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Grundzüge der Rechtsphilosophie und der Juristischen Methoden ...

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allgemeine Problem <strong>der</strong> Norm in <strong>der</strong> Zeit. [. . .]. Die Bildung <strong>der</strong> Fallnorm beruht also auf<br />

einer Unterbrechung (Sistierung) des hermeneutischen Zirkels an einer bestimmten Stelle<br />

des Erkenntnisgangs zwischen Norm <strong>und</strong> Sachverhalt. Besteht die Aufgabe darin, aus einer<br />

Gesetzesnorm die Fallnorm herauszupräparieren, dann ist <strong>der</strong> ‚Zirkel‘ desto kürzer, je präziser<br />

das Gesetz ist. Je weiter die gesetzliche Norm gefaßt ist, desto mehr ‚Windungen‘ weist<br />

die – sich zum Punkt (dem ‚Umkehrpunkt‘) verengende – ‚hermeneutische Spirale‘ auf. Die<br />

Fallnorm ist das, was vom hermeneutischen Zirkel bleibt, wenn man ihn abbricht“.<br />

Friedrich Müller, Juristische Methodik, 7. Aufl. 1997, S. 79: „Noch immer ist allerdings die<br />

Meinung, Norm <strong>und</strong> Normtext seien dasselbe, weit verbreitet. Sie muß auch noch in <strong>der</strong> verfassungsrechtlichen<br />

Methodik als herrschend bezeichnet werden. Unter ‚<strong>Methoden</strong>‘ des Verfassungsrechts<br />

werden bis heute nicht die tatsächlichen Arbeitsweisen verfassungsrechtlicher<br />

Normkonkretisierung im umfassenden Sinn verstanden, son<strong>der</strong>n vor allem überlieferte<br />

Kunstregeln <strong>der</strong> Normtextinterpretation. Methodik gilt als Methodik <strong>der</strong> Auslegung von<br />

Sprachtexten. Doch ist eine Rechtsnorm mehr als <strong>der</strong> Wortlaut. Dieser drückt, da noch nicht<br />

interpretiert, noch nicht einmal den sogenannten Rechtsbefehl, das Normprogramm, aus.<br />

Gleichrangig <strong>und</strong> mitkonstitutiv zur Norm gehört jedoch auch <strong>der</strong> Normbereich, d.h. jener<br />

Ausschnitt sozialer Wirklichkeit in seiner Gr<strong>und</strong>struktur, den sich das vom Rechtsarbeiter<br />

aus <strong>der</strong> Interpretation sämtlicher Sprachdaten entwickelte Normprogramm als Regelungsbereich<br />

‚ausgesucht‘ (nicht- o<strong>der</strong> nur z.T. rechtserzeugter Normbereich) o<strong>der</strong> den es möglicherweise<br />

erst geschaffen hat (rechtserzeugter Normbereich). ‚Normbereich‘ meint in diesem<br />

Zusammenhang nicht den gesamten Regelungssektor <strong>der</strong> Rechtsnorm, son<strong>der</strong>n nur einen<br />

Ausschnitt aus diesem. ‚Normbereich‘ heißt die Gr<strong>und</strong>struktur des Sachbereichs <strong>der</strong> Rechtsnorm,<br />

also die Summe <strong>und</strong> <strong>der</strong> Zusammenhang <strong>der</strong> vom Juristen anhand des Normprogramms<br />

als mit diesem vereinbar <strong>und</strong> für die Fallösung wesentlich, damit zugleich als<br />

(mit-)normativ begründbaren Tatsachen des Sachbereichs. Da die Norm mehr ist als ein<br />

sprachlicher Satz, <strong>der</strong> auf dem Papier steht, kann ihre ‚Anwendung‘ sich nicht allein in Interpretation,<br />

in Auslegung eines Textes erschöpfen. Vielmehr handelt es sich um fallbezogene<br />

Konkretisierung dessen, was Normprogramm, Normbereich <strong>und</strong> die Eigenheiten des<br />

Sachverhalts an Daten liefern [. . .]. Von wenigen an <strong>der</strong> Grenze liegenden Normtypen wie<br />

numerisch bestimmten Vorschriften abgesehen, ist das formallogische Verfahren des syllogistischen<br />

Schlusses für juristische Konkretisierung nie zureichend“.<br />

Jan Schapp, Hauptprobleme <strong>der</strong> juristischen <strong>Methoden</strong>lehre, 1983, S. 64 f.: „Der Tatbestand<br />

des Gesetzes entwickelt nach unserer Auffassung die Gründe, die den Gesetzgeber zu<br />

einer bestimmten Entscheidung im Hinblick auf einen bestimmten Fall bewogen haben. Dabei<br />

lassen sich diese Gründe nicht vom Fall selbst abstrahieren. Wir hatten das Verhältnis so<br />

aufgefaßt, daß <strong>der</strong> ungelöste Fall über die Gründe seiner Entscheidung sich zur Entscheidung<br />

hin entwickelt [. . .]. Der ‚Fallvergleich‘ liegt nun darin, daß <strong>der</strong> Richter die im Gesetz<br />

für einen bestimmten Fall vorgetragenen Entscheidungsgründe im Hinblick auf den ihm<br />

vorliegenden Fall erwägt [. . .]. Am nächsten kommt man dem Vorgang wohl, wenn man<br />

davon ausgeht, daß <strong>der</strong> Richter mit dem Gesetzgeber in ein Gespräch darüber eintritt, ob die<br />

Entscheidungsgründe des Gesetzgebers für einen bestimmten Fall die richterliche Entscheidung<br />

für den dem Richter vorliegenden Fall zu begründen vermögen. Man möge uns zugestehen,<br />

daß wir von einem ‚Gespräch‘ sprechen, auch wenn <strong>der</strong> Gesetzgeber nur ein stiller<br />

Partner dieses Gesprächs ist 4 “.<br />

4<br />

Was unter Gespräch zu verstehen ist, soll hier nicht vertieft werden. Wir dürfen dazu auf die Untersuchungen<br />

W. Schapps in „Philosophie <strong>der</strong> Geschichten“, Vierter Teil: Das Wort <strong>und</strong> die Geschichte,<br />

S. 267 ff. verweisen. Neuerdings hat Gröschner die Thematik in einer umfassenden Monographie mit<br />

dem Titel „Dialogik <strong>und</strong> Jurisprudenz“ behandelt. Vgl. auch Gadamer, Wahrheit <strong>und</strong> Methode, S. 365,<br />

<strong>der</strong> die Wechselbeziehung zwischen Interpret <strong>und</strong> Text mit <strong>der</strong> Wechselseitigkeit im Gespräch vergleicht<br />

[. . .].<br />

2

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