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Affektregulation bei Bulimia Nervosa - Universität Osnabrück

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60<br />

Diplomar<strong>bei</strong>t im<br />

Fachbereich Psychologie der<br />

Universität Osnabrück<br />

<strong>Affektregulation</strong> <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Vorgelegt von<br />

Karina Günther<br />

Ellerstraße 33<br />

49088 Osnabrück<br />

Osnabrück im August 2005<br />

Betreuer und Erstgutachter: Dipl. Psych. J. Eversmann<br />

Zweitgutachter: Prof. Dr. H. Schöttke


2<br />

Erklärung:<br />

Ich erkläre an Eides Statt, dass ich die vorliegende Diplomar<strong>bei</strong>t selbständig und<br />

ohne fremde Hilfe verfasst und andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel<br />

nicht benutzt habe.<br />

Osnabrück, den ……………..<br />

…………………………………


3<br />

Danksagung<br />

An erster Stelle möchte ich mich <strong>bei</strong> meiner Erstgutachterin Frau Dipl. Psych. J.<br />

Eversmann für die sehr gute Betreuung während der Anfertigung dieser Ar<strong>bei</strong>t<br />

bedanken.<br />

Die vorliegende Ar<strong>bei</strong>t entstand in Kooperation mit der Paracelsus Wittekindklinik<br />

Bad Essen und dem Fachzentrum für Essstörung in Bad Oeynhausen. Bedanken<br />

möchte ich mich <strong>bei</strong> der jeweiligen Klinikleitung, <strong>bei</strong> Herrn Dr. Subkowski und Herrn<br />

Dr. Jacoby, für die Möglichkeit zur Datenerhebung. Danken möchte ich den<br />

Mitar<strong>bei</strong>tern der <strong>bei</strong>den Kliniken, besonders danke ich Herrn Klipp und Herrn Braks<br />

für die gute Zusammenar<strong>bei</strong>t <strong>bei</strong> der Auswahl der Patientinnen.<br />

Mein Dank gilt außerdem den teilnehmenden Patientinnen, ohne deren Bereitschaft<br />

zur Mitar<strong>bei</strong>t diese Ar<strong>bei</strong>t nicht hätte entstehen können.<br />

Ich danke auch allen anderen, die bereitwillig meine Fragebögen ausgefüllt haben.<br />

Emotionale und technische Unterstützung bekam ich von Marco Schneimann. Kristin<br />

Günther und Britta Weidlich halfen <strong>bei</strong>m Korrektur lesen dieser Ar<strong>bei</strong>t. Vielen Dank<br />

für diese Hilfe!<br />

Besonders bedanken möchte ich mich <strong>bei</strong> meinen Eltern, die mir durch ihre<br />

fortdauernde Unterstützung dieses Studium ermöglicht haben.<br />

Osnabrück, im August 2005<br />

Karina Günther


4<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

ABBILDUNGSVERZEICHNIS 6<br />

TABELLENVERZEICHNIS 7<br />

I. EINLEITUNG 8<br />

II. THEORIE 10<br />

1. Begriffsbestimmung der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> 10<br />

1.1. Definition und Diagnostische Kriterien 10<br />

1.2. Symptomatologie 12<br />

1.3. Epidemiologie 20<br />

1.4. Komorbidität 20<br />

1.4.1 Affektive Erkrankungen 20<br />

1.4.2 Angsterkrankungen 21<br />

1.4.3 Persönlichkeitsstörungen 22<br />

1.4.4 Substanzmissbrauch 23<br />

2. Ätiologische Modelle 24<br />

2.1 Psychodynamische Überlegungen 24<br />

2.2 Funktionale Analyse der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> 28<br />

2.2.1 Bingeing als Konsequenz des Essverhaltens 28<br />

2.2.2 Bingeing als Konsequenz emotionaler Schwierigkeiten 29<br />

2.2.3 Integrative Modelle 30<br />

3. <strong>Affektregulation</strong> 34<br />

3.1 Definition 34<br />

3.2 Emotionstheorien 34<br />

3.3 Das Affektsystem 37<br />

4. Empirische Befunde zur <strong>Affektregulation</strong> <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> 39<br />

5. Zusammenfassung bisheriger Befunde und Ableitung der Fragestellung 45<br />

III. METHODEN 48<br />

1. Stichproben 48<br />

1.1 Auswahl der Stichproben 48<br />

1.2 Beschreibung der Stichproben 48<br />

1.2.1 Störungsbild 48<br />

1.2.2 Alter 49<br />

1.2.3 Bildungsstand 50<br />

1.2.4 Familienstand 51<br />

1.2.5 Symptomatisches Verhalten 52<br />

1.2.6 Body-Maß-Index 53<br />

1.2.7 Zusatzdiagnosen 54<br />

2. Ablauf der Datenerhebung 55<br />

3. Erhebungsinstrumente 56<br />

3.1 Differentielle Affektskala: DAS 56<br />

3.2 Essstörungs-Inventar: ESI 57<br />

3.3 Borderline-Persönlichkeits-Inventar: BPI 58


5<br />

IV. ERGEBNISDARSTELLUNG 60<br />

1. Auswertung der Differentiellen Affektskala 60<br />

1.1 Affektlage vor dem Essanfall 60<br />

1.2 Affektlage nach dem Essanfall 63<br />

1.3 Verlauf der Affekte über eine Binge-Episode hinweg 64<br />

1.4 Affektlage vor dem Purging 68<br />

1.5 Affektlage nach dem Purging 71<br />

1.6 Verlauf der Affekte über eine Purge-Episode hinweg 72<br />

2. Auswertung der ESI-Skalen 76<br />

2.1 Vergleich der bulimischen und der gesunden Untersuchungsgruppe 77<br />

2.2 Zusammenhänge zwischen ESI- und DAS-Skalen in der bulimischen Patientengruppe 78<br />

3. Auswertung des Borderline-Persönlichkeits-Inventar 80<br />

V. DISKUSSION 82<br />

1. Die Stichprobe 82<br />

1.1 Alter 82<br />

1.2 Bildungsstand 82<br />

1.3 Komorbidität 83<br />

2. Die Differentielle Affektskala 84<br />

2.1 Affektive Ausgangslage 84<br />

2.2 Veränderungen der Affekte über eine Binge-Purge-Episode hinweg 85<br />

2.2.1 Affektausprägungen <strong>bei</strong> den bulimischen Patientinnen über eine Binge-Purge-<br />

Episode hinweg 85<br />

2.2.2 Veränderungen der Affektausprägungen <strong>bei</strong> der Kontrollgruppe 86<br />

3. Das Essstörungs-Inventar 88<br />

3.1 Vergleich der klinischen mit der gesunden Stichprobe 88<br />

3.2 Zusammenhang zum affektiven Zustand vor dem Binge-Eating 89<br />

4. Das Borderline-Persönlichkeits-Inventar 90<br />

VI. KRITIK UND ZUSAMMENFASSUNG 92<br />

1. Kritische Betrachtung der Vorgehensweise 92<br />

2. Zusammenfassung 93<br />

LITERATURLISTE 95<br />

ANHANG 104


6<br />

Abbildungsverzeichnis<br />

Abb. 1: Integriertes Entstehungsmodell der Bulimie nach Reich (1995, modifiziert) 26<br />

Abb. 2: Funktionale Analyse des Binge-Eating nach Mc Manus und Waller (1995) 33<br />

Abb. 3: Das Affektsystem nach Krause (1998) 38<br />

Abb. 4: Verteilung der Störungsbilder in der klinischen Untersuchungsgruppe 48<br />

Abb. 5: Altersverteilung der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> - Patientinnen 49<br />

Abb. 6: Altersverteilung der Kontrollgruppe 50<br />

Abb. 7: Body-Maß-Index (Maßeinheit kg/m²) 53<br />

Abb. 8: Affektive Zustände vor einer Essattacke 62<br />

Abb. 9: Affektive Zustände nach einer Heißhungerattacke 64<br />

Abb. 10: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch die Essanfälle <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Patientinnen 66<br />

Abb. 11: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch die Essattacken <strong>bei</strong> der gesunden<br />

Kontrollgruppe 68<br />

Abb. 12: Affektive Zustände vor dem Purging 70<br />

Abb. 13: Affektive Zustände nach dem Purging 72<br />

Abb. 14: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch das Erbrechen <strong>bei</strong> den <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Patientinnen 74<br />

Abb. 15: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch die Kompensation in der gesunden<br />

Kontrollgruppe 76<br />

Abb. 16: Ausprägungen der ESI-Skalen der <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen 77<br />

Abb. 17: Ausprägungen der BPI-Skalen der <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen 81


7<br />

Tabellenverzeichnis<br />

Tab. 1: Diagnostische Kriterien für <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> (307.51) nach DSM-IV (APA, 2003) 11<br />

Tab. 2: Diagnostische Leitlinien für <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> (F 50.2) nach ICD-10 (WHO, 2000) 12<br />

Tab. 3: Verteilung des Bildungsstandes hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit 51<br />

Tab. 4: Verteilung des Familienstandes hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit 52<br />

Tab. 5: Skalen der Differentiellen Affektskala 56<br />

Tab. 6: Skalen des Essstörungs-Inventar 58<br />

Tab. 7: Ausprägungen der Affekte vor einer Essattacke 61<br />

Tab. 8: Ausprägungen der Affekte nach einer Essattacke 63<br />

Tab. 9: Ergebnisse des Prä-Post Vergleiches für das Binge-Verhalten der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Patientinnen 65<br />

Tab. 10: Ergebnisse vor und nach dem Heißhunger in der gesunden Kontroll-gruppe 67<br />

Tab. 11: Ausprägungen der Affekte vor dem Purging 69<br />

Tab. 12: Ausprägungen der Affekte nach dem Purging 71<br />

Tab. 13: Ergebnisse des Prä-Post Vergleiches des Purge-Verhaltens der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Patientinnen 73<br />

Tab. 14: Ergebnisse vor und nach der Gegenregulation in der gesunden Kontrollgruppe 75<br />

Tab. 15: Mittelwerte und Standardabweichungen der ESI-Skalen der klinischen und der<br />

gesunden Stichprobe 78<br />

Tab. 16: Korrelationen zwischen den ESI-Skalen und den DAS-Skalen vor dem Binge-Eating der<br />

bulimischen Patientinnen 79<br />

Tab. 17: Mittelwerte und Standardabweichungen der BPI-Skalen der klinischen und der<br />

gesunden Stichprobe 80


8<br />

I. Einleitung<br />

Die Rolle der Affekte bzw. Emotionen während des Binge-Purge-Zyklus weckt<br />

zunehmend das Interesse der Forschung. In der Theorie wird davon ausgegangen,<br />

dass bulimisches Verhalten durch negative Affekte angeregt wird und diese<br />

Emotionen dadurch verringert werden (Mc Manus & Waller, 1995).<br />

In der Literatur wird die Bedeutung der <strong>Affektregulation</strong> <strong>bei</strong> der Aufrechterhaltung<br />

bulimischer Heißhungerattacken und kompensatorischer Verhaltensweisen<br />

kontrovers diskutiert. Einerseits berichten Studien, dass negative Affekte vor den<br />

Heißhungeranfällen bestehen, die durch das „Bingeing“ reduziert werden (Abraham<br />

& Beumont, 1982; Kaye, Gwirtsman, George, Weiss & Jimerson, 1986). Andere<br />

Studien hingegen referieren, dass auch nach den Heißhungeranfällen negative<br />

Affekte, wie Schuld, Scham, Ekel oder Angst, bestehen, die durch kompensatorische<br />

Verhaltensweisen reduziert werden (Johnson & Larson, 1982; Lynch, Everingham,<br />

Dubitzky, Hartman & Kasser, 2000; Mizes & Arbitell, 1991). Andere Autoren<br />

schreiben dem Erbrechen eine größere affektregulatorische Funktion zu als dem<br />

Binge- Eating (Tachi, Murakami, Murotsu, & Washizuka, 2001).<br />

Neben den negativen Affekten werden die Unzufriedenheit mit der Figur und das sich<br />

daraus ergebende Diätverhalten als mögliche Risikofaktoren einer <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

diskutiert. Perfektionistische Standards, die das Bedürfnis nach Kontrolle erhöhen,<br />

können zu einer Beschränkung der Nahrungsaufnahme <strong>bei</strong>tragen (Feistner, 1995).<br />

Überhöhte Ansprüche an Figur und Gewicht können durch ein niedriges<br />

Selbstwertgefühl verstärkt werden (Ross & Wade, 2004).<br />

Aufbauend auf diesen Befunden sollen in dieser Diplomar<strong>bei</strong>t die symptomatischen<br />

Verhaltensweisen und die affektregulatorische Funktion der Binge-Purge-Episoden<br />

genauer untersucht werden.<br />

Im nächsten Kapitel wird zunächst das Störungsbild <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> hinsichtlich<br />

Diagnostischer Kriterien, Symptomatik, Epidemiologie, und Komorbidität dargestellt<br />

(II. 1).


9<br />

Anschließend werden die ätiologischen Überlegungen aus psychodynamischer und<br />

verhaltenstheoretischer Perspektive beschrieben (II. 2). Hier<strong>bei</strong> werden ausgewählte<br />

Theorien genauer betrachtet.<br />

Im Kapitel II. 3 erfolgt nach der Definition der Affekte die Darstellung einzelner<br />

Emotionstheorien und des Affektsystems nach Krause.<br />

Des Weiteren werden unter II. 4 empirische Befunde zur <strong>Affektregulation</strong> <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong><br />

<strong>Nervosa</strong> aufgeführt.<br />

Anschließend werden bisherige Theorien und Befunde zur <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> integriert<br />

und die Fragestellungen der Ar<strong>bei</strong>t abgeleitet (II. 5).<br />

Kapitel III enthält die Darstellung der Stichproben sowie der Erhebungsinstrumente.<br />

Eine Beschreibung der gefundenen Ergebnisse erfolgt im IV. Kapitel.<br />

Im Anschluss daran werden die dargestellten Ergebnisse in Bezug auf den<br />

theoretischen teil dieser Ar<strong>bei</strong>t diskutiert (Kapitel V).<br />

Den Abschluss dieser Ar<strong>bei</strong>t bilden eine kritische Betrachtung der Vorgehensweise<br />

dieser Untersuchung (VI. 1) sowie eine zusammenfassende Darstellung der Studie<br />

(VI. 2).


10<br />

II.<br />

Theorie<br />

1. Begriffsbestimmung der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

1.1. Definition und Diagnostische Kriterien<br />

Die <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> ist durch begrenzte, unkontrollierbare Heißhungerepisoden<br />

(sog. Fressanfälle) und eine übertriebene Beschäftigung mit Figur und Gewicht<br />

charakterisierbar. In der Regel folgen auffällige Maßnahmen des selbstreinigenden<br />

Verhaltens (Fröhlich, 2000).<br />

Der Begriff „<strong>Bulimia</strong>“ kann aus den griechischen Wörtern „bous“ (Ochse, Stier) und<br />

„limos“ (Hunger) abgeleitet werden und bedeutet wörtlich „Ochsenhunger“ (Pudel &<br />

Westenhöfer, 1998, S.232).<br />

Unterschiedliche Ausdrücke für ähnliche Syndrome konnten sich nicht durchsetzen.<br />

Die Bezeichnung „<strong>Bulimia</strong>rexia“ wurde 1976 von Boskind-Lodahl eingeführt zur<br />

Beschreibung von normalgewichtigen Frauen, die Binge-Eating- und Purging-<br />

Verhaltensmuster aufweisen. Das „dietary chaos syndrome“ (Palmer, 1979) umfasst<br />

Ess- und Brechanfälle, die <strong>bei</strong> anorektischen Patienten auftreten. Die Essstörung<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> wurde erstmals von Russell (1979) als eigenständiges<br />

Krankheitsbild beschrieben. Ursprünglich benutzte er den Begriff für bulimische<br />

Patienten mit einer Anorexia <strong>Nervosa</strong> in der Vorgeschichte (Fichter, 1989). Die<br />

Aufnahme und Definition der Bulimie als eigenständige Krankheit erfolgte 1980 in der<br />

dritten Version des Diagnostic and Statistical Manual (DSM-III) der American<br />

Psychiatric Association (APA) (Schlundt & Johnson, 1989). Die gebräuchlichsten<br />

Bezeichnungen sind „<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong>“ und „Bulimie“ (Fairburn & Garner, 1986).


11<br />

In Tabelle 1 sind die diagnostischen Kriterien für eine <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> aufgeführt.<br />

Tab. 1: Diagnostische Kriterien für <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> (307.51) nach DSM-IV<br />

(APA, 2003)<br />

A. Wiederholte Episoden von „Freßattacken“. Eine „Freßattacken“-Episode ist<br />

gekennzeichnet durch <strong>bei</strong>de der folgenden Merkmale:<br />

(1) Verzehr einer Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum (z.B.<br />

innerhalb eines Zeitraums von 2 Stunden), wo<strong>bei</strong> diese<br />

Nahrungsmenge erheblich größer ist, als die Menge, die die meisten<br />

Menschen in einem vergleichbaren Zeitraum und unter vergleichbaren<br />

Bedingungen essen würden.<br />

(2) Das Gefühl, während der Episode die Kontrolle über das Essverhalten<br />

zu verlieren (z.B. das Gefühl, weder mit dem Essen aufhören zu<br />

können, noch Kontrolle über Art und Menge der Nahrung zu haben).<br />

B. Wiederholte Anwendung von unangemessenen, einer Gewichtszunahme<br />

gegensteuernden Maßnahmen, wie z.B. selbstinduziertes Erbrechen,<br />

Missbrauch von Laxantien, Diuretika, Klistieren oder anderen Arzneimitteln,<br />

Fasten oder übermäßige körperliche Betätigung.<br />

C. Die „Freßattacken“ und das unangemessene Kompensationsverhalten<br />

kommen drei Monate lang im Durchschnitt mindestens zweimal pro Woche<br />

vor.<br />

D. Figur und Körpergewicht haben einen übermäßigen Einfluss auf die<br />

Selbstbewertung.<br />

E. Die Störung tritt nicht ausschließlich im Verlauf von Episoden einer Anorexia<br />

<strong>Nervosa</strong> auf.<br />

„Purging“-Typus: Die Person induziert während der aktuellen Episode der<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> regelmäßig Erbrechen oder missbraucht Laxantien, Diuretika<br />

oder Klistiere.<br />

„Nicht-Purging“-Typus: Die Person hat während der aktuellen Episode der<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> andere unangemessene, einer Gewichtszunahme<br />

gegensteuernde Maßnahmen gezeigt wie <strong>bei</strong>spielsweise Fasten oder<br />

übermäßige körperliche Betätigung, hat aber nicht regelmäßig Erbrechen<br />

induziert oder Laxantien, Diuretika oder Klistiere missbraucht.


12<br />

Im ICD-10 treten Unterschiede <strong>bei</strong> den diagnostischen Kriterien für <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

im Vergleich zum DSM-IV auf. Es wird keine Unterscheidung in zwei Subtypen<br />

vorgenommen und der Kontrollverlust stellt kein diagnostisches Kriterium dar (s. Tab.<br />

2).<br />

Tab. 2: Diagnostische Leitlinien für <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> (F 50.2) nach ICD-10<br />

(WHO, 2000)<br />

1. Eine andauernde Beschäftigung mit Essen, eine unwiderstehliche Gier nach<br />

Nahrungsmitteln; die Patientin erliegt Essattacken, <strong>bei</strong> denen große Mengen<br />

Nahrung in sehr kurzer Zeit konsumiert werden.<br />

2. Die Patientin versucht, dem dickmachenden Effekt der Nahrung durch<br />

verschiedene Verhaltensweisen entgegenzusteuern: selbstinduziertes<br />

Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln, zeitweilige Hungerperioden,<br />

Gebrauch von Appetitzüglern, Schilddrüsenpräparaten oder Diuretika. Wenn<br />

die Bulimie <strong>bei</strong> Diabetikerinnen auftritt, kann es zu einer Vernachlässigung der<br />

Insulinbehandlung kommen.<br />

3. Eine der wesentlichen psychopathologischen Auffälligkeiten besteht in der<br />

krankhaften Furcht davor, dick zu werden: die Patientin setzt sich eine scharf<br />

definierte Gewichtsgrenze, deutlich unter dem prämorbiden, vom Arzt als<br />

optimal oder „gesund“ betrachteten Gewicht. Häufig lässt sich in der<br />

Vorgeschichte mit einem Intervall von einigen Monaten bis zu mehreren<br />

Jahren eine Episode einer Anorexia <strong>Nervosa</strong> nachweisen. Diese frühere<br />

Episode kann voll ausgeprägt gewesen sein, oder war eine verdeckte Form<br />

mit mäßigem Gewichtsverlust oder einer vorübergehenden Amenorrhoe.<br />

1.2. Symptomatologie<br />

Eines der kennzeichnenden Merkmale der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> sind die episodisch<br />

auftretenden Heißhungerattacken, die auch als Ess- oder Fressanfall bezeichnet<br />

werden.<br />

Ein wesentlicher Bestandteil dieser im angloamerikanischen Raum so genannten<br />

Binge-Eating-Episoden ist das hastige Verschlingen riesiger Nahrungsmengen in<br />

kurzer Zeit. Durchschnittlich werden während dieser Essanfälle zwischen 3.000 und<br />

4.000 Kalorien aufgenommen, wo<strong>bei</strong> auch Werte bis zu 15.000 Kalorien berichtet<br />

werden (Russell, 1989). Bei den aufgenommenen Nahrungsmitteln handelt es sich


13<br />

meist um hochkalorische Speisen, wie Süßigkeiten, die außerhalb der Essattacken<br />

nicht verzehrt werden, da sie als „verboten“ oder „gefährlich“ gelten (Abraham &<br />

Beumont, 1982; Fairburn, 1995). Die Auftretenshäufigkeit dieser Essanfälle kann von<br />

einmal pro Woche bis mehrmals täglich variieren (Paul, Brand-Jacobi und Pudel,<br />

1984b, zit.n. Pudel & Westenhöfer, 1998; Paul & Pudel, 1985).<br />

Ein weiteres Kennzeichen der Binge-Eating-Episoden stellt das Gefühl des<br />

Kontrollverlusts dar. Dieses kann sich vor dem Essen, mit Beginn des Essens oder<br />

<strong>bei</strong> der Feststellung, zu viel gegessen zu haben, entwickeln (Fairburn, 1995).<br />

Das Essverhalten bulimischer Patientinnen ist gekennzeichnet durch ein stark<br />

gezügeltes Essverhalten, das durch episodisch auftretende Heißhungerattacken<br />

unterbrochen wird. Diese Verhaltensweise wird als „intermittierendes Fasten“<br />

bezeichnet.<br />

Das intermittierende Fasten kann zu erheblichen Gewichtsschwankungen führen. In<br />

diesen Phasen können <strong>bei</strong> den Patientinnen biologische Erscheinungen von<br />

Mangelernährung gefunden werden (Pudel & Westenhöfer, 1998). Es werden<br />

Nahrungsmittel vermieden, von denen angenommen wird, dass sie dick machen oder<br />

einen Essanfall auslösen (APA, 2003).<br />

Das gestörte Essverhalten geht einher mit einer Abscheu gegenüber dem Essen,<br />

einer extrem langsamen Nahrungsaufnahme, einem Herumstochern im Essen und<br />

der Auswahl kalorienarmer Lebensmittel (Hetherington et al., 1993).<br />

Die Patientinnen schämen sich häufig sowohl für ihr Essverhalten als auch für die<br />

gegenregulatorischen Maßnahmen. Die daraus resultierenden Schuldgefühle führen<br />

dazu, dass sie das Verhalten vor ihrer Umgebung verheimlichen.<br />

Bulimisches Essverhalten kann zu einer Reihe körperlicher Folgesymptome führen,<br />

wie Verletzungen des Handrückens, Vergrößerung der Speicheldrüsen,<br />

Entzündungen der Speiseröhre und Erosion des Zahnschmelzes aufgrund der<br />

während des Erbrechens in den Mund gelangenden Magensäure. Weiter wird über<br />

Elektrolytstörungen berichtet, die für Herzrhythmusstörungen und Nierenversagen<br />

verantwortlich sein können (Fichter, 1991; Pudel & Westenhöfer, 1998; Russel,<br />

1989).


14<br />

Nach den zwischen 15 Minuten und 4 Sunden dauernden Essanfällen sind die<br />

Patientinnen häufig beunruhigt, da sie eine Gewichtszunahme durch das übermäßige<br />

Essen befürchten. Zur Kompensation der Folgen der Nahrungsaufnahme greifen die<br />

Patientinnen zu gegenregulatorischen Maßnahmen, was auch als Purging (reinigen,<br />

abführen) bezeichnet wird. Selbstinduziertes Erbrechen ist die häufigste Methode.<br />

Stattdessen oder zusätzlich zum absichtlichen Erbrechen finden sich der Missbrauch<br />

von Laxantien oder Diuretika, längere Fastenperioden zwischen den<br />

Heißhungerattacken oder eine exzessive sportliche Betätigung (Russell, 1989).<br />

Hetherington, Spalter, Bernat, Nelson & Gold (1993) zufolge geht der Verzehr<br />

hochkalorischer Speisen mit einer Erhöhung negativer Affekte einher, wenn die<br />

Möglichkeit zu gegenregulatorischen Maßnahmen nicht gegeben ist.<br />

Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patientinnen, die Purging-Verhalten aufweisen,<br />

mehr depressive Symptome und eine stärkere Besorgnis um Figur und Gewicht<br />

zeigen (APA, 2003).<br />

Das Gewicht der Patientinnen liegt meist im Normalbereich, dennoch versuchen<br />

diese, das Gewicht unter einer bestimmten Obergrenze zu halten. Stice, Shaw und<br />

Nemeroff (1999) zufolge wird die Verbindung zwischen der Unzufriedenheit mit dem<br />

Körper und den bulimischen Verhaltensweisen durch die Faktoren „gezügeltes<br />

Essen“ und „negativer Affekt“ vermittelt.<br />

Schotte, Cools und Mc Nally (1990) fanden, dass das Induzieren negativen Affekts<br />

durch einen angstauslösenden Film Überessen <strong>bei</strong> gezügelten Essern hervorrufen<br />

kann im Gegensatz zu ungezügelten Essern. Negativer Affekt scheint ein Faktor zu<br />

sein, der zur Beendigung der restriktiven Nahrungsaufnahme führt.<br />

Das Streben nach Schlankheit, auch gekennzeichnet durch eine Angst vor<br />

Gewichtszunahme, wird als Kernelement der Unzufriedenheit mit der Figur<br />

betrachtet. Daran ist der Versuch zu erkennen, dem vermittelten kulturellen Ideal zu<br />

entsprechen (Wiederman & Pryor, 2000). Diese Unzufriedenheit mit dem Körper<br />

steht in engem Zusammenhang mit einer verringerten emotionalen<br />

Ausdrucksfähigkeit der Personen (Hayaki, Friedman & Brownell, 2002).<br />

Rieder und Ruderman (2001) nahmen in ihrer Untersuchung eine Unterscheidung<br />

vor zwischen der Unzufriedenheit mit dem Körper und der Wichtigkeit der


15<br />

körperlichen Erscheinung, welche die Abhängigkeit des Selbstwerts vom Körperbild<br />

widerspiegelt. Sowohl Binge-Eating als auch Purging-Verhalten sind eng verknüpft<br />

mit der Unzufriedenheit mit der Figur und der Wichtigkeit der eigenen Erscheinung.<br />

Personen mit hohen Ausprägungen an Unzufriedenheit und Wichtigkeit berichteten<br />

über signifikant mehr kompensatorische Maßnahmen als die der anderen Gruppen.<br />

Diese als Versuch der Gewichtskontrolle anzusehenden Verhaltensweisen scheinen<br />

stärker mit auf den Körper bezogenen Kognitionen in Zusammenhang zu stehen als<br />

die Heißhungerattacken.<br />

Cogley und Keel (2003) konnten in einer Studie feststellen, dass der übertriebene<br />

Einfluss von Gewicht und Figur auf die Selbstbewertung hinderlich für eine<br />

Genesung sein kann. Das Vorhandensein übertriebener Erwartungen an Figur und<br />

Gewicht führte zu höheren Ausprägungen an Depression und Unzufriedenheit mit<br />

dem Körper. Die Modifikation der Figur- und Gewichtsbesorgnis scheint unerlässlich<br />

für eine vollständige Genesung (Fairburn & Garner, 1986).<br />

Ein geringes Selbstwertgefühl ist ein wichtiger Risikofaktor, der zur Entwicklung<br />

überhöhter Ansprüche an Figur und Gewicht <strong>bei</strong>tragen kann (Ross & Wade, 2004).<br />

Meijboom, Jansen, Kampman und Schouten (1999) konnten mittels Priming zeigen,<br />

dass ein Zusammenhang zwischen geringem Selbstwertgefühl und Figur- und<br />

Gewichtsbesorgnis besteht.<br />

Das gewichtsbezogene Selbstwertgefühl <strong>bei</strong> Bulimikerinnen ist reduziert. Mc Farlane,<br />

Mc Cabe, Jarry, Olmsted und Polivy (2001) konnten nachweisen, dass sich die<br />

gewichtsbezogene Selbstbewertung <strong>bei</strong> Essgestörten auch auf soziale Bereiche, das<br />

Aussehen und die eigene Leistung ausdehnt.<br />

Jacobi bezog 28 Studien zum Selbstkonzept <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> in ihre Analyse ein.<br />

In 22 Untersuchungen „wiesen die bulimischen Patientinnen immer ein negativeres<br />

Selbstkonzept bzw. niedrigeres Selbstwertgefühl auf als die gesunden<br />

Kontrollpersonen“ (S.87). Nur in vier Untersuchungen erzielten die Bulimikerinnen<br />

ähnliche Werte wie die Kontrollpersonen (Jacobi, 2000).<br />

In einer Studie fanden Jacobi, Paul, de Zwaan, Nutzinger, Rustenbach und Dahme<br />

(2003), dass das niedrige allgemeine Selbstwertgefühl relativ unabhängig vom<br />

Ausmaß der Depressivität zu sein scheint.


16<br />

Umgekehrt scheint die Unzufriedenheit mit der Figur <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen in<br />

verstärktem Ausmaß ein niedrigeres Selbstwertgefühl zu bedingen im Vergleich zu<br />

gesunden Kontrollpersonen (Joiner, Schmidt & Wonderlich, 1997).<br />

Es besteht keine direkte Verbindung zwischen dem Selbstwertgefühl und gezügeltem<br />

oder unkontrolliertem Essverhalten. Diese wird vollständig vermittelt durch überhöhte<br />

Vorstellungen bezüglich der Wichtigkeit von Figur und Gewicht (Ross & Wade, 2004;<br />

Wade & Lowes, 2002).<br />

Perfektionistische Standards werden in Abhängigkeit von der Figur- und<br />

Gewichtsbesorgnis ebenfalls als wichtige Merkmale von Essstörungen diskutiert. Das<br />

kann ein verstärktes Streben nach Kontrolle hervorrufen. Aufgrund der immer wieder<br />

auftretenden Heißhungeranfälle erleben die Bulimikerinnen „ihren Körper als<br />

teilweise regierbar und kontrollierbar, was eine direkte Kränkung und eine starke<br />

Bedrohung des Selbstwerts mit sich bringt“ (Feistner, 1995, S.72). Die Patientinnen<br />

versuchen, die Gesamtkontrolle über den Körper zu erlangen, um doch noch perfekt<br />

zu werden. Perfektionistische Anstrengungen sind auch in nicht mit dem Essen<br />

verbundenen Lebensbereichen zu finden (Feistner, 1995).<br />

Hewitt, Flett und Edinger (1995) betrachten Perfektionismus als multidimensionales<br />

Konstrukt. Sie unterscheiden den „selbstorientierten Perfektionismus“, der einer<br />

selbst auferlegten Erwartung der Perfektion entspricht, den „auf andere orientierten<br />

Perfektionismus“, der anderen auferlegte Erwartungen der Perfektion <strong>bei</strong>nhaltet, und<br />

den „sozial vorgeschriebenen Perfektionismus“, der mit dem Erleben einhergeht,<br />

dass andere Personen perfektionistische Erwartungen an die Betroffenen<br />

herantragen.<br />

In einer Untersuchung konnten Hewitt et al. (1995) feststellen, dass soziale<br />

Dimensionen des Perfektionismus stark verbunden sind mit gestörtem Essverhalten,<br />

mit Sorgen über die eigene Erscheinung und mit dem Selbstwertgefühl. Der Glaube,<br />

anderen durch die Erfüllung der vermeintlichen Anforderungen zu gefallen, scheint<br />

da<strong>bei</strong> ausschlaggebend zu sein. Das starke Bedürfnis, sich vor anderen als perfekt<br />

zu präsentieren, steht in Zusammenhang mit der bulimischen Symptomatik und den<br />

Sorgen über die Reaktion auf die eigene Erscheinung. Eine Verbindung zwischen<br />

der perfektionistischen Selbstpräsentation und geringem Selbstwertgefühl konnte<br />

ebenfalls gefunden werden.


17<br />

Minarik und Ahrens (1996) untersuchten verschiedene Dimensionen des<br />

Perfektionismus hinsichtlich des Zusammenhangs zum Essverhalten. Nur die<br />

Dimensionen „Besorgnis über Fehler“ und „Zweifel über eigenes Handeln“ waren mit<br />

gestörtem Essverhalten assoziiert. Da<strong>bei</strong> waren das Streben nach Schlankheit, die<br />

Neigung zu unkontrollierbarem Essen, die Unzufriedenheit mit der körperlichen<br />

Erscheinung und das Diätverhalten eng verknüpft mit einer generellen Sorge Fehler<br />

zu machen. Möglicherweise könnte sich eine generelle Furcht Fehler zu begehen<br />

durch die Vermittlung von Schönheitsidealen in eine Angst vor dem Nichterreichen<br />

dieser Ideale umwandeln, was zu gestörtem Essverhalten führen kann.<br />

Perfektionismus kann <strong>bei</strong> Frauen, die sich selbst als übergewichtig empfinden, als<br />

Risikofaktor für das Ausbilden einer bulimischen Symptomatik angesehen werden<br />

(Joiner, Heatherton, Rudd & Schmidt, 1997). Erweiternd zu diesen Ergebnissen<br />

fanden Vohs, Bardone, Joiner und Abramson (1999), dass unter Frauen mit<br />

geringem Selbstwertgefühl, die sich als übergewichtig erleben, perfektionistische<br />

Verhaltensweisen mit schwereren bulimischen Symptomen verknüpft sind.<br />

Die prämorbide Struktur bulimischer Patientinnen wird als depressiv beschrieben<br />

(Uexküll, 1996). Narzisstische Tendenzen einhergehend mit gesteigerter<br />

Selbstherrlichkeit und einem starken Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und<br />

Bewunderung sind ebenfalls kennzeichnend. Als weitere Merkmale werden<br />

Impulsivität, labiles Affektverhalten, geringes Selbstwertgefühl und autoaggressive<br />

Tendenzen genannt (Uexküll, 1996; Wonderlich, 2002).<br />

In einer Untersuchung von Pryor und Wiederman (1996) wurden die<br />

Persönlichkeitseigenschaften von 35 Anorexiepatientinnen und 45<br />

Bulimiepatientinnen mittels des „Multidimensional Personality Questionnaire“ (MPQ)<br />

erfasst. In <strong>bei</strong>den Gruppen wurden geringe Ausprägungen <strong>bei</strong> Wohlbefinden und<br />

positiven Affekten gefunden, was mit wenig Freude, Aufregung und Glück<br />

einhergeht. Außerdem erlangten <strong>bei</strong>de Gruppen hohe Werte bezüglich<br />

Stressreaktion und negativer Affekte. Diese Ergebnisse stehen in Zusammenhang<br />

mit übertriebenen Sorgen, Reizbarkeit und emotionaler Labilität. Die niedrigen<br />

Ausprägungen in Sozialer Nähe und die hohen Entfremdungswerte stehen für<br />

Misstrauen, soziale Isolation, sich von anderen ungerecht behandelt fühlen und für


18<br />

eine Tendenz, Probleme mit sich selbst abzumachen. Die Kontrolle, als Mangel an<br />

Impulsivität zu verstehen, ist <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen geringer ausgeprägt.<br />

Casper, Hedeker und Mc Clough (1992) untersuchten die<br />

Persönlichkeitsdimensionen bulimischer Patientinnen mit dem MPQ und dem<br />

„Minnesota Multiphasic Personality Inventory“ (MMPI). Es zeigen sich ein<br />

schlechteres Wohlbefinden, erhöhter Stress und Reizbarkeit im Vergleich zu<br />

gesunden Kontrollpersonen. Die Impulsivitätswerte lagen im hohen normalen<br />

Bereich. Von den Patientinnen werden verstärkt negative Affekte erlebt, wie<br />

Spannung, Selbstunzufriedenheit und Schuld. Auf den Persönlichkeitsdimensionen<br />

Impulsivität/Kontrolle, Gefahrensuche/Schadensvermeidung und Traditionalität<br />

erzielten die bulimischen Patientinnen höhere Werte für Impulsivität und<br />

Gefahrensuche und niedrigere Werte für Traditionalität im Vergleich zu restriktiven<br />

Anorektikerinnen.<br />

Norman und Herzog (1983) verglichen in einer Untersuchung die MMPI Profile von<br />

Bulimikerinnen, restriktiven Anorektikerinnen und bulimischen Anorektikerinnen. Auf<br />

der Skala „psychopathische Abweichung“ (4) zeigten die Bulimikerinnen und die<br />

bulimischen Anorektikerinnen größere Ausprägungen als die anorektischen<br />

Patientinnen. Insgesamt wurden sehr ähnliche MMPI Profile in den drei<br />

Essstörungsgruppen gefunden, allerdings traten in jeder Gruppe typische<br />

Skalenunterschiede auf. Bei den bulimischen Patientinnen erreichten die Skalen<br />

„depression“, „psychoasthenia“ und „schizophrenia“ die höchsten Ausprägungen. Die<br />

höchsten Werte der Anorektikerinnen mit Bulimie lagen auf den Skalen „depression“<br />

und „schizophrenia“. Die erlangten Codes lassen sich nach Newmark (1979) wie folgt<br />

interpretieren: Der Code 42/24 für Bulimikerinnen wird assoziiert mit geringer<br />

Impulskontrolle, chronischer Depression, übertriebenen Schuldgefühlen,<br />

ausagierenden Verhaltensweisen und geringer Frustrationstoleranz. Die starke<br />

Ausprägung der Skala 4 wird in Verbindung gebracht mit geringer Einsicht,<br />

Egozentrismus und schwachen interpersonellen Beziehungen. Der 24/248 Code der<br />

bulimischen Anorektikerinnen steht für erhöhte Reizbarkeit und Entfremdung. Die<br />

Patientinnen sind sehr misstrauisch, haben aber ein großes Bedürfnis nach<br />

Zuneigung. Suizidgedanken und sexuelle Konflikte sind typisch für diese<br />

Personengruppe.


19<br />

Bei allen Gruppen scheint es sich um feindselig-ärgerliche Frauen zu handeln, die<br />

ihre Gefühle nicht direkt ausdrücken können.<br />

Mizes (1988) verglich in einer Untersuchung die Persönlichkeitseigenschaften<br />

bulimischer Patientinnen mit denen gesunder Kontrollpersonen anhand<br />

verschiedener Selbstbeschreibungsbögen, zum Beispiel „The Irrational Beliefs Test“<br />

(IBT, Jones, 1968). Bulimikerinnen waren ängstlicher, depressiver und<br />

eingeschränkter in der Einschätzung von Körperschemata. Irrationale Denkmuster<br />

waren verstärkt ausgeprägt. Sowohl das Bedürfnis nach Anerkennung als auch die<br />

Hilflosigkeit waren stark mit Bulimie verknüpft. Als zusätzliche irrationale Gedanken<br />

traten verstärkt emotionale Unverantwortlichkeit, was bedeutet, dass Situationen als<br />

emotionsauslösend angesehen werden, überängstliche Unruhe und<br />

Problemvermeidung auf. Es konnte gezeigt werden, dass die Bulimikerinnen das<br />

Gewicht und eine rigide Selbstkontrolle stärker mit dem Selbstwert in<br />

Zusammenhang bringen als die gesunden Kontrollpersonen.<br />

Ein Mangel an Selbstbehauptung, Unbehagen in sozialen Situationen und sexuelle<br />

Sorgen konnten nicht mit der bulimischen Symptomatik in Verbindung gebracht<br />

werden.<br />

In einem zusammenfassenden Überblick von Vitousek und Manke (1994) werden<br />

verschiedene Studien mit unterschiedlichen Erhebungsinstrumenten berücksichtigt.<br />

Bulimische Anorektikerinnen weisen höhere Werte bezüglich Geselligkeit und<br />

affektiver Labilität auf im Vergleich zu restriktiven anorektischen Patientinnen. Nach<br />

Symptomausbruch erreichen sie höhere Werte an Externalität und negativen<br />

Emotionen.<br />

Die Beschreibung normalgewichtiger bulimischer Patientinnen hinsichtlich<br />

charakteristischer Persönlichkeitsmerkmale ist nicht ganz so eindeutig. Eine<br />

Erklärungsmöglichkeit wäre, dass sich die Entwicklung bulimischen Verhaltens auf<br />

zwei Mechanismen zurückführen lässt. Der eine Typ ist durch Enthemmung und<br />

affektive Instabilität charakterisierbar. Die Essattacken und die gegenregulatorischen<br />

Maßnahmen dienen der Regulation unerträglicher Spannungszustände, Ärger und<br />

Fragmentation. Bei dem anderen Typus könnten sich bulimische Symptome durch<br />

Diätverhalten entwickeln. Das Überessen ist das Resultat wiederholter misslungener<br />

Versuche, ein kulturell wünschenswertes Gewicht zu erlangen. Gegenregulatorische


20<br />

Maßnahmen werden zur Verringerung der Schuld und zur Verhinderung einer<br />

Gewichtszunahme ergriffen.<br />

1.3. Epidemiologie<br />

Aufgrund unterschiedlicher methodischer Kriterien und untersuchter Stichproben<br />

berichten eine Vielzahl von Erhebungen zur Prävalenzrate der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

abweichende Ergebnisse (Fichter, 1985; Pudel & Westenhöfer, 1998).<br />

Die Schätzungen reichen von 2% <strong>bei</strong> Klienten einer Familienberatungsstelle (Cooper<br />

& Fairburn, 1983, zit.n. Pudel & Westenhöfer, 1998) bis zu 20% <strong>bei</strong> universitären<br />

Stichproben (Halmi, Falk und Schwartz, 1981, zit.n. Fichter, 1985).<br />

In der Allgemeinbevölkerung wird die Prävalenz für Frauen im Alter von 15 bis 35<br />

Jahren mit 2-4% angegeben (Fichter, 1991). Bei männlichen Patienten wird die<br />

Prävalenz auf 3-12,8% geschätzt (Fichter & Hoffmann, 1989).<br />

Für die Bundesrepublik wurde die Prävalenz auf 2,4% geschätzt, wo<strong>bei</strong> keine<br />

Unterschiede zwischen Männern und Frauen gefunden wurden (Pudel &<br />

Westenhöfer, 1998).<br />

1.4. Komorbidität<br />

Die bulimische Symptomatik tritt selten allein auf. Häufig sind die Patientinnen von<br />

„anderen psychopathologischen Auffälligkeiten bis hin zu komorbiden psychischen<br />

Störungen“ betroffen (Köppe & Tuschen-Caffier, 2002, S.48).<br />

1.4.1 Affektive Erkrankungen<br />

Die Angaben der Lebenszeitprävalenz für eine „Major Affective Disorder“ <strong>bei</strong><br />

vorliegender <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> reichen von 36-92% (Fichter, 1989).<br />

In der Untersuchung von Köppe und Tuschen-Caffier (2002) wurde das Auftreten<br />

zusätzlicher psychischer Störungen <strong>bei</strong> Bulimiepatientinnen und <strong>bei</strong> Patientinnen mit<br />

einer Panikstörung mit Agoraphobie verglichen. Es zeigte sich, dass <strong>bei</strong> den


21<br />

Bulimikerinnen die Major Depression mit 22% am häufigsten diagnostiziert wurde,<br />

gefolgt von der dysthymen Störung mit 5%.<br />

1.4.2 Angsterkrankungen<br />

1.4.2.1 Zwangsstörungen<br />

In der Literatur finden sich unterschiedliche Angaben zur Häufigkeit von<br />

Zwangsstörungen <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen. Laessle et al. (1989) berichten in<br />

ihrer Untersuchung eine Lebenszeitprävalenz von 13% für Bulimikerinnen mit einer<br />

Anorexia <strong>Nervosa</strong> in der Vorgeschichte und 18,5% für bulimische Patientinnen.<br />

In einer Studie von Thiel, Ohlmeier, Jacoby und Schüßler (1995) wiesen 49,5% einer<br />

bulimischen und anorektischen Stichprobe Symptome auf, die als Zwangsstörung<br />

diagnostiziert werden konnten. Diese Zwangssymptome beziehen sich allerdings<br />

nicht auf das Essverhalten und die Gewichtsregulation. Kontrollzwänge waren mit<br />

38,7% am häufigsten zu finden, gefolgt von Zwangsgedanken mit 29,0% und<br />

Waschzwängen mit 10,8%.<br />

1.4.2.2 Angststörungen<br />

Auch Angststörungen treten <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen gehäuft auf. Schwalberg,<br />

Barlow, Alger und Howard (1992) berichten Lebenszeitprävalenzen für eine oder<br />

mehrere Angststörungen von 75% <strong>bei</strong> Bulimikerinnen. Die Generalisierte<br />

Angststörung stellt da<strong>bei</strong> mit einer Prävalenz von 55% die häufigste Diagnose dar,<br />

gefolgt von der sozialen Phobie mit 45%.<br />

Laessle, Wittchen, Fichter & Pirke (1989) haben in ihrer Untersuchung eine<br />

Lebenszeitprävalenz von 56,5% für soziale Phobie <strong>bei</strong> Bulimikerinnen mit Anorexia<br />

<strong>Nervosa</strong> in der Vorgeschichte gefunden sowie eine von 48,1% für bulimische<br />

Patientinnen ohne anorektische Vorgeschichte. Laut Krüger, Reich, Buchheim und<br />

Cierpka (2001) treten soziale Phobien häufig schon vor der Herausbildung der<br />

Bulimie auf.


22<br />

1.4.3 Persönlichkeitsstörungen<br />

Die Bestimmung der Prävalenzraten für Persönlichkeitsstörungen <strong>bei</strong> essgestörten<br />

Patientinnen ist problematisch. In der Literatur sind widersprüchliche Ergebnisse zu<br />

finden, die laut Godt (2002) auf Populationscharakteristika und Diagnosekriterien für<br />

Persönlichkeitsstörungen zurückzuführen sind.<br />

In der Untersuchung von Godt (2002) wurde <strong>bei</strong> 38,3% der bulimischen Patientinnen<br />

mindestens eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Die höchsten Prävalenzwerte<br />

waren <strong>bei</strong> der Vermeidenden mit 18,5%, gefolgt von der Abhängigen<br />

Persönlichkeitsstörung mit 13,6% zu finden. Beide sind dem Cluster C (ängstlichvermeidend)<br />

zuzuordnen.<br />

In einer Untersuchung von Marañon, Echeburúa und Grijalvo (2004) wiesen 51% der<br />

Patientinnen mit Anorexia <strong>Nervosa</strong> und <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> die Kriterien für mindestens<br />

eine Persönlichkeitsstörung auf. Für bulimische Patientinnen wurden mit 28,6% am<br />

häufigsten Störungen des Cluster C diagnostiziert. Die verbreitetste Störung ist die<br />

Borderline-Persönlichkeitsstörung mit 23,8%, gefolgt von der vermeidenden<br />

Persönlichkeitsstörung mit 19%.<br />

In einer Studie von Carroll, Touyz und Beumont (1996) wurde eine Unterscheidung<br />

zwischen bulimischen Patientinnen mit und ohne bestehender Diagnose einer Major<br />

Depression vorgenommen, um den Einfluss der Depression auf die Prävalenz von<br />

Persönlichkeitsstörungen <strong>bei</strong> Bulimie zu untersuchen. Bei 46,7% der bulimischen<br />

Patientinnen mit bestehender Depression und <strong>bei</strong> 33,3% der Bulimikerinnen ohne<br />

Depression wurde wenigstens eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Dieser<br />

Unterschied zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen ist statistisch nicht signifikant. Bei 20% der<br />

bulimischen Personen wurde die nicht näher spezifizierte Persönlichkeitsstörung<br />

diagnostiziert, gefolgt von der Borderline- und der Vermeidenden<br />

Persönlichkeitsstörung mit jeweils 10%.<br />

Skodol, Oldham, Hyler, Kellman, Doidge und Davies (1993) untersuchten den<br />

Zusammenhang zwischen Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen, wo<strong>bei</strong> eine<br />

Einteilung der PatientInnen hinsichtlich stationär und ambulant sowie aktuell<br />

vorliegender und lebenszeitlicher Geschichte einer Essstörung vorgenommen wurde.


23<br />

Insgesamt wurden <strong>bei</strong> 59% der essgestörten PatientInnen eine oder mehrere<br />

Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert, wo<strong>bei</strong> die Rate für stationäre PatientInnen<br />

<strong>bei</strong> 74% lag im Vergleich zu 54% <strong>bei</strong> den ambulanten PatientInnen. Es wurde ein<br />

starker Zusammenhang zwischen <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> und der Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung gefunden (OR: 5.2), sowohl <strong>bei</strong> akuter als auch <strong>bei</strong><br />

lebenszeitlicher Bulimie. Diese Beziehung blieb auch nach Entfernen des Binge-<br />

Eating -Kennzeichen der Impulsivität- als Klassifikationskriterium für eine Borderline-<br />

Persönlichkeitsstörung bestehen. Eine Verbindung zu der Vermeidenden<br />

Persönlichkeitsstörung wurde <strong>bei</strong> der lebenszeitlichen nicht aber der aktuell<br />

vorliegenden <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> gefunden.<br />

1.4.4 Substanzmissbrauch<br />

Schwierigkeiten <strong>bei</strong> der Schätzung der Prävalenz des Substanzmissbrauchs <strong>bei</strong><br />

essgestörten Patientinnen können auftreten durch die verschiedenen<br />

Diagnosekriterien für <strong>bei</strong>de Störungen (Holderness, Brooks-Gunn und Warren,<br />

1994). Die Lebenszeitprävalenz von Substanzmissbrauch variiert in verschiedenen<br />

Studien von 9 bis 55% (Mitchell, Specker und de Zwaan, 1991).<br />

Umgekehrt scheint es so zu sein, dass Patientinnen mit einer Suchtproblematik<br />

verstärkt bulimische Symptome aufweisen. Mitchell et al. (1991) fanden in<br />

verschiedenen Untersuchungen <strong>bei</strong> 26-40% der alkoholabhängigen Frauen eine<br />

Essstörung.


24<br />

2. Ätiologische Modelle<br />

2.1 Psychodynamische Überlegungen<br />

Bulimie wird aus psychoanalytischer Sicht als elaborierte habitualisierte<br />

Impulshandlung angesehen (Habermas, 1990). Diese bulimische Impulshandlung<br />

wird genutzt, um mit innerseelischen Spannungen mittels dinglicher Objekte<br />

umzugehen. Diese intrapsychischen Spannungen sind das Resultat eines<br />

tiefergehenden Identitätskonfliktes zwischen idealen und defekten Selbstanteilen<br />

(Reich, 1997; Schupak-Neuberg & Nemeroff, 1993). Dieser Konflikt äußert sich in<br />

einem Wechsel von Ich-Syntonizität und Ich-Dystonizität. Häufig werden der Körper<br />

oder Teile des Körpers als defekt empfunden, was sich durch eine Verschiebung<br />

eines tiefgehenden Erlebens von Makel (vom psychischen Selbst) auf die<br />

Körperwahrnehmung erklären lässt.<br />

Es scheint eine Störung der oralen Entwicklungsphase vorzuliegen, als deren<br />

Auslöser häufig eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung angesehen wird (Herpertz,<br />

2001). Die Bulimie wird als Störung der Selbstentwicklung verbunden mit einer<br />

Verletzung des labilen Selbstwertgefühls betrachtet, die mit einer frühkindlichen<br />

Deprivation oder Überprotektion zusammenhängt (Uexküll, 1996). Relevant für das<br />

psychoanalytische Pathogeneseverständnis sind die Oralität und frühkindliche<br />

Objektbeziehungen, die Einverleibung und die Elimination inkorporierter Objekte.<br />

Durch eine Fixierung in der oralen Phase wird am Essen als dem wichtigsten<br />

Kommunikationsmittel der ersten Lebensjahre festgehalten. In der Pubertät und<br />

Adoleszenz kann es zur Überforderung durch anstehende Forderungen nach<br />

Kompromissbildung zwischen Triebgeschehen und Realitätsprinzip kommen. Der<br />

bulimischen Symptomatik wird nun eine Regulationsfunktion der Objektbeziehungen<br />

zugeschrieben.<br />

Der zentrale Affekt der Bulimie scheint die Scham zu sein (Reich, 1997). Scham wird<br />

verstanden als eine spezifische Form der Angst, „die durch die drohende Gefahr der<br />

Bloßstellung, Demütigung und Zurückweisung hervorgerufen wird“ (Wurmser, 1993,<br />

S.74). Primär bezieht sie sich auf den eigenen Körper, der als zu groß, schwer und<br />

unattraktiv empfunden wird. Ein zweites Schamgefühl geht mit der mangelnden


25<br />

Kontrolle der eigenen Gier einher, die mit Fortschreiten der Heißhungeranfälle in<br />

einen tatsächlichen Verlust der Selbstkontrolle mündet und als immer schamvoller<br />

erlebt wird (Habermas, 1990).<br />

Schamangst bestätigt und verstärkt sich selbst und führt so „besonders leicht zu<br />

traumatischer Mobilisierung und Kontrollverlust“ (S.83). Nach Wurmser (1993) sind<br />

die Essstörungen zum Schamsyndrom zu zählen.<br />

Reich (1997) hat versucht, die unterschiedlichen Aspekte in ein Entstehungsmodell<br />

der Bulimie zu integrieren (Abb.1).


26<br />

Abb. 1: Integriertes Entstehungsmodell der Bulimie nach Reich (1995,<br />

modifiziert)<br />

biogenetisch<br />

(Risiko für affektive Störung)<br />

familiär<br />

offene Konflikte<br />

Ideal der Stärke, Leistungsund<br />

Außenorientierung<br />

soziokulturell<br />

Rollenkonflikte<br />

Schlankheitsideal<br />

Persönlichkeitsstruktur<br />

Identitätskonflikte<br />

Intimitätswünsche<br />

Stimmungsschwankungen<br />

Impulsivität<br />

soziale Unsicherheit<br />

Angst vor: Kontrollverlust<br />

Überwältigung<br />

Beschämung<br />

Entwertung<br />

Phantasie des "defekten Selbst"<br />

Ich-Ideal:<br />

Leistung/ Autonomie/<br />

Kontrolle/ Stärke<br />

affektive Instabilität<br />

Zurückweisungen<br />

Versagen (sangst)<br />

starke Affekte<br />

Trennung/ Verlust<br />

Affekt- und Konfliktabwehr<br />

Verleugnung, Identifizierung m.d. Aggressor,<br />

Verkehrung ins Gegenteil, Affektblockierung<br />

Verschiebung auf Körper/ Aussehen<br />

Streben nach Schlankheit<br />

(= Kontrolle/Aktivität = Stärke/Leistung = soziales Ansehen)<br />

(Essen = Regression, Kontrollverlust, Schwäche, Beschämung)<br />

Dysfunktionales Essverhalten<br />

Diätversuche<br />

Völlegefühl<br />

Angst vor Kontrollverlust<br />

Angst vor Entdeckung<br />

Scham, Schuld, Ekel<br />

Essanfall<br />

Regression (<strong>bei</strong> Autonomie)<br />

Spannungsregulierung/Zuwendung<br />

erotisierte/ aggressive/<br />

autoaggressive Handlung<br />

kognitive Einengung/ Diffusion<br />

Affektblockierung<br />

Fasten/ Erbrechen<br />

Kontrolle<br />

Reinigung/ Ungeschehenmachen<br />

erotisierte/ aggressive/ autoagressive<br />

Handlung<br />

Spannungsregulierung


27<br />

Wardetzki (1991) geht davon aus, dass der bulimischen Essstörung eine<br />

narzisstische Störung zugrunde liegt, die eine Beeinträchtigung des Selbsterlebens,<br />

des Selbstwertgefühls bzw. der Selbstliebe darstellt. Sie beschreibt, dass eine<br />

narzisstische Spaltung, ausgehend vom Konzept der horizontalen und vertikalen<br />

Spaltung (Kohut), zum Herausbilden einer <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> <strong>bei</strong>trägt. Die Spaltung als<br />

Abwehrmechanismus vollzieht sich als Folge mangelhaft erfüllter kindlicher Wünsche<br />

und Bedürfnisse in den ersten 18 Lebensmonaten. Die Gefühle, die diese Wünsche<br />

begleiten, umfassen Kränkung und Wut wegen der Unerfüllbarkeit dieser Ansprüche,<br />

aber auch Leere, Panik und Hohlheit, was mit dem Erleben von Nichtigkeit,<br />

Schwäche und Zerfall verbunden sein kann.<br />

Bei bulimischen Patientinnen werden häufig Gefühle wie Wut und Schmerz, aber<br />

auch Lust, abgespalten und sind so nur schwer zugänglich. Die unterdrückten<br />

Gefühle, Wünsche und Bedürfnisse etablieren sich im „wahren“ Selbsterleben.<br />

Statt des „wahren“ Selbst wird ein „falsches“ Selbst gelebt, das durch ein Pendeln<br />

zwischen Grandiosität und Minderwertigkeit, verbunden mit Depression,<br />

gekennzeichnet ist.<br />

In Momenten von Einsamkeit werden die Sehnsucht nach Menschen und das<br />

Bedürfnis nach Nähe besonders stark empfunden. Mittels Essen und Erbrechen<br />

werden diese unangenehmen Gefühlszustände reguliert. Aufgrund fehlender<br />

Fähigkeiten zur Selbsttröstung stehen keine adäquaten Alternativen zur Verfügung.<br />

Indem die Patientinnen der verachtenswerten Lust nach- und sich dem Essen<br />

hingeben, fühlen sie sich in ihren Minderwertigkeitsgefühlen bestätigt. Durch das<br />

Erbrechen erfolgen eine Bestrafung und eine Wiederherstellung des Ideals.<br />

Die Ess-Brech-Sucht scheint das oberflächliche Symptom einer zugrunde liegenden<br />

Selbstwert- und Beziehungsstörung zu sein (Wardetzki, 1991).


28<br />

2.2 Funktionale Analyse der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Affekte und Emotionen spielen in verschiedenen theoretischen Modellen zur<br />

Entstehung und Aufrechterhaltung der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> eine wichtige Rolle. Durch<br />

das symptomatische Binge-Eating- und Purging-Verhalten sollen Affekte reguliert<br />

werden. Das führt insgesamt zu einer Verringerung des negativen Affektes.<br />

2.2.1 Bingeing als Konsequenz des Essverhaltens<br />

Das Modell von Peter Slade (1982) bezieht sich auf einen Subtypen der <strong>Bulimia</strong><br />

<strong>Nervosa</strong>, der aus früherer Anorexia <strong>Nervosa</strong> entsteht. Anorektische<br />

Verhaltensweisen führen zu einer physiologischen Deprivation. Dadurch können<br />

Signale ans Gehirn gesendet werden, die als Begierde nach Essen interpretiert<br />

werden können. Dies kann zu einem Kontrollverlust <strong>bei</strong> der Nahrungsaufnahme<br />

<strong>bei</strong>tragen. Slade zufolge kann eine Enthemmung der restriktiven Nahrungsaufnahme<br />

auch auftreten durch eine stationäre Aufnahme der Patientinnen aufgrund des<br />

geringen Körpergewichts, wo der Widerstand gegen das Essen verringert werden<br />

soll. Dieser Kontrollverlust sei Resultat aus internalen biologischen und externalen<br />

Umgebungszwängen. <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> entsteht, wenn nach Essanfällen statt des<br />

Hungerns andere Gewichtsregulationsmethoden zum Einsatz kommen, wie<br />

selbstinduziertes Erbrechen. Positiv verstärkt werden diese Verhaltensweisen durch<br />

die wieder gewonnene Kontrolle über die Körperfunktionen. Einen negativen<br />

Verstärker stellt die Vermeidung von Gewichtszunahme dar. Die generelle<br />

Vermeidung anderer Probleme ist ein weiterer Faktor zur Aufrechterhaltung<br />

bulimischen Verhaltens.<br />

Als zweiten möglichen Ausgangspunkt für die Entstehung bulimischer<br />

Verhaltensweisen sieht Slade andere psychologische Faktoren, die er allerdings<br />

nicht näher spezifiziert.<br />

In dem kognitiv-behavioralen Modell von Fairburn und Cooper (1989) werden<br />

kognitive Störungen als zentraler Aspekt der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> angesehen. Das<br />

geringe Selbstwertgefühl der Patientinnen ergibt sich aus der eingeschränkten


29<br />

Bewertung der eigenen Person in Abhängigkeit vom Essen, der Figur und dem<br />

Gewicht. Das geringe Selbstwertgefühl führt zu einer übermäßigen Beschäftigung mit<br />

der Figur und dem Gewicht. In Zusammenhang mit extremem Perfektionismus kann<br />

daraus ein sehr strenges Diätverhalten resultieren. Als Folge des Hungerns können<br />

Heißhungerattacken auftreten, die die bulimischen Patientinnen zu<br />

kompensatorischen Strategien motivieren. Als wichtiger aufrechterhaltender Faktor<br />

wird das geringe Selbstwertgefühl -verbunden mit einer negativen Bewertung der<br />

eigenen Person- angesehen, was durch den Kontrollverlust während des Essanfalls<br />

und anschließender Kompensation verstärkt wird.<br />

2.2.2 Bingeing als Konsequenz emotionaler Schwierigkeiten<br />

Die zentrale Hypothese des „Escape-Modells“ von Heatherton und Baumeister<br />

(1991) ist, dass Binge-Eating als Versuch verstanden werden kann, der<br />

Selbsterfahrung zu entfliehen.<br />

Eine aversive Selbstaufmerksamkeit entsteht der Theorie zufolge durch den<br />

Vergleich des Selbst mit den unrealistisch hohen Erwartungen an die eigene Person.<br />

Diese hohen Standards beziehen sich auf das Dünn sein, Erfolgserwartungen,<br />

Tugendhaftigkeit und Popularität. Infolge der Unerreichbarkeit der eigenen<br />

Anforderungen, werden dem Binge-Eater die Unzulänglichkeiten der eigenen Person<br />

bewusst, was zu Angst oder Depression führen kann. Zur Vermeidung dieser<br />

negativen Emotionen kommt es zu einer Einengung der Selbstaufmerksamkeit auf<br />

momentane Stimuli, so dass beunruhigende Gedanken über das Selbst oder die<br />

eigene Identität ausgeblendet werden können.<br />

Folgen dieser kognitiven Verengung sind Enthemmung, z.B. bezüglich des<br />

Essverhaltens, und eine Vulnerabilität für irrationale Gedanken.<br />

Essanfälle entstehen der Theorie zufolge durch eine Enthemmung des<br />

Essverhaltens, die aus einer kognitiven Einengung resultiert, welche als Konsequenz<br />

des Wunsches nach Flucht vor aversiver Selbstaufmerksamkeit angesehen werden<br />

kann.<br />

Andere Modelle betonen ebenfalls die Reduktion negativer emotionaler Zustände als<br />

wichtigen Beitrag zur Genese bulimischer Heißhungeranfälle. Lacey (1986) sieht in


30<br />

seinem „Interpersonellen Stressmodell“ die Funktion des Erbrechens in einer<br />

Reduktion von Schuldgefühlen (zit.n. Fichter, 1989). Rosen und Leitenberg (1982)<br />

vertreten den Ansatz, dass mittels selbstinduziertem Erbrechen die morbide Angst<br />

der Bulimikerinnen vor einer Gewichtszunahme verringert wird.<br />

2.2.3 Integrative Modelle<br />

McManus und Waller (1995) versuchen in ihrer „Funktionalen Analyse des Binge-<br />

Eating“ die Aspekte der zuvor skizzierten Theorien zu integrieren. Sie sind der<br />

Meinung, dass Aspekte der Heißhungerattacke sowohl als Konsequenz des<br />

Essverhaltens als auch als Resultat emotionaler Schwierigkeiten für ein breiteres<br />

Verständnis des Bingeing in die Analyse einbezogen werden sollten.<br />

Die Autoren gehen davon aus, dass Binge-Eating aus einer Reihe prädisponierender<br />

Faktoren und spezifischer Anreize entsteht. Aufrechterhaltende Faktoren der<br />

Heißhungeranfälle stellen da<strong>bei</strong> die kurzfristigen und langfristigen Konsequenzen dar<br />

(Abb. 2).<br />

Die zeitlich distalen Antezedenzen werden von den Autoren als prädisponierende<br />

Faktoren bezeichnet. Diese sensibilisieren die Person im Vorfeld für jegliche Form<br />

psychischer Schwierigkeiten oder für einige spezifische Auslöser des Bingeing.<br />

Solche Faktoren sind zum Beispiel eine generelle Unzufriedenheit mit sich und dem<br />

Leben (Slade, 1982) oder die Existenz soziokultureller Schlankheitsideale. Negative<br />

Lebenserfahrung verstärkt die allgemeine Unzufriedenheit, die durch ein geringes<br />

Selbstwertgefühl, Gefühle der Unzulänglichkeit und selbstabwertende Gedanken<br />

gekennzeichnet ist.<br />

Perfektionistische Standards, auch vermittelt durch die elterliche Erziehung,<br />

konfligierende Vorbilder oder spezifische traumatische Erlebnisse in der<br />

Vorgeschichte können weitere Faktoren zur Erhöhung der Unzufriedenheit darstellen.<br />

Zur Steigerung des Selbstwertgefühls werden von den betroffenen Personen<br />

maladaptive Copingstrategien eingesetzt. Diätverhalten scheint eine gern gewählte<br />

Alternative zu sein, besonders <strong>bei</strong> Personen mit einer Neigung zur Überidentifikation<br />

mit dünnen Vorbildern. Hohe Ausprägungen an Perfektionismus können <strong>bei</strong> den


31<br />

betroffenen Personen zu gesteigerten Bedürfnissen nach Kontrolle führen, die<br />

ihrerseits eine Verringerung der Nahrungsaufnahme zur Folge haben können. Diese<br />

Beziehung wird ebenfalls von Beebe (1994) in einem integrativen Entstehungsmodell<br />

der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> postuliert. Pudel und Westenhöfer (1998) zufolge kann diese<br />

Zügelung des Essverhaltens, zum Beispiel <strong>bei</strong>m Eintreten in die Pubertät, als<br />

Versuch interpretiert werden, wenigstens in einem Bereich des Lebens die Kontrolle<br />

zu behalten.<br />

Die Fähigkeit zur Dissoziation wird als weiterer prädisponierender Faktor diskutiert.<br />

Es wird angenommen, dass Personen mit der Neigung, schwierige emotionale<br />

Erlebnisse abzuspalten, auch zu anderen impulsiven Verhaltensweisen tendieren,<br />

Binge-Eating eingeschlossen (Carlson & Putnam, 1993; Everill, Waller & Macdonald,<br />

1995). Lacey und Evans (1986) nehmen einen Zusammenhang zwischen Impulsivität<br />

und Schwierigkeiten <strong>bei</strong> der Bewältigung depressiver Emotionen und Angst an.<br />

Dissoziation könnte in Verbindung mit negativem Affekt und in Ermangelung<br />

alternativer Copingstrategien zu impulsivem Verhalten führen. Bingeing wird als die<br />

wahrscheinlichste Alternative angesehen, wenn auch andere der genannten<br />

prädisponierenden Faktoren gegeben sind.<br />

Spezifische Trigger werden als zeitlich nähere Voraussetzungen des Bingeing<br />

beschrieben, die diese Episoden bulimischen Verhaltens unmittelbar her<strong>bei</strong>führen.<br />

Bei dem ersten spezifischen Auslöser handelt es sich um das „Food Craving“, was<br />

durch extreme Anstrengungen zur Gewichtskontrolle her<strong>bei</strong>geführt werden kann.<br />

Polivy und Herman (1985) zufolge geht Diätverhalten dem Binge-Eating zeitlich<br />

voraus und verursacht es durch kognitiv geregeltes Essverhalten. Eine Vulnerabilität<br />

für eine Enthemmung und darauf folgendes Überessen scheint sich aus der<br />

kognitiven Kontrolle der physiologischen Regulation zu ergeben.<br />

Der zweite spezifische Trigger scheint das Bedürfnis zur Flucht vor aversiver<br />

Selbstaufmerksamkeit und negativem Affekt zu sein, wo<strong>bei</strong> dies moduliert wird durch<br />

die Stärke des affektiven Zustands und der zur Verfügung stehenden<br />

Bewältigungsmechanismen. Aufgrund einer undifferenzierten Wahrnehmung der<br />

eigenen Gefühle können Anspannungen nicht rechtzeitig erkannt werden, so dass<br />

keine adäquaten Strategien zur Spannungsreduktion zum Einsatz kommen (Pudel &<br />

Westenhöfer, 1998).


32<br />

Die Konsequenzen des Binge-Eating werden in kurzfristige und langfristige Folgen<br />

unterteilt.<br />

Ein extrem verstärkender und aufrechterhaltender Faktor ist die Reduktion des<br />

negativen Affektes. Des Weiteren verringert das Bingeing sofort das „Food Craving“.<br />

Das selbstzerstörerische Verhalten wird verstärkt durch eine kurzfristige Befriedigung<br />

<strong>bei</strong>der spezifischer Anreize für das Bingeing.<br />

Als langfristige Konsequenzen werden Gefühle wie Schuld, Ekel und Kontrollverlust<br />

diskutiert, die durch Binge-Eating verstärkt empfunden werden. Das Bingeing führt<br />

somit zu weiteren Anstrengungen zur Gewichtskontrolle, niedrigem Selbstwertgefühl<br />

und negativem Affekt. Durch ihre Rückwirkung auf die ursprünglichen Antezedenzen<br />

der Essattacke dienen die langfristigen Folgen als aufrechterhaltende Faktoren.


33<br />

Abb. 2: Funktionale Analyse des Binge-Eating nach Mc Manus und Waller<br />

(1995)<br />

Spezifisches Trauma<br />

Dissoziativer Stil und<br />

wenig<br />

Copingalternativen<br />

Fam. Einfluss; kaum<br />

Copingmechanismen,<br />

perfektionistische<br />

Standards,<br />

konfligierende<br />

Vorbilder<br />

Negative<br />

Lebenserfahrung<br />

Allgemeine Unzufriedenheit- Prädisposition auf<br />

negative Lebensereignisse mit maladaptiven<br />

kognitiven und emotionalen Strategien zu<br />

reagieren; Gefühl der Unzulänglichkeit und<br />

niedriges Selbstwertgefühl<br />

Bedürfnis<br />

nach<br />

Kontrolle<br />

Soziokulturelle,<br />

familiäre Ideale<br />

hinsichtl. Gewicht und<br />

Figur<br />

Überidentifikation mit<br />

dünnen Vorbildern<br />

Beschränkung der<br />

Nahrungsaufnahme<br />

und des Gewichts<br />

Anreize für<br />

Diätverhalten<br />

Zunahme<br />

Weitere<br />

Traumata<br />

Negativer Affekt/<br />

Selbstabwertung<br />

Bedürfnis vor<br />

negativem Affekt zu<br />

fliehen/ Dissoziation<br />

Kurzfristige Abnahme<br />

Langfristig:<br />

Food craving und<br />

Druck von anderen zu<br />

essen<br />

Kurzfristig:<br />

Gefühl der Kontrolle<br />

und positives<br />

Selbstbild<br />

Langfristige Zunahme<br />

Reduzierte/ enthemmte<br />

Hemmung auf das<br />

Essverhalten<br />

Binge Eating<br />

Negative Verstärkung<br />

Langfristig:<br />

a. wahrgenommener Verlust<br />

emotionaler Kontrolle<br />

b. Angst vor<br />

Gewichtszunahme<br />

Kurzfristig:<br />

Abnehmender negativer<br />

Affekt und abnehmender<br />

Hunger<br />

Legende:<br />

Sinkender<br />

Selbstwert<br />

Weitere Bestrebungen der<br />

Gewichtskontrolle<br />

(Purging)<br />

Prädisponierende<br />

Faktoren<br />

Anreize für das<br />

Binge Eating<br />

Konsequenzen


34<br />

3. <strong>Affektregulation</strong><br />

3.1 Definition<br />

Die Definitionsversuche, die sich in der Literatur zu Emotionen finden lassen, sind<br />

sehr heterogen. Carlson und Hatfield (1992) meinen, dass Psychologen dazu<br />

tendieren, in ihrer Definition die Aspekte von Emotionen zu betonen, die sie<br />

interessieren (zit.n. Schmidt-Atzert, 1996).<br />

Schmidt-Atzert schlägt eine Ar<strong>bei</strong>tsdefinition für den Begriff Emotion vor: Eine<br />

Emotion ist ein qualitativ näher beschreibbarer Zustand, der mit Veränderungen auf<br />

einer oder mehreren der folgenden Ebenen einhergeht: Gefühl, körperlicher Zustand<br />

und Ausdruck.<br />

Ein der Emotion verwandtes Konstrukt ist das des Affektes. Im Deutschen wird<br />

darunter meist eine kurze und heftige Emotion verstanden. Im DSM wird der Affekt<br />

definiert als ein von außen beobachtbares Verhaltensmuster, das Ausdruck eines<br />

zeitlich begrenzten subjektiven Gefühlszustandes ist „und sich in deutlichen<br />

Veränderungen des Gesichtsausdrucks sowie der Stimmführung und<br />

Bewegungsweise“ zeigt (Fröhlich, 2000).<br />

Der englische Begriff „affect“ wird gelegentlich synonym für Emotion oder Gefühl<br />

verwendet. Er kann auch definiert sein als das Erleben von Lust oder Unlust, ohne<br />

eine weitere Differenzierung der Gefühlsqualitäten (Schmidt-Atzert, 1996).<br />

3.2 Emotionstheorien<br />

Schachter und Singer (1962) nehmen an, dass die Emotion aus einer<br />

physiologischen Erregung und einer kognitiven Bewertung oder Beurteilung der<br />

Situation resultiert, die durch die Erregung entstanden ist. Ein emotionaler Zustand<br />

kann als Funktion eines physiologischen Erregungszustands und einer für diesen<br />

Erregungszustand „passenden“ Kognition angesehen werden (Schachter, 1964, zit.n.<br />

Meyer et al. 1993). Die Qualität des erlebten Gefühls ist abhängig von der Bewertung<br />

der jeweiligen Situation durch das Individuum, nicht aber von der aus der<br />

physiologischen Erregung herrührenden Empfindung. Die Intensität der Emotion wird<br />

hingegen determiniert durch die physiologische Erregung. Durch die kognitive<br />

Interpretation der Erregung differenziert sich aus dem unspezifischen


35<br />

Erregungsmuster einer der qualitativ unterscheidbaren emotionalen Zustände<br />

heraus.<br />

William James geht in seinem introspektionistischen Ansatz davon aus, dass die<br />

körperlichen Veränderungen den Emotionen vorausgehen und dass die Emotion das<br />

Empfinden der körperlichen Veränderungen darstellt. In der alltäglichen Auffassung<br />

werden die <strong>bei</strong> Emotionen auftretenden körperlichen Reaktionen als Folgen der<br />

Perzeption der Emotion angesehen (Meyer et al., 1993). Nach James weinen wir<br />

nicht, weil wir traurig sind, sondern wir sind traurig, weil wir weinen.<br />

Die differentielle Emotionstheorie von Izard (1977) soll etwas ausführlicher dargestellt<br />

werden, da sie die Genese und Funktion einzelner Emotionen berücksichtigt.<br />

In dieser Theorie werden Emotionen nicht nur als das Hauptmotivationssystem<br />

angesehen, sondern als die Persönlichkeitsprozesse, die der menschlichen Existenz<br />

Sinn und Bedeutung verleihen. Die drei wichtigen Komponenten der Emotion sind die<br />

Aktivität des zentralen und somatischen Nervensystems, das Feedback des<br />

Gesichtsausdrucks und das subjektive Erleben.<br />

Izard (1994) spricht von zehn fundamentalen Emotionen, die jeweils durch eine<br />

spezifische, von der Natur aus festgelegte neurale Grundlage, einen<br />

charakteristischen mimischen Ausdruck und eine eigene subjektive oder<br />

phänomenologische Qualität gekennzeichnet sind.<br />

Izard (1994) teilt die von ihr postulierten zehn primären Emotionen in<br />

unterschiedliche Kategorien ein. Das Interesse ist die am häufigsten erlebte positive<br />

Emotion, die durch Veränderung oder Neuheit geweckt wird und so Motivation für<br />

Lernen, für den Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie für kreatives Ar<strong>bei</strong>ten<br />

darstellt.<br />

Die reinste Freude wird <strong>bei</strong> den kreativen oder sozialen Tätigkeiten empfunden, die<br />

nicht mit dem Ziel ausgeführt werden, Gutes zu tun. Freude erleichtert die Bindung<br />

und ermöglicht somit das Entstehen zwischenmenschlicher Beziehungen.<br />

Überraschung ist die dritte positive Emotion, die als Reaktion auf ein plötzliches,<br />

unerwartetes Ereignis auftritt.<br />

Die am häufigsten erlebte negative Emotion ist der Kummer, der der Person selbst<br />

und anderen mitteilt, dass ein Problem vorliegt.


36<br />

Zorn ist das Resultat physischer oder psychischer Beschränkung oder der<br />

Beeinträchtigung <strong>bei</strong> zielgerichteten Aktivitäten. Zorn dient der Mobilisierung von<br />

Energien für die Reaktion auf Unterdrückung oder Lebensbedrohung.<br />

Durch die Emotion Ekel werden Maßnahmen zum Schutz des Individuums vor<br />

verdorbener Nahrung oder verschmutztem Wasser und zur Erhaltung einer<br />

hygienischen Umgebung aktiviert.<br />

Verachtung stellt die kälteste Emotion dar. Sie ist die Hauptemotion in der<br />

Entstehung von Vorurteilen.<br />

Die Furcht wird durch reale oder eingebildete Gefahr ausgelöst. Begleitet wird diese<br />

Emotion von Besorgnis, dem Gefühl mangelnder Sicherheit und eines drohenden<br />

Unglücks. Durch sie werden Energien aktiviert zur Flucht vor Gefahren, wo<strong>bei</strong> die<br />

extrem lähmende Furcht eine Ausnahme bildet.<br />

Die Scham führt zu einer stärkeren Befangenheit des Individuums und zu einer<br />

verstärkt auf das Selbst gerichteten Aufmerksamkeit. Das Individuum wird<br />

sensibilisiert für die Empfindungen anderer, wodurch die soziale Kohäsion verstärkt<br />

wird.<br />

Die zehnte Emotion Schuld ist das Resultat eines moralischen, ethischen oder<br />

religiösen Vergehens. Schuldgefühl kann die Basis für persönlich-soziale<br />

Verantwortung sein und kann zur Anpassung des eigenen Verhaltens an soziale<br />

Normen motivieren.


37<br />

3.3 Das Affektsystem<br />

In seinem Artikel beschreibt Krause (1982), dass kein Konsens über die Funktion und<br />

Definition der Affekte besteht. Einigkeit unter den Affektforschern herrscht<br />

dahingehend, dass sich der bewusst erlebte Affekt aus wenigstens sechs<br />

unterscheidbaren Komponenten zusammensetzt:<br />

1. der Veränderung eines internen physiologischen und möglicherweise<br />

hormonalen Zustandes;<br />

2. einer irgendwie korrelierten Veränderung eines spezifischen<br />

Ausdrucksverhaltens, sei es in der Mimik, der Stimme oder der Gestik;<br />

3. der Entstehung von Handlungsbereitschaften im motorischen System, z.B.<br />

Fluchtreaktion <strong>bei</strong> Angstzuständen;<br />

4. der Wahrnehmung dieser drei Veränderungen durch das Individuum;<br />

5. der Interpretation dieser Wahrnehmung durch das Individuum;<br />

6. der Interpretation des gesamten Verhaltens durch die Umgebung.<br />

Die Interaktion dieser Komponenten ist umstritten.<br />

Krause (1998) erläutert die Begriffe, die an den Modulen des Affektsystems beteiligt<br />

sind, in Anlehnung an verschiedene Autoren:<br />

• Unter Affekt sollen die körperlichen Reaktionen ohne bewusste Repräsentanz<br />

und Erleben derselben verstanden werden (Modul 1 bis 3, s. Abb. 3). Sie<br />

können ohne Beteiligung des Zentralnervensystems im Wesentlichen in den<br />

Hirnarealen ablaufen, die man das limbische System nennt, d.h. eine<br />

Beteiligung höherer kognitiver Funktionen ist für ihre Auslösung nicht<br />

notwendig.<br />

• Unter Gefühl soll das bewusste Wahrnehmen und/oder Erleben der situativen<br />

Bedingungsstruktur sowie der autonomen Anteile verstanden werden, ohne<br />

dass damit notwendigerweise eine korrekte erlebnismäßige Zuordnung zur<br />

Selbst- oder Objektstruktur oder gar eine verbalsprachliche Benennung<br />

einhergehen muss (Modul 1 bis 4) (Frijda, 1996).<br />

• Unter Empathie soll das bewusste Erleben des autonomen Anteils <strong>bei</strong><br />

gleichzeitiger Zuordnung zu einem Objekt (Empathie bzw. Fremdverständnis)<br />

bzw. zum Selbst (Selbstempathie, Einsicht, Selbstmitleid) verstanden (Modul<br />

1 bis 6) werden.


38<br />

• Sprechen wir vom Insgesamt aller Funktionen, ohne sie näher spezifizieren<br />

zu wollen, benutzen wir das Kürzel „Affektsystem“.<br />

Abb. 3: Das Affektsystem nach Krause (1998)<br />

6. Bewusste Wahrnehmung des Affektes als inneres<br />

Bild u. als spez. situative Bedeutung der Welt und<br />

der Objekte<br />

5. Sprachliche Benennung des Erlebens<br />

4. Wahrnehmung / Bewusstes Erleben des Affektes<br />

Empathie<br />

3. Motivationale Komponente<br />

2. Physiologische Komponente<br />

1. Expressive Komponente<br />

Affekt<br />

Gefühl<br />

Nach Krause (1982) gilt als gesichert, dass wir über sechs, wenn nicht sieben,<br />

diskrete Affektsysteme verfügen. Deren zugehörige Zustände sind: Interesse,<br />

Scham, Freude, Überraschung, Trauer, Furcht, Ekel und Wut.<br />

Tomkins (1962, 1963, zit.n. Krause, 1982) gliedert diese nach den Funktionen der<br />

Affekte:<br />

a) Soziale Affekte: Trauer, Freude, Wut, Scham;<br />

b) Informationsverar<strong>bei</strong>tungsaffekte: Überraschung, Interesse;<br />

c) Notfallaffekte (so genannte Interrupt-Systeme): Angst, Ekel.<br />

Laut Krause (1998) dienen die Affekte der Interaktionssteuerung und der inneren<br />

Handlungsregulierung.


39<br />

4. Empirische Befunde zur <strong>Affektregulation</strong> <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong><br />

<strong>Nervosa</strong><br />

Änderungen des emotionalen Zustandes während des Binge-Purge-Zyklus scheinen<br />

eine entscheidende Komponente <strong>bei</strong> der Aufrechterhaltung der bulimischen<br />

Symptomatik zu sein. In der Theorie wird davon ausgegangen, dass bulimisches<br />

Verhalten durch negative Affekte angeregt wird und diese Emotionen dadurch<br />

verringert werden. Allerdings gibt es widersprüchliche Ergebnisse zur<br />

affektregulatorischen Funktion des Binge-Purge-Verhaltensmusters.<br />

In einer Untersuchung von Tachi, Murakami, Murotsu und Washizuka (2001) wurden<br />

die affektiven Zustände bulimischer Patientinnen vor, während und nach einer<br />

Essattacke sowie vor und nach selbstinduziertem Erbrechen erhoben, um die<br />

Verbindung zwischen den Stimmungen und der chronischen Wiederkehr des Binge-<br />

Purge-Zyklus genauer zu betrachten. Jeder von 22 Affekten musste auf einer fünfstufigen<br />

Skala hinsichtlich seiner Intensität geratet werden. Ärger, Frustration und<br />

Langeweile scheinen einem Essanfall vorauszugehen. Einige negative Affekte, wie<br />

Schuld und Scham, werden durch den Essanfall noch verstärkt. Die Intensität des<br />

Angstgefühls bleibt unverändert stark während der Essattacke, was nicht für Angst<br />

als auslösenden Faktor spricht. Depressive Stimmungen werden intensiver gegen<br />

Ende des Essanfalls. Die Autoren nehmen an, dass sich eine ursprüngliche<br />

Reduktion der Depression während des Bingeing umkehrt, da es durch das<br />

wiederholte Auftreten der Heißhungerattacken zu einer Chronifizierung gekommen<br />

sein könnte.<br />

Das selbstinduzierte Erbrechen scheint stärker an der <strong>Affektregulation</strong> beteiligt zu<br />

sein als die Essanfälle. Neben einer Reduktion von Angst führt Erbrechen zu einer<br />

Verringerung von Ärger, Frustration, Aufregung, Scham und Furcht. Beim Gebrauch<br />

von Abführmitteln scheinen negative Emotionen nur in geringer Ausprägung<br />

aufzutreten. Schuld, Scham, Furcht und Ekel werden nur sehr schwach empfunden.<br />

In einer Studie versuchte Frank (1991) die Hypothese zu erforschen, dass<br />

essgestörte Frauen mehr Schuld und Scham bezüglich des Essens empfinden als<br />

gesunde oder depressive Frauen. Frank (1991) untersuchte 30 essgestörte, 33<br />

depressive und 31 gesunde Personen mittels mehrerer Fragebögen, u.a. The Eating


40<br />

Attidudes Test (EAT) von Garner und Garfinkel (1979). Die essgestörten<br />

Probandinnen erreichten signifikant höhere Werte bezüglich Scham und Schuld im<br />

Vergleich zu den depressiven und gesunden Personen. Depressive Verstimmungen<br />

gehen in allen drei Gruppen mit generell erhöhten Schuld- und Schamausprägungen<br />

einher. Nur die von den essgestörten Frauen erlebte Depression ist mit erhöhter<br />

Schuld und Scham bezüglich des Essens verknüpft.<br />

Steinberg, Tobin und Johnson (1990) untersuchten die Unterschiede von<br />

Subgruppen bulimischer Patientinnen, Borderliner versus Nichtborderliner,<br />

hinsichtlich ihrer affektiven Erfahrungen während des Binge-Purge-Zyklus. Die<br />

Patientinnen mussten Adjektive bezogen auf den emotionalen Zustand vor einem<br />

Essanfall und nach dem Purging-Verhalten raten. Die emotionale Verfassung wurde<br />

mittels Faktorenanalyse den 4 Dimensionen Depression, Fragmentierung, Angst und<br />

Erleichterung zugeordnet. Borderliner wurden weniger depressiv im Verlauf einer<br />

Binge-Purge-Episode, während Nichtborderliner depressiver wurden. Bei <strong>bei</strong>den<br />

Subgruppen trat eine Verringerung der Angst auf, wo<strong>bei</strong> diese Reduktion <strong>bei</strong><br />

Borderlinern stärker ausgeprägt war als <strong>bei</strong> Nichtborderlinern. Die Unterschiede in<br />

der Ausprägung von Angst und Depression zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen vor einem<br />

Essanfall sind nach den gegenregulatorischen Maßnahmen nicht mehr zu finden. Im<br />

Verlauf einer Episode wurden <strong>bei</strong>de Subgruppen ruhiger und weniger fragmentiert.<br />

In ihrer Untersuchung wollten Lynch, Everingham, Dubitzky, Hartman und Kasser<br />

(2000) der Frage nachgehen, ob die Heißhungerattacke zu einer Abschwächung<br />

negativer Gefühle <strong>bei</strong>trägt oder ob es dafür bestimmter kompensatorischer<br />

Maßnahmen bedarf. 23 Personen einer studentischen Stichprobe wurden anhand<br />

des Datenmaterials den Gruppen „Heißhungerattacke“ (N=7), „Heißhungerattacke<br />

und Kompensation“ (N=11) oder „Heißhungerattacke und Erbrechen“ (N=5)<br />

zugewiesen. Der negative Affekt war für <strong>bei</strong>de Gruppen mit gegenregulatorischen<br />

Maßnahmen größer als <strong>bei</strong> Personen nur mit Essanfällen. Eine Verringerung der<br />

negativen Gefühle konnte nur in Zusammenhang mit Kompensationsmaßnahmen<br />

nach der Essattacke gefunden werden, nicht durch den Heißhungeranfall an sich.<br />

Cooper, Morrison, Bigman, Abramowitz, Levin und Krener (1988) verglichen in einer<br />

Studie die Änderungen des affektiven Zustandes während einer Binge-Purge-


41<br />

Episode <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen mit und ohne bestehender affektiver Störung.<br />

Mittels des „Diagnostic Survey for Eating Disorders“ (Johnson, 1985) beschrieben die<br />

Patientinnen ihre Gefühle während und nach einem Essanfall sowie nach<br />

gegenregulatorischen Maßnahmen. In <strong>bei</strong>den Gruppen geht eine Essattacke mit<br />

hohen Energie- und Erregungs- sowie Panik- und Hilflosigkeitswerten einher. Direkt<br />

nach dem Essanfall sinken die Werte für Energie und Erregung. Gefühle von Schuld,<br />

Ekel und Ärger erreichen ihre höchsten Ausprägungen. Nach den<br />

kompensatorischen Verhaltensweisen sinken die Werte für Panik und Hilflosigkeit,<br />

Gefühle von Sicherheit und Erleichterung wachsen an.<br />

In einer Studie untersuchten Schöttke, Eversmann und Wiedl (im Druck) die<br />

Spezifität der affektregulatorischen Funktion der Heißhungeranfälle für Patientinnen<br />

mit <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> und Binge-Eating Disorder (BED). Mit Hilfe der Differentiellen<br />

Affektskala wurden die Gefühlszustände der Patientinnen vor und nach einem<br />

Essanfall sowie vor und nach gegenregulatorischen Maßnahmen erfasst. Vor dem<br />

Beginn einer Heißhungerattacke bestehen keine Unterschiede in den emotionalen<br />

Zuständen <strong>bei</strong>der Gruppen. Nach einem Essanfall sind <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen<br />

die Affekte Ekel, Verachtung, Scham und Schuld verstärkt ausgeprägt, das Interesse<br />

nimmt ab. BED-Patientinnen berichten hingegen nur eine Zunahme an<br />

Schuldgefühlen. Das Erbrechen führt zu einer Verringerung der Angst und Trauer.<br />

Mizes und Arbitell (1991) wollten in einer Untersuchung die Gefühle bulimischer<br />

Personen während einer Binge-Purge-Episode beschreiben. Hierzu wurden elf<br />

Adjektive von den Probandinnen auf einer sieben-stufigen Likert-Skala vor, während<br />

und nach einem Essanfall und vor, während und nach kompensatorischen<br />

Maßnahmen geratet. Negative Emotionen, wie Ärger, Schuld und Depression, waren<br />

vor und nach einem Heißhungeranfall präsent. Nach einem Essanfall und vor den<br />

gegenregulatorischen Maßnahmen kommt es zu einem signifikanten Anstieg dieser<br />

negativen Emotionen. Während des Purging-Verhaltens sinken die Ausprägungen<br />

der negativen Affekte. Diese steigen jedoch nach der Kompensation erneut an. Die<br />

negativen Emotionen waren nach dem Purging stärker ausgeprägt als vor der<br />

Heißhungerattacke. Die Intensität der positiven Emotionen, wie Ruhe und Glück,<br />

nahm während und nach den kompensatorischen Verhaltensweisen signifikant zu.


42<br />

In einer Studie verglichen Lingswiler, Crowther und Stephens (1989) die<br />

Antezedenzen von Heißhungerattacken bulimischer und BED-Personen mit den<br />

Mahlzeiten gesunder Kontrollpersonen. Über den Zeitraum von einer Woche<br />

mussten die Probanden nach jedem Essen, es wurde zwischen Heißhungeranfall<br />

und normalen Essensperioden unterschieden, sechs emotionale Zustände auf einer<br />

sieben-stufigen Likert-Skala raten. Die Ausprägungen von Stress, Stimmung,<br />

Gedanken über das Essen, Müdigkeit, Hunger und das Gefühl, etwas „Falsches“<br />

gegessen zu haben, sollten eingeschätzt werden. Für einen Essanfall sollte dessen<br />

Stärke angegeben werden. Die Gruppe der bulimischen Personen erlebt signifikant<br />

mehr Stress, mehr negative Stimmungen und verstärkt Gedanken über das Essen<br />

direkt vor einer Essattacke im Vergleich zu BED-Personen vor einem Essanfall und<br />

den gesunden Kontrollpersonen vor jeder Essperiode. Die Kontrollpersonen<br />

berichten über signifikant mehr Hunger vor dem Essen als die Bulimikerinnen<br />

generell. Auch während normaler Essperioden bestehen Unterschiede zwischen den<br />

Gruppen. Die bulimischen und BED-Personen erleben verstärkt negative<br />

Stimmungen und dichotomes Denken vor dem Essen im Vergleich zu den<br />

Kontrollpersonen.<br />

Elmore und de Castro (1990) untersuchten die Verhaltensweisen unbehandelter und<br />

behandelter Bulimikerinnen und die gesunder Kontrollpersonen. Die Teilnehmerinnen<br />

führten eine Woche lang ein Tagebuch, in dem sie die jeweilige Nahrungsmenge,<br />

Ort, Zeit und Art der Zubereitung notierten und die Ausprägungen von Hunger,<br />

Sättigung, Depression und Angst bewerteten. Es musste ebenfalls angegeben<br />

werden, ob es sich um einen Snack, eine Mahlzeit oder einen Essanfall mit oder<br />

ohne kompensatorischen Maßnahmen handelte. Bei den unbehandelten bulimischen<br />

Personen wurde eine signifikante Zunahme depressiver Verstimmungen während der<br />

Mahlzeiten und der Essattacken gefunden, wo<strong>bei</strong> nach letzteren die<br />

Depressionswerte noch höher liegen. Die unbehandelten bulimischen Personen<br />

beschreiben sich depressiver nach Essanfällen mit anschließenden<br />

Kompensationsmaßnahmen als ohne diese. Vor dem Essen werden höhere<br />

Angstlevel berichtet als danach. Vor einem Essanfall werden von den unbehandelten<br />

Bulimikerinnen höhere Angstwerte angegeben als vor Mahlzeiten generell. Es<br />

wurden keine Unterschiede in den Angstausprägungen <strong>bei</strong> Heißhungerattacken mit<br />

oder ohne gegenregulatorischen Maßnahmen gefunden.


43<br />

Mittels der Experience Sampling Method untersuchten Johnson und Larson (1982)<br />

die jeweilige Situation und den emotionalen Zustand bulimischer Patientinnen im<br />

Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen. Alle zwei Stunden wurde den<br />

Probandinnen über einen Pager ein Signal übermittelt, nach dem sie einen<br />

Selbstbeobachtungsfragebogen ausfüllen sollten. Auf einer sieben-stufigen Likert-<br />

Skala sollten acht Stimmungen eingeschätzt werden: heiter/reizbar, glücklich/traurig,<br />

gesellig/einsam (Affekte), aktiv/passiv, lebhaft/schläfrig, stark/schwach (Kraft) und<br />

aufgeregt/gelangweilt, frei/gezwungen. Die bulimischen Patientinnen mussten<br />

ebenfalls die Ausprägungen von Hunger, Kontrolle und Schuld beschreiben. Generell<br />

berichteten die Bulimikerinnen eine signifikant negativere Stimmung als die<br />

Kontrollpersonen. Nur <strong>bei</strong> den Items „aufgeregt/gelangweilt“ und „lebhaft/schläfrig“<br />

ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen. Die<br />

Patientinnen mit Bulimie zeigten instabilere affektive Muster als die Kontrollpersonen.<br />

Direkt vor einem Essanfall oder vor gegenregulatorischen Maßnahmen berichten<br />

bulimische Patientinnen über einen negativen Gefühlszustand. Sie fühlen sich<br />

signifikant reizbarer, schwächer und eingezwängt. Der affektive Zustand<br />

verschlechterte sich noch während einer Heißhungerattacke. Die Werte für Schuld,<br />

Scham und Ärger waren signifikant erhöht. Auch während des Purging-Verhaltens<br />

berichteten die Patientinnen von negativen Stimmungen. Gefühle von Traurigkeit und<br />

Schwäche, aber auch Lebhaftigkeit nahmen zu; Scham und Schuld erreichten die<br />

höchsten Ausprägungen. Ärger sank auf einen Wert nahe Null. Nach einer Binge-<br />

Purge-Episode erreichten alle Items einen negativen Level.<br />

Anhand der Selbstbeschreibungen der bulimischen Verhaltensweisen von 32<br />

Patienten (30 weiblich und 2 männlich) versuchten Abraham und Beumont (1982) die<br />

bulimische Symptomatik zu analysieren. Alle Patienten beschrieben Gefallen am<br />

Essen, gerade zu Beginn eines Essanfalls, trotz auftretender negativer Stimmungen.<br />

Angst und Anspannung wurden von allen Personen vor einer Heißhungerattacke<br />

berichtet, Gefühle von Depersonalisation und Derealisation traten <strong>bei</strong> 75% auf. Bei<br />

34% der Patienten verringerte sich die Angst während einer Essattacke, wo<strong>bei</strong> dies<br />

für einige nur vorübergehend der Fall war. 66% berichten über Angstfreiheit nach<br />

Beendigung eines Essanfalls. Bei 72% der Teilnehmer scheinen während des<br />

Essens keine negativen Stimmungen vorzuliegen. Das Bild ändert sich jedoch nach<br />

Abschluss einer Essensperiode. Es berichten 44% über eine Zunahme negativer


44<br />

emotionaler Zustände. Patienten, die nach einem Essanfall kompensatorische<br />

Maßnahmen benutzten, berichteten nur nach dem Erbrechen über eine Verringerung<br />

der Angst, Anspannung und negativen Emotionen.<br />

In der Studie von Kaye, Gwirtsman, George, Weiss und Jimerson (1986) wurden die<br />

Veränderungen der emotionalen Zustände bulimischer Frauen während des Binge-<br />

Purge-Zyklus mit gesunden Kontrollpersonen während des Essens verglichen. Vor<br />

dem Essen beschrieben sich die Bulimikerinnen als signifikant mehr depressiv und<br />

ängstlich sowie weniger hungrig und verwirrt als die Kontrollpersonen. Nach einem<br />

Essanfall berichteten die bulimischen Frauen über eine signifikant größere<br />

Verringerung der Angst und eine kleinere Reduktion des Hungers als die gesunden<br />

Kontrollpersonen nach deren Mahlzeiten. In keiner der <strong>bei</strong>den Gruppen konnte eine<br />

Veränderung der Depressionseinschätzung gefunden werden.


45<br />

5. Zusammenfassung bisheriger Befunde und Ableitung<br />

der Fragestellung<br />

Die ätiologischen Modelle zur <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> nehmen an, dass dem Binge-Purge-<br />

Zyklus eine affektregulatorische Funktion zugrunde liegt.<br />

Psychodynamische Überlegungen gehen davon aus, dass die bestehenden<br />

innerseelischen Spannungen aus einem tiefergehenden Identitätskonflikt zwischen<br />

idealen und defekten Selbstanteilen resultieren. Diese sind die Folge einer<br />

narzisstischen Spaltung aufgrund unerfüllter früher Bedürfnisse des Kindes. Die<br />

bulimische Symptomatik dient der Regulation dieser unangenehmen<br />

Gefühlszustände.<br />

In der funktionalen Analyse wird der negative Affekt nicht nur als Auslöser des Binge-<br />

Eating betrachtet. Durch die kurzfristige Abnahme negativer Stimmungen nach den<br />

Essanfällen werden diese zu einem aufrechterhaltenden Faktor des<br />

symptomatischen Verhaltens.<br />

Es soll untersucht werden, ob Unterschiede in den affektiven Zuständen der<br />

Bulimikerinnen vor und nach Heißhungeranfällen sowie vor und nach der<br />

Gewichtsregulation zu finden sind. Des Weiteren soll überprüft werden, inwieweit<br />

sich Unterschiede <strong>bei</strong> den Binge-Purge-Episoden <strong>bei</strong> bulimischen Patientinnen und<br />

gesunden Kontrollpersonen hinsichtlich der affektregulatorischen Funktion finden<br />

lassen.<br />

Die in dieser Ar<strong>bei</strong>t dargestellten Befunde deuten darauf hin, dass die<br />

Unzufriedenheit mit der Figur sowohl Diätverhalten als auch negativen Affekt<br />

hervorrufen kann. Dem „Dual-pathway model“ (Stice et al., 1999) zufolge können<br />

diese <strong>bei</strong>den Faktoren bulimische Verhaltensweisen auslösen. Durch hohe<br />

Ausprägungen an Perfektionismus, die durch unerreichbar hoch gesteckte Ziele zu<br />

einer Angst vor Misserfolg <strong>bei</strong>tragen können, kann die Unzufriedenheit mit der<br />

körperlichen Erscheinung erhöht werden. Als weiterer Risikofaktor wird ein geringes<br />

Selbstwertgefühl diskutiert. Der Einfluss auf gezügeltes und daran anschließendes<br />

enthemmtes Essverhalten und negativen Affekt scheint vollständig durch überhöhte


46<br />

Ansprüche an Figur und Gewicht vermittelt zu werden. Diese Merkmale stellen<br />

demnach prädisponierende Faktoren dar, die zur Genese bulimischen Verhaltens<br />

führen können.<br />

In der vorliegenden Untersuchung soll überprüft werden, ob Unterschiede in den<br />

Ausprägungen der Risikofaktoren zwischen bulimischen Patientinnen und gesunden<br />

Kontrollpersonen auftreten. Außerdem soll untersucht werden, ob Zusammenhänge<br />

zwischen den affektiven Zuständen bulimischer Patientinnen vor den Binge-Episoden<br />

und den prädisponierenden Faktoren bestehen.<br />

Es wird diskutiert, ob es für die <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> spezifische<br />

Persönlichkeitscharakteristika gibt. Die Befunde deuten auf einen Zusammenhang<br />

zwischen <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> und der Borderline Persönlichkeitsstörung hin.<br />

In dieser Ar<strong>bei</strong>t soll untersucht werden, ob Unterschiede in der<br />

Persönlichkeitsorganisation zwischen Bulimikerinnen und gesunden<br />

Kontrollpersonen auftreten.


47<br />

Diese Überlegungen führen zu folgenden Fragestellungen:<br />

Fragestellung 1:<br />

1.1 Lassen sich Unterschiede in der <strong>Affektregulation</strong> zwischen bulimischen<br />

Patientinnen und gesunden Kontrollpersonen finden?<br />

1.2 Führen die Essanfälle zu einer Steigerung des negativen Affekts <strong>bei</strong> bulimischen<br />

Patientinnen?<br />

1.3 Wird die negative Stimmungslage <strong>bei</strong> Bulimikerinnen durch das Erbrechen<br />

reduziert?<br />

Fragestellung 2:<br />

2.1 Treten Unterschiede in den Ausprägungen der ESI-Skalen <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

und gesunden Kontrollpersonen auf?<br />

2.2 Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem affektiven Zustand vor dem<br />

Bingeing und der durch das ESI erfassten spezifischen Beschwerden <strong>bei</strong><br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong>?<br />

Fragestellung 3:<br />

3.1 Treten Unterschiede in der Persönlichkeitsorganisation zwischen Bulimikerinnen<br />

und gesunden Kontrollpersonen auf?


48<br />

III. Methoden<br />

1. Stichproben<br />

1.1 Auswahl der Stichproben<br />

Die Stichprobe besteht aus Patientinnen, die an einer Essstörung leiden, und<br />

Teilnehmerinnen, die hinsichtlich einer Essstörung als pathologisch unauffällig<br />

beschrieben werden können.<br />

Die Patientinnenstichprobe setzt sich zusammen aus Frauen der Paracelsus<br />

Wittekindklinik Bad Essen und der Klinik am Korso in Bad Oeynhausen.<br />

In die Untersuchung wurden ausschließlich Frauen einbezogen.<br />

1.2 Beschreibung der Stichproben<br />

1.2.1 Störungsbild<br />

Von den 25 Patientinnen hatten 22 die Diagnose einer <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> (F50.2) und<br />

2 die einer atypischen <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> (F50.3). Eine Patientin erhielt die Diagnose<br />

Essattacken <strong>bei</strong> anderen psychischen Störungen (F50.4) (vgl. Abb. 4).<br />

Abb. 4: Verteilung der Störungsbilder in der klinischen Untersuchungsgruppe<br />

2 1<br />

22<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Atypische <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Essattacken <strong>bei</strong> anderen psych. Störungen


49<br />

1.2.2 Alter<br />

Das Durchschnittsalter der gesamten Stichprobe liegt <strong>bei</strong> 25,12 Jahren (SD = 6,67).<br />

Die jüngste Teilnehmerin war 18 Jahre und die älteste 48 Jahre alt.<br />

Mittels einer einfaktoriellen Varianzanalyse wurden die Altersverteilungen <strong>bei</strong>der<br />

Gruppen verglichen. Es wurden keine statistisch signifikanten Mittelwertsdifferenzen<br />

gefunden (F = 0,044; p = 0,835).<br />

Die Bulimikerinnen sind mit einem durchschnittlichen Alter von 25,32 Jahren (SD =<br />

7,43) etwas älter als die Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe mit einem<br />

Altersdurchschnitt von 24,92 Jahren (SD = 5,96) (vgl. Abb.5 und Abb.6).<br />

Abb. 5: Altersverteilung der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> - Patientinnen<br />

8<br />

8<br />

7<br />

6<br />

6 6<br />

Anzahl<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

18 -<br />

21<br />

22 -<br />

24<br />

25 -<br />

27<br />

28 -<br />

30<br />

1 1<br />

31 -<br />

33<br />

0<br />

34 -<br />

36<br />

1<br />

37 -<br />

39<br />

0<br />

40 -<br />

42<br />

43 -<br />

45<br />

1 1<br />

46 -<br />

48<br />

0<br />

49 -<br />

51<br />

Alter


50<br />

Abb. 6: Altersverteilung der Kontrollgruppe<br />

16<br />

15<br />

14<br />

12<br />

Anzahl<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

3<br />

18-<br />

21<br />

22-<br />

24<br />

4<br />

25-<br />

27<br />

1<br />

28-<br />

30<br />

31-<br />

33<br />

0 0<br />

34-<br />

36<br />

1<br />

37-<br />

39<br />

40-<br />

42<br />

0 0<br />

43-<br />

45<br />

1<br />

46-<br />

48<br />

0<br />

49-<br />

51<br />

Alter<br />

1.2.3 Bildungsstand<br />

Bei der Betrachtung des Bildungsstandes <strong>bei</strong>der Gruppen fallen Unterschiede in der<br />

Verteilung auf (vgl. Tab 3). Diese sind jedoch statistisch nicht signifikant (p = 0,323).<br />

In <strong>bei</strong>den Gruppen haben 16% einen Hauptschulabschluss. Während 16% der<br />

Bulimikerinnen einen Realschulabschluss vorweisen können, ist dies <strong>bei</strong> nur 4% der<br />

gesunden Kontrollgruppe der Fall. In der gesunden Kontrollgruppe weisen 8% einen<br />

erweiterten Realschulabschluss auf im Vergleich zu 16% der bulimischen<br />

Patientengruppe. Vier Prozent der bulimischen Patientinnen haben ein<br />

abgeschlossenes Hochschulstudium absolviert.<br />

Der größte Teil der Teilnehmerinnen <strong>bei</strong>der Gruppen besitzt die Fachhochschul-/<br />

Hochschulreife (<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong>(B.N.): 48%; Kontrollgruppe (K.G.): 72%).


51<br />

Tab. 3: Verteilung des Bildungsstandes hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit<br />

Bildungsgruppe<br />

stand<br />

Patienten-<br />

<strong>Bulimia</strong> nervosa<br />

Kontrollgruppe<br />

gesund<br />

Gesamt<br />

Hauptschulabschluss 4 4 8<br />

Realschulabschluss 4 1 5<br />

Erweiterter<br />

Realschulabschluss<br />

4 2 6<br />

Abitur 12 18 30<br />

Abgeschlossenes Studium 1 0 1<br />

Gesamt 25 25 50<br />

1.2.4 Familienstand<br />

Die Mehrheit der Teilnehmerinnen war zum Zeitpunkt der Datenerhebung ledig (B.N.:<br />

84%; K.G.: 76%), drei der bulimischen (12%) und vier Frauen der Kontrollgruppe<br />

(16%) waren verheiratet. Eine der bulimischen Untersuchungsteilnehmerinnen (4%)<br />

und zwei der Kontrollgruppenpersonen (8%) lebten getrennt bzw. in Scheidung (vgl.<br />

Tab.4).


52<br />

Tab. 4: Verteilung des Familienstandes hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit<br />

Familienstand<br />

Patientengruppe<br />

<strong>Bulimia</strong><br />

nervosa<br />

Kontrollgruppe<br />

gesund<br />

Gesamt<br />

ledig 21 19 40<br />

verheiratet 3 4 7<br />

geschieden/getrennt 1 2 3<br />

Gesamt 25 25 50<br />

1.2.5 Symptomatisches Verhalten<br />

Alle bulimischen Patientinnen (n=25) berichteten über auftretende Essanfälle, wo<strong>bei</strong><br />

die Spanne des ersten Auftretens einer Essattacke von vor einem Jahr bis vor 27<br />

Jahren reicht. Die Mehrheit der Bulimikerinnen (n=13) hatte zum Zeitpunkt der<br />

Datenerhebung den letzten Essanfall in der vorherigen Woche erlebt. Diese<br />

Fressanfälle traten mehrheitlich (n=14) mit einer Frequenz von mehrmals täglich auf,<br />

wo<strong>bei</strong> diese immer bzw. fast immer mit einem Gefühl des Kontrollverlustes<br />

einhergingen.<br />

Von allen Patientinnen wurde das selbstinduzierte Erbrechen als kompensatorische<br />

Maßnahme nach den Heißhungerattacken angegeben. Der Zeitpunkt des letzten<br />

Erbrechens lag <strong>bei</strong> 14 Bulimikerinnen in der letzten Woche. Die Häufigkeit dieses<br />

gegenregulatorischen Verhaltens wurde mehrheitlich (n=15) mit mehrmals täglich<br />

angegeben.<br />

Als weitere Strategien zur Gewichtsregulierung wurden von 13 Patientinnen die<br />

Einnahme von Abführmitteln, von drei Personen die Verwendung von<br />

Entwässerungstabletten und von sechs Patientinnen der Gebrauch von<br />

Appetitzüglern beschrieben.<br />

Bei den bulimischen Patientinnen gaben 12 Frauen an, vor dem Klinikaufenthalt<br />

bereits in therapeutischer Behandlung gewesen zu sein.


53<br />

In der gesunden Kontrollgruppe berichteten fünf Frauen über das Auftreten von<br />

Essanfällen, wo<strong>bei</strong> diese <strong>bei</strong> einer Teilnehmerin in der letzten Woche und <strong>bei</strong> den<br />

anderen Frauen vor einigen Wochen bis vor einem Jahr zuletzt aufgetreten sind. Die<br />

Häufigkeit solcher Heißhungerattacken reicht von mehrmals in der Woche bis<br />

seltener als einmal im Monat. Ein Kontrollverlust wird von drei Frauen selten oder<br />

fast nie erlebt.<br />

Von zwei Teilnehmerinnen der gesunden Kontrollgruppe wurde angegeben,<br />

selbstinduziertes Erbrechen als gewichtsregulierende Maßnahme mehrmals am Tag<br />

bzw. mehrmals in der Woche angewendet zu haben, dies lag allerdings mehr als ein<br />

Jahr zurück. Weiterhin wurde von einer Frau die Einnahme von Appetitzüglern zur<br />

Gewichtsregulierung beschrieben.<br />

1.2.6 Body-Maß-Index<br />

Der durchschnittliche BMI der Gesamtstichprobe liegt <strong>bei</strong> 21,85 kg/m² (SD= 3,7). Das<br />

Minimum liegt <strong>bei</strong> 16,79 kg/m², das Maximum <strong>bei</strong> 34,16 kg/m².<br />

Die klinische Stichprobe weist mit einem Mittelwert von 20,83 (SD = 2,89) einen<br />

durchschnittlich niedrigeren BMI auf im Vergleich zur Kontrollgruppe mit einem<br />

Durchschnittswert von 22,87 (SD = 4,18) (vgl. Abb.7). Dieser Unterschied ist<br />

statistisch nicht signifikant (F = 4,060; p = 0,050).<br />

Abb. 7: Body-Maß-Index (Maßeinheit kg/m²)<br />

25<br />

20<br />

20,83 22,87<br />

15<br />

BMI<br />

10<br />

5<br />

0<br />

BN<br />

KG


54<br />

1.2.7 Zusatzdiagnosen<br />

Bei 12 der 25 essgestörten Patientinnen (48%) fand sich mindestens eine<br />

diagnostizierte komorbide Störung. Zwei oder drei Zusatzdiagnosen lagen <strong>bei</strong> 6<br />

Patientinnen (24%) vor.<br />

Eine affektive Störung unterschiedlicher Ausprägung (F32.1; F32.2; F33.1; F34.1)<br />

wurde <strong>bei</strong> acht Personen angegeben. Bei zwei Patientinnen bestand eine<br />

Alkoholabhängigkeit (F10.21), <strong>bei</strong> einer Patientin lag Alkoholmissbrauch (F10.1) vor.<br />

Verschiedenartiger Substanzmissbrauch mit Abhängigkeit (F19.21) wurde einmal<br />

diagnostiziert.<br />

Jeweils einmal wurden eine sonstige somatoforme Störung (F45.8) sowie eine nicht<br />

näher bezeichnete nicht organische Schlafstörung (F51.9) festgestellt.<br />

Bei drei Patientinnen bestand eine Achse-II Persönlichkeitsstörung. Einmal wurde die<br />

emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Typ Borderline (F60.31), einmal die<br />

ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (F60.6) und einmal eine nicht näher<br />

bezeichnete Persönlichkeitsstörung (F60.9) diagnostiziert. Bei einer Patientin<br />

bestand zum Zeitpunkt der Datenerhebung der noch nicht abgeklärte Verdacht auf<br />

eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (F60.6V).


55<br />

2. Ablauf der Datenerhebung<br />

Die Daten essgestörter Patientinnen konnten, wie bereits erwähnt, in der Paracelsus<br />

Wittekindklinik Bad Essen, einer Fachklinik für psychosomatische Störungen, und der<br />

Fachklinik für Essstörung am Korso in Bad Oeynhausen gewonnen werden.<br />

In Absprache mit der Klinikleitung und den behandelnden Therapeuten wurde die<br />

Datenerhebung jeweils samstags durchgeführt. Die Patientinnen erhielten von ihren<br />

Therapeuten nach der Aufnahme in die Klinik ein Informationsblatt mit Angaben über<br />

den Inhalt der Untersuchung. Nach dem Einverständnis der Patientinnen zur<br />

Teilnahme an der Untersuchung wurden die Termine in Absprache mit den<br />

Therapeuten vergeben. Die Teilnahme beruhte auf freiwilliger Basis.<br />

Für die Durchführung wurde von den Kliniken ein Raum zur Verfügung gestellt, in<br />

dem bis zu sechs Patientinnen gleichzeitig die Fragebögen ausfüllen konnten. In<br />

Abhängigkeit von der Klinikbelegung und dem Zeitplan der Patientinnen variierte die<br />

Gruppengröße zwischen 1 - 4. Die durchschnittliche Bear<strong>bei</strong>tungszeit der<br />

Fragebögen lag <strong>bei</strong> 1 ¼ Stunden. Um auf Fragen oder Probleme eingehen zu<br />

können, war ich während der Untersuchung anwesend.<br />

Die Daten der pathologisch unauffälligen Kontrollgruppe wurden ausgehend von<br />

meinem Bekanntenkreis gewonnen. Ich habe versucht, <strong>bei</strong> der Auswahl der<br />

Teilnehmerinnen auf eine möglichst große Ähnlichkeit zur Patientenstichprobe<br />

hinsichtlich Alter, Bildungs- und Familienstand zu achten, um diese Faktoren <strong>bei</strong> der<br />

Auswertung als Störvariablen weitgehend ausschließen zu können.<br />

Die Datenerhebung erstreckte sich von Anfang Februar bis Anfang Juli 2005.


56<br />

3. Erhebungsinstrumente<br />

3.1 Differentielle Affektskala: DAS<br />

Bei der Differentiellen Affektskala (Merten & Krause, 1993) handelt es sich um die<br />

deutsche Version der „Differential Emotion Scale“ von Izard (1982). Sie umfasst 30<br />

Items, von denen je drei 10 Skalen zugeordnet werden.<br />

Die 10 Skalen repräsentieren die „positiven“ (Interesse, Freude, Überraschung) und<br />

die „negativen“ (Trauer, Wut, Ekel, Verachtung, Angst, Scham, Schuld) primären<br />

Emotionen nach Izard (1977).<br />

Tab. 5: Skalen der Differentiellen Affektskala<br />

Skala<br />

Zugeordnete Items<br />

1. Interesse Aufmerksam, wach, konzentriert<br />

2. Freude Vergnügt, erfreut, fröhlich<br />

3. Überraschung Überrascht, erstaunt, verblüfft<br />

4. Trauer Niedergeschlagen, traurig, entmutigt<br />

5. Wut Wütend, ärgerlich, zornig<br />

6. Ekel Angewidert, angeekelt, abgestoßen<br />

7. Verachtung Verachtungsvoll, spöttisch, gering schätzend<br />

8. Angst Erschreckt, ängstlich, furchtsam<br />

9. Scham Gehemmt, verschämt, verlegen<br />

10. Schuld Reumütig, schuldig, tadelnswert<br />

Die Untersuchungsteilnehmer werden gebeten, sich in verschiedene Situationen<br />

einzufühlen (vor und nach einem Essanfall sowie vor und nach kompensatorischen<br />

Maßnahmen) und die Stärke der Items einzuschätzen. Die Beantwortung der Items<br />

erfolgt auf einer 5-stufigen Likert-Skala, die von „fühlte ich gar nicht“ (1) bis „fühlte ich<br />

sehr stark“ (5) reicht. Die Addition der jeweiligen Itemwerte führt zu den


57<br />

Skalensummenwerten. Da<strong>bei</strong> sind Ausprägungen zwischen 3 (Minimum) und 15<br />

(Maximum) möglich.<br />

Die internen Konsistenzen liegen für die im Manual beschriebene Situation „politische<br />

Diskussion“ zwischen r =.54 (Scham) und r =.80 (Überraschung).<br />

Die modifizierte Version der Differentiellen Affektskala (Zellhorst, 2000) enthält<br />

folgende Zusatzitems: müde, frustriert, aufgeregt, gelangweilt, einsam, glücklich,<br />

erschöpft, unentschlossen, angespannt. Für diese Items liegen noch keine<br />

psychometrischen Kennwerte vor.<br />

Die Differentielle Affektskala wurde in dieser Untersuchung in den Essstörungs-<br />

Beschreibungsbogen (Schenk, 2001) integriert. Da dieser Fragebogen nicht in<br />

Zusammenhang mit den Fragestellungen dieser Diplomar<strong>bei</strong>t steht, wird er nicht in<br />

die Berechnungen einfließen.<br />

3.2 Essstörungs-Inventar: ESI<br />

Das Essstörungs-Inventar (Diehl & Staufenbiel, 1994) wurde entwickelt, um<br />

zusätzlich zu den Skalen des Inventars zum Essverhalten und Gewichtsproblemen<br />

(IEG, Diehl & Staufenbiel, 1994) spezielle Essstörungssymptome zu erfassen.<br />

Das Essstörungs-Inventar besteht aus 47 Items, die neun Skalen zugeordnet werden<br />

können. Die Items der Skalen 1 bis 5 beziehen sich auf den Bereich Probleme mit<br />

Essen und Gewicht / Figur. Mittels der Skalen 6 bis 9 werden Persönlichkeitsaspekte<br />

gemessen, „von denen (mehr oder minder berechtigt) eine korrelative oder sogar<br />

ursächliche Beziehung zum Grad der Essstörung angenommen wird“ (S. 4).<br />

Die Beantwortung der Items erfolgt auf einer 4-stufigen Skala, die von -2 „trifft nicht<br />

zu“ bis +2 „trifft zu“ reicht. Durch Addition der umkodierten Itemwerte erhält man die<br />

Skalensummenwerte A. Zur besseren Vergleichbarkeit der Skalenwerte einer Person<br />

wird der Skalenwert B wie folgt gebildet: B = 10*A/ (Anzahl der Items). Dieser Wert<br />

kann für jede Skala Ausprägungen zwischen 0 (Minimum) und 30 (Maximum)<br />

erreichen.


58<br />

Tab. 6: Skalen des Essstörungs-Inventar<br />

Skala 1<br />

Skala 2<br />

Skala 3<br />

Skala 4<br />

Skala 5<br />

Skala 6<br />

Skala 7<br />

Skala 8<br />

Skala 9<br />

Angst vor Gewichtszunahme<br />

Unzufriedenheit mit der Figur<br />

Bulimie (Ess-/Fressanfälle)<br />

Übelkeit und Erbrechen<br />

Gefühl äußerer Esszwänge<br />

Überforderungs- und Minderwertigkeitsgefühle<br />

Perfektionismus und Leistungsmotiviertheit<br />

Zwischenmenschliche Verschlossenheit<br />

Angst vor den eigenen Gefühlen<br />

Die internen Konsistenzen der Skalen liegen zwischen r =.61 für die Skala<br />

„Perfektionismus und Leistungsmotiviertheit“ und r =.91 für die Skala „Übelkeit und<br />

Erbrechen“.<br />

Das Essstörungs-Inventar wird in dieser Diplomar<strong>bei</strong>t eingesetzt, um die<br />

Ausprägungen verschiedener Essstörungssymptome und Persönlichkeitsaspekte der<br />

Untersuchungsteilnehmer zu erfassen.<br />

3.3 Borderline-Persönlichkeits-Inventar: BPI<br />

Bei dem Borderline-Persönlichkeits-Inventar (Leichsenring, 1997) handelt es sich um<br />

ein Selbstbeurteilungsinstrument, dem das Konzept der Borderline-<br />

Persönlichkeitsorganisation von Kernberg (1967, 1988) zugrunde liegt.<br />

Die Borderline-Störung wird von Kernberg als eine überdauernde Störung „im Sinne<br />

eines dauerhaften Niveaus der Persönlichkeitsorganisation“ verstanden (S. 7). Die<br />

Persönlichkeitsorganisation ist definiert als ein dauerhaftes psychisches<br />

Funktionsniveau.<br />

Die Borderline-Form der Ich-Organisation ist gekennzeichnet durch eine Verwendung<br />

überwiegend „primitiver“ Abwehrmechanismen, „die sich um die Spaltung gruppieren“


59<br />

(S. 7). Auf der Ebene der Identitätsintegration herrscht das Syndrom der Identitäts-<br />

Diffusion vor. Die Fähigkeit zur Realitätsprüfung ist weitgehend erhalten,<br />

Verzerrungen können auftreten.<br />

Das Borderline-Persönlichkeits-Inventar besteht aus 53 Items, wo<strong>bei</strong> 33 den vier<br />

Skalen zugeordnet werden.<br />

Die Skala „Entfremdungserlebnisse und Identitäts-Diffusion“ (12 Items) erfasst das<br />

Ausmaß der Trennung gegensätzlicher Aspekte der Persönlichkeit.<br />

Die Items der Skala „Angst vor Nähe“ (8 Items) beziehen sich auf die Angst vor<br />

engen Beziehungen und auf Beziehungsabbrüche.<br />

Die Skala „primitive Abwehrmechanismen und Objektbeziehungen“ (8 Items)<br />

<strong>bei</strong>nhaltet Items, die das Umschlagen der Gefühle gegenüber anderen Menschen ins<br />

Gegenteil repräsentieren. Außerdem umfasst diese Skala Items, die die erlebte<br />

Feindseligkeit anderer Personen und die eigene Wert- und Hoffnungslosigkeit<br />

darstellen.<br />

Die Items der Skala „mangelnde Realitätsprüfung“ (5 Items) spiegeln akustische und<br />

visuelle Halluzinationen und Beeinflussungserlebnisse wider.<br />

Den Cut-Off-Wert und die Skalenwerte erhält man durch Auszählen der jeweiligen<br />

Ja-Antworten.<br />

Bei der Interpretation der Daten ist zu beachten, dass die Analysestichprobe von 538<br />

Personen verschiedenen diagnostischen Gruppen zugeordnet werden kann. Es<br />

liegen jedoch keine Daten einer repräsentativen Normstichprobe vor.<br />

Die internen Konsistenzen der Skalen liegen zwischen r =.68 für die Skala<br />

„Mangelhafte Realitätsprüfung“ und r =.83 für die Skala „Entfremdungserlebnisse und<br />

Identitäts-Diffusion“.


60<br />

IV. Ergebnisdarstellung<br />

1. Auswertung der Differentiellen Affektskala<br />

Die Differentielle Affektskala (Merten & Krause, 1993) wurde in dieser Untersuchung<br />

zur Analyse der möglicherweise vorhandenen Unterschiede der affektiven Zustände<br />

vor und nach einer Essattacke sowie vor und nach kompensatorischen Maßnahmen<br />

eingesetzt.<br />

Geklärt werden sollten die Fragen, ob die Heißhungeranfälle <strong>bei</strong> der klinischen<br />

Gruppe zu einer Zunahme des negativen Affektes führen und ob dieser negative<br />

Affekt durch das anschließende Erbrechen reduziert wird.<br />

Bevor diesen Fragestellungen nachgegangen wird, soll überprüft werden, ob<br />

generelle Unterschiede in der Affektlage vor und nach dem Essanfall sowie vor und<br />

nach den gegenregulatorischen Verhaltensweisen zwischen den bulimischen<br />

Patientinnen und den gesunden Kontrollpersonen zu finden sind.<br />

1.1 Affektlage vor dem Essanfall<br />

Der multivariate Mittelwertsvergleich zeigt signifikante Unterschiede in dem affektiven<br />

Zustand vor dem Bingeing (F = 6,701; p = 0,000) zwischen der Patienten- und der<br />

Kontrollgruppe.<br />

Signifikante Gruppenunterschiede werden nur für die sieben negativen Affekte<br />

gefunden. Bei den Ausprägungen der positiven Affekte lassen sich vor den<br />

Essanfällen keine signifikanten Unterschiede feststellen (Tab. 7).


61<br />

Tab. 7: Ausprägungen der Affekte vor einer Essattacke<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Gesunde Kontrollgruppe<br />

Affekt M SD M SD Signifikanz<br />

Interesse 6,52 3,03 6,56 1,76 0,955<br />

Freude 6,40 3,73 7,00 2,66 0,516<br />

Überraschung 4,28 2,25 5,00 2,35 0,273<br />

Trauer 10,28 3,23 5,64 3,40 0,000<br />

Wut 10,16 3,06 5,24 2,93 0,000<br />

Ekel 8,24 2,89 3,84 1,70 0,000<br />

Verachtung 7,72 2,85 4,00 1,63 0,000<br />

Angst 6,60 3,04 3,64 1,22 0,000<br />

Scham 6,68 3,15 3,84 1,43 0,000<br />

Schuld 7,76 2,82 4,60 1,89 0,000<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Es wird ersichtlich, dass die negativen Affekte <strong>bei</strong> der klinischen Gruppe deutlich<br />

stärker ausgeprägt sind als <strong>bei</strong> der gesunden Kontrollgruppe.<br />

Die Mittelwerte der gesunden Teilnehmerinnen bewegen sich zwischen 3,64 (Angst)<br />

und 5,64 (Trauer). Die Werte der Bulimikerinnen beginnen erst außerhalb des<br />

Maximalbereichs der Kontrollpersonen. Die Angst stellt da<strong>bei</strong> mit einem Wert von<br />

6,60 den am schwächsten ausgeprägten Affekt dar, die Trauer ist mit einem<br />

Gruppenmittelwert von 10,28 der am intensivsten erlebte Affekt vor einem Essanfall.<br />

Die positiven Emotionen werden in <strong>bei</strong>den Gruppen wenig bis mittelmäßig stark<br />

empfunden.<br />

Das folgende Diagramm veranschaulicht die Stärke der einzelnen Affekte <strong>bei</strong>der<br />

Gruppen vor den Heißhungerattacken (Abb. 8).


62<br />

Abb. 8: Affektive Zustände vor einer Essattacke<br />

Mittelwert<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Kontrollgruppe


63<br />

1.2 Affektlage nach dem Essanfall<br />

Auch nach dem Essanfall lassen sich signifikante Unterschiede (F = 14,942;<br />

p = 0,000) zwischen den <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen feststellen (Tab. 8).<br />

Tab. 8: Ausprägungen der Affekte nach einer Essattacke<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Gesunde Kontrollgruppe<br />

Affekt M SD M SD Signifikanz<br />

Interesse 5,00 2,97 5,96 2,09 0,193<br />

Freude 4,36 2,60 6,60 2,58 0,004<br />

Überraschung 4,04 2,21 4,40 2,16 0,563<br />

Trauer 11,40 2,47 4,84 2,21 0,000<br />

Wut 10,64 3,51 5,12 2,49 0,000<br />

Ekel 12,12 2,68 4,24 1,90 0,000<br />

Verachtung 9,12 3,23 4,40 2,00 0,000<br />

Angst 7,04 3,48 3,80 1,58 0,000<br />

Scham 8,56 3,77 4,36 2,12 0,000<br />

Schuld 10,12 3,41 5,48 2,52 0,000<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Hier wird ebenfalls deutlich, dass die negativen Affekte in stärkerer Form von den<br />

bulimischen Patientinnen erlebt werden. Der Ekel ist mit einem Wert von 12,12 die<br />

am stärksten ausgeprägte Emotion <strong>bei</strong> den Bulimikerinnen, während die Angst mit<br />

7,04 die schwächste der negativen Emotionen ist. Bei den gesunden<br />

Kontrollpersonen liegen die Werte für alle negativen Affekte im unteren Bereich.<br />

Bei der Kontrollgruppe nimmt die Freude nach einem Essanfall zu, so dass sich hier<br />

ein signifikanter Unterschied im Vergleich zur klinischen Gruppe ergibt. In den <strong>bei</strong>den<br />

übrigen positiven Affekten unterscheiden sich <strong>bei</strong>de Gruppen nicht signifikant<br />

voneinander, <strong>bei</strong>de sind gering ausgeprägt.


64<br />

Die folgende Abbildung verdeutlicht die Ausprägungen der Affekte <strong>bei</strong>der Gruppen<br />

nach einer Heißhungerattacke (Abb. 9).<br />

Abb. 9: Affektive Zustände nach einer Heißhungerattacke<br />

Mittelwert<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Kontrollgruppe<br />

1.3 Verlauf der Affekte über eine Binge-Episode hinweg<br />

Die multivariate Varianzanalyse für den Vergleich der affektiven Zustände vor und<br />

nach den Heißhungeranfällen (Messzeitpunkt) zeigt, dass die Intensität der erlebten<br />

Emotionen signifikant unterschiedlich ausgebildet ist (Emotion: F = 12,527;<br />

p = 0,000).<br />

Es konnten signifikante Interaktionen (Emotion*Patientengruppe: F = 11,064;<br />

p = 0,000; Zeit*Emotion: F = 5,927; p = 0,000) und eine signifikante Interaktion<br />

zweiter Ordnung (Zeit*Emotion*Patientengruppe: F = 3,013; p = 0,008) gefunden<br />

werden.<br />

Um überprüfen zu können, ob dem symptomatischen Verhalten eine<br />

affektregulatorische Funktion zugeschrieben werden kann, wurden im Anschluss an<br />

die Varianzanalysen gepaarte T-Tests für abhängige Stichproben berechnet.<br />

Zur Verhinderung der α-Fehler-Kumulierung aufgrund der Berechnung zahlreicher T-<br />

Tests wurde die Bonferoni-Korrektur zur α-Fehler-Adjustierung angewandt, so dass<br />

sich das Signifikanz-Niveau von p < 0,05 auf p < 0,005* erhöht.


65<br />

Die Ergebnisse sind in den folgenden Abbildungen und Tabellen getrennt nach der<br />

Zugehörigkeit zu den Untersuchungsgruppen abgetragen.<br />

Tab. 9: Ergebnisse des Prä-Post Vergleiches für das Binge-Verhalten der<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> Patientinnen<br />

Prä Post Mittlere Signifikanz<br />

Affekt M SD M SD Differenz t-Wert (2-seitig)<br />

Interesse 6,52 3,03 5,00 2,97 1,52 2,605 0,016<br />

Freude 6,40 3,73 4,36 2,60 2,04 2,616 0,015<br />

Überraschung 4,28 2,25 4,04 2,21 0,24 0,496 0,625<br />

Trauer 10,28 3,23 11,40 2,47 -1,12 -1,822 0,081<br />

Wut 10,16 3,06 10,64 3,51 -0,48 -0,531 0,600<br />

Ekel 8,24 2,89 12,12 2,68 -3,88 -4,538 0,000<br />

Verachtung 7,72 2,85 9,12 3,23 -1,40 -2,678 0,013<br />

Angst 6,60 3,04 7,04 3,48 -0,44 -0,671 0,509<br />

Scham 6,68 3,15 8,56 3,77 -1,88 -3,114 0,005<br />

Schuld 7,76 2,82 10,12 3,41 -2,36 -3,781 0,001<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Bei der bulimischen Patientengruppe ergeben sich zwei signifikante Veränderungen.<br />

Das Ekel- (t = -4,538; p = 0,000) und das Schuldempfinden (t = -3,781; p = 0,001)<br />

werden signifikant erhöht.<br />

In der Tendenz verstärken sich die übrigen negativen und verringern sich die<br />

positiven Affekte, diese Unterschiede werden in den Berechnungen nicht statistisch<br />

signifikant. Die folgende Abbildung zeigt die Ausprägungen der einzelnen Affekte vor<br />

und nach den Essanfällen (Abb. 10).<br />

Über <strong>bei</strong>de Zeitpunkte hinweg sind die positiven Emotionen gering bis mäßig stark<br />

ausgebildet, während die negativen Emotionen im mittleren bis hohen Bereich liegen.


66<br />

Abb. 10: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch die Essanfälle <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong><br />

<strong>Nervosa</strong> Patientinnen<br />

Mittelwert<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

prä<br />

post<br />

In der pathologisch unauffälligen Kontrollgruppe lassen sich keine bedeutsamen<br />

Veränderungen in den Zeitpunkten vor und nach einem Heißhungeranfall finden<br />

(Tab. 10).<br />

Gefühle von Schuld (t = -3,029; p = 0,006), Scham (t = -1,873; p = 0,073) und<br />

Verachtung (t = -2,000; p = 0,057) erhöhen sich ein wenig, allerdings nicht statistisch<br />

bedeutsam.


67<br />

Tab. 10: Ergebnisse vor und nach dem Heißhunger in der gesunden Kontrollgruppe<br />

Prä Post Mittlere Signifikanz<br />

Affekt M SD M SD Differenz t-Wert (2-seitig)<br />

Interesse 6,56 1,76 5,96 2,09 0,60 1,782 0,087<br />

Freude 7,00 2,66 6,60 2,58 0,40 0,707 0,486<br />

Überraschung 5,00 2,35 4,40 2,16 0,60 1,270 0,216<br />

Trauer 5,64 3,40 4,84 2,21 0,80 1,732 0,096<br />

Wut 5,24 2,93 5,12 2,49 0,12 0,290 0,774<br />

Ekel 3,84 1,70 4,24 1,90 -0,40 -1,386 0,179<br />

Verachtung 4,00 1,63 4,40 2,00 -0,40 -2,000 0,057<br />

Angst 3,64 1,22 3,80 1,58 -0,16 -0,778 0,444<br />

Scham 3,84 1,43 4,36 2,12 -0,52 -1,873 0,073<br />

Schuld 4,60 1,89 5,48 2,52 -0,88 -3,029 0,006<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Die Ausprägungen aller Affekte liegen im niedrigen bis mittleren Bereich. Die Spanne<br />

der Mittelwerte reicht von 3,64 für Angst vor dem Heißhunger bis 7,00 für Freude vor<br />

dem Heißhunger.<br />

Signifikante Unterschiede in der Intensität der positiven und negativen Emotionen<br />

lassen sich nicht feststellen (Abb. 11).


68<br />

Abb. 11: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch die Essattacken <strong>bei</strong> der<br />

gesunden Kontrollgruppe<br />

Mittelwert<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

prä<br />

post<br />

1.4 Affektlage vor dem Purging<br />

Der multivariate Mittelwertsvergleich zeigt signifikante Unterschiede (F = 7,337;<br />

p = 0,000) zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen in den Ausprägungen der Affekte vor den<br />

kompensatorischen Maßnahmen auf (Tab. 11).<br />

Diese signifikanten Gruppenunterschiede sind sowohl <strong>bei</strong> den negativen als auch <strong>bei</strong><br />

den positiven Affekten zu finden.


69<br />

Tab. 11: Ausprägungen der Affekte vor dem Purging<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Gesunde Kontrollgruppe<br />

Affekt M SD M SD Signifikanz<br />

Interesse 6,36 2,34 7,92 2,66 0,033<br />

Freude 4,72 2,44 7,00 2,93 0,004<br />

Überraschung 4,24 1,74 5,64 2,66 0,032<br />

Trauer 11,28 2,28 7,56 2,96 0,000<br />

Wut 10,96 2,76 6,44 3,45 0,000<br />

Ekel 11,56 2,69 5,96 3,34 0,000<br />

Verachtung 9,84 3,02 6,08 3,69 0,000<br />

Angst 6,96 2,65 5,04 2,64 0,013<br />

Scham 7,64 2,53 5,36 2,68 0,003<br />

Schuld 9,96 2,44 5,52 2,69 0,000<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Die positiven Emotionen sind in der pathologisch unauffälligen Kontrollgruppe stärker<br />

ausgeprägt als in der Patientengruppe, wo nur niedrige bis mittlere Werte erreicht<br />

werden.<br />

Die negativen Affekte werden in stärkerem Maße von den Bulimikerinnen erlebt. Die<br />

Trauer ist da<strong>bei</strong> mit einem Wert von 11,28 der am intensivsten empfundene Affekt.<br />

Die Angst mit einer Stärke von 6,96 bleibt der am geringsten ausgeprägte negative<br />

Affekt. Die Werte der Kontrollgruppe liegen im niedrigen bis mittleren Bereich.<br />

Zur Veranschaulichung der Affektausprägungen der bulimischen Patienten- und der<br />

gesunden Kontrollgruppe vor den gegenregulatorischen Maßnahmen soll das<br />

folgende Diagramm dienen (Abb. 12).


70<br />

Abb. 12: Affektive Zustände vor dem Purging<br />

Mittelwert<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Kontrollgruppe


71<br />

1.5 Affektlage nach dem Purging<br />

Auch nach den kompensatorischen Maßnahmen bleiben signifikante Unterschiede<br />

(F = 11,468; p = 0,000) zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen bestehen (Tab. 12).<br />

Tab. 12: Ausprägungen der Affekte nach dem Purging<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Gesunde Kontrollgruppe<br />

Affekt M SD M SD Signifikanz<br />

Interesse 5,60 2,45 8,64 2,23 0,000<br />

Freude 6,32 3,85 11,04 2,85 0,000<br />

Überraschung 4,60 1,96 5,88 2,74 0,064<br />

Trauer 10,44 2,77 4,04 1,93 0,000<br />

Wut 8,92 3,17 3,84 1,93 0,000<br />

Ekel 9,64 3,67 3,72 1,93 0,000<br />

Verachtung 8,72 3,48 3,80 1,63 0,000<br />

Angst 6,20 2,96 3,84 1,63 0,001<br />

Scham 6,92 3,10 4,04 3,13 0,000<br />

Schuld 8,80 3,29 3,72 1,62 0,000<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Die positiven Emotionen Interesse und Freude erreichen <strong>bei</strong> den gesunden<br />

Kontrollpersonen Werte im hohen Bereich. Bei der erlebten Überraschung gibt es<br />

keine signifikanten Unterschiede zwischen <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen.<br />

Die Bulimikerinnen geben größere Intensitäten <strong>bei</strong> den negativen Affekten im<br />

Vergleich zur Kontrollgruppe an. Die Trauer stellt da<strong>bei</strong> mit einem Wert von 10,44<br />

den am stärksten empfundenen Affekt dar. Die Angst bleibt mit 6,20 die am<br />

niedrigsten ausgeprägte negative Emotion.<br />

Zur Veranschaulichung sind die affektiven Ausprägungen noch einmal im folgenden<br />

Diagramm dargestellt (Abb. 13).


72<br />

Abb. 13: Affektive Zustände nach dem Purging<br />

12<br />

10<br />

Mittelwert<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Kontrollgruppe<br />

1.6 Verlauf der Affekte über eine Purge-Episode hinweg<br />

Bei der zweiten multivariaten Varianzanalyse zum Vergleich der affektiven Zustände<br />

vor und nach den gegenregulatorischen Maßnahmen ergaben sich ein signifikanter<br />

Zeiteffekt (F = 15,481; p = 0,000) und ein signifikanter Emotionseffekt (F = 16,885;<br />

p = 0,000).<br />

Signifikante Interaktionen (Emotion*Patientengruppe: F = 11,295; p = 0,000;<br />

Zeit*Emotion: F = 5,605; p = 0,000) und eine signifikante Interaktion zweiter Ordnung<br />

(Zeit*Emotion*Patientengruppe: F = 2,198; p = 0,043) konnten gefunden werden.<br />

Um die Frage zu überprüfen, ob dem Kompensationsverhalten eine<br />

affektregulatorische Funktion zugrunde liegt, wurden, unter Berücksichtigung der<br />

Bonferoni-Korrektur, gepaarte T-Tests für abhängige Stichproben berechnet.<br />

Die Ergebnisse sind den folgenden Tabellen, getrennt nach der Zugehörigkeit zu den<br />

Untersuchungsgruppen, zu entnehmen.


73<br />

Tab. 13: Ergebnisse des Prä-Post Vergleiches des Purge-Verhaltens der<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> Patientinnen<br />

Prä Post Mittlere Signifikanz<br />

Affekt M SD M SD Differenz t-Wert (2-seitig)<br />

Interesse 6,36 2,34 5,60 2,45 0,76 1,226 0,232<br />

Freude 4,72 2,44 6,32 3,85 -1,60 -2,198 0,038<br />

Überraschung 4,24 1,74 4,60 1,96 -0,36 -1,737 0,095<br />

Trauer 11,28 2,28 10,44 2,77 0,84 1,193 0,244<br />

Wut 10,96 2,76 8,92 3,17 2,04 2,950 0,007<br />

Ekel 11,56 2,69 9,64 3,67 1,92 2,472 0,021<br />

Verachtung 9,84 3,02 8,72 3,48 1,12 1,814 0,082<br />

Angst 6,96 2,65 6,20 2,96 0,76 1,248 0,224<br />

Scham 7,64 2,53 6,92 3,10 0,72 1,341 0,193<br />

Schuld 9,96 2,44 8,80 3,29 1,16 1,807 0,083<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Wie der folgenden Abbildung und den Ergebnissen in Tabelle 13 zu entnehmen ist,<br />

ergeben sich für die klinische Stichprobe keine signifikanten Veränderungen durch<br />

das Erbrechen.<br />

Die negativen Affekte verringern sich tendenziell nach dem selbstinduzierten<br />

Erbrechen, diese Unterschiede sind jedoch nicht statistisch bedeutsam.<br />

Die positiven Emotionen Freude und Überraschung werden nach dem Erbrechen<br />

stärker erlebt als vor dem gewichtsregulierenden Verhalten. Allerdings ist diese<br />

Erhöhung statistisch nicht relevant.<br />

Generell bleiben die positiven Affekte niedriger ausgeprägt als die negativen Affekte,<br />

deren Werte weiter auf mittlerem bis hohem Niveau angesiedelt sind (Abb. 14).


74<br />

Abb. 14: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch das Erbrechen <strong>bei</strong> den<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> Patientinnen<br />

Mittelwert<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

prä<br />

post<br />

In der Gruppe der pathologisch unauffälligen Teilnehmerinnen stellen sich<br />

signifikante Veränderungen von der Situation vor der Gewichtsregulation zu dem<br />

Zeitpunkt nach einer Gewichtsregulation ein (Tab. 14).<br />

Der Wert der positiven Emotion Freude erhöht sich signifikant (t = -6,057; p = 0,000).<br />

Außerdem werden nach der Gegenregulation alle negativen Emotionen, mit<br />

Ausnahme der Scham, signifikant weniger intensiv erlebt.


75<br />

Tab. 14: Ergebnisse vor und nach der Gegenregulation in der gesunden<br />

Kontrollgruppe<br />

Prä Post Mittlere Signifikanz<br />

Affekt M SD M SD Differenz t-Wert (2-seitig)<br />

Interesse 7,92 2,66 8,64 2,23 -0,72 -1,603 0,122<br />

Freude 7,00 2,93 11,04 2,85 -4,04 -6,057 0,000<br />

Überraschung 5,64 2,66 5,88 2,74 -0,24 -0,430 0,671<br />

Trauer 7,56 2,96 4,04 1,93 3,52 6,422 0,000<br />

Wut 6,44 3,45 3,84 1,93 2,60 4,645 0,000<br />

Ekel 5,96 3,34 3,72 1,93 2,24 3,629 0,001<br />

Verachtung 6,08 3,69 3,80 1,63 2,28 3,511 0,002<br />

Angst 5,04 2,64 3,84 1,63 1,20 3,674 0,001<br />

Scham 5,36 2,68 4,04 3,13 1,32 2,719 0,012<br />

Schuld 5,52 2,69 3,72 1,62 1,80 4,166 0,000<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Generell liegen die Werte der negativen Affekte nach dem kompensatorischen<br />

Verhalten auf einem niedrigen Level, während die positiven Emotionen mittlere bis<br />

hohe Ausprägungen erreichen (Abb. 15).


76<br />

Abb. 15: Prä-Post-Veränderungen der Affekte durch die Kompensation in der<br />

gesunden Kontrollgruppe<br />

12<br />

10<br />

Mittelwert<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

Interesse<br />

Freude<br />

Überraschung<br />

Trauer<br />

Wut<br />

Ekel<br />

Verachtung<br />

Angst<br />

Scham<br />

Schuld<br />

Affektive Zustände<br />

prä<br />

post<br />

2. Auswertung der ESI-Skalen<br />

Das Essstörungs-Inventar (Diehl & Staufenbiel, 1994) wurde in diese Diplomar<strong>bei</strong>t<br />

einbezogen, um das Vorhandensein verschiedener spezifischer<br />

Essstörungssymptome in <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen erheben zu können.<br />

Zunächst sollte überprüft werden, ob Unterschiede in den Ausprägungen der<br />

Essstörungssymptome zwischen den Bulimikerinnen und den gesunden<br />

Kontrollpersonen gefunden werden.<br />

Anschließend sollte der Frage nachgegangen werden, ob Zusammenhänge<br />

bestehen zwischen einzelnen Symptomen und dem affektiven Zustand der<br />

Patientinnen vor den Heißhungerattacken.


77<br />

2.1 Vergleich der bulimischen und der gesunden<br />

Untersuchungsgruppe<br />

Mit Hilfe der multivariaten Varianzanalyse wurden die Daten der Bulimikerinnen mit<br />

denen der Kontrollgruppenteilnehmerinnen verglichen. Es konnten signifikante<br />

Gruppenunterschiede (F = 49,737; p = 0,000) gefunden werden (Abb. 16).<br />

Abb. 16: Ausprägungen der ESI-Skalen der <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen<br />

30<br />

25<br />

Mittelwerte<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

A B C D E F G H I<br />

ESI - Skalen<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Kontrollgruppe<br />

Legende: A – Angst vor Gewichtszunahme; B – Unzufriedenheit mit der Figur; C – Bulimie<br />

(Essanfälle); D – Erbrechen; E – Äußerer Esszwang; F – Minderwertigkeitsgefühl;<br />

G – Perfektionismus; H – Zwischenmenschliche Verschlossenheit; I – Angst vor den<br />

eigenen Gefühlen<br />

Wie aus Tabelle 15 hervorgeht, finden sich in allen neun Skalen sehr signifikante<br />

Unterschiede zwischen den <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen.<br />

Die Werte der bulimischen Patientinnen liegen im mittleren bis hohen Bereich,<br />

während die Werte der gesunden Kontrollpersonen niedrig bis mittelmäßig stark<br />

ausgeprägt sind.


78<br />

Tab. 15: Mittelwerte und Standardabweichungen der ESI-Skalen der klinischen<br />

und der gesunden Stichprobe<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Gesunde<br />

Kontrollgruppe<br />

Skalen M SD M SD Signifikanz<br />

Angst vor Gewichtszunahme 25,444 5,79 7,772 6,28 0,000<br />

Unzufriedenheit (Figur) 24,488 6,85 13,160 8,72 0,000<br />

Bulimie (Essanfälle) 25,100 6,69 2,908 3,94 0,000<br />

Erbrechen 23,680 5,22 1,440 2,20 0,000<br />

Äußerer Esszwang 13,560 9,66 3,320 4,40 0,000<br />

Minderwertigkeitsgefühl 21,040 6,17 6,112 4,19 0,000<br />

Perfektionismus 19,920 6,72 14,880 5,10 0,004<br />

Zwischenmenschliche<br />

Verschlossenheit<br />

17,600 7,51 5,920 5,52 0,000<br />

Angst vor eigenen Gefühlen 19,840 5,68 6,160 5,80 0,000<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

2.2 Zusammenhänge zwischen ESI- und DAS-Skalen in der<br />

bulimischen Patientengruppe<br />

Mit Hilfe von Korrelationen soll überprüft werden, ob Zusammenhänge zwischen<br />

einzelnen Essstörungssymptomen und den affektiven Zuständen der bulimischen<br />

Patientinnen vor einer Heißhungerattacke bestehen.


79<br />

Tab. 16: Korrelationen zwischen den ESI-Skalen und den DAS-Skalen vor dem<br />

Binge-Eating der bulimischen Patientinnen<br />

Skalen<br />

Angst vor<br />

Gewichtszunahme<br />

Unzufriedenheit<br />

mit der<br />

Figur<br />

Bulimie<br />

Erbrechen<br />

Esszwang<br />

Minderwertigkeitsgefühl<br />

Perfektionismus<br />

Verschlossenheit<br />

Angst vor<br />

eigenen<br />

Gefühlen<br />

Interesse -0,106 -0,148 0,054 0,148 0,085 -0,406* 0,039 0,116 -0,290<br />

Freude -0,265 -0,335 0,146 0,118 -0,049 -0,022 -0,032 -0,348 -0,366<br />

Überraschung -0,043 0,114 -0,021 0,093 0,247 -0,100 0,151 0,155 -0,133<br />

Trauer 0,066 0,072 0,182 -0,315 0,051 0,232 0,108 0,386 0,515**<br />

Wut 0,288 0,001 0,335 -0,122 0,093 0,339 0,268 0,293 0,561**<br />

Ekel 0,210 0,255 -0,020 -0,072 0,341 0,326 -0,042 0,231 0,322<br />

Verachtung 0,118 0,137 0,155 0,167 0,013 0,073 -0,049 0,143 -0,255<br />

Angst 0,177 0,244 0,160 0,154 0,358 0,133 0,031 0,113 0,121<br />

Scham 0,085 -0,040 0,107 0,141 0,341 -0,227 0,149 0,051 -0,129<br />

Schuld -0,073 -0,243 0,031 -0,028 0,354 0,073 0,105 -0,009 -0,185<br />

Anmerkung: p < 0,05*; p < 0,01**<br />

Wie in Tabelle 16 ersichtlich, ergeben sich drei signifikante Korrelationen. Es zeigte<br />

sich ein signifikanter negativer Zusammenhang zwischen dem<br />

Minderwertigkeitsgefühl und dem erlebten Interesse vor einer Binge-Episode<br />

(r = -0,406; p = 0,044). Außerdem fanden sich signifikante Zusammenhänge<br />

zwischen der Angst vor den eigenen Gefühlen und der Trauer vor dem Bingen<br />

(r = 0,515; p = 0,008) sowie der Wut vor dem Binge-Eating (r = 0,561; p = 0,004).


80<br />

3. Auswertung des Borderline-Persönlichkeits-Inventar<br />

Das Borderline-Persönlichkeits-Inventar (Leichsenring, 1997) wurde in dieser<br />

Diplomar<strong>bei</strong>t verwendet, um eventuell vorhandene Unterschiede in der<br />

Persönlichkeitsorganisation bulimischer Patientinnen und gesunder Kontrollpersonen<br />

erfassen zu können.<br />

Mit Hilfe der multivariaten Varianzanalyse wurden die Werte der <strong>bei</strong>den<br />

Untersuchungsstichproben verglichen. Es konnten signifikante Unterschiede<br />

zwischen <strong>bei</strong>den Gruppen (F = 24,339; p = 0,000) festgestellt werden.<br />

Tab. 17: Mittelwerte und Standardabweichungen der BPI-Skalen der klinischen<br />

und der gesunden Stichprobe<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Gesunde<br />

Kontrollgruppe<br />

Skalen M SD M SD Signifikanz<br />

Identitätsdiffusion<br />

Angst vor Nähe<br />

Primitive<br />

Abwehrmechanismen<br />

Mangelhafte Realitätsprüfung<br />

6,92 2,24 1,64 1,80 0,000<br />

5,04 2,07 1,24 1,13 0,000<br />

5,40 1,96 1,24 1,81 0,000<br />

0,56 0,92 0,16 0,37 0,049<br />

Anmerkung: angegeben sind die Gruppenmittelwerte (M); SD = Standardabweichung<br />

Wie aus Tabelle 17 hervorgeht, zeichnen sich in allen vier Skalen deutliche<br />

Unterschiede zwischen den Gruppen ab. Die Werte der bulimischen Patientinnen<br />

sind auf allen Skalen höher ausgeprägt als die der gesunden Vergleichsgruppe.<br />

Zur Veranschaulichung sind die Ausprägungen der einzelnen Skalen in Abbildung 17<br />

getrennt nach den Untersuchungsgruppen abgetragen.


81<br />

Abb. 17: Ausprägungen der BPI-Skalen der <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen<br />

7<br />

6<br />

Mittelwerte<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

A B C D<br />

BPI - Skalen<br />

<strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong><br />

Kontrollgruppe<br />

Legende: A – Identitätsdiffusion; B – Angst vor Nähe; C – Primitive Abwehrmechanismen;<br />

D – Mangelnde Realitätsprüfung


82<br />

V. Diskussion<br />

Im folgenden Teil werden die in Kapitel IV aufgeführten Ergebnisse der<br />

Untersuchung interpretiert und in Bezug auf die in Kapitel II dargestellten Theorien<br />

und Befunde diskutiert.<br />

1.1 Alter<br />

1. Die Stichprobe<br />

Die Teilnehmerinnen der zwei Untersuchungsgruppen unterscheiden sich hinsichtlich<br />

ihres Alters nicht signifikant voneinander. Die Datensätze der bulimischen<br />

Patientengruppe wurden in Zusammenar<strong>bei</strong>t mit der Paracelsus Wittekindklinik Bad<br />

Essen und dem Fachzentrum für Essstörung am Korso in Bad Oeynhausen erhoben.<br />

Um die <strong>bei</strong>den Stichproben vergleichbar zu machen, wurden die Teilnehmerinnen<br />

der gesunden Kontrollgruppe nach Ähnlichkeit hinsichtlich Alter, Bildungs- und<br />

Familienstand ausgewählt.<br />

Das Durchschnittsalter der Bulimikerinnen liegt mit 25,32 Jahren geringfügig höher<br />

als das der pathologisch unauffälligen Kontrollgruppe mit 24,92 Jahren.<br />

1.2 Bildungsstand<br />

Beim weiteren Vergleich der Datensätze zeigte sich ein hoher Bildungsgrad <strong>bei</strong>der<br />

Stichproben. In <strong>bei</strong>den Gruppen erreichten 84% der Teilnehmerinnen mindestens die<br />

mittlere Reife.<br />

Diese Ergebnisse stimmen mit Literaturangaben bezüglich des hohen<br />

Bildungsniveaus bulimischer Patientinnen überein (Scott, 1988).


83<br />

1.3 Komorbidität<br />

Bei etwa der Hälfte der Patientinnen wurden neben der Essstörung weitere<br />

komorbide Störungen diagnostiziert.<br />

Am häufigsten traten da<strong>bei</strong> affektive Störungen (66,6%) mit unterschiedlich starker<br />

Ausprägung auf. Das Ergebnis, dass die bulimische Symptomatik häufig mit<br />

affektiven Störungen gemeinsam auftritt, entspricht Forschungsbefunden von<br />

Laessle et al. (1989) und Köppe und Tuschen-Caffier (2002).<br />

Eine Persönlichkeitsstörung wurde in 33,3% der Fälle diagnostiziert, was mit<br />

Ergebnissen von Carroll et al. (1996) übereinstimmt, die <strong>bei</strong> 33,3% der bulimischen<br />

Untersuchungsteilnehmer mindestens eine Persönlichkeitsstörung gefunden haben.<br />

Bei 33,3% der Bulimikerinnen wurden Alkoholabhängigkeit sowie verschiedenartiger<br />

Substanzmissbrauch diagnostiziert, was Forschungsbefunde von Dansky, Brewerton<br />

und Kilpatrick (2000) bekräftigt.<br />

Abweichend zu bisherigen Untersuchungsergebnissen wurde in dieser Stichprobe<br />

kein gehäuftes Auftreten von Angststörungen gefunden.


84<br />

2. Die Differentielle Affektskala<br />

2.1 Affektive Ausgangslage<br />

Die <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen unterscheiden sich hinsichtlich der affektiven<br />

Ausgangslage vor einer Heißhungerattacke signifikant voneinander. Die negativen<br />

Affekte sind <strong>bei</strong> den bulimischen Patientinnen vor einem Essanfall deutlich stärker<br />

ausgeprägt als in der pathologisch unauffälligen Vergleichsgruppe. Diese Ergebnisse<br />

stimmen mit anderen Forschungsbefunden überein, die über erhöhte Level an<br />

negativen Emotionen <strong>bei</strong> Bulimikerinnen vor einer Binge-Episode berichten (Tachi et<br />

al., 2001; Mizes & Arbitell, 1991).<br />

Die „Trauer“ und die „Wut“ sind die in der Patientenstichprobe am intensivsten<br />

erlebten negativen Emotionen vor einer Essattacke, während die „Angst“ und die<br />

„Scham“ am geringsten ausgeprägt sind. Dies widerspricht Patientenberichten von<br />

Abraham und Beumont (1982), wonach ein intensives Angsterleben den<br />

Heißhungeranfällen vorausgeht. Scheinbar handelt es sich <strong>bei</strong> der in dieser<br />

Stichprobe erfassten „Angst“ nicht um die von Reich (1995) postulierte Angst vor<br />

Kontrollverlust bzw. vor Entwertung der eigenen Person, die durch die Erhöhung des<br />

negativen Affektes als indirekter Auslöser eines Essanfalls betrachtet wird.<br />

Die positiven Affekte sind in <strong>bei</strong>den Gruppen schwach bis mäßig stark ausgeprägt,<br />

so dass keine signifikanten Diskrepanzen zu finden sind.<br />

In der gesunden Untersuchungsgruppe sind zum Zeitpunkt vor einer<br />

Heißhungerphase alle zehn Affekte schwach bis mittelmäßig stark ausgebildet. Die<br />

Ergebnisse dieser Untersuchung legen die Interpretation nahe, dass die<br />

Heißhungeranfälle <strong>bei</strong> den Kontrollgruppenteilnehmerinnen in Zeiten relativ neutraler<br />

Stimmung auftreten. Diese Ergebnisse sind konform mit denen einer Studie von<br />

Lingswiler et al. (1989). Deren gesunde Untersuchungsteilnehmer gaben mittlere<br />

Affektausprägungen vor den Essensperioden an.


85<br />

2.2 Veränderungen der Affekte über eine Binge-Purge-Episode hinweg<br />

Auch nach den Essattacken bleiben die Unterschiede zwischen den <strong>bei</strong>den<br />

Untersuchungsgruppen bestehen. In der bulimischen Patientengruppe erreichen die<br />

negativen Affekte hohe Werte, während die positiven Affekte auf einem niedrigen<br />

Level erlebt werden. Alle zehn Emotionen sind in der gesunden Vergleichsgruppe<br />

schwach bis mittelmäßig stark ausgeprägt.<br />

Die Veränderungen sollen jetzt für <strong>bei</strong>de Gruppen getrennt betrachtet werden.<br />

2.2.1 Affektausprägungen <strong>bei</strong> den bulimischen Patientinnen über eine<br />

Binge-Purge-Episode hinweg<br />

In der klinischen Stichprobe wird deutlich, dass die negativen Affekte sowohl vor als<br />

auch nach einer Heißhungerattacke stärker ausgeprägt sind als die positiven<br />

Emotionen. Die zu <strong>bei</strong>den Zeitpunkten am stärksten erlebten Emotionen sind Trauer<br />

und Wut.<br />

Eine deutliche Zunahme der Intensität im Verlauf einer Binge-Episode wurde <strong>bei</strong> den<br />

Affekten Ekel, Scham und Schuld festgestellt. Diese Befunde stimmen mit<br />

Ergebnissen von Schöttke et al. (im Druck) und Tachi und Mitar<strong>bei</strong>tern (2001)<br />

überein, die ebenfalls einen Anstieg dieser negativen Gefühle durch den Essanfall<br />

nachgewiesen haben. Tachi et al. (2001) schlussfolgern daraus, dass die Emotionen<br />

Schuld, Scham, Ekel und Hilflosigkeit durch die ständige Wiederkehr bulimischer<br />

Heißhungeranfälle chronisch werden. McManus und Waller gehen in ihrer<br />

funktionalen Analyse des Binge-Eating (1995) davon aus, dass der negative Affekt<br />

zwar kurzfristig verringert wird, dass aber die negativen Emotionen durch eine<br />

langfristige Zunahme zur Aufrechterhaltung der bulimischen Symptomatik <strong>bei</strong>tragen.<br />

Die hier gefundene Steigerung des negativen Affektes kann im Sinne dieses<br />

Aufrechterhaltungsmodells interpretiert werden.<br />

Außerdem sind die erhöhten Schuld-, Scham- und Ekelempfindungen durch die<br />

Charakteristika der <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> erklärbar. Die betroffenen Personen streben<br />

ständig nach Kontrolle und Beschränkung des eigenen Gewichts. Da die


86<br />

auftretenden Essattacken diesen Bemühungen nicht entsprechen, sind Zunahmen im<br />

Schuld-, Scham- und Ekelerleben nicht überraschend.<br />

Die erhöhten Ekelwerte werden von Schienle, Walter, Schäfer, Stark und Vaitl (2003)<br />

auf eine generell erhöhte Ekelneigung <strong>bei</strong> Frauen mit Essstörungen zurückgeführt.<br />

Eine deutliche Herabregulierung der negativen Affekte trat in dieser<br />

Patientenstichprobe nicht auf. Die Werte für die negativen Emotionen bleiben auch<br />

nach dem Erbrechen auf einem mittleren bis hohen Niveau, was den Befunden von<br />

Johnson und Larson (1982) entspricht. In deren Stichprobe erreichten alle negativen<br />

Emotionen mittlere bis hohe Ausprägungen nach einer Binge-Purge Episode. Dieses<br />

Bild stimmt nicht mit den Ergebnissen von Tachi et al. (2001) und Lynch und<br />

Kollegen (2000) überein, die eine Minderung des negativen Affekts durch die<br />

Kompensationsmaßnahmen gefunden haben.<br />

Eine mögliche Erklärung wäre, dass die durch die retrospektive Datenerhebung<br />

erfasste Affektlage nicht der nach dem Erbrechen tatsächlich vorliegenden<br />

emotionalen Situation der Patientinnen entspricht.<br />

Eine Verringerung der Angst, die durch eine mögliche Gewichtszunahme ausgelöst<br />

wird, wie von Rosen und Leitenberg (1982) postuliert, konnte nicht nachgewiesen<br />

werden. Diese Emotion wurde zu allen Zeitpunkten mittelmäßig stark empfunden.<br />

Möglicherweise wird mittels der Differentiellen Affektskala nicht die Angst vor<br />

Gewichtszunahme erfasst.<br />

2.2.2 Veränderungen der Affektausprägungen <strong>bei</strong> der Kontrollgruppe<br />

Alle zehn Affekte sind vor und nach einer Heißhungerattacke schwach bis mäßig<br />

stark ausgeprägt. Es scheint keine deutliche Veränderung vorhanden zu sein, so<br />

dass der Schluss nahe liegt, dass die Heißhungerphasen in der gesunden<br />

Kontrollgruppe keine affektregulatorische Funktion besitzen. Außerdem scheint der<br />

Heißhunger eher in emotional neutralen, nicht aber in belastenden Situationen<br />

aufzutreten.<br />

Der Befund, dass auch <strong>bei</strong> den pathologisch unauffälligen Frauen nach einer<br />

Essattacke mehr Scham und Schuld empfunden werden, allerdings statistisch nicht<br />

signifikant, könnte auf das bestehende Schlankheitsideal zurückgeführt werden.


87<br />

Demnach wird das Essen übermäßiger Mengen als nicht vertretbar angesehen,<br />

während der Verzehr von Nahrungsmitteln in geregeltem Maße als erstrebenswert<br />

betrachtet wird.<br />

In der Kontrollgruppe sind deutliche Affektveränderungen <strong>bei</strong>m Vergleich der<br />

Zeitpunkte vor und nach den gegenregulatorischen Maßnahmen zu finden. Es kommt<br />

zu einem starken Anstieg der Freude, was dadurch zu erklären ist, dass von den<br />

meisten der Kontrollgruppenteilnehmerinnen Sport als Kompensationsstrategie<br />

angegeben wurde. Sportliche Betätigung kann zu einem besseren Wohlbefinden<br />

<strong>bei</strong>tragen.<br />

Bei den negativen Affekten zeigt sich nach der Gegenregulation eine deutliche<br />

Reduktion aller Emotionen, mit Ausnahme der Scham. Die vorher mäßig<br />

ausgeprägten Affekte erreichen niedrige Werte.<br />

Möglicherweise sind die bestehenden Unterschiede im Ausmaß der<br />

affektregulatorischen Funktion der Purge-Episoden zwischen den bulimischen<br />

Patientinnen und den gesunden Kontrollpersonen auf Erinnerungsverzerrungen<br />

zurückzuführen. Es könnte sein, dass die Daten der Bulimikerinnen spezifischen<br />

Bewertungsverzerrungen unterliegen, die sich aus der retrospektiven Datenerhebung<br />

ergeben. Solche Verzerrungen liegen möglicherweise in der gesunden<br />

Untersuchungsgruppe nicht vor.


88<br />

3. Das Essstörungs-Inventar<br />

Wie bereits erwähnt, wurde das Essstörungs-Inventar in dieser Untersuchung<br />

verwendet, um das Vorhandensein verschiedener spezifischer<br />

Essstörungssymptome in <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen zu überprüfen.<br />

3.1 Vergleich der klinischen mit der gesunden Stichprobe<br />

Die statistische Auswertung zeigt, dass in allen neun Skalen signifikante<br />

Unterschiede zwischen der bulimischen Patienten- und der gesunden Kontrollgruppe<br />

bestehen.<br />

Wie aus Tabelle 15 ersichtlich, weisen die Bulimikerinnen auf allen Skalen zur<br />

Erfassung der Essstörungssymptomatik höhere Werte auf als die pathologisch<br />

unauffälligen Vergleichspersonen.<br />

Besonders hohe Werte erreichen die bulimischen Patientinnen auf den Skalen<br />

„Angst vor Gewichtszunahme“ und „Unzufriedenheit mit der Figur“. Erklärbar ist<br />

dieses Bild durch die Annahmen des kognitiven Modells von Fairburn und Cooper<br />

(1989). Demzufolge stellt die intensive Beschäftigung mit dem eigenen Gewicht und<br />

der Figur einen wichtigen auslösenden und aufrechterhaltenden Faktor der<br />

bulimischen Symptomatik dar. Da die bulimische Symptomatik <strong>bei</strong> allen Patientinnen<br />

bereits einige Jahre besteht, scheint es sich <strong>bei</strong> der angegeben Angst vor<br />

Gewichtszunahme um einen aufrechterhaltenden Faktor der Essstörung zu handeln.<br />

McManus und Waller (1995) gehen in ihrer funktionalen Analyse der<br />

Heißhungeranfälle ebenfalls davon aus, dass die durch das Binge-Eating<br />

hervorgerufene Angst vor Gewichtszunahme langfristig zu einer Zunahme des<br />

negativen Affektes führt, was zur Beibehaltung des symptomatischen Verhaltens<br />

<strong>bei</strong>trägt.<br />

Außerdem erreichen die Bulimikerinnen hohe Werte auf den Skalen<br />

„Minderwertigkeitsgefühl“ und „Perfektionismus und Leistungsmotiviertheit“, die von<br />

McManus und Waller (1995) als prädisponierende Faktoren für das Binge-Eating


89<br />

diskutiert werden. Diese Ergebnisse stimmen mit Befunden von Hewitt et al. (1995)<br />

und Minarik und Ahrens (1996) überein, die Zusammenhänge zwischen<br />

Perfektionismus und gestörtem Essverhalten gefunden haben. Allerdings sind in der<br />

hier beschriebenen Stichprobe keine extrem hohen Ausprägungen an<br />

Perfektionismus zu finden. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass sich die<br />

bulimischen Patientinnen durch die immer wieder auftretenden Heißhungeranfälle als<br />

nicht so perfekt erleben (Feistner, 1995).<br />

Deutlich wird, dass auch die Teilnehmerinnen der Vergleichsgruppe mittlere<br />

Perfektionismuswerte erreichen.<br />

Auffällig in der gesunden Kontrollgruppe ist, dass für den Faktor „Unzufriedenheit mit<br />

der Figur“ ebenfalls mittlere bis hohe Werte angegeben werden. Daran ist zu<br />

erkennen, dass auch pathologisch unauffällige Frauen dem gegenwärtigen<br />

kulturellen Schönheitsideal unterliegen. Das Streben nach Schlankheit, das von<br />

Wiederman und Pryor (2000) als Kernelement der Unzufriedenheit mit der Figur<br />

betrachtet wird, kann den Autoren zufolge als Kennzeichen verinnerlichter<br />

Schönheitsideale angesehen werden. Außerdem könnten diese<br />

Schlankheitsbestrebungen eine Mediatorvariable in der bestehenden Beziehung<br />

zwischen negativem Körperbild und gestörtem Essverhalten darstellen, so dass auch<br />

<strong>bei</strong> gesunden Frauen ein erhöhtes Risiko für die Ausbildung einer Essstörung<br />

besteht.<br />

3.2 Zusammenhang zum affektiven Zustand vor dem Binge-Eating<br />

Entgegen den Erwartungen zeigten sich nur wenig statistisch signifikante<br />

Korrelationen zwischen den Ausprägungen der ESI-Skalen und der Affektlage der<br />

bulimischen Patientinnen vor einer Essattacke.<br />

Es besteht eine signifikant negative Korrelation zwischen dem<br />

Minderwertigkeitsgefühl und dem Interesse vor einer Binge-Episode. Außerdem<br />

wurden signifikante Korrelationen zwischen der Angst vor den eigenen Gefühlen und<br />

der Trauer sowie der Wut vor einem Essanfall gefunden. Diese Befunde entsprechen<br />

nicht den Ergebnissen von Schienle et al. (2003), die Zusammenhänge zwischen<br />

den ESI-Skalen und Ekelwerten nachgewiesen haben.


90<br />

Bei den in dieser Untersuchung gefundenen Korrelationen scheint es sich nicht um<br />

störungsspezifische, sondern um zufällig zustande gekommene Korrelationen zu<br />

handeln.<br />

4. Das Borderline-Persönlichkeits-Inventar<br />

In allen Skalen des Borderline-Persönlichkeits-Inventars (Leichsenring, 1997)<br />

bestehen signifikante Unterschiede zwischen den <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen.<br />

Die Bulimikerinnen weisen in den vier Skalen höhere Werte auf als die gesunden<br />

Kontrollgruppenteilnehmerinnen. Übereinstimmend dazu berichten Marañon et al.<br />

(2004) und Carroll und Kollegen (1996) über ein vermehrt gemeinsames Auftreten<br />

von <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong> und der Borderline-Persönlichkeitsstörung.<br />

Die sehr hohen Ausprägungen der Bulimikerinnen auf der Skala „Identitätsdiffusion<br />

und Entfremdungserlebnisse“ bedeuten, dass diese dazu neigen, gegensätzliche<br />

Aspekte der Persönlichkeit voneinander zu trennen. Dies ist konform mit den<br />

Modellvorstellungen von McManus und Waller (1995), die davon ausgehen, dass ein<br />

dissoziativer Stil einen prädisponierenden Faktor für die Entstehung einer<br />

Heißhungerattacke darstellen kann. Beobachtungen von Carlson und Putnam (1993)<br />

zufolge besteht <strong>bei</strong> Personen mit einer Neigung zur Abspaltung emotionaler<br />

Erlebnisinhalte die Tendenz zu impulsiven Verhaltensweisen, was das Binge-Eating<br />

einschließt. In dem „Escape“-Modell von Heatherton und Baumeister (1991) wird die<br />

Heißhungerattacke als Versuch betrachtet, vor der negativen Selbstaufmerksamkeit<br />

zu fliehen, was die Ergebnisse dieser Ar<strong>bei</strong>t ebenfalls stützt.<br />

Die gefundenen niedrigen Werte der bulimischen Patientinnen in der Skala<br />

„Mangelhafte Realitätsprüfung“ sind mit Leichsenrings (1997) Konzeptualisierung<br />

vereinbar. Niedrigere Werte stehen hier für die Fähigkeit zur Unterscheidung<br />

zwischen Realität und Phantasie, so „dass keine psychotischen Erlebnisse<br />

auftreten“, wo<strong>bei</strong> verzerrte Wahrnehmungen der Wirklichkeit möglich sind (S.62).<br />

Diese Skala wurde in den Fragebogen aufgenommen, um zwischen schizophrenen<br />

Personen und denen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung zu differenzieren.


91<br />

Die hohen Skalenwerte bezüglich der „Angst vor Nähe“ können als Angst vor engen<br />

Beziehungen interpretiert werden. Dieses Ergebnis entspricht den mittleren bis<br />

hohen Ausprägungen in der „Zwischenmenschlichen Verschlossenheitsskala“ des<br />

ESI. Enge gefühlsmäßige Beziehungen scheinen vermieden zu werden.<br />

Überhöhte Werte in der Skala „Primitive Abwehrmechanismen“ sind ein Kennzeichen<br />

für ein übermäßiges Misstrauen gegenüber anderen Personen. Übereinstimmend mit<br />

diesen Ergebnissen berichten Pryor und Wiederman (1996) über erhöhte<br />

Entfremdungswerte und niedrige Ausprägungen an sozialer Nähe. Dies wird von den<br />

Autoren als stärkere Tendenz bulimischer Patientinnen interpretiert, anderen<br />

Menschen zu misstrauen, sozial isoliert zu leben und Probleme mit sich selbst<br />

auszumachen.<br />

Die gesunden Kontrollpersonen weisen keine spezifischen Eigenschaften einer<br />

Borderline-Persönlichkeitsstörung auf.


92<br />

VI. Kritik und Zusammenfassung<br />

1. Kritische Betrachtung der Vorgehensweise<br />

Das Vorgehen in dieser Untersuchung ist in den vorherigen Kapiteln schon<br />

ansatzweise kritisch hinterfragt worden.<br />

Einen wichtigen Kritikpunkt stellt die Form der Datenerhebung dar. Durch den<br />

Einsatz von Fragebögen wurden die Daten retrospektiv erfasst, so dass eine<br />

Verzerrung der Antworten durch Erinnerungseffekte nicht ausgeschlossen werden<br />

kann. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass das pathologische Essverhalten<br />

in hohem Maße schambesetzt ist, so dass es im Sinne der Tendenz zur sozialen<br />

Erwünschtheit zur Verfälschung der Daten durch die jeweils ausfüllende Person<br />

gekommen sein kann.<br />

Probleme für die Generalisierbarkeit der Daten auf Personen im nicht-klinischen<br />

Bereich ergeben sich daraus, dass die klinische Stichprobe nur aus stationären<br />

Patientinnen besteht. In künftigen Untersuchungen könnte versucht werden,<br />

vermehrt Personen aus Selbsthilfegruppen oder Beratungsstellen in die Analyse mit<br />

einzubeziehen.<br />

Dadurch bestünde die Möglichkeit, die betroffenen Personen in der akuten Phase zu<br />

befragen, so dass Erinnerungsverzerrungen nahezu ausgeschlossen werden<br />

können.<br />

Weiterhin ist nicht geklärt, ob die Heißhungeranfälle der Bulimikerinnen denen der<br />

gesunden Kontrollpersonen ähneln. Die Frage nach der Vergleichbarkeit kam auf, da<br />

die Teilnehmerinnen der gesunden Stichprobe <strong>bei</strong> den von ihnen berichteten<br />

Essanfällen nur selten einen Kontrollverlust erlebt haben. Solch ein Kontrollverlust<br />

stellt eines der Kriterien für die Diagnose einer bulimischen Essstörung dar.<br />

Außerdem halte ich es für sinnvoll, die Differentielle Affektskala um einen Zeitpunkt<br />

„neutrale Situation“ zu erweitern. Damit wäre es möglich, die Gefühlslage der<br />

Patientenstichprobe zu einer neutralen Zeit zu erfassen, die nicht mit einem Essanfall<br />

oder dem Erbrechen in Beziehung steht, so dass eine bessere Vergleichbarkeit der


93<br />

allgemeinen Stimmungslage zwischen bulimischer und gesunder<br />

Untersuchungsgruppe gegeben ist.<br />

2. Zusammenfassung<br />

Das Ziel dieser Untersuchung war es, Patientinnen mit der Diagnose einer <strong>Bulimia</strong><br />

<strong>Nervosa</strong> mit gesunden Kontrollgruppenteilnehmerinnen zu vergleichen. Es sollte<br />

überprüft werden, ob sich die Heißhungerattacken der bulimischen von denen der<br />

gesunden Stichprobe unterscheiden. Das Augenmerk lag zunächst auf möglichen<br />

Unterschieden in der affektregulierenden Funktion einer Binge-Purge-Episode in<br />

<strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen. Des Weiteren wurden das Ausmaß spezifischer<br />

Essstörungssymptome und deren Zusammenhang mit der Gefühlslage der klinischen<br />

Untersuchungsteilnehmerinnen überprüft. Außerdem sollten bestimmte Merkmale der<br />

Persönlichkeitsorganisation <strong>bei</strong>der Stichproben betrachtet werden.<br />

Es konnten Unterschiede in der affektregulatorischen Funktion der Binge-Purge-<br />

Episode zwischen <strong>bei</strong>den Untersuchungsgruppen gefunden werden. In der<br />

bulimischen Patientengruppe besitzt das Binge-Eating eine größere<br />

affektregulierende Wirkung als das anschließende selbstinduzierte Erbrechen. Die<br />

Gefühle der gesunden Vergleichsgruppe werden jedoch stärker durch die<br />

kompensatorischen Maßnahmen reguliert.<br />

Die Essanfälle führen <strong>bei</strong> den Bulimikerinnen teilweise zu einer Erhöhung des<br />

negativen Affektes. Gefühle von Ekel und Schuld werden nach einer<br />

Heißhungerattacke verstärkt erlebt. Da die negativen Emotionen <strong>bei</strong> den bulimischen<br />

Teilnehmerinnen schon vor der Essattacke hohe Ausprägungen erreichen, können<br />

<strong>bei</strong> den übrigen fünf negativen Affekten keine signifikanten Steigerungen registriert<br />

werden.<br />

In der gesunden Kontrollgruppe lassen sich keine signifikanten Zunahmen der<br />

negativen Affekte nach einem Essanfall feststellen. Die Heißhungeranfälle treten in<br />

dieser Gruppe in relativ neutralen Situationen auf und tragen nicht zu einer<br />

Regulierung der Gefühlszustände <strong>bei</strong>.


94<br />

Eine deutliche Verringerung des negativen Affekts durch das Erbrechen konnte in<br />

der vorliegenden Untersuchung nicht nachgewiesen werden. Tendenziell werden die<br />

Wut und die Verachtung herabreguliert, diese Unterschiede sind jedoch statistisch<br />

nicht bedeutsam.<br />

In der gesunden Kontrollgruppe tritt eine Verringerung aller negativen Emotionen, mit<br />

Ausnahme der Scham, im Anschluss an die gegenregulatorischen Maßnahmen auf.<br />

Außerdem kommt es zu einer signifikanten Steigerung der Freude.<br />

In allen Skalen des Essstörungs-Inventar treten deutliche Unterschiede zwischen der<br />

klinischen Patienten- und der gesunden Kontrollgruppe auf. Die Bulimikerinnen<br />

weisen stärker ausgeprägte spezifische Essstörungssymptome auf als die<br />

Teilnehmerinnen der Vergleichsgruppe.<br />

Ein störungsspezifischer Zusammenhang zwischen der affektiven Lage der<br />

bulimischen Stichprobe vor dem Bingeing und der durch das ESI erfassten<br />

Persönlichkeitsstruktur ließ sich nicht nachweisen.<br />

Unterschiede in der Persönlichkeitsorganisation konnten zwischen den <strong>bei</strong>den<br />

Untersuchungsstichproben aufgezeigt werden. Die Bulimikerinnen erzielten in allen<br />

Bereichen des Borderline-Persönlichkeits-Inventars höhere Werte als die<br />

pathologisch unauffällige Vergleichsgruppe.


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104<br />

Anhang 1<br />

Informationsschreiben für die Patientinnen der<br />

Paracelsus Wittekindklinik


105<br />

Liebe/ Lieber Patientin / Patient,<br />

im Rahmen meiner Diplomar<strong>bei</strong>t möchte ich, als Psychologiestudentin der Universität<br />

Osnabrück, in Kooperation mit der Paracelsus-Wittekindklinik Bad Essen einige<br />

Daten zur Entstehung von Essstörungen sammeln, um zu einem besseren<br />

Verständnis der Essstörungsproblematik <strong>bei</strong>zutragen.<br />

Ich möchte Sie bitten, dazu am Wochenende nach Ihrer Aufnahme in die Klinik einige<br />

Fragebögen zu beantworten. Wir treffen uns dazu zur vereinbarten Uhrzeit am<br />

Empfang.<br />

Bei der Bear<strong>bei</strong>tung der verschiedenen Fragebögen werden Sie auf verschiedene<br />

Fragen treffen, die teilweise sehr spezifisch Ihre Essstörungsproblematik behandeln,<br />

teilweise wird es sich aber auch um allgemeine Fragen handeln, z.B. zu ihrem<br />

Erleben, zu Ihren Einstellungen oder allgemeinen Gewohnheiten. All diese Fragen<br />

sind wichtig, um ein umfassendes Bild zu bekommen. Aus diesem Grund möchte ich<br />

Sie bitten, alle Fragen sorgfältig zu beantworten. Falls Sie Fragen haben, können Sie<br />

sich gerne direkt an mich wenden.<br />

Ich unterliege – wie auch Ihr Therapeut – der Schweigepflicht, d.h. es werden<br />

keinerlei Daten weitergegeben. Um die Anonymität Ihrer Antworten zu gewährleisten,<br />

werden die Fragebögen kodiert, das bedeutet, anstelle Ihres Namens enthalten die<br />

Fragebögen, die Sie beantworten, einen Patientencode.<br />

Ich bedanke mich für Ihre Bereitschaft, an dieser Untersuchung teilzunehmen.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Karina Günther


106<br />

Anhang 2<br />

Informationsschreiben für die Patientinnen der<br />

Klinik am Korso Bad Oeynhausen


107<br />

Liebe/ Lieber Patientin/ Patient<br />

Ich heiße Karina Günther und studiere Psychologie an der Universität Osnabrück.<br />

Zum Abschluss meines Studiums schreibe ich meine Diplomar<strong>bei</strong>t zum Thema<br />

Emotionsregulation <strong>bei</strong> <strong>Bulimia</strong> <strong>Nervosa</strong>. Ich möchte untersuchen, ob die Essanfälle<br />

und die Gegenmaßnahmen zur Regulierung der Gefühle <strong>bei</strong>tragen. Deshalb führe<br />

ich an der Klinik am Korso eine Untersuchung durch.<br />

Ich würde mich freuen, wenn Sie Interesse an dem Thema hätten und sich samstags<br />

im Anschluss an das Therapieangebot für die Untersuchung zur Verfügung stellen<br />

würden.<br />

Die Untersuchung umfasst 3 Fragebogen, die Sie ausfüllen müssten, wo<strong>bei</strong> der<br />

zeitliche Aufwand <strong>bei</strong> knapp 1 ½ Stunden liegen würde.<br />

Während der Beantwortung der Fragebogen werde ich anwesend sein, um für<br />

etwaige Fragen zur Verfügung zu stehen.<br />

Selbstverständlich werden die Daten anonym behandelt, ihr Name wird an keiner<br />

Stelle in der Ar<strong>bei</strong>t erwähnt werden.<br />

Ich werde am …… das nächste Mal in der Klinik sein zur Verteilung der Fragebögen.<br />

Ich bedanke mich für Ihre Bereitschaft, an dieser Untersuchung teilzunehmen.<br />

Mit freundlichen Grüßen<br />

Karina Günther


108<br />

Anhang 3<br />

Essstörungs-Beschreibungsbogen


109<br />

Anhang F:<br />

Eßstörungs-Beschreibungs-Bogen<br />

Bitte geben Sie hier die <strong>bei</strong> Ihnen gestellte Diagnose an:_____________________________<br />

A) Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer für Sie typischen Situation, in der sie versuchen<br />

eine Gewichtsregulation vorzunehmen (z.B. durch Erbrechen, exzessive körperliche Betätigung,<br />

Abführmittel, Diät halten, etc.). Bitte beschreiben Sie möglichst ausführlich diese Situation. Die<br />

folgenden Fragen sollen als Hilfe dienen:<br />

1. Ist etwas Bestimmtes vorgefallen, bevor Sie versucht haben, eine Gewichtsregulation<br />

vorzunehmen (z.B. ein Streit, in den Spiegel geschaut,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

____________________________________________________<br />

2. Was haben Sie getan, bevor sie eine Gewichtsregulation vorgenommen haben?<br />

(z.B. gegessen, gekocht, geschlafen, unterhalten...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________<br />

3. Mit welchen Personen hatten sie Kontakt, bevor Sie angefangen haben, Ihr Gewicht zu<br />

regulieren (z.B. Mutter, Partner/in, Ar<strong>bei</strong>tskollege,...) oder waren Sie allein?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________<br />

4. Gehen Ihnen bestimmte Gedanken durch den Kopf, bevor sie anfangen, Ihr Gewicht zu<br />

regulieren (z.B. an eine bestimmte Person, ein bestimmtes Ereignis,..)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________


110<br />

5. Wie fühlen Sie sich, bevor Sie eine Gewichtsregulation vornehmen? Kreuzen Sie bitte an, ob<br />

Sie sich in der angegebenen Weise gefühlt oder verhalten haben.<br />

gar nicht wenig mittel stark sehr stark<br />

aufmerksam 1 2 3 4 5<br />

vergnügt 1 2 3 4 5<br />

überrascht 1 2 3 4 5<br />

niedergeschlagen 1 2 3 4 5<br />

wütend 1 2 3 4 5<br />

angewidert 1 2 3 4 5<br />

verachtungsvoll 1 2 3 4 5<br />

erschreckt 1 2 3 4 5<br />

gehemmt 1 2 3 4 5<br />

reumütig 1 2 3 4 5<br />

konzentriert 1 2 3 4 5<br />

erfreut 1 2 3 4 5<br />

erstaunt 1 2 3 4 5<br />

traurig 1 2 3 4 5<br />

ärgerlich 1 2 3 4 5<br />

angeekelt 1 2 3 4 5<br />

spöttisch 1 2 3 4 5<br />

ängstlich 1 2 3 4 5<br />

verschämt 1 2 3 4 5<br />

schuldig 1 2 3 4 5<br />

wach 1 2 3 4 5<br />

fröhlich 1 2 3 4 5<br />

verblüfft 1 2 3 4 5<br />

entmutigt 1 2 3 4 5<br />

zornig 1 2 3 4 5<br />

abgestoßen 1 2 3 4 5<br />

geringschätzend 1 2 3 4 5<br />

furchtsam 1 2 3 4 5<br />

verlegen 1 2 3 4 5<br />

tadelnswert 1 2 3 4 5<br />

müde 1 2 3 4 5<br />

frustriert 1 2 3 4 5<br />

aufgeregt 1 2 3 4 5<br />

gelangweilt 1 2 3 4 5<br />

einsam 1 2 3 4 5<br />

glücklich 1 2 3 4 5<br />

erschöpft 1 2 3 4 5<br />

unentschlossen 1 2 3 4 5<br />

angespannt 1 2 3 4 5<br />

SonstigeGefühle________________________________________________________<br />

______________________________________________________________________


111<br />

6. An welchem Ort befinden Sie sich, wenn Sie Ihr Gewicht regulieren (z.B. Bad/Toilette,<br />

Küche, eigenes Zimmer,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

7. Sind Sie allein? Welche anderen Personen sind <strong>bei</strong> Ihnen?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

8. Welche Gedanken gehen Ihnen während der Gewichtsregulation durch den Kopf (z.B. „ich<br />

habe zu viele Kalorien zu mir genommen“, „ich bin zu dick“,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

9. Haben Sie bestimmte Körperempfindungen, bevor Sie anfangen, Ihr Gewicht zu regulieren<br />

(z.B. Magenschmerzen, allgemeines Unbehagen,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

10. Traten diese Empfindungen erst auf, nachdem Sie zum ersten Mal versuchten Ihr Gewicht<br />

zu regulieren?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

11. Verspüren Sie einen inneren Drang oder Impuls, Ihr Gewicht zu regulieren? Wenn ja, wie<br />

äußert sich dieser Drang (Gedanken, Gefühle,...)?<br />

Bitte beschreiben Sie dies in eigenen Worten.<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________


112<br />

12. Sind Sie sich während der Gewichtsregulation Ihrer Handlung bewußt, oder sind Sie eher<br />

geistig abwesend?<br />

Ich konzentriere mich auf die Gewichtsregulation und bin<br />

mir meiner Handlung bewußt.<br />

Ich bin mir im Moment der Gewichtsregulation meiner<br />

Handlung nicht bewußt.<br />

Ich schwanke zwischen bewußter und unbewußter<br />

Gewichtsregulation hin und her.<br />

Wenn ich anfange mein Gewicht zu regulieren, mache ich es<br />

unbewußt. Im Laufe der Zeit wird mir mein Handeln aber<br />

dann bewußt und ich konzentriere mich darauf.<br />

Ich bin mir über mein Handeln bewußt, wenn ich anfange<br />

mein Gewicht zu regulieren. Während der<br />

Gewichtsregulation schweife ich dann in Gedanken von der<br />

Handlung ab und konzentriere mich nicht mehr darauf.<br />

Trifft zu<br />

Trifft nicht zu<br />

Können Sie den geistigen Zustand, in dem Sie sich während der Gewichtsregulation befinden,<br />

mit eigenen Worten näher beschreiben?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

13. Benutzen Sie Hilfsmittel zur Gewichtsregulation?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

14. Auf welche Art führen Sie die Gewichtsregulation durch und wie oft?<br />

Exzessiver Sport<br />

Erbrechen<br />

Diät halten<br />

Abführmittel, Einläufe...<br />

sonstige Arten:____________<br />

________________________<br />

Wie häufig am Tag?<br />

Wie oft in der Woche?<br />

15. Was empfinden Sie (körperlich), während Sie eine Gewichtsregulation vornehmen (z.B.<br />

angenehmes Gefühl, Ekel, Schmerz,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________


113<br />

16. Wie reagiert Ihr Körper auf die Gewichtsregulation (z.B. Übelkeit, Magenschmerzen,<br />

Erschöpfung,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

________________________________________________________________<br />

17. Welche Gefühle haben Sie nach der Gewichtsregulierung?<br />

gar nicht wenig mittel stark sehr stark<br />

aufmerksam 1 2 3 4 5<br />

vergnügt 1 2 3 4 5<br />

überrascht 1 2 3 4 5<br />

niedergeschlagen 1 2 3 4 5<br />

wütend 1 2 3 4 5<br />

angewidert 1 2 3 4 5<br />

verachtungsvoll 1 2 3 4 5<br />

erschreckt 1 2 3 4 5<br />

gehemmt 1 2 3 4 5<br />

reumütig 1 2 3 4 5<br />

konzentriert 1 2 3 4 5<br />

erfreut 1 2 3 4 5<br />

erstaunt 1 2 3 4 5<br />

traurig 1 2 3 4 5<br />

ärgerlich 1 2 3 4 5<br />

angeekelt 1 2 3 4 5<br />

spöttisch 1 2 3 4 5<br />

ängstlich 1 2 3 4 5<br />

verschämt 1 2 3 4 5<br />

schuldig 1 2 3 4 5<br />

wach 1 2 3 4 5<br />

fröhlich 1 2 3 4 5<br />

verblüfft 1 2 3 4 5<br />

entmutigt 1 2 3 4 5<br />

zornig 1 2 3 4 5<br />

abgestoßen 1 2 3 4 5<br />

geringschätzend 1 2 3 4 5<br />

furchtsam 1 2 3 4 5<br />

verlegen 1 2 3 4 5<br />

tadelnswert 1 2 3 4 5<br />

müde 1 2 3 4 5<br />

frustriert 1 2 3 4 5<br />

aufgeregt 1 2 3 4 5<br />

gelangweilt 1 2 3 4 5<br />

einsam 1 2 3 4 5<br />

glücklich 1 2 3 4 5<br />

erschöpft 1 2 3 4 5<br />

unentschlossen 1 2 3 4 5<br />

angespannt 1 2 3 4 5<br />

Sonstige Gefühle______________________________________________________________


114<br />

18. Wie wird die Gewichtsregulierung beendet (z.B. Unterbrechung durch andere Personen,<br />

Bewußtwerden der Handlung, bestimmte Gedanken “Halt, Stop“, unerwünschte<br />

Gefühle,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

19. Welche Gedanken haben Sie nach der Gewichtsregulierung (z.B. „Hoffentlich bin ich alles<br />

wieder los, was ich zu mir genommen habe“,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

20. Haben Sie durch Ihre Gewichtsregulierung ein bestimmtes Ziel erreicht (z.B. aufgenommene<br />

Kalorien wieder los geworden, ein angenehmeres Gefühl,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

21. Welche Auswirkungen haben die gewichtsregulierenden Maßnahmen Ihrer Meinung nach<br />

auf Ihr alltägliches Leben (z.B. nicht mit Freunden Essen gehen,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

22. Welche Auswirkungen haben die gewichtsregulierenden Maßnahmen Ihrer Meinung nach<br />

auf Ihr zukünftiges Leben?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

23. Was tun Sie, um Ihre Gewichtsveränderung zu verheimlichen (z.B. weite Kleidung<br />

tragen,..)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________


115<br />

24. Was würde sich in Ihrem Leben ändern, wenn Sie nicht mehr versuchen würden Ihr<br />

Gewicht zu regulieren?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

____________________________________________________<br />

25. Wie würde sich die Beziehung zu anderen Menschen ändern, wenn Sie keine Maßnahmen zu<br />

Gewichtsregulation mehr einsetzen würden?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________<br />

26. Fehlt Ihrer Meinung nach eine wichtige Fragestellung oder haben Sie sonstige<br />

Anmerkungen in bezug auf Ihre Erkrankung?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

________________________________________________________________


116<br />

B) Diese Fragestellungen nun beziehen sich auf die Situation eines Eßanfalls. Falls Sie<br />

Eßattacken haben, d.h. eine unwiderstehliche Gier nach Nahrungsmitteln verspüren, und<br />

Phasen haben, <strong>bei</strong> denen Sie in sehr kurzer Zeit, sehr große Mengen an Nahrung konsumieren,<br />

dann beantworten Sie bitte kurz noch die folgenden Fragen:<br />

27. Welche Gefühle haben Sie vor einem Eßanfall?<br />

gar nicht wenig mittel stark sehr stark<br />

aufmerksam 1 2 3 4 5<br />

vergnügt 1 2 3 4 5<br />

überrascht 1 2 3 4 5<br />

niedergeschlagen 1 2 3 4 5<br />

wütend 1 2 3 4 5<br />

angewidert 1 2 3 4 5<br />

verachtungsvoll 1 2 3 4 5<br />

erschreckt 1 2 3 4 5<br />

gehemmt 1 2 3 4 5<br />

reumütig 1 2 3 4 5<br />

konzentriert 1 2 3 4 5<br />

erfreut 1 2 3 4 5<br />

erstaunt 1 2 3 4 5<br />

traurig 1 2 3 4 5<br />

ärgerlich 1 2 3 4 5<br />

angeekelt 1 2 3 4 5<br />

spöttisch 1 2 3 4 5<br />

ängstlich 1 2 3 4 5<br />

verschämt 1 2 3 4 5<br />

schuldig 1 2 3 4 5<br />

wach 1 2 3 4 5<br />

fröhlich 1 2 3 4 5<br />

verblüfft 1 2 3 4 5<br />

entmutigt 1 2 3 4 5<br />

zornig 1 2 3 4 5<br />

abgestoßen 1 2 3 4 5<br />

geringschätzend 1 2 3 4 5<br />

furchtsam 1 2 3 4 5<br />

verlegen 1 2 3 4 5<br />

tadelnswert 1 2 3 4 5<br />

müde 1 2 3 4 5<br />

frustriert 1 2 3 4 5<br />

aufgeregt 1 2 3 4 5<br />

gelangweilt 1 2 3 4 5<br />

einsam 1 2 3 4 5<br />

glücklich 1 2 3 4 5<br />

erschöpft 1 2 3 4 5<br />

unentschlossen 1 2 3 4 5<br />

angespannt 1 2 3 4 5<br />

Sonstige Gefühle______________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________


117<br />

28. Wie oft treten diese Eßattacken auf (z.B. mehrmals wöchentlich, einmal im Monat,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

29. Beschreiben Sie möglichst genau den Ablauf einer Eßattacke, mit Planung, Vorbereitung,<br />

welche Mengen an Nahrung/Kalorien, Ort etc...<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

______________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

______________________________________________<br />

____________________________________________________________________________<br />

30. Verheimlichen Sie diese Eßattacken und wenn ja, wie machen Sie das (z.B. nachts essen,...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

31. Was denken und fühlen Sie während eines Eßanfalls?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________<br />

____________________________________________________________________________<br />

32. Was tun sie nach einem Eßanfall (z.B. schlafen, körperlich betätigen, grübeln...)?<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________________________________<br />

__________________________________________________________


118<br />

33. Welche Gefühle haben Sie nach einem Eßanfall?<br />

gar nicht wenig mittel stark sehr stark<br />

aufmerksam 1 2 3 4 5<br />

vergnügt 1 2 3 4 5<br />

überrascht 1 2 3 4 5<br />

niedergeschlagen 1 2 3 4 5<br />

wütend 1 2 3 4 5<br />

angewidert 1 2 3 4 5<br />

verachtungsvoll 1 2 3 4 5<br />

erschreckt 1 2 3 4 5<br />

gehemmt 1 2 3 4 5<br />

reumütig 1 2 3 4 5<br />

konzentriert 1 2 3 4 5<br />

erfreut 1 2 3 4 5<br />

erstaunt 1 2 3 4 5<br />

traurig 1 2 3 4 5<br />

ärgerlich 1 2 3 4 5<br />

angeekelt 1 2 3 4 5<br />

spöttisch 1 2 3 4 5<br />

ängstlich 1 2 3 4 5<br />

verschämt 1 2 3 4 5<br />

schuldig 1 2 3 4 5<br />

wach 1 2 3 4 5<br />

fröhlich 1 2 3 4 5<br />

verblüfft 1 2 3 4 5<br />

entmutigt 1 2 3 4 5<br />

zornig 1 2 3 4 5<br />

abgestoßen 1 2 3 4 5<br />

geringschätzend 1 2 3 4 5<br />

furchtsam 1 2 3 4 5<br />

verlegen 1 2 3 4 5<br />

tadelnswert 1 2 3 4 5<br />

müde 1 2 3 4 5<br />

frustriert 1 2 3 4 5<br />

aufgeregt 1 2 3 4 5<br />

gelangweilt 1 2 3 4 5<br />

einsam 1 2 3 4 5<br />

glücklich 1 2 3 4 5<br />

erschöpft 1 2 3 4 5<br />

unentschlossen 1 2 3 4 5<br />

angespannt 1 2 3 4 5<br />

Sonstige Gefühle______________________________________________________________

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