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Grundzüge der Rechtsphilosophie und der Juristischen Methoden ...

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Professor Dr. Rolf Gröschner Sommersemester 2013<br />

<strong>Gr<strong>und</strong>züge</strong> <strong>der</strong> <strong>Rechtsphilosophie</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong> <strong>Juristischen</strong><br />

<strong>Methoden</strong>- <strong>und</strong> Argumentationslehre<br />

Texte zu § 7<br />

Zur republikanischen Freiheit aller<br />

Da Freiheit we<strong>der</strong> wie ein körperlicher Gegenstand „begriffen“ noch wie ein ökonomisches<br />

Gut „gehandelt“ werden kann, sollte <strong>der</strong> philosophische Zugriff nicht über die Kategorie des<br />

„Habens“, son<strong>der</strong>n über die des „Seins“ erfolgen. Frei zu „sein“, heißt deshalb (existenz-)<br />

philosophisch schon immer: Freiheit nicht „haben“ zu wollen, son<strong>der</strong>n sie je <strong>und</strong> je leben,<br />

erleben <strong>und</strong> einsetzen zu müssen. Das gilt sowohl für die persönliche (individuelle o<strong>der</strong> subjektive)<br />

als auch für die politische (allgemeine o<strong>der</strong> objektive) Freiheit. Um diese beiden<br />

Freiheitsformen so strikt wie möglich voneinan<strong>der</strong> zu unterscheiden <strong>und</strong> jede Verwechslung<br />

auszuschließen, kann man in rechts- <strong>und</strong> staatsphilosophischen Zusammenhängen von<br />

rechtlichen Freiheiten (im Plural) <strong>und</strong> von politischer Freiheit (im Singular) sprechen. Die<br />

politische o<strong>der</strong> (synonym) republikanische Freiheit kann dann noch zusätzlich mit dem Prädikat<br />

„große“ Freiheit versehen werden, um sie gegenüber den „kleinen“ Freiheiten von<br />

Rechtssubjekten (insbeson<strong>der</strong>e Gr<strong>und</strong>rechtsträgern), <strong>der</strong>en F<strong>und</strong>ament sie ist, auszuzeichnen.<br />

„F<strong>und</strong>ament“ ist dabei die metaphorische Fassung des Begriffs „Legitimationsbasis“<br />

(o<strong>der</strong> „Rechtfertigungsgr<strong>und</strong>“). Ergänzt um die Menschenwürde als Konstitutionsprinzip<br />

<strong>der</strong> Menschenrechte ergibt sich <strong>der</strong> bereits bekannte Satz: „das Republikprinzip konstituiert<br />

die Freiheit aller, das Menschenwürdeprinzip die Freiheit aller Einzelnen“ (Texte zu § 4 am<br />

Ende).<br />

Die maßgeblichen Theoretiker <strong>der</strong> großen Freiheit dürfen nicht gegeneinan<strong>der</strong> ausgespielt,<br />

son<strong>der</strong>n sollten in ihrer jeweiligen Akzentsetzung aufeinan<strong>der</strong> bezogen werden: Kants Akzent<br />

liegt auf <strong>der</strong> nicht-empirischen (transzendentalphilosophischen) Begründung <strong>der</strong> Freiheit<br />

moralischer Persönlichkeiten, die sich die (ethischen <strong>und</strong> juridischen) Gesetze ihres<br />

Handelns aus Gründen <strong>der</strong> reinen Vernunft selbst geben müssen, weil sie an<strong>der</strong>nfalls<br />

fremdbestimmt <strong>und</strong> damit nicht frei (autonom) wären. Rousseau begründet dieses Ergebnis<br />

nicht mit <strong>der</strong> reinen, son<strong>der</strong>n mit <strong>der</strong> politischen Vernunft, genauer, mit <strong>der</strong> politischen Existenzweise<br />

von citoyens, die ihre subjektiven Freiheiten in <strong>der</strong> objektiven Freiheitsordnung<br />

einer Republik bestens aufgehoben wissen. Hegel schließlich bestimmt diese „Aufhebung“<br />

<strong>der</strong> Einzelfreiheiten im politischen Staat dialektisch <strong>und</strong> bringt damit auf seine Art die Abhängigkeit<br />

einer freiheitlichen Verfassung von einer freiheitlichen Gesinnung ihrer Bürger<br />

als Verfassungspatriotismus zum Ausdruck („Patriotismus“: § 268). Für Verfassungspatrioten<br />

ist die Freiheit aller keine Frage des Habens, son<strong>der</strong>n eine Frage des Seins (<strong>und</strong> damit<br />

stets auch des Werdens).<br />

Zu den gr<strong>und</strong>rechtlichen Freiheiten Einzelner<br />

Der erste Abschnitt des Gr<strong>und</strong>gesetzes (Art. 1 bis 19 GG) trägt die Überschrift „Die Gr<strong>und</strong>rechte“.<br />

Allein <strong>der</strong>en Aufzählung zeigt die Pluralität <strong>der</strong> Freiheiten, die dort gewährleistet<br />

werden: Freie Entfaltung <strong>der</strong> Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1), Glaubens-, Gewissens- <strong>und</strong> Bekenntnisfreiheit<br />

(Art. 4 Abs. 1), Meinungs- <strong>und</strong> Informations-, Presse- <strong>und</strong> R<strong>und</strong>funkfreiheit<br />

(Art. 5 Abs. 1), Freiheit <strong>der</strong> Kunst <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wissenschaft (Art. 5 Abs. 3), Schutz von Ehe <strong>und</strong><br />

Familie (Art. 6 Abs. 1), Gewährleistung <strong>der</strong> Elternverantwortung (Art. 6 Abs. 2) auch in <strong>der</strong><br />

Schule (Art. 7), Versammlungs- <strong>und</strong> Vereinigungsfreiheit (Art. 8 <strong>und</strong> 9), Unverletzlichkeit<br />

des Brief-, Post- <strong>und</strong> Fernmeldegeheimnisses (Art. 10) sowie <strong>der</strong> Wohnung (Art. 13), Berufsfreiheit<br />

(Art. 12 Abs. 1), Gewährleistung des Eigentums <strong>und</strong> des Erbrechts (Art. 14 Abs. 1),<br />

Asyl- <strong>und</strong> Petitionsrecht (Art. 16 a <strong>und</strong> 17), freier Zugang zu staatlichen Gerichten (Art. 19<br />

Abs. 4). Darunter sind individuelle Freiheiten wie die Meinungsfreiheit, von denen man so-

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