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Grundzüge der Rechtsphilosophie und der Juristischen Methoden ...

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mit „Rechtswissenschaft“). Zwar waren die Richter weiterhin Laien, die Zivilprozesse wurden<br />

aber durch einen eigenen Beamten, den Prätor, vorbereitet. Unter seiner Führung <strong>und</strong><br />

aufgr<strong>und</strong> seiner amtlichen Autorität hatten die streitenden Parteien sich auf eine „formula“<br />

zu einigen, die den rechtlichen Rahmen für die anschließende Verhandlung vorgab – daher<br />

<strong>der</strong> Name „Formularprozeß“.<br />

Nach heutigen Maßstäben entschied <strong>der</strong> Prätor über die Zulässigkeit <strong>der</strong> Klage, das zuständige<br />

Gericht <strong>und</strong> die statthafte Klageart <strong>und</strong> damit über die prozessualen Essentialia, für die<br />

er professioneller juristischer Kompetenz bedurfte, während die beweiswürdigende Aufarbeitung<br />

<strong>der</strong> Tatsachen den Laienrichtern überlassen wurde. Die Gr<strong>und</strong>sätze, nach denen <strong>der</strong><br />

Prätor Klagen in seinem jeweiligen Amtsjahr zulassen wollte, wurden in einem Edikt verkündet,<br />

das von seinen Nachfolgern übernommen wurde. Die prätorischen Edikte enthielten<br />

so eine Sammlung des tatsächlich geltenden, praktisch angewandten Rechts. Beraten wurden<br />

die Prätoren von den „iuris consulti“, den Rechtsgelehrten, die insbeson<strong>der</strong>e als<br />

„Respondierjuristen“ wissenschaftlich begründete Antworten (responsa) auf Anfragen erteilten.<br />

„Es war für die Entwicklung des römischen Rechts nun von großer Bedeutung, daß sich<br />

stets genügend Nobiles als Rechtsberater fanden; doch war <strong>der</strong> gelehrte Nachwuchs vor allem<br />

dadurch gesichert, daß die Tätigkeit des Rechtsgelehrten als standesgemäß galt“ (Jochen<br />

Bleicken, Die Verfassung <strong>der</strong> Römischen Republik, 8. Aufl., S. 145). Die von je<strong>der</strong> Juristengeneration<br />

zu wie<strong>der</strong>holende Rezeption (Aneignung) des römischen Rechts, die mit <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>entdeckung<br />

<strong>der</strong> Kodifikation Justinians im 11./12. Jahrhun<strong>der</strong>t begann, <strong>und</strong> mit ihr die<br />

Pflege <strong>der</strong> über Jahrhun<strong>der</strong>te einheitlichen europäischen Gelehrtensprache könnte noch immer<br />

als standesgemäß gelten, wenn man in Schulen <strong>und</strong> Universitäten nicht alles nach unten<br />

nivelliert <strong>und</strong> das Latinum als Voraussetzung des Jurastudiums nicht abgeschafft hätte.<br />

Zur Menschenwürde<br />

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Nicht erst die feierliche Formulierung bringt die<br />

Beson<strong>der</strong>heit dieses Satzes zum Ausdruck, son<strong>der</strong>n schon seine Stellung als Eingangssatz<br />

des Gr<strong>und</strong>gesetzes. Die Eigenschaft, <strong>der</strong> erste Satz <strong>der</strong> Verfassung zu sein, hebt ihn aus <strong>der</strong><br />

Masse <strong>der</strong> Normsätze unserer Rechtsordnung heraus. Seine Singularität spricht für die Exklusivität<br />

seines Sinnes o<strong>der</strong> kurz: für seinen Eigen-Sinn. Nach Theodor Heuss, dem späteren<br />

ersten B<strong>und</strong>espräsidenten, formuliert Art. 1 I 1 GG eine „nicht interpretierte These“. Eine<br />

„These“ ist eine Setzung, die eine Behauptung aufstellt, sie aber selbst nicht begründet. Mit<br />

Pico della Mirandola (1463-1494) kann man noch heute sagen, <strong>der</strong> Mensch sei „plastes et<br />

fictor“ – schöpferischer Gestalter – seiner selbst, pointiert: er verfüge über „Entwurfsvermögen“<br />

(zum ideengeschichtlichen Hintergr<strong>und</strong>: Band 1 <strong>der</strong> Reihe POLITIKA, hrsg. von Rolf<br />

Gröschner <strong>und</strong> Oliver Lembcke: Des Menschen Würde – entdeckt <strong>und</strong> erf<strong>und</strong>en im Humanismus<br />

<strong>der</strong> italienischen Renaissance, 2008, insbes. S. 159 ff. <strong>und</strong> S. 215 ff.). Da dieses „Vermögen“<br />

thetisch o<strong>der</strong> quasi-axiomatisch vorausgesetzt (unterstellt) wird, <strong>und</strong> eine reine (definitorisch<br />

zugesprochene) Potentialität zum Ausdruck bringt, ist es in <strong>der</strong> Tat „unantastbar“.<br />

Als „Konstitutionsprinzip“ (BVerfG) f<strong>und</strong>iert es die Menschenrechte (Art. 1 II GG), die<br />

als Gr<strong>und</strong>rechte alle staatliche Gewalt binden (Art. 1 III GG). In liberal-rechtsstaatlicher Tradition<br />

sind Gr<strong>und</strong>rechte zwar unstreitig Abwehrrechte gegen den Staat, ebenso unstreitig<br />

sind sie in demokratisch-republikanischer Funktion aber auch politische Mitwirkungs- <strong>und</strong><br />

Gestaltungsrechte. Ernsthaft freiheitsphilosophisch konzipiert, haben die Freiheitsgr<strong>und</strong>rechte<br />

daher sowohl limitierende als auch legitimierende Funktion. Sie bilden den Gr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> die Grenze <strong>der</strong> freiheitlichen Ordnung des Gr<strong>und</strong>gesetzes. Deren tragende Prinzipien<br />

o<strong>der</strong> Konstitutionsprinzipien sind Menschenwürde <strong>und</strong> Republik: das Republikprinzip konstituiert<br />

die Freiheit aller, das Menschenwürdeprinzip die Freiheit aller Einzelnen (Rolf<br />

Gröschner/Oliver Lembcke, Ethik <strong>und</strong> Recht, in: Nikolaus Knoepffler u.a., Einführung in die<br />

Angewandte Ethik, 2006, S. 60).

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