klemmspannung -10mV ausgelösten Na + -Stroms. Tragen Sie<br />

diesen Na + -Strom jeweils in Relation zum grösstmöglichsten Strom (I/I max ) über der<br />

Haltespannung grafisch auf <strong>und</strong> diskutieren Sie kurz den Verlauf.<br />

Mit Hilfe des Programms CABLE soll ein Versuch simuliert werden, bei dem am Ort der<br />

Strominjektion <strong>und</strong> in verschiedenen Abständen von der Reizelektrode die Spannungsantwort<br />

der Membran bzw. entlang einer Nervenfaser/Dendriten gemessen wird.<br />

Spannungsabhängige Ionenkanäle sollen hier keine Rolle spielen, d.h. es wird ausschließlich<br />

passive Erregungsleitung simuliert.<br />

Starten Sie das Programm CABLE <strong>und</strong> laden Sie die Parameter TC-IR-1.<br />

Notieren Sie sich die gegebenen Parameter <strong>für</strong> die elektrischen Eigenschaften der Nervenfaser<br />

sowie die experimentellen Umstände (Reizstromstärke) <strong>und</strong> starten Sie das Experiment.<br />

• Beschreiben Sie den zeitlichen Verlauf der Spannungsantwort.<br />

• Ermitteln Sie den Eingangswiderstand des Neurons (Ohmsches Gesetz: Spannungsantwort<br />

/ Reizstrom = Membranwiderstand). Ändert sich dieser bei höheren Reizströmen?<br />

42


• Ermitteln Sie die Zeitkonstante durch Ausmessen der Zeit, die die Spannung benötigt,<br />

63% des Maximalwerts zu erreichen. Ändert sich der Wert bei höheren Reizströmen?<br />

Einstellen des Abstands des Messelektrode auf 2,2 mm.<br />

• Verdoppeln Sie jetzt die Membrankapazität (C m ). Wie ändern sich die maximal erreichte<br />

Spannung <strong>und</strong> τ ? Was passiert, wenn Sie den Membranwiderstand um die Hälfte<br />

verringern?<br />

Laden Sie die Parameter LAMBDA.<br />

Hier sind drei Elektroden in variablem Abstand von der Reizelektrode gesetzt. Starten Sie<br />

das Experiment.<br />

• Messen sie die Spannungswerte in verschiedenen Abständen (1, 2, 3, 4, 5 mm). Tragen<br />

Sie den Spannungsabfall über die Distanz graphisch auf <strong>und</strong> ermitteln Sie daraus die<br />

Längskonstante. Vergleichen Sie diesen Wert mit dem des Programms.<br />

• Nun erhöhen Sie den Membranwiderstand (R m = 20 k ⋅ cm 2 ) <strong>und</strong> ermitteln wieder die<br />

Spannungsantworten in Abhängigkeit von der Distanz zur Reizelektrode. Wie verändert<br />

sich hierbei Lambda? Wie interpretieren Sie die Kurven hinsichtlich der elektrotonischen<br />

Ausbreitung von Erregung in einer Nervenzelle?<br />

43


3. Versuchstag:<br />

Auslösung <strong>und</strong> Erregungsleitung von Aktionspotentialen im Bauchmark des Regenwurms,<br />

Lumbricus terrestris<br />

Einführung<br />

Mittels von Aktionspotentialen wird im Nervensystem Information über weite Strecken fortgeleitet.<br />

Die Fortleitungsgeschwindigkeit von Aktionspotentialen bestimmen die Reaktionsgeschwindigkeit<br />

von Reflexen <strong>und</strong> die Frequenz, mit der Aktionspotentiale generiert werden<br />

können, bestimmen die Reaktionsstärke von Reflexen.<br />

Insbesondere bei Meide- <strong>und</strong> Fluchtreflexen ist eine schnelle Erregungsleitung wichtig. Im<br />

Laufe der Evolution wurde dies auf folgende Weisen erreicht:<br />

- die Vergrößerung des Axondurchmessers<br />

- die Myelinisierung von Axonen (primär bei Wirbeltieren, saltatorische Erregungsleitung)<br />

- elektrische Synapsen<br />

- geringe Anzahl von Synapsen in der Reflexbahn<br />

Axone mit besonders großen Durchmessern sind bei vielen Invertebraten vorhanden. So<br />

wird das Bauchmark von Oligochaeten <strong>und</strong> das von vielen Polychaeten in seiner gesamten<br />

Länge von Riesenfasern durchzogen. Fast alle Oligochaeten haben drei dorsal im Bauchmark<br />

gelegene Riesenfasern, welche Interneurone sind (Abb. 1). Beim Regenwurm beträgt<br />

der Durchmesser der medianen Riesenfasern (MRF) ca. 75 µm Durchmesser, <strong>und</strong> der der<br />

beiden lateralen Riesenfasern (LRF) jeweils 50 µm. Der Durchmesser der MRF wird nach<br />

posterior <strong>und</strong> die Durchmesser der beiden LRF werden nach anterior kleiner. Sowohl die<br />

MRF als auch die LRF sind von einer auffällig dicken Gliahülle mit vielschichtigen Myelinlamellen<br />

(Markscheide) umgeben, eine Gegebenheit, die als Regelfall nur bei Wirbeltieren<br />

auftritt. Eine solch dicke Gliahülle ist bei Invertebraten neben dem Regenwurm nur bei<br />

Krebsen nachgewiesen. Die Gliahülle der MRF ist dicker als die der LRF. Bei der MRF von<br />

L. terrestris wurde eine saltatorische Erregungsleitung gezeigt. Intersegmental grenzen die<br />

Neurone in eng aneinanderliegenden Membranabschnitten (6,5 - 7,5nm), den sogenannten<br />

Septen, aneinander. Diese Membranabschnitte sind zum Teil durch „gap junctions", miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en (elektrische Synapsen), zum Teil sind die Septen aufgelöst, so dass eine<br />

durchgehende protoplasmatische Verbindungen zwischen den Zellen besteht (beim adulten<br />

Regenwurm sind etwa 60% der Septen der MRF <strong>und</strong> 20% der Septen der LRF<br />

44


Abb. 1: Lumbricus terrestris. (A) Transversalschnitt, welcher die Lage der Riesenfasern <strong>und</strong> der<br />

longitudinalen Haupttrakte des Bauchmarks zeigt. (B) Rekonstruktion des Bauchmarks, welche die<br />

Lage der MRF, der LRF, der Rieseninterneuron, der sensorischen Trakten <strong>und</strong> der Motorneurone<br />

zeigt.<br />

45


aufgelöst). Durch den Wegfall von Synapsen wird die Fortleitungsgeschwindigkeit der<br />

Aktionspotentiale erhöht. Dieses bedeutet auch, dass die Riesenfasern nicht nur aus dem<br />

Axon eines Neurons bestehen, sondern aus miteinander verschmolzenen Nervenzellen<br />

(Syncytium, pro Segment 1 Zellkörper). Die LRF sind durch elektrische Synapsen miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en, die sich in segmentalen Querbrücken (Anastomosen, Abb. 1) befinden.<br />

Dadurch werden die Aktionspotentiale beider LRF über die gesamte Länge des Wurmens<br />

synchronisiert <strong>und</strong> das extrazellulär abgeleitete Potential ist die Summe der Aktionspotentiale<br />

beider LRF. Neben der MRF <strong>und</strong> den LRF sind in jedem Segment jeweils ein Paar<br />

lateraler <strong>und</strong> ein Paar ventraler Rieseninterneurone sowie Riesenmotorneurone lokalisiert.<br />

Während die Erregungsmuster zur Steuerung der meisten Bewegungen beim Regenwurm in<br />

polysynaptischen Netzwerken mit relativ langsam leitende Neuronen generiert werden, sind<br />

die Riesenfasern an schnellen <strong>und</strong> koordinierten Meidereaktionen beteiligt. Die MRF <strong>und</strong> die<br />

LRFs sind unterschiedlich mit sensorischen <strong>und</strong> motorischen Neuronen verschaltet. Die<br />

MRF wird von Rieseninterneuronen erregt, die ihrerseits durch Sinneszellen (z. B. Mechanorezeptoren)<br />

aus den vorderen Körpersegmenten erregt werden. Die LRF erhalten dagegen<br />

wahrscheinlich direkte Eingänge von Sinneszellen der posterioren Körpersegmente. Sowohl<br />

die Aktivität der MRF als auch die der LRF wird auf Motorneurone verschaltet, die ihrerseits<br />

die Längsmuskulatur innervieren. Die LFR verschalten allerdings zusätzlich auf Motorneurone,<br />

die die Muskulatur zum Ausstrecken von Borsten am anterioren Körperende innerviert,<br />

wohingegen die MFR auf Motorneurone verschaltet, deren Aktivität zum Ausstrecken<br />

der Borsten am posterioren Körperende führt. Daher führt Aktivität der LFR letztendlich<br />

dazu, dass das anteriore Körperende am Substrat festgehalten <strong>und</strong> das posteriore<br />

Körperende weggezogen wird. Die Aktivität der MFR dagegen führt zur Abflachung des<br />

posterioren Körperendes, wodurch das anteriore Körperende weggezogen wird. Die Aktionspotentialfrequenz<br />

in den jeweiligen Sinneszellen kodiert die Reizstärke <strong>und</strong> bestimmt die<br />

Anzahl der Aktionspotentiale in den Riesenfasern, <strong>und</strong> somit auch die Stärke der<br />

Rückzugsantwort (Meidereaktion).<br />

Experimentelle Aufgaben<br />

Zunächst sollen einige Verhaltensbeobachtungen zur Lokomotion am intakten Wurm durchgeführt<br />

werden. Dann soll die neuronale Aktivität der RF sowohl bei mechanischer als auch<br />

bei elektrischer Reizung abgeleitet werden. Wie bereits festgestellt, legt u.a. die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

fest, wie schnell Information in polysynaptischen Schaltkreis<br />

weitergeleitet wird. Je größer die Spanne zwischen der niedrigsten <strong>und</strong> der höchsten<br />

Frequenz ist, mit der Axone Aktionspotentiale generieren können, desto mehr Information<br />

46


kann auf die postsynaptische Zelle übertragen werden. Sowohl die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

als auch die maximale Aktionspotential-Frequenz der beiden<br />

Riesenfasersysteme soll daher bestimmt werden.<br />

Aufgaben<br />

1. Kurze Beobachtung der Lokomotion des intakten Wurms<br />

Der Wurm wird auf ein angefeuchtetes Filterpapier gelegt <strong>und</strong> während der Kriechbewegung<br />

beobachtet. Meidereaktionen werden durch Berühren des anterioren- bzw. des posterioren<br />

Körperendes des Wurms mit einem stumpfen Gegenstand ausgelöst.<br />

Beobachten Sie die peristaltischen Wellen während der Kriechbewegung, <strong>und</strong> vergleichen<br />

Sie die aufeinander abgestimmte Bewegung der Körpersegmente mit der Koordination der<br />

Segmente während der Meidereaktionen.<br />

Worin besteht der Unterschied in den Meidereaktionen, wenn sie während der Bewegung<br />

oder wenn sich der Wurm in Ruhe befindet, ausgelöst werden?<br />

Welche Aufgabe erfüllen die ventral <strong>und</strong> lateral aus dem Hautmuskelschlauch austretenden<br />

Borsten bei der Lokomotion?<br />

2. Registrierung der Riesenfaser-Antworten bei mechanischer <strong>und</strong> elektrischer Reizung<br />

Präparation<br />

Um den Wurm <strong>für</strong> die Präparation leicht zu "betäuben", wird er kurz in ein Becherglas<br />

gelegt, das etwa zwei Finger hoch mit Eiswasser gefüllt ist. Ist er bewegungsunfähig, wird er<br />

mit der Ventralseite nach unten vorn <strong>und</strong> hinten in die Halterungen der Ableitwanne eingeklemmt.<br />

Dabei ist darauf zu achten, dass er an beiden Enden über den paarigen Reizelektroden<br />

liegt. Der freiliegende mittlere Teil des Wurms wird nun mit Nadeln fixiert, die<br />

neben den Halterungen seitlich in den Hautmuskelschlauch (HMS) eingestochen werden.<br />

Während der weiteren Präparation wird der Mittelteil des Wurms gelegentlich mit gekühlter<br />

Ringerlösung gespült.<br />

Mit einem flach geführten Schnitt (mit der Präparierschere) entlang der dorsalen Medianlinie<br />

wird nun der HMS 2-3 cm geöffnet, wobei der Darm des Tieres sichtbar wird. (Vorsicht,<br />

Darm nicht verletzen. Austretende Verdauungssäfte schädigen das Bauchmark, so dass<br />

eine neue Präparation nötig wird).<br />

47


Der HMS wird mit Nadeln auseinandergeklappt <strong>und</strong> in der Wachsplatte der Ableitwanne<br />

fixiert, so dass der Darm vorsichtig auf eine Seite gelegt werden kann. Dabei muss er mit<br />

einem Glasstab von Dissepimenten befreit werden, die ihn mit dem HMS verbinden.<br />

Das Bauchmark (Abb. 2), das als weißlicher Strang sichtbar ist, wird ebenfalls mit einem<br />

Glasstab von den Resten der Dissepimente <strong>und</strong> den segmentalen Nerven getrennt, so dass<br />

es sich auf einer ca. 2 cm langen Strecke vom HMS abheben lässt.<br />

Die Ableitelektroden werden unter das Bauchmark gelegt <strong>und</strong> leicht angehoben. Die W<strong>und</strong>e<br />

wird mit Ringerlösung angefeuchtet. Während des Versuchs darf das Bauchmark an der<br />

Ableitstelle nicht mit Ringerlösung in Kontakt stehen (am besten wird die Lösung an dieser<br />

Stelle mit einem kleinen Papiertuch vorsichtig abgesaugt), denn sonst kommt es zu einem<br />

Kurzschluss.<br />

Alternative Möglichkeit falls keine stabilen Ableitungen vom Bauchmark erzielt werden<br />

sollten: Aufgr<strong>und</strong> der extrem dicken Durchmesser der Riesenfasern ist es möglich, deren<br />

elektrische Feldpotentiale auch durch den geschlossenen Hautmuskelschlauch hindurch<br />

abzuleiten. In diesem Fall wird der intakte Regenwurm mit der Ventralseite nach unten in die<br />

Halterungen der Ableitwanne eingeklemmt. Dabei ist darauf zu achten, dass er an beiden<br />

Enden über den paarigen Reizelektroden liegt. Dieses experimentelle Design hat folgende<br />

Nachteile: Die abgeleiteten Feldpotentiale sind aufgr<strong>und</strong> der größeren Entfernung zu den<br />

Elektroden kleiner <strong>und</strong> somit schwieriger zu identifizieren. Zweitens verändert jede<br />

Bewegung des Tieres die Form der Feldpotentiale, da die Elektroden nicht direkt an den<br />

Riesenfasern anliegen. Drittens werden die Potentiale der Riesenfasern von den aus dem<br />

Hautmuskelschlauch abgeleiteten Muskelpotentialen maskiert. Viertens kann die Reizschwelle<br />

zum Auslösen von Muskelkontraktionen durchaus unter der zum Auslösen von<br />

Aktionspotentialen in den Riesenfasern liegen, was alle Experimente mit elektrischer<br />

Reizung erheblich erschwert. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass man auch die<br />

aus dem Meidereflex resultierenden Muskelpotentiale ableitet.<br />

48


Abb. 2: Anatomie von Lumbricus terrestris (nach Renner).<br />

49


a. Mechanische Reizung<br />

Das Vorder- <strong>und</strong> Hinterende des Wurmes wird mit einem Holzstab durch die Löcher in den<br />

Halterungen mechanisch gereizt, <strong>und</strong> die elektrische Aktivität des Bauchmarks wird abgeleitet.<br />

3. Unterscheiden Sie die Amplitude <strong>und</strong> die Form der Impulse, wenn das anteriore bzw.<br />

das posteriore Körperende gereizt wird, <strong>und</strong> ordnen Sie die Impulse den verschiedenen<br />

Riesenfasern zu.<br />

4. Lassen sich Bewegungen des Wurms auf die Reize hin beobachten, <strong>und</strong> wie sind diese<br />

mit den Aktivitäten des Bauchmarkes korreliert?<br />

b. Elektrische Reizung<br />

Um genauere Unterschiede zwischen den beiden Riesenfasersystemen experimentell zu<br />

untersuchen, ist es notwendig, die Aktionspotentiale in den Riesenfasern kontrolliert zu<br />

erzeugen. Dies ist durch elektrische Reizung möglich.<br />

5. Messung der Reizschwelle <strong>und</strong> Identifizierung der Aktionspotentiale<br />

Protokollieren Sie die Reizstärke, bei der sich zum erstenmal Impulse ableiten lassen. Bei<br />

weiterer Erhöhung der Reizstärke wird ein zweites Aktionspotential auftreten (warum?).<br />

Messen Sie den zeitlichen Abstand zwischen den Ereignissen, ordnen Sie die Ereignisse<br />

Ihrem Versuchsaufbau zu <strong>und</strong> begründen Sie die Zuordnung (Verzögerung, Latenz, Aktionspotentiale<br />

der Riesenfasertypen, Stimulusartefakt).<br />

Vergleichen Sie Form <strong>und</strong> Amplitude der Aktionspotentiale, wenn Sie am Vorder- <strong>und</strong> am<br />

Hinterende des Wurmes reizen. Welche Unterschiede gibt es zur mechanischen Reizung?<br />

Ordnen Sie die Impulse den beiden Riesenfasersystemen zu, <strong>und</strong> begründen Sie Ihre<br />

Zuordnung. Warum werden die Riesenfasern bei geringer elektrischer Reizspannung zuerst<br />

erregt, <strong>und</strong> warum leiten Sie nur 2 verschiedene Aktionspotentiale ab? Welche Aktionspotentialamplitude<br />

kann welcher Riesenfaser zugeordnet werden.<br />

50


6. Abschätzen der Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

Aus der Latenz zwischen Stimulusartefakt <strong>und</strong> Aktionspotentialen <strong>und</strong> dem Abstand<br />

zwischen Reiz- <strong>und</strong> Ableitelektroden lassen sich die Fortleitungsgeschwindigkeiten der<br />

Aktionspotentiale <strong>für</strong> die beiden Riesenfasersysteme abschätzen.<br />

Geben sie die Fortleitungsgeschwindigkeiten in m/sec an. Um die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

zu bestimmen, messen Sie die Latenz zwischen Reizartefakt <strong>und</strong> Aktionspotential <strong>und</strong><br />

den Abstand zwischen Reiz- <strong>und</strong> Ableitelektroden. Da die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

temperaturabhängig ist, sollten Sie darauf achten, dass Sie die Temperatur während der<br />

Messungen ungefähr konstant halten. Diskutieren Sie warum die MRF eine höhere Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

hat als die LRF. Erklären Sie auch warum die Fortleitungsgeschwindigkeit<br />

davon abhängt ob die vorderen oder hinteren Elektroden <strong>für</strong> die elektrische<br />

Reizung verwendet werden. Diskutieren Sie die Funktion der elektrischen Synapsen der<br />

MRF <strong>und</strong> der LRF.<br />

7. Messen der maximalen AP-Frequenzen <strong>und</strong> der Refraktärphasen<br />

Die einfachste Möglichkeit, die maximale Frequenz zu messen, mit der noch Aktionspotentiale<br />

ausgelöst werden können, ist es, mit zwei Pulsen zu reizen, die kurz aufeinander<br />

mit variabler Verzögerung folgen. Dazu stellen Sie den linken Schiebeschalter des Reizgenerators<br />

auf „Twin-Puls". Mit dem „Delay"-Knopf wird nun der zeitliche Abstand zwischen<br />

zwei Reizpulsen reguliert, Stellen Sie die Reizstärke auf einen Wert ein, der gerade oberhalb<br />

der Schwellenreizstärke zur Auslösung eines Aktionspotentiales liegt (Pulsdauer 0,1 ms),<br />

<strong>und</strong> applizieren Sie „Twin“ Pulse <strong>und</strong> nehmen Sie ein elektronisches Datenfile mit Hilfe des<br />

CEDs auf. Beginnen Sie mit einem möglichst großen zeitlichen Abstand zwischen den<br />

beiden Reizpulsen eines „Twin“ Pulses.<br />

Im Folgenden verringern Sie den zeitlichen Abstand zwischen den Reizpulsen, bis der zweite<br />

Puls gerade kein Aktionspotential mehr auslöst. Protokollieren Sie die Aktionspotentialamplituden<br />

zu den verschiedenen zeitlichen Abständen. Erhöhen Sie dann die Reizamplitude<br />

soweit, bis gerade wieder ein Aktionspotential sichtbar wird. Fahren Sie auf diese<br />

Weise fort, bis eine Reizamplitude von maximal 10 V erreicht wird. Protokollieren Sie die<br />

Reizstärken <strong>und</strong> den zeitlichen Abstand zwischen den Pulsen. Bei diesem Experiment ist es<br />

natürlich günstig, wenn nur noch eines der Riesenfasersysteme funktioniert. Ist das nicht der<br />

Fall müssen Sie die einzelnen Aktionspotentialtypen anhand ihrer Form identifizieren.<br />

51


Tragen Sie zum einen die Amplitude des zweiten Aktionspotentials bei der zuerst gewählten<br />

Schwellenreizstärke gegen den zeitlichen Abstand zwischen den Reizpulsen graphisch auf.<br />

Zum andern stellen Sie die Schwellenreizstärken als Funktion der Verzögerung zwischen<br />

den Reizpulsen dar. Diskutieren Sie anhand Ihrer Daten die Begriffe „absolute" <strong>und</strong> „relative<br />

Refraktärphase". Mit welcher Maximalfrequenz können die Riesenfasern feuern?<br />

Fragen <strong>und</strong> Probleme, die Sie im Rahmen Ihres Protokolls behandeln sollten:<br />

- Wie werden Aktionspotentiale weitergeleitet? Welche Eigenschaften von Nervenzellen<br />

bestimmen die Fortleitungsgeschwindigkeit von Aktionspotentialen? Nach<br />

welchen Prinzipien lässt sich die Fortleitungsgeschwindigkeit erhöhen? Warum?<br />

- Aus welchem Gr<strong>und</strong> ist die Erregungsübertragung an elektrischen Synapsen<br />

schneller als an chemischen Synapsen?<br />

- Bringen Sie das beobachtete Verhalten des Regenwurms mit Ihren Kenntnissen über<br />

die Riesenfasersysteme in Zusammenhang. Worin unterscheidet sich die Kriechbewegung<br />

des Regenwurms von den schnellen Meidereaktionen?<br />

- Was verstehen Sie unter Refraktärphase? Erklären Sie, wie die maximale Aktionspotentialfrequenz<br />

von Axonen mit den Leitfähigkeitsänderungen <strong>für</strong> Na + - <strong>und</strong> K + -<br />

Ionen zusammenhängt.<br />

Literatur<br />

P.J. Mill, Recent Developments in Earthworm Neurobiology. Comp. Biochem. Physiol. 73 A,<br />

641-661, 1982.<br />

52


4. Versuchstag:<br />

Funktionsweise eines Mechanorezeptors:<br />

Der Flügelstreckrezeptor der Wanderheuschrecke<br />

Sinnesorgane haben die Funktion, Ereignisse der inneren oder äußeren Umwelt eines<br />

Tieres durch geeignete Hilfsstrukturen zu registrieren <strong>und</strong> in bioelektrische Erregungen ihrer<br />

Sinneszellen umzuwandeln (Transduktion). Dabei besteht ein Zusammenhang zwischen der<br />

Stärke des Reizes <strong>und</strong> der "Stärke" der Erregung (erst als Rezeptorpotential <strong>und</strong> dann als<br />

Aktionspotentialfrequenz), der in einer Kennlinie dargestellt werden kann (Ordinate:<br />

Rezeptorpotential in mV oder Frequenz der Aktionspotentiale in Hz, Abszisse: Reizintensität,<br />

oft logarithmisch aufgetragen). Die Erregungen der Sinneszellen werden meist in Form von<br />

Aktionspotentialen in das ZNS geleitet <strong>und</strong> dort weiter verarbeitet (Integration). In diesem<br />

Versuch soll ein Mechanorezeptor, der Flügel-Streckrezeptor einer Heuschrecke, untersucht<br />

werden. Hierzu werden Aktionspotentiale extrazellulär von einem peripheren Nerv abgeleitet,<br />

in dem das Streckrezeptoraxon verläuft, <strong>und</strong> die Erregung des Streckrezeptors in Abhängigkeit<br />

von stufenförmigen Auf- <strong>und</strong> Abwärtsbewegungen eines Flügels registriert. Auf diese<br />

Weise können die Kennlinien <strong>und</strong> das Adaptationsverhalten der Rezeptoranwort untersucht<br />

werden.<br />

Theoretische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Der Flügelstreckrezeptor besteht aus einer einzigen Rezeptorzelle in enger Verbindung mit<br />

einem straffen Bindegewebsstrang, der zwischen zwei Kutikulaplatten im membranösen<br />

Gelenk jedes der vier Flügel aufgespannt ist. Durch Anheben eines Flügels oder Kippen<br />

seiner Vorderkante nach unten (Pronation) wird der Strang gestreckt. Dies führt zur Öffnung<br />

von mechanosensitiven Ionenkanälen in den Dendriten, damit zur Depolarisation der<br />

Rezeptorzellmembran <strong>und</strong> zur Auslösung von Aktionspotentialen im Axon der Zelle. Zwar<br />

enthält der Nerv, in dem das Streckrezeptoraxon verläuft (N1D 2 ), viele andere Axone, diese<br />

haben aber einen wesentlich geringeren Durchmesser, sodaß Aktionspotentiale des Streckrezeptors<br />

in extrazellullären Summenableitungen deutlich hervortreten. Somit kann ohne<br />

Schwierigkeiten die Aktivität einer einzelnen sensorischen Rezeptorzelle mit einfachen<br />

Mitteln (extrazelluläre, bipolare differentielle Ableitung) studiert werden!<br />

53


A: Halbschematische Zeichnung der Lage der Ganglien <strong>und</strong> des Verlaufs des Vorderflügelnervs<br />

(N1) einer längseröffneten Wanderheuschrecke.<br />

B: Schema der Sinnesorgane des Heuschreckenvorderflügels <strong>und</strong> ihre Innervierung<br />

durch den Flügelnerv (N1)<br />

54


Der Streckrezeptor gehört zu dem weit verbreiteten Typ der phasisch-tonischen Sinneszellen.<br />

Bei geschlossenem Flügel kann eine relativ gleichmässige (tonische) Entladung des<br />

Streckrezeptors von ca. 5-20 Impulsen/sec (Hz) abgeleitet werden. Anheben des Flügels<br />

führt zu einer raschen Erhöhung der Entladungsrate (phasischer Anteil der Antwort). Danach<br />

sinkt durch Adaptation allmählich die Entladungsfrequenz auf einen <strong>für</strong> diese Stellung neuen<br />

Ruhewert ab (tonischer Anteil der Antwort).<br />

Mittels der intrazellulären Ableittechnik wurde gezeigt, daß zwischen Steckrezeptor (SR) <strong>und</strong><br />

Motoneuronen (MN), die die Flügelsenkermuskeln innervieren, eine monosynaptische<br />

Verbindung besteht: Auf jedes Streckrezeptoraktionspotential folgt nach einer konstanten<br />

Latenz von ca. 1 ms (gemessen nach Abzug der Leitungszeit der Streckrezeptoraktionspotentiale<br />

vom Ableitort bis zum ZNS) ein exzitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP)<br />

im Motoneuron.<br />

Dem gegenüber rufen Streckrezeptoraktionspotentiale in Motoneuronen, die Flügelhebermuskeln<br />

versorgen, inhibitorische post-synaptische Potentiale (IPSP's) hervor. Allerdings ist<br />

diese Verschaltung höchstwahrscheinlich polysynaptisch (d.h. es ist mindestens ein<br />

hemmend wirkendes Interneuron (IN) zwischen Streckrezeptor <strong>und</strong> Motoneuron geschaltet).<br />

55


Die Funktion der Streckrezeptoren beim Flug der Heuschrecke ist vermutlich die Festlegung<br />

des oberen Wendepunkts (Umschlagpunkt) eines Flügels. Zuerst glaubte man, sie seien Teil<br />

eines Reflexkreises, der <strong>für</strong> die Erhaltung der rhythmischen Flugbewegungen verantwortlich<br />

ist. Durchtrennungen der 4 Streckrezeptoraxone zeigten jedoch, daß Flügelschläge weiterhin<br />

durchgeführt werden können, allerdings mit verminderter Frequenz. Heute herrscht die<br />

Meinung vor, daß das ZNS sogar im isoliertem Zustand durch die Aktivität eines neuronalen<br />

Netzwerks (zentraler Muster-Generator) ein flugähnliches motorisches Muster erzeugen<br />

kann. Im intakten Tier werden die endgültigen präzisen Flügelbewegungen durch<br />

sensorische Eingänge (z.B. vom Streckrezeptor, sensorische Rückkopplung), die auf das<br />

zentral erzeugte Muster einwirken, angepasst <strong>und</strong> verändert (moduliert). Der Streckrezeptor<br />

könnte als Regler <strong>für</strong> die Schlagfrequenz, die Schlagamplitude <strong>und</strong> den Anstellwinkel des<br />

Flügels dienen <strong>und</strong> ist nur während eines bestimmten Zeitfensters eines Flügelschlags aktiviert<br />

<strong>und</strong> damit wirksam (phasenabhängiger Reflex, bedeutet, daß die sensorische Rückkopplung<br />

nur innerhalb einer bestimmten Bewegungsperiode wirksam ist).<br />

Extrazelluläre Ableitungen vom Streckrezeptornerv während des (fixierten) Fluges einer<br />

Wanderheuschrecke zeigen, daß der Sterckrezeptor bei jedem Flügelschlag jeweils am<br />

oberen Wendepunkt des Flügels 1 bis 2 Aktionspotentiale erzeugt.<br />

Ausführung<br />

Aktionspotentiale des Streckrezeptoraxons des Vorderflügels werden vom Nerv (N1D)<br />

mittels bipolarer Hakenelektroden <strong>und</strong> einem differentiellen AC-Verstärker extrazellulär<br />

abgeleitet. Bevor Sie anfangen, sollten Sie dieses Skript genau durchlesen!<br />

Präparation<br />

- Heuschrecke durch Kühlung betäuben (15 min in Kühlschrank oder auf Eiswasser).<br />

- Kopf <strong>und</strong> Pronotum mit einer Schere abtrennen.<br />

- Die Beine an der Coxa, <strong>und</strong> das Abdomen zwischen dem 2. <strong>und</strong> 3. Abdominalsegment<br />

abschneiden.<br />

- Darm aus dem Thorax mit einer Pinzette herausziehen.<br />

- Nach Aufklappen der Flügel wird der dorsale Deckel des Thoraxes mit einem<br />

medialen Längsschnitt durchtrennt.<br />

- Nach leichtem Öffnen des Thorax wird das Präparat auf einer mit Wachs gefüllten<br />

Wanne mit Nadeln befestigt. Die Nadeln dürfen nicht durch das Flügelgelenk<br />

gesteckt werden oder die Bewegungen des Flügels beeinträchtigen! Auslenkungen<br />

des Flügels sollten nicht allzu große Bewegungen des restlichen Präparates<br />

bewirken.<br />

56


- Vorderflügel im Halter der Reizapparatur mit Klebeband befestigen. Der Flügeldrehpunkt<br />

muss mit dem Drehpunkt des Reizapparates übereinstimmen.<br />

- Hakenelektroden leicht auf den Luftsack auflegen, an der Stelle, an der unterhalb<br />

des Luftsacks der Nerv verläuft, oder den Streckrezeptornerv direkt auf die Hakenelektrode<br />

legen. Dieser Nerv kann dadurch leicht erkannt werden, daß er unter einem<br />

Luftsack verläuft, der über den Thorakalmuskeln liegt.<br />

- Ableitung kontrollieren, die Amplitude der Aktionspotentiale sollte ca. 1 mV betragen,<br />

bzw. das Signal-Rausch-Verhältnis sollte mindestens 10 : 1 betragen.<br />

Versuchsdurchführung<br />

In diesem Versuch wird ein waagerecht ausgeklappter Flügel als eine 90 o Auslenkung<br />

definiert. Bei 60 o (d.h. 30 o weiter nach unten) hat der Flügel eine stabile Lage (Ruhelage).<br />

1. Flügel in Ruhelage (60 o ) bringen. Antwort des Steckrezeptors 2 min. lang mit<br />

Spike2 aufnehmen <strong>und</strong> Entladungsfrequenz ermitteln.<br />

Von dieser "Ruhelage" ausgehend wird die Entladungsfrequenz des Streckrezeptors nach<br />

Anheben des Flügels gemessen. Zuerst aber sollten Sie eine Tabelle, in der die gemessenen<br />

Werte eingetragen werden können, nach folgendem Muster anfertigen:<br />

57


Auslenk-winkel<br />

5 s 10 s 30 s 60 s<br />

F F F F<br />

F: Entladungsfrequenz (Hz) des Streckrezeptors<br />

2. Versuchen Sie ca. 3 Sätze von Daten <strong>für</strong> mindestens 4 verschiedene Auslenkwinkel<br />

zu gewinnen. (Ideal wäre: 60° - 76° <strong>und</strong> zurück, 60° - 92° <strong>und</strong> zurück, 60° - 108° <strong>und</strong><br />

zurück, 60° - 124° <strong>und</strong> zurück.) Flügel möglichst nicht über 140° heben (Gefahr der<br />

Überdehnung des Streckrezeptors!). Nach der erfolgten Auslenkung Ermittlung der<br />

Entladungsfrequenz zu den Zeiten etwa 5s, 10s, 30s <strong>und</strong> 60s. Nach diesen<br />

Messungen dann den Flügel wieder in die Ausgangslage von 60 Grad zurückführen<br />

<strong>und</strong> warten, bis sich die Frequenz <strong>für</strong> die Ruhelage bei 60 Grad wieder in etwa eingestellt<br />

hat. Werte in eine Tabelle eintragen. Auslenkwinkel messen (ein Rasterpunkt<br />

an der Reizapparatur entspricht einer Auslenkung von 8 0 ). Entladungsfrequenz des<br />

Streckrezeptors in Hz gegenüber der Zeit auftragen.<br />

3. Sie machen einen gleichartigen Versuch, gehen aber zwischen den Auslenkungen<br />

nicht auf die Ruhelage zurück, sondern drehen nach der Messzeit von mind. 60 s bis<br />

zum nächsten Versuchswinkel weiter. Auf diese Weise ergibt sich eine stufenförmige<br />

Reizung des Streckrezeptors. Wie vorher messen Sie die Entladungsfrequenzen der<br />

Streckrezeptoren nach 5, 10, 30 <strong>und</strong> 60 Sek<strong>und</strong>en <strong>und</strong> tragen die Werte wieder in<br />

eine Tabelle ein.<br />

4. Flügel auf die Stellung 124° bringen. Durch einmaliges Drehen der Reizapparatur in<br />

die Ruhelage (60°) zurückklappen. Die Entladungsfrequenz alle 5s bis zur Erreichung<br />

der Ruhefrequenz messen.<br />

5. Flügel aus der Reizapparatur heraus nehmen. Durch vorsichtiges Drehen der Flügel<br />

um ihre Längsachse (Vorderkante nach unten: "Pronation", nach oben: "Supination")<br />

eventuelle Veränderungen der Entladungsfrequenz des Streckrezeptors notieren.<br />

58


Bestimmung der Kennlinien<br />

Mittelwert <strong>und</strong> Standardabweichung der Aktionspotentialfrequenz (Ordinate) gegenüber Zeit<br />

(Abszisse) <strong>für</strong> die verschiedenen Auslenkwinkel auftragen. Kurven einzeichnen, die den<br />

gemessenen Werten <strong>für</strong> jeden Auslenkwinkel am besten beschreiben. Aus dieser Zeichnung<br />

mittlere Frequenz der phasischen (bei ca. 1s) <strong>und</strong> tonischen (bei 60s) Antwort <strong>für</strong> jeden<br />

Auslenkwinkel entnehmen. Tragen Sie diese Werte (Ordinate) gegen den Auslenkwinkel<br />

(Abszisse) auf <strong>und</strong> zeichnen Sie dann die Kennlinie <strong>für</strong> die phasische <strong>und</strong> tonische<br />

Rezeptorerregung getrennt ein.<br />

Die folgenden Fragen dienen zur Überprüfung Ihres Wissens. Sie könnten diese Fragen in<br />

einem Anhang zu Ihrem Protokoll beantworten, sollten Sie Wert darauf legen, Ihre<br />

Antworten von einem/r der Lehrveranstalter/innen korrigiert zu bekommen. Bitte halten Sie<br />

Ihre Antworten kurz <strong>und</strong> prägnant.<br />

Fragen<br />

- Welche Vorgänge laufen zwischen dem Anheben eines Flügels <strong>und</strong> der Auslösung<br />

von Aktionspotentialen im Streckrezeptorneuron ab?<br />

- Wodurch ist die maximale Entladungsrate des Streckrezeptors begrenzt?<br />

- Was verstehen Sie unter phasischen <strong>und</strong> tonischen Rezeptoren? Welche Information<br />

übertragen sie?<br />

- Welche physikalischen Parameter kann der Streckrezeptor messen? In welcher<br />

Form werden diese kodiert?<br />

- Bei einer typischen Flügelschlagfrequenz von 25 Hz entlädt der Streckrezeptor einer<br />

Wanderheuschrecke 1 bis 2 mal pro Aufschlag. Welche Funktionen erfüllt der<br />

Streckrezeptor Ihrer Meinung nach während des aktiven Flugs <strong>und</strong> des Segelflugs, in<br />

turbulenter Luft?<br />

- Worin könnte der Vorteil bestehen, daß die meisten Rezeptoren eine Kennlinie<br />

besitzen, die mit dem Logarithmus der Reizintensität ansteigt?<br />

- Was ist Adaptation? Wie geschieht dies? Welche funktionelle Bedeutung hat sie?<br />

- Was ist der Unterschied zu Habituation?<br />

- Erklären Sie die Veränderung der Entladungsfrequenz des Streckrezeptors beim<br />

Zurückklappen des Flügels.<br />

- Welche Versuche könnte man durchführen, um mehr über die Funktion von Sinneszellen<br />

wie dem Flügelstreckrezeptor zu erfahren?<br />

- Kennen Sie Streckrezeptoren, die bei Wirbeltieren vorkommen?<br />

59


Literatur<br />

Burrows, M. (1975) Monosynaptic connexions between wing stretch receptors and flight<br />

Motoneurons of the locust. J.exp.Biol. 62:189-219.<br />

Nachtigall, W. (1983) Biona Report 2, Insect Flight II, Akad. Wiss. Mainz: G. Fischer Verlag,<br />

Stuttgart, New York.<br />

Pabst, H. & Schwarzkopff, J. (1962) Zur Leistung der Flügelgelenk-Rezeptoren von Locusta<br />

migratoria. Z.verg.Physiol. 45:396-404.<br />

Robertson, R.M. (1992) Sensory adaptation: extracellular recording from locust wing hinge<br />

stretch receptor. Am.J.Physiol. 263:7-11.<br />

60


5. Versuchstag:<br />

Farbensehen (Psychophysische Experimente zum Farbensehen)<br />

Farbempfindungen gehören zu den besonders wichtigen Sinneseindrücken, die wir beim<br />

Betrachten unserer Umwelt haben. Daher begründet sich vielleicht auch das schon sehr alte<br />

Interesse, die Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Gesetzmäßigkeiten dieser Wahrnehmungen zu erforschen<br />

<strong>und</strong> zu beschreiben. Dieser Praktikumstag soll Ihnen eine Einführung in die dazu benutzten<br />

Methoden, die gr<strong>und</strong>legenden Ergebnisse <strong>und</strong> ihre moderne, physiologische Deutung geben.<br />

Achten Sie darauf, daß die im Skript formulierten Fragen in Ihrem Protokoll beantwortet<br />

werden.<br />

Physiologie des Farbensehens<br />

Farbempfindungen entstehen im Gehirn dadurch, dass emittiertes oder reflektiertes Licht auf<br />

die Retina im Auge fällt <strong>und</strong> von Photorezeptoren absorbiert wird. Über eine Signalkaskade<br />

wird die Information über den Lichtreiz an die nachgeschalteten neuronalen Netzwerke<br />

weitergeleitet. Physikalisch existieren Farben nicht, sondern nur Lichtreize. Farben sind<br />

Wahrnehmungsphänomene, die aus der neuronalen Verschaltung verschiedenartiger Photorezeptoren<br />

entstehen.<br />

1.0<br />

0.8<br />

Spektrale Sensitivität<br />

0.6<br />

0.4<br />

0.2<br />

S<br />

M<br />

L<br />

0.0<br />

400 500 600 700<br />

Wellenlänge (nm)<br />

Abb.1: Die spektralen Empfindlichkeitskurven der menschlichen, am Farbensehen beteiligten Photorezeptoren<br />

(Zapfen): S-, M- <strong>und</strong> L-Rezeptor. Die Bezeichnung leitet sich aus der Lage der Empfindlichkeitsmaxima ab (short<br />

(S), middle (M) <strong>und</strong> long (L) wavelength receptor). Oft werden sie auch nach der menschlichen Farbe des<br />

Spektrallichtes aus dem Wellenlängenbereich, in den die Maxima fallen, benannt: Blau-, Grün- <strong>und</strong> Rotrezeptor.<br />

61


Die menschliche Farbwahrnehmung ist trichromatisch, da drei spektrale Rezeptortypen<br />

beteiligt sind. Im Vergleich zu den meisten Säugern mit einer dichromatischen Farbwahrnehmung,<br />

sind wir fähig, sehr viel mehr Farben zu unterscheiden. Die unterschiedlichen<br />

spektralen Empfindlichkeitsbereiche der Rezeptoren (Abb. 1) sind Voraussetzung <strong>für</strong> ein<br />

Farbsehsystem, jedoch nicht allein ausreichend. Erst die entsprechende neuronale<br />

Verschaltung, ermöglicht die Farbwahrnehmung. Der einzelne Photorezeptor stellt nur einen<br />

farbenblinden Lichtquantenzähler dar. So kann der S-Rezeptor – der also überwiegend im<br />

kurzwelligen Teil des Spektrums empfindlich ist – nicht unterscheiden, ob <strong>und</strong> wieviel der<br />

absorbierten Energie von Lichtquanten mit 420 nm oder 480 nm Wellenlänge stammen. Die<br />

Signale der Photorezeptoren werden in den nachgeschalteten Gegenfarbneuronen dann so<br />

ausgewertet, daß diese Zweideutigkeit verschwindet <strong>und</strong> die spektralen (also Wellenlängenabhängigen)<br />

Eigenschaften des Lichts unabhängig von der Intensität des Lichtreizes<br />

analysiert werden. Gr<strong>und</strong>legendes Merkmal der auswertenden visuellen Neurone ist die<br />

Subtraktion von Rezeptorsignalen, z.B. das M- <strong>und</strong> L-Rezeptorsignal wird positiv verschaltet<br />

<strong>und</strong> das S-Rezeptorsignal negativ (Abb.2). Bei unbunten (achromatischen) Farben, wie<br />

Schwarz, Weiß, Grau, erfolgt die Verarbeitung über Neurone, die die Rezeptorsignale<br />

einfach summieren, <strong>und</strong> daher nicht unterscheiden können, wieviel Erregung von welchem<br />

Rezeptor stammt. Sie sollen informieren, wie intensiv ein Lichtstimulus ist. Die neuronale<br />

Verschaltung der Photorezeptoren führt also dazu, daß es chromatische Neurone (spektral<br />

antagonistisch verschaltete) <strong>und</strong> achromatische Neurone gibt. Letztere erhalten in der Fovea<br />

von allen 3 spektralen Rezeptortypen (S, M, L, siehe Abb. 1) gleichartigen Eingang, außerhalb<br />

der Forea erhalten diese Neurone Eingang von den Stäbchen.<br />

62


+<br />

Abb. 2: Schema der neuronalen Verschaltung im menschlichen Farbsehsystem.<br />

Psychophysik des Farbensehens<br />

In den bisherigen Kurstagen haben Sie sich überwiegend mit der Bildung <strong>und</strong> Weiterleitung<br />

neuronaler Signale beschäftigt sowie Methoden kennengelernt, wie man solche Vorgänge<br />

direkt messen kann. Für viele Fragestellungen war oder ist es jedoch nicht möglich direkte<br />

Messungen an Neuronen oder Gehirn vorzunehmen oder die untersuchten Prozesse sind so<br />

komplex, dass man zunächst nur über Verhaltensexperimente einen Zugang schaffen kann.<br />

In psychophysischen Experimenten kann man untersuchen, wie die Farbwahrnehmung<br />

von den physikalisch beschreibbaren Reizen abhängt. Beim Studium der Sehwahrnehmung<br />

werden die Lichtreize dabei von den Versuchspersonen bezüglich ihrer Gleichheit (Identitätsurteil),<br />

bezüglich des Grades ihrer Verschiedenheit (Ähnlichkeitsurteil) oder bezüglich<br />

63


Qualität beurteilt. Untersucht man das Farbensehen, dann besteht die Beurteilung der<br />

Qualität des Lichtreizes darin festzustellen (in Worten zu beschreiben), um welche Art von<br />

Farben es sich handelt, also ob sie als reine Farben (Urfarben) oder als gemischte Farben<br />

wahrgenommen werden.<br />

Als Urfarben gelten beim Menschen nach Ewald Hering Blau, Gelb, Grün, Rot, Schwarz <strong>und</strong><br />

Weiß. Alle anderen Farbempfindungen enstehen aus der Mischung von Urfarben. Dabei<br />

können Rot <strong>und</strong> Grün bzw. Blau <strong>und</strong> Gelb nie gleichzeitig auftreten, sie scheinen sich<br />

gegenseitig auszuschließen. Deshalb bezeichnet man diese Paare als Gegenfarbenpaare.<br />

Dies gilt nicht <strong>für</strong> das verbleibende Paar der (achromatischen) Urfarben schwarz <strong>und</strong> weiß:<br />

Im Grau können sie gemeinsam auftreten. Gemischte Farben entstehen z.B. aus Gelb <strong>und</strong><br />

Rot (Orange) oder aus Rot <strong>und</strong> Blau (Purpur).<br />

Dieser Vorstellung stand im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert die von Thomas Young begründete trichromatische<br />

Theorie des Farbensehens gegenüber, die auf den Erkenntnissen von I. Newton’s<br />

Farbmischexperimenten mit monochromatischen Lichtern basierte <strong>und</strong> von James Maxwell<br />

<strong>und</strong> Hermann von Helmholtz weiter vertieft wurde. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht die<br />

Beobachtung, daß sich jede Farbe aus drei in einem spezifischen Intensitätsverhältnis<br />

gemischten sogenannten Primärlichtern (Rot, Grün, Blau) herstellen lässt. Eine weitere<br />

Beobachtung war, daß sich die gleiche Farbe durch verschiedene Lichtmischungen<br />

erzeugen lässt (metamere Farben) <strong>und</strong> daß sich eine geroße Zahl von Farbpaaren zu<br />

Unbunt mischen lassen (Komplementärfarbenpaare). Diese Farbmischungsregeln wurden<br />

mathematisch beschrieben <strong>und</strong> bildeten die Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Entwicklung von Farbräumen<br />

<strong>und</strong> Farbsehmodellen. Aufgr<strong>und</strong> dieser Betrachtungsweise gelangt man zu 8 Gr<strong>und</strong>farben:<br />

Rot, Grün, Blau, Gelb (Mischung aus Rot <strong>und</strong> Grün), Magenta (Blau <strong>und</strong> Rot), Cyan (Grün<br />

<strong>und</strong> Blau) sowie Schwarz <strong>und</strong> Weiß. Das klingt alles ganz schön verwirrend <strong>und</strong> ist es auch,<br />

denn tatsächlich sind die 4 Urfarben (Blau, Gelb, Rot, Grün, nach der Gegenfarbentheorie<br />

von Hering) <strong>und</strong> die 6 Gr<strong>und</strong>farben (Blau, Gelb, Rot, Grün, Magenta, Cyan, nach der<br />

Young-Helmholtz'schen trichromatischen Theorie) nicht dasselbe, da sich die Bezeichnungen<br />

<strong>für</strong> qualitative Wahrnehmungspähomene (Farben) auf zwei verschiedene Theorien des<br />

Farbensehens beziehen. Tatsächlich stellt sich heraus, daß beide Theorien zutreffend sind,<br />

die trichromatische Theorie auf der Ebene der Rezeptoren <strong>und</strong> die Gegenfarbentheorie auf<br />

der Ebene der neuronalen Verschaltung.<br />

64


Farbräume <strong>und</strong> -diagramme<br />

Man möchte nun Farben nicht nur mit Worten beschreiben können, sondern objektiv mit<br />

numerischen Werten. Wie kann man Farbunterscheidung quantitativ erfassen <strong>und</strong><br />

auswerten? Wie sehen die neuronalen Interaktionen aus, die die Farbwahrnehmung<br />

bewirken? Zunächst einmal versuchen wir die Farbwahrnehmung schematisch zu untergliedern<br />

(Abb.3).<br />

Stufe 1 beschreibt die Absorption der Lichtquanten durch die Photorezeptoren, die entweder<br />

auf den Teststimulus oder einen Referenzstimulus schauen. Die Signale der Photorezeptoren<br />

werden kodiert mit Hilfe von Gegenfarbneuronen <strong>und</strong> intensitätsmessenden<br />

Neuronen (Stufe 2). Als nächster Prozessierungsschritt erfolgt im Gehirn der Vergleich<br />

zwischen zwei kodierten Farben (Stufe 3). Können diese unterschieden werden, kann als<br />

Stufe 4 ein verbales Ähnlichkeitsurteil erfolgen (Mensch) oder eine an die Testfarbe<br />

gekoppelte Verhaltensweise ausgeführt werden (Tier).<br />

Abb.3: Vierstufiges Schema der Farbunterscheidung.<br />

Der von einem Photorezeptor absorbierte Lichtstrom kann wie folgt bestimmt werden: Der<br />

wirksame (absorbierte) Photonenstrom P i (i= einer der drei Zapfentypen, siehe Abb. 1)<br />

berechnet sich aus der spektralen Intensitätsverteilung des beleuchtenden Lichtes I(λ) <strong>und</strong><br />

des von einer Oberfläche reflektierten Lichtes R(λ) sowie den drei spektralen Sensitivitätsfunktionen<br />

S i (λ)<strong>und</strong> einem Adaptationsparameter C:<br />

720<br />

<br />

( λ) R( λ) S ( λ)<br />

Pi = C I<br />

i<br />

dλ<br />

, (1)<br />

380<br />

65


Also gilt <strong>für</strong> jeden der drei spektralen Photorezeptortypen S, M, L:<br />

P<br />

S<br />

=<br />

720<br />

<br />

380<br />

I<br />

( λ) R( λ) S ( λ)<br />

S<br />

dλ<br />

P<br />

P<br />

M<br />

L<br />

<br />

( λ) R( λ) S ( λ)<br />

= I<br />

dλ<br />

<br />

M<br />

( λ) R( λ) S ( λ)<br />

= I<br />

dλ<br />

L<br />

Da die drei spektralen Photorezeptortypen unabhängig von einander arbeiten, hat man drei<br />

Eingangsparameter <strong>für</strong> das Farbsehsystem (Abb. 3, Stufe 1). Daraus kann ein dreidimensionales<br />

Koordinatensystem, ein Farbraum, konstruiert werden (Abb.4), in dem<br />

P M<br />

P L<br />

P S<br />

P M<br />

P S<br />

P L<br />

Abb.4: Der Rezeptorfarbraum.<br />

jeder Farbe ein Farbort mit drei Koordinaten (P S , P M , P L ) zugewiesen werden kann. Dieser<br />

Farbraum ist zugleich der Rezeptorraum, da in unserem Beispiel die Eingangsparameter<br />

über die Rezeptoreigenschaften definiert sind. Der Farbort befindet sich am Ende des Farbvektors<br />

(F), der aus der Nullkoordinate des Koordinatensystems hervorgeht. Die Länge des<br />

Vektors entspricht der Intensität des Lichtstimulus. Dieser dreidimensionale Raum ist überbestimmt,<br />

wenn man an der Intensität des Lichtes (in der Wahrnehmung: der Helligkeit des<br />

Stimulus) nicht interssiert ist, denn diese drückt sich in der Länge des Vektors F aus. Die<br />

66


Farbe aber wird durch den Raumwinkel des Vektors F beschrieben. Man kann also den dreidimensionalen<br />

Raum auf einen zweidimensionalen reduzieren. Dazu muß man die drei<br />

Achsen normieren (z.B. <strong>für</strong> weißes Licht: P S = P M = P L = 1) <strong>und</strong> festlegen, daß man als<br />

"Farbort" f einer Farbe den Durchstoßpunkt des Vektors in der Farbebenebezeichnet. Diese<br />

Farbebene, die zwischen den Normierungspunkten aufgespannt wird, ist ein Dreieck (daher<br />

häufig auch als Farbdreieck bezeichnet). In der Geschichte der Farbsehforschung (die wir<br />

hier nicht nachvollziehen wollen) gab es viele verschiedene "Farbdreiecke", da man die<br />

spektralen Eigenschaften der menschlichen Photorezeptoren nicht kannte. Da diese heute<br />

bekannt sind, kann man sich auf die Farbebene im "RGB-Raum" beziehen, in dem <strong>für</strong> die<br />

Achsen P L , P M <strong>und</strong> P S jeweils die nicht-linearen Transduktionseigenschaften der langwelligen<br />

Rezeptoren (P L ; R), der mittelwelligen (P M ; G) bzw. der kurzwelligen Rezeptoren (P S ; B)<br />

angenommen werden.<br />

In einem solchen Farbdreieck gelten nun einige einfache Regeln:<br />

"G"<br />

P M<br />

500<br />

525<br />

550<br />

575<br />

600<br />

450<br />

400<br />

475<br />

W<br />

625<br />

650<br />

700<br />

"B"<br />

P S<br />

P L<br />

"R"<br />

Abb. 5: Farbdreieck mit Spektralfarbenzug. W – Weißpunkt.<br />

67


Monochromatische Lichter haben ihre Farborte auf dem Spektralfarbenzug (Abb.5). Der<br />

Spektralfarbenzug ist durch eine Mischungsgerade, die Purpurgerade geschlossen<br />

(gestrichelte Linie in Abb. 5). Auf dieser Geraden liegen alle Mischungen der beiden monochromatischen<br />

Lichter an den Enden (blau <strong>und</strong> rot) des <strong>für</strong> den Menschen sichtbaren<br />

Wellenlängenbereichs. Der Spektralfarbenzug ist konvex gekrümmt. (Überlegen Sie warum<br />

dies so ist). Legt man durch den Weißpunkt Geraden, so schneiden diese den Spektralfarbenzug<br />

an jeweils zwei Punkten. Die Schnittpunkte sind die Farborte der monochromatischen<br />

Komplementärlichter, also der Lichter, die im richtigen Verhältnis gemischt<br />

Weißlicht ergeben (additive Farbmischung).<br />

Überlegen Sie: Warum liegen die Farborte von spektral breitbandigen Lichtern (z.B. denen<br />

der Leuchtstoffe einer Farbfernsehröhre) stets innerhalb des Spektralfarbenzuges; warum<br />

sich aus solchen breitbandigen Lichtern nicht jede Farbe mischen läßt (welche nicht?);<br />

warum wir Farben sehen, die keine physikalische Entsprechung in monochromatischen<br />

Lichtern haben (welche sind das?). (Beantworten Sie diese Fragen in Ihrem Protokoll.)<br />

Eine weitere Eigenschaft unserer Farbwahrnehmung läßt sich mit dem Farbendreieck qualitativ<br />

gut beschreiben: betrachtet man Farbstimuli, deren Farborte auf einer Mischungsgeraden<br />

liegen <strong>und</strong> sich vom Weißpunkt immer mehr dem Spektralfarbenzug nähern, dann<br />

erscheinen uns diese zunehmend gesättigt (reiner in der Farbe bei gleichartiger Farbe).<br />

Nimmt man diese Eigenschaft unserer Farbwahrnehmung zu den anderen beiden bereits<br />

dargestellten hinzu, so lassen sich <strong>für</strong> jede Farbe drei qualitative Urteile abgeben: ihre Farbart<br />

(= Ort im Farbendreieck), ihre Helligkeit (= Länge des Vektor sim RGB-Raum), ihre<br />

Sättigung (= Entfernung vom Weißpunkt).<br />

Der RGB-Farbraum <strong>und</strong> das Farbendreieck eignen sicht gut, um die Gleichheit von zwei<br />

Farbstimuli zu bestimmen: ihre Farborte müssen dann genau übereinander liegen. Weniger<br />

gut geeignet sind diese Darstellungsweisen, um Farbunterschiede zu quantifizieren. Das<br />

liegt daran, daß an der Farbwahrnehmung eine Reihe nicht-linearer Prozesse beteiligt sind,<br />

die deswegen nur annäherungsweise mit der linearen Geometrie des RGB-Farbraums<br />

beschreibbar sind. Außerdem beschreiben der RGB-Farbraum <strong>und</strong> das Farbendreieck nicht<br />

die von Hering gef<strong>und</strong>enen Phänomene der Gegenfarben. Das ist auch nicht verw<strong>und</strong>erlich,<br />

weil diese Wahrnehmungsphänomene auf die neuronale Verschaltung der Rezeptoreingänge<br />

zurückgehen. Es liegt daher nahe, ein Farbsehmodell auf Annahmen solcher<br />

neurnalen Verschaltungen aufzubauen. Damit sollten sich auch Farbunterschiede besser<br />

quantifizieren lassen.<br />

68


Ein Beispiel da<strong>für</strong> ist der L*a*b*-Farbraum (Abb. 6), der 1976 von der CIE (Commission<br />

Internationale d'Eclairage) eingeführt wurde. a* <strong>und</strong> b* versteht man als Äquivalent <strong>für</strong> die<br />

zwei Gegenfarbmechanismen, die beim Menschen bekannt sind (Rot-Grün <strong>und</strong> Blau-Gelb).<br />

L* steht <strong>für</strong> die Helligkeit einer Farbe. Durch diese Weiterentwicklung wurde die mathe-<br />

Abb. 6: Der CIE L*a*b*-Farbkörper.<br />

matische Beschreibung der Farbwahrnehmung besser an die Funktionsweise des menschlichen<br />

Sehsystems angepasst. Jede Farbe hat auch hier drei Koordinaten (L*,a*,b*).<br />

Berechnet man die Koordinaten der Farborte von zwei verschiedenen Lichtstimuli, läßt sich<br />

der Abstand zwischen den beiden Punkten berechnen, der jetzt dem beim Betrachten der<br />

zwei Lichtstimuli subjektiv wahrgenommenen Unterschied (∆E* ab ) sehr viel besser entspricht:<br />

∆<br />

*<br />

E ab<br />

=<br />

* 2 * 2 *<br />

( ∆L<br />

) + ( ∆a<br />

) + ( ∆b<br />

) 2<br />

Additive <strong>und</strong> subtraktive Farbmischung<br />

Die Überlagerung von Lichtstimuli bezeichnet man als additive Farbmischung, d.h. ein<br />

gleichzeitiges Zusammenwirken von Farbreizen auf der Retina (Abb. 7a). Die additiven<br />

Gr<strong>und</strong>farben sind Rot, Grün, Blau. Unser Auge löst die Leuchtpunkte eines Farbmonitors bei<br />

normalem Betrachtungsabstand (ca. 30cm) nicht räumlich auf. Das Licht, das die drei<br />

Leuchtpunkte eines Bildpunktes beim Auftreffen des Elektronenstrahls auf dem Bildschirm<br />

aussenden, stellt <strong>für</strong> die Photorezeptoren der Retina also eine additive Lichtmischung dar.<br />

Die Gesetze der additiven Lichtmischung können deshalb auch auf einem Computer mit<br />

Farbmonitor gezeigt werden. Verändert man die drei Elektronenströme des Farbmonitors<br />

(relative R,G,B-Werte), so verändern sich die Lichtintensitäten I des von den Leuchtstoffen<br />

ausgesandten Lichts <strong>und</strong> damit der wirksame Photonenstrom in den drei Photorezeptoren.<br />

Da der ausgesandte Lichtstrom exponentiell mit den R,G,B-Werten zunimmt (Bildröhren-<br />

69


Gamma-Funktion: I ~ 10 R,G,B ), steigt die Erregung in den Photorezeptoren <strong>und</strong> damit der<br />

subjektive Helligkeitseindruck etwa linear mit den R,G,B-Werten an. Warum ist das so? Die<br />

R,G,B-Werte sind so normiert, daß die Gesamtleuchtdichte <strong>für</strong> Weiß Y max = R max + G max<br />

+ B max ist <strong>und</strong> dabei R max = G max = B max . Da der Helligkeitseindruck nach dem<br />

Fechnerschen Gesetz näherungsweise logarithmisch von der Lichtintensität abhängt, sinkt<br />

also bei Halbierung der R,G,B-Werte auch der Helligkeitseindruck der jeweiligen Farbe<br />

näherungsweise auf die Hälfte.<br />

Subtraktive Farbmischung entsteht dann, wenn von vorhandener Strahlungsenergie durch<br />

Absorption (Farbpigment) ein Teil entnommen wird (Abb. 7b). Legt man z.B. zwei Farbpigmentkörnchen<br />

beim Menschen von Pigmentfarben übereinander, dann wird nur der Teil<br />

des Lichtspektrums reflektiert, der von keinem der beiden Pigmentkörnchen absorbiert wird.<br />

Überlegen Sie auch: Warum füllt der Farbraum, der mit den Bildpunkten des Monitors<br />

erzeugt werden kann, nur so einen geringen Teil des theoretisch möglichen Farbraumes<br />

aus?<br />

70


a)<br />

1.1<br />

1.0<br />

Blau<br />

Additive Farbmischung<br />

Wahrnehmung: Weiss<br />

Gelb<br />

0.9<br />

0.8<br />

Reflektion/Emission<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

0.0<br />

400 500 600 700<br />

Wellenlänge (nm)<br />

b)<br />

1.1<br />

Subtraktive Farbmischung<br />

1.0<br />

0.9<br />

0.8<br />

Gelbpigment<br />

Blaupigment<br />

Absorption<br />

0.7<br />

0.6<br />

0.5<br />

0.4<br />

0.3<br />

0.2<br />

0.1<br />

Wahrnehmung: Grün<br />

0.0<br />

400 500 600 700<br />

Wellenlänge (nm)<br />

Abb. 7: a) Additive Farbmischung; b) Subtraktive Farbmischung.<br />

Simultaner <strong>und</strong> sukzessiver Farbkontrast<br />

Die simultane Hemmwirkung benachbarter Sehbereiche ist Ihnen <strong>für</strong> Schwarz/Weißmuster<br />

bereits bekannt (Machbänder, Herrman'sche Gittertäuschung, laterale Inhibition). Sie führt zu<br />

einer Kontrastüberhöhung. Dem simultanen Farbkontrast liegt ein vergleichbarer<br />

Mechanismus zugr<strong>und</strong>e, der die Verschaltung visueller Neurone im Sehcortex wiederspiegelt.<br />

Im Unterschied zur Schwarz/Weiß-Kontrastüberhöhung ist die Farbkontrastüber-<br />

71


höhung kein lokaler Effekt in den Randbereichen der Flächen, sondern ein großflächiger<br />

Effekt (Abb. 8a, b).<br />

Der sukzessive Farbkontrast beruht auf der selektiven spektralen Adaptation von Gegenfarbenneuronen<br />

der Retina, die durch das Fixieren von Reizlichtern entsteht. Darum kann<br />

man Nachbilder bei Augenbewegungen mitbewegen.<br />

Inhibition<br />

R+ / G-<br />

R+ / G-<br />

-<br />

Inhibition<br />

Abb. 8: a. Wechselseitige Hemmung von Gegenfarbenneuronen zur Erklärung des simultanen Farbkonstrastes<br />

(antagonistische Verschaltung). b. Der Flächenkontrast kommt dadurch zustande, daß viele Gegenfarbenneurone<br />

in vielfältiger Weise antagonistisch miteinander verschaltet sind.<br />

Experimente<br />

1) Ordnen Sie die Farbstimuli im Kreis an. Erklären Sie, nach welchem Prinzip Ihre<br />

Anordnung zustande kam. Farbenkreis<br />

Vergleichen Sie Ihren Farbkreis mit dem fertigen Beispielkreis. Fertiger Farbenkreis<br />

2) Farbmischung mit RGB-Werten (0-100%) des Farbmonitors. Versuchen Sie, die<br />

Gr<strong>und</strong>farben herzustellen sowie ein mittleres Grau. Welche Art der Farbmischung<br />

wenden Sie an? Warum erhalten Sie ein mittleres Grau mit den von Ihnen<br />

bestimmten Mischproportionen? RGB Monitor<br />

3) Wählen Sie im Programm IPXL unter „Select“-„Experiments“ „Simple colored disk“.<br />

Schalten Sie die Option „Options“-„Follow invalid colors“ aus. Lassen Sie sich die<br />

Koordinaten <strong>für</strong> yxy <strong>und</strong> Lab anzeigen („Systems“). Schauen Sie sich Yyx <strong>und</strong> Lab<br />

Farbraum an. Wo liegt der Weißpunkt im Yyx <strong>und</strong> im Lab? Stellen Sie die Intensität<br />

so ein, dass im Diagramm die graue Fläche ein Dreieck bildet. Was stellt es dar? Was<br />

ist der Unterschied zwischen Farborten innerhalb der grauen Fläche <strong>und</strong> außerhalb<br />

der grauen Fläche?<br />

72


Verändert sich der Weißpunkt bei Veränderung der Intensität? Verändern Sie Farbton,<br />

Sättigung, Helligkeit des Farbstimulus <strong>für</strong> verschiedene Gr<strong>und</strong>farben.<br />

Vermindern Sie die Sättigung des Stimulus bei konstanter Intensität. Was passiert mit<br />

der subjektiven Intensität des Stimulus?<br />

Stellen Sie verschiedene Intensitäten des Stimulus ein. Beschreiben Sie die<br />

systematische Veränderung.<br />

Verändern Sie die Intensität des Hintergr<strong>und</strong>es von dunkel zu hell. Verkleinern Sie<br />

den Farbstimulus (unter „View“-„Geometry“), <strong>und</strong> wiederholen Sie den Vorgang.<br />

Beobachten Sie einen Wechsel in der subjektiven Intensität des Stimulus?<br />

Versuchen Sie den Bezold-Brücke-Effekt (Veränderung des Farbtons bei großen<br />

Intensitätsunterschieden) zu demonstrieren.<br />

(Sie können die Werte auch direkt im Koordinatenfeld (unten) verstellen, indem Sie<br />

Zahlenwerte eingeben <strong>und</strong> die Enter-Taste betätigen).<br />

IPXL Vision Demo<br />

4) Wählen Sie im Programm CVD „Color top“. Erstellen Sie je eine Farbenreihe mit<br />

konstanter Sättigung <strong>und</strong> Helligkeit, konstanter Sättigung <strong>und</strong> Farbton, oder<br />

konstantem Farbton <strong>und</strong> Helligkeit. Wie sind Sie vorgegangen? CVD<br />

5) Wählen Sie in IPXL “Select”-„Photometry and Mixture“ „Matching and spatial mixture“<br />

oder “Spatial color mixing”. Wählen Sie <strong>für</strong> das linke Viereck eine neue Farbe aus,<br />

<strong>und</strong> versuchen Sie diese im rechten Viereck (feines Streifenmuster aus zwei Farben)<br />

nachzumischen. Kann Ihnen der Farbraum dabei behilflich sein? Wo befindet sich der<br />

Farbort der Mischfarbe relativ zu den zwei Einzelfarben? Welche Art von Mischung<br />

haben Sie angewandt?<br />

Versuchen Sie nun eine metamere Farbe aus 2 Paaren von Farben zu mischen.<br />

Sie können die Bildansicht vergrößern (unten Mitte, Button „Full“). IPXL Vision Demo<br />

6) Versuchen Sie den Farbabstand zwischen zwei Farben zu schätzen. Wählen Sie im<br />

Programm CVD „CIE Lab“. Stellen Sie die zwei Ausgangsfarben auf isoluminant ein.<br />

Verringern Sie den Farbabstand ∆E zur Testfarbe (jeweils doppelt mit verschiedenen<br />

Farborten) <strong>und</strong> schätzen Sie den Farbunterschied. CVD<br />

7) Simultaner Farbkontrast: Wählen Sie in IPXL „Select“-„Simple contrast effects”<br />

“Simultanous color contrast”. Schauen Sie sich die inneren Vierecke einzeln an,<br />

indem Sie den Button “Step” bedienen. Was beobachten Sie?<br />

73


Stellen Sie die Farbe der äußeren Felder auf solche Werte ein, die die beiden inneren<br />

Felder möglichst verschiedenen aussehen lässt. Unter welchen Umständen gelingt<br />

das besonders gut? IPXL Vision Demo<br />

8) Sukzessiver Farbkontrast: Wählen Sie in IPXL “Adaptation effects”-“Aftereffects and<br />

Opponent Colors”. Adaptieren Sie an die Farbstimuli, indem Sie 0,5-1 Minute das<br />

Kreuz in der Mitte fixieren. Mit dem Button „Step“ (unten links) entfernen Sie die<br />

Farbfelder. Beobachten Sie die Nachbilder. Wenn Sie ein gutes Nachbild haben,<br />

versuchen Sie es auf eine weiße Fläche (Papier, Wand) oder eine bunte Fläche zu<br />

legen. Sie können sich dabei entfernen oder annähern. Was passiert?<br />

Beobachten Sie Nachbilder anhand der Bilder in „Induction“, „Desaturation by<br />

Adaptation“ <strong>und</strong> „Hypersaturation“ (2x „Step“). IPXL Vision Demo<br />

Weitere Aufgaben:<br />

9) Text <strong>und</strong> Hintergr<strong>und</strong>: Wählen Sie im Programm CVD “Readibility of colored letters“.<br />

Wann ist die Lesbarkeit am besten? CVD<br />

10) Beschreiben Sie die Farbe der U-Form. Sie können durch Mouseklick die RGB-Werte<br />

(0-100%) verstellen. Verändert sich die Farbwahrnehmung, wenn Sie die Farbe der<br />

Querstreifen verändern? Versuchen Sie diese Veränderung zu unterbinden. Welches<br />

Phänomen erklärt die Wahrnehmungsveränderung? Farbenmuster<br />

11) Wählen Sie in IPXL „Select“-„Experimental methods“ „Induction and Matching“. Unter<br />

“View”-Geometry” stellen Sie die Größe der Streifen auf 1. Wählen Sie <strong>für</strong> das linke<br />

Viereck eine Farbe aus <strong>und</strong> gleichen Sie das rechte Viereck an. Berechnen Sie den<br />

Farbunterschied. Versuchen Sie nun den Einfluß einer zweiten Farbe im Farbmuster<br />

auf die Farbidentität zu testen, indem Sie die Breitenstreife auf mittel <strong>und</strong> dünn einstellen.<br />

Berechnen Sie auch hier die Unterschiede <strong>und</strong> vergleichen Sie diese. Testen<br />

Sie, ob verschiedene Farbkombinationen (d.h. Farben mit großem <strong>und</strong> kleinem Farbabstand)<br />

eine unterschiedliche Wirkung auf das Matching-Ergebnis haben. Wiederholen<br />

Sie das Experiment mit einer zweiten Farbkombination.<br />

Gehen Sie nun auf „Select“-„Introductory displays“ “Simple Center and Surro<strong>und</strong><br />

Field” <strong>und</strong> wiederholen Sie das Matching-Experiment mit den gleichen Farben.<br />

Vergleichen Sie den Einfluß der zweiten Farbe bei dieser Anordnung.<br />

IPXL Vision Demo<br />

74


12) Wählen Sie in IPXL „Select“-„Simple contrast effects” “Color contrast”. Sie können die<br />

Bildansicht vergrößern (unten Mitte, Button „Full“). Mit Hilfe des Button „Step“ (unten<br />

links) können Sie die farbigen Vierecke verschwinden lassen. Wann ist die Farbinduktion<br />

am stärksten? Testen Sie den Effekt auch, wenn die Farben isoluminant<br />

sind (gleiche Helligkeitskoordinate). Spielt die Dicke des „U“ eine Rolle („View“-<br />

„Geometry“). IPXL Vision Demo<br />

Literatur<br />

Backhaus, W. et al. (Hrgs.), 1998. Colour Vision: Perspectives From Different Disciplines.<br />

De Gruyter, Germany<br />

Campenhausen, C. von , 1993. Die Sinne es Menschen. 2. Aufl. G. Thieme Verlag, Stuttgart.<br />

Kap. 8<br />

Gegenfurthner, K., Sharpe, L.T. (Hrgs), 1999. Color Vision: From Genes to Perception. CUP<br />

Hurvich, L.M., 1981. Color Vision. Sinauer, S<strong>und</strong>erland.<br />

Schmidt, R.F. & Thews, G. (Hrgs.), 1987. Physiologie des Menschen. Springer, Berlin.<br />

Wyszecki, G. & W.S. Stiles, 1982. Color Science. Concepts and Methods, Quantitative Data<br />

and Formulae (2nd ed). Wiley, New York.<br />

75


6. Versuchstag:<br />

Simulation neuronaler Netzwerke<br />

An diesen Kurstag werden wir verschiedene Prinzipien synaptischer Übertragung an einem<br />

simulierten neuronalen Netzwerk veranschaulichen. Hierzu werden Sie mit Hilfe eines<br />

Computerprogramms die Rhythmogenese in einem künstlichen Nervennetzwerk analysieren.<br />

Wozu dienen Computersimulationen in der <strong>Neurobiologie</strong>? Zunächst müssen die<br />

wesentlichen Neuronen eines Netzwerkes identifiziert sein, ihre physiologischen<br />

Eigenschaften (Ionenströme, Aktionspotentiale, Transmitter) <strong>und</strong> die synaptischen<br />

Verschaltungen untereinander experimentell aufgeklärt sein. Dann kann es sinnvoll sein,<br />

Hypothesen über ihr Zusammenwirken in einem Netzwerk in einer Computersimulation<br />

mathematisch durchzuspielen. Das hat einige Vorteile: 1.) Hypothesen, die sich aus den<br />

experimentellen Arbeiten ableiten lassen, können mathematisch überprüft werden; 2.) die<br />

Vollständigkeit der Datenerhebung kann getestet werden; 3.) Vorhersagen über das<br />

biologische System, die sich aus Modellrechnungen ableiten lassen, können im Experiment<br />

überprüft werden; 4.) die Zahl der Tierexperimente kann u. U. verringert werden.<br />

Neuronale Schaltkreise<br />

Auch wenn sich die Gehirne <strong>und</strong> Nervensysteme von Organismen in vielen Aspekten unterscheiden,<br />

erfüllen alle ihre Funktion dadurch, dass die Neurone in einem Netzwerk kommunizieren.<br />

Nervensysteme bestehen aus vielen Tausenden oder Millionen von Nervenzellen, die<br />

über Synapsen miteinander vernetzt sind. Im Durchschnitt kontaktiert ein zentralnervöses<br />

Neuron andere Neurone mit tausenden synaptischen Verbindungen <strong>und</strong> empfängt<br />

Erregungen aus etwa gleich vielen Verbindungen mit anderen Neuronen. Daher besitzt das<br />

menschliche Gehirn, das r<strong>und</strong> 10 11 Neurone enthält, ungefähr 10 14 Verbindungen.<br />

Die chemische Synapse, der Ort der Signalübertragung zwischen zwei kommunizierenden<br />

Zellen, besteht aus drei Elementen: der präsynaptischen Endigung, der postsynaptischen<br />

Zellmembran <strong>und</strong> dem synaptischen Spalt. Chemische Synapsen können in Abhängigkeit<br />

von ihrem Transmitterrezeptor exzitatorisch (erregend) oder inhibitorisch (hemmend)<br />

wirken.<br />

Viele Erkenntisse über erregende Synapsen wurden an der neuromuskulären Endplatte<br />

der Wirbeltiere gewonnen. Von den Motoneuronen wird der Transmitter Acetylcholin (ACh)<br />

ausgeschüttet. Postsynaptisch wirkt ACh an der Muskelmembran an einem spezialisierten<br />

76


Transmitterrezeptor, dem nikotinischen Acetylcholinrezeptor. Dieser ionotrope Rezeptor ist<br />

etwa gleich permeabel <strong>für</strong> die Kationen Natrium <strong>und</strong> Kalium. Durch die Aktivierung von ACh-<br />

Rezeptoren tritt ein Netto-Einstrom positiver Ladungen ein, wodurch eine Depolarisation der<br />

Membran hervorgerufen wird. Erregende Synapsen im Zentralnervensystem von Vertebraten<br />

benutzen meist Glutamat als Transmitter.<br />

Bei vielen inhibitorischen Synapsen besteht die Wirkung des Neurotransmitters darin, die<br />

Leitfähigkeit der postsynaptischen Membran <strong>für</strong> Chlorid oder Kalium zu erhöhen. Der<br />

Einstrom von Chloridionen (welches Nernstpotential hat Chlorid?) bewirkt eine<br />

Hyperpolarisation der postsynaptischen Membran. Das wirkt einer (an anderer Stelle durch<br />

eine exzitatorische Synapse verursachten) Depolarisation der Zelle entgegen oder es erhöht<br />

die Schwelle zur Auslösung eines Aktionspotentialen. Eine zweite Art der Hemmung ist die<br />

präsynaptische Inhibition. Bei dieser wird auf die präsynaptische Nervenzelle eine<br />

hemmende Transmittersubstanz ausgeschüttet. Diese hyperpolarisiert die Zelle <strong>und</strong> wirkt der<br />

Transmitterfreisetzung aus der präsynaptischen Endigung entgegen. Beispiele <strong>für</strong><br />

inhibitorisch wirkende Transmitter sind GABA <strong>und</strong> Glycin.<br />

Das Zusammenspiel der beschriebenen Mechanismen, die funktionale Anordnung<br />

einfachster neuronaler Bausteine wie exzitatorische, inhibitorische oder modulatorische<br />

Schaltkreise, die einfach oder in Rückkopplungsschleifen miteinander verschaltet sein<br />

können, macht die Funktion der neuronalen Netzwerke aus, in denen Eingänge aus<br />

verschiedenen Bereichen des Nervensystems verrechnet werden <strong>und</strong> die so<br />

unterschiedliche Erregungsmuster generieren.<br />

Eine Beispiel <strong>für</strong> relativ einfache motorische Netzwerke sind die zentralen<br />

Mustergeneratoren (ZMG, oder central pattern generators, CPG), wie wir sie schon bei der<br />

Generation des Flügelschlags bei der Heuschrecke kennengelernt haben. ZMG stellen<br />

neuronale Schaltkreise dar, deren rhythmische Ausgänge vor allem auf intrinsischen<br />

Eigenschaften des Nervennetzes beruhen, d. h., die rhythmische Aktivität kann auch ohne<br />

sensorische Eingänge erhalten bleiben. Meist gibt es eine Interaktion zwischen ZMG <strong>und</strong><br />

sensorischer Information, die bewirkt, dass sich z.B. die Frequenz des Musters den<br />

Umweltbedingungen anpaßt.<br />

Die zellulären Prozesse, auf denen die Rhythmizität eines Netzwerkes basiert, lassen sich<br />

mit Computerprogrammen simulieren <strong>und</strong> analysieren. Der folgende Teil gibt Ihnen eine<br />

Einführung in ein solches Programm.<br />

77


Das Programm SNNAP<br />

Das Program, welches wir einsetzen heißt SNNAP (Simulator for Neural Networks and<br />

Action Potentials, http://snnap.uth.tmc.edu/). SNNAP wurde an der Universität von Texas,<br />

Houston, zu Forschungszwecken <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Lehre entwickelt <strong>und</strong> ist frei erhältlich. Für den<br />

User sind alle Parameter <strong>und</strong> Formeln, die zur Simulation implementiert sind, wählbar <strong>und</strong><br />

einsehbar <strong>und</strong> sollen während des Kurses auch als Bestandteil des Protokolls analysiert<br />

werden<br />

In diesem Programm – zumindest in der Herangehensweise, mit der wir uns im Praktikum<br />

beschäftigen können – geht man von sehr einfachen neuronalen Netzen aus. Dadurch ist die<br />

Aktivität jeder Zelle des Netzwerkes ohne weiteres messbar <strong>und</strong> beeinflussbar.<br />

Gehen wir von einfachen Verbindungen (*.ntw→ network), bestehend aus einheitlichen<br />

Zellen (*.neu→ neuron) aus, so können wir daraus innerhalb weniger Schritte ein komplexes<br />

Netzwerk erstellen. Die Eigenschaften jedes einzelnen Neurons lassen sich auf vielfältige<br />

Weisen verändern. Genannt seien hier nur die Ströme, die wir in der Hodgkin-Huxley-<br />

Simulation kennengelernt haben (*.vdg→voltage dependent conductance (G)). Mit diesen<br />

werden wir uns heute eingehender beschäftigen. Man kann jedoch auch von außen – wie im<br />

Hodgkin-Huxley-Experiment – künstlich in ein Netzwerk eingreifen, indem man einen Strom<br />

in eine oder mehrere Zellen injiziert (*.trt→treatment). So kann man Neurone gezielt<br />

stimulieren <strong>und</strong> sich durch die evozierten Antworten ein Bild von den Verschaltungen<br />

innerhalb des Netzwerkes machen. Dies ist Inhalt der dritten Aufgabe des heutigen<br />

Praktikumstages.<br />

Die SNNAP Programm-Hierarchie:<br />

- Simulation (*.smu)<br />

- Behandlung (*.trt)<br />

- Darstellung (*.ous)<br />

- Netzwerk (*.ntw)<br />

- Zellen (*.neu; *.cell) <strong>und</strong> Synapsen (*.cs; *.ms)<br />

- Second-Messenger (*.sm) , Ionen (*.ion) - <strong>und</strong> Transmitter-Pools (*.tr)<br />

- Kanäle/Leitfähigkeiten (*.vdg)<br />

- Aktivierungs- <strong>und</strong> Inaktivierungsparameter, Zeitkonstanten<br />

78


Das Hauptmenü<br />

Über dieses Fenster lassen sich alle Parameter ansteuern <strong>und</strong> verändern.<br />

Modifikation der Simulation:<br />

- ‘Run Simulation’: Öffnet das Auswertungsfenster der Simulation.<br />

- ‘Edit Simulation’: Öffnet die Eingabemaske zur Zusammenstellung der einzelnen<br />

Simulationsparameter.<br />

-<br />

- ‘Edit Outscreen’: Öffnet das Fenster zur Einrichtung der<br />

Koordinatensysteme <strong>und</strong> damit die auswertbaren Daten<br />

in ‘Run Simulation’<br />

Abb. 2: Das Hauptmenü<br />

Erstellung der einzelnen Simulationsparametern:<br />

- ‘Edit Network’: Öffnet das Fenster zur Konstruktion<br />

eines neuronalen Netzwerkes.<br />

- ‘Edit Neuron’: Öffnet das Fenster zur Modellierung von<br />

Zellen.<br />

- ‘Edit Treatment’: gibt die Möglichkeit, eine<br />

Strominjektion in einzelne Zellen des Netzwerkes aus<br />

‘Edit Neuron’ zu<br />

simulieren<br />

Dabei werden wir uns im Rahmen des Praktikums nur mit den angekreuzten Modifikationsmöglichkeiten<br />

befassen. ‘View Data’ <strong>und</strong> ‘Edit Batch’ werden also nicht gebraucht.<br />

79


Abb.3: Die Benutzeroberflächen hinter ‘Edit Formula’ am Beispiel der Modifikation des<br />

spannungsabhängigen Kaliumstromes<br />

Edit Formula<br />

Dieser Knopf führt in die Tiefe des Programms. Hier können die einzelnen Parameter der<br />

Simulationsparameter modifiziert werden. Wir werden uns in dieser Richtung nur mit der<br />

Variation von Parametern der spannungsabhängigen Membranströme (*.vdg) <strong>und</strong> die der<br />

chemischen Synapsen beschäftigen, die vielen Möglichkeiten machen jedoch auch so schon<br />

die große Flexibilität dieser Simulation deutlich.<br />

Edit Neuron<br />

Abb. 3: Neuron-Editor<br />

In dieser Maske kann man sich einen Überblick über die<br />

Parameter machen, die <strong>für</strong> die Simulation eines Neurons<br />

implementiert wurden. Da wir nur auf der Gr<strong>und</strong>lage von<br />

vorprogrammierten „Standardneuronen“ arbeiten werden, ist<br />

<strong>für</strong> uns nur das Feld ‚conductances’ von Bedeutung. Hier<br />

werden die Eigenschaften der spannungsabhängigen Kanäle<br />

angezeigt, welche die Permeabilität der Neuronenmembran<br />

ausmachen. Klickt man in der Liste ‚Conductances’ auf einen<br />

der Kanaltypen, kann man sich über ‚Edit’ → ‚Modify’ die<br />

dahinter stehende Gleichung anzeigen lassen <strong>und</strong> diese<br />

gegen eine andere austauschen, um so die Charakteristika,<br />

wie Spikedauer <strong>und</strong> -wahrscheinlichkeit, Ruhepotential oder<br />

AP-Auslösungsschwelle des Neurons zu verändern. Unter<br />

80


‚General’ finden sich ebenfalls auf ähnliche Weise modifizierbare Parameter, doch werden<br />

wir diese heute nicht behandeln.<br />

Edit Network<br />

In diesem Fenster lässt sich ein Netzwerk, also ein<br />

Verb<strong>und</strong> aus mehreren Zellen modifizieren. Unter<br />

‚Neurons’ werden die beteiligten Neurone angezeigt, die<br />

– entsprechend der Funktion im Neuroneditor – über<br />

‚Edit’→ ‚Modify’ verändert werden können.<br />

Unter ‚Edit’ findet man auch<br />

die Option ‚Add Neuron’,<br />

mit der neue Zellen – in<br />

unserem Falle H&H<br />

(Hodgkin & Huxley) – in das<br />

Abb.4: Networkeditor<br />

Abb.5: Add Neuron Netzwerk eingefügt werden<br />

können. Dazu gibt man<br />

unter ‚Cell name’ einen beliebigen Namen an, unter dem man die Zelle in der Simulation<br />

wiederfinden kann; in das Feld ‚File name’ trägt man entweder den Namen des ‚*.neu-Files’<br />

ein oder nutzt den Browser ‚...’ , um die entsprechende Datei in den Ordnerstrukturen zu<br />

suchen. Die Farben sind frei zu wählen <strong>und</strong> nur eine Hilfe zur Übersichtlichkeit der<br />

Netzwerke.<br />

In der Spalte ‚Conductances’ sind die einzelne synaptischen Verbindungen zwischen den<br />

Zellen aufgezeichnet, wobei die offene Pfeilspitze in Richtung der postsynaptischen Zelle<br />

zeigt. Die Abkürzung ‚[conv]’ steht <strong>für</strong> eine konventionelle – sprich exzitatorische – Synapse,<br />

während ‚[GABA]’ <strong>für</strong> eine inhibitorische Synapse steht. Diese Beschriftungen sind bei der<br />

Erstellung der Synapsen (‚Edit’ → ‚Add Connection’ → ‚Add Chemical’) frei wählbar,<br />

erleichtern aber bei sinnvoller Benennung die Arbeit am Netzwerk ungemein.<br />

81


Edit Treatment<br />

Innerhalb dieses Fensters kann man die von außen an<br />

das Netzwerk angelegten Ströme definieren. Dabei<br />

stehen in der Spalte ‚Neurons’ die betroffenen Neurone<br />

<strong>und</strong> in der Spalte ‚cinj’ (‚current injection’) die Parameter,<br />

angeführt vom Namen des beeinflussten Neurone, in<br />

eckigen Klammern gefolgt von der Einschaltzeit, der<br />

Ausschaltzeit <strong>und</strong> der Amplitude der Strominjektion. Klickt<br />

man eine solche Zeile an, kann man analog zum<br />

Neuroneditor die Parameter modifizieren. Zusätzliche<br />

Treatments erstellt man über ‚Edit’→ ‚Add Treatment’→<br />

Abb.6: Treatmenteditor<br />

‚Add CINJ’. Zentral wird die Behandlung graphisch<br />

dargestellt, wobei alle Treatments, die sich auf das gleiche Neuron beziehen, in ein<br />

Koordinatensystem geschrieben werden. Die anderen Felder auf der linken Seite sind <strong>für</strong><br />

uns innerhalb des Praktikums ohne Belang.<br />

Edit Simulation<br />

Mittels diesen Fensters setzt man die eigentliche<br />

Simulation aus den einzelnen Komponenten zusammen.<br />

Wir befinden uns hier also am virtuellen Setup, dem<br />

eigentlichen Versuchsaufbau. Hier werden die einzelnen<br />

Versuchsparameter festgelegt, wobei wir uns auf die<br />

Parameter ‚Network’, ‚Output_Setup’ <strong>und</strong> ‚Treatment’<br />

beschränken.<br />

Nachdem man also hier eine Simulation geladen hat kann<br />

man o.g. Parameter durch Klicken auf den<br />

entsprechenden Button durch andere austauschen, die<br />

man über die entsprechenden Editoren modifiziert hat.<br />

Abb.7: Simulationseditor<br />

82


Run Simulation<br />

In diesem Fenster können die<br />

Ergebnisse unserer virtuellen Ableitung<br />

dargestellt werden. Nachdem die<br />

Simulation geladen worden ist (‘load<br />

simulation’), kann sie mittels Start-Button<br />

durchlaufen lassen. Über ‚Edit’ → ‚Modify<br />

Simulation’ kommt man direkt in den<br />

Simulationseditor <strong>und</strong> kann dort<br />

Veränderungen an der aktuellen<br />

Simulation vornehmen. Dabei ist darauf<br />

Abb. 8: die Simulation<br />

zu achten, dass diese Veränderungen<br />

erst in ‚Run Simulation’ berücksichtigt<br />

werden, wenn die veränderte Simulation gespeichert <strong>und</strong> die Simulation über ‚Edit’ →<br />

‚Reload Simulation’ neu geladen wurde.<br />

Fehlersuche <strong>und</strong> -behebung<br />

Da dieses Programm nicht von professionellen Programmierern sondern von Neurowissenschaftlern<br />

der Universität Houston, Texas zu Forschungszwecken programmiert wurde,<br />

enthält das Programm noch einige Fehlerquellen. Dies läßt sich leicht feststellen, indem man<br />

den Schritt, an dem man hängen bleibt von Gr<strong>und</strong> auf wiederholt. Eine eingebaute<br />

Fehlermeldung bei Absturz ist leider auch noch nicht implementiert. Hierzu dient die im<br />

Hintergr<strong>und</strong> laufende Command.com, die im Falle eines Zusammenbruchs des Programms<br />

eine kleine Fehlermeldung angibt, nach der sich die meisten Fehler beheben lassen.<br />

Alle benötigten Dateien finden sich in dem Ordner ‚bioinf’, in dem sich <strong>für</strong> jedes Experiment<br />

ein eigener Ordner befindet. Es sollte darauf geachtet werden, dass man immer die Dateien<br />

aus dem zum Experiment gehörenden Ordner nutzt, da in diesen die Parameter auf die<br />

entsprechenden Umfelder abgestimmt sind.<br />

Sollte die batch-Datei ‚start_snnap.bat’ nicht funktionieren, so lässt sich snnap auch direkt<br />

aus der Eingabeaufforderung starten, indem man in den Ordner wechselt, in dem die<br />

SNNAP Dateien liegen <strong>und</strong> dort ‚java –jar snnapVERSION#.jar’ eingibt (Z.B. snnap71.jar<br />

oder snnap8.jar.<br />

83


Literatur:<br />

Hodgkin AL, Huxley AF (1952) A quantitative description of membrane current and ist<br />

application to conduction and excitation in nerve. Journal of Physiology (London) 117:500-<br />

544<br />

Dudel J, Menzel R, Schmitt RF (2001) Neurowissenschaft. Vom Molekül zur Kognition, 2.<br />

Aufl. Springer, Berlin<br />

Koch C (1999) Biophysics of Computation. Information processing in single neurons. Oxford<br />

University Press, New York, Oxford<br />

Die Aufgaben<br />

Im Protokoll sollten Sie:<br />

- eine genaue Beschreibung der Simulation anfertigen<br />

- alle Parameter auflisten <strong>und</strong><br />

- alle benötigten Formeln auflisten <strong>und</strong> gegebenenfalls erklären, warum diese Formeln<br />

benutzt wurden.<br />

Aufgabe 1: Aufbau eines einfachen Netzwerkes.<br />

Hier sollen Sie sich erst einmal anhand eines einfachen Netzwerkes mit dem Programm<br />

vertraut machen.<br />

Öffnen Sie das erste Netzwerk („osc.ntw“) <strong>und</strong> die erste Simulation („osc.smu“).<br />

Analysieren Sie das Netzwerk:<br />

- Beschreiben Sie die Neurone (Leitfähigkeiten) <strong>und</strong> ihre synaptischen Verbindungen.<br />

- Starten Sie die Simulation <strong>und</strong> beschreiben Sie möglichst präzise die Aktivität (Aktionspotentiale,<br />

Verlauf der Membranpotentiale, zeitliche Dynamik der Aktivität) der Neurone.<br />

Machen sie eine Skizze oder einen screenshot, den Sie beschriften. Wodurch wird das<br />

Netzwerk aktiviert?<br />

- Entwickeln Sie eine Hypothese, wodurch das Netzwerk rhythmische Aktivität erzeugen<br />

kann. Wie können Sie Ihre Hypothese verifizieren? Notieren Sie die Ergebnisse Ihrer<br />

Modulationsversuche.<br />

84


- Untersuchen Sie die Ionenströme der Neurone <strong>und</strong> die synaptischen Ströme. Welche<br />

Leitfähigkeiten sind im Modell eingebaut? Unterscheiden sich die Neurone? Welche<br />

Gleichungen liegen der Simulation der Ionenströme zugr<strong>und</strong>e? Welches Modell liegt der<br />

Simulation der Leitfähigkeiten zugr<strong>und</strong>e? Wodurch unterscheiden sich die synaptischen<br />

Verbindungen zwischen den Neuronen? Wie wirken sich Veränderungen von Parametern<br />

auf das Aktivitätsmuster der Neurone <strong>und</strong>/oder den erzeugten Rhythmus des Netzwerkes<br />

aus? Testen Sie einige dieser Parameterveränderungen <strong>und</strong> protokollieren Sie deren<br />

Effekte auf die Netzwerkaktivität.<br />

Aufgabe 2: Erstellung eines autonomen Schwingkreises<br />

In dieser Aufgabe geht es darum, einen Verb<strong>und</strong> aus Standardzellen, der normalerweise<br />

nicht spontan aktiv ist, von selbst zum Schwingen zu bringen. Dieses Phänomen trifft man<br />

zum Beispiel in Mustergeneratoren die <strong>für</strong> die Rhythmik von Lauf- oder Flugbewegungen<br />

zuständig sind (s. o.).<br />

- Fügen Sie dem Netzwerk ein Neuron hinzu. Das neue Neuron sollte auf Depolarisation<br />

Aktionspotentiale generieren. Verändern Sie bei Bedarf seine Eigenschaften dementsprechend<br />

<strong>und</strong> begründen Sie dies.<br />

- Stellen Sie die neue Zelle auch graphisch im Output Screen dar. Wie reagiert Ihr Neuron<br />

auf eine Depolarisation? Machen sie Skizzen/Screenshots <strong>für</strong> Ihr Protokoll.<br />

- Ändern Sie die Eigenschaften Ihres Neurons derart, daß es tonisch aktiv ist, also auch<br />

ohne experimentelle Membrandepolarisation Aktionspotentiale generiert. Welche<br />

Leitfähigkeiten haben Sie hierzu geändert? Beschreiben Sie Ihr Neuron (Ionenströme,<br />

Aktionspotentiale, Frequenz der Aktionspotentiale). Welche Parameter müssen Sie<br />

ändern, um die Aktionspotentialfrequenz Ihres Neurons zu erhöhen / verringern?<br />

- Koppeln Sie Ihr Neuron an das bestehende Netzwerk synaptisch an. Wie gehen Sie<br />

hierzu vor? Welche Optionen haben Sie dazu?<br />

- Ersetzen Sie die Depolarisation eines der Netzwerkneurone, indem Sie Ihre neue Zelle<br />

durch eine exzitatorische synaptische Verbindung an dieses Netzwerkneuron<br />

verschalten. Ist Ihr Netzwerk nun in der Lage einen Rhythmus zu generieren?<br />

Beschreiben Sie die Aktivität Ihres 3-Neuron-Netzwerkes. Ändern Sie gegebenenfalls die<br />

synaptischen Verbindungen zwischen den Neuronen <strong>und</strong> begründen Sie die<br />

Veränderungen der Netzwerkaktivität, die sich hierdurch ergeben.<br />

85


Aufgabe 3: Analyse eines Netzwerkes<br />

Abschließend sollen Sie versuchen, Hypothesen über ein Ihnen unbekanntes Netzwerk<br />

anhand von Ableitungskurven aufzustellen.<br />

Starten Sie die Simulation „osc.smu“ im Ordner Exp3 (<strong>und</strong> NUR die Simulation!). Sie sehen<br />

die Ableitungen von vier Neuronen eines Netzwerkes. Beschreiben Sie dessen Aktivität.<br />

- Stellen Sie anhand der Ergebnisse der Simulation eine Hypothese zur Beschaffenheit<br />

des Netzwerkes (d.h. die Verschaltungen zwischen den Neuronen <strong>und</strong> deren<br />

Aktivitätsmuster) auf <strong>und</strong> überlegen Sie sich einige Experimente um ihre Hypothesen zu<br />

testen. Stellen Sie sich vor, dies wäre ein echtes Experiment <strong>und</strong> keine Simulation.<br />

Folgende Voraussetzungen sind gegeben:<br />

Alle Neurone lassen sich intrazellulär ableiten<br />

Sie können von mehreren Neuronen gleichzeitig ableiten<br />

Sie können die einzelnen Nervenzellen Reizen beliebiger Länge <strong>und</strong> Stärke aussetzen<br />

- Führen sie diese Experimente durch <strong>und</strong> beschreiben Sie ihre Resultate. Läßt sich Ihre<br />

Ausgangshypothese halten? Wenn nicht, überarbeiten sie diese <strong>und</strong> überprüfen sie<br />

durch weitere Experimente.<br />

- Zeichnen Sie anhand Ihrer Versuchsergebnisse ein Schema des Netzwerkes mit allen<br />

Neuronen <strong>und</strong> Synapsen. Markieren Sie, welche Neurone Teil des CPG sind <strong>und</strong> welche<br />

Synapsentypen die Neurone verbinden.<br />

- Lassen Sie sich das Netzwerk des Programms anzeigen <strong>und</strong> vergleichen Sie das<br />

tatsächliche Netzwerk mit dem von Ihnen aufgestellten Netzwerk.<br />

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