Dokumentation als PDF (2 MB) - Olms
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Ich war noch nicht fünfzehn, da entdeckte ich auf dem Dachboden<br />
eine Kiste, darin ein Stoß Krieger-Vereins-Zeitschriften und ein Stoß<br />
Cotta’sche Handbibliothek. 30 Pfennig, 25 Pfennig, 60 Pfennig<br />
stand auf den Umschlägen. Von Grillparzer, Lenau, Gottfried Keller<br />
waren diese Taschenbücher der Jahrhundertwende. Ein Bündel zerfledderter<br />
Blätter hatte keinen Umschlag mehr, es begann mitten in<br />
einem Gedicht. Ich blätterte und las und kam zu einem langen Gedicht<br />
das HEIMKUNFT hieß. Und durchs Dachbodenfenster sah<br />
ich, was ich las. „Drin in den Alpen ists noch helle Nacht“ stand da.<br />
Und „Glückseliges Lindau“ stand da. „Eine der gastlichen Pforten<br />
des Landes ist dies …“<br />
Und das sah ich doch dort liegen und sah das Rheintal, von dem da<br />
stand, es sei „das jauchzende Tal“. Erzbekanntes jetzt plötzlich mit<br />
leuchtenden Namen genannt.<br />
Ich war, <strong>als</strong> ich diese Kiste und darin, noch namenlos, Hölderlin<br />
entdeckte, schon lange ein Leser. Mein Vater, von dem diese Bücher<br />
übriggeblieben waren, hatte, noch bevor er gestorben war, mir zum<br />
Geburtstag eine Jugendausgabe von „Robinson Crusoe“ geschenkt.<br />
Und ich weiß bis heute die Schauer, die mich überfuhren, <strong>als</strong> Robinson<br />
auf dem Sandstrand der Insel, auf die er sich nach dem Schiffbruch<br />
gerettet hat, die Abdrücke eines bloßen Fußes entdeckte. Den<br />
dazugehörenden Menschen taufte er dann Freitag. Aber auch vor<br />
„Robinson“ hatte ich schon gelesen. Karl May. Der Kaplan in Nonnenhorn<br />
hatte alle zweiundsiebzig Bände. Auf jeden Fall so viele, dass<br />
es immer noch ungelesene gab, wenn ich einmal in der Woche die<br />
paar Kilometer nach Nonnenhorn trabte, um mir Nachschub zu holen.<br />
Wenn die Mutter das Licht löschte, las ich unter der Bettdecke<br />
mit der Taschenlampe.<br />
Heute ahne ich, dass ich <strong>als</strong> Leser das erlebte, was die Mutter uns,<br />
ohne es zu wissen und zu wollen, vorlebte: Ein von Angst besetztes<br />
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